Kono Sekai Wo Koete von Sunrisepainter (Tomodachi) ================================================================================ Kapitel 4: KAPITEL 4: Das versiegelte Chakra -------------------------------------------- Für einen Moment blieb ich still, doch dann wiederholte ich die Worte des Hyuugas nochmal in meinem Kopf und blickte ihn mit panischem Gesichtsausdruck an: »Mein Chakra wurde versiegelt? Was heißt das? Kann ich also keine Kampftechniken erlernen?« »Hörst du mir nicht richtig zu?«, knurrte der junge Mann mit den unheimlichen Augen, »du kannst trainieren, sobald das Siegel aufgehoben wurde.« Ich sprang auf und ballt die Fäuste: »Dann los. Lös das Siegel. Ich bitte dich.« Verärgert verzog er das Gesicht und schnaubte: »Das kann ich nicht. Das überschreitet meine Kompetenzen.« »Meine im Übrigen auch«, mischte sich nun auch Sensei Kakashi wieder ein. Er machte ein besorgtes Gesicht. Das machte mich nur noch nervöser und ich blickte die beiden enttäuscht an: »Gibt es denn jemanden, er mir helfen kann?« »Sicher«, beruhigte mich der Sensei, »allerdings müssen wir noch mehr Sachen über dieses Siegel herausfinden. Beispielsweise, wer das veranlasst hat und warum. Weißt du, das Chakra einer Person sozusagen „einzusperren“ kommt bei uns einem Verbrechen gleich. Es ist, als hätte dir jemand deine halbe Lebenskraft genommen, verstehst du das?« Ich schluckte. Nein, ich verstand kein Wort, aber ich ahnte, dass hier etwas überhaupt nicht mit mir stimmte. Lag es daran, dass ich aus einer anderen Welt kam. »Kannst du dich daran erinnern, wer so etwas gemacht haben könnte?«, fragte Kakashi weiter. Ich schüttelte meinen Kopf: »Nein. Bisher wusste ich ja noch nicht mal, dass so etwas wie Chakra überhaupt existiert. In meiner Welt glauben zwar manche Menschen an so etwas, aber wirklich bewiesen wurde es nie. Und überhaupt, scheint hier so vieles anders zu sein.« »In deiner Welt?«, der Sensei blickte mich verwirrt an. Ich seufzte: »Das ist kompliziert. Ich bin plötzlich in der Nähe des Dorfes aufgewacht. Anfangs dachte ich noch, ich träume oder bin im Schlaf in ein anderes Gebiet meines Landes gereist, weil ihr die gleiche Sprache sprecht. Doch hier ist alles so anders. Es klingt vielleicht etwas schräg, aber ich habe das Gefühl ich bin in einem ganz anderen Universum gelandet. Wie auch immer.« »Das scheint natürlich eine Erklärung zu sein«, meinte Sensei Kakashi ernst und der Hyuuga nickte zustimmend. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf vor Überraschung. Sie glaubten mir wirklich? Ich musste mich wieder mal zwicken, um herauszufinden, dass ich nicht träumte. Diese Leute in diesem Dorf waren wirklich zu verschoben! »Und wenn deine Theorie stimmt, dann könnte das ganze noch eine Nummer schwieriger werden«, erklärte Sensei Kakashi, »dann wissen wir überhaupt nicht, womit wir es zu tun haben. Ich schlage vor, dass wir das Training für heute beenden und Tsunade- sama Bericht erstatten. Sie muss entscheiden, wie es für dich weiter geht. Vielen Dank, Neji, für die gute Arbeit.« Der Hyuuga nickte dem Sensei nochmal zu und verschwand so unwahrscheinlich schnell, dass ich noch nicht mal sagen konnte, in welche Richtung. »Sensei Kakashi, was ist passiert?«, Sakura tauchte mit Vollpfosten im Schlepptau wieder bei uns auf, »du machst so ein besorgtes Gesicht.