Heldenlied von NejiTen-Schreiber (Legenden leben ewig [NejiTen][NaruHina][KibaIno][PeinKonan]) ================================================================================ Chapter 6 ~ You’ve got the light to fight the shadows ----------------------------------------------------- Unmöglich. Das Entsetzen machte Temari unfähig auch nur einen Finger zu rühren; ihre nächste Reaktion war ungläubiges Leugnen – wie konnte das sein?! Natürlich kannte sie die Geschichten, besser als viele andere. Wusste, dass es möglich und bereits geschehen war, aber das war alles theoretisches Wissen. Niemand hatte es je wirklich gesehen, denn alle, die Magie praktizierten, die auch nur im Entferntesten mit Nekromantie zu tun hatte, wurden schwersten Strafen unterworfen. Es sollte eigentlich niemand mehr da sein, der wusste, wie es ging, und auch keine Bücher mehr, aus denen man es lernen konnte. Und doch… und doch kamen dort zwei Skelette auf sie zugewankt, mit unkoordinierten Bewegungen und ausgestreckten Händen. Keines von ihnen hatte mehr Fleisch auf den bleichen, brüchigen Knochen, doch eines trug noch die Reste von auseinanderfallender Kleidung. Beide waren sie zweifellos sehr alt und ein distanzierter Teil ihres Gehirns fragte sich, wie sie sich überhaupt noch auf den Beinen oder besser noch, in einem Stück zusammen hielten, abgesehen von der Tatsache, dass sie so oder so bereits lange tot waren… Sie spürte die Flammen des Freudenfeuers keine zwei Schritte von ihr entfernt heiß brennen und den weichen Boden unter den Sohlen ihrer Stiefel, aber für einen Moment schien ihr nichts davon real zu sein. Dann wünschte sie sich mit mutloser Gewissheit in dieser sehr schlimmen Situation ein Schwert. Am besten das magische Erbstück, das seit Generationen in ihrer Familie weitergereicht wurde und angeblich aus der Zeit der Totenkriege stammte. Das wäre genau die richtige Waffe für diese Situation… Dummerweise stand es dem männlichen Erben ihrer Dynastie zu und das war einer ihrer jüngeren Brüder. Trotzdem würde sie etwas tun müssen, als einzige Person hier, die etwas vom Kämpfen verstand – sie konnte diese armen Bauern schließlich nicht tatenlos ihrem Schicksal überlassen. Auch wenn sie selbst keine Ahnung hatte, was sie tun sollte. Dies waren Untote, Kreaturen aus Mythen und Legenden… Die immer noch auf sie zukamen und die Leute rutschten von Panik in echte Hysterie und sie mussten ruhig bleiben. Nuren hinter ihr keuchte schwer und laut, seine Augen fest und weit auf die näher torkelnden Skelette gerichtet. Sie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn kurz. „Bringt Euch unter Kontrolle!“, fuhr sie ihn an. „Haltet die Leute ruhig, schafft sie ins Dorf zurück und…“ Sie brach ab, als Nurens Augen plötzlich noch weiter wurden und sein Gesichtsausdruck ins Panische wechselte. Heftig wandte sie sich um und das erste Skelett war nur noch wenige Schritte hinter ihr. Warum war es so schnell?! Sie fuhr zurück und stieß Nuren und weitere Leute nach hinten. Jetzt wünschte sie sich wirklich ein Schwert oder besser noch, eine Axt; sie hatte gehört, das würde gegen Untote helfen… Im Moment würde sie sich jedoch auch mit einem Schild zufrieden geben und sie sah sich hastig nach etwas um, mit dem sie sich die Toten vom Leib halten konnte. Zumindest so lange, bis alle anderen in Sicherheit waren. Sie schrie erschrocken auf, als sich plötzlich eine Hand auf ihre Schulter legte. Aber es war nur Nagato, der sich an ihr vorbeischob, und sie war auf einmal froh, dass er da war, ein zweiter kampferprobter Mann, auch wenn er irrsinniger Weise einen Stuhl dabei hatte. Aber er schien genau zu wissen, was er tat. Mit ruhigen Bewegungen packte er das Möbelstück an der Lehne und schmetterte es mit aller Kraft auf den ersten Angreifer. Knochen und Holz barsten unter der Wucht der Attacke, doch das Skelett bewegte sich noch immer und auch Nagato war noch nicht fertig. Mit den Resten des Stuhls prügelte er auf das Gerippe ein, bis es als Haufen geborstener Knochen zu Boden sackte. Die Szene war schnell und brutal und kaum war der Fremde fertig, machte er den letzten Schritt auf das zweite Skelett zu, das inzwischen herangekommen war, nicht abgeschreckt von dem Schicksal seines Kollegen. Die Reste des Stuhls fielen unbeachtet ins Gras und Nagato packte die untote Kreatur, wandte sich rasch um und warf sie ins Feuer. Ein unmenschlicher Schrei ertönte, als die spröden Knochen viel zu schnell und viel zu hell in Flammen aufgingen. Beinahe verwirrt starrte Temari auf die sich windende, brennende Kreatur, die dort in den reinigenden Lohen verging. Sie erinnerte sich vage an die Fußnote in einer Abhandlung über die Totenkriege, die auf etwas Dergleichen verwies, und zuckte erneut heftig zusammen, als Nagatos Hand auf ihre Schulter zurückkehrte. Er sah sie mit intensivem Blick an. „Fass dich.“, befahl er ihr in einem Ton, der zeigte, dass er das Befehlen gewohnt war. „Ich brauche deine Hilfe.“ Sie stand unter Schock, das wusste sie, und die Tatsache, dass sie das überhaupt bemerkte, zeigte, dass sie sich langsam wieder erholte. Sie atmete tief ein und versuchte, ihre Gedanken zu beruhigen, auch wenn sie immer wieder zu einem Punkt zurückkehrten: das waren Untote. Kreaturen, die es nicht mehr geben durfte. Sie richtete den Blick auf Nagato, der sie daraufhin wieder losließ. Er erwiderte ihn ernst und sicher und ihr wurde mit einem Mal klar, dass er wirklich und absolut wusste, was er hier tat. Dass er es nicht zum ersten Mal tat. Und er war willens, das Kommando zu übernehmen, um diesen Bauern eine echte Chance zu geben. Diese Tatsache allein half ihr, sich zu fassen. Sie atmete noch einmal tief ein und dann ganz bewusst aus, ehe sie ihm zunickte. „Was soll ich tun?“ „Da hinten ist ein Gottesacker.“, antwortete er. „Und das hier waren nur die ersten Feinde. Sie haben allerdings keinen Anführer.“ „Was sie hat sie überhaupt erweckt?“, fragte Temari leise und spähte an ihm vorbei zum Wald hinüber. Bewegte sich dort nicht etwas? „Chaotische Magie, vielleicht.“, war die ruhige Antwort. „Oder ein Nekromant, der nicht weiß, was er tut. Ich verstehe nicht viel davon.“ Jedenfalls mehr als alle anderen hier, fuhr es ihr durch den Kopf, einschließlich ihrer selbst, die die Totenkriege studiert hatte. Doch das spielte jetzt keine Rolle. Jetzt mussten sie sich erst um die drängenderen Probleme kümmern. Um die teilweise durcheinanderlaufenden, teilweise schockierten, teilweise bereits fliehenden Menschen, um das entstandene Chaos, um die Untoten… „Nuren, wir müssen die Leute zur Ruhe bringen!“, bellte sie den Vorsteher an. „Helft uns!“ Der Mann blickte sie unsicher an, aber wandte sich gehorsam um und rief mit zittriger Stimme: „Bürger! Hört mich an!“ Dass niemand ihn bemerkte, war kein Wunder, weder für Temari noch für Nagato, der die Sache daraufhin selbst in die Hand nahm. „Ruhe!“ Seine Stimme war vernehmlich und zwingend und es gab nur wenige, die nicht innehielten und sich ihm zuwandten. „Beruhigt euch! Das ist nicht der Weltuntergang – und auch nicht das Ende eures Dorfes, ihr könnt immer noch kämpfen! Bringt die Kinder und die übrigen, die nicht dazu in der Lage sind, in die Dorfhalle. Alle anderen bewaffnen sich – Heugabeln, Äxte, Knüppel und Fackeln hat jeder, bleibt auf jeden Fall in Gruppen zusammen. Verbarrikadiert die Halle. Wer sind hier die Heiler?“ Niemand rührte sich. „Dorfhalle?“, wollte jemand wissen. „Heiler?“, fragte eine andere Stimme und ein paar riefen entsetzt im Chor: „Kämpfen?!“ Für einen Moment schien Nagato sprachlos nach Worten zu suchen. „Denkt ihr, das waren die einzigen Toten für heute?! Da sind noch einige mehr auf dem Weg und sie kennen nichts als den Willen zu zerstören. Und da wollt ihr nicht kämpfen?! Für euer Zuhause, euer Leben und eure Kinder werdet ihr wohl kämpfen! Und für alle Wehrlosen braucht ihr ein Gebäude, in das alle hineinpassen, damit sie sicher sind. Und jetzt bewegt euch!“ Die Dorfbewohner machten sich gehorsam auf den Weg ins Dorf zurück und er warf einen Blick über die Schulter zum Waldrand hinüber. Temari tat es ihm gleich und erschauderte bei dem Anblick, der sich ihr bot. Nagato-der-Fremde hatte recht gehabt – die beiden Gerippe waren nur die Vorboten gewesen. Anscheinend hatten sich alle ‚Bewohner‘ des nahegelegenen Friedhofs, der schon seit Generationen jeden Verstorbenen aus einem gigantischen Umkreis aufnahm, in widernatürliche Bewegung gesetzt und marschierte nun zielsicher zum Dorf. Die größte Anzahl der Untoten war wesentlich jünger als die beiden Gerippe, doch alle waren sie in unterschiedlichen Stadien der Verwesung. Die Vordersten waren allerdings ebenfalls nicht mehr als blanke Knochen. Das würde kein Zuckerschlecken werden und sie wünschte sich ein paar kampferprobte Soldaten. Doch alles, was sie hatte, waren ein paar Bauern, zusammengehalten von Angst um ihr Zuhause und einem mysteriösen Krieger. Dennoch folgten die Leute den Anweisungen. Der kurze Marsch ins Dorf war hastig, aber nicht panisch. Die Frauen und Alten sammelten die Kinder ein und strebten auf das Versammlungshaus zu. Die anderen strömten in die Häuser und kamen bewaffnet zurück: mit Heugabeln und Holzäxten, ein paar trugen schwere Sauspieße und Bral hielt sogar ein Schwert in Händen. Überschüssige Waffen wurden an die Nachbarn aus den Weilern und von den Höfen weitergegeben, die nicht mal schnell nach Hause eilen und ihre eigenen besorgen konnten. Temari selbst stürmte in das kleine Zimmer im Versammlungshaus, das man ihr zur Verfügung gestellt hatte, gürtete ihr eigenes Schwert, eine gute Klinge aus mehrfach gefaltetem Eisen, und schnappte sich den Dreiecksschild mit dem