Angel Hunter von AikaTadano (Der Pfad der Rache) ================================================================================ Kapitel 4: Schwarz ------------------ Es war drei Uhr nachmittags, als Maya das Hotelzimmer 344 betrat. „Aika?“, sie rief nach ihrer Freundin. Keine Antwort. Maya ging ins Wohnzimmer. Aika lag auf dem Sofa und schien zu schlafen. Neben ihr auf dem Tisch standen einige leere Dosen und Flaschen von alkoholischen Getränken. Maya zögerte einen Augenblick, doch dann packte sie ihre Freundin und schüttelte sie: „Du dumme Kuh! Du weißt haargenau, dass dich dieses Zeug keinen Schritt weiter bringt!“ Sie gab Aika eine schallende Ohrfeige. „Ich könnte dich ...!“ „Hör auf, Maya!“ Aika hielt die Hand ihrer Freundin auf. Maya sah sie verständnislos an. „Was ist nur mit dir los? Sag schon! Ich will wissen, was dich so fertig macht, dass du so nen Quatsch machst!“ „Unwichtig. Wir sollten lieber über den Einsatz reden. Ich habe nämlich das dumpfe Gefühl, dass es nicht so einfach wird, Schwarz herein zu legen.“ Aika räumte das Sammelsurium an Flaschen weg. „Glaub ich nicht. Sie sind Menschen wie du und ich und irren ist bekanntlich menschlich.“ Maya setzte sich auf das Sofa. „Ich muss dir, glaub ich, noch was sagen. Wir haben gestern Abend noch eine Mail von Persha erhalten, in der einige seltsame Dinge über Schwarz standen.“ Aika blickte betroffen zu Boden. „Ist schon gut, aber was stand drin? Hast du die Mail noch?“ Maya sprang auf. „Ich hab sie bereits gelöscht, warum, erzähl ich dir gleich.“ Aika holte eine Flasche Wasser und zwei Gläser und setzte sich in den Sessel gegenüber von Maya. „Also, Schwarz besteht aus vier jungen Männern, genau wie Weiß. Doch jeder besitzt im Gegensatz zu uns eine spezielle Fähigkeit oder Eigenschaft. Der Anführer heißt Brad Crawford, der in die Zukunft sehen kann. Dann wären da noch Schuldig, Farfarello und Nagi Naoe. Leider habe ich vergessen, was sie angeblich für Fähigkeiten haben. Irgendwas mit Telekinese oder so.“ Maya schaute sie an. „Wenn das so ist, verstehe ich, warum du die Mail gelöscht hast, Aika. Das klingt ja auch ziemlich unglaubwürdig. Trotzdem sollten wir lieber aufpassen.“ „Ach übrigens, wir haben fahrbare Untersätze bekommen. Stell dir vor, du darfst demnächst mit ner nagelneuen Bimo durch die City cruisen!“ Aika lächelte. „Eine Bimo?! Geil! Ich wollte diese Maschine schon immer besitzen!“ Mayas Augen glänzten vor Freude. „Wir können unsere Babys später begutachten, erst mal weiter im Text. Noch mal wegen der E-Mail. Manchmal frage ich mich, wo Persha die Informationen herbekommt.“ Aika trank ihr Glas mit einem Zug leer. „Ich schätze, er hat eine Art Spion eingeschleust. Ein sehr risikoreiches Unterfangen, wenn du mich fragst.“ Maya blickte nachdenklich aus dem Fenster. „Du hast Recht, es ist äußerst schwer, an große Politiker wie diesen Takatori ran zu kommen. So weit ich in Erfahrung gebracht habe, besteht die Gruppe Schwarz aus niemand anderem, als seinen Bodyguards. Was glaubst du eigentlich, was er mit den Anschlägen bezweckt, Maya?“ „Du hast doch sicher den Bericht über die Wahlen gesehen, oder? Takatori ist für den Posten als Staatsoberhaupt aufgestellt worden. In seiner Rede heute Morgen kam er auf die Anschläge der letzten Wochen zu sprechen und machte die Leute auf sein Engament bei der Bekämpfung des Terrorismus aufmerksam. Na, klickt’s?“ Maya legte den Kopf schief. „Klar! Ist eigentlich ganz logisch! Er gaukelt den Leuten vor, er sei der große heldenhafte Retter Japans um die Menschen auf seine Seite zu ziehen. Und wenn er erst sein Ziel erreicht hat liefert er irgendwelche Unschuldigen als Attentätergruppe Schwarz aus, mit seine ach so zahmen Bodyguards ihr Gesicht in Unschuld waschen können. Dieses verdammte Schwein von Takatori!“ Aika haute mit der Faust auf den Tisch, dass die glücklicherweise leeren Gläser umkippten. „Pass doch auf, Aika! Du unterschätzt wirklich jedes Mal die Wucht deiner Schläge! Weißt du noch, was mit Makimuras edlem Glastisch passiert ist, als wir noch in Deutschland waren?“ Maya schaute ihre Freundin vorwurfsvoll an. Diese wurde verlegen und stammelte: „Der bescheuerte Tisch hat doch nur nen Riss bekommen!“ „Nur nen Riss? Er ist in mindestens vier Millionen Teile zerbrochen, Miss Schwarzenegger!“ Sie stellte die Gläser wieder hin. Aika, die nun schnellstmöglich das Thema wechseln wollte, meinte: „Wollen wir uns nicht noch ein bisschen ausruhen, die heutige Nacht wird anstrengend.“ Sie ging ins Schlafzimmer. Plötzlich sprang Maya sie von hinten an, beide fielen kreischend in das überdurchschnittlich große Bett und begannen eine Kissenschlacht. Zur gleichen Zeit bei den Jungs: „Ich hab irgendwie kein gutes Gefühl bei der Sache, Leute“ Omi machte ein besorgtes Gesicht. „Warum sollten wir uns Sorgen machen?“ Aya lehnte sich lässig an die Tür seiner Wohnung. „Hast du keine Angst um die beiden?“ Ken schaute ihn ernst an. Doch Aya antwortete nur kühl: „Ich kenn sie ja nicht mal richtig, also was interessiert mich deren Schicksal?“ „Wie herzlos bist du eigentlich? Die zwei sind auch Menschen mit Gefühlen und wer weiß, was sie schon durchgemacht haben. Auf jeden Fall scheinen sie nicht so sorglos zu sein wie sie sich geben“ Yoji mischte sich vor Entrüstung über Ayas Kälte ein. „Was versteht ein Typ wie du schon von Gefühlen? Du spielst doch bloß mit denen der vielen Frauen, die dich anhimmeln.“ „Werd nicht unverschämt!“ Yoji packte seinen Kameraden am Kragen und drückte ihn gegen die Tür, doch Aya blickte ihn nur gleichgültig an. Ken ging dazwischen. „Hört sofort auf mit dem Quatsch! Wir sollten lieber die Ausrüstung überprüfen, anstatt uns wegen solcher, im Moment unwichtiger Lappalien herumzustreiten!