Abendstern von abgemeldet (Und du wirst strahlen, heller als die Sonne.) ================================================================================ Kapitel 7 - Auftakt ------------------- Kaum einige Schritte weiter schwoll das leise Getuschel zu einem lauten Gedränge an. Als Malika und ich um eine Ecke bogen, kamen wir zu einem kreisförmigen, überdachten Innenhof. Er war mit weißem Marmor ausgelegt und aus allen Richtungen mündeten Gänge in ihn, wie Quellen in einen See. Aus diesen strömten nun aufgeregte junge Frauen und Mädchen aller Herkunftsländer. Malika zögerte einen Augenblick und sog erstaunt die Luft ein, als sie einige Frauen aus ihrer Heimat Morin erblickte diese ihr neugierige Blicke zuwarfen. Dann folgte wir den anderen auf einen hohen Torbogen zu, in dessen Rahmen edle Verziehrungen eingearbeitet waren. Dahinter erstreckte sich ein großer, breiter Saal. Von der hohen Decke hingen Dutzende von Öllampen, und leise Musik drang aus einer Ecke, in der eine alte Dienerin saß und auf einer kleinen Harfe spielte. Der schwere Geruch von Jasmin lag in der Luft. Etwas von uns entfernt erspähte ich auch die Namensvetterin dieser Blume. Jasmin war in ein Gespräch mit einigen anderen Frauen verwickelt, doch als sie uns erspählte kam sie rasch auf uns zu. „Wie wunderbar, Euch zu sehen, Malika von Kafka.“, begrüßte sie Malika sofort mit schmeichlerischer Stimme. Diese errötete leicht als der Adlestitel ihrer Familie fiel und verlor sofort jegliches Interesse an mir. Ich erwartete, dass Jasmin nun auch mich begrüßen würde, doch zu meiner Verwunderung ignorierte sie mich. „Habt Ihr schon die Wandteppiche gesehen?“, fuhr sie fort auf Malika einzureden. „Sie sind jemandem wie Euch gerade würdig.“ Damit platzierte sie sanft eine Hand auf Malikas Schulter und führte sie auf die andere Seite des Saales. Ich blieb allein zurück und starrte den beiden leicht verletzt hinterher. Hatte Jasmin mich mit Absicht ignoriert? Den Gedanken beiseite schiebend, konzentrierte ich mich auf die anderen Leute im Saal. Bis auf einige umherschwirrende Diener waren es ausschließlich junge Frauen, etwa zwei Dutzend, die allein oder in kleinen Gruppen verteilt standen. Unterdrücktes Gekicher und leises Geplauder drang an meine Ohren. Es schien als wären die meisten der Frauen schon längere Zeit hier. Ich kam mir sehr fehl am Platze vor. Außer Malika und Jasmin konnte ich keine vertrauten Gesichter erkennen. Und ich hatte weder die Courage, noch das nötige Auftreten, um mich in ein fremdes Gespräch einzumischen. Ich pickte einige imaginäre Staubkörnchen von den Schultern meines Kleides und sah mich fragend um. Was sollte ich hier? Mein Blick glitt zu den hohen Fenstern an den Seiten des Saales, durch die nun die frühe Morgensonne schien. Im Alten Kaftan hätte ich jetzt genug zu tun gehabt. Plötzlich kam es mir lächerlich vor, hier in einem prunkvollen Saal zu stehen und mich zu langweilen während Irfan und die Anderen arbeiteten. Ich vermisse sie wirklich, dachte ich betrübt. Vor allem, wenn man bedacchte dass sie gewiss keinen Gedanken an mich verschwendeten. Ein lauter Gong ertönte. Ich blickte auf und bemerkte dass die anderen Frauen in aller Eile einen Halbkreis bildeten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Saales war ein kleines Podium an der Wand angebracht und darauf standen drei, in weiße Roben gehüllte Männer. Erstaunt erkannte ich unseren Führer von gestern unter ihnen. Er hielt eine dicke Kupferscheibe in der einen Hand und einen mit Stoff umwickelten Schläger in der anderen. Der Mann neben ihm war bedeutend älter, langes weißes Haar fiel ihm auf die Schultern. „Ich entbiete euch einen guten Morgen, Anwärterinnen.