Schlaflos von Cookie-Hunter (Der Albtraum endet nie...) ================================================================================ Kapitel 13: Sehnsucht und Verlangen ----------------------------------- „Nein, ich werde den Song heute Abend nicht singen!“, ertönte es lautstark aus der Garderobe. Kaoru, der vor der Tür stand und eigentlich durch selbige hatte gehen wollen, stockte und runzelte die Stirn. Was ging denn da drinnen ab? Seit wann hatte die kleine Miyazawa-san solche Starallüren drauf? Seufzend betrat er den Raum und musste sich ansehen, wie die drei jungen Männer der Band auf sie einredeten, sie aber nur mit verschränkten Armen auf einem der Stühle saß und auf Durchzug geschaltet hatte. „Wieso denn auf einmal nicht? Es steht schon seit Wochen fest, dass wir 'The Final' als Abschlusslied nehmen.“ Naoki, der Drummer, war schon am Verzweifeln. Wenn nicht bald etwas passierte, dann würde er sich sämtliche Haare raus reißen. Und das, wo er doch so viel Arbeit in sie hinein steckte. Mit einem ernsten Gesicht beugte sich Youdai, der Gitarrist, zu der Sängerin hinunter, stützte sich rechts und links von ihr auf den Armlehnen ab. „Du liebst dieses Lied. Und auch, wenn wir es nur covern, ist es eines unserer Besten. Außerdem haben wir doch das Einverständnis von Niikura-san und seinen Freunden bekommen.“ „Ganz recht“, meldete sich Kaoru zu Wort und trat näher. „Also, warum willst du es nicht mehr singen? Immerhin hat er recht. Ihr könnt dieses Lied sehr gut spielen. Und bei der Besprechung für die Setlist des heutigen Abends, warst du noch Feuer und Flamme und wolltest es unbedingt dabei haben. Was ist also das Problem?“ Die junge Frau fing an auf ihrer Unterlippe herum zu kauen. Es war ihr wohl unangenehm, den Grund zu sagen. Zumal sie sich auch äußerst kindisch anstellte. Ächzend kniete sich Kaoru neben sie. Die berüchtigten alten Knochen. „Hättest du denn zumindest eine Idee, was ihr stattdessen als Abschluss spielen könntet?“ Obwohl er nun wirklich nicht begeistert davon war, dass nicht alles nach Plan lief. Nach kurzem zögern, schüttelte sie den Kopf. „Dann werdet ihr 'The Final' spielen.“ „Nein!“ Allmählich wurde es Naoki zu viel. Als Leader der Band musste man sich auch nicht alles gefallen lassen. Das hatte er von Kaoru gelernt. „Dann sag uns halt warum du das Lied nicht singen willst!“ Frustriert seufzte er auf. „Du bist gerade drauf und dran uns alles zu verbauen, ist dir das klar?“ „Ja...aber-“ „Aber was?“ Schüchtern sah Sachiko zu Boden, begann mit ihrem Fuß Kreise auf diesen zu malen. Youdai verschränkte die Arme, baute sich mit seinen beiden Freunden vor ihr auf. „Es ist wegen Kyo-san.“ Ihren Kollegen und auch Kaoru stand plötzlich ein großes Fragezeichen im Gesicht. Bis: „Wegen mir?“ Erschrocken drehte sich Kaoru um. „Wann bist du denn hereingekommen?“ „Jetzt gerade. Ich sollte noch was zu trinken herbringen.“ Ein wenig hilflos hob Kyo das Tablett mit den Wasserflaschen an, um Kaoru zu zeigen, dass seine Aussage stimmte. Er ging ein paar Schritte auf die kleine Menschenmenge zu und sah die Sängerin an, fragte sie: „Warum möchtest du unser 'The Final' nicht singen?“ Ihre Wangen verfärbten sich rot unter der ganzen Schminke und sie hatte Mühe ein paar Worte heraus zu bringen. „Weil... weil Sie da sind.