Das letzte Werk von CaptainCalvinCat ================================================================================ Kapitel 1: Die Party-Crasher ---------------------------- „Sie schmeißen hier eine beeindruckende Party.“, stellte der junge Mann fest und die Gastgeberin drehte sich amüsiert grinsend um. „Tatsächlich?“, erkundigte sie sich und ihr Gegenüber nickte. Die Sternenflottengalauniform stand ihm adäquat gut und sein Glas enthielt braune, sprudelnde Flüssigkeit. Cola. Natürlich hatte sich N’Tschu’Nka für ihre Party über die Gepflogenheiten und Trinkgewohnheiten der Gäste informiert, schließlich wollte sie ja eine vollendete Gastgeberin sein, aber das der Captain, der ihr da gegenüber stand, sich ein Glas Cola gegriffen hatte, das überraschte sie nun doch. Der Rest seiner Crew trank Sekt, manche Orangensaft, aber nur er hatte sein Glas Cola gewählt. „Es freut mich, das die Party Ihnen gefällt, Captain.“, lächelte sie ein märchenhaft schönes Lächeln, „Das Hauptereignis wird noch kommen und es wird sehr überwältigend sein.“ Ihr Gegenüber lächelte, stellte die Cola auf den Tisch neben sich und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Es is nur ein Bild.“, stellte er stirnrunzelnd fest und sie hatte das Gefühl, als wüsste er nicht so recht, was an diesem Ereignis so ereignisreich sein sollte. „Es wird das Gemälde ‚Sonnenwind’ von Michael Heinz ausgestellt.“, erklärte sie und grinste, „einem deutschen Maler aus dem 20. Jahrhundert. Es ist damals in den Besitz einer interstellaren Piratenbande geraten und wurde erst, nachdem wir dieses Piratennest ausgehoben haben, sichergestellt. Danach mussten wir es ersteinmal bearbeiten, damit wir es der Föderation am heutigen Tag endlich wieder in den terranischen – oder besser föderalen – Besitz zurückgeben können.“ Calvin Nathan Cat hob beide Augenbrauen, griff nach seiner Cola und trank einen Schluck. „Michael Heinz – sagt mir so gar nix.“, stellte er fest und schüttelte den Kopf, „Nö, noch nie von gehört.“ „Er ist einer der wegbereitendsten Maler gewesen, die man sich vorstellen kann.“, erklärte die rauchig-samtene Stimme Agatha Silverbirds neben ihm und die vertraute Gestalt schälte sich aus dem Dunkel. „Huch, wo kommst Du denn her?“, fragte Cal und die erste Offizierin der USS Dragonfly NCC 0815-A grinste, „Ich hab mich mal umgesehen.“ „Okay.“, antwortete der Captain und trank noch einen Schluck Cola, „Sag mal – wie kommt es, das Du dich so mit Erdenmalern aus dem späten 20. Jahrhundert beschäftigst?“ In Agatha Silverbirds Augen stand Unverständnis: „Wie? Habe ich dir nicht erzählt, das das mein geheimes Steckenpferd, meine geheime Passion ist?“ „Hm – wär mir neu.“, entgegnete Cal, „Andererseits wusste ich auch, bis vor kurzem, nichts von deinen anderen, geheimen Passionen, wie beispielsweise Auto- oder Pferderennen, oder an Mopeds herumschrauben.“ Er grinste. Ja, vor ein paar Monaten hatte er sie mal im Holodeck dabei ertappt, wie sie sich am Motor einer Honda-Maschine versucht hatte – das Ding war abgegangen, wie die berühmte Katze der Schmitz, oder Schmidts, oder Schmitts, oder in welchen Varianten man diesen Namen noch schreiben kann. Agatha war seine erste Offizierin, eine wunderschöne Frau, mit feuerroten Haaren, die ihr bis zu den Hüften herunterreichten, von denen manche sagten, wenn Agatha Bauchtanz lernen würde, wären diese Hüften gefährliche Waffen. Was diese Leute nicht wussten, war, das Agatha sowieso Bauchtanz erlernte und das diese Hüften nur halb so gefährlich waren, wie der berühmte Killerblick, den sie jedes Mal aufsetzte, wenn ihr jemand dumm kam. Dann konnte es passieren, das man der Meinung war, der Raum erkalte binnen Nanosekunden auf 0 Grad Kelvin, also immerhin Minus 273 Grad Celsius. Aber Agatha war nicht nur bildschön, eine Wildkatze, wie sie im Buche stand und daher durchaus in der Lage, sich ihrer Haut zu erwehren, sie war auch noch aussergewöhnlich clever. Was eigentlich der Grund sein sollte, weswegen sie die Kommandantin der USS Dragonfly hätte sein sollen, aber da Cal dort eine leicht despotische Ader durchblitzen lies, und sich selbst den Captainssessel gönnte, tat er danach sofort das Richtige und machte Agatha zu seiner ersten Offizierin – damit wenigstens der XO wusste, was er tat. Calvin Nathan Cat bevorzugte es, sich mit „Cal“ ansprechen zu lassen, statt mit „Captain“, war mit 1,83 Metern relativ groß, hatte grüne Augen und kurze, blonde Haare, sowie einen Körperbau, der seine Lebensgewohnheiten (Milchschnitte und Cola zum Frühstück, kaum Mittagessen, dafür abends richtig reinhauen) komplett ad absurdum führte. Er, sowie sein Zwillingsbruder Richard Nathaniel Cat, hatten die USS Dragonfly erdacht, geplant und mit dem Rest der Starfleetacademyklasse, Jahrgang 2378, sowie der Hilfe Admiral Janeways und ihrer Voyagercrew, aus der Taufe gehoben. Aus diesem Grunde hatte er sich zum Captain ernannt, während sich sein Zwilling, der sicherlich mit seinem 1,0-Schnitt besser geeignet und qualifiziert gewesen wäre, als der 3,2er Kandidat Cal, dann doch lieber versuchte, auf ehrlichem Wege zum Captain zu werden und sich den Rang nicht einfach zu „erschwindeln“. Das dies zu einer tiefen Kluft zwischen den Gebrüdern führte, dürfte zu verstehen sein, denn „erschwindeln“ war für den Captain honoris causa ein etwas hartes Wort. Nun jedoch 2 Jahre nach den Ereignissen, die zum Bau der Dragonfly, dem damit einhergehenden „Jungfernflug“ und den ersten interstellaren Problemen führten, bewertete selbst Rick, der zur Zeit als Lieutenant auf der Roswell Dienst tat, die Situation ein wenig anders. Die Dragonfly hatte es tatsächlich geschafft, sich zu behaupten, auch wenn es zunächst Kritiker gab, die die Sache nicht so optimistisch sahen. Doch spätestens seit der Zylonenangelegenheit im letzten Jahr, war das Projekt Teen Squadron recht angesehen. „Ja, genau so.“, lächelte Agatha und riss Cal wieder ins hier und jetzt zurück. Sie waren auf dem Planeten Armadia um dort an der feierlichen Übergabe des Gemäldes „Sonnenwind“ von Michael Heinz beizuwohnen, beziehungsweise um das Gemälde in Empfang zu nehmen. Der „Sonnenwind“ sah für Cal erstmal eines aus. Rot. Der Captain hatte es auf einem Foto aus den 40er Jahren des späten 20. Jahrhunderts gesehen und hielt es für relativ unspektakulär. Ein roter Punkt in der Mitte – die Sonne – von dort wie mit dem Wischfingerwerkzeug der Photoshopversion 3000, die im Speicher der Dragonfly eingelagert war, konzentrische „Spritzer“ um die Sonne herum – und sowas nannte man dann „Kunst“. Mit der Cal es nun erstmal gar nicht wirklich hatte – aber, wie es schien, Agatha um so mehr. Da machte es auch nichts, das er davon nicht viel verstand, solange es seine Erste Offizierin tat, war doch alles in bester Ordnung. Wenngleich – wie schon gesagt – es für ihn neu wäre, das sie ein sehr starkes Interesse an den Heinz-Werken hatte – wobei er ihr einen elaborierten Kunst-Sachverstand nicht absprechen wollte und auch konnte. „Dann wollen wir das Bild einmal enthüllen.“, erklärte N’tschu’Nka. Das Bild hing in seinem schweren Bilderrahmen, mit einem schweren, schwarzen Samtvorhang verhangen, an der Wand, vor einer Bühne, auf die N’tschu’Nka gerade zutrat. Als sie am Rednerpult angelangt war, räusperte sie sich und begann, mit melodiöser Stimme, ihre Rede zu halten. Cal bekam nur das „Sehr geehrte Damen und Herren“ mit, als sein Kommunikator sich mit lauten „Blip“-Lauten bemerkbar machte. Seine Crew, also die Mitglieder, die sich mit nach unten gebeamt hatten, sahen ihn mit finsterer Miene an und Cal wusste, woher er diesen Gesichtsausdruck kannte. Während er sich im 21. Jahrhundert aufgehalten hatte, galt es als eine nahezu unverzeichliche Todsünde, während eines Opernbesuches, sein mobiles Kommunikationsgerät, das sogenannte Handy, auf voller Lautstärke „plärren“ zu lassen – besonders dann, wenn es mehr oder weniger absurde Klingeltöne hatte. Das Blippen von Cals Kommunikator war jetzt zwar nicht gerade ein absurder Klingelton, aber er war laut genug, damit sich die Anwesenden gestört fühlen konnten. Beruhigend lächelnd klopfte er auf den Kommunikator und flüsterte: „Ja, Cat an Dragonfly? Was gibt es?