Träumen von Pfefferminze (Wichtel-FF ~~ KaixRei) ================================================================================ [Wichtel-Fanfic für Raito] -------------------------- Träumen „Wovon träumst du nachts?“ Dies war eine der Fragen, die Rei Kon ungern beantwortete. Er erwiderte meist charmant, lächelnd mit einem „Oft von meinen Kämpfen oder einfach von Dingen, die ich am Tag erlebt habe.“ Nicht falsch, aber es kam nur annähernd an die Wahrheit heran. Natürlich träumte er von seinen Kämpfen, analysierte im Traum seine Fehler um aus ihnen zu lernen, ließ seinen Tag Revue passieren: Takaos Happydance nach absolviertem Training und bevorstehendem Essen, Max‘ hyperaktivem Verhalten nach zu viel Zucker, Kyōjus Moralpredigt bezüglich verantwortungsvollerem Benutzen der Blades. Rei hatte regelrechte Alpträume von Mao, die ihm, geknebelt und gefesselt, bei einem Candlelight-Dinner gegenübersaß und ihm unsinnige, unwichtige und für ihn uninteressante Details über ihren Alltag oder horrende und furchteinflößende Pläne für ihre gemeinsame Zukunft erzählte, oder von seinem Kampf mit Boris vor so vielen Jahren. Auch wenn er wusste, dass Mao ihn längst nicht mehr anhimmelte, sondern ihn eher andauernd mit Hasstiraden überschüttete, weil er ihre Dates als großer Bruder nicht absegnete, und auch wenn er hoffte zu wissen, dass Boris ihm nichts mehr antun würde, nachdem Kai ein ernstes Wörtchen mit ihm gewechselt hatte, so waren diese Bilder für ihn die Schrecklichsten, die es überhaupt gab. Aber es war Kai Hiwatari, der ihn am meisten in seinen Träumen heimsuchte. Das war vielleicht das falsche Wort, denn der Schwarzhaarige fürchtete sich nicht vor ihren nächtlichen Begegnungen, eher fieberte er ihnen sogar noch entgegen. Es war jedoch auch nicht so, dass sie in Reis Träumen etwas Verwerfliches machen würden. Er genoss es einfach, ungeniert den Russen beim Training zu beobachten, seine Augen offen über den vom Gewichtheben glänzenden Oberkörper schweifen zu lassen, wo der Chinese am Tage doch selber meist zu beschäftigt war zu trainieren um den anderen beobachten zu können. Er liebte es, wenn er im Traum neben Kai unter dem Baum am Kanal lag und lächelnd den ruhigen Worten des Russen lauschen konnte, während sie sich über Gott und die Welt unterhielten, wo er sich normalerweise nicht aus seinem Versteck hoch oben in den Zweigen genau jenes Baumes traute, von dem aus er den Hiwatari beobachtete. Er nutze einfach seine Chance Kai zu beobachten und ihm nahe zu sein, bekam er doch im wahren Leben immer nur eine der berühmten, gegrummelten Antworten Kais auf seine Fragen. Rei mochte seine Träume, nur verwirrten sie ihn ab dem Punkt, an dem er bei dem Gedanken an sie Glücksgefühle und Schmetterlinge im Bauch bekam. Und wieso träumte er überhaupt von dem Anderen? Lange überlegte der Chinese selbst, bis er sich an Oliver ( „Kai Hiwatari ist, neidlos gesagt, einfach attraktiv. Vielleicht hast du dich in ihn verliebt?“ ) und an Zeo ( „Er ist geheimnisvoll, nicht? Hiwatari gibt nichts von sich Preis und wirkt damit für jemand Neugierigen wie dich wohl unglaublich anziehend und du bist zu nett um nachzuhaken. Zudem ist er talentiert und das bewunderst du. Ich würde ja sagen, das sind die besten Voraussetzungen für einen Schwarm, wenn nicht sogar tiefere Gefühle.“ ) wandte. Der Langhaarige stimmte den beiden jungen Männern nach einigen Überlegungen zu. Wenn er sich selbst genau befragte, war es mehr als bloße Bewunderung, die ihn auch am Tag dazu trieben, oft den Blick seiner goldenen Augen auf den Russen zu schwenken. So begannen für Rei Kon Monate, in denen dieser immer aufgeschlossener dem Russen gegenüber wurde, man könnte fast sagen, dass er anfing mit ihm zu flirten und sich jeden Abend erneut auf seine Träume zu freuen, in denen er den jungen Mann weiter beobachten und sich mit ihm unterhalten konnte; denn so offen und offensichtlich Rei war, der Hiwatari blieb undurchschaubar und stumm. Allerdings sollte es nach einer kleinen BBA-Feier dazu kommen, dass Kai Hiwatari etwas tat, wovon Rei Kon nicht einmal träumen würde… --- Es war einer dieser kleinen, inoffiziellen Feiern gewesen, die Daitenji-san fast jeden Monat abhielt, damit er seine Schäfchen, wie er die Blader liebevoll betitelte, halbwegs regelmäßig zu sehen bekam. Takao, Max und der Professor amüsierten sich prächtig mit den anderen Bladern, genossen es ihre Abenteuer mit Hand und Fuß und wildem Gliedergewedel jemandem zu erzählen, der die Geschichte nicht schon zehn Mal gehört hatte und sie auswendig kannte. Kai saß wie eigentlich immer in einer der Ecken und beobachtete das Geschehen, wobei sein Blick immer wieder zu dem schwarzhaarigen Chinesen glitt, der leicht verzweifelt auf Mao einredete, die es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihn zu benutzen, damit ihr Freund eifersüchtig würde… „Mao, du bist meine Schwester, ich werde dich nicht küssen! Schon gar nicht vor allen Leuten.