“ „Oh“, war alles, was Kyo dazu einfiel. Er stellte das Tablett auf den Tisch. „Dann werde ich Toshiya und Die mal fragen, ob ich nicht bis nach dem Konzert weg bleiben kann. Wenn ich nicht da bin, dann kannst du es doch singen, oder?“ Kyo hatte ja geahnt, dass dieser Abend schwierig werden würde. Alleine schon wegen der vielen Menschen und weil er nicht so viel Ahnung von der Arbeit auf der anderen Seite der Bühne hatte. Aber dass er jemanden dadurch behinderte, das zu tun, was dieser Person am Herzen lag und dadurch auch die mögliche Karriere verhinderte, indem er einfach da war, damit hatte er, zumindest nicht in diesem Ausmaß, gerechnet. Und er hätte doch noch in seiner Zelle bleiben sollen. Er dreht sich gerade zum gehen um, ignorierte, dass Kaoru ihn aufhalten wollte, als Sachiko aufsprang und: „Nein!“ rief. Mit großen Augen wurde sie angesehen. „Aber... ich dachte... Ich verstehe nicht.“ Beschämt über sich selbst senkte die Sängerin ihren Kopf. „Es geht nur darum... Wenn sie dabei sind, dann... ich trau mich einfach nicht.“ Ihren Bandkollegen stand der Mund offen. Hatte jemand einen Karpfenteich bestellt? Nach einem kurzen Moment der weiteren Verwirrung, fasste sich Kaoru wieder. „Aber ich hab euch das Lied schon so oft spielen und dich dieses Lied so oft singen hören.“ 'Nicht zuletzt, weil ich euch dazu gebracht habe', fügte er gedanklich hinzu. Schließlich würde er niemanden eines ihrer Babys öffentlich und unter seiner Aufsicht spielen lassen, wenn er sich nicht sicher sein konnte, dass es perfekt war. Aber perfekt war es eben leider doch nur, wenn Kyo es sang... „Kaoru-san hat recht“, meldete sich auch endlich mal Kanade, der Bassist zu Wort und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du kannst es doch. Da brauchst du nun wirklich keine Angst haben.“ Schweigend musterte Kyo das „Mädchen“, welches sie durch ihre Jugend in seinen Augen noch war. Wenn Kaoru schon sagte, dass sie gut waren, dann konnte man das beruhigt glauben. So etwas sagte der nicht einfach so. „Ich glaube, ich verstehe, warum du nicht singen magst, wenn ich da bin.“ Ertappt zuckte sie zusammen. „Du magst es nicht singen, weil es mein Lied ist, nicht wahr?“ „Ist das wahr, Sachiko?“ Sie nickte dem Drummer zu und Kaoru fing an zu lächeln. „Das hättest du auch sagen können, anstatt hier so ein Theater zu veranstalten. Das ist immerhin nichts, was dir peinlich sein muss.“ Und schon fand sie sich in einer väterlichen Umarmung wieder. „Kaoru, du wirst allmählich weich.“ „Was war das?“, gespielt verärgert sah er seinen jüngeren Freund an. „Wenn du nicht aufpasst, dann werde ich dich gleich umarmen.“ Mit Freude nahm er war, wie der Andere sich versteifte. Genauso freute er sich über die versuchten bösen Blicke. In solchen Momenten blitzte dann immer das Warumono auf. Ein kleines Zeichen dafür, dass Kyo sich wieder normalisierte. Dann aber zog er sich wieder zurück. Nach innen. Derweil fuhr sich Youdai gestresst und seufzen durch die Haare: „Und jetzt? Wenn Sachiko es nicht schafft 'The Final' zu singen, solange Kyo-san anwesend ist und uns keine Alternative einfällt, dann wird das gleich echt blamabel.“ „Jap, zumal wir nur noch drei Minuten Pause haben.