“, begann er mit lauter Stimme, die von den Wänden widerhallte, „Ich möchte unsere allwöchentliche Versammlung gerne mit etwas Erfreulichem beginnen. Der alte Mond ist verschwunden und somit ist auch wieder einigen der Anwärterinnen die Gunst zuteil geworden, in den Harem des ehrwürdigen Sultans Jakib Suero aufgenommen worden zu sein.“ Er machte eine kleine Handbewegung, auf dessen Befehl vier Frauen das Podium betraten. Jede von ihnen war über und über mit Schmuck und Juwelen behängt. „Darf ich euch die neuesten Mitglieder des Harems vorstellen,“ fuhr de alte Mann fort, während er eine Hand hob, „Lady Aischa, Lady Marina, Lady Karma und Lady Dua.“ Die ehemaligen Anwärterinnen verbeugten sich elegant, wobei ihre prunkvollen Kleider in der Luft raschelten. Zu meinem Erstaunen stelle ich fest dass sogar diese juwelenbesetzt waren. Der Redner faltete die Hände vor der Brust. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf seine Lippen als er sah, dass alle still geworden waren und wie gebannt auf die neuen Haremsdamen starrten. „Diese oberste Ehre die einer Frau zuteil werden kann könnt auch ihr erreichen, Anwärterinnen. Da ihr vom obersten Berater des Sultans erwählt wurdet gehört ihr nun zu den wenigen Auserwählten die sich die Gunst des Herrschers der Sieben Länder verdienen dürfen. Dies ist eine Ehre die ihr alle zu schätzen wissen müsst.“ Er verstummte und ein Geräusch hinter mir ließ mich aufhorchen. „Ich bin bereits seit drei Monden hier.“, zischte eine leise Frauenstimme. „Und Lady Aischa nur zwei. Es ist ungerecht!“ Ich wandte mich unauffällig um. Die junge Frau genau hinter mir, mit gelblicher Haut und hellen Haaren, starrte verbissen zu Boden. Ihr Gesicht war von Wut und Schmerz verzerrt. Eine Andere versuchte ihr Bestes sie zu besänftigen. „Keine Sorge, Irma. Du hast noch 2 Monde Zeit. Bestimmt wird der Sultan früher oder später nach dir rufen lassen. Beruhig dich einfach.“ „Du hast ja keine Ahnung, Harun! Du bist erst seit Kurzem hier. Du weißt einfach nichts!“, fauchte die Erste zurück. Die Andere schwieg betreten, und ich wandte mich wieder dem Podium zu, wo der Redner von Neuem begonnen hatte zu sprechen. „Natürlich wird dennoch nicht jeder von Euch die Ehre werden zuteil einen Platz im Herzen unseres gütigen Sultans zu erlangen. Ihr werdet hart an euch arbeiten müssen um es in diese Position zu schaffen. Dafür“, der Mann machte eine Handbewegung und zeigte auf die Männer links und rechts von ihm. „Dafür werden wir euch zur Seite stehen. Sobald wir erkennen dass ihr für die Ehre, dem Sultan Auge in Auge gegenüberzustehen, bereit seid, werden wir euch bei zu Vorführungen mittanzen lassen.“ Er wurde lauter, „Für alle Neulinge möchte ich noch einmal betonen, dass für euch dieselben Regeln gelten wie für alle anderen. Unwissenheit wird euch nicht vor Strafen schützen! Alles was vor eurem Einzug in den Palast von Belang war, hat nun seine Bedeutung verloren. Ihr schlaft, esst, denkt, fühlt und atmet nur noch um dem allmächtigen Sultan zu dienen.“ seine Stimme nahm an Schärfe zu. „Ihr werdet in den nächsten Monden alles über Sitten und Gebräuche des Palastes, Ausdrucksweise und Etikette lernen, sowie über das von einer Haremsdame erwartete Verhalten. Sollte eine von euch nicht bereit sein, sich den Anweisungen des Sultans oder seiner Bediensteten zu beugen, so wird euch eine schlimme Strafe erwarten, bis hin zur Verbannung aus dem Palast.