Wappen des Hauses Sabakuno. Als sie auf den Platz zurückkehrte, gab Nagato gerade eine riesige Kriegsaxt, die bei seinem Eintreffen am Sattel seines Pferdes gehangen hatte, an einen jungen Mann weiter, der gebaut war wie ein Bär. Der Krieger selbst trug ein Langschwert auf dem Rücken, schien aber die kürzere Bronzeklinge zu bevorzugen, die an seinem Gürtel hing. Dazu kam ein runder, altmodischer Buckelschild, der aus dunkelroten Schuppen gefertigt schien. Er trug kein Wappen, sah sich aber um, als sei er gewohnt, dass man seinem Befehl folgte. Und wirklich: die Menschen, die vorher hysterisch geflohen oder sogar panisch erstarrt waren, sammelten sich jetzt auf dem Dorfplatz. Jeder sah verängstigt aus, aber auch entschlossen, bereit das Zuhause und die Familien zu schützen, wie Nagato gesagt hatte. Selbst einige Frauen schlossen sich der Gruppe an; nachdem das Versammlungshaus verrammelt und geschlossen war. Nagato zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er begann sie mit den Männern in kleine Gruppen aufzuteilen. Kurz darauf stellte er Bral mit dreien davon zur Seite; sie sollten die Halle schützen. Das war eine gute Wahl, denn der Schmied war außer Temari und Nagato selbst vermutlich der einzige, der schon einmal echten Krieg gesehen hatte. Er würde am ehesten wissen, was zu tun war, wenn es hart auf hart kam. Dann winkte Nagato sie heran und wies auf ein paar weitere Gruppen an Kämpfern. „Du übernimmst die Flanke.“ Dann wandte er sich wieder an die Allgemeinheit, seine Stimme laut und deutlich über das Gemurmel und Gerede der Menschen. „Achtet darauf, dass keine der Kreaturen durchbricht. Nutzt die Feuer als Scheiterhaufen und schlagt ihnen die Schädel ein oder die Köpfe ab. Arbeitet zu zweit – einer soll sie auf Abstand halten, der zweite erledigt sie. Brecht auf keinen Fall die Reihen, selbst wenn die Toten fliehen sollten. Auf keinen Fall.“ Temari hoffte, dass die Bauern darauf hören würden. Sie hatte schon Schlachten gesehen, die verloren wurden, weil eben dies geschah. Sie wollte das hier nicht riskieren. „Kommt jetzt, Krieger. Selbst eure Freudenfeuer werden die Toten nicht ewig aufhalten.“ Damit machte er kehrt und ging schnellen Schrittes wieder zum Festplatz zurück. Zu Temaris Erstaunen und Erleichterung folgten alle ohne weitere Fragen – einschließlich ihrer selbst. Die Untoten hatten sich größtenteils am Rande der Lichtkreise der Feuer versammelt, so wie Nagato es vorausgesagt hatte. Sie schienen Angst vor den Flammen zu haben, aber die legte sich wohl langsam, denn einige mutigere Tote hatten sich voran gewagt und torkelten auf dem Festplatz herum. Einige andere schoben sich um den Lichtkreis herum und bewegten sich so auf das Dorf zu. Nagato überblickte die Situation in einem Atemzug und begann, knappe, aber verständliche Befehle zu brüllen, während er bereits sein Schwert zog. Temari und ihre Gruppe schickte er los, um den größten Teil der Abweichler abzufangen. Die wenigen, die auf die andere Seite hin auswichen, ließ er von einigen jungen Männern unter der Führung des Bären, dem er seine Axt gegeben hatte, aufhalten. Er selbst stellte sich mit dem Rest der Bauern der 'Hauptstreitmacht'. Eigentlich hielt der Kommandeur der Truppen sich aus dem Kampf heraus; er musste den Überblick behalten und das war schwer, wenn man sich mitten im Geschehen befand, selbst auf einem so kleinen Schlachtfeld. Aber manchmal war dies nicht möglich und das hier war eine solche Situation. Sie konnten einfach nicht auf die Schlagkraft und Kampferfahrung verzichten, die Nagato darstellte. Aber Temari wollte verdammt sein, wenn sie je jemanden gesehen hatte, der diese doppelte Aufgabe besser gemeistert hätte. Er bellte Befehle, hielt seine Impromptu-Soldaten zusammen und zog die Aufmerksamkeit von mehr Untoten auf sich als alle anderen. Die Feuer färbten seine bronzene Klinge blutrot und sein Schild spiegelte die Flammen in bizarren Mustern. Dann hatte Temari keine Zeit mehr, sich um den Fremden zu kümmern, sondern musste sich ihren eigenen Gegnern zuwenden, während sie mit einem Auge auf ihre eigenen Kämpfer achtete. Die wandelnden Leichen schienen die Feuer angesichts der Lebenden völlig vergessen zu haben, denn kaum, dass diese aufgetaucht waren, stürzten sie sich auf sie. Mit ausgestreckten Armen, die ihre einzigen Waffen waren, griffen sie an und die Reihe der eben noch mutigen Verteidiger stoppte. Auch Temari, das Schwert in der Hand, zögerte einen Moment. Hier war sie, im Begriff gegen mythische, schwarzmagische Kreaturen zu kämpfen, über die sie bis jetzt nur gelesen hatte und trotz ihres selbst gewählten Studienthemas noch nicht einmal sonderlich tief. Doch dann riss sie sich zusammen – ob aus dem Reich der Legenden oder nicht, hier und jetzt waren sie sehr real und sehr tödlich. Sie machte kurzentschlossen einen Schritt vor und drosch dem nächstbesten Skelett ihren Schild gegen die Brust. Die Kreatur stolperte zur Seite, beinahe in eines der Feuer hinein, und Temari fühlte einen Anflug von Triumph. Sie hob ihr Schwert und schlug zu, zwei-, dreimal rasch hintereinander. Die alten Knochen barsten unter der Wucht ihrer Schläge und das Gerippe fiel in sich zusammen. Dies, mehr als alles andere, zeigte ihr, dass Nagato recht gehabt hatte und sie kämpfen und siegen konnten. Natürlich mochten ihre Gegner scheußlich und unmenschlich stark sein, aber sie waren nicht unbesiegbar, sie hatten keine Waffen und auch keinen Anführer oder erst recht keinen Plan. Sie schienen es einfach nur auf die Lebenden abgesehen zu haben und kamen sich dabei in ihrer Hast teilweise gegenseitig in die Quere. Temari trat die Knochen ins Feuer und wandte sich an ‚ihre‘ Kämpfer. „Ihr habt gehört, was er gesagt hat! Bleibt zusammen, kämpft!“, befahl sie. Sie deutete mit dem Schwert auf Nagatos Truppe, wo der Kampf schon in vollem Gange war. Schreie und die Geräusche von Metall, das auf Körper traf, hallten herüber. Eine Frau hackte mit stiller Wut auf einen beinahe frischen Körper ein, den zwei Halbwüchsige mit Heugabeln auf Abstand hielten. Zwei junge Mädchen schoben ein Skelett mit Rechen vor sich her, bis sie es in ein Feuer stoßen konnten, wo es sofort in grelle Flammen aufging. Der bärenhafte Mann schwang Nagatos Kriegsaxt mit beiden Händen wie ein Hackebeil, aber mehr brauchte es auch nicht – denn auch, wenn abgetrennte Glieder anscheinend wieder anwuchsen, galt dies nur, solange der Kopf unversehrt blieb. Temari sah auch ein oder zwei Bauern unter den mitleidslosen Klauen der Leichen fallen, aber sie wollte sich nicht entmutigen lassen. „Auf geht’s!“, feuerte sie ihre Horde an und es erzielte Wirkung. Die Kämpfer stürmten los, mit blassen Gesichtern, aber einem entschlossenen Funkeln in den aufgerissenen Augen. Metall klirrte, Schreie zwischen Wut und Angst erschollen, Heugabeln gruben sich in halb verweste Körper. Die Äxte und Dreschflegel verursachten ekelerregende Geräusche, wenn sie ihre Ziele trafen, aber sie zeigten Wirkung. Temari hielt sich im Hintergrund, bereit dem zur Hilfe zu eilen, der sie brauchte, und um den Überblick zu behalten. Dennoch kam sie oft genug zum Kämpfen, half hier, Köpfe abzutrennen, und dort, einen Untoten auf Abstand zu halten. Sie nutzte ihren Schild um Kreaturen ins Feuer oder in wartende Klingen zu stoßen, wehrte Hände und Angriffe mit ihrem Schwert ab und fühlte den bekannten Rausch der Schlacht. „Großvater!“ Wenige Schritte neben ihr ging ein Junge unter dem Angriff von zwei Feinden zu Boden, die Augen schreckgeweitet auf das Gesicht eines verwesenden alten Mannes gerichtet. Und er war nicht der einzige. Viele der Bauern erkannten verstorbene Angehörige, hielten inne und brachten so die gesamte Verteidigung ins Stocken. „Das sind nicht eure Angehörige!“, brüllte Nagato, der die Gefahr instinktiv gespürt haben musste. „Eure wahren Familien verlassen sich darauf, dass ihr sie beschützt! Diese Toten sind nicht länger eure Väter, Mütter, Großeltern, Brüder und Schwestern! Sie sind Ungeheuer und weiter nichts! Kämpft!“ Das Zögern der Dörfler verebbte auf die scharfe Zurechtweisung des Kriegers und auch Temari fing sich wieder. Sie erreichte den gefallenen Jungen und trieb mit wütendem Gebrüll die wandelnden Leichen von ihm weg. Sie wusste nicht, ob sie doch zu spät gekommen war, doch sie hatte keine Zeit, es nachzuprüfen. Eine plötzlich auflodernde strahlendblaue Stichflamme erfasste fünf oder sechs Untote auf einmal, fraß sie mit übermächtiger Schnelligkeit auf und hinterließ den ätzenden Geruch von kunstloser Feuermagie. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihre Gruppe längst zum Hauptkampf geführt hatte und Seite an Seite mit Nagato stand. Die einstmals sauberen Linien hatten sich aufgelöst, aber anscheinend spielte das keine Rolle, weil der Gegner führerlos war. Aber dennoch – es waren so viele. Generationen von Leuten, die hier gestorben und begraben worden waren, alle aus diesem Ort und den dazugehörigen Ansiedlungen. Noch immer stolperten einige Tote aus dem Wald. Nagato neben ihr nutzte die Kante seines Schildes und hieb es gegen den Hals einer Kreatur. Der Knochen barst laut, doch das Wesen taumelte nur. Der Krieger schlug noch einmal zu und half mit einem Tritt nach, der es in eines der Feuer beförderte. Temari fing den Schlag eines weiteren Untoten ab, dessen Wangen von Maden zerfressen waren, und schlug ihrerseits zu. Die Hand fiel zu Boden, zuckte und wand sich noch, doch die Schwertkämpferin konnte sich davon nicht ablenken lassen. Ihre Klinge schnellte nach oben und trennte der Kreatur glatt den Kopf von den Schultern, so dass sie wie ein nasser Sack in sich zusammenfiel. Schwer atmend hielt Temari einen Moment inne und richtete ihren Schild. Das Schlachtfeld sah fürchterlich aus, noch immer wurde an zu vielen Stellen gekämpft und der Geruch von Blut und Verwesung hing in der Luft. Die Schreie der Verwundeten und Sterbenden übertönten längst das Angriffsgeschrei der anderen Bauern. Temari schauderte und Nagato neben ihr stieß einen wüsten Fluch aus. Er zog etwas aus seiner Gürteltasche, das aussah wie ein länglicher, hölzerner Talisman, geschmückt mit roten Federn und gelben Perlen; sein Schwert steckte vor ihm in der Erde. Er zerbrach das kleine Stöckchen zwischen den Fingern und warf es in eine kleine Gruppe von Untoten. Einen Moment später flammte erneut das blaue Feuer auf – tatsächlich Magie. Jedoch war ihr der Krieger nicht wie jemand vorgekommen, der auf solche Tricks zurückgriff… Doch das Feuer verbrannte die Toten zu Asche und darüber würde sie sich nicht beklagen. Sie wechselte einen Blick mit ihm, kurz nur, aber genug um zu erkennen, dass er die Situation ähnlich sah wie sie. Schlimm, doch nicht hoffnungslos und Nagatos kleine Zaubertricks, die er so einfach aus dem Gürtel zog, würden sicherlich helfen. Temari wehrte sich gegen noch mehr Angreifer und versuchte weiterhin, die Bauern im Blick zu behalten, aber bei diesem Chaos war es schwer. Außerdem lenkte sie ein seltsames, lockendes Summen ab, von dem sie erst dachte, dass sie es sich einbildete. Irgendwann fiel ihr auf, dass sie es tatsächlich hörte, ein fremdartiges, aber betörendes, ja, sogar zwingendes Geräusch, das eigentlich zu leise war, als dass sie es durch den Kampflärm hätte hören können. Doch da sie weder wusste, woher es kam, noch, was es bedeuten sollte, ignorierte sie es so gut es ging und konzentrierte sich auf den Kampf. Als ein Mädchen neben ihr laut aufschrie, fuhr sie herum. Sie schlug dem Toten mit einem Rückhandschlag den Unterarm ab und stieß die Kreatur in Nagatos Reichweite, der ihr sauber den Kopf von den Schultern trennte. Er zerrte das gerettete Mädchen auf die Beine und aus dem Weg von einer weiteren wandelnden Leiche, die Temari rasch beseitigte. Die Kleine hatte ihre Waffe verloren, das volle braune Haar hing ihr wirr in die Stirn und die Augen waren angstvoll aufgerissen, doch der verbissene, entschlossene Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie noch nicht besiegt war. Nagato drückte ihr nach einem kurzen Rundblick das eigene Schwert in die Hand, korrigierte ihren Griff und zog einen weiteren seiner Feuertalismane aus der Tasche, um eine kleine Gruppe von Untoten auszulöschen. „Das wird so nichts.“, knurrte er und griff nach dem Heft des Langschwertes. Die nächsten Momente würden Temari immer als einige der bedeutendsten, lebensverändernden Augenblicke ihrer Existenz in Erinnerung bleiben. Das Summen wurde lauter und melodischer, entwickelte sich von einem geisterhaften, beinahe tonlosen Zirpen zu einer silberhellen, berückenden, unmenschlichen Stimme, bezaubernd im wahrsten Sinne des Wortes. Die Untoten um sie herum wichen zurück und Temari fühlte Kraft in ihre eigenen Glieder zurückkehren, geboren aus der plötzlichen Zuversicht und Hoffnung in ihrem Herzen. Und sie bemerkte schnell, dass es nicht nur ihr so ging – jeder ihrer Verbündeten, der die Melodie hörte, schien zu erstarken, richtete sich auf, drang mit neuer Kraft auf den Feind ein und schlug ihn zurück. Und das anspornende, beeinflussende, aufstachelnde Lied des Schwertes klang laut und klar und großartig über den Kampfplatz. Temari fällte drei instinktiv zurückweichende Untote, während Nagatos Schwert links und rechts Kreaturen mit nur Berührungen niederstreckte, ehe sie sich der Tragweite der Ereignisse bewusst wurde. Es war ein Lied. Ein Schwert, das sang – ein Singendes Schwert. Es gab nur eine einzige solche Waffe, eine legendäre Klinge direkt aus den Händen der Götter. Und Götter kopierten ihre eigenen Werke nicht. Es gab nur dieses eine Singende Schwert – Antarion, das seit den Totenkriegen als verschollen galt, gemeinsam mit seinem Besitzer und Herrn: Pein Kriegsfeuer. Wie kam ein abgerissener Söldner zu einer solchen Waffe?! Kein Wunder, dass er das Kurzschwert bevorzugte, trotz Antarions offensichtlicher Effektivität… Doch selbst wenn er nicht zu dem magischen Schwert gegriffen hätte, wäre die Schlacht siegreich ausgegangen, da war Temari sich sicher – wenn auch mit weit größeren Verlusten. So aber war es kaum mehr Arbeit, als sich Nagato anzuschließen, der einen Pfad durch die Untoten schlug. Diese wichen vor dem Krieger zurück, kamen aber nicht auf die Idee zu flüchten, was vermutlich gut war. Temari wollte nicht über den Schaden nachdenken, den sie auf diese Weise anrichten könnten. Die Bauern ihrerseits schöpften wieder neuen Mut. Sie verdoppelten ihre Anstrengungen und endlich – endlich! – zeichnete sich ein Fortschritt ab. Die Reihen der Untoten lichteten sich, immer mehr Lebende konnten sich zusammen auf einen Feind stürzten und aus dem Wald torkelten auch keine neuen Leichen mehr. Temari selbst war es, die den letzten Kadaver, fixiert von zwei Heugabeln, erledigte, und der groteske Feind sackte zusammen. Schwer atmend zog sie ihr Schwert zurück und sah sich suchend um, aber da waren keine Gegner mehr, nur noch blutige, abgekämpfte Krieger, die keine Krieger waren, sondern doch nur Bauern. Die Luft war erfüllt von Stöhnen, Schluchzen, leisem Weinen und dem triumphalen Siegeslied des Schwertes, doch die Geräusche des Kampfes fehlten. Ein erleichtertes Seufzen ging durch die Reihen und dann brach plötzlich eine neue Art von Lärm los – Namen, die durcheinander gerufen wurden, schwirrende Stimmen, Wimmern von Menschen, denen auf einmal klar wurde, was hier tatsächlich geschehen war. Temari sah sich um, fühlte sich nach dem Kampfesrausch erschöpft und ausgelaugt, Schild und Schwert hingen wie Gewichte an ihren Händen. Doch sie wusste aus Erfahrung, dass das Ende der Schlacht nicht bedeutete, dass jetzt alles vorbei war. Sie drehte sich im Kreis und suchte nach dem Mann, dem sie alle ihr Leben verdankten – ohne seine Führung hätten die Untoten so gut wie jeden im Dorf getötet und nicht nur einen Teil. Nagato stand zwischen drei gefällten Feinden und starrte einen von ihnen nachdenklich an. Sein Schwert sang noch immer, auch wenn die Spitze beinahe im Dreck lag. Dann schüttelte er plötzlich den Kopf und ging in die Hocke, um die Klinge sorgfältig an alter Kleidung abzuwischen, ehe er sie wieder in die Scheide zurückschob. Das wortlose Lied der Waffe wurde leiser und verstummte, als er das Heft losließ und die plötzliche Stille, die nicht wirklich leise war und sich trotzdem wie ein Tuch über das Feld legte, zog die Aufmerksamkeit aller auf sich, die zu einer Reaktion fähig waren. Für einen Moment starrte der Fremde wortlos zurück, beinahe als würde er auf etwas warten. Dann zeigte er auf eine Gruppe von jungen Männern und befahl ihnen, einen Schutzkreis zu bilden. Drei junge Mädchen schickte er los, um Bral zu verständigen und alle Hilfe zu holen, die sie bekommen konnten. Den Rest der Anwesenden kommandierte er zur Arbeit ab. Auch Temari schloss sich ohne weitere Worte an. Sie wischte ihr Schwert ebenfalls an der Kleidung einer Leiche ab und legte ihren Schild auf einen Tisch, der seltsamerweise noch stand. Sogar die Schüsseln darauf waren noch unberührt. Was nun folgte, waren lange Stunden angefüllt mit harter, grausamer Arbeit. Auf dem Dorfplatz wurde ein behelfsmäßiges Spital eingerichtet, wo die Verwundeten versorgt wurden. Die meisten wurden danach von ihren Verwandten nach Hause gebracht, für die am schwersten Verwundeten sowie die Gäste von außerhalb fand man Plätze im Versammlungshaus. Temari konnte dort nicht viel tun – sie hatte noch nie viel Talent fürs Heilen und Helfen gehabt. Also schloss sie sich der Gruppe an, die die Toten am Rande des Festplatzes aufreihten, wobei kein Unterschied zwischen den in dieser Nacht Gefallenen und denen, die bereits einmal begraben gewesen waren, gemacht wurde. Nagato hatte eine Gruppe von jungen, fast unverletzten Männern abkommandiert um damit zu beginnen, Scheiterhaufen zu errichten. Ab heute würde zumindest diese Gegend zu dem Ritual zurückkehren, ihre Toten zu verbrennen, wie man es vor achthundert Jahren getan hatte. Temari hatte sich schon öfter gefragt, warum man damit aufgehört hatte. Eine weitere Gruppe – junge Mädchen und Jugendliche, die zu stark verletzt waren, um bei den schweren Arbeiten mitzuhelfen, aber nicht so sehr, dass man sie nach Hause schicken musste – hatte der Fremde abgestellt Wache zu halten. Sie patrouillierten durch das Dorf und in einem bestimmten Umkreis darum herum. Ihre Befehle lauteten strikt, die Augen offen zu halten und auf keinen Fall eventuell noch bewegliche Untote allein anzugreifen, sondern Bescheid zu sagen. Bis jetzt war noch kein Alarm geschlagen worden. Nagato selbst arbeitete bei dem Trupp mit, der mit der Trennung der Leichen beschäftigt war. Der rote Schild sowie das Kurzschwert und die Axt, die er zurückbekommen hatte, ruhten neben Temaris eigenen Waffen. Antarion jedoch trug er weiterhin auf dem Rücken, etwas, an das er augenscheinlich gewöhnt war, wenn man die geübte Leichtigkeit bedachte, mit der er sich damit bewegte. Aber wenn sie ein solches Schwert besäße, würde sie es auch nicht so einfach aus der Hand geben, vor allem nicht, da jeder wusste, worum es sich hierbei handelte. Allerdings hätte Nagato sich keine großen Sorgen zu machen müssen. Keiner dieser Bauern würde von ihm stehlen. Der Respekt und die Bewunderung, die sie ihm entgegenbrachten, schlugen bereits in Ehrfurcht um. Zuerst war es nur Geflüster gewesen, eine absurde Idee, doch nachdem