Shadows of the NewMoon von Darklover ================================================================================ Kapitel 39: 40. Kapitel ----------------------- Wohlig schnurrend nahm Nataniel zur Kenntnis, wie eng sich Amanda an ihn drückte. Er mochte es sehr, sie so bei sich zu spüren, weil es ihm das Gefühl gab, sie wäre ihm genauso gerne auf diese Weise nahe, wie er es bei ihr empfand. Trotzdem musste er wohl schon ziemlich weit weggedämmert sein, weil er das Meer riechen konnte. Ein schwacher Hauch von Salzwasser, vermischt mit Amandas blütengleichem Duft, für den es dennoch keinen Namen gab. Aber seine erlahmenden Sinne spürten auch noch etwas anderes. „Ich will nicht … dass du traurig bist.“, seufzte er flüsternd mehr unbewusst, als wirklich bei klarem Verstand. Es war lediglich der Ausdruck für die Signale, die seine Sinne von Amanda empfangen konnten. Das kaum merkliche Zittern. Ihre seltsame Atmung, die Art, wie sie sich an ihn klammerte, als würde sie Schutz suchen oder als hätte sie Angst, er könne einfach verschwinden. Es hätte ihn beunruhigen sollen, aber dafür war sein Verstand schon viel zu weit abgedriftet. Er schmeckte lediglich den schalen Nachgeschmack einer Bitterkeit auf seiner Zunge. „Hoffe … du bist mir nicht böse ... wegen dem Überfall…“, nuschelte er weiter, ehe er sich etwas mit ihr auf die Seite legte und sein Gesicht in das duftende Kissen vergrub. Er war so verdammt müde. „Ruf der Natur…“, hauchte er kaum noch hörbar, ehe seine Atmung sich vertiefte, seine Arme sich noch ein bisschen besitzergreifender um Amanda schlangen und er schließlich vollkommen fertig einschlief. Weitere Tränen flossen ihr übers Gesicht, als Nataniel sagte, er wolle nicht, dass sie traurig sei. Eigentlich hätte es sie trösten sollen, dass er noch nicht einmal in ihr Gesicht sehen musste, um zu verstehen, was los war. Aber genau diese Reaktion machte Amanda einmal mehr klar, dass sie bei Nataniel schwach war. Vor keinem Anderen hätte sie ihre Gefühle so stark gezeigt und kein Anderer hätte sie so schnell und vage aufnehmen können. Trotz seiner Müdigkeit, die ihn dazu brachte, die Augen geschlossen zu halten, konnte er Amanda mit Leichtigkeit auf die Seite rollen und sie in seine Arme ziehen. Wie Nataniel sein Gesicht in dem dicken, weichen Kissen vergrub und leise vor sich hin redete, brachte Amanda sogar zum Lächeln. Leicht irritiert schüttelte sie bei seinem Kommentar den Kopf und wischte sich die salzigen Spuren vom Gesicht, bevor sie Nataniels Wange küsste. "Ich bin dir nicht böse.", flüsterte sie ganz leise, bevor sie sich neben ihn kuschelte und ihm beim Schlafen zusah. Irgendwann musste die Müdigkeit auch Amanda übermannt haben, denn als sich Nataniel im Schlaf bewegte, schlug sie überrascht die Augen auf. Draußen schien noch die Sonne, aber sie stand eindeutig so tief, dass es bereits abends sein musste. Vorsichtig hob Amanda Nataniels Arm, den er immer noch um sie gelegt hatte, ein wenig an und drehte ihm den Rücken zu, um über die Terrasse auf den Fluss sehen zu können. Es verrann immer mehr kostbare Zeit und doch tat es ihr kein Bisschen leid, dass sie sie in Nataniels Armen und in seinem Bett verbracht hatte. Ihre Finger spielten mit seinen, während Amanda darüber nachdachte, wie sie ihm die Sache beibringen sollte. Am meisten Sorgen machte ihr, dass es nicht seiner Natur entsprechen könnte, sie ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen. Würde es das Ende der gesamten Beziehung bedeuten, wenn Amanda ging und Nataniel entschied hier zu bleiben? Für Amanda musste es nicht so sein. Sie konnte fortgehen und wieder zu ihm zurückkehren. Oder er konnte nachkommen, wenn sein Rudel sich heimisch genug fühlte und Nataniel nicht mehr allzeit bereit neben seinem Handy schlafen musste. Aber würde es dazu je kommen? In tiefen Gedanken rückte Amanda an den Rand des Bettes, setzte sich auf und schwang die Füße aus dem Bett. Sie stützte ihr Gesicht in