Shadows of the NewMoon von Darklover ================================================================================ Kapitel 23: 23. Kapitel ----------------------- Schon sein aggressives Knurren hatte sie zusammenschrecken und die braunen Augen aufreißen lassen. Als er seine Krallen in den Findling schlug, konnte sie hinter sich das Brechen und Rieseln des Gesteins hören und wie ein paar abgeplatzte Stückchen ins klare Wasser fielen. Sie hatte ihn sofort losgelassen und stand nun mit angespannten Muskeln in dem Käfig, den sein Körper mit den Armen um sie bildete. Nataniel hatte sich von ihr losgerissen, als hätte er sich an ihrer Haut verätzt und doch schien er sie einzuschließen. Dass es ihm leidtat, beruhigte Amanda keine Sekunde. Denn sie wusste nicht, was er damit meinte. Seine Augen erinnerten sie an die Nacht, in der sie sich das erste Mal als Menschen gegenübergestanden hatten. Auch sein zitternder Körper und wie er sie ansah, erinnerten eher an die Abscheu und den Hass, den er damals empfunden hatte. Amanda wagte nicht einmal zu schlucken, als sich sein Blick erneut veränderte und er sich näher zu ihr lehnte. Er hatte sich nicht unter Kontrolle? Was hatte er denn um Himmelswillen vorgehabt? So, wie er gerade wirkte, war Nataniel nicht er selbst. Da war kein Flackern hinter seinen Augen, das normalerweise sein Wesen offen legte. Von Leidenschaft oder Verlangen war überhaupt nichts mehr zu spüren. Amanda versuchte sich damit abzufinden, dass sie etwas falsch gemacht hatte oder ihm einfach nicht genügte. Sie beantwortete seine Frage mit einer Gegenfrage, weil sie überhaupt nicht anders konnte. „Was war das gerade?“ Und wo bist du hin?, hätte sie gern noch hinzugefügt. Der Nataniel, mit dem sie gerade noch ausgiebig, leidenschaftlich und sehr erfüllen geknutscht hatte und auf bestem Weg gewesen war, mehr als das zu tun, war auf jeden Fall verschwunden. Es brannte wie Säure in ihrem Hals, weil sie wusste, dass sie ihn vertrieben hatte. Amanda war drauf und dran unter seinem Arm wegzuschlüpfen und sich einfach davon zu machen. Aber ohne eine Antwort würde sie nicht gehen.   „Eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Panther und mir“, antwortete er wahrheitsgemäß auf ihre Frage hin in einem Tonfall, als würde er über das Wetter plaudern. Fügte dann aber auch noch erklärend hinzu: „Er wollte raus und das konnte ich nicht zulassen.“ Wer sonst hatte die Krallen in den Felsen geschlagen? Das Menschliche in Nataniel war es garantiert nicht gewesen. Zumindest nicht den größten Teil davon. Aber auch dieser Teil war wie weggeblasen. Er fühlte sich seltsam leer, dafür aber angenehm beruhigt. Als wäre der Druck, gegen den er schon sein ganzes Leben lang standhalten musste, einfach verschwunden. Nataniel erkannte noch nicht einmal die Gefahr dahinter, da selbst sein sonst so gutes Bauchgefühl für ihn nicht mehr wahrzunehmen war. Seltsam. Leicht verwirrt ließ er vollkommen von Amanda ab, da er offensichtlich nicht nur die Stimmung zerstört, sondern zusammen mit dem Tier auch seine Erektion zum Verstummen gebracht hatte. Was ihm erst jetzt auffiel, da das Adrenalin langsam in seinen Adern abebbte und sein Herzschlag sich deutlich beruhigte. Seine Atmung war vollkommen normal. „Er hätte dich verletzt“, warf er noch ein, wusste aber zugleich, wie sinnlos diese Rechtfertigung war, weshalb er noch weiter auf Abstand ging, in dem er einen Meter von ihr wegschwamm und sich mit Beinbewegungen über Wasser hielt. Sein Blick war unverwandt auf Amanda gerichtet.   Damit hatte sie nicht gerechnet. War es das, was passierte? Verwandelte er sich in das Tier, das in ihm wohnte, wenn er Sex hatte? Und das hatte er ihr so locker verschwiegen? Im Gegensatz zu jenen Nataniel blitzten Amandas Augen vor geladener Emotion geradezu auf. War das hier ein albernes Experiment gewesen? „Wolltest du dir mit mir nur irgendwas beweisen?