Order von Mebell (24 Tage - 24 Befehle (Oder: Der etwas andere Adventskalender)) ================================================================================ Kapitel 4: 4.Dezember --------------------- 4. Dezember Ein Löffel Zucker. Zwei Löffel Zucker. Am liebsten noch ein dritter. Aber da meldet sich dann doch Farins Gewissen. Oder eher seine Eitelkeit. Obwohl er die Endorphine mehr als nur gut gebrauchen könnte. Kurz den Blick von seiner Teetasse hebend, besieht sich der Blonde vom Wohnzimmerfenster aus den prasselnden Regen, der schon Teils in Form von kleinen Eiskristallen gegen die Scheibe schlägt. Farin weiß, warum er den deutschen Winter hasst. Er im Idealfall sein Glück in der Ferne sucht. Aber anstatt nun an einem schönen, warmen Zuckerstrand zu liegen oder auch unter dem unendlichen Sternenzelt der Wüste, bibbert er sich hier eins ab, die warme Wolldecke fest um die Schulter gezogen. Und warum das alles? Weil er in einem infantil-masochistischem Anflug Belas dummem Spiel zustimmen musste. Denn für Farin ist das hier nichts anderes: ein dummes kleines Machtspiel, das einzig und allein dem Egoaufbau des Älteren dienen soll. Denn wann hat man schon einen Farin Urlaub, der alles tut, was man ihm befiehlt? Freundschaftsrettung sieht eindeutig anders aus. Als er so darüber nachdenkt und seine Augen durch den weiten, komplett in weiß gehaltenen Raum schweifen lässt, trifft er das Telefon. Es wäre so einfach aufzustehen, sein Reisebüro anzurufen und den Flug vom 24. auf morgen umbuchen zu lassen. Allein, Farins dummer Stolz hindert ihn daran. Und irgendetwas anderes, kleines, nagendes in seiner Brust, dass zu ergründen er jetzt aber keine Lust hat. Oder sich nicht traut. Je nach dem. Grummelnd kuschelt sich Farin tiefer in seine Decke, nippt an seinem Tee. Dummes Wetter. Dummer Adventskalender. Dummer Bela. Just in dem Moment klingelt es an der Tür. Wenn man vom Teufel spricht. Oder in diesem Fall wohl eher denkt. Langsam erhebt sich Farin schlurft, immer noch mit der Decke um die Schultern, über den Flur. Kurz verzieht er das Gesicht bei der Vorstellung, dass er jetzt wirklich die Tür öffnen muss, sich auch nur für Sekunden diesem Graus namens Wetter stellen muss. So verläuft die ganze Aktion auch ziemlich schnell: Tür auf, Paket rein, Tür zu. Trotzdem erfasst Farin ein Schaudern, überzieht ihn eine Gänsehaut. Mit dem heutigen Türchen unter dem Arm, das er noch nicht ein einzigen Blickes gewürdigt hat, beschließt Farin seine Wirkungsstätte zu verlegen, schnappt sich Tee und vorsichtshalber noch eine Tafel Schokolade (dann nimmt er halt zu, er ist schließlich Rockstar, er kann sich das leisten) und verzieht sich ins Schlafzimmer. Wischmopp begrüßt ihn mit seinem Zähne bleckenden Lächeln, darf beobachteten wie sich Farin aus seinem Bett geradezu eine Burg baut. Auf dem Nachtschrank Tee, Schokolade, sein Laptop und ein gutes Dutzend Bücher, im Bett ein Haufen Kissen und Decken und nicht zu vergessen eine Wärmeflasche. So ausgestattet wendet sich der Blonde dann auch irgendwann gnädig dem Paket zu, für sich selbst und den Teddybären beschließend: „Wenn das wieder so was endidiotisches ist, dann boykottiere ich es dieses Mal. Es ist schon schlimm genug, dass ich überhaupt hier bin, da muss ich meine Zeit nicht mit irgendeiner anderen Waldorfbastelei vergeuden.” Der