ihre Hände, um weiter nach draußen zu sehen. Ihr größtes Problem lag mit darin, wann sie es Nataniel sagen sollte. Es wäre unfair gewesen, ihn in dem Glauben zu lassen, dass alles in Ordnung war, bis sie eines Morgens aufstand, um ihm mitzuteilen, dass sie zurück musste. Andererseits war Amandas Angst viel zu groß, er könnte sich deswegen gegen sie entscheiden und sie müsste sogar früher und noch dazu mit gebrochenem Herzen in die Stadt fahren. So, wie sie es schon einmal getan hatte. Ein Seufzen schüttelte ihren Körper, während Amanda die Augen schloss und ihr Gesicht in den Händen vergrub. Nataniel kam langsam wieder zu sich, als etwas seine Fingerspitzen berührte, sie anstupste, über seine Knöchel fuhr und streichelte. Was jedoch nicht gleich hieß, dass er sofort hell wach war. Viel mehr musste er sich aus dem zähen Nebel seines Schlafes befreien. Seine Augen waren bleischwer, genauso wie sich sein ganzer Körper anfühlte. Als hätte er in jedem einzelnen Muskel eine Verspannung. Erst als Amanda von ihm abrückte und er ihren Körper nicht mehr an sich spüren konnte, gelang es seinem Verstand, sich aus der klebrigen Masse der Erschöpfung zu befreien und wieder mit der Arbeit anzufangen. Nataniel lächelte, als er die Augen aufschlug, weil er genau wusste, dass er dann seine Gefährtin sehen würde. Er lächelte sogar noch, als sich deutlich ein unangenehmes Gefühl in ihm zu regen begann. Metallisch, schal und bitter lag es ihm auf der Zunge. Selbst seine Nase ließ sich nicht täuschen. Es konnte unmöglich Einbildung sein, dass er sowohl den süßen, lockenden Duft ihres Körpers wahrnahm, sowie die Beimischung von etwas, das er eigentlich nicht benennen wollte. War es tatsächlich Traurigkeit? Nataniel konnte es nicht sagen und vor allem konnte er sich keinen Reim darauf machen. Aber er begann langsam zu erfassen, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht war es nur etwas völlig Banales, aber gerade wenn es Amanda betraf, betraf es auch ihn. Wenn er also nicht nur von ihrem Geruch ausginge, so würde auch ihre Pose viel für sich sprechen. Das Lächeln war wie weggewischt. Leise ächzend stemmte er sich hoch und stellte dabei fest, wie viel an Geschmeidigkeit er verloren hatte. Es lag hauptsächlich daran, dass er so lange ruhig gelegen hatte, aber normalerweise war das Problem mit ein paar Streckübungen behoben. Nur dieses Mal glaubte er nicht, dass es nur daran lag. Was im Augenblick auch vollkommen unwichtig war. Stattdessen kroch er über die Matratze auf Amanda zu, kniete sich hinter sie und schlang seine Arme um ihren Körper, während er seine Brust von hinten an ihren Rücken schmiegte. Sein Kopf lag neben dem ihren auf ihrer Schulter, wobei sich ihre Haarfarben vermischten und einen interessanten Look ergaben. Beschützend hielt er sie fest, sagte eine Weile gar nichts, weil ihm einfach nicht die richtigen Worte einfallen wollten, aber dafür bekam er immer deutlicher mit, das etwas nicht stimmte. Als würde der Kontakt mit Amandas Haut ihm Informationen übermitteln, die selbst sein Geruchssinn nicht wahrnehmen konnte. Es fühlte sich tatsächlich wie ein so genannter sechster Sinn an. Oder einfach nur Intuition. „Ich sage dir mein Geheimnis und du erzählst mir deines. Was hältst du davon?“, flüsterte er leise dicht an ihrem Ohr. Nataniel konnte einfach nicht direkt fragen, ob Amanda etwas bedrückte. Er wusste es zwar, aber dennoch fürchtete er sich vor der Antwort. Was auch immer es war, eigentlich wollte er es gar nicht wissen. Seine Bewegungen hatten sich auf die weiche Matratze übertragen und Amanda hatte sehr wohl mitbekommen, dass Nataniel wach geworden war. Trotzdem brachte sie nicht dir Kraft auf, einfach so zu tun, als ob nichts wäre und sich lächelnd wieder zu ihm zu legen. Obwohl sie ihr Gesicht aus ihren Händen hob, öffnete Amanda die Augen zunächst nicht, sondern ließ sich einfach von Nataniels Armen, seiner Wärme und seinen inzwischen so vertrauten Geruch