“, er hob beschwörerisch die Hände, „ Ich wünsche keiner von euch, dass sie Schande über sich bringt. Ab dem heutigen Tag dient ihr mit Körper und Geist unserem Sultan, und sonst niemandem.“ Er verstummte. Während seiner Rede hatten sich meine Nackenhaare aufgerichtet und ich hatte meine Hände zu Fäusten geballt. Wut über das Gehörte stieg in mir auf. Als hätte ich es nötig es mir zu verdienen das Bett eines Mannes zu teilen!,dachte ich wütend. Der dritte Mann auf dem Podium war nun einen Schritt vorgetreten. Er hatte kurz geschorenes schwarzes Haar und hielt eine lange Pergamentrolle vor sich ausgebreitet. „Die Einteilung für die folgenden Monde ist wie folgt: Anwärterinnen Habiba, Muchlisa, Nurunissa, und Latifa werden aufgerufen sich im purpurnen Saal einzufinden. Anwärterinnen Asla, Harun, Irma, und . . .“ Eine lange Liste von Namen folgte, doch meinen konnte ich nicht hören. Immer öfter verließen kleine Gruppen von Frauen den Saal. Offenbar war der formelle Teil der Versammlung bereits vorüber. „. . .Jasmin und Djalila. Die letzte Gruppe, bestehend aus den Anwärterinnen, dessen Namen noch nicht aufgerufen wurden, mögen sich bitte im grünen Saal einfinden.“ Abermals schlug der linke der Männer den Gong und sie verließen das Podium. Dies schien ein Signal gewesen zu sein, denn auch die letzten der Frauen eilten nun rasch durch das Tor hinaus. Nach nur wenigen Augenblicken war der Saal wie leergefegt und nur noch einige Nachzügler, mich inbegriffen, hielten sich darin auf. Grüner Saal. . ., dachte ich. Wo konnte der sein? Ratlos betrat ich den kleinen Innenhof, der durch Fenster in der Decke nun in gleißendes Licht getaucht war. Doch da endete meine Orientierung auch schon. Gut ein Dutzend Türen gingen von dem kreisrunden Hof aus, und sie alle sahen identisch aus. Ich würde unmöglich die Tür finden durch die ich gekommen war, geschweige denn die durch die ich jetzt gehen musste. Eine schwere Hand auf meiner Schulter ließ mich aufschrecken. Ich drehte mich um. Ein großgewachsener Mann mit dunkelbraunem, kinnlangem Haar stand hinter mir, in eine dunkelbraune Robe gehüllt. Er konnte nicht älter als 25 sein, doch waren seine Schultern breiter als die Urams. Ich zuckte unwillkürlich zurück. Der Griff um meine Schulter verstärkte sich. „Wurdest du auf dein Zimmer zurückbeordert?“ fragte der Mann mit ruhiger Stimme. Ich schüttelte den Kopf. Sofort verschwand die Hand auf meiner Schulter wieder. „Dann verzeiht, Teure. Ich bin eingeteilt die Neulinge unter euch zu den Sälen zu eskortieren, doch wie es scheint seid ihr die einzige die Hilfe benötigt.“ Er lächelte verschmitzt. „Gehe ich Recht in der Annahme, Tamima gegenüberzustehen?“ Ich nickte stumm. Der Mann verbeugte sich. „Es ist mir eine Ehre. Mein Name ist Karim Kuero.“ Er bot mir den Arm an. „Nun, möchtet ihr eine Eskorte?“ Ich schüttelte reflexartig den Kopf und beäugte seinen Arm misstrauisch. Er zog ihn langsam zurück, und zog die Augenbrauen hoch. Seine Augen nahmen einen seltsam überlegenen Ausdruck an. „Also wisst Ihr bereits wo Ihr hinmüsst? Für gewöhnlich werden die Lehrmeister sehr ungehalten wenn man sie warten lässt.“ Ich sah ihn zweifelnd an. Seltsamerweise empfand ich Furcht vor ihm. Doch allein durch den Palast wandeln wollte ich auch nicht. Nach kurzem Zögern nickte ich schließlich. „Es wäre mir eine Ehre.