sie ausgesprochen worden war, setzte sich der Gedanke in den Köpfen der Menschen fest. Die Rätsel und Gerüchte, die Nagato seit Ende der Kämpfe umgaben, waren einer allgemein akzeptierten Wahrheit gewichen: Er war Pein, sagten sie, gekommen aus dem Reich der Mythen um ihnen im Kampf gegen die Untoten beizustehen, die aus denselben Geschichten stammten. Legenden, die die Alten von ihren Müttern und Vätern in ihrer Kindheit gehört hatten. Legenden, die von dem einen berichtete, der vier Gefährten um sich scharte und mit ihrer Hilfe die freien Fürsten unter einem Banner einte, um gegen den Lichlord selbst zu kämpfen. Pein Kriegsfeuer. Und nun war er zurückgekommen. In der Gestalt Nagatos-des-Fremden oder war Nagato Peins Wiedergeburt? Es gab unterschiedliche Meinungen, wobei die Version, dass es sich bei Nagato tatsächlich um Pein Kriegsfeuer handelte, die anerkannteste war. Temari war sich dessen nicht so sicher, denn eine solche Antwort warf zu viele, zu komplizierte Fragen auf. Warum? Und woher kamen die Toten überhaupt? Warum sollten die Götter Pein herschicken? Denn wer sonst als die Götter selbst sollte dahinterstecken – wer sonst hatte diese Macht und vor allem diese Weitsicht? Achthundert Jahre waren eine lange, lange Zeit. Und warum sollten die Götter ein Interesse daran haben, ein winziges, vollkommen unbedeutendes Dorf im Zwielichtgebirge zu schützen? Temari würde sich nicht der Illusion hingeben, dass das Schicksal eines einzelnen Dorfes auch nur einen der Götter interessierte. Natürlich wusste sie, dass eine Zeitreise – nach vorne, niemals nach hinten – möglich war, immerhin war sie eine Gelehrte und zufällig an der Universität gewesen, an der eben jene Experimente von einem Erfolg gekrönt gewesen waren. Aber eine Zeitreise kostete mehr, als sie wert war und eine Zeitspanne von mehr als ein paar Tagen war zu dem jetzigen Zeitpunkt noch ein reines Wunschdenken. Nein. Nagato war nicht Pein, er konnte nicht Pein sein. Ihre eigenen Grübeleien machten mehr Sinn, selbst jetzt noch. Ein Söldner, ein Niemandsländler, der über das Grab der Helden gestolpert oder auf eine andere Weise an Antarion geraten war. Aber das nagende Gefühl, der Zweifel, dass so vieles nicht zueinander passte, das war noch immer da. Ihr fehlten noch einige Details und Informationen, um den richtigen Schluss zu ziehen und sie wusste: sie würde einiges dafür tun, um sie zu bekommen. Selbst jetzt sofort ihre Taschen packen und das Dorf verlassen, wenn es sein müsste. Ob Nagato nun wirklich Pein war oder nicht – Temari würde ihren ursprünglichen Plan aufgeben und sich an ihn hängen, ob er nun wollte oder nicht. Wenn er tatsächlich der Kriegsherr war, würde sie herausfinden, wie er hergekommen war – und warum. Und wenn nicht – nun, irgendwoher musste er Antarion haben und auch das war ein Fortschritt zu allem anderen. Zu allen anderen Forschungen über die Helden, bei denen niemals auch nur eine Gürtelschnalle aufgetaucht war, geschweige denn eine ihrer legendären Waffen. Jetzt war die Lösung zum Greifen nahe, die Antwort auf die Frage, wo die Legendären Fünf abgeblieben waren… Temari würde sie nicht durch die Finger rinnen lassen wie den feinen Sand in ihrer Heimat. Doch eine Wahrheit konnte sie selbst mit den besten Argumenten nicht leugnen. Ob Nagato nun Pein war – er hatte dieses Dorf gerettet und das machte ihn ebenso zu einem Helden wie Pein Kriegsfeuer einer gewesen war… Der Himmel bekam schon einen Graustich, als Temari sich zurückzog um noch ein paar Stunden zu schlafen. Die meisten der Dorfbewohner waren bereits im Bett, aber einige arbeiteten noch wie besessen. Nagato hatte ein paar mehr als Wachen abgestellt, auch wenn er nicht mehr glaubte, dass sie noch notwendig waren, und dann hatte auch er sich hingelegt. Auch Temari würde etwas Ruhe jetzt gut tun… ~ [ ♠ ] ~ Hinata sah den fremden Jungen an, der aus dem Nichts aufgetaucht war. Bei ihren Worten hatte er sich umgedreht und sie überrascht angestarrt. Er wirkte angespannt und die Verblüffung darüber, außer Lee noch jemanden vorzufinden, war ihm ins Gesicht geschrieben. Er war erschöpft und die Angst entdeckt zu werden, las sie in jeder noch so kleinen seiner Bewegungen. Doch etwas an ihm faszinierte sie. Vielleicht war es der klare Blick aus den himmelblauen Augen. Vielleicht sein goldenes Haar, das ihm in einer Art verwegener Tollkühnheit ständig in die Augen fiel, oder die Tatsache, dass er sich in größte Gefahr begab, um einen Freund zu retten, den andere längst abgeschrieben hätten. Er war ganz anders als Neji, Kiba oder Pein. „Wer seid Ihr?“, wollte der Fremde schließlich wissen und Hinata konnte nicht verhindern, dass der Klang seiner Stimme ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Selbst seine Stimme zog sie an! Hatte er irgendeinen Zauber gewirkt, den sie nicht mitbekommen hatte? Aber nein, das konnte nicht sein. Oder doch? Ihre Kräfte waren schließlich verschwunden… „Wir müssen dir nicht antworten, wir wissen auch nicht, wer du bist? Wer sagt uns, dass dies keine Falle ist?“, mischte sich Konan ein und fasste den Fremden aufmerksam ins Auge. Lees Retter schnaubte verächtlich. „Als wenn ich mir mein eigenes Grab schaufeln würde. So blöd bin ich nun auch wieder nicht.“ „Dann spricht doch nichts dagegen, wenn du uns ebenfalls befreist“, lockte Konan ihn weiter und Hinata sah, wie sie einen kurzen Blick auf den Dolch an seinem Gürtel warf. „Naruto…“, forderte Lee schwach. „Wir werden dir ganz bestimmt nicht schaden“, fügte Hinata hinzu, „wenn du uns hilfst, ist dir auch unsere Hilfe gewiss.“ Narutos Entschlossenheit bröckelte. Hinata sah es an der Art, wie er schuldbewusst die Gitterstäbe betrachtete, die Konan und sie von ihm und Lee trennten. In seinen Inneren kämpften der Drang kein unnötiges Risiko einzugehen gegen seine unumstößliche Moral, andere Gefangene nicht dem gleichen Schicksal auszusetzen, wie sein Freund es bereits ertragen hatte. Seine Moral siegte. „Bei allen Göttern!“, fluchte er leise, ließ Lee vorsichtig zu Boden gleiten und öffnete mit dem Schlüssel, mit dem er schon Lees Zelle aufgesperrt hatte, nun auch ihre Kerkertür. Mit einem Knarren schwang sie nach außen auf und Hinata trat den ersten Schritt in die Freiheit. Naruto hatte sich indessen schon wieder Lees Arm um die Schultern gelegt und hievte seinen Freund hoch. „Ino wird mich umbringen“, murmelte er zu sich selbst. Ohne zu fragen nahm Hinata Lees anderen Arm und half ihm den Verletzten zu stützen. Überrascht blickte Naruto auf. Zu ihrer eigenen Scham errötete sie und schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. „Ich heiße Hinata“, stellte sie sich vor. „Naruto.“, sagte der junge Mann und Hinata wiederholte im Kopf seinen Namen. Naruto. Warm und weich lag ihr das Wort auf der Zunge. „Vorstellen können wir uns später“, riss Konan sie aus den Gedanken, „zuerst mal sollten wir sehen, dass wir hier weg kommen.“ Mit diesen Worten riss sie die Tür auf und stieß fast mit einer blonden, jungen Frau zusammen, die ebenso erstarrte wie Konan. „Ino!“, rief Naruto und lenkte die Aufmerksamkeit der Fremden auf sich. Ino ließ den Blick schweifen und erfasste mit einem Blick die Situation. „Kannst du mir vielleicht mal erklären, was du da tust, Naruto?!“ Sie stutzte. „Hallo Lee, vielen Dank auch, dass wir dich aus einer Uchihafestung retten müssen.“ Hinata sah wie Lee schluckte und eine unverständliche Entschuldigung murmelte, die Ino nicht einmal zur Kenntnis nahm. „Naruto, wir hatten klar ausgemacht, dass unser einziges Ziel ist Lee zu retten. Du kannst nicht jeden retten, mit dem du auf dem Weg dorthin Mitleid bekommst!“ „Aber sie…“, Naruto biss sich auf die Lippen. „Wir können es uns bei allen Göttern verdammt nochmal nicht erlauben Zeit zu…“ Ino erstarrte mitten im Satz und blickte schreckensbleich auf ihren eigenen Dolch, den Konan ihr entwendet hatte und den sie ihr an die Kehle hielt. „Ich denke, du bist hier die einzige, die Zeit vergeudet. Wir sollten sehen, dass wir alle fliehen. Im Nachhinein kannst du ihm immer noch eine Predigt halten.“ Ino schluckte und schlug die Augen nieder und auf Konans Gesicht trat ein undurchschaubares Lächeln. „Ich sehe, wir verstehen uns. Der hier gehört dir, wenn ich mich nicht irre. Gibt Acht, dass er dir nicht verloren geht.“ Sie drückte Ino die Waffe in die Hand, mit der sie sie gerade noch bedroht hatte, und trat aus dem Kerker. „Und jetzt los, ehe wir noch mehr Zeit verlieren.“ „Kannst du gehen?“, wandte sich Hinata an Lee. Der biss die Zähne zusammen und nickte verbissen. Schon die wenigen Meter, die Naruto ihn aus der Zelle geschleppt hatte, hatten ihm mehr zugesetzt, als er zugeben wollte. Wenn sie doch nur ihre Magie hätte! Dann könnte sie zumindest seine Schmerzen unterdrücken! Im Kopf flüsterte sie die Worte, die sanft sein konnten und in einer anderen Zusammenstellung tödlich. Magie war ein zweischneidiges Schwert und nur diejenigen, denen sie ein Teil ihrer selbst war, konnten sie je wirklich beherrschen. Man musste spüren und sein. Hinata warf einen Blick auf Lee. In seinem jetzigen Zustand konnten sie ihn höchstens ohnmächtig aus dem Schloss bekommen und das würde sie furchtbar langsam machen. Verzweifelt griff Hinata nach der Kraft, die tief in ihr schlummerte. Magie konnte nicht einfach vergehen. Man wurde damit geboren und lebte mit ihr, bis man starb. „Ichali erwa alguduin famea vert.“ Vergiss den Schmerz. Ihre Stimme war nur ein Hauch und Lee zeigte überhaupt keine Regung. „Hast du etwas gesagt?“, riss Naruto sie aus den Gedanken. Hinata erschrak und hätte beinahe Lee losgelassen. „N-nein“, stotterte sie, „Du musst dich verhört haben.