Gloomy Destiny von abgemeldet (Von vergangenem und zukünftigem) ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Es war im Jahre 1999. Ein kleines Mädchen, von gerade einmal zwölf Jahren, kam wiedereinmal zurück ins Waisenhaus. Ihre neuen Pflegeeltern hatten sie nach nicht einmal drei Wochen aufgegeben und das Kind wieder abgeschoben. Aber für Lisa war das nichts neues. Inzwischen war sie so-was wie ein 'Versuchskind' geworden und hatte sich damit abgefunden, dass sie niemals näher an etwas Familien ähnliches kommen würde. Sie hatte im Waisenhaus auch keine Freunde, da die meisten Kinder nur kurze Zeit dort waren und sich auch sonst von ihr fern hielten. Damals hatte sie es nicht verstanden. Aber stillschweigend akzeptiert. Meist musste sie allein spielen, wenn niemand vom Aufsichtspersonal Zeit hatte. Auch an jenem verhängnisvollem Dienstag war es so. Sie war auf dem Dachboden des Waisenhauses, saß auf einer Kiste und zeichnete schon seit mehreren Stunden ununterbrochen. Es war das einzige, was ihr freude bereitete und ihr half die Zeit zu erschlagen. Manchmal dachte sie daran, dass die Zeit so-was wie eine Raupe sein musste. Sie fraß die Seele auf, bis nichts mehr übrig blieb. Zufrieden mit ihrer Arbeit, betrachtete sie ihre Zeichnung. Seit einigen Tagen schon saß sie an dem Portrait. Sie hatte den Mut gefunden ihren heimlichen Schwarm, Martin, zu zeichnen. Er gehörte zu einer Clique, die sich im Waisenhaus gebildet hatte und nichts lieber tat als Lisa das Leben schwer zu machen. Aber das war ihr egal, sie glaubte daran das er vielleicht doch kein so übler Kerl war und sie irgendwann mal zusammen kommen könnten. Sie war ja so naiv damals. Aber was blieb ihr sonst übrig? Als Lisa gerade die Dachbodenluke öffnen wollte, um wieder hinunter zu steigen, konnte sie Stimmen hören. Oh nein, es war die Clique. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. „Hier muss das Monster doch irgendwo sein, los sucht weiter!“ Das war doch Martins Stimme?! Super, also hatte er ihren 'Spitznamen' nun auch für sich entdeckt. Eigentlich wusste sie nicht warum die anderen Kinder sie Monster nannten. Die Aufseherin, ihres Wohnflügels, sagte doch immer sie sei hübsch oder niedlich. Aber wahrscheinlich waren das alles nur Lügen, für ein dummes Kind. Langsam bemerkte Lisa wie ihr die Tränen kamen und sie entfernte sich langsam von der Bodenluke. Sie kauerte sich ganz klein neben einer älteren Truhe zusammen und hoffte das die anderen Kinder bald verschwinden würden. Mit einem lauten knarren wurde die Dachbodenklappe geöffnet. „Hey, schaut mal hier oben. Da muss sie sein! Sucht sie!“ Martin spornte die anderen Kinder lautstark dazu an, den Dachboden zu durchkämmen. Obwohl Kinder dort eigentlich verboten waren. Er wollte jetzt jemanden ärgern und es gab halt kein besseres Opfer, als das Lisa-Monster. Sie waren zu viert, kletterten auf den Dachboden und begannen schnell alles zu durchwühlen. „Hier ist es, ich hab es!“ Ein größerer Junge hatte sie gepackt und hielt sie an ihren Armen fest, damit sie nicht weglaufen konnte. „Nein, bitte, lasst mich doch einfach in ruhe!“ Sie schrie ihren Frust hinaus und kämpfte verbittert gegen ihre Tränen. Allmählich wurde ihr das alles zu viel. Tag für Tag das gleiche Spiel. Sie hatte keine Kraft mehr. Martin hatte ihren Block gefunden und schaute sich die oberste Zeichnung an. Er erkannte sich sofort wieder. Auf dem Bild schien er jemandem zu zulächeln. „Hey schaut mal, das Monster ist in mich verliebt! Iiiih, wie eklig. Hoffentlich stecke ich mich jetzt nicht bei ihr an.