« »Tja, wenn ich wüsste, was passiert ist, würde ich nicht so besorgt aussehen«, meinte der Sensei und schien wirklich ratlos zu sein, »aber keine Angst, Yoshikawa. Wir werden bestimmt eine Lösung finden. Da bin ich mir sicher. Aber vorher wirst du sicher eine Menge Untersuchungen über dich ergehen lassen.« »Untersuchungen?«, fragte Sakura alarmiert. »Ja, das erkläre ich dir auf den Weg zum Hokageturm. Wir sollten wirklich Tsuande- sama so schnell darüber unterrichten.« Ich fühlte mich von Sekunde zu Sekunde schlechter. Obwohl ich nie etwas davon gemerkt hatte, schien diese Sache, die der Hyuuga bei mir entdeckt hatte, ziemlich übel zu sein. Und auch Marmelades Reaktion auf diese Neuigkeiten machte mir alles andere als Mut. Sie schwieg im ersten Moment bevor sie einen tiefen Seufzer ausstieß und sich die Nasenwurzel massierte. »Ich habe mir schon gedacht, dass sie uns noch eine Menge Ärger bringen würde. Nimm’s mir nicht übel, Yoshikawa.« Ich schweig jedoch nur. Was sollte ich auch groß dazu sagen? Das ich die einzige normale in diesem Dorf bin? Ich glaube, das hätte meine derzeitige Situation auch nicht verbessert. Im Gegenteil sogar. »Ich habe da schon eine Vermutung«, meinte Marmelade und stützte ihr Knie auf ihre Hände. Als sie mich aus ihren dunklen Augen durchdringend anstarrte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Was würde sie jetzt mit mir anstellen? »Oma Tsunade, was läuft bei der nicht richtig?«, Vollpfosten deutete mit dem Finger auf mich und kratzte sich abwesend den Bauch. Wütend funkelte ich ihn an und öffnete den Mund, um nicht etwas sehr Nettes zu erwidern, da rammte Marmelade ihre Handflächen auf ihren Schreibtisch: »Nenne mich nie wieder Oma, kapiert?!« Naruto zuckte zusammen und auch ich wich einige Zentimeter zurück. Wow, diese Frau hatte wirklich eine sehr aggressive Ausstrahlung. Ich linste hinüber zu Sakura, die keine Miene verzogen hatte. Die beiden Frauen waren sich wirklich sehr ähnlich. Ich schwor mir Sakura niemals wütend zu machen. »Und Yoshikawa ist unser Gast, also sei etwas höflicher zu ihr«, Marmelade verschränkte ihre Hände vor ihrer großen Brust und warf mir wieder einen intensiven Blick zu, »du stehst ab heute unter Konohas Schutz, hast du verstanden? Das bedeutet, dass wir herausfinden werden, wer dir dieses unverzeihliche Verbrechen angetan hat.« »D-danke«, stammelte ich nur und wusste nicht so richtig, wie ich damit umgehen sollte. Anscheinend war mir wirklich etwas Schreckliches angetan worden, dass die da alle so ein großes Drama draus machen. Und war es jetzt gut oder schlecht, dass sie mich unter ihren Schutz stellten? Der Hokage fuhr jedoch unbeirrt fort, ohne mich mein Gefühlschaos vorher ordnen zu lassen: »Dazu wirst du ab morgen in einem Spezialtrakt unseres Krankenhauses untergebracht werden. Wir müssen unbedingt einige Tests mit dir durchführen.« Ich schluckte. »Ist das denn wirklich notwendig?«, fragte Sakura und warf mir einen besorgten Seitenblick zu, „du weißt, dass ich dir vertraue Tsunade- sensei, aber das klingt wirklich sehr unangenehm.“ Tsuande warf mir einen entschuldigenden Blick zu: »Bevor wir das Siegel lösen, müssen wir absolut sicher sein, dass es deine Lebensenergie nicht schwächen würde. Zwar wissen wir dank Neji, dass dein Chakra nicht sehr ausgebildet ist, aber wenn es auf einmal entfesselt wird, besteht die Gefahr, dass es dich regelrecht von den Beinen reißt. Wir sollten vorsichtig vorgehen. Außerdem könnten diese Untersuchungen uns Aufschlüsse darüber geben, wie genau dein Chakra versiegelt wurde und damit auch von wem.