Die Vergangenheit der frühen Helden von Sora_Bay ================================================================================ Kapitel 4: Sheriff Fettklops Avery ---------------------------------- Sie ritten unter dem Lehmziegelbogen der Stadt Mejis hindurch. Phoebe lass darauf die Worte „Kommet in Frieden“. Irgendwie lief es ihr dabei kalt den Rücken herunter. Es sollte wie eine freundliche Einladung wirken, aber das tat es nicht. Es machte ihr Gänsehaut. Sie roch Kiefernholz, Öl und vor allem Meersalz. Diesen Geruch würde sie nie wieder vergessen. Keiner von ihnen würde das. „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“, murmelte Alain. Er saß auf seinem Pferd, doch schien er sich nicht wohl zu fühlen. Er schob seinen Viehzüchterhut immer wieder zu recht und sein blondes, störrisches Haar quoll doch immer darunter hervor. Alain war sowieso nicht gerade der Partylöwe oder besonders offen Fremden gegenüber. Er brauchte immer seine Zeit ehe er warm wurde. Wenn er aber Vertrauen gefasst war ein zuverlässiger und treuer Freund, der mit einem durch Himmel und Hölle ging. „Du wirst das prima machen.“, sagte Phoebe und kam von hinten an ihn heran geritten. Sie klopfte ihm auf die Schulter „Oh und er sieht auch prima aus.“, lachte Bert, doch es war kein völlig heiteres Lachen. Es wirkte nervös. Selbst er. „Weiß wie ein Laken, hässlich wie ein…“ „Sei still!“, unterbrach Roland ihn grob. Cuthbert machte große Augen und eine unterwürfige Geste. „Lasst das schon, Jungs! Keine Streitereien. Die können wir jetzt wirklich nicht gebrauchen.“, schlichtete Phoebe mit strengem Unterton. Es galt sowohl Roland als auch Cuthbert. Sicher, diese Witze waren jetzt fehl am Platz, vor allem da Alain ohnehin schon aufgeregt war. Doch Roland brachte es bei Bert auch nicht weit, wenn er ihn ständig wie ein dummes Kind behandelte. Also musste sie eingreifen. „Hör zu Alain, trink nichts mit Alkohol. Du weißt ja, was du in dem Fall sagen sollst. Halt dich einfach an unsere Geschichte.“, sagte Phoebe wieder freundlich. „Und vergiss auch den Rest unserer Geschichte nicht. Lächle. Sei liebenswürdig, zieh alle Register gesellschaftlicher Umgangsformen, die du hast. Der Sheriff hat sich förmlich überschlagen, damit wir uns hier willkommen fühlen.“, fügte Roland hinzu. Auch er schien sich nicht wohl zu fühlen. Doch Alain nickte und saß gleich etwas aufrechter im Sattel. „tja, was die gesellschaftlichen Umgangsformen betrifft, werden sie selbst nicht viele haben, daher dürften wir ihnen einen Schritt voraus sein.“, sagte Bert belustigt. Roland nickte, sah aber den Vogelschädel wieder an Berts Satteltasche. „Schaff das Ding weg!“, zischte er geradezu. Bert gehorchte, sogar mir schuldbewussten Blick. Ja, es würde ihnen wohl kaum einen Vorteil verpassen, wenn jemand in dieser Stadt dieses Ding sehen würde. Und gerade rechtzeitig. Sie waren angekommen. Zwei Männer in weißen Sachen kamen näher und verbeugten sich lächelnd. „Behaltet einen klaren Kopf.“, flüsterte Roland fast ohne seine Lippen zu bewegen. „Alle. Vergesst nicht, warum wir hier sind. Und vergesst die Gesichter eurer Väter nicht.