Faszination Gefühl von Karopapier ================================================================================ Kapitel 1: Jan Delay - Liebeslied --------------------------------- Der Rauch seiner Zigarette zog langsam der Decke entgegen, floss durch die Tücher die er dort aufgehängt hatte wie ein tödliches Gift, das sich unaufhaltsam in einem Bach ausbreitet. So ein wunderbares Bild, der Rauch die Hände eines Liebhabers, die Tücher der Körper den sie umspielten und liebkosten. Bittersüße Gedanken, die seinen Kopf durchquerten auf der Suche nach einem Ort, der ein Zuhause für sie sein konnte. Aber sie fanden nichts, konnten nichts finden außer Leere, während die Decke langsam trüb zu werden schien. Ein alter Spiegel, kaum benutzt und doch nur zu perfekt um seine Seele aufzudecken und ihm entgegenzuschleudern. Sieh her, rief sie ihm zu, während der Nebel sie immer weiter verschwinden ließ, ich weiß wie es in dir aussieht! Ich kenne dich, komm und schau dich an! Leise dröhnte der Lärm der Autos von der Straße zu ihm herauf, bildete das Pendant zu seiner Decke. LÖegte sich um seine Wahrnehmung und wickelte ihn ein, bis er nur noch ein monotones Summen hörte. Alles was hervorstach war das Rascheln der Decken, auf denen er lag, versteckt zwischen Laken und Stoffbahnen, verborgen vor dem Rest der Welt. Allein mit sich selbst, der einzigen Person, der er nicht einfach so entkommen konnte. Ein weiterer Zug an seiner Zigarette. Die Glut leuchtete auf, ein letztes Lebenszeichen bevor alles verschwand und nichts hinterließ als Staub und Dunst. Er atmete tief ein, ließ den Rauch seine Lunge kitzeln und ihn schließlich durch seine Nase entfliehen, bis er den ruhigen Fluss aus der Zigarette umwarf und sich letzten Endes doch mit dem Staub vermischte. Der junge Mann schloss die Augen und hörte seinem Puls zu, der langsam im Takt der hupenden Wagen auf der Straße schlug. Es schlug laut in die Stille hinein, hob die dünne Haut an seinem Hals im Takt der Musik seines Körpers. Herzschlag als Bass, Atem als Hintergrundmelodie. Nur die Hauptstimme fehlte noch, wartete auf ihren Einsatz um die Synphonie zu vollenden. Sie hörte dem Verkehr zu, dem leisen Aufprall der Zigarettenasche, dem Heben und Senken seines Brustkorbs wenn er atmete. Machte sich bereit für das große Finale, ein Crescendo aus Stille, die unbedingt gestört werden will. Ein letzter Zug an seiner Zigarette, bevor er sie ausmachte, die Augen noch immer geschlossen. Stimme baute sich auf, staute sich und brach schließlich in einem harmonischen Missklang hervor. "Hau ab", sagte sie, zu einer Person die er nicht sehen konnte. Nur fühlen, Haut an Haut, dann kalt als ein Luftzug die Körperwärme plötzlich mit sich nahm. Er hörte das Schimpfen, die Flüche mit denen er bedacht wurde, doch es kümmerte ihn nicht. Es fügte sich ein in diese allumfassende Musik, vollkommen und rein im Ton, ein wohltuendes Hintergrundmurmeln, das von einem Türenschlagen nur noch in seiner Perfektion bestärkt wurde. Hatte er sie verletzt? Er zündete sich eine neue Zigarette an. Kapitel 2: Enrique Iglesias - Push ---------------------------------- Sie bewegten sich im Takt, bewegten sich zum Rhythmus eines leisen Liedes, das nur sie kannten. Vor und zurück, auf und ab. Wellenartige Schauer, zwei Fische im weiten Ozean der Melodie. Nahezu von selbst wanderte seine Hand an ihrer Seite hinauf, ertastete Wölbungen und Hügel und hörte dem leisen Flüstern ihrer Haut zu, das dem Lied seinen Text gab. Haut, die sich an seine Haut schmiegte, wie um ihn willkommen zu heißen. Das hier war die perfekte Symphonie, eine Komposition wie sie einzigartig war. Und immer bleiben würde. Er verschlang sie mit den Augen, kostete den Geschmack der Gänsehaut, mit der sie auf seinen warmen Atem antwortete. Sie ließen den weichen Flaum ebenso wenig aus wie die kleine Narbe kurz unter ihrer Brust. Nahmen die Farbe der Haut