umfangen. Ihr Atem ging einigermaßen gleichmäßig, hatte aber immer noch dieses unverkennbare, leise Raspeln an sich, dem auch mehrmaliges Schlucken nichts anhaben konnte. Endlich brachte Amanda es fertig ihre Augen aufzuschlagen und Nataniel ins Gesicht zu sehen, als er ihr diesen Vorschlag unterbreitete. Ihre Hand streichelte seinen Arm hinauf, während die andere ihre Finger mit seinen verschränkte. In diesem Augenblick hatte Amanda wirklich nicht die geringste Ahnung, was passieren würde, wenn sie das sagte, was ihr seit ein paar Stunden so auf der Seele lastete. Wäre sie überhaupt fähig irgendetwas zu bewerkstelligen oder irgendjemandem zu helfen, wenn Nataniel ihr seine Zuneigung entzog? Wie gern hätte Amanda jetzt einen Scherz bereit gehabt, um die Situation in die Sphäre zu ziehen, die schon öfter zu einer Entladung der Gemüter zwischen ihnen beiden geführt hatte. Dann hatten sie sich zwar gestritten, aber immer wieder hatten sie sich zusammen gerauft und etwas Positives daraus gewonnen. Immerhin wusste sie seit der verbalen Auseinandersetzung in der Höhle, dass ihre Liebe zu Nataniel auf Gegenseitigkeit beruhte. Aber gerade jetzt wollte Amanda nichts einfallen, das dieses Gespräch mit einer gewissen Leichtigkeit begonnen hätte. Dafür hatte sie viel zu viel Angst davor, was am Ende stehen könnte. Sämtliche Kraft schien aus ihrem Körper zu weichen, weil Amanda sie dazu brauchte, ihren Mund zu öffnen und Nataniel zu erzählen, was passiert war. "Du weißt doch, dass ich Eric anrufen wollte.", begann sie, ehe sie sich auch zum Rest durchrang. Amanda schilderte ihren Besuch in dem Restaurant, das Telefongespräch und die Panik, die sie bei Erics Bericht ergriffen hatte. "Nataniel, es fühlt sich so an, als wäre es meine Schuld, wenn die Organisation aus dieser Sache mit neuer Macht zurückkommt und den Gestaltwandlern das Leben zur Hölle macht." Es schmerzte fast körperlich, sich von seinen Armen zu lösen und ihm in die blauen Augen zu sehen. "Ich habe Eric versprochen, dass ich in die Stadt zurückgehe, um ihnen zu helfen. Niemand kennt die Strukturen der Moonleague so gut wie er und ich. Wenn wir verhindern wollen, dass etwas Schreckliches passiert, bleibt mir nichts Anderes übrig, als..." Amandas Körper zuckte leicht, weil sie Nataniel umarmen wollte. Sie wollte sich an ihn schmiegen, um zu hören, zu fühlen, dass es eine Lösung gab. Dass sie nicht für immer von ihm getrennt sein musste. Aber sie hielt sich zurück und wartete mit starrem Blick nur auf das Urteil, das Nataniel über die Situation fällen würde. Amanda fühlte sich, als würde der Boden unter ihr schwanken und war sich auf einmal peinlich bewusst, dass sie beide nackt nebeneinander saßen. Angst und Traurigkeit schienen sie beinahe zu überschwemmen, während sie versuchte diesem eisblauen Blick standzuhalten. Was hätte Amanda alles dafür gegeben, Nataniel genauso lesen zu können, wie er sie. Hätte Amanda ihm eine brutale Ohrfeige mit einem Schlagring verpasst, die Wirkung hätte nicht heftiger ausfallen können. Nataniel war schockiert. Mehr als das, er war unfähig sich zu bewegen, während nur nach und nach die Informationen in sein Gehirn rieselten. Vollkommen ausdruckslos sah er sie an, als würden selbst seine Gesichtszüge nicht wissen, wie sie jetzt reagieren sollten. Zumindest seine Gesichtsfarbe schien sich für aschfahl entschieden zu haben, als ihm regelrecht schlecht wurde und sich ein gewaltiger Knoten in seinem Magen bildete. Es war vielleicht besser so, dass Amanda sich von seiner Umarmung befreite und auf diese Weise deutlich etwas auf Abstand ging. Sonst hätte sie den plötzlichen Temperatursturz seines Körpers garantiert mitbekommen. Ihm war auf einmal eiskalt. Noch immer vollkommen fassungslos, sank er auf seine Fersen zurück und versuchte zu begreifen, was das alles für sie beide bedeutete, während er Amanda in die Augen blickte. Wenn das alles wirklich wahr war, dann war nicht nur sein eigenes Rudel in