Sanisferry Red von Phoenix_Frost (Aus dem Leben eines verzweifelten Autors) ================================================================================ Kapitel 1: oneshot ------------------ Sanisferry Red Eigentlich ist das Leben als freier Autor ja gar nicht Mal so übel, wenn man von andauerndem Geldmangel, ahnungslosen Kritikern und ihren sinnlosen Bewertungen, KreaTiefs und Abgabefristen absieht. Die Karrierekurve eines Autors ist immer rasant und gefährlich. Und sie verläuft fast immer gleich. Mein erstes Buch war ein Knaller. Es war schneller ausverkauft, als alles andere und nie zuvor hätte ich mir solchen Ruhm träumen lassen. Doch der Traum ging schnell vorbei. Meine Verkaufszahlen sanken mit jedem neuen Buch, es schien, als wenn auch treue Leser plötzlich absprangen und der Verlag machte Druck. Sie wollten einen neuen Verkaufsschlager, einen Knaller, etwas neues, etwas umwerfendes, etwas skandalöses! Also beschloss man, ich solle einen Erotikroman zusammentippen. Ja. Einen Erotikroman. Aus der Sicht einer Frau. Ich habe schon viel geschrieben, von Kinder- und Jugendbüchern bis über Krimis und Abenteuergeschichten. Doch nur die Jugendbücher hatten sich wirklich verkauft. Weil die Themen spannend gewesen waren. Neu für die junge Generation. Doch wie sollte ich die Generation meines Alters wieder auf ein Thema führen, welches für diese nichts neues, unentdecktes war? Ich verzweifelte daran, doch die Redaktion blieb hart. Doch für solche Fälle gab es Lektorinnen. Solche wie die meine. Die, die nun um mich herum wuselte, quietsch fidel, trotz des Trauerlooks, welcher seit Jahren in ihrem Büro vorsässig war. „Ach komm schon! Das kann doch nicht so schwer sein!“ „Doch!“ ich seufzte verzweifelt, „Ach Yuuko…“ „Jaaa?“ Sofort stand sie hinter mir und ich spürte, wie ihre Hände sich sanft auf meine Schultern legten und wenn ich mich leicht zurücklehnte, konnte ich ihren weichen Busen spüren, ihre weibliche Gestalt. Doch das war es einfach noch nicht. „Sag mir, wie ich das anstellen soll!“ „Hmmmm… also als erstes solltest du dich entspannen!“ Ich blickte zu ihr hoch. „Auf diesem… überaus bequemen… Stuhl.“ „Herrgott, nein!“ Ohne Vorwarnung stach sie ihre spitzen Finger hinter meine Schlüsselbeinknochen, ein reissender Schmerz überraschte mich und ich zuckte quietschend nach vorn, um ihr zu entkommen. Aufgebracht stieß sie sich wieder von mir ab und ich konnte die Pfennigabsätze ihrer Schuhe hören, wie sie klapperten, während sie mich umrundete, um sich wieder auf der anderen Seite des Schreibtisches nieder zu lassen. „Wofür war das denn?“ Schockiert hob ich den Kopf, während ich mir an die Schultern griff. Der Schmerz hallte noch nach. „Meine Güte, du bist wirklich total verspannt!“ Sie ignorierte meine Frage voll und ganz, linste nur durch die Glaser ihrer halbgerahmten Brille auf die Papiere, die vor ihr ausgebreitet lagen. „Das… kommt vor, wenn man den ganzen Tag am Schreitisch sitzt.“ Erklärte ich ihr und hob die Augenbrauen. Ich wusste, sie wollte wieder auf irgendetwas hinaus. Worauf auch immer. „Dagegen müssen wir etwas machen!“ Legte sie schließlich fest und ich zog die Augenbrauen noch höher – wenn das denn noch ging. „Du brauchst Entspannung, damit deine Kreativität zurück kommt und du brauchst Inspirationen, Eindrücke!“ „Ja, schon, aber wie soll ich…“ „Warte, ich schreib dir da mal was auf!