in sich auf und absorbierten den leichten Schweißfilm, der sie verführerisch schimmern ließ. Systematisch arbeitete er sich voran, ertastete jede noch so kleine Wölbung mit der Zunge. Angefangen bei der untersten Rippe, über die Brust bis hin zum Schlüsselbein. Ihr Atem ging flach und zitterte wie ein Vogel in der Hand eines Menschen; unschlüssi, ob Qual oder Wohlgefallen überwog. Zerrissen zwischen zwei Extremen, die in eine jeweils andere Richtung zogen. Weiter, den Knochen entlang, den Hals hinauf bis zum Ohr. Er forderte sie heraus, spielte mit ihr bis sie sich ihm erwartungsvoll entgegenwölbte, gefangen in seiner Umarmung. Ihre Hände drückten ihn von ihr weg und zogen ihn in der gleichen Bewegung wieder zu sich, begegneten den seinen und verhakten sich in ihnen. Er wusste, er hatte sie so weit, aber er würde noch nicht aufhören. Es beanspruchte einen Großteil seiner Kraft, sich ihr zu widersetzen und ihrem Drängen und Flehen nicht nachzugeben, doch noch hielt er stand. Er hatte noch gar nicht richtig angefangen. Und trotzdem erfasste ihr Strudel ihn, wie um ihn zu testen. Wärend seine Lippen ihren Atem auffingen und sein Mund den ihren erforschte, wurde sein Widerstand immer schwächer. Er merkte, dass sein Körper sich ihr langsam näherte, konnte ihn jedoch nicht daran hindern. Seine Herausforderung, die eigentlich ihr gegolten hatte, wendete sich gegen ihn selbst, während sie sich unter ihm wand wie ein Aal. Er war zu schwach. Er ging mit wehenden Fahnen unter und genoss es in vollen Zügen. In dem Moment, in dem das Wasser über ihm zusammenschlug, presste er sein Gesicht in ihre Halsbeuge und drang in sie ein. Sie erschauderten beide, abwechselnd, wanden sich mit letzter Kraft noch stärker ineinander und blieben schließlich so liegen, Gestrandete unter der Wüstensonne. Nur langsam kamen sie zurück in die reale Welt, noch immer benommen von der Fahrt. Entknäuelten sich, schmiegten sich aneinander. Bloß nicht die kostbare Nähe riskieren. Kopf an Schultern, Hand in Hand lagen sie da und schliefen langsam ein, während die Welt sich vorsichtig weiterdrehte und sie beruhigend in den Schlaf wiegte. Kapitel 3: The Lion King - This Land ------------------------------------ Es war eines der Dinge, die er am meisten hasste. Klammotten aussortieren war einfach nicht sein Ding, zu viele Erinnerungen waren im Spiel. Seine Pfadfinderuniform. Er hatte sie gehasst und nie gerne getragen, von Anfang an nicht. Ganz abgesehen davon passte sie ihm eh nicht mehr. Wie alt war er gewesen, als er sie getragen hatte? Elf? Zwölf? Auf jeden Fall war er da nicht mehr als 2/3 so groß gewesen, wie er es jetzt war. Und das eine Drittel lag definitiv weit über dem Größenunterschied, den er diesbezüglich noch toleriert hätte. Aber andererseits war es eine zu schöne Zeit gewesen, um sie so mir nichts, dir nichts wegzugeben. Er hatte gelernt, wie man Lagerfeuer macht, wie man einen Unterschlupf im Wald baut und wo, hatte sich sein eigenes Messer geschnitzt und tapfer die Zähne zusammengebisen, als er sich bei einem Sturz das Bein unglücklich gebrochen hatte. Er hatte keinen Mucks von sich gegeben, als die Stelle desinfiziert wurde, an der der Knochen die Haut durchstoßen hatte. Später, als seine Pfadfinderzeit schon vorbei gewesen war, hatte er schließlich mit seinen Pfadfinderfreunden seinen ersten Schwips gehabt, hatte mit ihnen unerlaubt im kleinen Wäldchen nahe ihrem Dorf wild gecampt und das erste Mal den Magen ausgepumpt bekommen. Fuhr mit ihnen in seinen ersten elternfreien Urlaub und lernte daraufhin Liz kennen. Liz. Sein Blick wanderte wie von selbst zur geschlossenen Schlafzimmertür, als könnte er sie von hier aus in der Küche stehen sehen. Der Tag, an dem er sie kennengelernt hatte, würde ihm wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Sein Mundwinkel zuckte leicht. Schmuggler überführen wollten sie, der Polizei melden