“ Er schaute die Streithähne ermahnend an. „Und was die Mädchen betrifft“, Ken warf Omi einen viel sagenden Blick zu, „sie sind ein Elitekillerdouble. Sie wissen genau, was sie tun. Meiner Meinung nach haben Maya und vor allem Aika nicht mal die Hälfte ihres Könnens gezeigt. Ich glaube nämlich kaum, dass sie sich so einfach gefangen nehmen lassen. Bei unserem ersten Treffen konnten wir sie nur auf Grund fehlender Informationen überraschen, das wisst ihr so gut wie ich.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machten sich die Jungs an die Arbeit und checkten ihre Waffen und das Funkgerät. Es war kurz vor 22 Uhr, als sich die Gruppe Weiß mit Team Angel Hunter hinter einem Container an Pier 3 trafen. „Hier ist das Headset, Maya, du musst es auf Kanal 2 schalten. Am besten ist ihr benutzt das Ding nur im Notfall“ Omi überreichte Maya einen kleinen Kopfhörer mit integriertem Mikro. „Danke.“ Sie gab es an Aika weiter, die es in ihrem Mantelinneren verstaute. „Maya, glaubst du, dass wir den Kampf einigermaßen echt rüberbringen?“ Ken sah sie fragend an. „Ich sollte dir wohl lieber sagen, dass es diesmal nicht so harmlos zugeht wie vor zwei Tagen.“ Ihr Blick verriet, wie ernst es ihr war. Plötzlich tippte Yoji Maya an und flüsterte: „Schwarz ist hier.“ Die Jungs machten sich fertig. „Also bis gleich!“ Omi küsste Maya ein letztes Mal, bevor er mit seinen Mitstreitern den Schatten des Containers verließ. Aika lugte hinter dem Blechkasten heraus: „Hey, das sind ja bloß drei, da fehlt doch einer!“ „Du hast Recht, Aika!“ Maya zog sie zurück. Auf einmal ertönte Ayas Kampfschrei und kurze Zeit später waren die Schwarz Leute, unter größter Anstrengung von Weiß, in die Enge getrieben worden. Omi richtete seinen Bogen auf die drei. „Was habt ihr diesmal vor, raus mit der Sprache!“ „Hähähähä! Seht ihr den Tanker da drüben? Wenn der in die Luft fliegt, reißt er das ganze Hafenviertel mit!“ Aika zuckte zusammen. „Dieses hämische Lachen...woher kenne ich diese Stimme?“, versuchte sie sich zu erinnern. „Los, Aika!“, Maya rempelte ihre Freundin an. Sie sprangen aus dem Versteck. Maya zog ihre Pistole und schoss auf Omi, doch die Kugel geht daneben. Er hingegen zielte auf sie und ließ die Sehne los. Der Pfeil schnellte auf Maya zu, doch im letzten Moment spaltete Aika diesen mit einem gekonnten Schlag ihrer Katana. Sie stürmte auf Aya zu und griff ihn an. Währendessen kämpfte Maya mit Yoji, der nach einigen Schlägen benommen zu Boden sank. Glücklicherweise kamen ihm Ken und Omi zu Hilfe. „Wer sind diese Mädchen?“ Einer der drei Schwarz-Männer mit einem hellen Bandana im Haar blickte fragend zu seinen Kollegen. Ein großer Mann mit vielen Narben und einer Klappe, die das linke Auge bedeckte, sah ihn nur schweigend an. „Keine Ahnung, aber sie scheinen was gegen diese nervtötenden Weiß-Leute zu haben.“, antwortete ein kleiner Junge im Teenageralter. Gespannt beobachtete Schwarz den Kampf. Inzwischen hatte Aika ihren Gegner an einen Container gedrängt. „Wie war das noch mit kleinen Kindern?“ Sie schlug ihm das Schwert weg. Doch er konterte und entwaffnete Aika ebenfalls. Sie packte Aya an den Schultern und stieß ihm ihr Knie in den Bauch. Er fiel vornüber und blieb sich vor Schmerz krümmend am Boden liegen. Aika holte ihr Schwert, das durch Ayas Schlag einige Meter weit weg geschleudert worden war. Maya teilte derweil kräftige Handkantenschläge und Ellenbogenchecks aus. Aika kam ihr zu Hilfe. Auch Omi, Ken und Yoji mussten kapitulieren. Der Kampf wäre wohl noch einige Zeit so weitergegangen, wenn nicht plötzlich eine Sirene geheult und einer der Schwarz-Leute „Die Bullen kommen! Lasst uns verschwinden, Leute“ gerufen hätte. Das war das Stichwort für Maya und Aika. Sie ließen augenblicklich von den Weiß-Jungs ab und folgten den drei Gestalten, die gerade im Gebüsch verschwanden. Die Jungs richteten sich mit schmerzverzerrten Gesichtern wieder auf. Yoji rieb sich den Kopf: „Mann, ich hätte nicht gedacht, dass Maya so einfach mit mir fertig wird!“ "Wir haben die zwei hoffnungslos unterschätzt!" Ken fasst sich an die Rippen. Omi sah sich um. „Wo ist Aya?“ Da erblickte er ihn. „Was ist mit dir?“ Omi stürzte zu Aya, der auf seine Kameraden zutaumelte. Omi stützte ihn, und bei den anderen angekommen, setzte sich Aya erst einmal auf den Boden. „Jetzt weiß ich genau, wo sich mein Magen befindet. Aika hatte genau einen Schlag gebraucht, um mich niederzustrecken. Irgendwie deprimierend, wenn man überlegt, dass sie ein Mädchen ist und laut Pershas Angaben vier Jahre jünger als ich.“ „Sexy, intelligent und absolut tödlich, was für ne scharfe Mischung!“ Yoji zündete sich eine Zigarette an. Inzwischen hatten Maya und Aika die Schwarz-Leute eingeholt. Jetzt standen sich die fünf gegenüber und Maya begann das Gespräch: „Seid ihr Schwarz?“ „Ja, und wer seid ihr?“ Der Orangehaarige trat auf sie zu. „Unwichtig. Wir haben Interesse daran, mit euch zusammenzuarbeiten, da wir scheinbar denselben Feind haben“ Maya machte eine finstere Miene. Die Mädchen warteten auf eine Antwort. Plötzlich stand der Mann, mit dem Maya gesprochen hatte vor ihr und nahm sie mit einem schnellen geschickten Griff unter den Arm. Da er nicht gerade klein war, erreichten Mayas Füße den Boden nicht und so strampelte sie wie wild mit den Beinen, was ihr aber nicht aus der misslichen Lage half, in der sie sich befand. Der Mann zog eine Art Taschentuch aus dem Mantel und drückte es Maya fest auf Mund und Nase. „Wir müssen vorsichtig sein wenn wir euch in unser Hauptquartier mitnehmen, deshalb werdet ihr ein kleines Nickerchen machen. Farfarello, kümmere dich um die andere!