“, sagte er. Phoebe verdrehte fast die Augen. Es störte sie ein wenig, dass Roland sie ständig behandelte als wären sie noch Kinder. Dass er stets die Führung übernahm, das machte ihr nichts aus. Er tat seine Sache meist gut. Und wenn er Fehler macht, dann wer dem eben so. Er war eben auch nur ein Mensch. Aber seine Überheblichkeit, die störte sie hin und wieder doch. „Guten Abend, meine Herren.“, sagte er nun lauter zu den Stallknechten. „Mögen eure Tage auf Erden lang sein.“ Diese grinsten ihn an. Sie verbeugten sich. „Und eure ebenfalls. Willkommen im Hause des Bürgermeisters.“, antwortete der Ältere. ~ Flashback ~ Einen Tag zuvor waren sie bei dem Hohen Sheriff gewesen. Dort wurden sie ebenso freundlich begrüßt, wie hier. Doch auch dort war Phoebe das ganze nicht echt vorgekommen. Ihr Gefühl sagte einfach, dass in dieser Stadt nicht viel so war, wie es zunächst schien. Alle schienen so furchtbar freundlich zu ihnen zu sein. Noch niemand hatte sie etwas barsch angesprochen. Es war fast schon unheimlich. Und wenn sie ehrlich war ging ihr diese übertriebene Freundlichkeit auf den Nerv. Sie war sich sicher: Der jenige, der ihr als erstes Mal etwas frech kommen würde, wenn hätte sie in dieser ganzen Stadt am liebsten. Der Sheriff Herk Avery war ein wohlgenährter Mann, um nicht zu sagen dick. Er trug die Uniform eines Gesetzeshüters. Und auch er begrüßte sie freundlich. Er machte die Tür auf, ehe Roland die Glocke läuten konnte und begrüßte sie mit ausgebreiteten Armen. Dann verbeugte er sich tief. Bert erzählte später, dass er die Befürchtung hatte, der Sheriff könnte das Gleichgewicht verlieren und die Stufen hinabrollen, womöglich sogar den ganzen Weg zum Hafen hinab. Sein Lachen reichte über das ganze Gesicht. Phoebe musste sich anstrengen nicht genervt die Augen zu verdrehen. Drei Deputies folgten ihm. Sie gafften sie an, vor allem aber Phoebe. Da war wirklich ein Mädchen zwischen drei Jungs zu ihnen geschickt wurden. Konnte man das glauben? Phoebe war nicht wütend darüber, nur genervt. Überall die gleiche Reaktion und sie konnte sich gut denken, was sie sich über ein Mädchen inmitten von Jungs dachten. Avery schüttelte ihnen allen die Hand und verbeugte sich immer wieder und egal was sie sagten, es reichte nicht um ihn zum Aufhören dessen zu bewegen. Endlich führte er sie ins Innere. Trotz der heißen Sonne draußen war es im Büro des Sheriffs angenehm kühl. Und es war groß für ein einfaches Büro eines einfachen Sheriffs. Ansonsten sah es aus wie jedes andere Sheriffbüro, dass sie in ihren so jungen Leben gesehen hatten. Himmel, sie haben geputzt für uns, schoss es Phoebe für durch den Kopf. Sie war gerührt, nervös, amüsiert und genervt gleichermaßen. Das alles war zu perfekt für den Empfang von vier Kindern, die ihre Strafe abbüßen sollten. Okay, sie stammten aus Neu – Kanaan und die Leute in dieser Ecke der Welt sahen sicher nicht oft Leute von dort. Sie betrachteten sie vielleicht wirklich als eine Abordnung königlichen Geblütes. Aber ob das besser war, wusste sie auch nicht. Die drei Deputies wurden ihnen nun auch vorgestellt. Phoebe hörte zu. Wenn sie sich die Namen merkte, gut. Wenn nicht, hatten sie ja Bert. Bert vergaß so gut wie nie einmal einen Namen. In dieser Hinsicht war sein Gedächtnis. Einer der Deputies lies sich vor ihnen auf die Knie nieder. „Lass das, du Idiot!