“ „Vermutlich hast du recht“, erwiderte Naruto und grinste verlegen, „ich werde schon paranoid.“ „Können wir jetzt endlich mal gehen? Ich will keine Sekunde länger hier bleiben.“ Überrascht starrte Hinata den Verletzten an. Bis vor einer Minute hatte Lee kaum mehr Kraft zum Sprechen gehabt und war nicht etwas Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt? Hatte der Zauber doch gewirkt? Aber sie hatte nicht mal gespürt, dass er seine Wirkung entfaltet hatte… „Na dann los.“ Naruto richtete sich zu voller Größe auf und stemmte Lee auf die Füße. Hinata musste sich anstrengen es ihm gleich zu tun, doch mit vereinten Kräften schafften sie es Lee zum Treppenabsatz des Turms zu schleifen, wo Konan und Ino schon warteten. Naruto drückte Ino den Schlüssel in die Hand, ehe sie die Treppe in Angriff nahmen. Lee versuchte so gut er konnte mitzuhelfen, aber nach nur fünfzehn Stufen, stand ihm bereits der Schweiß auf der Stirn. Seine Beine drohten unter ihm wegzuklappen und er stolperte mehr, als das er ging. Hinata flüsterte erneut die Worte des Zaubers und dieses Mal meinte sie bemerkt zu haben, dass der Ismalith unter ihrer Kleidung ein ganz sanftes Licht ausstrahlte. Sie hatten gerade die Hälfte der Treppe hinter sich gebracht, als der Alarm losging. Irgendwo schlug jemand einen lauten Gong, der durch die gesamte Burg dröhnte und Hinata durch Mark und Bein ging. „Schnell“, rief Ino panisch, „wir müssen hier raus, sonst sitzen wir in der Falle.“ Sie hastete voraus, Konan dicht hinter ihr und Hinata bemühte sich Lee schneller die Stufen herunter zu bekommen. Als sie endlich unten ankamen, war Hinata bereits erschöpft. Die Tür des Turms schwang nach außen auf und Hinata und Naruto stolperten mit Lee im Schlepptau auf die Brücke, die vom Turm zu der Burg führte. In dem Moment brach der Mond durch die Wolkendecke und tauchte den Stein vor ihnen in silbriges Licht. Kaum hatte sie das Licht berührt, fühlte Hinata sich besser. Natürlich… der Vollmond. Die Nacht, in der Magie am stärksten war. Zu ihrem Glück erreichten sie unerkannt das Innere der Burg, wo Ino und Konan bereits warteten. „Wir sollten die Tür wieder abschließen“, sagte Ino gerade, „wer weiß, ob Enevor noch mal in den Turm zurück kommt.“ „Nein“, widersprach Konan, „entweder haben sie gemerkt, dass ihr in der Burg seid oder sie sind ohnehin in Aufruhr. Wenn sie überhaupt merken, dass die Tür offen ist, dann werden sie nachsehen und das könnte uns ein paar entscheidende Minuten verschaffen.“ Damit wandte sich ihre Gefährtin um, musterte einmal den Gang und schlug dann zielsicher die linke Richtung ein. Hinata folgte ihr. Sie war immer wieder erstaunt, wie schnell sich Konan den Grundriss von Gebäuden merken konnte. Hinter der nächsten Abbiegung wurde die Kriegerin langsamer. Ino, die ihr dicht auf den Fersen gewesen war, blieb stehen, spähte den Gang hinunter und winkte Naruto und Hinata heran. Sie befanden sich auf einem Gang mit ausladenden Gemälden und roten Vorhängen vor den Fenstern, deren Material absolut weich aussah, Hinata aber ansonsten fremd war. Sie hob den Blick und verstand im nächsten Moment, warum ihre Gefährtin stehen geblieben war. Durch diesen Teil der Burg waren sie nicht gekommen. „Wir müssen hier entlang.“, flüsterte Ino und deutete in den Gang nach rechts, „aber leise.“ Naruto verdrehte genervt die Augen und die blonde Frau warf ihm einen eisigen Blick zu. „Das habe ich deinetwegen gesagt, Mug.“ Die Bemerkung machte keinen Sinn für Hinata, aber Naruto verstand anscheinend, worauf seine Freundin anspielte, denn er verkniff sich jede weitere Geste. Sie bogen um die Ecke und Hinata wurde bewusst, dass der Alarm nun viel näher klang als zuvor. Der Lärm hatte sich in ein dröhnendes Grollen verwandelt und Hinatas Herz schlug so schnell, dass sie nur mit Mühe die Panik unterdrücken konnte. Was, wenn sie den Soldaten direkt in die Arme liefen? Was, wenn Offizier Enevor gleich im nächsten Gang wartete um sie in Empfang zu nehmen? Verflucht! Sie durfte nicht darüber nachdenken. Die Zauberin atmete einmal tief durch und konzentrierte sich darauf den beiden Frauen vor ihr möglichst geräuschlos zu folgen. Ino hatte mittlerweile ganz natürlich die Führung übernommen, Konan folgte einen halben Meter hinter ihr, wirkte aber höchst angespannt. „Wir müssten bald zur Treppe ins Erdgeschoss kommen“, gab Ino flüsternd Auskunft, als sie die nächste Abzweigung nahmen. „Von da ist es nicht mehr weit, bis…“ Ino stockte mitten im Satz. Hinata half Lee einen weiteren Schritt zu machen, sah auf und erstarrte ebenfalls. Der Soldat vor ihnen war ebenso überrascht, fasste sich aber dann und öffnete den Mund, um Alarm zu schlagen. Doch Konan reagierte blitzschnell. Sie stürzte sich auf ihn, riss seinen Kopf nach hinten und rammte ihm ein langes Messer durch die weiche Haut unter dem Kinn direkt ins Hirn. Hinata brauchte einen Moment um zu bemerken, woher sie dieses Messer hatte: aus dem Gürtel des Soldaten, das sie ihm im gleichen Atemzug abgenommen hatte. Blut spritzte, der Mann zuckte noch, als er erschlaffte, aber die Zauberin wusste aus Erfahrung, dass er bereits tot war. Konan ließ ihn los und der Soldat fiel zu Boden, die Hände noch abwehrend erhoben, das Gesicht zu einer überraschten Maske erstarrt. Naruto und Ino starrten die ältere Frau entsetzt an und Hinata begriff, dass sie noch nie einen Menschen getötet, geschweige denn einen Mord so hautnah miterlebt hatten. Konan wischte ungerührt das Messer an der Kleidung des Toten ab und warf ihr dann ein zweites zu, das der Soldat ebenfalls am Gürtel getragen hatte. Hinata fing es wortlos auf und schob es unter den eigenen Gürtel. Sie war keine große Kämpferin und mochte dies auch nicht, aber sie kannte sich gut genug mit Waffen aus. Und Vorsicht, hatte sie die Erfahrung gelehrt, war besser als Nachsicht. „Weiter.“, befahl Konan, als hätte es den Zwischenfall nie gegeben. Ino warf ihr einen Blick voller Entsetzen, Angst und Abscheu zu, steuerte jedoch die Richtung an, aus der der Soldat gekommen war. Es blieb nicht mal Zeit den Toten zu verstecken. Adrenalin rauschte durch Hinatas Körper und leise flüsterte sie immer wieder den Zauber, der Lee seine Schmerzen kurzfristig vergessen ließ und nun leichter vorankam. So schnell sie konnten, rannten sie die Gänge entlang, immer in Erwartung jemandem zu begegnen. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis es wieder passieren würde, und Hinata wusste, dass sie bis jetzt pures Glück gehabt hatten, nur dem einen Soldaten zu begegnen. Der Alarm wurde immer lauter, in der Ferne war Stimmengewirr zu hören und jeden Moment rechnete sie mit einem weiteren Kampf. Die Burg war erwacht. „Da sind sie!“ Hinter ihnen erschallten Rufe und das Geräusch schneller Schritte wurde immer lauter. Ino warf einen ängstlichen Blick zurück, behielt aber die Nerven. Mittlerweile hielt sie ihren Dolch in der zitternden Hand, verlangsamte aber nicht das Tempo. Mit den Verfolgern im Nacken stürzten in den nächsten Gang, der sich am Ende in drei Richtungen gabelte. Ohne zu überlegen rannte Ino geradeaus und Hinata konnte nur beten, dass sie intuitiv den richtigen Weg wählte. Bislang kam ihr noch gar nichts vertraut vor. „Halt!“, brüllte jemand und die Zauberin erkannte entsetzt, dass die befehlsgewohnte, durchdringende Stimme Offizier Enevor gehörte, der aus dem linken Gang auf sie zustürzte und sie nur ein paar Meter Vorsprung hatten. „Ihr glaubt wohl, ihr könnt mich zum Narren halten, Rebellenpack!“ Sie wagte nicht sich umzudrehen, aus Angst kostbare Zeit zu verlieren. Alles was blieb, war immer weiter zu laufen und zu hoffen, dass sie Enevor irgendwie abhängen konnten. „Jeder, der mir einen von ihnen bringt, bekommt sein Gewicht in Tiari ausgezahlt!“, donnerte Enevor hinter ihnen. Hinata hatte nicht mal mehr die Kraft sich den Kopf darüber zu zerbrechen was bei allen Göttern Tiari waren. Doch vermutlich war es ziemlich viel Geld, denn die Soldaten liefen plötzlich schneller. „Offizier Enevor!“ Kaltes Entsetzen packte sie, als Hinata begriff, dass die Stimmen von vorn kamen. Ino hatte es ebenfalls gemerkt und schaute panisch in alle Richtungen auf der Suche nach einem Fluchtweg. Ein Klirren riss Hinata aus ihrer zunehmenden Panik. Konan hatte mit dem Griff ihres Messers das nächstbeste Fenster eingeschlagen und war schon halb auf dem Dach. „Mir nach oder wollt ihr sterben?!“, befahl sie und half Ino über das Fensterbrett. Hinata konnte Enevor schon im nächsten Gang hören. Lee stöhnte leise. „Lasst mich zurück und haut ab!“ „Das hättest du wohl gerne!“, fauchte Naruto zurück, „wir sind nicht den ganzen Weg gekommen, um dich zu retten und dich dann doch da zu lassen!“ Lee machte den Mund auf, um zu protestieren, aber Naruto achtete nicht auf ihn und wuchtete sich seinen Freund über die Schulter. „Du zuerst“, keuchte er und Hinata kletterte so schnell sie konnte auf die Dachschräge, wo Konan und Ino schon warteten. Naruto, der unter Lees Last schwankte, kam gerade bei ihnen an, als Enevor das Fenster erreichte. „Ihr entkommt mir nicht!“, donnerte er hinter ihnen her. „Los!“, rief sie und beeilte sich Konan und Ino zu folgen. Ino stand der Schweiß auf der Stirn und sie bewegte sich vorsichtig voran, während Konan scheinbar ohne die Höhe und den schrägen Untergrund zur Kenntnis zu nehmen so sicher über das Dach lief, als wäre es fester Grund. Aber Hinata hatte keine Zeit die perfekte Balance ihrer Gefährtin zu bewundern, denn sie musste selbst damit kämpfen nicht abzustürzen. Am schwersten hatte es Naruto, der unter Lees Gewicht taumelte und nur mit Mühe Schritt vor Schritt setzte. „Ihnen nach!