“, flüsterte ich. Er nickte und das höfliche Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück. „Wohin seid Ihr beordert worden?“ „Mein Name wurde nicht genannt, denke ich.“ „Dann vermutlich der grüne Saal. Er ist am weitesten entfernt. Doch ich kann Euch in Kürze dorthin bringen.“,er trat einen Schritt auf mich zu, „Folgt mir bitte.“ Damit wandte er sich ab und ging voran, durch eine der Türen zu meiner Rechten und ich fand mich bald in einem Flur auf der Nordseite wieder. Bis hierher war die Sonne noch nicht gedrungen und die herbstliche Kühle der Nacht strich noch durch die offenen Fensterbögen. Die Nächte in Mangalin sollten die schlimmsten in allen Sieben Ländern sein, so hatte ich Händler sagen hören. Als ich mir jetzt die Arme um die Schulter schlang, glaubte ich daran. Während wir durch immer verwinkeltere Flure bogen, begann ich mir ernsthafte Sorge wegen der Größe des Palastes zu machen. Er hatte – mindestens – vier Stockwerke und jedes von ihnen war geradezu lächerlich verschachtelt. Wie soll ich mich hier jemals zurechtfinden? Ich sah mich nach einem Merkmal um das die Flure unterschied. Doch die hellen Wände und hohen Deckenbögen sahen überall gleich aus. „Sucht Ihr etwas, Tamima?“, ertönt Karims erstaunte Stimme neben mir. Er hatte seine Schritte verlangsamt und blickte mich fragend an, während ich mich bemühte ein teilnahmsloses Gesicht zu machen. „Den Weg zurück in mein Gemach. Ich befürchte heute Nacht in einem der Flure schlafen zu müssen.“ Er runzelte die Stirn, als er sich zu mir herunter beugte um meine Antowrt zu verstehen. Dann lachte er. „Seid unbesorgt, Tamima. Die ersten Wochen sind zweifelsfrei die schlimmsten. Doch noch ehe der neue Mond aufgegangen ist werdet Ihr Euch hier zurechtfinden wie in eurem alten Elternhaus.“ Er strich sich mit der Hand durch die Haare. „Obwohl ich Euch raten würde in der Bibliothek nach einer Karte zu bitten. Nur für den Anfang.“ Er lächelte noch immer, doch ich wandte den Kopf ab. Eine Bibliothek, dachte ich, fasziniert von dem Klang des Wortes. Ich war noch nie in einer Bibliothek. Wir gingen weiter und Stille breitete sich aus. Dieser Teil des Palastes schien wie ausgestorben zu sein. Nicht einmal die Diener, die auf dem Weg aus den Quartieren in den Versammlungssaal überall gewesen waren, waren hier zu sehen. Es war eine unbehagliche Stille, die nicht in dieses prunkvolle Gebäude passte. „Karim?“ begann ich vorsichtig, und der Mann neben mir wandte sich um. Er blinzelte leicht. „Meint Ihr mich?“ fragte er mit gespieltem Unwissen. Als ich nickte wurde seine Miene ernst. „Tamima, mir macht es zwar nichts aus, doch Ihr müsst mit der Etikette des Palastes vertraut sein, bevor Ihr einen schwerwiegenden Fauxpas begeht. Solange Ihr noch Anwärterin seid, müsst Ihr, mit Ausnahme der Diener, jeden mit Lord oder Lady ansprechen. Nur der Berater oder der Sultan sind davon ausgenommen, da sie bei ihren Titeln genannt werden müssen. Doch empfehle ich Euch nicht einen von Ihnen anzusprechen. In den meisten Fällen müsst Ihr warten bis das Wort an Euch gerichtet wird.“ Ich nickte. Als ob ich überhaupt jemanden ansprechen würde, dachte ich bitter. Nach kurzem Zögern startete ich noch einen Anlauf. „Lord Kuero?“ „Ja?“ „Darf ich Euch eine Frage stellen?“ Belustigung lag in seiner Stimme. „Gewiss doch.“ Ich holte tief Luft und wisperte. „Meine Dienerin erwähnte etwas von Lehrmeistern. Was. . .?