“ Maya versuchte sich zu wehren, doch der Mann war stärker. Langsam schwanden ihr die Sinne und sie schlief in den Armen des Orangehaarigen ein. Währendessen war der Mann mit der Augenklappe auf Aika zugestürmt und versuchte, sie in den Schwitzkasten zu nehmen. Doch Aika ließ sich nicht so einfach festhalten und befreite sich mehrmals aus dem Würgegriff Farfarellos. Doch irgendwann schaffte er es, ihr den Arm zu verdrehen und somit kampfunfähig zu machen. Der orangehaarige Mann wandte sich dem kleineren Jungen zu: „Nagi, gib ihr eine Dosis von dem Betäubungsmittel, das uns der Boss mitgegeben hat!“ Der Junge nickte und ging dann auf Aika zu, die immer noch versuchte sich zu wehren. „Lass mich los! Ich will nicht! Ahh!“ Nagi packte Aikas Arm und gab ihr eine Injektion. Einige Sekunden später wurde ihr schwindlig und sie spürte, wie Farfarellos Griff sich lockerte. Aika taumelte und auch ihr schwanden die Sinne. Zur gleichen Zeit bei den Jungs: „Ken, du Mistkerl!“ Aya warf ihn unsanft zu Boden. „Sag mal spinnst du?! Was ist denn schon dabei, von einem Mädchen besiegt zu werden? Außerdem war es doch so geplant, oder nicht?“ Aya ließ von Ken ab und erwiderte großspurig: „Du hast wohl schon öfters peinliche Niederlagen eingesteckt, so wie du dich anhörst.“ Kens Blick verfinsterte sich und er fletschte die Zähne: „Wiederhole das bitte, du Knilch!“ „Wenn du meinst… Du bist ne Niete, Vakuumhirn!“ „Das wirst du büßen! Du bist doch bloß ein großkotziger, streitsüchtiger, Möchtegern-Samurai!" Ken stürzte sich auf Aya und eine wüste Prügelei begann. Omi wandte sich Yoji zu, der sich die Hand an die Stirn klatschte. „Den zweien ist wirklich nicht mehr zu helfen! Meiner Meinung nach gehören sie in den Kindergarten. Komm wir gehen was trinken, Yoji, deren Niveau ist mir um einiges zu niedrig.“ „Hast Recht, lass uns doch ins Lunatic gehen!“ Yoji setzte einen scheinheiligen Blick auf. „Ähh, wo wir gerade von Niveau sprechen… Wenn ich was trinken möchte, gehe ich in die nächste Kneipe und nicht in eine Erotikbar, du Ferkel!“ Omi wurde etwas verlegen und wandte sich zum Gehen. Als Maya zu sich kam, lag sie in einem großen weißen Raum ohne Fenster. „Aua, mein Kopf schmerzt. Ist das das Quartier von Schwarz?“ Ihre Glieder waren taub, sie schaute sich nach Aika um. Diese lag am anderen Ende des Zimmers. Maya wollte aufstehen, doch zwei Handschellen, die am Gestell des Bettes angebracht waren, hinderten sie daran. „Mist, ich bin gefesselt!“, stellte sie fest. „Hey Angel!“, rief Maya ihre Freundin. Aika rührte sich nicht. „Warum wacht sie nicht auf? Die ist doch sonst so hart im Nehmen. Bei den Tests von Makimura war sie immer schneller wach als ich!“ Sie rüttelte am Bettgestell. „Sinnlos, das hält und ich habe keine Lust, mir die Daumen zu brechen, um freizukommen.“ Maya ließ sich zurück ins Kissen fallen. Im Gegensatz zu Aika konnte sie das. Angel saß aufrecht auf einem Stuhl an der Wand. Ihre Handgelenke waren mit Handschellen gefesselt und mit einem Strick an den Rohren über ihrem Kopf befestigt. Die Fußknöchel hatte man an die Stuhlbeine gebunden, ihren Oberkörper mit einem weiteren starken Seil an der Lehne fixiert. Aikas Kopf lag auf ihrer Brust. Maya wusste nicht, wie lange sie an die Decke gestarrt hatte, bevor die Tür aufgerissen wurde. Herein kam ein großer Mann, der eindeutig kein Asiat war. Er hatte schwarzes, kurzes Haar und trug einen weißen Anzug. Ihm folgten der orangehaarige Kerl und der Junge vom Hafen. „Sind sie das?“, fragte der schwarzhaarige Typ. „Ja, wir haben die beiden vorsorglich mitgenommen, damit sie geprüft werden können.“ der Orangehaarige stützte einen Arm in die Hüfte. Maya hob den Kopf. „Was ist denn das für eine unfreundliche Begrüßung für Verbündete? Wo bleiben eure Manieren?“ Sie sprach vorsichtshalber Englisch, da nur der Junge ein Japaner zu sein schien. „Oh, wie temperamentvoll. Wie ist dein Name, Kleine?“ Der Kerl im Anzug ging auf sie zu. „Cat. Wie wärs, wenn ihr euch vorstellt?“, antwortete Maya kess. „Cat, dein Codename… Schlaues Mädchen, vertraust uns wohl nicht. Na gut, vielleicht verrätst du deinen Namen ein anderes Mal. Wenn ich mich vorstellen darf, Brad Crawford aus den USA, Leibwächter Takatoris und Anführer von Schwarz. Der Kleine ist Nagi Naoe, unser Computergenie. Farfarello war der Kerl mit der Augenklappe, unangenehmer Zeitgenosse. Ach ja, und der kiffende, deutsche Nichtsnutz mit der Hippiefrisur ist Schuldig, ich hab bis heute keine Ahnung, wie er mit richtigem Namen heißt“, stellte Crawford die Schwarz-Mitglieder vor. „Halt dich zurück! Immerhin hab ich nur diese eine Sache versaut!“ Schuldig verschränkte die Arme vor der Brust. „Dieser eine, klitzekleine Fehler hat uns mehrere Topleute gekostet!“, schnauzte ihn Crawford an. „Schon gut, hab kapiert!“, Schuldig lenkte genervt ein. „Was ist eigentlich mit der blonden Schnecke da hinten los? Wieso ist sie noch nicht wach?“ Brad Crawford schritt durch den Raum zu Aika. Nagi folgte ihm: „Die hat sich ziemlich gewehrt, aber wir konnten nicht riskieren, die Lage unserer Basis zu enttarnen. Ich habe ihr mit Hilfe von Farfarello eine intravenöse Narkose verpasst. War wohl ein wenig zu viel. Atmet sie noch?“ „Ja“, antwortete der Chef. „Hey, aufwachen!“ Crawford tätschelte ihre Wangen. Langsam kam Aika zu sich. Mit glasigem Blick musterte sie ihr Gegenüber. Ihr Mund war staubtrocken, ihre Lippen aufgesprungen und wund. „Wasser“, keuchte sie. „Bekommst du, wenn du mir versprichst, keinen Aufstand zu machen.“ Aika nickte. Crawford schüttelte den Kopf. „Ich will es hören“ „Ja, verdammt!