“ Er sprach es mit Spott und ekel in der Stimme aus und bei jedem seiner Worte brach in Lisas Inneren etwas weiter auseinander. Sie standen im Kreis, um Lisa herum und hatten begonnen sie zu schubsen, zu schlagen und zu beschimpfen. Das taten sie zwar öfters, aber diesmal war etwas anders. Lisa war anders. Sie wollte nicht mehr. Nach all den Jahren im Waisenhaus glaubte sie den anderen Kindern schon lange, dass sie ein Monster sein musste. Warum sollte sie sonst keine Freunde haben? Sie musste einfach furchtbar sein, es ergab sonst keinen Sinn für sie. Lisa riss sich von den anderen Kindern los und rannte. Durch ihre tränen verschmierten Augen konnte sie kaum etwas sehen, außer der Bodenluke. Das wäre doch die Lösung. Einfach die Augen schließen, runter springen und alles würde gut werden. Es war keine normale Decke, in die die Bodenluke eingelassen worden war. Direkt unterhalb des Dachbodens, lag die große Empfangshalle. Es waren fast sieben Meter zwischen Fußboden und Dachbodeneinstiegsluke. Diese konnte man über einen schmalen Flur erreichen, welcher nur mit einem kleinen Geländer gesichert war und eigentlich als Verbindung zwischen dem Nord und Süd Wohnflügeln diente. Als sie die Luke erreicht hatte, ließ sie sich einfach hinunter fallen. Es war ihr in diesem Moment egal gewesen. Alles war ihr egal. Sie hatte niemals Eltern gehabt und machte sich auch keine großen Hoffnungen noch jemanden zu finden der sie vielleicht lieben konnte. Sie schlug hart gegen das Geländer, versuchte sich instinktiv festzuhalten, obwohl sie eigentlich aufgeben wollte. Ihr fehlte die Kraft sich abzufangen, wofür sie noch heute dankbar war, und sie stürzte weitere fünf Meter nach unten. Als sie auf dem harten Marmorboden aufkam, wurde ihr schwarz vor Augen und ein warmes Gefühl überkam sie. Alle umstehenden Personen vernahmen nur ein verräterisches Knacken, welches zusammen mit einem dumpfen Aufprall langsam verhallte. Panisch rannten ein paar Menschen umher und versuchten einen Krankenwagen zu bestellen. Es vergingen fast drei Wochen bis Lisa langsam wieder zu Bewusstsein kam. Sie hatte kaum Schmerzen, aber wie sie später erfuhr lag dies nur daran das sie starke Medikamente erhalten hatte. Sie hätte es wohl nicht mal gemerkt wenn ihr jemand das Bein abgesägt hatte. Eine gebrochene Hüfte, eine schwere Gehirnerschütterung und ein gebrochener Arm. Eigentlich war dies eine gute Bilanz, wenn man davon ausging das sie sich auch den Hals hätte brechen können. Immerhin war es massiver Stein gewesen, auf dem sie Aufschlug. Anfangs hatte sie große angst vor diesem Krankenhaus und den vielen Fremden Leuten. Außerdem war sie unglücklich darüber das sie überlebt hatte und nun sogar als Strafe für ihren Versuch, all dem zu entkommen, auch noch so schwere Verletzungen davongetragen hatte. Doch mit der Zeit lernte sie Schwester Flinn kennen. Sie war eine unglaublich starke Persönlichkeit und strahlte sehr viel Autorität aus. Schnell hatte Lisa erkannt das sogar Chefärzte ihr ihren Respekt zollten. Schwester Flinn kümmerte sich von Tag zu Tag mehr um Lisa und fing auch noch an sie zu bemuttern. Manchmal dachte Lisa das Susan, wie sie nur genannt werden wollte, vielleicht einen Blick in ihre Seelen geworfen hatte um zu wissen was sie brauchte. Susan stellte ihr auch einen Arzt vor, der von den Schwestern immer nur Cookie genannt wurde. Doktor Steven Miller. Es war zwar schon 51 Jahre alt, aber sein enormer Appetit auf Süßigkeiten, insbesondere auf Kekse, hatte sich herumgesprochen. Von da an besuchte auch Steven jeden Tag das Junge Mädchen, obwohl sie eigentlich nicht seine Patientin war. Er brachte ihr oft ein paar Kekse mit oder mal einige Gummibärchen. Gemeinsam versuchten die Krankenschwester und der Arzt wieder ein Lächeln auf das so traurige Gesicht Lisas zu zaubern. Einige Monate musste sie im Krankenhaus bleiben, weil ihre Knochenbrüche nur langsam verheilten und im Waisenhaus