La Insanguinata Luna von abgemeldet (Blutmond) ================================================================================ Kapitel 3: Offenbarung ---------------------- Liebe Vittoria, verzeih, dass ich diesen Brief so hinterlistig in deiner Kleidung versteckt habe. Wie gern hätte ich dir alles persönlich erklärt, aber ich musste dieses Wissen vor Aro schützen. Bestimmt hat er in deinen Erinnerungen gelesen, so wie ich ihn kenne. Und dieser Brief und sein Inhalt sind zu wertvoll als das er ihn ausspioniert. Sei bitte nicht nachtragend. Ich meine es nur gut mit dir, denn du bist mir, Esme und unserer Familie in den vergangenen Monaten sehr ans Herz gewachsen. Und hiermit möchte ich dir sagen, dass du, wann immer du Zuflucht suchst, zu uns kommen kannst. Wir würden dich gern bei uns aufnehmen. Doch ich schreibe nicht, nur um dir zu sagen, dass du ein immer gern gesehener Gast bei uns sein wirst. Wie du weißt, war ich einmal eine Zeit lang in Volterra beheimatet. Obwohl, eigentlich war ich nicht lang genug dort, um es wirklich meine Heimat nennen zu können. Allerhöchstens eine angenehme Zeit unter Freunden. Denn schon nach dreißig Jahren verließ ich Aro, Marcus und Caius wieder. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Es sind Dinge geschehen, die ich nicht verantworten konnte. Schon damals waren die Volturi sehr strikt in der Einhaltung der Gesetze, die sie gemacht haben und häufiger mal zu ihren Gunsten auslegten. Wer sich nicht an diese ungeschriebenen Gesetze hielt, der wurde gnadenlos bestraft. Doch zunächst musst du meine Geschichte, oder zumindest einen Teil von ihr, kennen, um deine eigene besser zu verstehen und warum ich mich ein wenig schuldig für dein Schicksal mache. Ich wurde in London um 1740 geboren. Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt. Also musste mein Vater mich alleine aufziehen. Er war ein anglikanischer Priester, sehr intolerant gegenüber anderen Religionen und Lebensphilosophien. Außerdem glaubte er fest an die Existenz des Bösen. Regelmäßig wurden unter seiner Leitung vermeintliche Hexen, Werwölfe und Vampire verfolgt und auf Scheiterhaufen verbrannt. Viele Unschuldige starben. Aber ich kann nicht sagen, dass er ein schlechter Mensch war. Er stand hinter seiner Überzeugung. Er war ein strenger Vater und erwartete viel von mir, seinem einzigen Sohn. Dennoch liebte ich ihn. Wie könnte ich auch nicht? Er war schließlich mein Vater. Als er älter wurde, übertrug er mir die Verantwortung für diese Verfolgungen. Doch ich war eine ziemliche Enttäuschung. Ich konnte einfach keine Dämonen sehen, wo keine zu existieren zu schienen. Denn natürlich waren die wahren Kreaturen, die er jagte, nicht so einfach zu fangen. Ich dachte immer meine Geduld, Sorgfalt, Neugier und mein Einfallsreichtum wären die guten Eigenschaften, die ich von ihm geerbt hätte. Und sie waren mir auch immer von großem Nutzen gewesen. Bis zu dieser einen kalten Winternacht, dachte ich das. Ich hatte sehr genau nachgeforscht und entdeckte eine wirkliche Familie von Vampiren. Sie lebten in Londons zwielichtiger Unterwelt und kamen nur bei Nacht aus ihrem Unterschlupf, um zu jagen. Unzählige mussten damals so gelebt haben. Und dieses eine Mal war ich mir sicher, dass ich wirklich Vampire entdeckt hatte. Die Bewohner der Gemeinde meines Vaters versammelten sich mit Mistgabeln, Sensen und Fackeln vor unserer kleinen Kapelle. Sie alle dürsteten danach die Schuldigen für viele ungeklärte Morde zu verbrennen. Also führte ich sie zielstrebig zu der Stelle, an der ich die Vampire die Straße habe verlassen sehen. Der Mob wurde unruhig und wollte schon wieder in seine Häuser zurückkehren, als dann doch noch einer der Vampire aus dem muffigen Kelleraufgang kletterte. Sobald er die wütenden Mitglieder der Gemeinde