“ Ich sah ihn fragend an. Er wurde erneut ernst und seine Miene nahm einen fast feierlichen Ausdruck an. „Bevor Ihr zum Sultan beordert werden könnt müsst Ihr gewisse Kenntnisse erlangen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Ihr in Gegenwart Sultan Jakibs nicht durch falsches Verhalten peinlich berührt werden könnt.“, er wurde leiser, „Der Herrscher der Sieben Länder hat keinerlei Verständnis für Ungeschicklichkeit oder Unwissen. Zu Eurem eigenen Schutz hat der Berater des Sultans schon vor Jahren dafür gesorgt dass die Haremsdamen, bevor sie dem Sultan vorgestellt werden, in verschiedenen Bereichen und Belangen unterrichtet werden. Für diesen Zweck wurden Lehrmeister aus den verschiedenen Ländern angefordert um sie zu unterrichten. Ich zum Beispiel stamme aus Faren.“ Er lächelte. „Somit wurde nur für die Anwärterinnen eine Ausnahme in den Gesetzen der Länder gemacht und Frauen der Unterricht erlaubt.“ Ich runzelte ungläubig die Stirn. Unterricht? Was sollte man denn schon groß lernen, wenn alle Tätigkeiten, die von einem erwartet wurden, in einem Bett stattfanden? „Was wird denn unterrichtet?“, fragte ich leise. „Verschiedenes.“ erwiderte Karim. „Unter anderem gutes Benehmen, Etikette und Klasse. Gewählte Ausdrucksweisen und etwas Grundbildung.“ Ich blickte erstaunt auf. „Wozu? Haremsdamen werden doch nur für-“ Er schnitt mir das Wort ab. „Wo denkt Ihr hin, Tamima? Die Haremsdamen des Herrschers eines Landes sind dessen Symbol für Anstand und Würde. Sie müssen ebenso in der Lage sein edle Gäste zu amüsieren, Unterhaltungen zu führen und Feste zu leiten, wie dem Sultan jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Denkt Ihr denn sie wären fluchende Straßenmädchen? Es würde die Ehre des Sultans beschmutzen sich einen Haufen undisziplinierter Frauen zu halten, die nicht wissen wie sie die einfachsten Befehle ausführen können.“ Auf meinen ungläubigen Blick hin fuhr er mit eindringlicher Stimme fort. „Natürlich werdet Ihr kein Mitspracherecht bei politischen Belangen haben, oder die gleichen Rechte wie Personen des Hofstaates. Das und anderes ist einzig und allein dem Sultan und seinen Beratern vorbehalten. Doch der Palast eines Sultans ohne einen vorzeigbaren Harem ist eine Undenkbarkeit! Jedes Fehlverhalten der Damen hätte schwerwiegende Folgen für das Ansehen des Hofes. “ Ich schlug die Augen nieder, bemüht meine Überraschung zu verbergen. Also wurden die Haremsdamen als Aushängeschild für die Fortschrittlichkeit und den Anstand des Reiches verwendet. Daran hatte ich nicht gedacht. Dann verwandelte sich meine Überraschung in Wut. Wenn ich also aufgenommen werde, werde ich nicht nur dem Sultan als Bettsklavin zur Verfügung stehen müssen, sondern auch als wohl dressiertes Schoßhündchen, an dem er seine Großzügigkeit präsentieren kann., kombinierte ich. Hätte ich jemals Sympathien für den Sultan gehabt, so wären nun auch die letzen Funken davon verschwunden. Aus Angst, Lord Kuero könnte die Wut in mir bemerken, lenkte ich das Gespräch vorsichtig auf weniger gefährliches Terrain. „Wisst Ihr wer mein Lehrmeister sein wird?“ Karim breitete die Arme aus. „Nun den größten Teil Eurer Ausbildung werden die Mitglieder des Harems selbst bestreiten. In ihren Bereich fallen elegantes Auftreten, Bewegung und Balance, Tänze, soziale Fähigkeiten und anderes das Ihr beherrschen werden müsst, und das Euch ein Mann nicht beibringen kann.“, er räusperte sich, „Alles was darüber hinausgeht wird in Eurem Fall ein sehr gut ausgebildeter, fantastisch aussehender, junger Charmeur von einem Lehrmeister übernehmen.“ Ich runzelte die Stirn als ich nach und nach erkannte auf wen er anspielte. „Ihr?