“ „Masterton hier.“, erklang eine gedämpfte, kräftige Männerstimme und Cal musste kurz grübeln. Masterton – Masterton – der Name sagte ihm was. Sollte er auch, schließlich war Masterton ein Mitglied seiner Crew. Dann hatte er es – Angus Masterton, er war der taktische Offizier der Nachtschicht. „Ja, Angus, was gibt’s?“ „Cal, du wirst es nicht glauben.“, raunte Angus, „Eine Transwarpleitung hat sich gerade geöffnet.“ Der Captain schluckte. Eine Transwarpleitung, das konnte nur EINES bedeuten, und DAS war nun gar nicht gut! „Haben wir schon Kontakt?“, fragte er, bereit, die Veranstaltung sofort aufzulösen. „Ja.“, erklang Mastertons Stimme, „Wir haben nur leider keine Möglichkeit, anzugreifen.“ „Warum nicht?“ „Die Sphäre ist schon da.“ Und tatsächlich. Kaum zwei Armeslängen von ihm entfernt, materialisierten, in einem grünlichen Energiegewaber, drei Borg. Nur Drei – aber drei Borg waren ausreichend genug um eine Party zu sprengen. Der Captain hatte sofort den Phaser in der Hand – zielte, doch der mittlere Borg war schneller, nahm Ziel und seine Waffe spie einen massiven, grünen Energiestrahl auf – die Frau neben ihm. Agatha Silverbird. Mit vor Schock aufgerissenen Augen keuchte sie einmal auf, und fiel dann, steif wie ein Brett, zu Boden. Cals Augen waren ebenfalls vor Schock aufgerissen, dann umwölkte Zorn seinen Blick und er erwiderte das Feuer. Der Strahl zerstob am Schutzschirm des Borg, der daraufhin auf ihn feuerte. Doch der Schuss holte ihn nicht von den Beinen. Im Gegenteil, der Strahl passierte ihn, ohne das er irgendeinen Schaden anrichten konnte. Währenddessen nahmen die anderen beiden Borg Ziel und schossen ebenfalls – Jill Menacer und Gina Intrupper fielen zu Boden. ‚Verdammt.’, dachte sich Cal, wieso wirkt der Strahl bei denen und bei mir nicht? Erneut gab er einen Schuss ab, erneut zerstob die Energie des Phasers am Körperschutzschild des Borg. Der schaute ihn kurz an – er konnte das Gesicht nicht erkennen, es war voller Implantate, wohl aber den Körper als solches. Das waren keine Borgdrohnen – jedenfalls keine männlichen. Das Angriffskommando war weiblich. Stirnrunzelnd machte Cal einen Schritt auf die Borg zu, als seine Beine ihm plötzlich nicht mehr gehorchten, sein Kopf voller Bienen zu sein schien und sein Kommunikator – sein Kommunikator Blitze in seinen Körper sandte. Ihm fiel die Geschichte ein, die Seven ihm erzählt hatte, damals, während der Sache mit den Zylonen, wo er, Agatha und Seven in einer Zweckgemeinschaft zusammen wg-ten. Damals hatte eine telepathische Werferpflanze, ein monströses Ding, das aussah wie eine gigantische Wolke, die Crew der Voyager hypnotisiert und sie dazu verleitet, in diese Pflanze zu fliegen, damit sie dort verdaut werden konnten. Die Crew dachte, es wäre ein Wurmloch, das sie zur Erde brachte – nur Seven, der Doktor und die kleine Naomi Wildman waren davon nicht betroffen, da der Doktor ein Computerprogramm war, während Seven und Naomi die Voyager als ihr zu Hause betrachteten. Um Seven nun ruhig zu stellen, sendete Captain Janeway eine starke EM-Entladung an die Konsole, an der die Borg arbeitete, weswegen sie in Stasis fiel. Und Cal spürte, das sein Kommunikator gerade das selbe machte. Seine Beine gaben nach, er sank auf die Knie und sah, das die anderen Sternenflottenoffiziere ebenfalls zu Boden gingen. ‚Verdammt, irgendjemand hatte was mit den Kommunikatoren gemacht.’, schoss es Cal durch den Kopf, als sein Oberkörper nach vorne fiel und seine Augenlider blei schwer wurden und einfach nur zufallen wollten. Was mit den anderen Anwesenden war, die nicht der Sternenflotte zugehörig waren, konnte der Captain nicht erkennen, das Einzige, was er sah, war, wie eine der drei Borg-Damen auf N’tschu’Nka zutrat, ihr einen kräftigen Schlag in die Magengegend verpasste, was die Gastgeberin zu Boden gehen ließ, und eine Art Sender an dem Bild anbrachte. Er wollte seine Hand zur niedergeschossenen Agatha ausstrecken, aus welchem Grunde auch immer, nur merkte er, wie sein Körper ihm nicht mehr gehorchte und wie seine Gedanken zerfaserten. Seine letzten Gedanken kreisten um den Sonnenwind – und um Agatha. Kapitel 2: Spurensuche ---------------------- Er hatte Kopfschmerzen, als er erwachte. Kopfschmerzen?! In seinem Kopf explodierten Supernovae, implodierten Schwarze Löcher und sandten Gammastrahlenblitze hinter seine Stirn, da feuerten romulanische Warbirds Quantentorpedos auf seinen Stirnlappen und klammerten sich Buckykabel an seine Sehnerven. Kurzum – Cal hatte Migräne. Und nicht nur irgendeine, sondern eine Migräne de Luxe! Oder De Lux – denn das Licht, das in seine Augen fiel, gefiel ihm nicht gerade besonders, da es die Kopfschmerzen nur noch verstärkte. Der Captain stöhnte, rappelte sich auf und sah sich um. Er war – mal wieder – als einer der Letzten zu sich gekommen. Sicherheitsoffizierin Kara Davenport hielt ihm die Hand hin, an der sich Cal hochziehen konnte und schaute ihn an. „Bist Du in Ordnung, Cal?“ Der Angesprochene nickte, was sich bei Kopfschmerzen nicht unbedingt als klug erweist. Sein Gehirn rollte einmal nach hinten, dann nach vorne und Cal hatte das Gefühl, das es ihm gleich aus dem Gesicht fiele. Mit der rechten Hand massierte er seine Schläfe, dann die Stirn, hinter der immernoch fleißig Angriffe geflogen wurden, dann schaute er zu Kara. „Ich fühl mich – naja, ‚Gut’ wäre gelogen. Ich fühl mich adäquat.“, murmelte er, „Wie man sich halt so fühlt, wenn man von einer EM-Entladung in Stasis versetzt wurde.“ Dann schaute er Kara genauer an: „Also, was gibt’s Neues?“ „Der Sonnenwind ist weg.“, erklärte die Sicherheitsoffizierin und Cals Kopf ruckte so heftig hoch, das er glaubte, sein Gehirn hüpfe nach oben, klopfte an die Schädeldecke und würde dann wieder in die Ursprungsposition wabbeln: „Was? Der Sonnenwind wurde gestohlen?“ „Ja“, nickte Kara und deutete auf den Bilderrahmen. Cal folgte mit den Augen ihrem Fingerzeig, ehe er sich umschaute. „Sekunde mal, das ist nicht das Einzige was fehlt.“, stellte er fest und Kara schaute ihn an: „Was fehlt denn noch?“ „Nicht was – wer! Gina, Jill und Agatha.“ „Ja, die waren schon weg, als ich zu mir kam.“, erklärte Kara und Cal seufzte – es klang wie ein Seufzer aus der tiefsten Tiefe des Universums. Er schaute Kara bleich wie eine Wand, an: „Und wenn die Borg sie entführt und assimiliert haben?“ „Haben Sie nicht.“, erklärte Sebastian Middlegate und trat auf ihn zu. Cal schaute den Riesen an und grinste: „Ach, MacGyver, und woher weißt du das?“ „Ganz einfach, ich habe keine Teleportationsenergie an den Orten, wo dein Schatz, Mein Schatz und der Schatz deines Bruders gelegen haben – und keine Nanosonden – was bedeutet – die sind hier irgendwo.“ Der Captain nickte: „Gut, das klingt zumindest schlüssig – was meinst Du, wie lange brauchen wir, bis wir sie finden?“ „Ich mach mich gleich auf den Weg.“, sprach der Chefingenieur und weg war er. Cal deutete in die Richtung, in die Sebastian verschwunden war: „Sekunde mal – mein CHEFINGENIEUR spielt SICHERHEITSOFFIZIER und sucht nun meinen XO, CMO und TO?