“, raunte sie so leise, dass er es, wenn überhaupt, sicher nur halb verstand. In diesem Moment wäre es ihr mehr als recht gewesen, wenn sie sich ebenfalls in eine Raubkatze hätte verwandeln können. Dann hätte sie ihm vielleicht gebührend zeigen können, was sie von seinem Verhalten hielt. Warum hatte er denn überhaupt angefangen, was er nun so gleichgültig beendete? Es musste ihm doch von Anfang an klar gewesen sein, dass er mit dem Panther aneinandergeraten und verlieren würde. Immerhin konnte nur der Mann mit Amanda intim sein. Etwas Anderes war doch hoffentlich völlig abwegig. Auch Amanda hatte mehr Stolz, als manchmal gut für sie war und den hatte Nataniel gerade mit Furchen und Kratzern übersät, obwohl er gerade sein Tier nicht ans Tageslicht gelassen hatte. Sie war sogar weniger als eine Gespielin, sie war NUR ein Mensch. Und wie sich gezeigt hatte, taugte sie nicht einmal zu ein wenig Vergnügen. Enttäuscht und deshalb wutentbrannt ließ sie sich ins Wasser gleiten. Nataniel paddelte ein gutes Stück von ihr entfernt im Fluss, was es ihr leicht machte, einfach zu verschwinden. Und das nicht nur aus seiner Nähe. Sie würde noch heute Clea anrufen. Sie sollte ihr eine Maschine schicken, die sie ins Hauptquartier brachte. Trotz des Gepardenbisses würde Amanda es schon irgendwie bis zu ihrem Wagen zurückschaffen. Und wenn es Tage dauern sollte.   Amanda murmelte irgendetwas von 'beweisen'. Da sie aber so aussah, als würde sie gleich in die Luft gehen, fragte Nataniel nicht nach, was sie gesagt hatte, sondern ließ sie ziehen. Während er ihr nachblickte, schien etwas in ihm runter zu fallen und durch den Aufprall zu zerschellen. Er fühlte es nicht. Er fühlte absolut gar nichts. Weder Bedauern, noch Schuld, noch irgendetwas anderes, was in diesem Augenblick deutlich angebracht gewesen wäre. Es hätte Nataniel mehr als nur beunruhigen sollen, aber das tat es nicht. Wie könnte es auch. Da war nichts mehr.   Er hatte sich eine Weile an den Felsen gelehnt und darüber nachgedacht, was passiert war. Wäre Amanda eine Wandlerin gewesen, würde er gerade heißen, wilden Sex haben und es absolut genießen. Hemmungslos und ohne Bedenken. Aber das war sie nicht und somit war das der springende Punkt. Der Panther war ein instinktgesteuertes Wesen. Seine leidenschaftlichen und wilden Eigenschaften beherrschten beim Sex hauptsächlich Nataniels Gefühlsleben und teilweise sogar seine Gedanken. Sein menschlicher Körper wäre nur noch eine Fassade für seinen ungezähmten Trieb. Das hieß nicht, dass er vollkommen rücksichtslos war, immerhin war der Panther auch ein fürsorglicher Gefährte, aber für Amanda hätte das nicht gereicht. Sie kannte sich mit Gestaltwandlern in dieser Situation ebenso wenig aus, wie er sich mit menschlichen Frauen bei dieser Gelegenheit auskannte. Das Nichtwissen würde zu Missverständnissen führen und am Ende sogar zu Angst. Von dort aus war es bis Hass und Abscheu nicht mehr weit. Nein, Nataniel hatte gut daran getan, den Panther in seine Schranken zu verweisen, ehe etwas Schlimmeres als das passiert wäre, vor dessen Tatsachen er sich nun sah. Amanda war fort und irgendwie wusste er, dass das noch nicht alles sein würde. Nachdem vermutlich genug Zeit vergangen war, damit sie sich in Ruhe hatte anziehen können, schwamm Nataniel zu seinen eigenen Sachen zurück und zwängte sich in seine Jeans, was sich als äußerst schwierig gestaltete, da er nass war. Sein Shirt zog er noch nicht einmal an, ehe er zurück zum Lager ging. Im Augenblick war er ratloser denn je. Er hatte das Gefühl, seine ganze Orientierung verloren zu haben. Schon während er über den Versammlungsplatz und an einigen Leuten vorbei ging, fiel ihm auf, dass sie ihn alle sehr merkwürdig ansahen. Kinder, die sich gestern noch an seine Beine gehängt hatten, wichen erschrocken vor ihm zurück und sahen verwirrt ihre Eltern an. Die Alten starrten ihn mit entsetztem Schweigen an, während die Jüngeren aufgebracht miteinander tuschelten. Aber keiner wagte es, ihm nahezukommen. Was auch gut so war, im Augenblick wollte er nichts anderes, als alleine sein. Nataniel war sich noch nicht einmal bewusst, dass er kein bisschen mehr die Ausstrahlung oder den Geruch des Alphatiers an sich trug. Er war wie ein Fremder für seinen Clan geworden.   ***   Nele war den ganzen Tag völlig aufgedreht gewesen. Ihre Mutter hatte sie gerade einmal dazu zwingen können, noch ihr Abendessen zu beenden, bevor sich die Kleine vom Tisch aufmachte und zum Versammlungsplatz rannte. Dort setzte sie sich auf einen großen Stein, sah den Männern dabei zu, wie sie das große Feuer am Laufen hielten, und ließ ihre großen, grünen Augen in die Runde schweifen. Jedes Mal, wenn jemand auf den Platz kam, strahlte ihr hübsches rundes Gesicht, bevor das Mädchen bemerkte, dass es nicht die Person war, auf die es wartete.   Nele hatte Stunden dort gesessen, bis ihr schließlich von der Nachtluft kalt wurde, genauso wie von der Enttäuschung, die sich in ihr breitmachte. Amanda war nicht gekommen. Dabei hatte Nele geduldig gewartet, bis es dunkel geworden war. Amanda hatte ihr doch fest versprochen, dass sie ihr zeigen würde, wie sie verschwand. Nele wollte auch ganz tapfer sein und nicht erschrecken, wenn das Düstere danach an ihr hing. Und sie hatte sogar den Mund gehalten und niemandem davon erzählt. Ganz so, wie sie es versprochen hatte. Ihre dünnen roten Lippen pressten sich aufeinander, als ihr eine dicke Träne über die Wange rollte. Warum war Amanda nicht gekommen?   ***   Mit gesenktem Blick stand Amanda neben einem der Schreibtische und sah Clea über die Schulter. Die streng zurückgekämmten Locken, die sie in einem Dutt zusammengefasst hatte und die dunkle Uniform ließen sie hart erscheinen. Über schwarzen Stiefeln und Hosen trug sie eine eng geschnittene lange, schwarze Jacke, an der auf beiden Schultern ihr Rang in einem Symbol abgebildet war. Seit sie zurückgekommen war, hatte sie fast ihre gesamte Zeit in der Zentrale verbracht. Die Sammler 1. Klasse hatten sie zu sich berufen und einem strengen Verhör unterzogen, da sie so lange ohne Bericht verschwunden gewesen war. Eric hatte sie mit keinem Wort erwähnt. Weder sein Verschwinden, noch die Tatsache, dass er sich wieder in der Stadt aufhielt. Er war über den Kontakt mit ein paar Wandlern hier in den Untergrund gegangen. Die Gruppe würde das versuchen, was William Hunter im Nationalpark geschafft hatte. Und Amandas Pläne würden ihnen in die Hände spielen. Unter der Frisur konnte jeder, der vorbei ging, ihr Registrierungstattoo sehen. Sie trug es inzwischen mit einem grimmigen Stolz, den niemand so recht verstehen konnte, außer sie selbst und den Menschen, die von der 'Herodes-Aktion' wussten. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, lehnte Amanda sich ein wenig vor, um die Landschaft auf dem Bildschirm besser erkennen zu können. Es war irgendwo in Kanada. Ein Landstrich, auf dem inzwischen viel mehr Wohnhäuser und andere Gebäude standen. Punkte verschiedener Farbe leuchteten einzeln und in kleinen Gruppen überall auf der Karte. „So viele.“ Selbst ihre Stimme war in dieser Umgebung um einige Grad herunter gekühlt und verriet nichts von der Person, die sich hinter den hellbraunen Augen verbarg. „Ja. Und das ist nur einer der sechzehn Landstriche, die sie gesäubert haben.“ Cleas Augen hinter der dickrandigen, goldenen Brille ruhten nicht zum ersten Mal besorgt auf Amandas blassem Gesicht. „Meinst du wirklich, dass wir das tun sollten? Ich meine … hier.“ Amanda machte sich gar nicht die Mühe, ihre Freundin beruhigend anzusehen. „Du weißt doch am allerbesten, dass nichts so gut abgeschirmt ist, wie dein Büro. Hier müsste schon jemand willentlich vorbei kommen, um uns auszuspionieren.