“, bellte sie ihn an. „Gut so“, er schnitt ihre Fesseln durch und öffnete die Handschellen. Aikas Schultern schmerzten wie die Hölle. Maya war ebenfalls befreit worden. Sie rieb sich die Handgelenke an den Stellen, wo sich die eisernen Handschellen ins Fleisch gedrückt hatten. Sie wurden von den Schwarz-Leuten durch den riesigen Komplex geführt, bis hin zu einem Computerraum. „Das hier ist gleichzeitig unser Überwachungsraum und Basis für Operationen jeder Art. Hier haben nur wir Zutritt“, erklärte Crawford. „Ist es nicht ein wenig unvorsichtig, wenn ihr Fremde, wie Angel und mich, hier rein lasst?“ Maya, die von Schuldig am Arm festgehalten wurde, schaute ihn an. Er lachte: „Danke dass du mir den Namen des Blondschopfs genannt hast, Cat. Angel, wie passend. Zu deiner Frage ist folgendes zu sagen. Ihr seid zwar in diesen Raum, bei all den Daten, aber ihr könnt ihn ohne Passwort nicht verlassen. Wir werden euch jetzt überprüfen, solltet ihr in irgendeine zwielichtige Sache verstrickt sein oder auf einem Videoüberwachungsband auftauchen, bei dem einer unserer Männer draufgegangen ist, dann blüht euch das!“ Crawford richtete einen Revolver an Mayas Stirn. Aika reagierte schnell und präzise. Sie schlug ihm mit dem Fuß auf die Hand, so dass Crawford mit schmerzverzerrtem Gesicht die Waffe fallen ließ. „Angel!“, rief Maya. Im nächsten Moment streckte Aika allerdings Schuldigs Handkantenschlag nieder. Sie blieb liegen, die Wirkung der Narkose hatte sich noch nicht verflüchtigt. Crawford betrachtete seine blutende Hand. „Verdammt, wir hatten eine Abmachung! Du verfluchtes Biest!“ Er zog sie auf die Füße. „Allerdings war das gerade eine einwandfreie Aktion. Scheinst ja richtig was auf dem Kasten zu haben.“ Aika warf ihm einen verachtenden Blick zu. „Zurück zum Thema. Falls ihr ein krummes Ding drehen wollt, werdet ihr das nicht überleben. Macht es euch bequem, die Überprüfung wird einige Zeit dauern.“ Die beiden setzten sich auf eine kleine Zweisitzercouch. Aika betrachtete ihre Armbeuge. Ein großer blauer Bluterguss hatte sich gebildet, der noch dazu höllisch schmerzte. Sie verzog das Gesicht. „Selbst schuld. Das kommt von deiner Unnachgiebigkeit, also verschone mich mit deinem Gejammer.“ Maya verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast dich doch bloß deshalb nicht gewehrt, weil deine Füße zu kurz waren, um bis zum Boden zu kommen, du Giftzwerg!“ Aika war sauer. Ihre Partnerin lief rot an. Sie hasste es, aufgrund ihrer Größe verspottet zu werden. Maya drehte sich weg und sagte die nächsten drei Stunden kein Wort. „Wir sind fertig. Ihr scheint clean zu sein.“ Crawford legte einen Aktenstapel ab. Maya erhob sich. „Ich hatte nichts anderes erwartet.“ Sein Blick fiel an ihr vorbei auf Aika, die ihre Narkose ausschlief. „Wie viel von dem Zeug haben diese Idioten denn benutzt? Jetzt schläft Angel schon wieder!“ Er hob sie hoch. „Am besten zeig ich euch euer Zimmer, da kann sie sich ausruhen. Danach gibt’s für dich einen Rundgang, wenn du möchtest.“ Maya nickte. „Gebongt.“ Minuten später schlenderten der Anführer von Schwarz und Cat wieder durch die Gänge. Maya hatte einen außergewöhnlichen Orientierungssinn und versuchte sich das Labyrinth gut einzuprägen. Vor einer Stahltür blieben sie stehen. „Das ist der Zugang zum Keller. Dort haust unter ständiger Videoüberwachung Farfarello. Ich würde dir raten, ihn nicht unbedingt zu besuchen. Der einzige Mensch, der ihm was zu sagen hat, ist Schuldig. Nur ab und zu, wenn wir gerade alle zu tun haben, überwacht er den Operationsraum. An ihm ist kein Vorbeikommen möglich. Selbst wenn jemand in den Raum kommt, ist es erstens so gut wie ausgeschlossen, dass er das ständig wechselnde Passwort weiß. Falls er dann gefangen ist und unser lieber Wachmann hinterherkommt, gibt es für die Putzkolonne ne Menge Drecksarbeit.“ Crawford grinste. Maya schauderte es. „Mein Gott, der Kerl muss ne Bestie sein!“ „Schlimmer. Den hat die Hölle wieder ausgespuckt. Einige Priester gehen auf das Konto des irren Iren. Die Japaner würden sagen, keine gute Vorraussetzung für eine Wiedergeburt als Mensch. Kurz gesagt, schlechtes Karma.“ Crawford ging weiter. „Hoffentlich wird dieser Farfarello nicht zum unüberwindbaren Problem!“ Maya folgte dem Amerikaner. In der Zwischenzeit war Aika aufgewacht. Sie rieb sich die Augen. „Mein Gott, ich hätte nicht gedacht, dass es mich noch mal so wegbeamt. Was zum Teufel war das für ein Mittel?“ Angel kroch aus dem Bett. Ihr Zimmer hatte keine Fenster, nur das grelle Neonlicht an der Decke erhellte den Raum. „Hier drin gibs nicht mal nen Fernseher, wie öde! Ich glaube, ich seh mich mal ein wenig um, vielleicht treffe ich ja Maya.“ Mit diesem Gedanken verließ sie das Zimmer. Sie blickte einmal in jede Richtung, um dann in den nächstbesten Gang zu schlendern. Einige Zeit war dieser Bereich gänzlich verlassen, bis Crawford und Maya um die Ecke bogen. Sie blieben vor der Zimmertür stehen. „Ich hoffe, du hast einen kleinen Überblick bekommen. Leider kann ich dich jetzt noch nicht in alles einweihen, dafür müsst ihr euch erst beweisen. Um halb neun treffen wir uns zum Abendessen im Operationsraum. Weißt du noch, wie du hinkommst?“ Crawford steckte die Hände in die Hosentaschen. „Klar“, antwortete Maya, „von hier aus ist das ganz leicht! Danke. Bis später dann.“ Sie schloss die Tür hinter sich. Ihr Blick fiel auf Aikas leeres Bett. „Oh, oh, mir schwant Böses! Hoffentlich ist sie nicht weiter als drei Gänge weggegangen. Bei ihrem miserablen Orientierungssinn würde sie sich sonst sofort verlaufen!“ Genau so war es auch. Aika irrte in den Gängen umher. „Himmel, das sieht ja alles gleich aus! So ein Mist, wie komme ich jetzt zum Zimmer zurück?“ Sie stürmte blindlings in den Flur zu ihrer Rechten. Fünfzehn Minuten später: „Wie es HASSE! Verdammter… Scheißdreck!“ Aika konnte sich das Fluchen nicht verkneifen. „Ich gebs auf! Hoffentlich findet mich jemand, bevor ich verhungere oder verdurste!