« Ich nickte nur, aber ich bekam immer mehr Angst. Was würden sie mit mir anstellen? Konnte ich ihnen vertrauen? Sie machten alle nicht den Eindruck, dass sie mir etwas Böses wollten. Und doch konnte ich nicht aufhören zu zittern. »Würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich bei den Untersuchungen dabei sein?«, fragte Sakura. »Meinetwegen«, meinte Marmelade und fragte mich, ob es mir etwas ausmachen würde. Ich schüttelte meinen Kopf und warf Sakura ein dankbares Lächeln zu, was sie nickend erwiderte. Zumindest war ich nun nicht ganz alleine. »Und du«, wandte sich Marmelade an Vollpfosten, der seltsamerweise bisher nichts dazu beigetragen hatte, »stellst sicher, dass Yoshikawa sich vor den Untersuchungen noch erholt. Das ist dein Spezialauftrag.« »Wenn es denn sein muss«, murmelte der blonde Idiot und ich war überrascht, dass er diesmal keinen großen Aufstand machte. War er immer noch beleidigt, weil Sensei Kakashi ihn des Platzes verwiesen hatte? Marmelade nickte und wandte sich zuletzt an Sensei Kakashi: »Sobald wir Genaueres wissen, werden wir alles Weitere besprechen. Ich befürchte, dass Yoshikawa nach der Entfernung des Siegels noch zu geschwächt sein wird, um ein normales Training anzunehmen. Da das Training von Suzuwa- san angeordnet wurde, gehe ich davon aus, dass du ihm Bericht erstatten wirst.« »Ja, ich werde mich gleich auf den Weg machen«, antwortete der Sensei und verschwand einfach. Erstaunt starrte ich auf die Stelle, wo er eben noch gestanden hatte. »Gut, dann wäre für heute erst einmal geklärt«, seufzte Marmelade und deutete uns zu gehen. Als wir wieder draußen vor dem Turm des Hokagen standen, wanderte mein Blick automatisch zu dem Steinbruch am Rande des Dorfes, in den verschiedene Gesichter eingelassen worden waren. Er mir schon bei meiner Ankunft aufgefallen war. Ich erkannte nun eines der Gesichter als das von dieser Marmelade. »Sind das alles Hokage«, fragte ich Sakura und deutete auf die Gesichter. »Ja«, antwortete die Kunoichi, »unser erster Hokage war und er hat unser Dorf gegründet. Tsunade- sama ist der Hokage der fünften Generation und erst seit wenigen Jahren in ihrem Amt. Sie ist wirklich eine tolle Kunoichi und außerdem mein Sensei.« Ich nickte. Das erklärte zumindest, warum die beiden sich so ähnlich waren. »Und ich werde der nächste Hokage sein«, mischte sich nun Vollpfosten ein und deutete grinsend auf sich selbst. Ich warf ihm einen geringschätzigen Blick zu und meinte sarkastisch: »Natürlich. Auf jemanden wie dich hat die Menschheit auch sicher gewartet.« Wütend verzog Vollpfosten das Gesicht: »Du verstehst das nicht. Ich werde Hokage! Das habe ich mir fest vorgenommen! Wart’s nur ab, Brillenschlange!« Damit sprang er einfach davon. Ich blickte ihm nur kopfschüttelnd hinterher. Der Junge war ja nicht nur idiotisch, sondern überschätzte anscheinend sich selbst auch maßlos. Sakura grinste mich nur an: »Das ist Narutos Traum seit wir uns kennen.« »Was für ein Spinner«, meinte ich. »Vielleicht«, Sakura verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken und sah ihrem Teamkameraden nachdenklich hinterher, »vor einigen Jahren habe ich noch das gleiche gedacht wie du. Doch mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher. Auch wenn Naruto manchmal ein kompletter Idiot ist, hat er doch eine unwahrscheinliche Ausdauer. Egal wie oft er belächelt, besiegt oder beleidigt wurde, er ist immer wieder aufgestanden und hat weitergemacht. Es ist unglaublich wie sehr er sich in so kurzer Zeit weiterentwickelt hat. Dabei ist er aber immer er selbst geblieben.