“ Und das würde nicht passieren. Cleas von Neonröhren, Computern, Bildschirmen und Hello-Kitty-Katzen dominiertes Reich lag im Keller des Hauptgebäudes und wurde nur dann von echten Personen besucht, wenn es gar keine andere Möglichkeit gab. Und das kam nicht vor. So viele Daten, Anrufe und andere Übermittlungen, wie hier jede Stunde eingingen, machte jeden persönlichen Besuch absolut unnötig. „Okay, du hast Recht. Aber ich halte es immer noch nicht für eine gute Idee, was du vorhast.“ Clea tippte mit ihren bunt lackierten Fingernägeln auf der pinken Tastatur herum und ließ weitere Karten auf dem Bildschirm erscheinen. Amanda zählte die Punkte und über ihr blasses Gesicht legte sich nicht zum ersten Mal, seit sie zurück war, ein grauer Schatten. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden. Zum Glück konnte sie es allein tun und würde Clea und jeden Anderen in Sicherheit wissen, bevor sie zuschlug.   ***   Nataniel war gerade in der Apotheke, als er den Anruf erhielt. Ein Mitglied seines Rudels hatte sich beim Jagen verletzt und er war hier, um die nötigen Antibiotika zu besorgen, da sie ihre Vorräte bereits erschöpft hatten. Er hätte auch jemand anderen schicken können, doch seit Amanda weg war, wollte er jede Möglichkeit nützen, alleine zu sein, selbst wenn das bedeutete, dass er einen mehrstündigen Fußmarsch in kauf nehmen musste, da er seit dem Tag ihrer Abreise so extrem wütend auf seinen Panther war, dass er ihn nicht mehr befreien wollte. Übrigens die einzige Emotion, die ihn ab und zu überkam. Es wunderte ihn sogar, dass seine Leute ihn nicht schon längst ersetzt hatten. Er kümmerte sich weiterhin um seine Pflichten, aber er roch nicht einmal mehr nach Raubkatze, als wäre er nichts weiter als ein stinknormaler Mensch. Vermutlich war die Loyalität seinem Vater gegenüber das Einzige, was seine Leute davon abhielt, ihn abzulösen. Denn im Fall der Fälle wäre er nicht mehr in der Lage, sie zu beschützen. Zumindest konnte man ihm das nicht mehr zutrauen und schon gar nicht ansehen. Mehr denn je kümmerte er sich deshalb um die organisatorischen Dinge. Dachte sich alle möglichen Pläne aus, falls etwas schiefgehen sollte und wenn er schon nicht mehr Stärke beweisen konnte, dann doch wenigstens einen berechnend scharfen Verstand. Da er mit eiskalter Logik vorging. An Amanda versuchte er weitestgehend, nicht zu denken. Das brachte ihn jedes Mal so dermaßen durcheinander, dass er gar nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand und das konnte er sich nun einmal nicht leisten. Wenn es aber um das einzige Mitglied seines Clans ging, das ihn nicht ständig mit einem seltsam besorgten Blick bedachte, konnte er es nicht verhindern, an sie erinnert zu werden. Nele war, so oft sie konnte, in seiner Nähe und fragte jeden Tag nach Amanda und ob sie bald wieder kam. Die enttäuschten kleinen Augen konnte er kaum noch ertragen, umso öfter er ihr erklären musste, dass er nicht wusste, wo Amanda war und auch nicht glaubte, dass sie wieder zurückkäme. Nie wieder. Auch wenn sein eigenes Herz keine Gefühle zu ließ, so war es doch das des kleinen Mädchens, das jeden Tag ein Stück mehr zu brechen schien und das entging ihm keinesfalls. Aus diesem Grund fiel es Nataniel so schwer, seine Pflicht zu tun und das Raubtier wieder zuzulassen. Mit dem Panther würden all seine Emotionen zurückkehren und irgendwie war er sich dabei bewusst, dass sie mächtiger denn je in ihm zuschlagen würden. Damit setzte er alles aufs Spiel, was er besaß, um genau das zu verhindern. Letztendlich hatte er das Rudel wirklich nicht verdient. Er war ein verdammter Feigling ohne Verantwortungsgefühl geworden. Die Besitzerin der Apotheke wünschte ihm noch einen schönen Tag, als sie ihm die Tüte mit den Medikamenten überreichte und er sie in den Plastikbeutel zu den Süßigkeiten für Nele tat. Sie waren kein Trost, aber vielleicht würden sie das kleine Mädchen etwas aufheitern. Gerade als Nataniel zur Tür raus wollte, klingele sein Handy. Während er den Laden verließ und auf die Straße trat, zog er es aus seiner Hosentasche und hob mit tonloser Stimme ab: „Ja?