“ Sie ließ sich an der Wand entlang auf den Boden sinken. „Ich brauch wirklich für alles ein Navigationssystem…“ Ihr Blick fiel auf eine Tür, die anders aussah als die, welche sie bisher gesehen hatte. Neugierig stand Aika auf. Sie öffnete die Stahltür und schaute die Treppe hinunter. „Der Keller, was die da wohl verstecken?“ Vorsichtig ging Angel ins Untergeschoss. Am Ende der Treppe war eine weitere Tür. Aika betrat den nächsten Raum. An der rechten Seite stand ein Schreibtisch mit PC. Niemand war zu sehen. Sie schaute auf den Monitor. Nur die Bildausschnitte von drei Überwachungskameras waren darauf. Aika nahm den Schlüsselbund, der neben der Tastatur lag. „Mal sehen ob einer passt.“ Sie ging auf die Tür zum nächsten Raum zu und steckte die Schlüssel nacheinander ins Schloss. „Ja, der passt.“ Angel sperrte auf, ging in das Anschlusszimmer und schloss die Tür hinter sich. Alles war ganz weiß. Nur ein Gitter trennte den Raum. Dahinter saß ein Mann an der Mauer, den Aika als Farfarello identifizierte. Er trug eine Zwangsjacke, deren Ärmel nicht auf dem Rücken zusammengebunden waren und starrte sie aus gelblichbraunen Augen an. Farfarello stand auf und ging auf sie zu: „Warum so ängstlich? Sehe ich so furchterregend aus?“ Aika fasste sich ein Herz und trat näher an das Gitter. „Ah, das Mädchen von gestern Nacht. Wieso hast du dich hierher verirrt?“ Sie antwortete nicht, sondern fragte: „Weshalb sperrt man dich hier ein?“ Er lehnte den Kopf ans Gitter: „Komm näher, dann verrate ich es dir.“ Ohne nachzudenken ging Aika noch einen Schritt vorwärts. Blitzschnell schossen Farfarellos in der Jacke gefangene Hände zwischen den Gitterstäben hindurch und packten ihren Hals. Starr vor Schreck konnte sie sich nicht wehren, als er sie gegen die Eisenstäbe zog. „Du sperrst jetzt die Tür auf, oder ich erwürge dich!“ Aika gehorchte. Als Farfarello sein Gefängnis verlassen wollte, musste er sie kurz loslassen. Angel nutzte die Chance zum Angriff und trat ihn mit voller Wucht. Doch dem weißhaarigen Hünen schien das nichts auszumachen. Farfarello schmiss sie gegen die Wand, bevor er das schockierte Mädchen am Kragen packte und zurück in den Verbindungsraum mit dem Computer schleifte. Dort wuchtete er sie auf den Schreibtisch. Farfarellos Unterarm drückte ihr die Luft ab. Mit Entsetzten beobachtete Aika, wie der Hüne sich mit einer Schere aus der Zwangsjacke befreite. Nun, da beide Hände wieder voll einsatzfähig waren, griff er zum Brieföffner. „Schrei so viel du kannst, hier unten wird dich keiner hören!“ Mit einer ungeheuren Gewalt rammte Farfarello die Klinge nur Millimeter entfernt von Aikas Kopf in den Tisch. Ihr erstickter Aufschrei schien ihn zu belustigen. „Für diesen Ausdruck in den Augen der Menschen lebe ich, pure Angst. Wie schön!“ „Du bist ja völlig irre!“, keuchte Aika. „Noch mehr als ich!“ Plötzlich grinste sie. Farfarello war völlig irritiert. „Was ist? Hast du’s dir anders überlegt?“, frotzelte Angel. Er zog den Brieföffner aus dem Tisch. „Eigentlich schade, dass du immer alle abmurksen musst, wo bleibt denn da der Spaß?“ „Schweig!“ Farfarello holte aus und wollte gerade zustechen, als ihn zwei Arme packten. „Schluss jetzt, sonst bleibst du für die nächsten fünf Monate hier unten, ohne Auftrag!“ Er ließ von Aika ab. „Puh, das war knapp. Beinahe wäre ich Schweizer Käse geworden“, überspielte sie ihre Erleichterung. Schuldig, der gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen war, verschwand mit dem vierten Schwarzmitglied wieder im Nebenraum. Einige Zeit verging, bis er allein wieder zurückkam. Aika seufzte: „Danke, ich dachte, der killt mich!“ Schuldig sah sie einen Moment schweigend an, dann stürzte er sich auf Angel und drückte sie mit den Schultern gegen die Wand: „Verdammt, was hast du hier unten zu suchen? Es hat seine Gründe, dass der Kerl eingesperrt ist! Weißt du eigentlich, was das für eine Sauerei gibt, wenn der jemanden aufschlitzt?“ „Sorry! Ich hatte mich verlaufen und war auf der Suche nach jemandem, der mir den Weg zeigt“, entschuldigte sich Aika. Im selben Moment betrat ein Wachmann mit einem Sandwich den Raum. Schuldig wirbelte herum: „Nitaka! Wieso hältst du dich nicht an meine Anweisungen und verlässt deinen Posten?!“ Er zog seine Pistole und schoss dem Wachmann in die Brust. „Ich hatte dich das letzte Mal gewarnt, Nitaka. Ich hasse es, wenn meine Befehle missachtet werden!“ Schuldig blickte den vor ihm knienden, sterbenden Wachmann ohne eine Spur von Mitleid an, hielt ihm die Pistole an die Stirn und drückte eiskalt ab. Das blanke Entsetzen stand Nitaka im Gesicht, als er zu Boden sank. Aika war fassungslos, bemühte sich aber, möglichst unbeteiligt zu wirken. Schuldig ging zu einem Haustelefon und drückte zwei Ziffern. „Schickt jemanden in den Raum 676, der die Scheiße wegräumt und besorgt mir nen neuen Wachmann für Farfarello! Sofort!“ So, als wäre nichts gewesen, wendete er sich danach Aika zu: „Es ist bald Zeit fürs Abendessen. Komm mit, ich bring dich zu deiner Partnerin.“ „Gut, danke.“ Angel nickte. Maya war in der Zwischenzeit bei Nagi gewesen, der für die Versorgung von Schwarz zuständig war. Dort hatte sie eine Liste an Gegenständen zusammengestellt, die sie in den nächsten Tagen und Wochen brauchen würden. Da es ihnen nicht erlaubt war, das Hauptquartier zu verlassen, musste ein Mittelsmann die Einkäufe übernehmen. Jetzt stand das Angel Hunter Mitglied in dem immer noch kahlen Raum und konnte sich nicht entscheiden, ob es sich auf die Suche nach seiner Partnerin machen oder lieber hier auf sie warten sollte. Allerdings wurde ihr diese Entscheidung von Schuldig abgenommen, der Aika just in diesem Moment durch die Tür geleitete. „Du solltest deine Partnerin lieber anleinen, bevor ihr noch was passiert in unserer Löwengrube!