Gefahr, sondern alle Gestaltwandler auf dieser Welt. Würde die Moonleague ihre Existenz öffentlich machen, könnten sie gleich einpacken. Sie waren zwar keine Werwölfe oder sonstige Bestien aus Märchen und Legenden, aber der Großteil der Menschheit würde glauben, dass sie eine Gefahr darstellten und verdammt, wenn man sie bedrohte, würde das auch zutreffen. Keiner von ihnen würde sich freiwillig dem Tod oder der Gefangenschaft aussetzen. Erst recht nicht, wenn sie Familie hatten. Der Gedanke an Familie brachte ihn zu gleich auf die nächste verbale Keule, die ihm Amanda über den Schädel gezogen hatte, so dass seine Schläfe schmerzhaft pochte und sein Herz gegen die Umklammerung einer unsichtbaren Macht tapfer ankämpfen musste, die es zu zerquetschen versuchte. Er begann am ganzen Körper zu zittern, als er sich des Ausmaßes bewusst wurde, was das alles noch für sie bedeuten könnte. Irrwitziger Weise fiel ihm gerade in diesem Moment ein, dass er wieder einmal mit seiner Vermutung recht behalten hatte. Am liebsten hätte er niemals diese Dinge erfahren, aber das hätte ihn nicht davor schützen können. Auch wenn er nicht gewollt hatte, er hatte es erfahren müssen. Auch wenn er nicht geglaubt hatte, dass er jemals noch ein Wort an dem Knoten in seinem Hals vorbei schieben konnte, beendete er Amandas Satz doch ohne Stocken oder Aussetzer, jedoch völlig ohne seine Gefühle dort hinein zu legen. „…als dass du dich in Gefahr begibst, dein Leben erneut für eine andere Art aufs Spiel setzt und als wäre das noch nicht genug, wirst du mich verlassen.“ Sein Ton beinhaltete keinerlei Fragen. Es waren alles Feststellungen. Um seine Rasse zu beschützen, würde sie ihr Leben riskieren. Selbstlos wie sie war, war sie sich zwar der möglichen Konsequenzen bewusst, würde es aber trotzdem durchziehen. Amanda wusste, dass er nicht so einfach sein Rudel verlassen konnte, um sie zu begleiten. Auch wenn er das auf der Stelle tun würde, sehe er einen Vorteil darin. Aber er kannte sich weder mit der Moonleague aus, noch wäre er Amanda in diesem Fall eine große Hilfe. Er hatte nicht ihr Organisationstalent, ihre Mittel und Wege, ihre Verbindungen, ihr Können was Waffen anbelangte und schon gar nicht ihre Fähigkeiten. Was das anging, war er nur ein Wilder mit Klauen und Schwanz. In der Großstadt völlig ungeeignet. Aber verdammt noch mal, musste das dann bedeuten, dass er auf die Gnade des Schicksals hoffen und auf ihre wohlbehaltene Rückkehr warten musste? Wie könnte er auch nur daran denken, sie in Gefahr zu wissen, während er weit weg war, um das Rudel zu beschützen und nicht sie? „Wenn du stirbst, sterbe ich auch.“ Das war letztendlich das Endergebnis seiner Gedankengänge und zugleich hatte es sogar etwas Tröstliches. Denn es würde ein Ende aller Leiden bedeuten, sollte er sie wirklich im Kampf zwischen der Organisation und seiner eigenen Art verlieren. Kein Zweck könnte jemals dieses Mittel heiligen. Amandas Tod wäre zugleich der Untergang seiner Welt. Egal wie der Kampf ausging. Jedes seiner Worte stach in ihr Herz, wie es seine Krallen nicht hätten besser fertig bringen können. Es lag keine Wut, keine Angst in seiner Stimme und gerade dass seiner Aussage jegliche Emotion fehlte, machte sie umso schneidender. In dem verzweifelten Versuch die Tränen aufzuhalten, die sich in ihren Augen sammelten und ihr den Blick bereits verschleierten, presste Amanda ihre bebenden Lippen kurz fest aufeinander. Sie wollte ihn doch gar nicht verlassen! Aber Amanda verstand natürlich, dass es sich für Nataniel wie Verrat anhören musste. Ihr Herz schien sich zu verkrampfen und kein Blut mehr durch ihre Adern zu pumpen. Allein um alles noch schmerzhafter zu machen, klopfte es schwer und nachdrücklich in Amandas Brust, als wolle es zerspringen. Wie ein Häufchen Elend sank sie in sich zusammen. Vor Nataniel konnte sie ihre sonst so glänzende Rüstung und gespielte Stärke nicht aufrechterhalten. "Ich hatte gehofft…" Amanda konnte