« »Hm«, machte ich nur, »allerdings kennst du ihn besser als ich.« »Wenn du ihn besser kennen lernst, wirst du deine Meinung vielleicht auch ändern«, meinte sie zuversichtlich. »Da wird wahrscheinlich ja jetzt nichts mehr draus«, sagte ich schulterzuckend und konnte meine Freude darüber, die Wohnung des Vollpfostens endlich verlassen zu können, nicht unterdrücken. Sakura lachte nur: »Ja, wenn ich mit Naruto zusammenwohnen müsste, würde ich auch durchdrehen.« »Danke, für dein Mitleid«, murrte ich und streckte mich, »deshalb werde ich jetzt auch erstmal wieder in der Bibliothek verschwinden. Dann brauche ich den Vollpfosten nicht allzu lange ertragen.« »Bist du sicher, dass du dich nicht noch ein wenig ausruhen willst? Morgen wird sicher anstrengend.« »Weißt du, für mich gibt es nichts Besseres als ein gutes Buch, um mich zu entspannen. Außerdem möchte ich jetzt mehr über euer Dorf und euch Shinobi erfahren. Ich würde auch gerne verstehen, was mit mir geschehen sein könnte.« »Wie du meinst«, Sakura zuckte mit den Schultern, »findest du den Weg alleine? Ich habe nämlich noch etwas zu erledigen.« »Ja, danke, Sakura-chan. Ich darf dich doch so nennen, oder?« »Klar«, lächelte sie, »ist es dann in Ordnung, wenn ich dich Chi-chan nenne? Sai hat mir von deinem Spitznamen erzählt. Du bist dabei echt gut weggekommen.« »Ja, mir gefällt der Name. Wieso gut weggekommen? Wie ist denn dein Name?«, lachte ich. Doch sie winkte nur ab: »Kein Kommentar. Ich muss jetzt auch los. Gehe nicht zu spät nach Hause. Sonst macht sich Naruto sicher auch Sorgen um dich.« »Als ob«, brummte ich. Sakura warf mir einen durchdringenden Blick zu und ich murmelte in meinen nicht vorhandenen Bart, dass ich rechtzeitig nach Hause gehen würde. Sie war Marmelade unwahrscheinlich ähnlich, verdammt! Jedoch hielt ich mich nicht im Geringsten an das Versprechen, dass ich Sakura gegeben hatte. Sobald ich das erste Buch zur Geschichte Konohagakures gefunden hatte, konnte ich sogar nicht mehr an meinen Aufenthalt im Krankenhaus denken. Es war einfach viel zu spannend! Zwar konnte ich viele Übereinstimmungen zur japanischen Geschichte entdecken und doch gab es große Unterschiede. Ich verschlang regelrecht das Kapitel über die verschiedenen Kekkai Genkais der Clans im Dorf und hielt die Luft an, als der dritte Ninjaweltkrieg ausgerufen wurde. Ehe ich mich versah, war es dunkel draußen geworden und der Bibliothekar musste mich fast unsanft vor die Tür setzten. Ich musste meine gesamten Überredungskünste aufbringen, damit er mir einige der Bücher auslieh, denn anscheinend hatte ich sein Misstrauen erweckt. Aber als ich meine Beschäftigung bei Sensei Suzuwa erzählte, ließ er sich schließlich dazu breitschlagen und ich trat zufrieden mit drei dicken Schinken unter dem Arm auf die dunkle Straße. Kaum war ich um die nächste Ecke gebogen, sprang etwas über einen Holzzaun und landete direkt vor meinen Füßen. Vor Schreck machte ich einen Satz rückwärts, fiel rücklings auf mein Hinterteil und ließ dabei alle Bücher fallen. Als ich Vollpfostens Gesicht im Laternenlicht erkannte, ließ ich eine Schimpftriade vom feinsten los. Ich werde diese Wörter hier jetzt nicht wiederholen. Doch Vollpfosten ließ sich davon gar nicht einschüchtern. Er baute sich mit den Händen an den Hüften über mir auf und funkelte mich wütend an: »Kannst du mir mal verraten, warum du hier noch alleine im Dunkeln auf der Straße herumläuft?