“ In dem Moment trat N’tschu’Nka auf sie zu und hielt Cal eine Karte vor Augen. Sie maß ungefähr 5 Zentimeter in der Länge, 2 Zentimeter in der Breite und war offenbar nur wenige Millimeter dünn. Es war im Grunde eine typische Karte – wie es auch eine Spielkarte, ein Herz, ein Pik, ein Karo oder ein Ass hätten sein können – oder ein Blauweißer Drache mit Eiskaltem Blick. Nur auf dieser Karte war kein Symbol zu finden, eher eine Art stilisierte rote Katze, mit einem genau so stilisierten goldenen Auge. Dazu fand man neben dem goldenen Auge merkwürdige Schriftzeichen. Der Captain runzelte die Stirn und schaute zu N’tschu’Nka: „Das ist aber nicht armadianisch, oder?“ Die Frau schüttelte den Kopf: „Nein, ist es nicht – eine solche Schrift habe ich noch nie zuvor gesehen.“ „Entschuldigung“, meldete sich Sicherheitsoffizierin Kara Davenport zu Wort, „Dürfte ich mal?“ Der Captain überreichte ihr die Karte und Kara studierte sie mehrere Minuten lang. Besonderes Hauptaugenmerk legte sie auf die Schrift und Cal neigte seinen Kopf. Kara hatte irgendeine Ahnung, zumindest spiegelte sich in ihren Augen Erkennen wieder. „Ähm – das müsste japanisch sein.“, erklärte sie, „Altes Japanisch. Aber was da steht… keine Ahnung.“ Cal schaute sie an: „Woher weißt du das? Also – woher weißt du, das das altes japanisch ist?“ Kara grinste: „Ich hab ein Semester lang Japanologie an der Academy studiert. Ich kenn mich so ungefähr aus – schreiben kann ich es auch, allerdings nur in den modernen Schriftzeichen der heutigen Bunkyū-Ära, die Schrifzeichen der damaligen Shōwa-Ära habe ich leider nicht drauf.“ „Unterscheiden sich denn die Schriftzeichen wirklich so stark?“ „Cal, es haben sich soviele Schriftzeichen verändert, selbst unsere – eher westlich-gehaltene Sprache war doch allein in der Zeit nach dem Ersten Kontakt und der Gründung der Föderation einer ungeheuren Dynamik und Wandlung unterworfen – erwartest Du, das die östliche Sprache stagniert? Nein, sie entwickelt sich ebenfalls weiter. Und so wie wir im Westen damals die Anglisierung hatten, mit ihren ganzen Anglizismen, danach die Vulkanisierung mit ihren ganzen vulkanischen Wörtern – und vergiss mal nicht die Talaxianisierung, die wir noch auf der Academy miterlebten, wo es ‚cool’ war, Leute als Vaudwoor zu bezeichnen – also als töricht, oder Dumm… Japanisch, Chinesisch, Koreanisch – all diese Sprachen unterlagen und unterliegen doch der selben Dynamik und Veränderung.“ Damit warf Kara einen Blick auf die Karte, „Was hier steht – das könnte wahrscheinlich nur jemand wirklich übersetzen, der die alte Sprache noch kennt.“ Der Captain schaute sie an: „Du meinst jemanden, der die japanische Kultur kennt, versteht und vielleicht auch noch das alte Japanisch spricht?“ „So jemanden.“ Cal grinste: „Wofür haben wir eine Fachfrau an Bord?“ Ran Sato befand sich gerade im holografischen Trainingsdojo der Tendos. Eigentlich befand sie sich auf Holodeck drei der USS Dragonfly, aber sie hatte das Programm „Tendo-Trainingsdojo“ aufgerufen – einerseits weil sie mit den Besten trainieren wollte, und als solches galten Akane Tendo und Ranma Saotome, andererseits wollte sie genau diese Beiden wiedersehen. Denn Akane Tendo und Ranma Saotome waren schon seit gut 280 Jahren tot. Und sie waren mit ihr verwandt. Sie war eine Nachkommin der Tendo-Linie – und nicht nur der. Sie konnte auf eine lange Ahnengalerie zurückblicken - Das ging los bei Kogoro Mori, dem berühmten Privatdetektiv, einem der Helden seiner Zeit und ihrer Kindheit, ging weiter bei dessen Tochter Ran - nach der sie benannt wurde – die Ran Mori, die mit Shinichi Kudo, ihrem Sandkastenfreund, einen Sohn zeugte, der später Präsident eines reformierten Japans werden würde, ging über ihren Großonkel Hikaru Sulu, der Seinerzeit auf der USS Enterprise NCC 1701 und 1701-A als Steuermann seinen Dienst tat und dann die USS Excelsior kommandierte, aber das ging vor allem mütterlicherseits über die bekannte Linguistin der USS Enterprise NX 01 – Hoshi Sato. Und dann war da noch, nicht zu vergessen, der heilige Eid, den sie den Kisugis in ihrer Erblinie gegenüber hatte… Ihr Körper bewegte sich in Harmonie. Die Rechte wanderte in langsamen, schlafwandlerisch-sicheren Bewegungen nach vorne, während sich die linke zurückzog. Dann ließ sie ihren Oberkörper langsam nach hinten sinken, bis die langen Haare, die zum Zopf gebunden waren, die Matte berührten. Anschließen öffnete sie die Augen und stieß mit dem linken Fuß schnell nach vorne, einen furchterregenden Kampfschrei ausstoßend. Der Wechsel von Tai Chi-Chih, der entspannenden Variante und Tai Chi Chuan, der schnellen Variante, war fließend. Die Stimme des Captains riss sie aus ihrer Trainingseinheit und überrascht trat sie nach vorne aus. Das der Typ auch nie klopfen konnte. Mit einem Computersicherheitsüberschreibungsbefehl hatte er sich Zugang zum Holodeck verschafft und ihr beim Training zugesehen – das hatte er jetzt davon. Der Stoß gegen sein Kinn verlieh seinem Körper den nötigen Drehmoment, damit er eine wundervolle, formvollendete Piruette vollführte und dann formschön zu Boden ging. „Verdammt!“, murmelte er vom Boden her, „Ich bin gerade erst wieder zu mir gekommen!“ Er rappelte sich auf, seine Augen versuchten die Umgebung zu fokussieren, was einiges Schielen hervorrief, und dann hatte er es wieder geschafft, seinen Körper soweit zu stabilisieren, das er aufstehen konnte. „Netter Tritt.“, sagte er dann und tat so, als sei nichts gewesen. Ran grinste amüsiert, sie wusste, das der Tritt wehgetan haben musste – und Cals Kieferbewegungen ließen darauf schließen, das er probierte, ob sein Kiefer eventuell schwere Blessuren davon getragen hatte. Mit der Zunge fuhr er an seinen Zähnen entlang – schien zu einem für ihn befriedigenden Ergebnis gekommen zu sein, und schaute die junge Offizierin an. „Ran.“, sagte er und lächelte, „Ich – es tut mir leid, dich stören zu müssen, aber – wir haben hier was gefunden. Damit überreichte er ihr die Karte. Die junge Ensign betrachtete das Objekt und grinste. „Schönes Stück, nicht wahr?“ „Schön?“, fragte Cal mit hochgezogenen Augenbrauen; „Wieso schön?“ „Nun – es sieht genau so wie eine Katzenkarte aus.“ Erneut hob Cal beide Augenbrauen: „Eine – was?“ „Eine Katzenkarte“, erklärte Ran, „Diese Karte verwendete die legendäre Gaunerbande „Katzenauge“ – sie stahl immer nur Werke des Malers Michael Heinz und…“ „STOP!“, sagte Cal scharf und schaute Ran an: „Michael Heinz?“ „Ja.“ „Der Maler aus dem späten 20. Jahrhundert?“ „Eben der.“ Cal runzelte die Stirn: „Und jetzt, 400 Jahre später, taucht ein Werk von Michael Heinz hier auf – der Sonnenwind.“ „Das ist ja merkwürdig.“, erklärte Ran und schaute auf die Karte, „Naja, hier werden definitiv Schriftzeichen der Shōwa-Ära verwendet. Das ist ja fast ein archäologischer Schatz!“ Ran war begeistert – und Cal einfach nur genervt. „Jaja, schon gut.“, knurrte er, „Ich werde es bald dem Föderationsmuseum stiften – Doktor Danielle Jackson wird sich freuen.“ Ran nickte grinsend: „Oh ja, sie wird sich sehr freuen. Wie immer, wenn sie dich sieht.“ „Hör auf.“, sagte Cal, „A) liebe ich Agatha, B) ist es a) nur ein unschuldiger Flirt, b) ein wenig Verehrung ihrerseits, weil ich ihren Ur-Ahn gekannt habe und c) ist gerade diese mit Jill und Gina verschwunden, nachdem sie von den Borg angegriffen wurden, die diese verdammte Karte hiergelassen haben, und deshalb wäre ich dir sehr verbunden, wenn Du dein archäologisches Interesse an dieser dussligen Karte in deinem Quartier lassen und eine verdammte Übersetzung anfertigen würdest, und zwar PRONTO!“ Cal war im Laufe des Satzes immer aufgeregter geworden und hatte das Pronto sogar geschrieen, und zwar so laut und vor allem so ungewohnt hart, das Ran tatsächlich einen Schritt zurücktrat. So kannte sie ihn gar nicht. Und vor allem kannte Cal sich so gar nicht, aber die Sorge um Agatha, seine Vertraute, seine Geliebte und seine rechte Hand brannte wie Feuer in seiner Seele und er wollte sie so schnell wie möglich wieder in seine Arme schließen können. Während Ran einen Blick auf die Karte warf, meldete sich sein Kommunikator wieder. Cal tippte darauf: „Ja, Cat hier? Was gibt’s?