Mondschatten von abgemeldet (Die Jäger des Blutes) ================================================================================ Prolog: -------- Der Regen prasselte unaufhörlich auf den Asphalt. Es war schwül und doch fühlte ich mich als ob es nicht mehr als 5 Grad wären. Ich nieste. Die Kälte, welcher der Regen verursachte, setzte mir jetzt schon zu. Ich zog meine Jacke enger um meinen Körper und blinzelte durch die dicken Tropfen hindurch rüber zum Marktplatz. Es war kurz nach Mitternacht, lange konnte die Prozession also nicht mehr dauern. Das gesamte Dorf hatte sich heut Abend zusammengefunden. War ja klar, sie wollten alle dabei sein wenn wieder einmal jemand geopfert wird. Auf dieses jährliche Fest könnte ich eigentlich verzichten, jedoch war es „die Pflicht eines jeden Bürgers das Opfer auf seinem letzten Weg zu begleiten“. Ich konnte nie verstehen warum diese knapp 300 Bewohner sich jedes Jahr zusammengafften um das Schauspiel zu beobachten. Unser Marktplatz glich mittlerweile einer Henkersversammlung. Ein Gähnen entwischte mir und gleich darauf konterte ich rund ein Dutzend wütender Blicke und einen kleinen Stoß in die Rippen. Zischend sah ich rechts neben mich und zog die breiteste Schnute welche ich unter diesen – ziemlich kalten – Umständen zu Stande brachte: „Was’n?“ Netterweise grinste der blonde Typ neben mir mich breit an und nickte wieder nach vorne auf den Platz: „Sie sind da.“ Oh. Ja, hab ich anscheinend verpasst. Die Singer waren bereits eingetroffen. Dieses Jahr waren es nur 7 kleine Mädchen. Kurz musste ich überlegen wo denn das achte Kind blieb, als es mir auch schon schmerzlich bewusst wurde. Die kleine Marie war letzten Monat erst ertrunken. Nettes Mädchen war sie gewesen aber man hat ihr nie beigebracht zu schwimmen – dabei ist der Vater Fischverkäufer. Was für eine Ironie. Dabei dachten damals schon alle SIE seien daran beteiligt gewesen. Kein Wunder, dass man die Opferung so schnell hinter sich bringen wollte. Wieder musste ich niesen. Ein Blick in den Himmel genügte mir – der Regen war noch stärker geworden. Seufzend widmete ich mich wieder der Prozession zu. Der Kreis der Dorfleute war ungewöhnlich groß gestaltet. Sie hatten wohl Angst den Opfern zu nahe zu kommen. Dabei lebten die sogenannten Opfer vor mehreren Monaten noch genauso unter ihnen, wie sie selbst auch. Es waren 2 Mädchen, beide höchstens 17. Juliette war sogar erst 15. Sie war blond und hatte lockiges, langes Haar. Jede Frau mit Extensions hätte sie wohl beneidet. Außerdem war sie ziemlich verwöhnt – und wenn man mich fragte nicht gerade die hellste. Wenn man wie sie im kalten Regen - mit nichts weiter als ein wenig Spitzenunterwäsche und einem langen Seidenkleid – tanzte, konnte man meiner Meinung nach nicht viel im Kopf haben. Sie schien sich ja regelrecht zu freuen. Ich denke sie wusste nicht, was mal auf sie zukommt. Belle hingegen schien vernünftiger. Sie hatte die Panik im Gesicht stehen. Man merkte das vor allem sehr gut wegen ihrem ohnehin noch blasserem Gesicht als sonst – der schwarz Vorhang ihrer Haare verstärkte dieses Bild noch. Alles in allem schien sie Angst zu haben. Sehr gut Mädchen, damit bewies sie, dass sie begriffen hatte in welcher Lage sie sich befand. Respekt, hätte ich ihr nicht zugetraut so wie ich sie noch vor ein paar Monaten kannte – und dabei ist es unmöglich in diesem Dorf zu leben und jemanden nicht richtig kennen zu lernen. Die Familien der beiden standen an der linken Seite postiert während die rechte Seite allesamt von 4 Priestern in Beschlag genommen wurde. Wieder musste ich blinzeln. Der Regen wollte anscheinend heute gar nicht mehr aufhören. Ich versuchte etwas durch die dicke Regendecke zu erkennen, aber ich konnte weder besonders gut sehen geschweige denn hören was unser verehrter Herr Erzbischof der Menge mitteilte. In großem und ganzen kannte ich die Rede sowieso auswendig. Er war nicht gerade einer der einfallsreichsten und so kam es, dass wir jedes Jahr fast immer die gleiche Rede zu hören bekamen. Mir ging es auch weniger um den Inhalt als mehr um die Zeitangabe – konnten wir vielleicht schon zu Ende sein? „Kannst du dich nicht geduldigen? Sieh, er segnet das Dorf. Es geht los.