sah, rief er etwas auf Latein. Ich erkannte es als Latein, weil mein Vater mich oft die Bibel hat lesen lassen. Es gab noch keine Übersetzungen, deshalb musste ich zwingend Latein lernen. Zwei weitere Vampire erschienen auf der Straße und die drei flohen in die dunkle Gasse. Wir folgten ihnen. Ich war 23 und ein schneller Läufer. Ich setzte mich von der Gruppe ab. Die kalte Nachtluft brannte in meinen Lungen und plötzlich sprang mich jemand aus der Dunkelheit heraus an und riss mich zu Boden. Scharfe Zähne gruben sich in meinen Hals. Natürlich schrie ich. Schmerz durchflutete meinen Körper, wie flüssiges Feuer, und der Blutverlust drohte mich umzubringen. Ich wusste nicht, was mit mir geschah. Hinter mir hörte ich den Mob brüllen und sich nähern. Plötzlich ließ mein Angreifer von mir ab. Dann brach die Hölle los. Todesschreie gellten durch die Gasse, als die Kreatur sich selbst verteidigte und die Männer anfiel. Ich lag blutend auf dem Boden und beobachtete das Geschehen. Ich war fast bewusstlos vor Schmerzen und konnte auch nur schwer glauben, was ich da sah. Ein Mensch wandte sich gegen seines gleichen und griff sie an, um ihr Blut zu trinken? Ich hatte immer geglaubt, dass die Monstergeschichten meines Vaters nicht einen Funken Wahrheit enthielten. Aber in dieser Nacht und den folgenden wurde mir klar, dass er unwissentlich Recht gehabt hatte. Um mein eigenes Leben zu retten schleppte ich mich in einen verlassenen Keller, fort von dem Mob, die dem Vampir und das Opfer, was er sich geschnappt hatte, weiter verfolgten. Ich wusste, was mein Vater tun würde. Er würde die Toten verbrennen lassen und alles, was mit dem Monster in Berührung gekommen war, ebenfalls vernichten. Ich kann nur Vermutungen anstellen, wie ich es vollbracht habe die nächsten drei Tage still zu bleiben trotz der Höllenqualen, die ich durchlitt, und nicht entdeckt zu werden. Drei Tage versteckte ich mich zwischen halb verrotteten Kartoffeln, Rattendreck und Spinnen. Und dann war es vorbei. Ganz plötzlich verschwand der Schmerz aus meinen Gliedern. Es dauerte allerdings eine Weile, bis ich bemerkte, dass mein Herz nicht mehr schlug und meine Lungen den Sauerstoff aus der Luft nicht mehr benötigten. Ein unangenehmes Brennen in meiner Kehle verblieb jedoch. Als mir bewusst wurde, was ich geworden war, versank ich in Selbsthass. Ich versuchte mich umzubringen. Wahrscheinlich war ich der einzige Vampir, der das jemals versucht hat. Ich versuchte es auf alle herkömmlichen Methoden, aber natürlich war es vergebens. Ich war so jung, so jung, dass ich eigentlich dem Durst nicht hätte widerstehen können. Mein Instinkt hätte mich dazu bringen müssen zu jagen, aber ich konnte ihn erfolgreich unterdrücken. Ich führte mich nicht in Versuchung, indem ich mich so weit wie möglich von Menschen fernhielt. Je länger ich den Durst unterdrückte, desto schwächer wurde ich. Ich war so wahnsinnig vor Durst, dass ich nicht anders konnte, als ein Rudel Rehe anzufallen, die eines Nachts meinen Weg kreuzten. Meine Stärke kehrte mit ihrem Blut zurück und ich erkannte, dass Menschenblut nicht die einzige Möglichkeit war zu leben, dass ich nicht das Monster werden musste, dass mich verwandelt hatte. Endlich konnte ich meine Träume verwirklichen. Ich studierte und lernte nachts, reiste und plante am Tag. Ich durchschwamm den Kanal und reiste durch Frankreich und den Rest von Europa, wanderte von Universität zu Universität, um zu lernen und meine Bestimmung zu finden. Und so kam ich nach Volterra. Ich studierte in Italien, als ich auf Aro, Marcus und Caius traf. Sie waren zivilisierter als alle anderen Clans, die ich bisher getroffen hatte. Und so entschied ich mich, bei ihnen zu bleiben. Sie versuchten hartnäckig, mich dazu zu bewegen, meine naturgegebene Nahrungsquelle wieder