“ „Cal?“, Sebastians amüsierte Stimme verbreitete den Bariton durchs Holodeck, „Du wirst es nicht glauben.“ „Du hast sie gefunden?“, fragte Cal augenrollend. Das Kopfschütteln des Chefingenieurs war beinahe zu hören: „Nö, aber es nähert sich ein Shuttle. Die Picard .“ „Die Picard ? Wer hat die denn geklaut?“ „Jill, Gina und Agatha.“, grinste der Chefingenieur durch den Kommunikator. „Bin auf dem Weg.“, grinste nun auch Cal, klopfte auf den Kommunikator, schnappte sich Ran, gab ihr einen Kuss auf die Wange und zwinkerte ihr zu. „Sorry!“, sagte er gut gelaunt, „Du machst das schon!“ Und schon war er unterwegs, offenbar zur Shuttlerampe. Ran konnte nur noch den Kopf schütteln. Der Atmosphärendruck war kaum richtig wieder hergestellt, als Cal in die Shuttlerampe stürmte. Die Heckklappe der „ Picard “ glitt auf – Jill betrat langsamen, gemessenen und eleganten Schrittes den Hangar, gefolgt von Gina. Agatha kam gar nicht dazu, das Shuttle zu verlassen, denn 73 Kilo Lebendgewicht warfen sich ihr entgegen. Die Arme um den Captain geschlungen, tat die Trägheit ihr übriges und beide schlugen im Shuttle auf. „Autsch“, murmelte Agatha und Cal grinste sie an: „Ja, doppel autsch.“ Dann gab er ihr einen Kuss auf den Mund und er schaute sie glücklich lächelnd an. „Was ist denn mit dir los?“, fragte sie und der Captain grinste nur noch breiter: „Ich bin froh, das Du noch lebst, das ist alles.“ Damit rappelte er sich hoch, hielt ihr die Hand hin und zog sie wieder von der Horizontalen in die Senkrechte. Als sie sich wieder zu den anderen beiden Frauen umdrehten, fand sich Jills kleiner, zierlicher Körper schon in der Umarmung eines um so größeren Sebastian Middlegate wieder. „Scotty“, rief Cal ihn bei seinem Spitznamen, denn auf alle gängigen Abkürzungen seines Rufnamens Sebastian reagierte der Riese empfindlich und Scotty erachtete er, in Gedenken Montgomery Scotts, des Chefingenieurs der USS Enterprise, als Adelsschlag, „Lass Jill mal wieder los – sie läuft schon blau an!“ Sebastian grinste, gehorchte und Jill konnte erstmal wieder frei atmen. Der Captain wandte sich nun an Agatha und aus dem freundlich-lächelnden Starfleetoffizier war ein vor Sorge und Wut rot angelaufener Mann geworden: „Sagt mal, wo WART Ihr Drei Grazien eigentlich? Und seit wann gehört es zum guten Ton unter Sternenflottenoffizieren einfach SO ohne eine Erklärung abzuhauen? Spinnt Ihr komplett?!“ Agatha bedachte den Captain mit einem Blick, der eher für Kleinkinder reserviert war und lächelte nachsichtig. „Cal, wir kamen als erste zu uns, sahen, das das Bild weg war und wollten hinter den Borg her.“ „Ihr wolltet…“, mehr brachte der Captain nicht hervor, da seine Stimme sich in Höhen schraubte, von denen er selbst nicht gedacht hatte, das sie möglich wären. Momentan dürfte er wahrscheinlich wie Theo Lingen in einem der „Lümmel-aus-der-ersten-Bank“-Filme wirken, wenn Direktor Taft mal wieder vor irgendeiner unfassbaren Tatsache stand. Cal atmete tief durch, ehe er, seine Augen immer noch vor Wut beinahe leuchtend, Agatha fixierte: „Ihr wolltet den Borg hinterher fliegen? Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen?! Wenn es ganz doof kommt, halten die an und assimilieren euch! Sowas macht Ihr nicht nochmal!“ Agatha seufzte. Da wurde der gute Captain wieder zur Mutter-Oberglucke. Es war ja nett, das er sich sorgte, lieb und süß, aber – sie war eine erwachsene Frau und sie konnte sich durchaus verteidigen. Das wusste Cal auch, aber wenn es zu solchen Momenten kam, wurde Cal wirklich sehr gluckenhaft. „Habt Ihr das Bild wenigstens bekommen?“, fragte nun Sebastian und schaute seine Freundin Jill an, die den Kopf schüttelte. „Leider nicht, die Borg waren schneller.“ „Und somit ist dieses Heinz-Bild verschwunden.“, murmelte Gina und seufzte einmal tief. Cal nickte. „Übrigens, das wisst Ihr vielleicht noch nicht – wir haben ein interessantes Phänomen entdeckt.“, sagte Cal und schaute die drei Mädels an, „Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber die Borg haben eine Art Visitenkarte hinterlassen. Eine rote stilisierte Katze mit einem goldenen Auge – dazu ein mir unbekannter Text.“ Gina schaute den Captain verblüfft an: „Eine Visitenkarte mit roter, stilisierter Katze und goldenem Auge?“ Cal nickte. Agatha räusperte sich und Cal blickte zu ihr herüber: „Ja, Gathylein? Was gibt’s?“ „Hast Du das Ding schon durch den Computer gejagt?“ „Nein, das kommt als nächstes dran – erstmal lass ich es von Ran auf die Schriftzeichen hin untersuchen.“ Agatha runzelte die Stirn: „Wieso von Ran?“ „Naja, sie ist japanischer Herkunft und sie versteht die Schriftzeichen.“ Kaum, das er das gesagt hatte, meldete sich sein Kommunikator wieder, den Cal sofort aktivierte. „Ja, hier Cal, ich höre?“ Die Stimme Ran Satos erklang aus dem Gerät: „Ich habe die Schriftzeichen entziffert – war übrigens absolut nicht einfach. Da stieß selbst der Computer an seine Grenzen. Aber – wir haben es geschafft. Es heißt ‚kyou no hiru e wo torimasu’. Grob übersetzt bedeutet das ‚Heute Mittag holen wir das Bild’ – Gezeichnet: Katzenauge.“ Cal runzelte die Stirn: „Warum haben die Borg diese Karte dort gelassen?“ Gina legte den Kopf schief, überlegte. Dann schaute sie zu Cal und begann zunächst zu schmunzeln, dann lauthals zu lachen. „Ich weiß nicht, was so lustig sein soll.“, sagte der Captain und schaute seine erste Medo-Offizierin an. „Naja, es waren keine Borg. Es war Katzenauge – als Borg verkleidet.“ Die Überzeugung in ihrer Stimme sollte eigentlich auf die Anderen genau so überzeugend wirken – dumm nur, das sich Sebastian als recht Überzeugungsresistent herausstellte: „Ach – und woher nimmst Du diese Weisheit?“ Die junge Ärztin verschränkte die Arme hinter dem Rücken: „Das ist doch sonnenklar. Habt Ihr während die Borgsphäre auftauchte, danach, oder während die Borg die Party sprengten, irgendwann mal ihren Standardsatz gehört?“ Cal schüttelte den Kopf, nach einigen Minuten Überlegungszeit, fielen auch die anderen in das Kopfschütteln mit ein. „Seht ihr? Es waren keine Borg, es waren nur Menschen – oder zumindest Humanoide, die als Borg verkleidet waren.“ Der Captain hob eine Augenbraue: „Katzenauge?“ „Katzenauge.“ „Das ist ja alles gut und schön.“, meldete Ran aus dem Kommunikator, „Aber – ich befürchte, euch da einen Strich durch die Rechnung machen zu müssen. Katzenauge ist seit mindestens 200 Jahren tot.“ Nun war es an Cal sich triumphierend-grinsend zu melden: „Nicht unbedingt!“ „Wie, nicht unbedingt?“, fragte Ran aus dem Kommunikator. „Naja – wenn Katzenauge ein Titel ist, der von Generation zu Generation weiter gegeben wird? Ich denke da nur mal an den Caine aus Kung-Fu, oder Kaito KID aus den Mangas, sowie an Lupin III.?“ „Das wäre eine Möglichkeit“, sagte die Frau aus dem Kommunikator, „Der man zumindest nachgehen müsste.“ „Richtig.“, sagte Cal, „Deswegen begeben wir uns alle vier gleich mal runter auf den Planeten und nehmen an der Spurensuche teil. Ich weiß nämlich jetzt schon, was der Chef der Raumflotte sagen wird, wenn ich ihm mitteile, das wir einen Kunstschatz verloren haben, ohne großartig danach zu suchen.“ Gesagt getan. Nachdem die Benommenheit des Teleportes auf den Planeten nachgelassen hatte, ließ Cal lässig seinen Tricorder aufschnappen und begann, diverse Scans ablaufen zu lassen. „Ähm, Captain?“, fragte Agatha und tippte ihm auf die Schulter, „Ich will ja nun wirklich nicht der Spielverderber sein, aber – ähm – was glaubst Du, wonach Du suchen könntest?“ „Die verkleideten Borg haben das Bild weggebeamt – also dürfte sich doch irgendwo noch Transporterrestenergie befinden, oder was meinst Du?“, erklärte Cal und Agatha nickte: „Ja, macht zumindest sinn. Ich bin überrascht.