“, schrie Avery ihn an. Phoebe zuckte dabei fast zusammen. Seine Stimme war streng und dröhnend. In diesem Fettklops steckte vielleicht mehr als sie auf den ersten Blick vermuteten. „Für was für einen Hinterwäldler werden sie dich jetzt halten? Zudem hast du sie in Verlegenheit gebracht. Das hast du!“, rief er. „Schon gut.“, sagte Roland, der wirklich etwas verlegen wirkte. Phoebe hielt sich zurück. Das hatten sie so abgemacht. Sicher waren Mädchen hier nicht so involviert wie in Gilead. Also sollte sie nicht weiter auffallen. „Wissen sie, wir sind nichts Besonderes.“, sagte Roland. Der Sheriff lachte. „Nichts Besonderes! Nichts Besonderes, sagt er! Da kommen sie 500 Meilen oder mehr von der Innerwelt; unser erster Besuch aus dem Bund seit vor vier Jahren ein Revolvermann hier durchgekommen ist; und sie sagen nichts besonderes.“ Er lachte wieder. „Möchtet ihr euch setzen, meine Jungs? Und Mädchen, natürlich.“, fügte er hinzu. „Ich habe Graf, aber so früh am Tag wollt ihr das vielleicht nicht. Vielleicht auch gar nicht, wenn man euer Alter bemerkt. Aber ich habe ebenfalls weißen Eistee, den ich wärmstens empfehlen kann. Daves Frau hat ihn zubereitet. Sie hat ein gutes Händchen für fast jedes Getränk.“ „Tee ist ein Labsal für durstige Kehlen, danke.“, sagte Roland, nachdem er Phoebe, Alain und Bert angesehen hatte und alle genickt hatten. Und so wurde der Tee geholt. „Nun, ihr wisst, wer ihr seid und woher ihr kommt und ich weiß es auch.“, sagte der Sheriff dann und setzte sich. Die vier taten es ihm gleich. „Ich kann Innerwelt in euren Stimmen hören, aber wichtiger noch, ich sehe sie in euren Gesichtern. Aber wir in Hambry halten uns an die alten Weisen, ay, so verschlafen und ländlich es hier auch sein mag. Wir erinnern uns an die Gesichter unserer Väter, so gut wir können. Obzwar ich euch nicht länger von euren Pflichten abhalten möchte, und wenn ihr mir die Anmaßung verzeihen wollt, würde ich darum gerne irgendwelche Papiere sehen, die ihr zufällig mit in die Stadt gebracht habt.“ Und tatsächlich hatten sie „zufällig“ alle Papiere mit. Phoebe war sich sicher, dass Avery das ganz genau wusste. Doch dafür studierte er sie sehr lang. Zwei Deputies standen hinter ihn und sahen ihn weise über die Schulter. Es dauerte lang und innerlich fragte sich Phoebe, ob einer von ihnen überhaupt lesen könnte. William Dearborn, Sohn eines Viehtreibers. Richard Stockworth, Sohn eines Ranchers. Arthur Heath, Sohn eines Viehzüchters. Bridie Milano, ebenfalls Tochter eines Viehzüchters. Jedes Dokument war von einem Notar beglaubigt. Dafür hatten Berts und Rolands Vater vor der Abreise gesorgt. Jedes von einem anderen, außer bei Bert und Phoebe. Alles in Ordnung. Die Dokumente wurden mit überschwänglichem Dank zurückgegeben. Dann überreichte Roland ihm einen Brief. Behutsam, als wolle er schon damit auf dessen Wichtigkeit hinweisen. Ach, Dramatik. Wie sehr Phoebe davon gelangweilt war. Aber sie spielte ihre Rolle. Averys Augen wurden groß, als er auf dem Brief das Siegel eines Revolvermannes sah. „Bei meiner Seele! Jungs, es war ein Revolvermann, der das geschrieben hat.“, rief er. Ach du meine Güte!, dachte Phoebe ironisch. „Ay, so ist es.