“ Ohne zu zögern griff meine Lektorin mit ihren schmalen flinken Fingern nach einem der gelben Klebezettel, die sauber auf einem Stapel auf dem Schreibtisch pappten, fingerte sich einen Füllfederhalter aus einem Stifthalter und begann, etwas auf zu kritzeln. Ich seufzte Tonlos und mein Blick glitt durch das Büro, während ich dabei zuhörte, wie sie mit der Tintenfeder über das Papier kratzte. Yuuko hatte Geschmack. Ihr Chef nicht. Und das sah man auch. Dieser gelbe Klebezettelstapel war der einzige Farbklecks in diesem tristen Raum. Alles andere schien farblos zu sein. Der dunkle, graue Teppich, die kahlen weißen Wände, die Magnetpinnwand, der schwarze Schreibtisch und der graue Aktenschrank. Selbst der Desktop auf ihrem Computerbildschirm war weiß. Was für eine trostlose Welt. Da sah nicht einmal der Sonnenschein, der hinter ihr durch das Fenster hinein trat, noch freundlich aus. „Hier, da gehst du hin!“ Ich wandte mich ihr wieder zu und sie zupfte den Zettel vom Stapel, um ihn direkt vor meiner Nase auf die Tischplatte zu pappen. Die signalgelbe Farbe kreischte mir entgegen, zerrissen von schwungvollen schwarzen Buchstaben. Sanisferry Red Spa, Demmingston Road 52. Ich blinzelte. „Ein Spa?“ Irritiert sah ich zu ihr auf und eine Haarsträhne fiel mir ins Gesicht, zog einen diagonalen Strich genau durch sie hindurch. Mit unverwandtem Blick strich sie ihr schwarzweißes Kostüm zurecht, zupfte sich ihre Brille von der Nase und lehnte sich mit den Ellenbogen auf die Tischkante. „Ganz recht.“ „Aber… aber, was soll ich denn da?“ „Dich entspannen und inspirieren lassen, mein Herz!“ Sie grinste süffisant. Ich schnaubte, pustete mir die Haarsträhne aus dem Gesicht. „Um mich für dieses Thema inspirieren zu lassen, müsste ich in einen Schwulen-Puff gehen, um mich dort von gutaussehenden Männern betanzen zu lassen!“ Eröffnete ich meiner Lektorin plump und lehnte mich mit verschränkten Armen zurück. Doch ihr Grinsen schwand nicht. „Gut, dann mach ich dir einen Termin bei meinem Stammmasseur!“ „Yuuko! Hörst du mir überhaupt zu?“ „Natürlich mein Herz!“ Lachend griff sie zum Telefonhörer. „Lass mich nur machen, vertrau mir!“ Ich konnte immer noch nicht fassen, dass sie es wirklich getan hatte. Aber sie hatte. Ja. So stand ich also vor dem Gebäude, zögerlich, plump gekleidet, in Jeans und Turnschuhen und einer Sporttasche mit Ersatzklamotten und Zubehör über der Schulter. Ich zupfte noch einmal den quietsch gelben Zettel aus meiner Jackentasche. Sanisferry Red Spa, Demmingston Road 52. Mein Blick glitt hinab von dem Zettel die Treppe vor meiner Nase hinauf zu dem Gebäude. Es war an die Umgebung angepasst, hell und akkurat gebaut. Es war alles sauber, beinahe vollständig steril. Der Rasen, der zu den Seiten der Treppe abging, schien mit Lineal und Schere geschnitten worden zu sein und alles in allem saß diese Baut genauso spießig aus, wie alle anderen um sie auch. Eben genau so, wie diese weißen Wellnesshäuser aus den Kaffeewerbungen im Fernsehen. Ich schluckte trocken. Stammmasseur hatte Yuuko gesagt. Yuuko hatte Geschmack und ihr Chef hatte ihn nicht. Das konnte nur heißen, dass es drinnen vollkommen anders sein musste, als hier draußen, oder? Es sei denn, ihr Chef hatte es einmal für sie ausgesucht… Langsam erklomm ich die wenigen Treppenstufen und holte dabei noch einmal tief Luft. Ich sog sie tief ein, so