“ Auch der jüngere Bandleader wusste gerade nicht mehr weiter. Wie sollten sie einen guten Eindruck bei diesem Auftritt hinterlassen, wenn sie nicht alle ihre Trümpfe ausspielten? Und was würde erst Kaoru-san von ihnen denken, wenn sie das jetzt hier vermasselten? Noch sah er nicht wütend oder sauer oder sonst etwas aus, aber er war auch sehr gut darin, dergleichen zu verstecken, nur um dann mit aller Wucht zu explodieren. Und während er seinen Gedanken nach hing, diskutierten seine drei Kollegen angeregt darüber, welches Lied man nun als Ende nehmen konnte. „Sing es.“ Ein kollektives: „Nani?“ „Sing es. Bitte“, wiederholte Kyo und sah Sachiko nachdrücklich an, wobei es in seinen Augen freudig glitzerte. „Ich würde mich freuen, wenn ihr es spielen würdet. Ich möchte es gerne hören.“ Von ihren Gefühlen völlig überrumpelt, eine Mischung aus Freude, Überraschung und Ehrfurcht, stammelte sie: „Wenn... Wenn Sie damit einverstanden sind“, sie fing an zu strahlen, „dann singe ich es sehr gerne.“ Gebannt stand Kyo hinter der Theke und starrte zur Bühne. Laut Kaoru standen nach der Pause nur noch drei Lieder auf der Liste, das letzte davon 'The Final'. Gerade hörte er den letzten Takten des zweiten Songs zu. Innerlich wurde er ganz kribbelig. Es fühlte sich ein wenig an wie Lampenfieber. Er trat von einem Fuß auf den anderen und ohne es zu merken, machte Nobu einfach mit. Hatte gerade nichts besseres zu tun. Außerdem war 'still stehen' nicht gerade seine beste Disziplin. Die trat von hinten an die beiden Kleineren heran, legte jedem eine Hand auf die Schulter, um sie zu beruhigen: „Spart euch eure Energie. Die Nacht ist noch lang.“ „Aber ich hüpfe doch nur, weil Kyo-kun nicht still halten kann.“ Die grinste: „Du kannst nie still halten, Nobu.“ Er wuschelte ihm durchs Haar. „Und warum bist du so nervös, Kyo?“ Kyo kam gar nicht mehr dazu etwas zu sagen, denn in dem Moment bekam Die die Antwort praktisch auf dem Silbertablett serviert: Die ersten Töne von 'The Final'. Er schloss die Augen, erinnerte sich daran, wie sie früher dieses Lied gespielt hatten und konnte nicht verhindern, dass seine Finger sich so bewegten, als hätte er seine Gitarre in seinen Händen. Natürlich hatte Kyo erwartet, dass sich das Lied anders anhören würde. Allein schon, weil es eine Frauenstimme war, die den Text sang. Aber da oben waren nur drei Leute, die ein Instrument spielten und der Song war nun einmal für zwei Gitarren konzipiert. Doch anscheinend war Sachiko vielseitig, denn sie hielt nun ebenfalls ein Instrument in den Händen. Und wenn er die Bewegungen ihrer Hände, mit denen seines Freundes hinter sich verglich, war es definitiv dessen Part. Unentwegt betrachtete er die Bühne, fühlte von Note zu Note mehr, wie sein Herz immer schwerer zu werden schien. So schwer wie sein Seufzen. Tief in ihm drin begann etwas zu erwachen, zu keimen. Das Lied gehörte ihm. War aus ihm, seinen Gefühlen und der Hilfe seiner besten Freunde entstanden. Wenn einer das Recht hatte es zu singen, dann doch wohl er, nicht wahr? Dort oben wollte er wieder hin. Nicht des Ruhmes wegen. Sondern wegen des Lichtes. Des reinen, strahlenden Lichtes. Und dem Gefühl der Befreiung. Dem losgelöst sein. In ihm erblühte der Wunsch dort oben zu stehen. Bekräftigt durch das Spiel seiner Freunde, die hinter ihm standen und ihm mit den Klängen, den sie ihren Instrumenten entlockten, den Rücken stärkten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)