“, stimmte Bert tatsächlich mit verwunderter Stimme zu. Zum Dank trat Roland in fest gegen den Knöchel. Phoebe musste sich auf die Innenseiten ihrer Wangen beißen, um nicht zu lachen. Aber sie warf Bert einen belustigten Blick zu und erntete einen bösen dafür. Der Brief stammte von einem gewissen Steven Deschain aus Gilead, einem Revolvermann. Er erklärte, die Anwesenheit der vier Kinder und empfahl sie. Diese seien vom Bund auf eine besondere Mission gesandt worden, um eine Inventur aller Materialien durchzuführen, welche dem Bund in Zeiten des Krieges hilfreich und notwendig sein konnten. Die Kinder haben sich mindestens drei Monate in Mejis aufzuhalten, vielleicht sogar ein ganzes Jahr. Der Brief endete mit der Aufforderung schriftliche Meldung über die drei Jungs und das Mädchen zu übersenden und zwar in allen Einzelheiten. Man solle in dieser Hinsicht nicht nachlässig sein. Mit anderen Worten: Lasst uns wissen, ob sie sich benehmen. Lasst uns wissen, ob sie artig sind und ihre Lektion gelernt haben. Nun kam endlich der Tee von einem der Deputies gebracht. Er verteilte ein Glas an alle. Alain saß mit einem Mal mit geweiteten Augen da. Seine blauen Augen leuchteten förmlich und er schüttelte auffällig mit dem Glas. Roland sah ihn an, Phoebe ebenso. Sie wusste, worauf er hinaus wollte. Kühlen Tee hatten sie erwartet, aber in diesem Eistee waren Eiswürfel. Eis im Hochsommer. Wirklich erstaunlich. Eis war selbst in Innerwelt um diese Jahreszeit eine Rachität. Und der Tee war wie versprochen köstlich. „Ihr solltet das sicher an eurer Person tragen, Will Dearborn. Ay, wahrlich sehr sicher.“, sagte Avery und reichte Roland den Brief. „Ja Sir.“ Er steckte den Brief und Ausweis wieder in die Tasche. Die anderen steckten ihre Dokumente ebenso weg. „Das ist ein vorzüglicher weißer Tee, Sir.“, sagte Alain. „Ich habe nie einen besseren getrunken.“ „Ay.“, sagte Avery. „Es ist der Honig, der ihn so köstlich macht, nicht Dave?“, fragte er an einen Deputie gewandt. „Ich glaube schon, aber Judy rückt nicht gern damit heraus. Sie hat das Rezept von ihrer Mutter.“, antwortete jener. „Ay, wir dürfen auch die Gesichter unserer Mütter nicht vergessen, das dürfen wir nicht.“, sagte der Sheriff. Oh doch, sollten wir sogar!, dachte Phoebe bitter. „Ihr wundert euch über das Eis, Master Stockworth?“, fragte Avery mit einem mal. Alain zuckte. „Nun, ich…“ Er war sprachlos. „Ihr habt eine derartige Annehmlichkeit nicht in einem Kaff wie Hambry erwartet, nehm ich an.“, lachte Avery. Doch Phoebe hörte einen Unterton unter dieser gespielten Fröhlichkeit. Er mag uns nicht. Er mag unser für ihn „städtischen Getue“ nicht. Er kennt uns noch nicht lange genug um zu wissen, was für ein Gebaren wir haben wenn überhaupt, aber schon ist es ihm zuwider. Er hält uns für Rotznasen, die ihn und alle anderen als Landeier betrachten. , wurde es Phoebe klar. „Nicht nur in Hambry.“, sagte Alain nun freundlich und ruhig. „Eis ist auch im inneren Bogen heutzutage so selten wo überall auch, Sheriff Avery. Früher haben wir es zu Geburtstagen als besondere Leckerei bekommen.“ „Es gab öfter Eis. Abgesehen von dem Feuerwerken hat uns das immer am besten gefallen.“, sagte Bert nun zurückhaltend. Für ihn völlig untypisch. „Ist das so, ist das so?“, sagte Avery mit gespielt wunderlicher Stimme und Phoebe hätte ihn am liebsten in den Hintern getreten. Verfehlt hätte sie ihn sicher nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)