und eine Belohnung kassieren. Nicht, dass das irgendwie geklappt hätte. Im Wald verlaufn hatten sie sich, bei Neumond alleine im Unterholz gefangen. Sie hatten schließlich einen Hochsitz gefunden und dort, sicher vor Schlangen und anderem Getier, Sternschnuppen gezählt. Den Ärger mit dem Jäger hatte er nach der Nacht nur zu gerne in Kauf genommen. Langsam faltete er den Stoff zusammen, legte ihn in eine Tüte und klebte sie zu. Dann legte er sie behutsam wieder in den Schrank, ganz hinten unter den höchsten Stapel, den er finden konnte. In der Küche erwartete Liz ihn schon mit skeptischem Blick. "Hast du die alte Uniform endlich dahin entsorgt, wo sie hingehört?", fragte sie mit Nachdruck. Doch er lächelte nur. "Das habe ich." Dann küsste er sie auf den Nacken und raunte ihr ins Ohr: "Komm mit. Heute Nacht gehen wir Verbrecher jagen." Kapitel 4: Söhne Mannheims - Lieder drüber singen ------------------------------------------------- Die Farbe war da, die Möbel waren da. Alles stand bereit, es musste nr noch an seinen Platz gebracht werden. "Du links, ich rechts?", fragte ich ihn und beobachtete, wie seine Mundwinkel sich amüsiert nach oben verzogen. Es war ein altes Spiel zwischen uns. Wir waren zwar schon lange nicht mehr in einem Verein, aber wenn man so lange schon aufeinander eingespielt war, ging das nicht einfach so verloren. Ein wenig von dieser Symmetrie blieb immer. Ich warf ihm eine der beiden Farbrollen zu und sah zu, wie er sie wie beiläufig aus der Luft pflückte. Es dauerte nicht lange, bis nur noch unser leises Atmen zu hören war, unterstrichen vom Geräusch der nassen Rollen an der Wand, die nur ab und zu in die Farbeimer getaucht wurden. Ich lächelte, als mir auffiel wie abgesprochen unsere Bewegungen wirken mussten: Der gleiche Schwung, die gleiche katzenartige Geschmeidigkeit. Dem Geräusch nach zu urteilen waren wir sogar gleich schnell. "Fertig" kan es von hinter mir und unsere Farbrollen fielen mit einem synchronen Platschen in die Eimer. "Das Bett?", fragte ich. Er nickte, den ersten Karton schon unter dem Arm. "Wir können den Rest erst morgen aufbauen, weil der Platz hier nicht reicht, aber das Bett brauche ich heute Nacht schon. Dafür müsste der Boden reichen." Ich konnte mir etwas Besseres vorstellen als eine Nacht in einem frisch gestrichenen Zimmer, aber es gab keine andere Möglichkeit. Wir hatten schon mehr als einmal darüber diskutiert. Wir schlitzten die Verpackungen auf und schoben sie beiseite, um mehr Platz zu haben. Reden war unnötig; wir verstanden uns auch so. Schraubenzieher wechselten Besitzer, Stifte wurden hin- und hergereicht. Es dauerte nicht lange, bis das Bett stand und wir uns beide auf die noch verpackte Matratze fallen ließen. "Weißt du", fing er an, "als ich kleiner war wollte ich immer ein blau gestrichenes Zimmer. Eines, das den Himmel einfängt und nicht mehr hergibt. Seitdem ist so viel passiert... es ist hart, zu lernen dass die Welt auch nur endlich ist. "Andererseits", entgegnete ich leise, "eröffnet dir genau das ganz andere Möglichkeiten." Mein Blick fiel auf die Wand, an der rote Flammen auf schwarzem Grund hinaufzüngelten, nur von den roten Streifen unterbrochen, die wir heute gestrichen hatten. Unter meinem Blick schienen sie sich zu bewegen, lebendig zu werden und Bilder an die Wand zu malen. Von uns beiden, mit Jonglierkeulen, mitten in einer Menschenmenge. Einfach so. Von ihm, Gitarre spielend, am Lagerfeuer, während ich mit meiner besten Freundin dazu tanzte als gäbe es kein Morgen. Von mir am Grand Canyon letztes Jahr, trotz meiner immensen Höhenangst. Ich schloss meine Augen und versuchte, das Glücksgefühl, das spontan in mir aufstieg, einzuschließen, irgendwo, wo ich es wieder und wieder herausholen könnte. Nur von weit weg hörte ich seine Stimme. "Ja", sagte sie leise, "vielleicht hast du Recht." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)