“, hörte sie Enevor hinter sich und als sie einen Blick zurück warf, sah sie, dass sogar seine Untergebenen ihn entsetzt anstarrten. Aber Enevors Miene war bitterernst. Zögernd folgten ihnen die ersten Soldaten aufs Dach. „Lauf!“, rief Naruto, als auch Enevor selbst die Verfolgung aufnahm. Hinata schlitterte vorwärts und versuchte nicht daran zu denken, wie tief es runter ging. Mittlerweile hatten sie fast das Ende des Daches erreicht. Konan setzte mit einem leichtfüßigen Sprung bereits auf ein tiefer gelegenes Dachfirst. Allerdings warf sie immer wieder einen Blick zurück, um sicher zu gehen, dass die anderen ihr folgten während sie den sichersten Weg nach unten suchte. Gerade wollte Hinata Ino und Konan auf das nächste Dach folgen, als sie einen Schrei hörte. Sie fuhr herum und sah gerade noch, wie einer der Soldaten Naruto erreichte. Naruto, der keine Hand frei hatte, weil er Lee trug, konnte nicht ausweichen. Der Soldat krachte in ihren unerwarteten Retter und riss ihn zu Boden, wobei Naruto Lee losließ und dieser das Dach hinab rutschte. „Lee!“, rief sie, hechtete zurück und bekam in letzter Sekunde noch Lees Handgelenk zu fassen, ehe er über die Dachkante rollte. Lee keuchte schwach und schien sich der Situation nicht bewusst zu sein. Hinata biss die Zähne zusammen und zerrte Lee ein paar Meter höher. Plötzlich verzog er schmerzhaft das Gesicht und kam wieder zu Bewusstsein. Er hustete und Hinata hielt für einen Moment inne. Lee bewegte die Lippen, formte Worte, brachte aber keinen Ton zustande. Er versuchte es nochmal und der gejagte Ausdruck in seinen Augen machte ihr Angst. „Na-Naruto.“, krächzte er endlich und voller Angst suchte Hinata das Dach nach Naruto ab, den sie in ihrer eigenen Panik einen Moment vergessen hatte. Eine Sekunde lang begegneten sich ihre Blicke. Naruto hatte es irgendwie geschafft seinen Angreifer nieder zu ringen, doch dabei hatte er sich einen üblen Schnitt im Gesicht zugezogen, nur um sich gleich zwei weiteren Angreifern gegenüberzusehen. Gehetzt packte er seinen Dolch und wandte sich wieder um. Er versuchte, Zeit zu gewinnen. Der Gedanke kam im Bruchteil einer Sekunde und doch wusste Hinata, dass er wahr war. Naruto versuchte ihnen die Möglichkeit zu geben zu entkommen während er auf sich selbst gestellt blieb. Doch jahrelange Erfahrung lehrte sie, dass er es nicht schaffen würde. Entweder würden ihn Enevors Soldaten einfach durch ihre Übermacht überwältigen oder er würde auf diesem Dach sein Leben lassen. Hinata ballte die Hand zur Faust zusammen. Sie konnte ihn nicht im Stich lassen… „Gib‘ auf, Rebell!“ Das war Enevor. Als sie aufblickte, sah sie, dass er nur noch wenige Meter von Naruto entfernt war, der irgendwie versuchte seinen Angreifern Stand zu halten. Sie spürte das Licht des Vollmondes auf ihrer Haut und zog sich tief in sich selbst zurück. Die Magie in ihr pulsierte wie ein Herzschlag und diesmal gab es keine Blockade, die ihr den Zugang verwehrte, als sie aus der Quelle der Magie in ihr schöpfte. „Iglae nuneth rivis.“ Die Soldaten erstarrten auf der Stelle. Naruto, der seinen Dolch erhoben hatte, blickte ungläubig auf die Szene, die sich vor seinen Augen abspielte. Aber da war Hinata schon bei ihm, packte ihn am Arm und zog ihn mit sanfter Gewalt fort. Sie wusste nicht, wie lange der Erstarrungszauber halten würde, aber es war in keinem Fall verkehrt, weit weg zu sein, wenn er es tat. Enevor, der ebenfalls erstarrt war, während er gerade einen weiteren Befehl gab, lief bereits zornesrot an. „Was ist passiert?“, keuchte Naruto, als er Lee ein Dach tiefer wuchtete und offensichtlich immer noch nicht fassen konnte, was sich gerade abgespielt hatte. Hinata hob den Blick. Seine azurblauen Augen fixierten sie. „Es tut mir leid, Naruto-san“, antwortete sie, „ich habe keine Zeit das zu erklären.“ Naruto hielt ihrem Blick stand. „Aber du tust es, wenn wir das hier überleben.“ Ein zaghaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Versprochen.“ Der Alarm dröhnte noch immer durch die Burg, aber irgendwie schafften sie es unerkannt von Dach zu Dach immer weiter nach unten zu gelangen. Schließlich ließen sie Lee die letzten zwei Meter herunter, wo Ino bereits wartete, ehe sie selbst hinab kletterten. „Naruto!“ Ino war einem Zusammenbruch nahe, „warum hat das solange gedauert?! Diese… diese Frau… sie ist verschwunden…! Und ich… ich…“ Konan war verschwunden? „Beruhig‘ dich Ino, wir sind noch am Leben. Wir schaffen-“ „Ergreift sie!“ Der Befehl kam von der Burgmauer. Als Hinata aufblickte sah sie, dass bereits Soldaten auf sie zustürmten. Sie überlegte nicht lange und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Naruto mit Lee, der erneut das Bewusstsein verloren hatte, und Ino dicht auf den Fersen. Keuchend rannte Hinata durch den Burghof und hielt nicht mal an, als sie an einem eingestürzten Gebäude vorbei kam, bis endlich das Burgtor in Sicht kam. „Hinata!“, hörte sie Naruto hinter sich, drehte leicht den Kopf und prallte gegen etwas Festes. Instinktiv hob sie ihre Waffe, fand ihre Balance und … „Halt!“ Der Fremde packte ihr Handgelenk und schob die Waffe von sich. „Willst du mich umbringen, Mädchen?“ Der Dolch in ihrer Hand zitterte und sie blickte dem Mann fest in die Augen. Sein Gesicht war rußverschmiert und ein paar blonde Haarsträhnen, die ihm in die Augen fielen, waren leicht angebrannt, doch instinktiv wusste sie, dass er stark war. Vielleicht stark genug, um sich ihrer Magie in den Weg zu stellen. Der Ismalith um ihren Hals begann zu glühen. „Deidara!“ Der Fremde entspannte sich, als Naruto bei ihm ankam, und Hinata riss sich im selben Moment von ihm los. „Kannst du mir vielleicht mal sagen, wo ihr so lange bleibt, hm?“, knurrte Deidara Naruto an. „Ich warte seit mindestens einer Stunde und ihr…“ „Darüber reden wir später, Deidara!“, fuhr Ino dazwischen, „und auch darüber was bei allen Göttern in dich gefahren ist ein ganzes Gebäude in die Luft zu jagen!“ „Das waren die Waffenkammer und die Schmiede“, verteidigte sich Deidara, „und wer ist überhaupt dieses Mädchen, hm?“ Naruto kam nicht mehr dazu zu antworten. „Da sind sie!“ Hinter ihnen tauchten weitere Soldaten auf. „Verdammt!“, fluchte Deidara. „Nimm du Lee!“, schrie Naruto und drückte ihm den Bewusstlosen in die Arme. Sie jagten die gepflasterte Straße herunter und Hinata konnte nur beten, dass sie Konan entgegen liefen. „Halt!“, rief ein Soldat, der plötzlich vor ihnen auftauchte, doch Deidara, der am schnellsten war, brüllte nur: „Aus dem Weg!“ Der Mann reagierte zu langsam und wurde schlichtweg von Deidara umgerannt, der sich keinen Deut um ihn kümmerte. Hinata keuchte. Deidaras Tempo war mörderisch und gleichzeitig das einzig Richtige. Naruto hatte ihm Lee gegeben, weil er als einziger von ihnen gleichzeitig noch genug Kraft hatte, den Verletzten zu tragen und gleichzeitig zu laufen. „Das Tor! Da kommen wir nicht durch!“ Hinata sah auf und erkannte, dass Ino Recht hatte. Kaum hundert Meter entfernt, erhob sich der Außenring der Burgmauer gegen die Nacht. Doch auf der Mauer und vor dem Tor standen um die dreißig Soldaten, die ihnen den Weg versperrten, allesamt bewaffnet. Deidara stoppte abrupt und Hinata wäre fast in ihn hinein gelaufen, wenn sie sich nicht im letzten Moment gefangen hätte. Ino neben ihr zitterte vor Angst und auch Hinata spürte, wie ihr Herz zu rasen begann, als sie die Bogenschützen auf der Mauer bemerkte, die bereits auf sie zielten. Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich. Noch mehr Soldaten und es gab keinen Weg hinaus, obwohl die Freiheit zum Greifen nah war. Einen Augenblick lang war es bis auf den Alarm ganz still. Dann trat ein großer, schwarzhaariger Mann vor, fixierte sie herablassend und fragte: „Wer von euch Bastarden hat es gewagt meine Burg anzuzünden?“ Ein Schaudern rann Hinata den Rücken herunter, als sie dem schwarzen Blick dieses Mannes begegnete. Arrogant trat er auf sie zu und spuckte auf den Boden. „Na? Keine Antwort? Ihr werdet schon noch reden, wenn ich mit euch fertig bin.“ Die Soldaten hinter ihm lachten triumphierend. Dann wurde der Mann wieder ernst und ließ seinen Blick über sie gleiten. „Schluss mit lustig. Ich bin Lord Isamu von Uchiha und ihr…“ Er holte genüsslich Luft. „Ihr seid meine Gefangenen und werdet mir verraten, wo ich Minato von Konoha finde.“ Neben ihr ballte Naruto die Hand zur Faust und Hinata erschrak, als sie sah mit welchem Hass er den Burgherrn anstarrte. „Niemals!“ „Nein?“ Er klang amüsiert. „Das werden wir sehen.“ Er hob einen Arm, doch nichts passierte. Isamu von Uchiha drehte sich wütend um. „Was soll das!“, schnauzte er, „ergreift sie!“ Noch im selben Augenblick erstarrte er, als er sah, dass seine Männer von einem plötzlich aufgetretenen Nebel verschluckt worden waren. Dann begann ertönte ein schrecklicher Schrei, der Hinata durch Mark und Bein ging, egal wie oft sie diese Situation schon erlebt hatte. Es war ein Schrei aus reiner Angst, einer Furcht, die jedes logische Denken auslöschte. „Was, bei allen Göttern, geht hier vor?!“, bellte Isamu von Uchiha noch laut, doch dann ragte plötzlich ein rostiges Schwert aus seinem Oberkörper und er brach zu Füßen des Untoten zusammen. Das Skelett, dem die Waffe gehört hatte, trug ein Medaillon mit demselben Wappen, das sie schon in der Burg gesehen hatte. Der Burgfriedhof... Eine solche Burg hatte immer einen eigenen Friedhof… Sekundenlang warf Hinata einen verzweifelten Blick auf den Vollmond über ihnen. Sie war nicht die Einzige, die in dieser Nacht von ihm profitierte. Sie hätte es schon viel eher bemerken sollen und wenn sie auf ganzer Höhe gewesen wäre, wäre dem auch so. „Bei allen Göttern…“, hörte sie Ino entsetzt wispern. „Was starrst du so!