vermisste sie ohnehin niemand. Nicht einer hatte sie besucht, während der ganzen Zeit. Nun ja, ausgenommen natürlich ihrer Aufseherin. Aber diese war dazu verpflichtet, also zählte es eigentlich nicht als Besuch. Nach dazu weil sie dafür ja bezahlt wurde, Lisa rollte mit den Augen. Was für eine Welt. Als Lisa endlich entlassen wurde, hatte sie Steven und Susan versprechen müssen, sich regelmäßig bei den beiden zu melden und ihnen zu zeigen das es ihr gut ging. Und dies tat sie auch. Mit der Zeit baute sie immer mehr Vertrauen zu den zweien auf und sie sah die beiden sogar als so was wie ihre Familie an. Das war es vielleicht. Das Zeichen, auf das sie solange gewartet hatte. Das Zeichen, dass doch alles gut werden konnte. Sie versuchte von diesem Zeitpunkt an sich von den anderen Kindern fernzuhalten. Es gelang ihr leider nicht immer und je älter die anderen wurden, umso gewalttätiger wurden sie auch. Sie hatte oft versucht sich zu wehren, aber das hatte ihr nur schmerzen eingebracht. Trotzdem versuchte sie das Versprechen an Steven und Susan einzuhalten und nicht aufzugeben. Sie hatte den beiden nie gesagt, dass ihr Krankenhaus Aufenthalt damals ihr verzweifelter Versuch war, sich das Leben zu nehmen. Vermutlich hatten die zwei sich den Rest zusammen reimen können. Blöd waren sie ja nicht. Nachdem sie die Schule abgeschlossen hatte, suchte sie mit Susans Hilfe eine Ausbildungsstelle, wo sie genug verdienen konnte um sich eine kleine Wohnung zu leisten. Steven war davon nicht sonderlich begeistert, dass sie unbedingt allein wohnen wollte, aber konnte es ihr ja nicht verbieten. Ja, so war es damals gewesen. Lisa schaute auf ihren Kalender. Es war schon der zweite September 2006. Bald wäre der Kalendarische Herbstbeginn. Sie schnappte sich ihr Telefon und rief Sarah an. Sie wollte heute Abend nicht allein sein und brauchte dringend jemandem zum reden. „Hey Sarah? Ich bin es, Lisa. Hast du heute Abend Zeit?“ Hastig plapperte sie die Worte herunter. „Oh hey, nicht so schnell, sonst komm ich ja gar nicht mit. Ja klar hab ich zeit. Du hast ganz schönes Glück das du mich erwischst, ich bin erst seit kurzem wach.“ Sarah lachte leise in den Hörer. „Ja, das kann ich mir denken, du konntest ja nicht mal mehr alleine stehen gestern.“ Stellte Lisa nur trocken fest. Hätte Sarah nicht soviel getrunken, dann .. ach es war jetzt sowieso egal. „Ach, lass mir doch meinen Spaß.“ Sarah war es egal ob Lisa es gut hieß oder nicht, Alkohol gehörte zum feiern halt dazu. Punkt aus. „Also ich komm gegen sechs bei dir vorbei, okay? Bei mir tanzen heute die Zimmermädchen, da will ich lieber nicht stören.“ Lisa wusste genau was sie damit meinte. 'Tanz der Zimmermädchen' hieß soviel wie 'Kaffeeklatsch und Tratsch unter Angestellten'. Einmal im Monat kamen nämlich alle Haushaltsangestellten zusammen und begannen zu lästern und sich die Mäuler über ihre Arbeitgeber zu zerreißen. Natürlich immer in dem Haus, wo gerade niemand jener Personen anwesend war. Also wurde sie quasi von ihrem Butler vor sie Tür gesetzt. „Wenn du möchtest kannst du auch bei mir schlafen, dann musst du nicht durch die Hintertür bei dir einschleichen.“ Leicht musste Lisa schmunzeln. Wohlhabend, großes Haus, mehrere Angestellte und trotzdem wusste Sarah nicht wo sie heute Nacht sonst hätte schlafen können, als in Lisas kleiner Wohnung. „Das wäre echt toll, danke du bist eine echt gute Freundin. Bis nachher dann, bye bye.“ Nachdem Lisa aufgelegt hatte, begann sie erst einmal das Chaos in ihrer Wohnung zu beseitigen. Als sie das letzte mal rein geschneit war, hatte sie sich einfach blind links auf ihr Bett fallen lassen und dabei einiges umgestoßen. Sie hoffte bloß das diese verfluchte Woche damit endlich vorbei sein würde. Durch ein klingeln, an der Tür, fuhr sie hoch. Oh, schon so Spät? Sie eilte zur Tür und wusste schon genau das es nur Sarah sein konnte. Dieses Sturmklingeln war ihr Markenzeichen. „Hey da bist du ja schon, ich hab dir einiges zu erzählen. Du hast ja keine Ahnung was ich heute für einen Tag hatte.