nicht weiter sprechen. Ihre Stimme war ohnehin so dünn, dass es sie nicht gewundert hätte, wenn Nataniel sie gar nicht hörte. Ja, was hatte sie denn entgegen allen Wissens gehofft? Dass er mit ihr kommen würde? Ohnehin war Amanda klar, dass die Stadt nicht Nataniels Welt war. Und es war nicht seine Schlacht, die dort geschlagen werden würde. Es war Amandas Fehler und sie versuchte froh darüber zu sein, dass Nataniel gar nicht den Ansatz machte, sich in diese Sache hinein ziehen zu lassen. Ja, das war das Einzig Gute, das Amanda an der Situation sehen konnte. Nataniel würde hier bleiben, wo er sicher war und wo sich jemand um ihn kümmerte. Seine Familie würde ihn beschützen und umsorgen, wie er es mit dem Rudel tun würde, wenn es ihn brauchte. Amanda straffte sich und schaffte es wieder in Nataniels Augen zu sehen. Ihre eigenen flackerten immer noch verletzlich und angespannt, aber mit neuer Kraft, die sie aus dem Gedanken zog, dass ihm nichts passieren würde. Sie selbst musste nur genau das Richtige tun - Die Moonleague aufhalten. "Ich habe nicht vor zu sterben.", sagte sie leise aber mit fester Stimme. Ein grimmiger und entschlossener Ausdruck trat kurz auf ihr Gesicht, bevor er von etwas ganz Anderem abgelöst wurde. Zurückhaltend und vorsichtig berührte sie mit ihren Fingerspitzen seine Wange und schrak fast zurück, als sie spürte, wie ungewöhnlich kalt seine Haut war. "Es wird alles gut gehen. Sobald die Moonleague endgültig ausgeschaltet ist, komme ich zu dir zurück." Eine eiserne Stille legte sich über sie beide, während Amanda jedes schwere Wort zuerst auf ihre Zunge legte, damit es ihr nicht doch noch entkommen konnte. "Wenn du mich dann noch willst." Er konnte sich nicht bewegen, konnte noch nicht einmal richtig atmen. Wie hätte er sie dann berühren und an sich ziehen können, obwohl er es bei ihrem Anblick so gerne getan hätte? Was war es, was sie gehofft hatte? Amanda sprach es nicht aus und Nataniel konnte nicht danach fragen. Zum Teil, weil er sich noch immer wie betäubt fühlte und auch, weil sich Amandas Blick so schlagartig änderte. Entschlossenheit lag nun darin und das Feuer, das er schon immer in ihr gesehen hatte. Niemals würde diese Frau kampflos aufgeben. Sie besaß so viel Stärke, wie es selbst vielen Gestaltwandlern nicht zu Teil war. Irgendwann würde er sie darauf hinweisen. Vielleicht zu einer Zeit, wo sie es als Neckerei ansah und nicht diesen bitter ernsten Geschmack verursachte. Als sie sein Gesicht berührte, zuckte er überrascht etwas zurück. Ihre Hand war warm, nicht kühl. Was bedeutete, dass sie zum ersten Mal seit sie sich kannten, mehr Hitze ausstrahlte, als er. Kein Wunder bei dem Eisklumpen, der ihm schwer im Magen lag. Einen Moment lang gab er sich dem Gefühl ihrer Wärme an seiner Wange hin, schmiegte sein Gesicht mit geschlossenen Augen hinein, ehe sich auch der Ausdruck in ihnen veränderte, als er sie wieder aufschlug. Hoffnungen waren gut und schön, aber er konnte Amandas Optimismus nicht teilen. Wie ihre Chancen genau aussahen, verstand er noch weniger als sie. Immerhin musste Amanda wenigstens schon so etwas wie einen Plan haben. Sie kannte sich mit der Organisation aus, er war lediglich einer ihrer Gefangenen gewesen. Wenn jemand besser wusste, wie das hier enden würde, dann war es Amanda. Und obwohl Nataniel ihr vertraute, konnte er sich nicht auf diese Hoffnung einlassen, die ihre entschlossenen Worte in ihm zu wecken drohte. Viel mehr wollte er sich auf Taten verlassen. Es wurde Zeit sein volles Potential auszuschöpfen. Nicht umsonst hatte ihm die Natur diese Fähigkeiten gegeben. Aber darüber würde er sich später Gedanken machen, wenn er wieder zu klaren Gedankengängen fähig war. Im Augenblick saß der Schock noch zu tief, um mit gesunder Distanz an die Sache heran zu gehen. Amandas Berührung war ein Anfang gewesen, der seinen Körper wieder dazu anregte, seine Starre fallen zu lassen. Weshalb er auch endlich nach ihr greifen und sie an sich ziehen konnte. „Ich werde dir einmal eine Liste schreiben, was die Definition von ‚Gefährtin‘ Wort für Wort beinhaltet. Vielleicht wird dir dann einmal klar, dass ich mich immer an dich gebunden fühle.