Replik bleibt natürlich aus, dafür begutachtet Farin den Zetteln, der auf dem rechteckigen Päckchen geklebt ist, dieses mal in einem viel zu grellen Gelb. "Vierter Befehl: Mache einen DVD-Abend!" Farin kann seine Überraschung kaum verbergen, aber das ist weniger schlimm, glaubt er doch kaum, dass Wischmopp ihn verraten wird. Viel zu gut passt Belas Befehl in seine eigne Tagesplanung für heute. Zwar stimmt es, dass er keinen Fernseher hat, was aber lange noch nicht heißt, dass er keine Filme mehr sieht. Wozu gibt es schließlich DVD Laufwerke? So macht er sich auch annähernd freudig daran, die Filme auszupacken nur um im nächsten Moment, jeden positiven Gedanken über Bela zu revidieren. „Der hat sie doch nicht mehr alle!” Was Farin so fröhlich entgegenlacht, sind die schlimmsten Ausgeburten des cineastischen Kitsches. Von eine Weihnachtsgeschichte über Aschenbrödel bis hin zu Der kleine Lord ist wirklich alles dabei. Das einzige Gute an der Sache ist, dass er die Filme ohne Probleme als Brechmittel benutzen könnte. Er sich also definitiv keine Sorgen über Festtagspfunde machen muss. Schnell will er die Filme schon unter seinem Bett verschwinden lassen, bloß nicht sehen müssen, selbst die Cover verursachen ja schon die schlimmsten Augenschäden, als er aus dem Augenwinkel Wischmopp sieht, wie er immer noch hoch oben auf dem Plattspieler thront. Und Farin kann sich nicht helfen, vielleicht ist es auch einfach nur der sich anschleichende Wahnsinn, aber irgendwie wirkt der Blick aus den dunkeln Knopfaugen… nun ja… anklagend. „Das ist nicht dein Ernst, oder?!” Der Blick bleibt. Natürlich. Trotzdem versucht Farin sich zu verteidigen. Ein klägliches Vorhaben, wenn der Gegenüber ein Teddybär ist. „Ich meine Hallo?! Hallo?! Das ist der kleine Lord! Der. Kleine. Lord! Ich hab noch heute ein Trauma wegen diesem Film!” Der Blick bleibt. Immer noch. Resigniert gibt Farin auf, zieht den Laptop zu sich. Dummes Wetter. Dumme Filme. Dummer Wischmopp. Eine halbe Stunde später, schwankt Farin zwischen einem leichten Dämmerschlaf und dem absoluten Gehirngau. „Wenn dieses dumme Gör noch einmal so elendig schmachtent in die Kamera blickt, dann hau ich den Bildschirm ein. Und was soll eigentlich dieser dämliche 'Brat mir doch einer ein Storch' Spruch? Das ist kostbare Zeit meines Lebens, die mir nie jemand wieder geben kann. Ich könnte ein Buch lesen, meine Steuererklärung machen, neue Lieder texten-” Mitten im Satz stockt Farin. Bei Selbstgesprächen nicht unbedingt das Problem und Wischmopp wird ihm sicherlich verzeihen. Hecktisch minimiert der Blonde den Player, öffnet ein neues Worddokument. Zwar spricht beziehungsweise singt er sich seine neusten Songideen lieber auf sein Diktiergerät, einfach weil es bequemer ist, aber Lust, jetzt aufzustehen, hat er keine. Seine Finger fliegen nur geradezu über die Tastatur, im Hintergrund versucht der kleine Lord Fauntleroy endlich seinen Großvater dazu zu überredet, das Armenviertel in Stand zu setzen. "Da brat mir einer n Storch, und die Beine recht knusprig. Da brat mir einer n Storch, und die Beine recht knuspri - hä? Wir haben die Hände in den Taschen. Wir haben die Taschen voller Geld. Sind gut gekämmt und frisch gewaschen, weil das den Damen so gefällt." (Die Ärzte - Hände Innen) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)