“ Der Captain zog eine Grimasse: „Danke – sehr freundlich.“ „Immer gerne, dafür bin ich doch da.“ Zusammen mit dem Captain ging die erste Offizierin durch die große Halle, in der noch wenige Stunden zuvor die Übergabe hätte stattfinden sollen. Dieses ewig-monotone Piepsen des Tricorders verursachte im Captainshirn mal wieder Kopfschmerzen, und auch die erste Offizierin litt unter selbigen, wie Cal ihr deutlich ansehen konnte. Nach ein paar Minuten des monotonen Piepsens veränderte sich das Geräusch, das der Tricorder von sich gab, wandelte sich zu einem kürzeren Piepsen, dessen Intervalle sich immer weiter verkürzten. Der Captain schaute auf den Tricorder: „Ich glaube, ich habe hier etwas.“ Er klopfte auf seinen Kommunikator: „Cat an Dragonfly – ich werde euch gleich ein Koordinatenset schicken – ihr beamt mich und Agatha bitte dorthin.“ Die Stimme, die ein „Verstanden“ meldete, gehörte eindeutig Masterton, was Cal ein wenig verwunderte, schließlich hatte Jill gerade Dienst, doch er hatte keine Zeit mehr, sich großartig zu wundern, denn der Transporter erfasste ihn und setzte ihn in einer dunklen Höhle ab. Stirnrunzelnd sah er sich um. Die Taschenlampe, die Agatha nun anschaltete, warf einen kleinen, aber relativ starken, Lichtkegel in die Höhle und Cal erkannte, das es sich tatsächlich eher um eine Art Gang, denn um eine Höhle per se handelte. „Wo führt dieser Gang wohl hin?“, fragte Agatha und Cal grinste: „Gerade aus – vermutlich.“ Sprachs, und machte sich auf den Weg. Agatha folgte ihm kopfschüttelnd und keiner von beiden nahm die schlanke, geschmeidige, unverkennbar weibliche Silhouette war, die sich gerade aus dem Dunkeln löste und leise, wie auf Katzenpfoten, hinter Cal und Agatha herschlich. Die beiden Starfleetoffiziere folgten dem Korridor und erreichten nach gut und gerne 100 Metern eine Höhle – eine Tropfsteinhöhle gigantischen Ausmaßes. ‚Gut, sowas sollte es auch geben’, schoss es Cal durch den Kopf und er bedeutete Agatha, die Taschenlampe ein wenig hin und her schwenken zu lassen, damit man die komplette Höhle sehen konnte. Der erste „Schwenker“ ergab nichts Interessantes, der Zweite jedoch – Im Licht der Taschenlampe richtete sich plötzlich eine weibliche Gestalt auf, deren Gesicht Cal nicht erkennen konnte. Sie trug ein orangenes, tiefdekolletiertes Trikot, und – Ein Peitschenhieb knallte durch die Höhle, worauf Agatha die Taschenlampe fallen ließ. Sie fiel zu Boden – die Lampe – und ließ die Höhle in einem gespenstischen Dunkel zurück. „Verdammt!“, keuchte Agatha und Cal schlang vor Schreck seinen Arm um ihre Hüften, „Die Katze hat mir die Taschenlampe aus der Hand geschlagen.“ „Das war die Katze?“, entfuhr es Cal und Agatha seufzte hörbar: „Wer soll es sonst sein?“ „Naja, ich dachte, die gutaussehende Schwester von Quasimodo!“ „Genug gequatscht.“, hörte Cal eine definitiv verzerrte, aber definitiv als Weiblich zu erkennende Stimme. Dann hörte er einen Phaser, der sich entlud, sah einen kurzen Moment lang Agatha in einem Kokon aus roter, lähmender Energie erstrahlen, dann war er wieder auf sein Gehör verlassen. Die Frau neben ihm seufzte hörbar und dann kroch die lähmende Energie von ihrem Körper in seinen – denn er hatte sie ja immer noch umarmt. Sie sank in sich zusammen, seine linke Hand, glitt zu ihrem Kopf um ihn davor zu schützen, allzu hart auf dem Boden aufzukommen, dann zog ihr Gewicht ihn mit sich zu Boden. Cal betätigte seinen Kommunikator: „Cat an…“ Weiter kam er nicht. Als Cal zum Zweiten Mal an diesem Tage zu sich kam, lag er auf der Krankenstation der Dragonfly und Gina leuchtete ihm mit ihrer Stablampe in die Augen. „Hey, ja, ich bin wach!“, murmelte er und rappelte sich hoch, „Meine Birne, ich könnte ein Asperin gebauchen!“ Er sah sich um. Jill war dort, Gina war da – war ja klar, die Krankenstation war ja ihr Ressort – und Agatha war ebenfalls da und Wach! Cal schwang seine Beine aus dem Bett: „Okay – offenbar sind die Katzen in den Höhlen. Hier kommen wir mit einem Schiff nicht weiter – wir brauchen Verstärkung. Ich weiß jetzt schon, was der Chef der Raumflotte sagen wird.“ Und Cal sollte recht behalten. Durch den Äther klang die Stimme des Chefs sehr vertraut. „SIE IDIOOOOOT!“ Kapitel 3: Der Anfang vom Ende ------------------------------ Tokyo 1985 „SIE IDIOOOOT!“ Chefs ändern sich nicht. Schon gar nicht sein Chef. Toshi Utsumi war mal wieder nach einem der misglückten Versuche, Katzenauge zu fangen, zum Chef zitiert worden, der ihn anblaffte. Im Grunde sollte es sein Boss vielleicht mal mit Beta-Blockern versuchen, dann wäre er nicht so schnell auf 180. „Wie kann es sein, das Katzenauge Ihnen jedes mal entwischt?“, schrie sein Chef und Toshi kratzte sich am Hinterkopf. Ja, diese Frage hatte er sich des Öfteren schon gestellt – im Grunde waren die Pläne wasserdicht. Aber das waren sie wohl doch nicht, es gab offenbar viel zu viele Variablen, die schiefgehen konnten. So erklärte Toshi es sich. Was er nicht wissen konnte, war, das er selber des Rätsels Lösung war – er verriet Pläne und Strategien selbst an Katzenauge – wenn auch unwissentlich. Und nein, nicht durch Hypnose oder Wahrheitsdrogen – nein, die Macht der Liebe zwang ihn dazu. Denn Toshi Utsumi, der Idiot, wie ihn der Chef nannte, war in Katzenauge verliebt. Und das ohne es groß zu wissen – für ihn waren die drei Kisugi-Schwestern, die ihr Caféhaus „Cats Eye“ genau gegenüber der Polizeiwache hatten, drei wundervolle, liebevolle Personen und die mittlere Tochter Hitomi seine Liebste. Leider – aber das wusste Toshi nicht – waren die drei Schwestern nicht nur die Inhaber des Cafés Cats Eye , sondern auch die drei gesuchten Kunstdiebinnen Katzenauge. Das hatte in erster Linie damit zu tun, das der Vater der drei Mädels, Michael Heinz, ein begnadeter Maler war. Nachdem er verschwand, wurden seine Bilder, die er den Mädels hinterlassen hatte, im Laufe der Zeit gestohlen und tauchten entweder in Museen oder aber bei privaten Sammlern auf. Naja – und was lag da näher, als sich in den hautengen Leotard zu zwängen und die Bilder zurückzustehlen? Davon wusste Toshi Utsumi allerdings nichts, als er das Café betrat und, wie so üblich, einen Kaffee und ein Sandwich bestellte. Love Kisugi, die Jüngste der drei Schwestern, begrüßte ihn mit amüsiertem Alt und deutlich lächelnd: „Hallo Toshi – na, hat der Chef dich wieder runtergeputzt?“ Nun ist es bei Menschen und besonders bei Männern so, das sie wenn sie sowieso schon auf 180 sind, irgendein Ventil brauchen, um die schlechte Laune auszulassen – in diesem Fall war die arme Love das Ventil. Toshi erhob seine Stimme und blaffte: „Was geht’s Dich an?! Bring mir lieber mal ein Sandwich und einen Kaffee!“ Manche Frauen neigen dazu, nachdem sie angeblafft wurden, zurückzuschrecken. Dann steigt ihnen Wasser in die Augen und der Mann kann – wie es Mario Barth beschrieben hat - im Männerhandbuch nachschauen und feststellen: „Die weint!“ Ja, manche Frauen neigen generell zum weinen. Sei es, das sie nah am Wasser gebaut sind, sei es, weil ihnen gerade danach ist, oder weil sie wissen, wie sie uns Männer herumkriegen. Doch Love gehörte nicht zu diesen Frauen. Zumindest nicht immer – normalerweise war ihr dieses Getue zuwider, wobei es zwischenzeitlich durchaus seine Vorteile hatte, das arme, unschuldige Wesen zu spielen, das komplett hilflos war. Da konnte es sein, das ein Eis oder sogar eine nette Langspielplatte als „Wiedergutmachung“ herauskam. In diesem Fall jedoch zeigte sie, aus welchem Holz sie geschnitzt war. Sie schaute Toshi an und blaffte zurück: „Nicht in diesem Ton! Mach dir doch selbst ein Sandwich!“ Damit stand sie auf, drehte sich um und stapfte, stolz wie eine gekränkte Bastet persönlich – die ägyptische Fruchtbarkeitsgöttin, die in der ägyptischen Mythologie als Katze oder Katzenfrau dargestellt wurde - in den Wohnberich der kombinierten Wohn-Arbeitsstätte der Kisugischwestern zurück. „Dieser dumme Toshi!