“ Selbst wenn sie es eines Tages anders sehen würde. Amanda war ein Mensch. Für sie gab es Freiheiten aus einer Bindung wie dieser heraus zu kommen, wie es sie für ihn nie geben würde. Sein Herz könnte es nicht zulassen. Eine Weile hielt er sie so fest, streichelte ihre nackten Rücken und kraulte durch ihr Haar, während er über diese beschissene Situation nachdachte. Keinen Moment der Ruhe war ihnen vergönnt, oder zählten dazu etwa auch die wenigen Tage? Was waren schon Tage im Gegensatz zu einem ganzen Leben? „Wie viel Zeit bleibt uns noch?“, wollte er daher wissen oder auch nicht. Aber besser, er war wenigstens auf den Zeitpunkt vorbereitet, wenn er sich schon nicht auf seine Reaktion einstellen konnte. Vermutlich drehte er vollkommen durch, sobald sie weg wäre und so sehr es ihn auch quälte, er war dennoch auch körperlich daran gebunden, auch auf sein Rudel zu achten und zuerst für dessen Sicherheit zu sorgen, ehe er irgendetwas anderes tun konnte. Selbst wenn es bedeutete, dass er eine Führerrolle ernannte, sollte ihm etwas passieren. Wenigstens diese Angelegenheiten sollte er regeln, um sein Rudel nicht Plan- und Führerlos zurück zu lassen. Es könnte sonst wieder zersplittern und dann wäre die Arbeit seines Vaters vollkommen umsonst gewesen. Genauso wie dessen Tod. Es schien Amanda, als würde zumindest die Wärme wieder in Nataniels Körper zurückkehren, nachdem er sie eine Weile an sich gedrückt und über ihren Rücken gestreichelt hatte. Umso kälter wurde ihr selbst, als er die Frage stellte, die sie am wenigsten beantworten wollte. Es hörte sich so endgültig an – schlimmer noch, es könnte so endgültig werden. Obwohl Amanda viel mehr danach gewesen wäre, sich an seine Brust zu schmiegen und leise an seine Haut zu nuscheln, damit er sie vielleicht gar nicht verstand, löste sich Amanda ein Stück von ihm und sah in Nataniels eisblaue Augen. Dass die Moonleague aufgehalten werden musste, war eine Tatsache, an der es nichts zu rütteln gab. Aber Eric hatte ihr mehr Zeit geben wollen. Ihr Bruder war so klug und so gnädig gewesen, ihr und Nataniel mehr als die drei Tage zu lassen, die sie selbst festgesetzt hatte. Aber sie kannte ihren kleinen Bruder. Wenn sie länger als diese drei Tage brauchte und die Stadt schon dabei war, bis auf die Grundmauern nieder zu brennen, erst dann würde er fragen, ob sie nicht doch schneller zur Hilfe kommen könnte. Nataniel war Amandas Welt, aber Eric war immer noch derjenige, den sie als ihre Familie betrachtete. Sie würde ihn immer beschützen und das nicht nur, weil sie es ihrem Vater damals versprochen hatte. "Sie erwarten mich in drei Tagen." Drei Tage also… Das war viel zu wenig. Aber Nataniel war sich auch darüber im Klaren, dass selbst ein Monat nicht ausgereicht hätte, um die Zeit mit Amanda ausgiebig zu nützen. Es würde nie genug Zeit dafür bleiben. Und was nun? Sie konnten die nächsten drei Tage nicht einfach so tun, als wäre alles in Ordnung und ihren Spaß haben. Nataniel selbst konnte die Chance nützen, um sich noch weiter zu erholen, aber seine gute Laune, endlich wieder Zuhause zu sein, war vollkommen dahin. Wie er seine Stimmung seinen Eltern erklären sollte, war ihm ebenfalls ein Rätsel. Immerhin hatte er bei dem Gespräch mit seinem Dad darauf geachtet, die Moonleague so weit wie möglich heraus zu halten. Wie präsent sie nun wirklich war, wollte er seinen Eltern nicht mitteilen. Zumindest noch nicht, solange es sie nicht persönlich betraf. Was es durchaus in Zukunft tun könnte. Wie sehr er das alles doch hasste! „Entschuldige mich, Amanda. Ich … will mich gerne duschen und anziehen, danach besorge ich uns was zu Essen. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe heute keine Lust, mit meinen Eltern zu Abend zu essen.