« »Das geht dich gar nichts an«, zischte ich, stieß ihn zur Seite und sammelte schnell die Bücher auf. »Und ob«, er fuchtelte wild mit den Armen vor meinem Gesicht herum, »Oma Tsunade hat mir die Aufgabe gegeben mich um dich zu kümmern.« »Ich brauche verdammt nochmal keinen Babysitter! Ich komme alleine super zurecht«, meinte ich und konnte die leichte Arroganz in meiner Stimme nicht unterdrücken. Ich klopfte den Staub von den Büchern und wollte eigentlich alleine weiterlaufen, aber irgendwie hatte Vollpfosten mich nicht richtig verstanden, denn er lief einfach neben mir her. Ich wollte gerade den Mund aufmachen, um ihn dafür wieder zu beschimpfen, da kam er mir zuvor: »Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn Chakra nicht benutzt werden kann? Tut es weh?« Ich war überrascht über seinen ernsthaften Ton, aber ich wollte ihn das auf keinen Fall spüren lassen. »Siehst du mich ständig vor Schmerzen schreien, oder was?«, fragte ich spitz und verstärkte meinen Griff um die Bücher. Die wurden langsam echt schwer. »Kein Grund gleich wieder nervig zu werden«, brummte Vollpfosten und verschränkte die Hände hinterm Kopf. Ich warf ihn einen unauffälligen Seitenblick zu. Aus irgendeinem Grund schien ihn meine ganze Situation nachdenklich zu machen. Warum benahm er sich so völlig anders als sonst? Das machte mir ein wenig Sorgen. Ich seufzte tief: »Es tut nicht weh. Ich wusste bis heute ja noch nicht mal, dass ich so etwas wie dieses Chakra besitze. Mir hat also nie etwas gefehlt. Ich war immer gesund und körperlich fit. Also verstehe ich gar nicht, warum ihr alle so ein Drama darum macht!«, ich konnte nicht verhindern ihm den letzten Satz regelrecht ins Gesicht zu schreien. Wir waren mittlerweile stehen geblieben und ich atmete schwer. Warum? Warum fühlte es sich plötzlich so an, als wäre mein gesamtes bisheriges Leben eine Lüge gewesen? Warum war ich hier? Es musste doch einen Grund dafür geben… »Hey, Oma Tsunade wird schon herausfinden, was passiert ich, also kein Grund zu weinen«, durchbrach Vollpostens sanfte Stimme meine düsteren Gedanken. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass mir plötzlich die Tränen übers Gesicht liefen. Doch der mitleidvolle Blick, den er mir zuwarf, machte mich nur noch wütender. Schnell wischte ich mir die Tränen weg und drückte dem überraschten Shinobi meinen Stapel Bücher in die Hand. »Wenn du mir helfen willst, dann mach dich wenigstens nützlich.« Dann drehte ich mich um und lief eilig weiter. Ich achtete nicht mal darauf, ob er mir noch folgte oder nicht. Es verwirrte mich heute einfach alles. Ich wollte sein Mitleid nicht. Mir ging es doch immer gut. Warum sollte sich daran plötzlich etwas ändern? Ich biss fest die Zähne zusammen und rannte die letzten Meter zu meiner ungewollten Unterkunft fast. Als ich schwer atmend vor der Haustür zum Stehen kam, war Vollpfosten plötzlich neben mir. Er schien mir den Rest des Weges wortlos gefolgt zu sein und ich hatte es nicht mal bemerkt. Er schien noch nicht mal so außer Atem zu sein wie ich. Wahrscheinlich war er doch ein besserer Ninja als ich bisher angenommen hatte. »Man, du bist wirklich die Pest! Wird man dich denn nie los?