“, schimpfte Love, kaum, das sie den Vorhang hinter sich zugezogen hatte. Hitomi Kisugi, die mittlere von drei Schwestern, trug gerade ein T-Shirt und fing die Schürze, die Love wütend von sich warf, geschickt auf. Dann schaute sie Love verblüfft an: „Was ist denn los?“ „Stell dir vor, er hat mich angeblafft. Ich solle ihm lieber einen Kaffee bringen. Ich bin doch nicht seine Haushälterin!“, zeterte die Jüngste der Kisugi-Schwestern und drehte sich mit hoch erhobenem Kopf zur Kellertür um: „So, und jetzt geh ich an meinem neuen Projekt basteln!“ Hitomi hob den Kopf und fixierte ihre Schwester amüsiert grinsend: „Du verbringst seit neuestem viel Zeit im Keller. Was baust Du da?“ „Das, liebe Schwester, ist ein Geheimnis.“, lächelte Love, wieder ein wenig besser gelaunt und ging in den Keller. Die sportliche Asiatin, mit den langen, schwarzen Haaren drehte sich nun zum Vorhang um, schnallte sich die Kochschürze um, schob den Vorhang beiseite und trat mit einem strahlenden Lächeln auf Toshi zu. „Hey, Toshi.“ Der junge Japaner drehte sich um und man sah, das er nicht anders konnte, als zu lächeln. Hitomi trat auf ihn zu: „Love sagte, das du sehr unhöflich zu ihr gewesen bist – entschuldige dich das Nächste mal bei ihr.“ „Werde ich tun. Ich war nur ein wenig aufgebracht – mein Chef hat mich wieder zusammengestaucht.“ „Armer Toshi.“, sagte sie und er spürte, wie ihre Hände zu seinem Nacken wanderten, um selbigen zu massieren, „Mein armer Toshi.“ Toshi entspannte sich merklich und sank mit dem Rücken leicht gegen den Oberkörper seiner Verlobten, die ihn weiter massierte. Gegen seinen Willen musste er grinsen – sie war seine Verlobte. Seit 2 Jahren veranstalteten die beiden einen Eiertanz der Gefühle, den er – ganz ehrgeizgetriebener Polizist, der er war – erst dann ganz beenden wollte, wenn er dieses diebische Katzenauge, das ihn seit ungefähr 2 Jahren narrte, fing. Denn nicht eher, das hatte er sich, den Schwestern und vor allem seinem Stolz geschworen, nicht eher, wollte er Hitomi vor den Altar führen. Er fühlte sich teilweise wie ein echter Glückspilz – eine wunderschöne Frau liebte ihn, er liebte sie und sie waren quasi stets nur einen Katzensprung entfernt – aber andererseits kam er sich vor, wie in der Hölle. Katzenauge nasführte ihn seit 2 Jahren, er war nicht in der Lage, ihr irgendwie zuvor zu kommen, und selbst wenn eines der wertvollen Gemälde, die sich die Katzen mit schöner Regelmäßigkeit krallten, wieder auftauchte, konnte er zwar vor seinem Chef Schön-Wetter-machen, sprich, die Lorbeeren einstreichen, aber er selbst wusste, das es eher aus Großherzigkeit oder aus welchem Motiv auch immer geschah, das die Katzen dazu bewegte, manche Gegenstände wieder in den Besitz der Eigentümer zu bringen. Auch wenn Katzenauge ihm hin und wieder das Leben rettete, auch wenn die Katzen mit ihm spielten und auch wenn es Momente gab, an denen er sie bewunderte – es führte kein Weg daran vorbei, sie musste verhaftet werden. Allein schon, weil sie Unrecht taten, und nichts auf der Welt Unrecht rechtfertigte. Das war Toshis Glaubensgrundsatz – und diesem Grundsatz fühlte er sich bei der Jagd nach den Katzen verpflichtet. Natürlich hatte er sie hin und wieder, wenn sie ihm geholfen hatten, mit mehr als nur einem zugekniffenen Auge entkommen lassen, aber dann gab es wieder Situationen, wo er ganz oben auf sein wollte und sie ihm das einfach streitig machten. Aber – er musste sie fangen, allein schon, um seine wunderschöne Hitomi Kisugi zu ehelichen. Hitomi schaute mit traurigen Augen zu ihrem Freund und Verlobten herunter, dessen Schultern sie gerade massierte – er war deutlich verspannt und sie wollte ihn wenigstens heute mal ein wenig entspannen. Die letzte Aktion war ein voller Erfolg gewesen, Toshi hatte sich seinen üblichen ‚Anschiss’ abgeholt und saß nun, grummelig wie sonst immer, wenn die Katzen ihn überlistet hatten, vor ihr. ‚Toshi’, dachte sie sich, und es brach ihr das Herz, das sie ihm nie sagen konnte, das er eigentlich sie jagte. Aber – sie durfte nicht, er war viel zu sehr Polizist, als das er ihr das durchgehen lassen konnte. Ausserdem – was für ein Licht werfe dies auf ihn? Es würde bedeuten, das er ein so schlechter Detektiv war, das er nicht bemerkte, das seine Verlobte Katzenauge war und eine Diebin. Nein – das konnte sie ihm nicht antun. Ausserdem war er, wenn er informiert war, gefährlich – was dazu führen könnte, das sie ihn aus dem Weg schaffen müsste. Und das wollte sie nicht. „AU!“, brachte der Aufschrei des Mannes Hitomi wieder in die Jetztzeit zurück und sie schaute ihn an: „Was ist denn, Toshi?“ „Du hast mir einen Nerv eingeklemmt! Danke, Hitomi!“, jammerte er, „Du bist heute wirklich nicht so ganz bei der Sache, oder?“ Die Frau musste kurz schlucken, um ein amüsiertes Kichern zu unterdrücken: „Es tut mir leid, Toshi, aber es wühlt mich emotional auf, das Du dich mit Love streitest!“ Mit einem Mal entglitten die Gesichtszüge des Polizisten und er legte ihr die Hand auf die Schulter: „Entschuldigung, Schatz, das wu… wusste ich nicht.“ „Du solltest dich nicht zwischen zwei Schwestern stellen und zwingen, zu wählen.“, sagte sie und wandte sich ab. Toshi kam sich vor, wie in ein Paralleluniversum verbannt: „Bi… Bitte?!“ „Du hast mich schon verstanden.“, sagte sie und grinste ihn dann an: „Hab dich.“ Der Detective runzelte die Stirn: „Bitte?“ „Toshi“, seufzte Hitomi, „Du bist manchmal…“ „… merkwürdig.“, sagte Ran Sato und schaute von ihren Studien auf. Calvin Nathan Cat, der Kommandant der USS Dragonfly stand hinter ihr, die Hände hinter den Rücken verschränkt, damit keiner sehen konnte, wie nervös er war. „Was ist merkwürdig?“, fragte er und trat einen Schritt näher. Die Asiatin schaute zu ihm und lächelte: „Nichts Schlimmes, Sir, ich habe nur bemerkt, das diese Katzenkarte keine 200 Jahre alt ist. Und noch etwas – sie ist repliziert.“ „Repliziert?“, erwiderte der Captain und er versuchte, keinen Hehl aus seiner Nervösität zu machen – stattdessen griff er nach einem Tricorder, warf ihn in die Luft und fing ihn wieder auf. „Captain, ich glaube nicht, das das eine so gute Idee ist.“, meinte Ran grinsend und schaute ihn dann an. „Warum nicht?“, fragte Cal, warf den Tricorder nochmal hoch und wandte sich dann ihr zu. Nun ist es ein bekanntes Gesetz, das nichts, was man in die Luft wirft, dort bleibt. Auf Raumschiffen besonders dann nicht, wenn die Umweltkontrolle funktioniert, und die künstliche Schwerkraft dies ebenfalls tut. Der Tricorder fühlte sich offenbar ebenfalls der Schwerkraft verpflichtet und kam wieder runter – und traf Cals Kopf. „AU VERDAMMT NOCHMAL!!!“, fluchte er, hielt sich die schmerzende Stelle und schaute seine Offizierin an. „Deswegen sollten Sie mit dem Tricorder vorsichtig sein.“ Cal schaute sie an, in seinen Augen funkelte zeitgleich Schmerz und Wut: „Würdest Du bitte mal sagen, WAS genau Ambach ist?“ Das war das Problem mit der Kommunikation mit Cal. Denn, obwohl er eigentlich aus Großbritannien kam, hatte er sich damals, zur Zeit der Teenagerrebellion, dazu entschlossen, sich akzenttechnisch im deutschen Sprachraum zu bedienen. Und nicht nur Hochdeutsch, also so, wie man es aus schlechten amerikanischen Filmen des späten 20. Jahrhunderts kannte, in denen die „Deutschen“ entweder bayrisch sprachen oder zumindest so aussahen und deren einziger Hinweis darauf, das sie Deutsch waren, durch ein eingestreutes „Ja!“ oder „Jawoll!“ war – je nach dem, welche Filme man schaute. Nein, nein, Cal griff ganz tief in die Dialektkiste. Er verwandte die Syntax des Ruhrdeutschen und trieb mit seinen entsprechenden Übungen seine Eltern in den Wahnsinn. ‚What is the matter with you, boy?’, hatte ihn eine seiner Lehrerinnen mal gefragt und Cal hatte grinsend geantwortet: “Ach weißte – wennze mich so fragst, is mich so schnarchich, dat kannste maa gar nich glauben, da besteht extremen Bekakelungsbedaaf.