gierig, als gäbe es am Folgetag keinen Sauerstoff mehr. Langsam, todesmutig, setzte ich einen Fuß vor den anderen und trat durch die Drehtür hindurch, wie durch ein Portal, in eine vollkommen andere Welt. Meine Augen weiteten sich und mein Atem stockte. Sanisferry Red. „Großstadtoase“ hätte vielleicht besser gepasst. Vor mir breitete sich eine riesige Lobby aus, vollkommen basierend auf den hellbraunen, mediterranen Fliesen, auf denen ich nun stand. Von ihnen aus gingen in einigen Metern Entfernung Wände weit über meinen Kopf hinaus in wunderschönen Farbkombinationen aus dunklem Rot, hellem Beige und schwerem, warmem Braun. Überall hingen und standen Lampen, die die gesamte Lobby in warmes, gelbliches Licht tauchten und ich konnte einen warmen, süßlichen Duft wahrnehmen, welcher das Geräusch plätschernden Wassers zu mir herüber trug. Mein Atem stockte und langsam ließ ich die Schultern sinken, sodass meine Umhängetasche langsam von meiner Schulter glitt und geräuschvoll auf dem Boden aufkam. Ich war fasziniert. Überrascht. Überall waren dicke und dünne Bambusstäbe zu sehen, verteilt als geschmackvolle Schmuckelemente. Mein Blick suchte nach der Quelle des Wasserrauschens und ich wandte mich zu meiner Rechten. Eine Sitzecke erstreckte sich dort, und ihre Möbel und der grausteinerne Brunnen mit seiner beruhigenden Geräuschkulisse lud mich förmlich dazu ein, mich dort nieder zu lassen. Die Sitzecke wurde vom Rest der Lobby durch ihren dunkelroten Teppich abgegrenzt, auf diesem standen kleine Glastische und dunkelrote Sitzgelegenheiten aus scheinbar angenehm weichem Stoff, versetzt und veredelt mit mahagonifarbigen Schmuckelementen. Hier und da stand ein Zeitungsständer und auch Bücher waren angenehm dekorativ verteilt. Diese Ecke allein wäre das Paradies für mich gewesen. Ich war hin und weg, bis ein leises, zaghaftes Räuspern mich aus dem Staunen riss. Ich sah mich zur linken Seite um und neben mir stand eine junge Dame, locker und doch seriös gekleidet in einer schwarzen Stoffhose und einem dunkelroten Poloshirt, auf dessen Brusthöhe das Logo dieses Hauses aufgestickt war, auf der anderen Seite prangerte ein kleines Namensschild, welches ich noch nicht auf den ersten Blick entziffern konnte. „Herr Fluorite, nehme ich an?“ Ihr Blick entschwand kurz auf eine dezente, schmale Armbanduhr, welche sie bei sich trug, ehe sie den Blick hob, um mich mit einem freundlichen, einladenden Blick zu mustern. Ich zuckte. „Eh ehm…ja.“ Ihr Lächeln erhellte sich und sie deutete eine schwungvolle Handbewegung an, „Wir haben Sie bereits erwartet, darf ich bitten?“ Ich nickte verdutzt, griff wieder nach meiner Tasche und folgte der jungen Dame zu einem dunkelhölzernen Tresen, hinter welchen sie sich stellte. Ich konnte sehen, dass ich dort ein Computer befand – und für den Fall der Fälle eine kleine goldene Tresenklingel. Sie hob ihre Hände, um etwas auf der Tastatur ein zu geben und ich nutzte die Zeit, sie zu betrachten. Das warme, helle Braun ihrer kurzen, lockigen Haare schmiegte sich wunderbar weich in ihr Umgebung, ihre helle Haut schien schon auf den Blick samtig weich und ihre smaragdgrünen Augen strahlten, als wenn es nichts schöneres Gäbe, als diesen Job hier aus zu üben. Und es wirkte nicht einmal falsch. Nein, sie wirkte wirklich so, als ob sie sich hier pudelwohl fühlte. Mein Blick glitt auf das im Licht aufblitzende Namensschild. Kinomoto Sakura. Ein hübscher Name, wie ich finde. Sie hob ihren Kopf und schenkte mir ein Lächeln, von dem ich ganz sicher bin, dass ich nie ein strahlenderes auf dieser Welt gesehen habe, während sie artig ihre Hände auf dem Tresen faltete. „Nun, womit wünschen Sie, zu beginnen?