“ Seine Stimme klang etwas neben der Spur. Als wären sein Gedanken ganz wo anders und das waren sie ja auch. Er musste sich immer noch von dem Schock erholen. Gut, wenn er dafür ein paar Minuten alleine verbringen konnte. Zwar hatten Amanda und er nur noch so wenig Zeit, aber diese paar Minuten musste er einfach für sich alleine haben. Also ließ er sie ganz los, ohne auf ihre Antwort eingegangen zu sein und stand auf. Mit leicht schwankendem Gang und tief in Gedanken versunken, schlurfte er ins Bad und zog die Tür hinter sich zu. Erst als er unter dem heißen Wasserstrahl stand, der seine Haut beinahe versengte, wurde ihm langsam etwas wärmer und zugleich konnte er endlich den Panther ungestört vor sich hin winseln lassen. Der Schmerz war nur schwer zu ertragen, aber das Nichts-Tun-Können noch schlimmer. Wie sollte das alles bloß enden? Er wusste es wirklich nicht. Was konnte Amanda anderes tun, als Nataniel loszulassen und leicht zu nicken, als er aufstand und sie allein ließ? Kaum einen Augenblick später hörte sie das Rauschen der Dusche und bemerkte erst jetzt, dass ihr Blick fest auf die Tür gerichtet war, die Nataniel zwischen ihnen geschlossen hatte. Zitternd und mit bleischweren Gliedern stand Amanda schließlich vom Bett auf und ging um den Holzrahmen herum, zu den Tüten, die überall auf dem Boden verteilt lagen. Die neuen Kleidungsstücke waren teilweise herausgefallen oder hingen noch halb auf dem unteren Teil der Matratze. Wie in Trance hob Amanda jedes einzelne Stück auf, faltete es sorgsam zusammen, suchte sich eine Jeans, ein grünes Top und Unterwäsche heraus. Alles zog sie über, ohne wirklich hinzusehen oder darüber nachzudenken. Nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Verstand fühlte sich wie betäubt an. Als würde sie nur noch funktionieren, weil sie es musste. Langsam richtete Amanda sich auf und war mit wenigen, leisen Schritten bei der Terrassentür, die sie öffnete, ehe sie im Holzrahmen stehend hinaussah. Würde es ab jetzt so sein? Sie war noch nicht einmal von Nataniel getrennt und doch hatte Amanda bereits jetzt das Gefühl, als würde sie jegliche Empfindung in sich auslöschen, wenn sie ihn verließ. Mit einem tiefen Atemzug beschloss sie, dass das vielleicht gar keine so schlechte Sache war. Die guten Emotionen wie ihre Liebe, waren gut bei Nataniel aufgehoben. Vermutlich würde Amanda sie dort, wo sie hinging und in den Situationen, die auf sie warteten, ohnehin nicht brauchen können. Schon kurz nach dem er die Dusche wieder verlassen und sich frische Sachen angezogen hatte, machte sich Nataniel auf den Weg, um ihnen etwas Abendessen zu besorgen. Es gab im Grunde ohnehin nicht mehr viel zu diesem unverdaulichen Thema zu sagen, weshalb er auch nicht dem Gefühl nachgab, noch einmal darüber reden zu wollen. Stattdessen tat er etwas, das er in seinen Teenagerjahren öfters getan hatte. Er nutzte seine raubtierhaften Eigenschaften, um sich klammheimlich in die Küche seiner Mom zu schleichen und etwas zu Essen zu stehlen. Natürlich hätte er auch ganz normal die Tür benutzen können. Aber er wollte heute niemanden mehr sehen. Amanda war die Einzige, die er im Augenblick in seiner Nähe ertragen konnte, jetzt da seine Gefühle so gefährlich nahe an der Schmerzgrenze zum Durchdrehen lagen. Um auch für weitere Ungestörtheit zu sorgen, hinterließ er seiner Mom einen Zettel mit einer kurzen Nachricht darauf, dass sie bereits gegessen hatten und sich heute nicht mehr blicken lassen würden. Danach machte er sich mit seiner Beute aus dem Staub. Das Abendessen selbst lief wie zu erwarten ungewohnt schweigend ab. Natürlich ließ sich der Drang, etwas zu sagen, das alles nur noch schlimmer machen könnte, kaum bändigen. Doch Nataniel schluckte seine Worte hinunter. Im Grunde war er ohnehin völlig hin und her gerissen, zwischen dem enorm starken Gefühl, Amanda nie gehen lassen zu können, es aber zu müssen. Zumindest solange, bis er das Rudel in Sicherheit