“ Natürlich hatte die Lehrerin kein Wort von dem verstanden, was der junge Cal ihr da sagen wollte, also übersetzte er es nochmal ins feinste Oxfordenglisch – was der Lehrerin natürlich auch nicht passte. Ebensowenig übrigens, wie es den Eltern genehm war. Natürlich hatte man ihm den Dialekt wieder, so gut es ging, ausgetrieben, doch konnte es sein, das hier und da der Dialekt wieder hervorbrach. So auch jetzt. „Wie schon gesagt“, lächelte die Asiatin den Captain an, „Die Katzenkarte ist keine 200 Jahre alt. Sie ist repliziert.“ „Das hattest Du mir ja gesagt.“, meinte Cal und trachtete danach, den Tricorder nochmal hochzuwerfen, doch Agatha, die plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen neben ihm stand, nahm ihm das Gerät aus der Hand. „Gib das her, bevor Du dich damit versehentlich erschlägst, anata.“, lächelte sie und fuhr ihm sanft über den Kopf. Cal hob eine Augenbraue und schaute sie an: „Hast Du mich gerade Anakin genannt?“ „Nein, Anata“, erklärte Ran trocken, „Das bedeutet sowohl ‚Du’ in der höflichen Variante, als auch „Liebling“. Und da wir eure Verhältnisse hier kennen, dürfte klar sein, welche Variante gemeint ist.“ Der Captain war nun wirklich baff und schaute seine rothaarige erste Offizierin an: „Okay, was ist mit dir los?“ „Nichts, ich fühl mich“, sie streckte sich einmal, seufzte genüsslich und lächelte ihren Captain an, wie die Katze, die den Kanarienvogel verschlungen hatte, „Herrlich.“ „Na gut, dann fühl dich mal herrlich, Geliebte. Wir müssen diese Katzenkarte weiter analysieren.“ „Eine Katzenkarte?“ Sofort war Hitomi Kisugis Interesse geweckt – so schien es zumindest – und sie ließ sich neben Toshi auf dem Stuhl am Tresen nieder. Die junge Frau lächelte sanft und wandte sich dann mit dem Kopf ihrer Schwester zu: „Nami, könntest Du uns, also Toshi und mir einen Kaffee machen? Er ist ja ganz entkräftet von seiner Jagd nach den Katzen.“ Nami Kisugi, die Älteste der drei Schwestern nickte und machte sich daran, den Kaffee zuzubereiten. Schön stark, wie Toshi und Hitomi ihn gerne tranken. Das würde die Beiden zwar heute die ganze Nacht wachhalten, aber – was sollte es? Man hatte schließlich einen neuen Einbruch zu planen. Aber, davon durfte natürlich Toshi Utsumi nichts wissen. Hitomi lächelte ihren Freund an, pustete einmal in ihren Kaffee, damit er ein wenig kühler wurde und trank dann einen vorsichtigen Schluck. Es tat gut, wenn das Getränk in den Magen lief und dort diese wohlige Wärme ausbreitete. „Also, was wisst ihr von der Katzenkarte?“, fragte Hitomi, hoffend, dass sie nicht zu neugierig klang, aber – offenbar verdrängte Toshi diese Frage ein wenig. Er begnügte sich damit, grimmig in die dunkle Brühe zu schauen, in seinen Augen stand jähe Entschlossenheit. Dann stellte er die Tasse auf den Tisch, dass es nur so schepperte und riss den Kopf zu Hitomi herum. „Hitomi, ich weiß, ich habe dir gesagt, dass ich Dich erst dann heiraten kann, wenn ich die Katzen gefasst habe – aber so lang will ich einfach nicht mehr warten. Wenn es für dich okay ist…“ Es gab nicht oft diese Momente - aber es gab sie auch in Hitomis Leben – diese Momente in denen man einfach nur sprachlos ist. Dies war ein solcher Moment. Die Augen aufgerissen, die Kontrolle über die Kiefermuskulatur verloren, so saß sie da und sie musste wahrscheinlich aussehen wie eine asiatische Variante des „Schreis“ von Edvard Munch. Die junge Frau konnte nicht glauben, was dort passierte, direkt vor ihren Augen. Wollte Toshi ihr einen Antrag machen? Auf der einen Seite freute sie das – schließlich liebte sie Toshi wirklich, sie hatte ja nicht nur mit ihm geflirtet, weil er im Polizeirevier gegenüber arbeitete. Nein, im Gegenteil, sie kannte ihn wesentlich länger, als sie Katze und er ihr Jäger war. Auf der anderen Seite war dies der Moment der Wahrheit und der Entscheidung, der Moment den sie so sehr fürchtete, wie nichts Anderes, nicht mal, als bei einem ihrer Raubzüge gefangengenommen, oder getötet zu werden. Sie kannte sich – sie würde annehmen, und sie musste sich dann irgendwie versuchen, mit dem Doppelleben als Ehefrau und Einbrecherin zu arrangieren. Vielleicht konnte sie auch aussteigen, aber das würde bedeuten, das Nami und Love die Einbrüche im Alleingang durchzogen und – bei allem Respekt für Love, dafür erachtete Hitomi sie als noch zu unerfahren. Die Jüngste war einfach noch nicht so weit. Selbst sie – und sie war eine gute Turnerin, athletisch gebaut und kam aus so gut wie allen Schwierigkeiten heraus, selbst sie war immer noch unerfahren genug, in diverse Fallen zu tappen, so sagte sie sich. Also blieb nichts Anderes übrig, als darauf zu warten, das Toshi das Haus verließ um die Katzen zu fangen und dann selbst das Haus zu verlassen, um die Gejagte zu werden. Anschließend musste es blitzschnell gehen, so dass sie noch zu Hause war, bevor er dort ankam. Das würde eine sehr anstrengende Zeit werden. Und wenn sie versagte? Wenn er sie fasste? Wie standen sie beide dann da? Wie stand sie dann da? Sie wäre nur die ‚Schlampe’, die für Informationen mit dem Feind ins Bett gegangen ist. Und er? Er wäre der Idiot, der sich von ihr hatte blenden, ausnutzen und verführen lassen. Nein, so konnte es einfach nicht gehen. Was konnte sie tun? Toshi griff nach ihrer Hand, schaute sie an: „Hitomi Kisugi.“ Als er sie direkt ansprach, realisierte sie, dass er kniete und in dem Moment, in dem sie es realisierte, sprach er die verhängnisvollen Worte schon aus. „Willst du mich heiraten?“ Was tat sie nun? Sie merkte, wie ihr Körper ein wenig in sich zusammensackte, wie ihre Augen feucht wurden. Die ersten Tränen liefen ihre hübschen Wangen herunter, tropften auf Toshis Hand, der sie verblüfft ansah. Weswegen weinte Hitomi? Hatte sein gebrochenes Versprechen dazu geführt? Waren es Freudentränen, darüber, das er die störrische Jagd nach den Katzen aufgab? Was war es? Und dann, als ihre Stimme, zwar sanft, doch dunkel und brüchig, zu ihm drang, wusste, er, weswegen sie weinte. „Es…“ Die Antwort auf seine Frage mit „Es“ zu beginnen, war schon mal ein sehr schlechtes Zeichen, wobei eine innere Stimme, der ewige Optimist, ihn daran erinnerte, das der Satz auch gut mit „Es freut mich sehr, dich zu Heiraten“, weitergehen konnte. Nur – so fragte der Pessimist in ihm – wer antwortet so auf die Frage aller Fragen? Nein, diese Frage kann man im Grunde bei einem positiven Bescheid mit zwei kleinen Buchstaben beantworten. Ein J und ein A. „Ja, ich will“, kann man, wenn man poetisch beseelt ist, auch noch sagen, aber den Satz mit „Es“ zu beginnen, bedeutete für Toshi eigentlich genau das, was sekundenbruchteile später fast dafür sorgte, das sein Herz komplett stehen blieb. „Es… es tut mir leid, Toshi.“, kam es, durch Schluchzer abgehakt, von Hitomi und Toshi merkte, wie er kurz davor war, das Gleichgewicht zu verlieren. Sowohl das Körperliche, als auch das Seelische. Wobei ihm sein innerer Optimist ins Ohr flüsterte: „Du warst einfach zu früh, zu forsch. Sie weint nur, weil du sie komplett unvorbereitet mit der Frage konfrontiert hast und sie keine Möglichkeit hatte, sich mit ihren Schwestern zu beraten.“ Doch, der Pessimist, der ihm innewohnte, lachte hämisch: „Ha, das hast Du jetzt davon. Du hast sie verloren. Ein für alle mal verloooooooooooooren!“ Sich langsam aufrichtend, schaute Toshi seine Hoffentlich-noch-sehr-wahrscheinlich-aber-schon-Ex-Verlobte an und flüsterte, da auch er merkte, wie die Tränendrüsen ihre Arbeit aufnahmen, wie sein Herz langsamer pochte und wie seine Stimme brüchig wurde: „Ich verstehe.