“ „Öhm…“ Mein eigenes Lächeln wischte sich weg. Als wäre sie mit einem Zewatuch über mein Gesicht gegangen. Ja. Wie in der Werbung. „Ich… naja… ich wurde nur… also wegen der Massage…“ „Oh.“ Sakura hob überrascht die Augenbrauen und ihr Blick glitt wieder auf ihren Monitor. Doch sofort erschien das wissende Lächeln wieder, ehe sie zu mir aufsah. „Fräulein Ichihara hat Sie für unser „Rundum-Wohlfühlprogramm“ angemeldet und auch passend dafür überwiesen. Sie sagte mir bereits, dass sie Sie hatte überraschen wollen, ich bitte um Entschuldigung.“ Sie schmunzelte schon fast ein Bisschen belustigt und ich schämte mich. Doch ich konnte es ihr nicht verübeln. Ich nahm auch jede Gelegenheit wahr, die Opfer, welche meine Lektorin sich für ihre Streiche aussuchte, herzhaft aus zu lachen. Dieses junge Mädchen hier gab sich dagegen noch sehr verhalten. Ich seufzte zufrieden, doch sie schien es als Zeichen auf zu fassen. „Stimmt etwas nicht, Herr…“ „Nein, nein, alles in Ordnung!“ ich lachte verlegen, „Ich bin nur von ihrer Wirkung so begeistert… Sie sind… Sie haben eine sehr entspannte Aura.“ erzählte ich ihr beeindruckt und sie lachte. „Wir geben uns hier alle Mühe, damit unsere Gäste sich wohlfühlen!“ Ich nickte zufrieden. Wer würde sich nicht wohlfühlen, wenn er von so einer lebenden Packung Zucker betreut wurde? „Darf ich eine Frage stellen?“ „Nur zu!“ „Sagen Sie… aus was besteht dieses Programm denn so…?“ „Hmmmm…“ Wohlig seufzend lehnte ich mich zurück, stützte mich auf meine Arme und ließ meinen Blick an die Decke gleiten. Ich muss zugeben, ab diesem Moment bereute ich den Geldaufwand, den ich meiner lieben Lektorin beschert habe, kein Bisschen. Ich hatte ein wahrhaftiges Wohlfühlprogramm der Extraklasse hinter mich gebracht. Nachdem Sakura – welche ich schließlich auch duzen durfte – mir das Programm erläutert hatte, mit einer lebhaften Erzählweise, die wirklich Appetit auf mehr machte, hatte sie sich als meine persönliche Begleiterin bei mir eingeklinkt. Nachdem ich an einem kleinen Kurs für Entspannungsgymnastik teilgenommen hatte, hatte sie mich in eine Schwimmhalle geführt, in der ich zur Entspannung in aller Ruhe mit so viel Zeit, wie ich wünschte, meine Bahnen ziehen durfte. Die Halle war riesengroß und angenehm klimatisiert gewesen, das Wasser war angenehm gewesen und ich konnte in den Himmel hoch schauen, denn das Dach bestand aus einer riesigen Glaskuppel, wie mich schließlich so in meiner Faszination einwickelte, dass ich schlussendlich fast abgesoffen wäre. Nach dem Schwimmen habe ich ein leichtes Buffetessen genossen, Plausch mit anderen Gästen gehalten und mich nach einer weiteren Runde gymnastischer Übungen in einen Whirlpool und danach in die Sauna begeben. Sobald ich mit einem Programmpunkt, der immer meiner gewünschten Zeitlänge entsprach, durch war, war das Zuckermädchen vom Empfang wieder zur Stelle, um mich weiter bei Laune zu halten und mich herum zu führen. Dies hatte zu Folge, dass ich nun hier saß. Laut Yuuko würde nun das Abschließende Highlight – die Massage – kommen. Seufzend