“, scherzte er. „Gute Idee, ein Maulkorb ist wahrscheinlich die perfekte Ergänzung dazu!“, witzelte Maya. „Schön, dass sich mal wieder alle einig sind“, grummelte Aika. Um Punkt halb neun saßen Angel Hunter und Schwarz beim Essen. Es gab Hähnchen mit Curryreis. Crawford blickte Maya an. „Wie ich hörte, hat deine Partnerin Bekanntschaft mit unserem hausinternen Metzger gemacht.“ Sie fasst sich an den Kopf: „Spricht sich ja schnell rum, so was.“ Er blickte nach links: „Wegen diesem Missgeschick hat Mister, Ich-raste-immer-gleich-aus, einen unserer Wachmänner gekillt!“ Schuldig schlug auf den Tisch. „Dieser Nichtsnutz gehörte zu meinem Personal, also nerv mich nicht mit deiner Überheblichkeit!“ Maya warf beschwichtigend ein: „Hey, hey, kein Grund zu streiten. Schließlich war Angel schuld!“ Aika umklammerte wutentbrannt ihre Gabel, sagte aber nichts. Crawford schien amüsiert: „So beherrscht? Schade, dabei bist du so süß, wenn du wütend bist.“ „Vielen Dank“, sprach sie durch die zusammengepressten Zähne. „Der Meinung bin ich nicht. Wenn Angel sauer wird, kostet mich das meistens ein Vermögen!“, sagte Maya, bevor sie sich eine weitere Gabel Reis genehmigte. „Ich würde ihr schon zeigen, wo’s langgeht.“ Er glühte Aika an. Diese hielt es nicht mehr aus und rammte ihr Messer in das Hähnchen, das zwischen ihr und Crawford befand. „Animalisch“, meinte der Schwarz-Anführer unbeeindruckt und mit einem Lächeln auf den Lippen. Nagi unterbrach die kritische Situation, indem er eine blaue Klemmmappe auf den Tisch klatschte. „Wir haben einen Auftrag von ganz oben. Wir sollten uns später mal darüber unterhalten, Chef!“ Crawford wandte sich dem jüngsten der Mitglieder zu. „Um was handelt es sich denn im Groben?“ „Ein Ablenkungsmanöver, damit Masanoris nächste Lieferung leichter passieren kann.“ Der Junge ließ die Mappe zu ihm hinüberschweben. „Dann ist es also war“, dachten die Mädchen im selben Augenblick. Aika zog ihr Messer zurück und warf Maya einen vielsagenden Blick zu. Diese nickte fast unmerklich. „Welche Lieferung?“, fragte Maya in die Runde. Schuldig grinste vorfreudig: „Kokain, frisches, reines, hochqualitatives Koks!“ „Und woher kommt das?“, wollte Aika wissen. Crawford stocherte auf seinem Teller herum. „Per Schiff vom chinesischen Festland. Allerdings werden das Hafenpersonal und die Polizei mehr mit anderen Dingen beschäftigt sein, als darauf zu achten, welche schwarzen Lieferwägen kiloweise Betäubungsmittel von Bord einer kleinen Yacht zu uns transportieren. Dafür sorgen wir schon.“ Nach dem Abendessen entschuldigte Angel Hunter sich und verschwand im Zimmer. Dort erwartete sie eine Überraschung. „Wow, das ging aber schnell!“ Maya betrachtete die neue Einrichtung. „Wir haben sogar eine Stereoanlage!“, freute Aika sich. Ihre Freundin drehte sich um. „Das kommt uns gerade recht. Da, fang!“ Sie warf Angel eine CD zu. Diese fing sie auf und schmunzelte. „Linkin Park, sehr schön!“ „Dreh richtig auf!“, forderte Maya, die ein Blatt Papier hervorgeholt hatte und zu schreiben begann. Aika blickte ihr über die Schulter. ‚Sprich am besten nur über Belangloses, wir werden sicher abgehört, das ganze Zimmer ist verwanzt!’, stand auf dem Zettel. „Über alles andere wird geschrieben“, ergänzte Cat. Aika nahm den Stift und schrieb: „Die Musik soll das Schreibgeräusch übertönen, richtig?“ „Schlaues Mädchen. Ich möchte nicht in der Haut der Kontrolleure stecken, die jetzt die Kopfhörer aufhaben“, grinste Maya. Zwei Stockwerke über ihnen kauerten drei Männer am Boden, von dem Rückkopplungsgeräusch in die Knie gezwungen. Einer von ihnen nahm widerwillig die Hände von den Ohren, um zum Bedienungspult zu kriechen. Mit letzter Kraft schaltete er die Übertragung ab. Die anderen stöhnten auf. Einer meinte: „Dieser Job ist glatter Selbstmord! Welcher Idiot hat vorgeschlagen, den Lautsprecher einzuschalten?“ Jemand, der sich angesprochen fühlte, meldete sich zu Wort: „Aber Boss, Sie wollten doch nicht am Computer zu Abend essen, deshalb sollten wir umschalten!“ Die Tür flog auf. „Was zum Teufel ist hier los?“ Die drei warfen sich mit entsetztem Gesichtsausdruck auf die Knie: „Herr Naoe! Entschuldigen Sie!“ „Ich fragte, was hier um diese Zeit für ein Krach ist! Antworte!“ „Die Mädchen, sie haben…“ Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Nagi war mit zwei Schritten beim Pult und griff nach dem Kopfhörer. „Warum funktionieren die nicht?!“ Seine Augen funkelten zornig. Der Kopf seines Angestellten berührte den Boden: „Wir haben die Übertragung gestoppt.“ Nagi wand sich dem roten Schalter zu: „Ihr Idioten, was soll das?“ Der Angestellte schrie: „Nicht, Herr Naoe!“ Zwei Minuten später klopfte es an der Tür der Mädchen. Maya öffnete. Vor ihr standen Nagi und Schuldig, der aussah, als hätte man ihn aus dem Bett geprügelt. „Was kann ich für euch tun?“ Aika kam dazu. „Hm, is was? Ach Nagi, hast du was Neues mit deinen Haaren probiert, oder weshalb stehen sie in allen Himmelsrichtungen ab?“ „Ihr dämlichen WEIBER! Macht sofort die Musik leiser!“ Nagi war rot angelaufen. Schuldig starrte ihn an. „Sei nicht so uncharmant. Meine Ladys, wärt ihr so nett die Nachruhe einzuhalten?“ „Oh, ein Gentleman. Wir entschuldigen uns und wünschen noch eine geruhsame Nacht“, flirtete Maya ihn an und schloss danach die Tür. Aika verdrehte die Augen. „Was sollte das Süßholzgerasple?“ „Das wirst du noch früh genug erfahren. Würde nicht schaden, wenn du auch nett zu ihnen bist, schließlich sind sie unsere Partner!“ Maya zwinkerte vielsagend. Aika grinste, bis sie kapierte, auf was ihre Freundin heraus wollte. Eilig holte sie den Zettel und kritzelte: „Du meinst doch nicht etwa, dass…?