“, murmelte ein blonder Schopf wieder neben mir und nickte wieder auf den Marktplatz. Sah man mir meine Ungeduld so sehr an? Ich hoffte doch nicht, dachte eher ich sei ein undurchdringlicher Mensch. Ich folgte seinem Nicken und beobachtete nun – mit heimlichem Amüsement – wie manche Dorfleute sich verzweifelt versuchten vor dem prasselnden Regen zu schützen. Auch die kleinen Mädchen und selbst die 4 Priester versuchten ihre Kerzen vor dem kalten Nass zu schützen. Man konnte mir meinen Spaß anscheinend ebenfalls ansehen, weil ich wieder einmal ein dutzend wütender Blicke kassierte. Die Ladys standen nun vorne und hielten ihre Rede. Also konnte es nicht mehr allzu lange dauern. Die nächsten Minuten verbrachte ich damit Pflastersteine und Sekundenschläge der Kathedrale zu zählen. So etwas ist zwar sehr nervenaufreibend – kann jedoch auch sehr zeitvertreibend sein, glaubt mir. Ein kleiner Schubser in die Rippen und ein Niesen später bemerkte ich dann, wie sich die meisten meiner „Mitstreiter“ ihre Uniform glattstrichen und losstampften in Richtung Wald. Ich musste zwei Schritte gemeinsam nehmen um ihrem kleinen Vorsprung gerecht werden zu können. Zwar wollte ich dem Blonden neben mir einen verächtlichen Blick zuwerfen, jedoch beschränkte ich mich darauf stolz an ihm vorbei zu eilen – ich bin ja nicht so. Wir verließen die Stadt durch die hinteren Gassen und schlugen uns durch die Regenmauer hindurch. Je näher wir dem Waldrand kamen und wir das Dorf hinter uns ließen, um so stiller wurde es auch. Das Lied der Mädchen wurde lauter. Zugegeben, eine hatten eine wirklich schöne Stimme darunter. Aber die faule Taube die dazwischen mitsang, hätte man doch eher entlassen sollen. Tschuldigung, aber ich habe trotz allem ein Herz für Tiere. Wir erreichten die Gruppe, bestehend aus den 2 Opferdamen, dem Chor der kleinen Mädchen und den Priestern, früher als wir gedacht haben. Trotzdem bezogen wir unsere Posten im Hintergrund, wobei es mir nun wirklich schwer fiel dem Kitzeln meiner Nase standzuhalten. Aus dem Augenwinkel sah ich wie zwei unserer Mitglieder zum Tor schritten. Anscheinend hatte der Priester das Zeichen gegeben. Zu blöd, aber ich hätte sowieso nichts machen können – es ist nicht gerade ein Zuckerschlecken mit gerade mal 1,65m ein 5m Tor hochzukurbeln, um nicht sogar zu sagen unmöglich. Ich blinzelte wieder durch den Regen und sah erstaunt, wie die beiden Mädchen sich gegenseitig die Hand hielten. Anscheinend hat Belle mehr Angst als ich dachte. Das Mädchen könnte einem glatt leidtun. Als das Tor gänzlich in der oberen Kerbung einrastete, verstummte der Gesang. Der Wald lag stoisch und verlassen hinter dem Tor. „Nun denn.“ Erstaunt blickte ich nach vorne. Oha. Der Priester hatte gesprochen, das war es also jetzt. „Bitte geht.“ Na toll. War das alles? Jetzt taten sie mir wirklich leid – naja wenigstens Belle. Nicht, dass Juliette mir nicht leid tat, aber sie war halt ein Mensch der weniger Mitleid brauchte als Andere. Seufzend musste ich mit ansehen wie die Blonde Belle mitzog. So was nannte man dann wohl das Opfer und sein Henker. Obwohl mir nicht ganz wohl war, sie so einfach in den Tiefen des Waldes verschwinden zu lassen. Und selbst als die beiden unserer Mitglieder wieder das Tor herunterließen, quälte ich mich immer noch mit der Frage ob ich nun ebenfalls ein Opfer oder doch eher ein Henker war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)