blickte ich an die Decke. Der Raum war mit den selben Kacheln bedeckt, wie auch der Boden der Lobby. Alles wirkte mediterran und warm. Richtig angenehm. Man fühlte sich so pudelwohl, dass man sich nicht einmal nackt fühlte, trotz, dass man nur ein Handtuch an der Hüfte trug. Wirklich erstaunlich. Ich streckte die Beine etwas und meine Fingerspitzen strichen über den weichen weißen Stoff, mit dem die Liege, auf der ich saß, bedeckt war. Yuuko hatte schon recht gehabt. Nach einem Tag hier konnte man einfach nur entspannt sein! Doch ich muss zugeben, den springenden Punkt, warum mich dies zu einem Erotikroman aus weiblicher Sicht inspirieren sollte, hatte ich noch nicht gefunden. Ich wusste, Yuuko wollte mich in eine Richtung treiben, in eine ganz bestimmte. Aber… in welche, das ahnte ich einfach nicht. Ich wusste es nicht. Mein Blick rutschte von der Decke die Wand hinunter, glitt über die Bodenfliesen bis hin zu meinen in der Luft hängenden Füßen. Ich bewegte meine Zehen ein wenig, starrte sie gedankenverloren an. So würde das niemals was werden mit diesem blöden Roman und so würde ich mir auch meinen Job in die Haare schmieren und bei billigen Illustrierten als Kolumnenverfasser anheuern müssen. Davor grauste es mir. Ich atmete tief durch. Nein, ich wollte mir diese wunderbar entspannte Stimmung nicht versauen lassen. Auf keinen Fall. Ich hob die Nase und schnupperte nach den warmen, süßen Düften von Massageöl und Lotion, die in der Luft lagen. Es roch einfach nur wunderbar und am liebsten hätte ich mir dort ein Bett aufgestellt! So versank ich noch weiter in meinen Gedanken, bis sanfte, weiche Hände über meine Schultern strichen. Ich zuckte erschrocken zusammen, doch die Hände fassten behutsam nach meinem Kopf und sorgten dafür, dass ich brav geradeaus schaute. „Ich wollte Sie nicht erschrecken…“ Die tiefe, weiche Stimme hinter mir ließ einen Schauer über meinen Rücken jagen, ich war so verwirrt, dass ich es nur schaffte, dumm gegen die Wand zu grinsen – und mich darüber zu freuen, dass das niemand sonst sah. „I-ist schon okay… ich wollte Ihnen nun hier auch nicht einschlafen!“ Ich lachte nervös und ich konnte auch so etwas wie ein leises Lachen in der Stimme hinter mir vernehmen, „Das kommt hier öfter mal vor, keine Sorge.“ „Na dann muss das ja wirklich angenehm sein, was Sie hier machen.“ „Ich will mich zumindest bemühen, dass es so ist.“ Ich schmunzelte. Die Stimme hinter mir klang sympathisch. Ich setzte mich grade hin und ich konnte spüren, wie sie wie warmer Honig gemeinsam mit den großen, scheinbar starken Händen über meinen Rücken strich. Ein angenehmes Gefühl. Ein „Rundum-Wohlfühl-Gefühl“ eben. „Das hat meine Lektorin mir auch versprochen, also mach ich mir da keine Sorgen drum.“ nickte ich schließlich und ich hob abwartend die Augenbrauen, als ich bemerkte, dass die Hände inne hielten, bevor sie begannen, mich nach Verspannungen ab zu tasten. „Ihre Lektorin…?“ Ich nickte. „Ichihara Yuuko.“ „Aaah…“ Ein leiser, zustimmender Laut. Und ich bin mir heute noch sicher, dass ich ein regelrechtes Grinsen in der Stimme des Mannes hören konnte. Ja, er grinste ganz sicher. Denn man konnte es einfach hören, wenn jemand beim Reden die Mundwinkel hob. „Dann sind Sie mit Sicherheit der gestresste Kollege, von dem sie mir erzählte…“ Ich zuckte und so leise, wie es um uns war, konnte ich hören, wie er sich ein Lachen verkniff. Wunderbar. Scheinbar schien Yuuko schon der ganzen Welt unterbreitet zu haben, dass ich unter Stress stand! „Ehm… ja, so… kann man das sagen.