wusste. Sehr erschwerend hinzu kam auch noch die Tatsache, dass er natürlich immer noch mit ihrer Fruchtbarkeit zu kämpfen hatte, die von Stunde zu Stunde zunahm. Seine angeschlagene Psyche war insofern ganz nützlich, dass er im Augenblick absolut keine Lust auf Sex hatte und somit seinen permanenten Zustand der körperlichen Anspannung leichter bekämpfen konnte, als es vor diesem schmerzlichen Gespräch der Fall gewesen war. Nach dem Essen entschieden sie sich relativ früh ins Bett zu gehen. Nataniels Körper brauchte jede Ruhe, die er ihm gönnen konnte und so wie die Dinge standen, würden sie ohnehin lange brauchen, bis sie einschlafen konnten. Zumindest seine Gedanken waren so aufgewühlt und wirr, dass er lange Zeit einfach nur mit geschlossenen Augen wach da lag und gedankenverloren seine Finger durch Amandas Haar streicheln ließ. Zwar lag sie neben ihm im Bett, so dass sie seine Wärme bestimmt deutlich spüren konnte und auch nur die Hand leicht auf die Seite schieben musste, um ihn zu berühren, aber irgendwie schaffte er es nicht, sie an sich zu ziehen und fest zu halten. Er hatte das Bedürfnis danach, aber … je näher er ihr war, umso stärker war der Glaube daran, dass er eine Trennung von ihr nicht würde ertragen können. Nicht nur, weil seine Triebe Amok laufen würden, wenn er sie in dieser Zeit ihres Körpers alleine unter andere Gestaltwandler ließ, sondern weil sein Herz nur für sie zu schlagen schien und wenn sie nicht mehr hier war, was für einen Antrieb hatte es dann noch? So aufgewühlt wie er war, wunderte es ihn letzten Endes doch, dass er schließlich in einen tiefen und traumlosen Schlaf glitt, der aber auf keinen Fall von einem angenehmen Gefühl begleitet wurde. Zum Glück wurden ihm bildhafte Darstellungen dieser quälenden Gefühle erspart. Eigentlich hatte Amanda damit gerechnet, dass sie keinen Bissen hinunter bekommen würde. Viel zu belastend war die Stimmung, die zwischen ihr und Nataniel seit diesem Gespräch herrschte. Dennoch schien ihr Körper bei dem Anblick des Essens, das er gebracht hatte und spätestens nach dem ersten Bissen, ein sehr starkes Hungergefühl zu entwickeln. Amanda kaute bedächtig jeden Bissen und überlegte sich, wie es weitergehen sollte. Vielleicht hätte sie Nataniel doch nicht so früh von ihrem Plan erzählen sollen. Dann wäre es zwischen ihnen unbelasteter abgelaufen, sie hätten ihre Blicke über die Küchentheke hinweg nicht gemieden und würden nicht miteinander umgehen, als wären sie aus dünnem Glas. Bereits jetzt fühlte sich Amanda so bedrückt, dass sie sich weder vorstellen wollte, noch konnte, wie es in drei Tagen sein würde. Natürlich würde sie nicht zusammenbrechen. In ihrem Leben hatte sie schon ganz andere Sachen durchgestanden. Und doch war sich Amanda nicht sicher, dass sie es ohne einen Gefühlsausbruch hinter sich bringen konnte. Oder noch schlimmer, dass sie alle Gefühle völlig hinunter schlucken und mit ihrer Emotionslosigkeit Nataniel noch mehr verletzen würde. Als sie auf dem Rücken neben Nataniel in seinem Bett lag und starr an die Decke blickte, versuchte Amanda sich zu beruhigen. Es war immer wichtig und notwendig einen Plan auszuarbeiten. Hätte sie in diesem Moment, in dem sie Nataniels Körper warm neben sich und seine Finger in ihrem Haar spüren konnte, eine Pro- und Kontraliste erstellt, wie sie es normalerweise gern tat, wäre sie nie gegangen. Ihr Gehirn schien absolut nicht zu funktionieren. Es wurde von Amandas Herz nicht nur übertönt, sondern hatte sich mit ihm dazu verschworen, die Entscheidung, die sie getroffen hatte, nur noch schlimmer aussehen zu lassen. Mit dem drohenden Gefühl der Einsamkeit schloss Amanda die Augen. Sie konnte nicht sagen, ob Nataniel noch wach war oder bereits schlief. Seine Hand bewegte sich schon eine Weile nicht mehr. Jedenfalls hatte er offensichtlich nichts dagegen, dass Amanda schließlich doch seine Nähe suchte, um einzuschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)