“, herrschte Deidara sie an, den anscheinend gar nichts beeindrucken konnte, „wenn du leben willst, dann flieh!“ Er packte Ino am Arm und riss sie mit sich, direkt auf das Tor zu. Naruto warf ihr einen schnellen Blick zu, dann rannten sie hinterher. Im nächsten Moment wurde alles von dem chaosmagischen Nebel verschluckt, der auf ihrer Haut brannte wie Feuer. Sie verlor Deidara mit Lee und Ino aus den Augen. Selbst die Mauer verschwamm vor ihren Augen. Die Realität löste sich vor ihr auf und das einzige, das noch wirklich war, waren die Schreie und die verzweifelte Flucht der Soldaten dem Grauen zu entkommen. Doch es gab kein Entkommen, denn die Burg war eine einzige Falle. Von einem Moment zum anderen war reines Chaos über sie gekommen. „Öffnet das Tor!“, flehte jemand. Hinata versuchte herauszufinden, woher die Stimme gekommen war, aber sie hielt eine Sekunde zu lange inne. Jemand prallte gegen sie, riss sie um, sein Blick gleich dem eines gehetzten Tieres, streifte sie, ehe er sich aufrappelte und davon stolperte. „Hinata!“ Suchend sah sie sich nach Naruto um, doch der Nebel war zu dicht. Hastig stand sie auf, packte mit einer Hand den Dolch und mit der anderen den Ismalith und fuhr dann herum, als sie die Präsenz eines Untoten spürte. „Adare fiero!“ Das Skelett ging in blaue Flammen auf und Hinata zog tief Luft ein. Der Nebel um sie herum hatte sich ein wenig verzogen und sie erkannte, dass sie der Zusammenstoß ein paar Meter von ihrem ursprünglichen Weg abgebracht hatte. Keine zehn Meter entfernt hielt sich Naruto den Arm, der stark blutete und ihn daran hinderte sich richtig zu verteidigen. Schreckensstarr blickte er ins Angesicht eines Skelettes, das zum Schlag gegen ihn ausholte. „Adare fiero!“ Hinata wiederholte den Feuerzauber und der Untote rieselte in einer Aschewolke auf Naruto herab. Sie zögerte keine Sekunde, rannte auf ihn zu und zerrte ihn auf die Beine. „Wo sind die anderen?“, fragte er. Seine Augen waren schreckensweit. „Wir finden sie!“, versuchte Hinata ihn zu beruhigen, „was auch immer du tust: Bleib nicht stehen!“ „Vorsicht!“ Naruto stieß sie von sich und der Untote ging stattdessen auf ihn los. „Lauf!“, schrie er, holte mit seinem eigenen Dolch aus und schlug dem Skelett den Unterarm mitsamt dem rostigen Schwert ab. Naruto zögerte keine Sekunde. Er rappelte sich auf, packte sie am Handgelenk und rannte. Hinata konnte spüren wie schnell sein Puls war. Pures Adrenalin raste durch seinen Körper und ließ nur noch Reiz und Reaktion zu. „So öffnet doch das Tor!“, rief jemand hysterisch, „sie bringen uns alle um!“ Noch immer schreckensblass sprang Hinata über die Leiche eines Soldaten und rutschte im Lauf beinahe auf seinem Blut aus. „Das Tor wird nicht geöffnet!“, ertönte eine eiskalte Stimme von der Mauer, „ich werde den Rebellen nicht zur Flucht verhelfen!“ Der Nebel riss auf und sekundenlang konnte Hinata einen jungen Mann auf der Mauer sehen, der fast teilnahmslos das Gemetzel unter ihm beobachtete. Er hatte ein fein geschnittenes Gesciht, rabenschwarzes Haar, trug feine Kleidung mit dem gleichen Wappen wie Lord Isamu von Uchiha und hatte erbarmungslose, kohlschwarze Augen. Ihm war es egal, dass all diese Menschen starben, wenn er nur sein Ziel erreichte. „Aber Lord von Uchiha-“, brüllte jemand, doch seine Worte verstummten abrupt. Hinata stolperte weiter. „Lasst mich in Ruhe!“ Rechts von ihnen brach jemand zusammen und wurde unter drei Untoten begraben, die sich auf ihn stürzten. „Hilfe!“ „Ino“, wisperte Naruto und riss sie ruckartig nach links. „Ino!“ Silhouetten tauchten im Nebel auf und Hinata machte Inos zusammen gesunkene Gestalt aus, die zitternd Lee und Deidara deckte, um sie herum fünf Untote. Ino stieß einen Schrei aus und krallte sich an Lees Kleidung fest, der noch immer bewusstlos war. Deidara schirmte sie von den Untoten ab, aber Hinata konnte die Angst in seinen Augen sehen. Es geschah schneller, als sie reagieren konnte. Wie ein Mann stürzten sich die Untoten von allen Seiten auf sie und hinterließen eine gigantische Nebelwolke. „Ino! Lee! Deidara!“ Naruto war starr vor Entsetzen. „Nein!“ „Naruto, komm zu dir!“ Er hörte sie nicht, fixierte nur die Stelle, auf der seine Freunde verschwunden waren. Urplötzlich riss der Nebel auf, Asche rieselte zu Boden und vor Ino, Deidara und Lee erhob sich Konan, in den Händen zwei ihrer drei magischen Dolche. Klingen, die so uralt waren, dass selbst Nekromantie ihnen nichts anhaben konnte: Umbra, der Schatten, und Cruor, das Blut. Selbst Hinatas Vater hatte sich nie einen Reim auf die ursprüngliche, archaische Magie in ihnen machen können. „Sieht so aus, als wäre ich noch rechtzeitig gekommen.“, stellte die Kriegerin nüchtern fest und ließ ihren Blick über das Geschehen schweifen. Hinata war so erleichtert, dass sie ihrer Freundin am liebsten um den Hals gefallen wäre. Und nicht nur das: Keine fünf Meter entfernt entdeckte Hinata Mondtänzer, ihren Schimmel, mitsamt ihrem ganzen Gepäck. Neben ihm standen Konans Dunkelbraune, die Nachtherz hieß, und zwei andere Pferde, die, wie sie vermutete für Naruto, Ino und Lee gedacht waren und Konan vermutlich aus den Stallungen der Burg ‚befreit‘ hatte. Da Lee ohnehin nicht reiten konnte, wäre Konans Rechnung aufgegangen, doch mit Deidara hatten sie beide nicht gerechnet. Aber irgendwie musste es gehen. Mittlerweile waren Naruto und sie bei den anderen angekommen. Konan war immer noch angespannt und schien jeden Moment einen Angriff zu erwarten. Sie warf einen kurzen Blick auf das Tor und sah dann Hinata an, die einen Moment brauchte, den Gedankengang ihrer Freundin zu verstehen. Dann überlegte sie kurz, warf einen weiteren Blick auf den Mond und nickte bestätigend. Ja, sie konnte das schaffen. „Helft Lee auf mein Pferd!“, befahl Konan gerade, „ich gebe euch Deckung!“ „Was redest du da?!“, schrie Ino hysterisch, „das Tor ist zu! Wie sollen wir da-“ „Tut, was ich sage!“, fuhr Konan ihr über den Mund. Vielleicht lag es an ihrem harschen Tonfall, vielleicht daran, dass sie wie selbstverständlich die Führung übernahm, vielleicht daran, dass es doch keinen anderen Weg gab – jedenfalls gaben sich Ino und Deidara geschlagen und wuchteten Lee auf Konans Pferd, dessen Blick zwar nervös war, aber im Gegensatz zu den Pferden der Burg noch relativ gefasst wirkte. Diese scharrten erregt mit den Hufen und waren so unruhig, dass Hinata fürchtete, sie könnten sich jederzeit losreißen und in den Nebel stürzen. Rasch murmelte sie einen Beruhigungszauber und die Lage entspannte sich ein wenig. „Kannst du reiten?“, wollte sie von Naruto wissen. Dieser nickte nur und zog sich auf den Rücken des Fuchses. Der Nebel verdichtete sich und sie spürte die Anwesenheit weiterer Untoter. Doch sie kannte Konan lange genug, um ihr in einer solchen Situation blind zu vertrauen. Ihr Blick schweifte zu Ino, die beim Anblick des Skelettes erneut totenbleich geworden war. Hinata dachte nicht lange nach, packte sie am Arm schob sie in Mondtänzers Richtung. Es hatte keinen Zweck, dass Ino allein ritt. Sie sah nicht so aus, als könnte sie es in ihrer jetzigen Verfassung schaffen, und es war ohnehin sicherer, wenn sie mit ihr zusammen Mondtänzer ritt, der weit routinierter als die Stallpferde war und mit dem sie schon viele Schlachten geschlagen hatte. Außerdem war Deidara schwerer als Ino und sie mussten jeden Vorteil nutzen, den sie hatten. „Ino!“, rief Hinata und endlich kam die junge Frau soweit zu Verstand, dass sie es schaffte aufzusitzen. Hinata schwang sich hinter ihr in den Sattel und nahm die Zügel auf. „Konan, komm schon!“, schrie Hinata durch den Lärm. Deidara und Naruto saßen mittlerweile auf den Pferden, doch Konan erwehrte sich noch immer der Untoten um sich herum. Zu ihren Füßen sammelte sich bereits eine Ascheschicht, jeder Schlag, jede Bewegung, die sie ausführte, war so präzise, dass sie mit jedem einem Angriff ein weiteres Skelett auslöschte. Über ihnen brach das Licht des Vollmondes durch den Nebel und in einem Umkreis von gut fünfzehn Metern, konnte Hinata endlich wieder etwas sehen. Sie hob den Blick und zwanzig Meter entfernt, erhob sich das gewaltige Burgtor gegen die Nacht. „Konan!“, schrie Hinata und endlich schwang sich ihre Gefährtin in den Sattel. Sie drückte Mondtänzer die Fersen in die Seite und der Hengst preschte mit einem gewaltigen Satz vorwärts direkt auf das Tor zu. „Was tust du?“, kreischte Ino, „das Tor ist geschlossen, es gibt keinen Weg hinaus-“ „Es gibt immer einen Weg!“, unterbrach die Zauberin ihre unerwartete Verbündete. Der Ismalith, der aus ihrem Ausschnitt gerutscht war, strahlte ein sanftes Licht aus und Hinata griff nach der Quelle ihrer Magie, die tief in ihr selbst ruhte und mit jedem Augenblick wieder stärker zu werden schien. Raum und Zeit verschwammen und es war, als würden nur noch sie und die Macht in ihr existieren. Wärme breitete sich in ihrem Körper aus und die Magie pochte durch jede Pore ihres Körpers. Vor ihr tauchte das Tor auf, doch die Worte formten sich schon auf ihren Lippen. „Relin irid fen!