“ Grinste ich nervös gegen die Wand und die tastenden Hände ließen mich kurz aufzittern. „Ich kann mir vorstellen, dass Ihr Job ziemlich schwer ist… aber dafür schlagen Sie sich ziemlich gut, finde ich.“ Ich grinste breit. „Woher wollen Sie das wissen?“ „Weil Ihre Lektorin ihre Arbeit oft hier erledigt.“ „Sie liest Ihnen vor?“ „Jupp.“ Ich konnte nichts mehr erwidern. Stattdessen fuhr ich ein weiteres Mal erschrocken zusammen und gab ein warnendes Zischen zwischen zusammengekniffenen Zähnen von mir, als er mit seinen kräftigen Fingern Druck an meinen Schultern ausübte. Er hielt den Griff und ich konnte seine Stimme nah an meinem Ohr vernehmen. „Ganz ruhig, entspannen Sie sich. Das ist gleich vorüber…“ In diesem Moment wusste ich nicht recht, ob es noch einmal der Nervenschmerz war, der mich zucken ließ, oder der Geistesblitz, der mich traf. Natürlich. So eine professionelle Massage fühlte sich an, wie ein Geschlechtsakt! Ich blinzelte der Wand vor mir entgegen, als hätte ich vom Brunnen der Erkenntnis genippt, während ich meine Gedanken auf die rhythmischen Bewegungen an meinen Schultern konzentrierte, deren Takt immer gleichmäßiger wurde. Es tat nicht mehr weh und es wurde immer angenehmer. Ja. Wie beim Sex. Anfangs wurde man samtsüß bezirzt und dann kam der Akt. Der tat anfangs weh. Und wurde durch einen gewissen Rhythmus so angenehm, dass er süchtig machen konnte, nach diesem wunderbaren Gefühl. So, wie es auch nun war. Der erste Druck hatte weh getan. Dennoch konnten diese großen Hände kaum sanfter sein in ihren Berührungen. Meine Schultern sanken wieder und mit ihnen auch meine Augenlider. Ich seufzte wohlig auf. Ich glaube, das ist für einen Masseur das beste Kompliment – wie auch für einen Bettpartner. Denn er wusste, er machte alles richtig. Schnurrend reckte ich meinen Rücken. Es war, als wenn er ganz genau wusste, wie und wo er mich anfassen musste. „Sie bekommen sicherlich jeden Tag zu hören, wie himmlisch gut Sie das machen, oder?“ raunte ich in die Stille hinein. Und ich bekam keine Antwort. Das sagte sicherlich so ziemlich jeder. Aber ich konnte nichts dafür. Es stimmte eben einfach. Es war wunderbar. Die Bewegungen schwächten ab und wieder konnte ich diese unendlich sanfte, tiefe Stimme hören. „Ich denke, der Rest wird besser im Liegen funktionieren.“ Ich öffnete die Augen und schmunzelte albern in die Luft. „Sie sind der Profi.“ Wie beim Sex. Es schien Stunden gedauert zu haben. Aber es waren himmlische Stunden. Einfach wunderbar. Hinreissend und so… ach! Ich kann es kaum beschreiben! Müde vor mich hin schnurrend lag ich auf dem weißen, weichen Tuch. Es war, als wenn ich aus einem langen, erholsamen Schlaf, geschmückt mit einem wunderbaren Traum, aufwachte. Ich konnte leises Wasserfließen hören. Selig grinsend raffte ich mich schließlich auf, um irgendwie wieder auf zu wachen. Ja, dieses Gefühl war besser als unmessbare Mengen von Alkohol – und ich weiß, wovon ich rede! Mit einem seligen Seufzen sah ich mich um und endlich ergatterte ich einen Blick auf denjenigen, der mich mit göttlich geschickten Händen verwöhnt hatte – allein, wenn ich daran denke, reicht der Rausch bis heute noch zurück. Ich erblickte die großen, starken Hände, muskulöse Arme, mandelfarbene Haut, ebenholzschwarzes Haar und rubinrote Augen, welche mich ruhig und friedlich anschauten. Ein muskulöser, junger Mann mit einem markanten Gesicht welches mir ein sehr schmales, beinah schüchternes, dennoch wunderbar zu beobachtendes Lächeln schenkte. Ich atmete auf und ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Yuuko hatte Geschmack. „Und, bist du so weit? Hast du alles?