“ „Nataniel?“ Sven klang so, als wäre gerade der Geist seiner Schwiegermutter vor ihm erschienen. Vollkommen entsetzt und ungläubig zugleich. „Was ist los? Ist dir eine Festplatte eingegangen, oder so etwas in der Art?“, wollte Nataniel wissen, während er nachsah, ob die Straße frei war, ehe er losging, um zum Waldrand zu kommen. „Verdammt noch mal, das Gleiche könnte ich dich fragen. Du hörst dich an wie ein Toter. Aber zum Teufel noch mal, deswegen rufe ich nicht an!“ Etwas in Svens Stimme veranlasste Nataniel dazu, abrupt stehenzubleiben. Das klang nicht gut. „Was ist los?“, wollte er nun schon drängender in Erfahrung bringen. „Die verdammte Hölle ist los! Hast du eigentlich eine Ahnung, was zurzeit auf den Rechnern der Moonleague abgeht? Vor einer Stunde bekam ich eine ganze Welle voller Alarmsignale. Die haben nicht einfach nur einen Gestaltwandler registriert, sondern einen ganzen Haufen davon, und zwar genau dort, wo dein Arsch sich gerade befindet. Ist dir klar, was das bedeutet? Oder klingst du deshalb so, weil sie dich schon erwischt haben?“ Nataniel erstarrte vollkommen. „Was?“ „Rede ich Wellensitisch oder was? Nach der Menge zu urteilen, müssen die sämtliche Wandler in deiner Region aufgelistet haben. Zwar noch nicht mit persönlicher Kennzeichnung, aber die wissen Sachen, die dürften sie gar nicht wissen, ohne dass jemand geplaudert hat. Familiennamen, Adressen, Rasse, Anzahl der Kinder, Alter, Verwandte. Verdammt noch mal, von einigen hab ich sogar die Schuhgröße!“ Ein eiskalter Schauer überkam Nataniel und zum ersten Mal, seit Amanda vor unzähligen Tagen gegangen war, spürte er wieder die leichte Präsenz seines Raubtiers. Sein Beschützerinstinkt seinem Clan gegenüber sprang so reibungslos an, als wär er ein gut geölter Motor. „Wann sind sie hier?“, war alles, was er noch fragte, da Nataniel auch so schon begriffen hatte. Jemand hatte alle Daten über sein Rudel preisgegeben, die er wusste und sie somit auf dem Silbertablett serviert. Sein Verstand weigerte sich hartnäckig, dabei an Amanda oder Eric zu denken. Das war einfach nicht wahr! „Ich befürchte, dir bleibt kaum noch Zeit die Kurve zu kratzen. Hau so schnell ab, wie du kannst. Laut dem Signal ihrer Wagen zu urteilen, müssten sie bereits in der Stadt sein.“ Nataniel ließ die Plastiktüte fallen und lief los, während er auflegte und die Nummer von Palia wählte. Als sie endlich ranging, gab er ihr kurze und knappe Befehle. Sie sollte das Rudel so schnell wie möglich zu einem der geheimen Schutzpunkte bringen und dabei nur das Nötigste mitnehmen. Er übergab ihr so lange die Verantwortung, bis er ebenfalls bei diesem Punkt angekommen war. Palia war überrascht, ihren Anführer wieder zu haben, zumindest schien das sein Tonfall deutlich gemacht zu haben. Aber gehorsam, wie sie war, versprach sie sich darum zu kümmern und hoffte, dass er bald sicher bei ihnen ankommen würde. Nataniel hätte sich gewünscht, ihr diesen Gefallen tun zu können, doch kaum, dass er wie der Teufel in den Wald lief, wurde ihm klar, warum er nichts Auffälliges in der Stadt gesehen hatte. Die ganze Truppe lauerte bereits im Wald auf ihn. Noch während Nataniel sich verwandelte, zerbröselte er sein Handy, ehe er sich auf den ersten Mann stürzte, den er erreichen konnte. Seit langem schmeckte er wieder Blut in seinem Maul und kostete das Gefühl aus, Knochen zu brechen und Muskeln zu zerreißen, Leiber mit seinen Krallen zu zerfetzen und seine ungeheure Wut hinauslassen zu können. Doch es reichte nicht. Bei weitem nicht. Es waren zu viele. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)