“«, brachte ich grimmig zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er grinste bloß frech und schürzte die Lippen: »Nö. Wenn ich einen Auftrag habe, dann erfülle ich ihn auch.« Ich verdrehte bloß die Augen uns folgte ihm etwas widerwillig in seine chaotische Wohnung. Wie hatte Marmelade nur auf die Idee kommen können mich hier einzuquartieren? In meiner Heimat war es nicht gerne gesehen, dass eine unverheiratete junge Frau und ein…na ja…okay…ich sah ein, dass es in diesem Fall kein Problem war. Vollpfosten als jungen Mann zu beschreiben ging doch ein wenig zu weit. Er war eher wie ein kleines Kind. Doch sein Chaos ging mir gewaltig gegen den Strich. »Kannst du nicht wenigstens ein bisschen aufräumen, wo du jetzt einen Gast hast«, schnaubte ich und wischte einen Stapel Dreckwäsche zu Seite, damit ich mich an den kleinen Tisch setzten konnte. »Du bist doch morgen sowieso wieder weg«, meinte er. Verflixt, touché! Er hatte Recht! »Hey, pass doch ein bisschen auf. Die sind nur geliehen!«, schimpfte ich stattdessen, als er den Stapel Bücher achtlos auf den Boden fallen ließ. »Man, sind Mädchen eigentlich alle immer so schlecht gelaunt«, meinte er genervt. »Sicher nur, wenn du in der Nähe bist«, knurrte ich, »du schaffst es irgendwie alle auf die Palme zu bringen!« Daraufhin schwieg er. Ich blinzelte verwirrt. Anscheinend hatte ich einen wunden Punkt getroffen. Ich konnte mir vorstellen, dass er etwas Ähnliches schon öfters von Sakura gehört hatte. Es tat mir fast schon ein wenig leid. Ich sollte etwas netter zu ihm sein, denn immerhin hatte er ohne Murren die Bücher für mich getragen und auch wenn er mich andauernd nervte und beleidigte, hatte er an diesem Abend nach mir gesucht. Selbst wenn es ein Auftrag vom Hokage war. Und er hatte mich vorhin nur trösten wollen… Ich seufzte und ließ die Schultern hängen: »Sorry. Ich bin nur so angespannt wegen der ganzen Situation. Ich kenne hier niemanden und fühle mich einfach alleine…« Im Schneidersitz setzte er sich mir gegenüber und starrte mich nachdenklich an: »Es war das erste Mal.« »Wie bitte?«, fragend hob ich eine Augenbraue. »Es war das erste Mal, dass du deine wahren Gefühle ausgesprochen hast«, sein Lächeln war dieses Mal vollkommen anders als dieses idiotische Grinsen, das er bisher immer an den Tag gelegte hatte. Es war warm und echt und ließ mich plötzlich alle meine dunklen Gedanken mit einem Schlag vergessen. Ich zwinkerte ein paar Mal verwirrt: »Habe ich das bisher nicht?« »Na ja, bisher warst du immer nur arrogant oder sarkastisch. Du hast versucht deine wahren Gefühle zu überspielen«, er kratzte sich verlegen am Kopf, »ich kenne das. Ich mache das auch manchmal, aber schon lange nicht mehr so oft wie früher.« »Wie meinst du das?«, plötzlich wuchs mein Interesse an diesem Gespräch ins Unermessliche. Es war als hätte ich plötzlich wieder eine neue Seite an Vollpfosten entdeckt. »Früher haben mich die anderen Dorfbewohner gehasst. Ich war immer alleine und von den anderen Kindern wollte niemals mit mir spielen. Deshalb habe ich mich manchmal wirklich unmöglich benommen. Doch jetzt ist alles anders. Jetzt habe ich viele Freunde und bin nicht mehr alleine.« Er grinste breit. »Wieso haben dich alle gehasst?«, wollte ich wissen. »Das«, meinte er verlegen, »erzähle ich dir lieber ein anderes Mal. Jedenfalls brauche ich nun nicht mehr traurig sein. Du solltest vielleicht auch öfters deine wahren Gefühle ausdrücken und den Leuten nicht immer nur mit Misstrauen begegnen.