“, fragte ich leise. Beinahe hätte ich über die Beschreibung seiner selbst auflachen müssen. Er nickte. „Es wird Euch zweifelsfrei eine Ehre sein von mir in Eurer Ausbildung unterstützt zu werden. “ Ich blinzelte, überrascht von so viel Blasiertheit. Doch ich rang mir ein Lächeln ab. „Und was geschieht, wenn der Sultan dennoch nicht nach mir rufen lässt?“ Sein Lachen verblasste ein wenig. „Ihr werdet 5 Monde bleiben. Dies ist die oberste Grenze, solltet Ihr nicht in den Harem erhoben werden. Wenn Ihr bis dahin Eure Lehrmeister nicht von Eurem Können überzeugt habt, oder in den Vorführungen, bei denen der Sultan zugegen sein wird, nicht von ihm ausgewählt werdet, so werdet Ihr des Palastes verwiesen.“ Hoffnung stieg in mir auf. „Werde ich dann wieder nach Hause geschickt?“ Karim schüttelte bedauernd den Kopf. „Der, der Euch auswählte, in Eurem Fall Berater Kaseng, hat dadurch dass er Euch aus dem Haus Eurer Eltern geholt hat, seinen Teil eines Paktes erfüllt. Solltet Ihr nicht in der Lage sein die Gunst des Sultans zu gewinnen so werdet Ihr als Geschenk einem der Gäste oder Würdenträger des Sultans gegeben, der dann mit Euch verfahren kann wie es ihm beliebt. Wenn er beschließt, Euch dahin zurückzuschicken woher Ihr kamt, so ist das seine Sache. Doch es ist sehr viel wahrscheinlicher dass Ihr in den Harem des Betreffenden eingegliedert werdet. Es ist eine Ehre für jeden Mann eine ehemalige Anwärterin aus dem Palast zu besitzen. Kaum einer wird sich diese Chance entgehen lassen.“ Ich schluckte. Diese Möglichkeit klang noch viel unangenehmer als hier zu bleiben. Doch noch eine andere Frage stieg in mir auf. Warum machte man sich hier nur solche Mühe wegen des Harems? Es ist der Harem des Sultans., meldete sich die bereits vertraut gewordene Stimme in meinem Kopf wieder. Vermutlich wird alles das mit ihm in Berührung kommt, mit besonderer Sorgfalt behandelt und aussortiert. Du würdest einem Sultan doch auch keine verdorbene Milch servieren wenn er in dein Gasthaus käme, oder? Innerlich verfluchte ich die Stimme. Doch leider schien sie Recht zu haben. Ich verfiel wieder in Schweigen. Der Weg war noch um einiges länger als ich erwartet hatte. Ob Karim mit Absicht einen längeren Pfad gewählt hatte um mir das alles zu erklären? Plötzlich jedoch blieb er abrupt stehen und drehte sich zu mir um. „Wenn Ihr diesen Gang bis zum Ende geht, werdet Ihr den Eingang des grünen Saales bereits sehen. Ich muss noch etwas erledigen und werde dann gleich zu Euch stoßen.“ Damit verbeugte er sich galant und ging den Weg zurück den wir soeben gekommen waren. Als er hinter der Wegbiegung verschwunden war ging ich zögernd weiter. Kaum 200 SchrittE entfernt erkannte ich eine bogenförmige Öffnung in den Wand, die mit einem grünen Vorhang, in den silberne Muster eingenäht waren, vom Gang getrennt war. Dahinter hörte ich gedämpfte Stimmen, die jedoch erstarben als ich ihn vorsichtig beiseite schob. Fünf Frauen in edlen Gewändern saßen oder lagen auf breiten Sitzkissen überall in dem kleinen Saal verteilt. Sie sahen auf als ich vorsichtig eintrat. Mein Blick begegnete zwei hellen Augen und einem vertrauten Gesicht. „Tamima!