“ „Ja…“ „Komm mal her!“ „Was ist denn noch?“ „Deine Krawatte sitzt überall, nur nicht da, wo sie soll!“ „Ja, weil Krawatten ja auch Mist sind!“ Mit einem Ruck zieht Yuuko den Knoten auf, „Lass sie weg, das sieht eh besser aus!“ Ich seufze und schaue sie mit einem mahnenden Grinsen an. Doch sie grinst nur zurück. Bevor ich noch etwas sagen kann, höre ich bereits eine weitere Stimme aus dem Hintergrund. „Bist du soweit, Fay?“ „Ja, ich komme!“ „Viel Glück!“ Ich winke meiner Lektorin flüchtig zu, ehe ich auf die Türen des Saals zutrete. Überall um mich herum herrscht pure Panik, als sei ich zu einem königlichen Bankett geladen. Dabei ist das hier doch nur eine Pressekonferenz! Wenn auch eine… etwas größere… Ich atme noch einmal tief durch, ziehe die Luft tief ein, als wenn es morgen keinen Sauerstoff mehr gäbe und trete durch die Türen ein, wie durch ein Portal, in eine andere Welt. Ich sehe Blitzlichtgewitter und aufgeregte Journalisten. Guter Dinge begebe ich mich, gefolgt von meinem Verlagschef, zu einem Podest, an dem ich mich nieder lasse. Ich grinse um mich und es wird stiller im Saal. „Nun… ich begrüße Sie alle ganz herzlich, meine Damen und Herren von der Presse, zu der Pressekonferenz zu meinem neuen Buch!“ begrüße ich die neugierige Meute. „Also wollen wir nicht lange fackeln – ich erkläre die Frageschlacht für eröffnet!“ Ich höre leises Lachen aus den ersten Reihen und sofort fuchtelt aus der Mitte der Menge ein Schild. „Herr Fluorite!“ „Ja bitte? Der Mann in der roten Jacke!“ Ich nicke ihm freundlich zu und sofort springt er von seinem Stuhl. „Ihr Roman hat sämtliche Verkaufsrekorde gebrochen! Man spricht von Kunst, Skandal und neuen Ansichten der Gesellschaft! Bitte erläutern Sie uns doch, wie sie auf diese spannende Idee gekommen sind!“ Ich grinse selbstgefällig. Mein Roman ist nicht das geworden, was meine Redaktion verlangt hatte. Ganz im Gegenteil. Sie wollten Skandal, Grenzwertiges, Neues! Und das hatten Sie bekommen. Ich hatte das Spa inspiriert bis in die Knochen verlassen und eine Romanze zwischen zwei Männern verfasst, gebeutelt von Krimi und Tragikomödie. Ein wunderbarer Mix aus allem… und mein neuer Bestseller. Der Saal wird still und ich greife nach meinem Wasserglas. „Besuchen Sie doch mal das Sanisferry Red Spa. Vielleicht finden sie ja dort eine Antwort auf diese Frage.“ Irritiertes Gemurmel macht sich breit und mein Blick gleitet zur Eingangstür des Saals. Ich kann große strake Hände sehen, muskulöse Arme, mandelfarbene Haut, ebenholzschwarzes Haar und rubinrote Augen, welche mich ruhig und friedlich anschauen. Ein muskulöser, junger Mann mit einem markanten Gesicht, welches mir ein sehr schmales, beinah schüchternes, dennoch wunderbar zu betrachtendes Lächeln schenkt. Ich nehme ruhig einen Schluck Wasser. Alle Welt liest meine Tragödie. Aber das Happy End, das behalte ich für mich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)