“ Dann lächelte er sie an, was durch die Tränen, die ihm über die Wangen rannen, eher nach einer billigen Karrikatur eines Lächelns aussah: „Woran… liegt es?“ Sie schluckte, blinzelte zwei, drei Mal, versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Nur nichts falsches sagen, nur nichts falsches sagen., spukte es ihr mantra-ähnlich durch den Kopf. „Ich…“ Nur nichts falsches sagen, nur nichts falsches sagen. „Du musst wissen, ich bin…“ Nur nichts falsches sagen, nur nichts falsches sagen. Hitomi holte tief Luft, schaute Toshi an und schüttelte dann den Kopf: „Ich kann es dir nicht sagen… Du würdest es nicht verstehen.“ Sie hasste es, ihrem Toshi so wehtun zu müssen, aber es gab keinen anderen Weg. Das war der Grund, weswegen sie geweint hatte, weil sie in diesem Moment der astronomischen Klarheit erkannt hatte, das es nur diesen einen Weg gab. Alle anderen Möglichkeiten waren einfach nicht gangbar. Das Doppelleben als Ehefrau und Einbrecherin? Niemals. Es brauchte nur einen Fehler zu geben, und die Ehefrau saß hinter Gittern, ihre Ehe wäre zerstört und Toshis Polizistenherz für immer gebrochen. Andererseits konnte sie sich auch nicht aus dem Geschäft zurückziehen, obwohl ihre Schwestern – sie kannte sie nunmal –sicherlich genau auf diese Möglichkeit spekuliert hatten, um ihm und ihr eine glückliche Ehe zu bescheren. Doch auch dies schied aus, da die beiden anderen Frauen entweder zu jung und unerfahren, oder zu alt waren. Und obwohl Nami erst siebenundzwanzig Jahre alt war, obwohl sie immernoch in ihr Katzenkostüm schlüpfen und sich durch Laserschranken schlangengleich winden konnte – wie lange würde dies gut gehen? Und Love die Aufgabe überlassen? Sie war zwischenzeitlich so unvorsichtig und so leichtsinnig, dass auch sie diese Aufgabe nicht erledigen konnte – noch nicht. Es würde noch zwei oder drei Jahre des Trainings brauchen, bis sie auf alle Eventualitäten vorbereitet sein konnte. Selbst sie, die Vierundzwanzigjährige wurde hin und wieder von Fallen überrascht, die sich Toshi ausgedacht hatte. Und wenn Love oder Nami gefangen würden – es würde ebenfalls auf sie zurückfallen. Und damit auf ihn. Nein – das waren keine gangbaren Lösungen. Genausowenig, wie es eine gangbare Lösung war, ihrem Toshi jetzt alles zu beichten. Toshi merkte, wie seine Tränendrüsen richtig auf Hochtouren arbeiteten, aber er wollte nicht einfach so in Tränen ausbrechen. Das tat ein Mann nicht. Zumindest in Toshis Denken. Im Gegenteil – er zwang sich, kalt wie ein Eisblock zu sein, scheiterte nach zwanzig Sekunden jedoch gnadenlos. Die Tränen rannen über seine Wangen und er wandte sich ab, noch ein „Wir sehen uns dann“ murmelnd und das Lokal verlassend, ein Sinnbild des Elends und der Traurigkeit. Doch, aber das wusste Toshi nicht, Hitomi ging es nicht besser. Kaum das der Polizist das Lokal verlassen hatte, kaum, das er ausser Sicht- und Hörweite war, brach Hitomi Kisugi in einen lauten Weinkrampf aus, der ihren Körper schüttelte. Sie hatte ihn verloren. Das Agathas Augen plötzlich wässrig glitzerten, bemerkte der Captain nach ein paar Sekunden und schaute sie an. „Was ist?“, fragte er überrascht und trat auf seine Freundin zu, um sie in den Arm zu schließen. Er wusste, das das bei ihr immer, wenn sie down war, gute Dienste tat. Doch diesmal wich sie zurück, hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf: „Nein, es ist – alles in Ordnung.“ Cal sah seine erste Offizierin verwundert an, zuckte aber mit den Schultern und schaute zu Ran herüber. „Also, wo waren wir stehen geblieben?“ Die hübsche Asiatin warf einen Blick zu Toshi Utsumi und räusperte sich. „Detective Utsumi, sie sind heute ein wenig unkonzentriert, oder? Sie fragen mich schon zum drittel Mal, wo wir stehen geblieben sind.“ Toshi schaute zu seiner Partnerin, Mitsuku Asaya an und lächelte traurig. „Wissen Sie – ich habe heute einen ziemlichen Fehler gemacht.“, seufzte er, „Und ich fürchte, ich …“ Der Polizist stockte und schaute Asaya an: „Warum erzähle ich Ihnen das überhaupt? Was geht es Sie an?“ Er schüttelte den Kopf und runzelte anschließend die Stirn: „Also, WO genau waren wir?“ „Wir haben eine erneute Ankündigung von Katzenauge erhalten. Sie wollen sich den Sonnenwind holen. Mister Nakatomi vom Nakatomi Plaza hat ihn in der obersten Etage des Gebäudes ausgestellt.“ „Das Nakatomi Plaza?“, fragte Hitomi und lehnte sich interessiert nach vorne: „Du meinst dieses 35-stöckige Hochhaus in Los Angeles, das in zwei Jahren fertig gestellt sein soll?“ Love, die den Computer bediente, schüttelte den Kopf: „Nein, das ist die Niederlassung in Los Angeles. Ich rede vom Hauptsitz in Japan. Hiroshi Nakatomi hat hier die Fäden seiner Firma in der Hand und wird sie vermutlich in zwei Jahren an seinen Nachfolger Joseph Takagi weiterreichen. Momentan ist jedoch Nakatomi unser Mann.“ Hitomi, die ihren blauen Catsuit trug, der ihren Körper umschloss, wie eine zweite Haut, lächelte traurig: „Dann werde ich ihn doch mal übernehmen.“ Sie wandte sich zum Gehen und Love rollte mit den Augen: „Gott, bist Du doof!“ „LOVE!“ Die Empörung in Hitomis Stimme war deutlich zu hören. Ihre jüngste Schwester machte eine wegwerfende Handbewegung: „Ach komm schon, Schwesterherz. Du hättest den Antrag ruhig annehmen können.“ „Du machst dir das da ein wenig leicht, Love. Wie hätte ich die Sicherheit unseres Geheimnisses da garantieren können?“, fragte die Frau im blauen Leotard und Love lächelte: „Du hättest eine Vielzahl von Möglichkeiten gehabt. Du hättest ihn hypnotisieren können, du hättest ihm immer, wenn wir auf Diebestour gehen, eine Schlaftablette in den Abendkaffee geben können, oder – ich weiß auch nicht – du hättest ihm die Wahrheit sagen können. Toshi ist ein pfiffiges Kerlchen und vor allem ist er gerecht. Wenn wir ihm erklären würden, warum wir tun, was wir tun, würde er es verstehen.“ „Das siehst du ein wenig zu einfach“, meinte dann Nami und verschränkte die Arme vor der Brust: „Er ist in erster Linie Polizist. Und wir sind in erster Linie Diebe. Das heißt, wir stehen auf der anderen Seite des Gesetzes.“ „Es heißt, er wird uns jagen müssen, wenn wir es ihm sagen. Ganz zu schweigen davon, dass er von uns allen enttäuscht wäre.“, murmelte Hitomi und Love schaute sie an: „Du hast nur Angst, das er dich danach weniger liebt, als vorher. Wer weiß, vielleicht findet er dich danach nur noch begehrenswerter. Männer stehen doch auf Frauen, die auch austeilen können.“ „Love! Woher weißt du das alles schon wieder?“ „Ich bin auch eine Frau. Und meine Freunde stehen darauf, dass ich auch die Krallen ausfahren kann.“ „Das mag ja alles sein.“, sagte Nami, „aber wir müssen uns erst um das Thema Nakatomi Plaza…“ Sie stockte und wandte sich dann abrupt zu Love um: „Moment mal, was meinst Du mit Freunde?!“ „Ihr seid ganz schön altmodisch. Meint ihr etwa im Ernst, ich bleibe wie das brave Mauerblümchen sitzen, während meine Freundinnen schon längst ihren Typen haben?“ Nami und Hitomi schauten einander an, schluckten – das war eine Vorstellung, an die sie sich nur sehr schwer gewöhnen mochten, aber es war unvermeidlich. Ihre jüngste Schwester wurde erwachsen. Dann breitete sich ein Lächeln auf Namis, anschließend auf Hitomis Lippen aus. Sie traten auf die junge Frau zu und stemmten die Hände in die Hüften: „Nun, dann erzähl mal, wir sind neugierig.“ Love schaute die beiden Frauen verblüfft an: „Und was ist mit Nakatomi Plaza?“ „Die fünf Minuten haben wir noch.“ Wenn Hitomi gewusst hätte, was noch auf sie zukäme, hätte sie sich nicht so schnell von Love ablenken lassen. Sie wusste nichts davon, das sie Toshi Utsumi an diesem Tag zum letzten Mal gesehen hatte – sie wusste nichts davon, das dieser Tag mit dem Tod ihres Geliebten enden würde – und mit ihrem. Tbc Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)