« Glücklich machte mich diese Erklärung keinesfalls, aber ich wollte auch nicht weiter nachbohren. Schließlich fand ich es ja auch selbst unangenehm ausgehorcht zu werden. Nachdenklich legte ich den Kopf schief. Auch wenn Vollpfosten nach außen hin immer so idiotisch und unwissend tat, schien das nur eine Fassade zu sein. In Wirklichkeit war er in seiner Kindheit bestimmt sehr verletzt worden durch die Abneigung der anderen Dorfbewohner. Oh mein Gott, ich hörte mich an wie eine Hobbypsychologin! Irgendwie konnte ich ihn aber verstehen. Auch ich bin immer alleine gewesen. Ich hatte nie Freunde gefunden und nachdem meine Mutter gestorben war, hatte ich niemanden mehr. Ich verschanzte mich hinter meinem Sarkasmus und benutzte es, um meine Gefühle vor Enttäuschungen zu schützten. Was für ein erbärmliches Leben! Schnell schüttelte ich alle Gedanken aus dem Kopf und gähnte: »Alles klar. Ich habe verstanden. Ich werde versuchen netter zu allen zu sein, aber jetzt gehe ich erstmal schlafen.« »Hey, du nimmst mich nicht ernst«, klagte Vollpfosten, aber ich ignorierte ihn einfach, legte mich auf Sofa und zog mir die Decke über den Kopf. Ich schämte mich. Ich schämte mich, dass ich immer so negativ anderen Menschen eingestellt war und es machte mich wütend, dass ausgerechnet so ein Vollidiot wie Naruto mir das vor Augen gehalten hatte. Am nächsten Tag, war von der Ernsthaftigkeit des Vorabends allerdings nichts mehr zu bemerken. »Pass verflixt nochmal mit deinem Reis auf. Du saust hier alles voll! Die Bücher sind nur geliehen!« »Isch veschteh schowiescho nisch, wahum du die mitgenommen hascht«, antwortete Vollpfosten mit vollem Mund. »Nützt auch nicht dir das zu erklären«, ich verdrehte die Augen und stieß ihn unsanft zur Seite, sodass er und seine Reisschüssel das Gleichgewicht verloren und er auf seinem Hinterteil und die Schüssel mit dem heißen Reis auf seinem Kopf landete. Mindestens zehn Minuten sprang er danach vor Schmerz durch seine Wohnung. Ich rannte ihm genauso bescheuert hinterher und versuchte ihm einen kalten Lappen auf den Kopf zu legen. Aber irgendwie verstand dieser Junge meine guten Intentionen nicht und weigerte sich gegen jede Form der Hilfe. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, setzte er sich beleidigt auf sein Bett und jammerte vor sich hin. Kurz gesagt: Der Morgen in dieser kleinen Wohnung war eine absolute Katastrophe. Irgendwie schaffte ich es aber doch mich anzuziehen und zu frühstücken. Ich muss sogar zugeben, dass mir dieses Chaos ganz guttat. So hatte ich zumindest keine Zeit über meinen bevorstehenden Krankenhausaufenthalt nachzudenken. Ich war gerade dabei unser Geschirr abzuwaschen (aufgrund meines schlechten Gewissens, weil der Reis doch eine ganz schon rote Stelle auf seiner Stirn hinterlassen hatte, hatte ich diese Aufgabe übernommen), da klopfte es an der Haustür und Sakura steckte ihren Kopf ins Zimmer. »Gut Morgen. Ich wollte nicht stören, aber Tsunade- sama hat mich damit beauftragt dich abzuholen, Chinatsu- chan.« Sie lächelte mich an und zog dann die Augenbrauen zusammen, als sie Naruto immer noch schmollen sah. »Was ist denn mit dem passiert?« »Er hatte heute Morgen einen kleinen Unfall«, erklärte ich ausweichend und lächelte unschuldig, »ich bin gleich soweit. Ich muss nur noch ein paar Sachen zusammensuchen.