“ Zu ihrem Entsetzen nickte Cat. „War dein erstes Date mit dem Iren amüsant?“ Angel lief puterrot an. „Schlag dir den Gedanken sofort aus dem Kopf! Ich bin nicht scharf drauf, ein paar Gliedmaßen zu verlieren!“ Maya schrieb: „Stell dich nicht so an! Manchmal muss man Opfer bringen!“ „Soso, dann bezirze du ihn doch und ich hole die Daten!“ Aika sah sie verkniffen an. „Wer ist denn hier der Hacker? Du warst dafür schon bei Makimura zu blöd, also akzeptiere, dass du mal wieder die Arschkarte gezogen hast!“ Der Triumph stand in Cats Gesicht geschrieben und Angel schlich sich mit beleidigter Miene in ihr Bett. Am Morgen darauf saßen die beiden Mädchen mit Schuldig und Crawford beim Frühstück. Maya war amüsiert, als sie sah, wie Aika Crawford auswich. Anstatt ihn zu fragen, ob er ihr die Butter reichen könnte, die direkt neben seiner Hand stand, beugte sie sich über den ganzen Tisch und griff danach. „Sind die echt?“, sprach Crawford sie an, ohne dabei den Blick von Aikas Brüsten zu nehmen. Aika glühte ihn zornig an: „So echt, wie der Schmerz, wenn ich dir dein Gehänge stutze!“ Schuldig prustete in seinen Kaffee. „Ha, das möchte ich sehen!“ Crawfords Blick brachte ihn zum Schweigen. Danach wandte er sich wieder Angel zu: „Ich hätte nichts dagegen, wenn du mir gewisse Dinge zurechtschnitzen würdest.“ Nun war es an Aika, in ihren Kaffee zu prusten, allerdings weniger aus Schadenfreude, als aus Scham. „Jetzt sag bloß nicht, dass er dich am Arsch lecken soll, sonst hast du ihn wirklich an der Backe!“, Schuldig lag vor Lachen fast am Boden. Aika war kurz davor, einfach zu gehen als Nagi den Raum betrat. Crawford blickte ihn aus den Augenwinkeln an. „Was gibt’s?“ Der Junge verschränkte die Arme vor der Brust. „Der Plan hat sich geändert. Scheinbar ist unser Vorhaben aufgeflogen. Der Boss zitiert uns beide heute Abend zu sich. Schuldig, du musst dich um Kitano kümmern, scheinbar ist er das faule Ei im Karton.“ „Das bedeutet, Farfarello hütet das Haus. Hoffentlich geht das gut.“ Das Schwarzoberhaupt rückte sich die Brille zurecht und fügte dann hinzu: „Sorry Ladys, aber die Pflicht ruft!“ Mit einer lässigen Handbewegung verabschiedete sich Crawford, um mit Nagi zu sprechen. Aika und Maya verschwanden diskret in ihrem Zimmer. „Das ist die Gelegenheit!“, schrieb Maya. Aika zog, wie immer, wenn ihr etwas nicht koscher vorkam, die rechte Augenbraue nach oben. „Sag nicht, ich muss den Metzger verführen, mir reichte das mit Crawford schon.“ Der Blick ihrer Partnerin war jedoch so unmissverständlich, dass es keiner anderen Antwort bedurfte. Die Stunden verstrichen, während Cat und Angel angestrengt an einem wasserdichten Plan arbeiteten. Erst als sie Geräusche vom Gang vernahmen, die eindeutig lauter wurden, trollten die Mädels sich zu unauffälligeren Beschäftigungen. Tatsächlich klopfte es Sekunden später an ihrer Tür. „Herein!“, flötete Maya. Crawford, Schuldig und Nagi traten ein. „Hi Mädels! Was habt ihr denn den ganzen Tag gemacht? War so still heute“, fragte Schuldig. „Das wüsstest du gerne, hä?“ Maya lächelte geheimnisvoll. „Hör auf zu sabbern!“, maulte ihn sein Chef an. „Wir sind eigentlich nur hier, um euch zu sagen, dass wir jetzt dann weg sind. Macht keinen Ärger, ja!“ Crawford fixierte Aika. Die funkelte ihn trotzig an. „Klaro!“, versicherte Maya, „wir kennen die Regeln. Dürfen wir uns hier frei bewegen, oder gibt es außer dem Operationsraum und dem Keller noch irgendwelche verbotenen Räume?“ „Nein, aber ihr dürft euch nur auf diesem Stockwerk bewegen. Farfarello bewacht, wie ihr wisst, den Operationsraum, also haltet Abstand, vor allem Angel“, sagte Nagi. Schuldig ergänzte: „Der ist sauer, weil wir ihn nach der gestrigen Aktion bestraft haben…“ Aika wurde ein wenig weiß um die Nase. Crawford, der das bemerkt hatte, beugte sich zu ihr: „Ist dir nicht gut, Flatterfrau? Hat der Kerl dich etwa doch erschreckt?“ Jetzt wechselte Angel schlagartig die Farbe. Mit rotem Gesicht blaffte sie Brad an: „Nein, du Pflaume! Ich bin nur müde!“ „So, so, müde. Dann solltest du vielleicht schon mal ins Bett gehen. Ich wecke dich, wenn ich zurück bin“ Aika kochte, sagte aber nichts. Schuldig ging dazwischen: „Chef, es ist schon spät, wir sollten los!“ Crawford wand sich ihm zu. „Du hast recht. Also dann, Ladys, wir sehen uns in zwei Stunden!“ Er verließ den Raum und Nagi folgte ihm wortlos. Schuldig verabschiedete sich auf Deutsch: „Bis später, Mädels!“ Als die Tür ins Schloss gefallen war, atmete Aika geräuschvoll aus. „Gut gemacht, endlich konntest du mal die Klappe halten“, meinte ihre Partnerin. „Danke für die Blumen“, spöttelte Angel, „wann geht’s los?“ „In ner halben Stunde können wir es wagen.“ Während Aika sich eine rosa Bluse und einen schwarzen, knielangen Rock anzog, murmelte sie immer wieder dieselben Worte vor sich hin: „Der metzelt mich, ganz bestimmt. Der metzelt mich!“ „Was sagst du?“, fragte Maya. „Ich sagte, der reißt mit den Arsch auf!“ Aika wurde laut. „Ist das mein Problem?“, kam prompt die staubtrockene Antwort. „Leck mich doch“, murmelte Angel. Sie öffnete die Tür und trat in den ausgestorbenen Gang. Langsam ging sie in Richtung des Operationsraums. „Hoffentlich kann ich ihn ablenken, wenn der was schnallt, sind wir dran, verdammt, ich hab doch sonst nie Schiss!“ Der Gedanke beunruhigte Aika mehr als die Tatsache, dass sie gerade auf dem Weg zu einem Psychopathen war. Maya rüstete sich derweil mit einem Entcodiergerät aus und wartete auf das Signal ihrer Partnerin. Angel stand vor dem Raum mit der Nummer 12A. Sie klopfte. Keine Reaktion. Sie wiederholte es einige Male, aber als sich wiederum nichts rührte, beschloss sie zu rufen. „Hallo, ist da jemand? Hier ist Angel, ich wollte fra… Die Tür glitt auf und bevor sich das Angel Hunter Mitglied versah, lag es am Boden. Aika blickte direkt in die gelben Augen über ihr. „Herzlichen Glückwunsch zu der Entscheidung mich zu besuchen, wir werden sehr viel Spaß miteinander haben!