“ Sarah hatte noch nicht mal ihre Schuhe ausgezogen, da begann Lisa schon zu erzählen. Von dem was gestern Abend passierte, nachdem sie Sarah sicher zu hause abgeliefert hatte. Von Selena und ihrem seltsamen Krankenhaus Besuch und der Erkenntnis das der Schmiertyp wohl bekommen hatte was er verdiente. Oder auch etwas mehr. „Wow, hast du diese Verrückte schon angezeigt?“ Sarah war ziemlich baff und hatte ihre Freundin bei der Stelle mit der Beinahe Vergewaltigung, beruhigend in den Arm genommen um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein war. Wofür diese ihr auch sehr dankbar war. „Nein, ich weiß nicht ob ich das tun sollte. Zum einen war sie mir doch eine große Hilfe, zum anderen habe ich ja nichts gesehen. Und nur weil sie etwas bekloppt ist, heißt das ja noch nicht das sie gefährlich ist.“ Sie schaute dabei zu Boden, so als ob sie sich selbst nicht sicher war ob ihre Worte glaubwürdig klangen. „Du bist einfach viel zu gutgläubig. Pass bloß auf dich auf ja?“ Sarah machte sich etwas Sorgen um ihre Freundin. Wer konnte schon wissen, was diese Selena noch anstellen würde. Lisa wollte es vorerst dabei belassen und sich einen ruhigen Abend mit Sarah machen. Dafür bestellten die zwei sich eine Pizza und warteten nun schon ungeduldig, vor dem Fernseher, auf ihr Abendessen. -- Auch Selena hatte einen ziemlichen Appetit. Eigentlich hatte sie erst gestern Abend etwas gehabt, aber durch ihr Seelisches Ungleichgewicht musste sie sich ablenken. Leider hatte sie es noch nicht geschafft eine Blutbank oder etwas ähnliches zu finden, also begnügte sie sich für den Moment mit dem nächst besten Metzger Laden, der noch geöffnet hatte. Nun lief sie, mit einem großen Papp-Kaffeebecher in der Hand, durch die Straßen Londons. Natürlich war er nicht mit Kaffee gefüllt. Langsam ließ sie die kalte, rote Flüssigkeit ihre Kehle hinunter gleiten. Es war in gewisser Weise echt widerlich. Schweineblut. Naja, es könnte schlimmer sein. Zum Beispiel könnte es das Blut des Metzgers gewesen sein. Als sie den rundlichen Mann sah, musste sie automatisch daran denken wie cholesterinreich sein Blut sein musste. Zum erschaudern. Das nächste mal würde sie sich noch einen Strohalm besorgen, dachte Selena während sie sich mit ihrer Zunge über die Lippen fuhr. Als sie in die nähe ihres Hotels kam, fand sie sich unmittelbar vor den Stufen wieder, welche in den Untergrund zu Londons U-Bahnsystem führten. Gestern sah sie dort Lisa zum ersten mal. Dann musste das dort hinten die Gasse sein. Langsam schlenderte sie an der kleinen Seitenstraße vorbei und nahm dabei einen tiefen Atemzug. Sie konnte sich ganz genau an den Geruch, welcher von Lisa ausging, erinnern. Er hatte etwas frisches, vermischt mit Vanille. Aber hier konnte sie im Moment nichts derartiges Wahrnehmen, so sehr sie sich auch bemühte. Als sie weiterging kam sie an einem der vielen Mietshäuser, dieser Gegend, vorbei. Kurz blieb sie irritiert stehen. Ein weiteres mal sog sie prüfend die Luft ein und konzentrierte sich dieses mal so stark sie konnte. Da. Da war etwas. Sie betrachtete die Klingelschilder. Davies, dritter Stock. Wie niedlich. Dann konnte sie Lisa ja doch noch heute Abend ihr Geschenk überreichen. Sie grinste während sie auf die Klingen, für das dritte Stockwerk drückte. Selena wollte Lisa überraschen. Was diese wohl sagen würde? Das konnte bestimmt noch ein richtig lustiger Abend werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)