« Sakura nickte und blickte fragend auf Vollpfostens Gesicht: »Was ist dir nur wieder passiert, Naruto?« Endlich schien Vollpfosten auch realisiert zu haben, dass wir Besuch hatten. Er sprang auf und hüpfte wie ein kleines Kind um Sakura herum: »Sakura-chan, schau was sie mit meinem gutaussehenden Gesicht gemacht hat. Ich brauche deine unbändige Liebe, um wieder zu heilen.« Damit schmiegte er sich eng an die Kunoichi und klimperte mit den Wimpern. Im ersten Moment sah es so aus als würde ihm Sakura wieder eine für seine Aufdringlichkeit verpassen wollen, doch dann besann sie sich eines Besseren, seufzte tief und hielt ihre Hand an Narutos Stirn. Wie durch Geisterhand verschwand die gereizte Stelle und hinterließ nicht mal ein Brandmal oder sonstiges. Vollpfosten war viel zu überrascht, um sich übers Sakuras plötzliche Zärtlichkeit zu freuen. »Wow«, meinte ich anerkennend, »was ist passiert?« »Ich habe mein Chakra benutzt, um seine Wunde zu kühlen. Außerdem habe ich sie desinfiziert, sodass es sich nicht entzünden kann. Normalerweise setzte ich für solche Kleinigkeiten mein Chakra nicht ein, aber die Verbrennung hätte eventuell eine Narbe hinterlassen. Narutos Gesicht ist schon hässlich genug.« »Hey Sakura-chan, das ist doch überhaupt nicht wahr«, protestierte Vollpfosten lautstark, »ich sehe viel besser aus als Sas-«, blitzartig stockte er und auch Sakura hielt in ihrer Bewegung inne. Die beiden sahen plötzlich aus, als sei ihnen der Tod höchstpersönlich begegnet. Verdattert blickte ich zwischen den beiden hin und her. Naruto hatte seine Hände zu Fäusten geballt und Sakura wischte sich schnell ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Dann lächelte sie mich wieder an: »Chinatsu- chan, hast du alles? Wir sollten schleunigst aufbrechen. Tsunade- sama ist nicht die geduldigste.« »Ja, aber…«, stammelte ich, doch schluckte den Rest des Satzes herunter. Narutos Blick war starr auf etwas gerichtet. Überrascht stellte ich fest, dass es das Bild seines Teams war: Sensei Kakashi, Sakura, Naruto und- wie hieß dieser Typ mit dem düsteren Blick nochmal? Genau, Sasuke! Es schien als würde dieser Sasuke irgendwie ein wunder Punkt bei den beiden sein. Aber wieso? Was machte sie so traurig? War er gestorben? Bestimmt. Ich konnte sie allerdings nicht danach fragen. Das wäre zu taktlos gewesen. Und doch beschäftigte mich diese Sache auf einmal. Ich nahm mir vor bei meinem nächsten Besuch in der Bibliothek mehr darüber herauszufinden. »Kommst du, Chinatsu?«, wederholte Sakura tonlos. »Äh klar«, beeilte ich mich zu sagen und schnappte mir die alte Plastiktüte, die ich mir von Vollpfosten ausgeliehen hatte, um mein weniges Hab und Gut, sowie die Bücher über Konoha mitzunehmen. Sakura verschwand wortlos ins Freie, an der Tür blieb ich nochmal stehen und drehte mich zu Vollpfosten um. Aus irgendeinem Grund verpasste es mir einen Stich, als ich sah wie traurig er immer noch auf dieses Bild starrte. Er schien noch nicht mal bemerkt zu haben, dass wir bereits aufbrachen. Ich öffnete den Mund und wollte noch etwas einen Dank für seine „Gastfreundschaft“ aussprechen, aber ich konnte nicht. Das einzige, was mir über die Lippen kam, war ein leises »Tschüss« und dann schloss ich die Tür hinter mir. Irgendwie hatte ich mir meinen Abschied von Vollpfosten und seiner Wohnung vergnügter vorgestellt. Hosted by Animexx e.V. 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