“ Die Magie brach aus ihr heraus wie ein wildes Tier, das sie von der Leine gelassen hatte. Das Tor, das Gemäuer um es herum und einer der nahen Wachtürme wurden nach außen geschleudert wie die Bauklötze eines Kindes, gegen die jemand voller Wut getreten hatte. Die Wucht der gewaltigen Explosion ließ die Erde erbeben und das donnernde Dröhnen, das sie begleitete, überdeckte jedes andere Geräusch, selbst die Schreie der Sterbenden. Das Tor wurde mit einem ohrenbetäubenden Ton aus den Angeln gerissen und über den Burggraben geschleudert, wo es mit einem erschütternden Aufprall liegen blieb. Einen winzigen Moment lang, sah sie, wie es den jungen Mann, der vor ein paar Minuten noch grausam das Massaker beobachtet hatte, wegschleuderte und er – zu seinem Glück – im Wasser des Grabens landete. Alles andere hätte ihn getötet. Dann verschluckte ihn das Wasser und die Gruppe galoppierte durch die Öffnung, die sie in die Mauer gerissen hatte, über die steinerne Brücke in die Freiheit. Noch immer regnete es kleine Steine und Holzsplitter und Hinata war sich vollkommen bewusst, dass Naruto, Ino und Deidara sie voller Verwunderung und auch Furcht anstarrten. Doch sie hatten es geschafft, waren am Leben und in Sicherheit und allein das zählte. Alles andere würde sich geben. Denn dort, wo kein Weg war, da musste man sich einen schaffen und selbst in der finstersten Nacht konnte man das Licht finden gegen die Dunkelheit zu kämpfen. ~ [ ♠ ] ~ Temari erwachte um die Mittagszeit, als die Sonne hoch und hell am wolkenlosen Himmel stand. Von dem schlechten Wetter der letzten Tage war nichts mehr zu sehen und der Wind, der vom Süden kam, war frisch und warm. Temari fühlte sich nicht ausgeschlafen, aber dennoch voller Energie. Sie war bereit für einen neuen Tag und, was für sie wichtiger war, die neue Aufgabe. In Vorbereitung des Tages – aller Möglichkeiten, die er bringen konnte – packte sie ihre Sachen, die sich im ganzen Raum ausgeteilt hatten, schlang kurz etwas zu essen hinunter und machte sich auf die Suche nach dem Fremden. Sie erfuhr schnell, dass er – glücklicherweise – noch nicht abgereist war. Nach kurzer Zeit fand sie ihn auch auf dem Dorfplatz zwischen den Überresten der Tische und Bänke, die während des Kampfes umgestürzt oder zertrümmert worden waren. Er hatte eine der Bänke wieder aufgestellt und hockte mit auf den Knien abgestützten Ellbogen darauf, den Blick auf das Schlachtfeld gerichtet. Jetzt bei Tageslicht sah es noch schlimmer aus als letzte Nacht, als nur große, aber herunterbrennende Feuer die Szenerie beschienen hatten. Noch immer lagen Leichen herum – die meisten jedoch schon alt, tot seit Jahrzehnten oder noch früher. Am Waldrand waren Scheiterhaufen errichtet worden, eine lange Reihe von Bergen aus Holz, auf denen die menschlichen Gestalten deutlich zu erkennen waren. Arbeiter, größtenteils Männer, liefen herum, um auch noch den letzten Toten zu einem Platz zwischen den bald aufflammenden Feuern zu verhelfen. Die meisten trugen die Früchte der Schlacht zur Schau – Blessuren, verschorfende Kratzer, Verbände… Es sollte eigentlich ein trostloses Bild sein und die Stimmung war gedämpft, doch auf keinen Fall niederschmetternd oder gar verzweifelt und hoffnungslos. Eine seltsam angeregte, resolute Atmosphäre hing in der Luft, als hätte der Angriff der Untoten den Leuten keine Angst gemacht – sondern im Gegenteil: als hätte der Sieg über jene widernatürlichen Angreifer unbekannte Kräfte und Stärken in ihnen geweckt. Und dass trotz der Toten, die der Kampf gefordert hatte. Temari fragte sich, ob dies auch so gewesen wäre, wenn die Bauern keinen der Legendären Fünf unter sich wähnen würden, ganz unabhängig von ihrem Sieg. Sie runzelte die Stirn und versuchte, aus dem Mann schlau zu werden, der in trübsinnigerer Stimmung schien als alle anderen. Im Moment sah er einfach nur zerschlagen und müde aus, auf eine Art, die nichts mit der letzten Nacht und dem wenigen Schlaf zu tun hatte. Die Sonne schimmerte in seinem orangerot, unregelmäßig geschnittenem Haar und blitzte auf seinem ungewöhnlichen Gesichtsschmuck. Aus einem seltsamen Grund wirkte seine Kleidung noch älter und zerschlissener als gestern und zu seinen Füßen lag im Dreck Antarion das Singende Schwert. Als ob es keine unbezahlbare, von Mythen umrankte Klinge wäre, sondern das abgenutzte Holzschwert eines Kindes. So, fuhr es ihr durch den Kopf, hatte sie sich Pein nicht vorgestellt – wie kamen diese Bauern nur darauf, dass dieser abgerissen wirkende Mann tatsächlich der Große Kriegsherr sein könnte? Es musste doch noch mehr Kriterien dafür geben als nur eine sagenhafte Waffe und ein paar Untote. Als sie näher trat und sich räusperte, wandte er sich ohne Überraschung um, als hätte er die ganze Zeit von ihrer Anwesenheit gewusst. „Wo kommt Ihr eigentlich her?“, wollte sie wissen. Es klang gröber, als sie es eigentlich vorgehabt hatte und sehr viel freimütiger. Aber sie war noch nie eine große Diplomatin gewesen, meistens schaffte sie jedoch einen gewissen Grad an Höflichkeit. Sie schob es auf die letzte Nacht und Nagato schien sich sowieso nicht an dem schroffen Ton zu stören. Vermutlich war er Schlimmeres gewöhnt. „Hast du mich das nicht schon letzte Nacht gefragt?“ Er klang amüsiert und sie zog die Augenbrauen zusammen. „Aber Eure Antwort darauf war ziemlich … nutzlos.“ Er wandte den Blick wieder ab, antwortete aber nicht. Auch Temari starrte nach vorn, wo zwei junge Männer, die sie einmal in die nördlichen Wälder begleitet hatten, einen Körper auf einen Scheiterhaufen hievten. Eine Weile herrschte angespanntes Schweigen, dann zuckte der Krieger mit den Schultern. „Mehr gibt es aber nicht zu sagen. Es war ein kleines Dorf in einer zurückgebliebenen Provinz, ein ganzes Stück südöstlich von hier. Da ich aber nicht weiß, wo genau ich mich befinde, musst du dich damit zufrieden geben.“ Wenn er jetzt wirklich die Wahrheit sagte, würde das bedeuten, dass ihre beste Theorie – dass er aus dem Niemandsland kam – sich soeben in Luft aufgelöst hatte. Es sei denn natürlich, er war in jungen Jahren verbannt worden. Aus Konoha, wie es klang, oder zumindest einem anderen Teil des Kaiserreiches. Einem Reich, von dem er noch nie gehört hatte. Das passte immer noch nicht zusammen. „Und du?“, wollte Nagato dann unvermittelt wissen. „Wo kommst du her, Temari-san?“ Als wäre es so offensichtlich, dass ihre Heimat nicht in der Nähe lag. Aber sie hatte wirklich nicht viel mit diesen Leuten hier gemein. „Uzuno.“, antwortete sie nach einem Moment und als sein Gesicht ausdruckslos blieb, erklärte sie: „Es gibt kein Land, das weiter südlich liegt, nicht auf diesem Kontinent.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Weit ab vom Schuss. Nicht einmal die Totenkriege haben dort wirklich gewütet.“ Natürlich, es hatte dort ein paar kleinere Scharmützel gegeben, aber eigentlich waren die Wüstenlords dort – wie auch heute noch – mit ihren eigenen Fehden beschäftigt gewesen, während der Rest der Welt sich gegen Orochimaru gewandt hatte. Nagato wandte sich wieder ab, abrupt diesmal, und Temari wurde erneut bewusst, wie wenig sie ihn lesen konnte. Es machte sie nervös – auf diese Fähigkeit hatte sie sich immer verlassen können. „Was willst du eigentlich?“, fragte er dann, beinahe grob, aber noch immer nüchtern genug, dass sie es nicht als Angriff auffassen würde. Und Temari hatte noch immer keine guten Argumente, um ihn davon zu überzeugen, dass er eine Reisegefährtin brauchte, vorzugsweise sie. Also antwortete sie: „Meine Forschungen sind in einer Sackgasse gelandet. Darum kehre ich wieder um. Wenn Ihr das Gebirge verlasst, können wir zusammen reisen.“ Sie zuckte mit den Schultern. Auch wenn es ein Risiko war, diese Richtung anzunehmen… Aber sie konnte ihm das vielleicht noch etwas schmackhafter machen: „Ich könnte Euch sogar in Kontakt mit ein paar Magiern bringen, die Euch bei der Suche nach Euren Freunden helfen können.“ Der letzte Satz brachte ihr seine Aufmerksamkeit ein. „Falls Ihr keine bessere Idee dafür habt…“, fügte sie hinzu. „Ich habe einige Kontakte und ein paar schulden mir noch Gefallen.“ Nagato zog eine Augenbraue hoch. „Und was willst du als Gegenleistung, Temari-san?“ Wenn sie etwas an einem Mann schätzte, dann war es Intelligenz. Sie beäugte das Schwert, das vor ihm auf dem Boden lag, schlicht ausschauend, aber doch so mächtig. Der Unterschied zu juwelenbesetzten, fein ziselierten, mit Edelmetallen verzierten Prunkklingen, die sie während ihrer Reisen gesehen hatte, könnte größer nicht sein. Nein, Antarion machte in dieser Hinsicht nicht viel her, dazu war es zu einfach, zu klobig, zu wenig elegant. Aber sie hatte gesehen, was es in der letzten Nacht angerichtet hatte, die schreckliche, herrliche Macht, die es in sich trug, den Zauber, den es über alle Kämpfenden – die Lebenden zumindest – gelegt hatte, und die Verlockung, die davon ausging. Sie machte sich nichts mehr vor: dieses Schwert war kein Himmelsgeschenk, es war gefährlich. Aber es war dennoch Antarion das Singende Schwert. Es war Peins Klinge und sie würde erfahren, woher Nagato sie hatte. Was das alles bedeutete. Natürlich bemerkte der fremde Krieger ihren Blick, aber ihre Frage überraschte ihn, wenn sie das kurze Zucken in seinem Gesicht richtig deutete: „Wo habt Ihr es her? Ihr seid der erste, der überhaupt einen Hinweis gefunden hat…“ Sie ließ den Satz in der Luft hängen. Nagato warf reflexartig einen Blick auf die Waffe hinunter. „Ein alter Freund hat es mir geschenkt. Als…“ Er verstummte, als hätte er bereits zu viel gesagt. „Es war ein Geschenk.“, wiederholte er. Dann richtete er sich auf, als hätte er eine Entscheidung getroffen. „Also gut. Du kannst mit mir kommen. Pack deine Sachen zusammen. Ich will hier fort sein, bevor die Leute genug Mut haben, mir die Fragen zu stellen, die ihnen auf der Zunge brennen.“ Damit erhob er sich, nahm Antarion auf und ging zum Dorf zurück. Und warum?, schoss es Temari durch den Kopf. Weil du sie verneinen oder doch zugeben musst, dass du der bist, den sie zu sehen glauben? Auf die Antwort dieser Frage, so sehr sie die Möglichkeit auch abstritt, war Temari doch sehr gespannt. Es würde zumindest erklären, warum nie jemand die Helden während all der Jahrhunderte gefunden hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)