zu verwenden. Aber ich ließ mich nicht überzeugen. Trotzdem blieb ich bei ihnen, um von ihnen zu lernen. Während meiner Zeit in Rom hatte ich flüchtig Bekanntschaft mit einem dort ansässigen Clan gemacht. Bis heute war es wohl die einzige Familie, die auch biologisch miteinander verwandt war und nicht nur Familienbande vortäuschte, wie wir es tun. Das ist der Zeitpunkt, an dem sich unsere Geschichte miteinander verflechtet. Ich habe dich zwar damals nur kurz persönlich getroffen, aber dein Vater berichtete mir ausführlich über dich und deine Gabe in seinen Briefen an mich. Deine Familie wusste auch nicht, dass ich in Volterra Halt gemacht hatte. Die Volturi schenkten euch keine Beachtung, weil sie sich sicher fühlten. Sie waren sich sicher, dass sie, falls sich die Ereignisse doch überschlagen sollten, rechtzeitig in Rom wären. Nun, das waren sie ja auch… Ich weiß nicht, was ich mehr hätte tun können, um das Schreckliche, was sie taten zu verhindern und dir dies alles zu ersparen. Aber ich hätte mehr tun müssen. Du fragst dich zurecht: Wovon redet er? Die Volturi retteten mich vor den Rumänen! Vittoria, es ist nur das, was sie dich haben glauben lassen. Die Rumänen waren zwar schon immer eine Bedrohung für sie, aber zu dem Zeitpunkt, hatten sie deren Clan schon fast ausgerottet. Ich weiß, du willst es wahrscheinlich nicht hören und es wäre auch besser, wüsstest du nichts von der Wahrheit. Aber ich fühle mich verpflichtet dazu. Ganz einfach, weil ich nicht verhindern konnte, dass die Volturi das Gesetz wieder zu ihren Gunsten auslegten und wahrscheinlich zu überhastet handelten. Nach meiner Studienzeit in Rom hielt ich den Kontakt mit deinem Vater Marcello aufrecht. Wir schrieben uns regelmäßig und tauschten unsere Erfahrungen aus. In einem dieser stets vertraulichen Briefe suchte er meinen Rat. Er vertraute mir an, dass ihr euch einem Menschen offenbart hattet, dass deine kleine Schwester sich in einen jungen Künstler verliebt hatte, ihr ihn aber nicht verwandeln konntet. Die Gefahr, ihn umzubringen war einfach zu groß. Ich riet ihm, den Menschen so schnell wie möglich zu einem von uns zu machen, oder jeden Kontakt zu ihm abzubrechen. Denn ich wusste, dass die Volturi nicht lange zögern würden und ein blutiges Urteil fällen würden, bekämen sie Wind von der Sache. Meine Korrespondenz mit Vampiren aus aller Welt war kein Geheimnis in Volterra. Ich ahnte nicht, dass meine Briefe gelesen wurden. Natürlich nicht, ich vertraute Aro und darauf, dass meine Privatsphäre gewahrt bleiben würde. Wie ich mich doch in ihnen täuschte… Aro, Marcus und Caius zögerten nicht und reisten sofort nach Rom. Ihnen folgte der Großteil der Wache. Als ich erfuhr, dass die Oberhäupter fort waren, war mir sofort klar, dass sie keine Gnade walten lassen würden. Auf der Stelle machte ich mich ebenfalls auf den Weg nach Rom. Als ich aber dort ankam, hatte die Wache ihr Werk fast beendet. Zu Stein erstarrt, beobachtete ich, wie sie deinen Bruder Andrea, mit dem ich eine engere Freundschaft begonnen hatte, in Stücke rissen und diese auf einen Scheiterhaufen warfen. Ich werde seinen letzten Blick in meine Augen niemals vergessen. Bis heute kann ich nicht sagen, ob er mir Vorwürfe machte hinter seiner Maske aus Schmerz. Ich für meinen Teil mache mir bis heute Vorwürfe. Als ich endlich aus meiner Starre erwachte, wandte ich mich Aro zu. Mühsam hielt ich meinen Zorn zurück, als ich ihn aufforderte, mir das Geschehen zu erklären. Herablassend sagte er, dass Ungehorsam bestraft werden müsse, ohne Ausnahme, und dass ich froh sein konnte, dass ich nicht auch ein Urteil zu erwarten hätte. Ganz benommen vor Trauer und erneutem Selbsthass, wollte ich auf direktem Wege nach Volterra zurückkehren, meine sieben Sachen packen und die Neue Welt für mich entdecken. Ich hatte schon länger in Erwägung gezogen, die Volturi zu verlassen, weil sie und ich doch zu verschiedene Ansichten vom Leben hatten. Und jetzt war die beste Gelegenheit gekommen, zu gehen. Und dann warst plötzlich du da. Allein und verwirrt standest du aufeinmal in unserer Mitte. Um wenigstens ein wenig meiner Schuld zu begleichen, handelte ich unmittelbar. Noch bevor ein Mitglied der Wache dich angreifen konnte, schloss ich dich in meine Arme. Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre. Du zittertest am ganzen Leib und klammertest dich fest an mir fest. Ich war froh, dass Jane in Volterra zurückgeblieben war und sie dir nicht weh tun konnte. Ich brachte dich zu Aro, Marcus und Caius. Es kam mir vor, als ob sie sich stundenlang beraten würden. Und ich hielt dich die ganze Zeit, all die Zeit. Und endlich wandte Aro sich an uns. Er tischte dir die Lüge auf, dass die Rumänen deine Familie überfallen hätten und sie getötet hätten. Leider waren die Volturi zu spät gekommen, um sie zu retten, aber dich würden sie in ihren Reihen willkommen heißen. Ich konnte nicht fassen, was er erzählte, hielt aber meinen Mund. Wenn ich Einspruch erheben würde, das wusste ich, würden wir beide doch noch auf den Scheiterhaufen enden. Und so begleitete ich die Wache und dich zurück nach Volterra. Dort erklärte ich Aro, Marcus und Caius, dass ich sie verlassen würde und nach Amerika gehen wollte. Sie ließen mich unbehelligt ziehen. Aber ich vergaß nie, was sie deiner Familie angetan haben und was sie dir damit angetan haben. Den Rest meiner Geschichte hast du in den Monaten bei uns erfahren. Ich gebe zu, ich hatte nicht erwartet, dich jemals wieder zu sehen. Dementsprechend überrascht war ich, als du uns einen Besuch abstattetest. Am Ende dieses Briefes kann ich mich nur wiederholen, dass dir das Haus meiner Familie offen stehen wird. Aber handle nicht zu voreilig. Aro hat zwar aus purem Eigennutz gearbeitet und vielleicht möchtest du dich rächen, nun da du die wahren Mörder deiner Familie kennst, aber vergesse nicht wer du bist. Du kennst die Stärken der Wache und dass es unmöglich ist Rachepläne zu schmieden. Falls du es nicht mehr bei ihnen aushältst, kehre ihnen einfach den Rücken. Aber, bitte, versuche nicht, Rache zu üben! Es würde in deinem Tod enden! Ich hoffe, du kannst mir eines Tages meine Taten vergeben. Ich hätte alles getan, um deine Familie zu retten, aber ich war zu leichtgläubig und deswegen habe ich versagt. Ich kann dir nur alles Gute wünschen und hoffen, dass du wie versprochen Kontakt zu uns halten wirst. Dennoch, fühle dich nicht gezwungen dazu. Vale, Carlisle Cullen PS: Esme wünscht dir ebenfalls alles gute und, dass du einen liebevollen Gefährten findest. Sie wünscht sich sehr, dass du uns bald besuchen kommst und, wenn du magst, für immer bei uns bleibst. Ebenfalls übermittle ich Grüße von Edward, Rosalie und Emmett. Kraftlos fielen Vittoria die Seiten aus der Hand. In ihrem Kopf spielte sich die von Carlisle beschriebene Szene wie ein Film ab. Oft hatte sie Aro gefragt, wer der Vampir war, der sie in seinen Armen geborgen hatte, aber er hatte immer nur ausweichend geantwortet und nie konkrete Namen genannt. Jetzt wusste sie, warum. Zitternd sank sie auf den Diwan. Seit Jahrhunderten hatte ihr Herz nicht mehr geschlagen. Jetzt fühlte es sich so an, als ob dort nichts mehr wäre; einfach ein Loch in ihrem Körper. Jetzt kannte sie die Antworten auf all ihre Fragen, die nie von einem der Oberhäupter beantwortet worden waren. Und sie wünschte, sie hätte sie niemals erfahren. Denn jetzt würde die Ehre der Familie und das Andenken an sie verlangen, Rache zu üben. Vendetta…Blutrache. Vittoria würde in ihr Verderben gehen. Aber sie würde es mit Stolz tun… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)