“ Mit diesen Worten schmiss Farfarello sie auf den Gang. „Wo hatte Maya gesagt, war der Abstellraum?“ Angel ergriff die Flucht, den Hünen auf den Fersen. „Scheiße 5. Gang rechts, oder 4 links?“ Sie hörte Farfarellos Atem. „Ah, scheiße, ich weiß nicht mehr wo ich bin!“ Aika stürmte das nächstbeste Zimmer und gab Maya über einen funkgesteuerten Laserpointer das Zeichen. „Shit, ein Wohnraum! Das geht ins Auge!“ Ehe sie sich wehren konnte, lag sie auf dem Boden. Farfarello kniete über ihr, das Messer zwischen den Zähnen. „Warum bist du so sauer auf mich?“ Angel versuchte verzweifelt, ihren Hals zu retten. „Oh, nach unserem kleinen Date gestern habe ich nur den Rest der Nacht kopfüber hängend im Keller verbracht. Eine äußerst bequeme Schlafposition, besonders mit Zwangsjacke.“ Aika schluckte. ‚Mist, jetzt ist guter Rat teuer…’ Maya hatte sich sofort nach Erhalt des Zeichens auf den Weg gemacht. Mit dem Decodierer war es ein Leichtes, in den Operationsraum zu kommen. Sie vergas nicht, einen Blockierbolzen in die Tür zu klemmen. Sofort machte sie sich daran, den Computer zu hacken. Angel war zur selben Zeit damit beschäftigt, sich nicht abstechen zu lassen. Mit einem gezielten Drehkick beförderte sie ihren Gegner aufs Bett. Einem kurzen Moment hatte Aika das dringende Bedürfnis abzuhauen. Nein, das durfte sie nicht, noch nicht. Einen Augenblick später saß sie auf dem Hünen. Der Dolch sauste dicht an ihrem Hals vorbei, doch sie reagierte blitzschnell und hielt seinen Arm fest. „Hey, kann es sein, dass wir uns missverstehen? Ich will dir nichts Böses!“ Aika beugte sich vor, so dass ihr Gesicht, das seine fast berührte. „Hast du meine kleine Anspielung nicht verstanden? Wie siehts aus? Was hält der kleine Massenmörder von ein wenig Vergnügen?“ Seine Körperspannung ließ ein wenig nach. Doch Aika wiegte sich zu schnell in Sicherheit. Eine Drehung genügte und sie fand sich in der Ausgangsposition wieder, auf dem Rücken, Farfarello über sich. Er fuhr mit seinem Dolch die Konturen ihres Gesichts nach: „Deine Todessehnsucht gefällt mir. Vielleicht sollte ich mir mit dir ein wenig mehr Zeit lassen, bevor ich dein Blut vergieße.“ Maya stand der Schweiß auf der Stirn. „Der verdammte Computer ist besser gesichert, als ich dachte. Hoffentlich komm ich durch!“ Sie blickte auf ihre Uhr: „Noch ca. eine Stunde!“ Farfarello zog sein Hemd aus. Aika war erstaunt über das Sammelsurium von Narben, die sich über jeden Quadratzentimeter seiner Haut erstreckten. Sie fuhr mit dem Finger eine besonders lange an seinem Bauch entlang. „Wer hat dir die zugefügt?“ Er flüsterte ihr ins Ohr: „Es ist überhaupt nicht schwer, soll ich’s dir zeigen?“ „Nein, wir hatten andere Dinge vor… Was soll ich tun?“ Der Hüne grinste unheimlich: „Wie wärs, wenn du schreist?“ Die Klinge seines Dolches blitzte. Angel kniff die Augen zusammen, als er sich damit ihrem Brustkorb näherte. „Yes, ich bin drin!“ Maya riss die Hände nach oben. „Jetzt brauche ich nur noch die richtigen Daten, sofern die hier drauf sind.“ Der letzte Knopf von Aikas Bluse öffnete sich durch den Dolch. Der kalte Stahl berührte ihre Haut. Sie hatte die Augen wieder geöffnet. Farfarello war aufgrund ihrer Panik in Hochstimmung. „Erschreck mich nie wie…“ Seine Lippen verschluckten den Rest des Satzes. „Verdammt, ich krieg keine Luft! Der ist ja ziemlich schwer!’ Ein Stockwerk über ihr waren zwei Männer auf dem Weg nach unten. „Mann, immer diese Hetzerei und dann dauert’ s noch nicht mal ne Stunde!“ Schuldig hatte die Hände in den Hosentaschen, wie es seine Art war. „Sag das bloß nicht in aller Öffentlichkeit, sonst bist du deinen kleinen Finger los“, meinte Crawford. „Was hast du heute noch vor?“, fragte der Deutsche. Brad überlegte. „Ich schätze, ich muss noch über ein paar Plänen brüten. Hol mir nur noch schnell nen Kaffee. Na ja, sehen uns dann morgen beim Frühstück. Nacht.“ Er bog in die Cafeteria ab. Schuldig blieb vor seinem Zimmer stehen. „Ich hab doch was gehört, oder spinn ich?“ Er öffnete die Tür. Aika blickte ihn entsetzt an. „Äh sorry, wenn ich störe, aber das ist zufälligerweise mein Zimmer!“ Farfarello erhob sich wortlos und ging vor die Tür. Geistesgegenwärtig drückte Angel den Knopf, um Maya zu warnen. Schuldig kam auf sie zu. „Hat er dich belästigt?“ „Nein, nein. Es ist alles in Ordnung… Am besten sagst du nichts zu Crawford, bitte.“ Er fasste sich an die Stirn. „Das ist aber das letzte Mal. Sieh zu, dass du in dein Zimmer kommst, hopp, hopp, bevor der Kerl dich erwischt!“ „Äh, eine Frage noch. Wie hast du Farfarello dazu gebracht, zu gehen?“ „Ganz einfach, so wie ich jetzt mit dir rede.“ Er hatte die Lippen nicht bewegt und doch konnte Aika jedes Wort verstehen. Cat hatte Angels Signal Gott sei Dank bemerkt. In Rekordzeit war der Computer in seinem Urzustand. Maya zog unterm Rennen den Blockierbolzen aus der Tür und verschwand gerade noch rechtzeitig, bevor Crawford den Gang entlang geschlendert kam. Mayas Herz schlug ihr vor Aufregung bis zum Hals. „Shit, die sind fast ne dreiviertel Stunde zu früh dran. Puh, gerade noch geschafft und Angel lebt allen Anscheins auch noch“, dachte sie erleichtert und schlich auf leisen Sohlen davon. ____________________________________________________________________________________ Hui, das ist irgendwie ein einziges Chaos! Aber ich mag die zackigen Dialoge und die Szene, in der die Kerle im Abhörraum mit Musik gefoltert werden, ich glaub die Szene muss ich mal zeichnen...^__^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)