“, rief Kishe aus, als sie mich erkannte. Ich lächelte, ehrlich erfreut sie wieder zu sehen. Ich schob mich an einer an der Tür stehenden hochgewachsenen Frau in Rot vorbei. Schon auf den ersten Blick wurde mir klar warum dieser Raum der „grüne Saal“ genannt wurde. Drei der Wände waren mit grünen Wandteppichen bedeckt, auf denen mit goldenem Garn Zeichen und Symbole eingenäht waren. Vermutlich waren es Worte, doch ich verstand zu wenig von Buchstaben als dass ich sie hätte entziffern können. Die vierte Wand, die die der Tür gegenüberlag, war jedoch vollkommen offen. Ein etwa hüfthoher Sockel bildete alles was noch an die frühere Außenmauer erinnerte. Ansonsten war die gesamte Wand, offenbar nachträglich, entfernt worden und enthüllte einen unvergleichlichen Blick auf die hinteren Gärten und Wälder des Palastes, die in der frühen Herbstsonne glitzerten. Ich wandte mich Kishe zu, die auf einem Sitzkissen lag und überrascht zu mir aufblickte. „Du bist ganz schön spät.“, bemerkte sie tadelnd, als ich mich auf ein Kissen neben ihr niederließ. „Ich befürchtete du hättest dich verlaufen.“ Ich lächelte amüsiert. „Hätte ich beinahe. Doch unser Lehrmeister hat mich hierher eskortiert. Sonst würde ich wohl noch immer in den Gängen herumirren.“, flüsterte ich, überrascht über meinen Redeschwall. Auch Kishe schien erstaunt, aber erfreut zu sein. „Ich bin auch abgefangen worden. Gerade als ich kurz davor war, einen der Diener um Hilfe zu bitten, hat eine der Haremsdamen, Lady Marina glaube ich, mich gefunden und hierher begleitet. Sie war unheimlich nett.“ Ich nickte. Vermutlich war es arrangiert worden dass auf jeden der Neuzugänge jemand gewartet hatte um uns zu eskortieren und unsere Fragen zu beantworten. Eine noble Geste, fand ich. Jedoch bestimmt nicht auf dem Mist des Sultans gewachsen. „Hast du dich mit ihr unterhalten ?“, wollte ich leise wissen. Sie nickte eifrig. „Ja. Die Ansprache der Lehrmeister war wirklich seltsam. Hättest du gedacht dass wir lernen müssen was eine Haremsdame ausmacht? Ich wünschte ich hätte das gewusst bevor ich meine Eltern bat mich dem Berater vorzustellen.“ sie verstummte, offenbar in Gedanken versunken. Ich dachte daran, was Karim gesagt hatte was mit den Frauen passierte die nicht zum Sultan gerufen wurden. Ich erschauderte als mir bewusst wurde was dieses Schicksal für die meisten der Anwärterinnen bedeuten musste. Schließlich hatten sie Familien, die sie liebten. Und die sie vermutlich niemals wiedersehen würden. Plötzlich jedoch hellte sich die Miene der blonden Frau auf. „Lady Marina hat mir noch etwas wirklich interessantes erzählt. Über den Sultan.“ sie hielt inne, offenbar eine Aufforderung von mir erwartend, weiterzusprechen. Da mein Interesse tatsächlich geweckt war, nickte ich aufmunternd und riss die Augen spielerisch weit auf. Sie schien es nicht zu bemerken. „Denk dir nur, eigentlich ist er gar nicht-“ Eine laute Stimme in meinem Rücken ließ sie zusammenfahren. „Einen wunderschönen guten Morgen, Anwärterinnen!“, dröhnte Karims Stimme zu uns herüber, als er den Raum betrat. Er war nun in eine weiße Robe gehüllt, auf dessen Brustseite das Emblem des Sultans, ein Wüstenfuchs, eingenäht war. Er hatte eine ehrfurchtgebietende Miene aufgesetzt. Sofort verstummte das Getuschel der anderen Frauen. Sie erhoben sich von ihren Kissen als Karim einen Platz an der Stirnseite des länglichen Raumes einnahm. Kishe und ich taten es ihnen gleich. Er lächelte und seine dunklen Augen blitzen auf. „Beginnen wir also mit dem Unterricht!“ „Wir reden später weiter.“, zischte Kishe mir zu, ihre Augen wie gebannt auf den Lehrmeister gerichtet. Als ich sie einen Augenblick aus den Augenwinkeln ansah sah ich zu meiner Überraschung mehr als nur Aufmerksamkeit in ihrem Blick. Bei weitem mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)