“ „Rei-Rei, du bist vor allem eins, mir nämlich eine Entschädigung schuldig, dass ich bis ich 15 war noch immer keine richtige Abfuhr von dir bekommen habe und ich damit meine Experimentierphase an dir vergeudet habe, also verlange ich von dir, dass du mich jetzt hier und jetzt küsst um den Idioten zu erinnern, was er an mir hat.“ Schmollend und mit in die Hüften gestemmten Händen starrte Mao zornig zu Rei auf. Der konnte einfach nicht fassen, dass die Jüngere sein Schuldbewusstsein gegen ihn richtete um zu bekommen, was sie wollte… Aber, wann war es denn je anders gewesen? Die kleine Chinesin würde ihm so lange auf die Nerven gehen, bis er zustimmte oder flüchtete und während ersteres eigentlich nicht für ihn infrage kam, war letzteres schlechtweg ausgeschlossen. Natürlich war der Tiger in Besitz der längeren Beine, aber verzöge er sich jetzt, dann hätte er erst Mal an Rai vorbei gemusst und dieser stand grimmig dreinblickend in der Tür und beobachtete seine Schwester und Rei. Resignierend atmete der langhaarige Chinese noch einmal tief durch, es wäre doch gelacht wenn er jetzt vor so einem kleinen Küsschen kneifen würde, und zog Mao an sich. Die quiekte nur kurz erschrocken auf und sah in die kurz sauer flackernden goldenen Augen, ehe Rei seine Lippen gegen die der Kleineren drückte, die Augen zukneifend und betend, dass er jetzt nicht umgebracht würde. Gebannt verfolgten die Augen der Umstehenden wie Mao, nachdem die Schrecksekunde vorüber war, den völlig perplexen Rei von sich drückte und wild gestikulierend anfing in ihrer Muttersprache zu fluchen, dabei immer wieder auch Rai adressierte, der lachend an der Wand lehnte. Und während nun der Großteil der Anwesenden nur Bahnhof verstand, spiegelte sich auf Reis Gesicht erst Wut und dann blankes Entsetzen wieder. Er murmelte etwas, was Mao in ihrem Fluchen innehalten ließ, doch bevor sie oder irgendjemand anderes noch etwas sagen oder tun hätte können, verschwand der Schwarzhaarige rasch durch die Türe. Es sollte nun das Schicksal die Ereignisse so drehen, dass von den Freunden des Tigers, ausgerechnet Kai Hiwatari die richtige Vermutung über den Aufenthaltsort des Kleineren anstellen würde und es so kam, dass der Russe wenige Minuten später unter dem Baum am Kanal stand und fragend, überrascht zu den goldenen Augen hochblickte, die ihn verblüfft ansahen. „Kai?“ Der Russe blieb ihm eine Antwort schuldig, zog stattdessen an dem weiß umwickelten Zopf des Chinesen und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Vollkommen überrumpelt blickte Rei kurz darauf zu Kai auf, der ihn mit seinen roten Augen auffordernd ansah. Es war nun so, dass in der Zeit, in der der Tiger mit Kai geflirtet hatte und ihm sozusagen den Hof gemacht hatte, sich irgendwie ein stummes Verständnis zwischen ihnen eingerichtet hatte, ein sehr praktisches, da der Teamcaptain generell ja eher nicht sprach. „Ich will nicht darüber reden.“ Rei plusterte seine Wangen auf, verschränkte die Arme und richtete seinen Blick auf das dunkle Wasser des Kanals. Er ignorierte vollkommen, dass er in den Armen des Russen lag (sehr bequem sogar) und schmollte lieber wie eines der Kleinkinder, deren Rolle normalerweise die jüngeren im Team übernahmen. Kai zuckte nur mit den Schultern und, den plötzlichen Protestschrei des Chinesen ignorierend, warf sich Rei einfach über seine rechte Schulter, trug ihn zu dem Dôjo der Kinomiyas, in der sie für die Nacht über eingelagert waren. - „Kai? Lässt du mich jetzt endlich mal runter? Ist zwar ganz nett mal nicht laufen zu müssen, aber meine Beine sind am Einschlafen…“ „Bitte, Kai.“ „Kai Hiwatari! Lass mich gefälligst runter!“ „Bitte-bitte, Kai-kins? … Outch.“ Rei schob seine Unterlippe schmollend nach vorne und rieb sich sein schmerzendes Hinterteil, welches als Strafe für den verhassten Spitznamen gezwickt worden war. Seufzend fing Rei wieder an, auf dem Rücken Kais herumzutrommeln, so langsam wurde es langweilig nur getragen zu werden, sein Nacken tat vom Ewigen anspannen schon weh und sein Arm war schon vor Minuten eingeschlafen. Der einzige Lichtblick für den jungen Mann war es momentan, dass er den perfekten Blick auf den in enger Jeans gekleideten Po des Russen hatten- ein durchaus netter Ausblick. So ins Starren vertieft bemerkte Rei nicht einmal, wie der Hiwatari ihn durch die Türen des Dôjos getragen hatte. Erst, als er wieder auf seine eigenen Füße gestellt wurden und er hilflos mit ansah, wie diese ihm den Dienst versagten, ihn der Russe auffang und er sich immer mehr in den roten Augen des Größeren verlor. „Kai…?“ Als Kai Rei nach Minuten immer noch an sich gedrückt hielt und seinen Blick fest mit dem Tiger verhakt ließ, wurde der Kleinere leicht ungeduldig. Er fing an zu zappeln, brach den Augenkontakt ab und drückte sich von dem Russen weg, kam auf wackeligen Beinen zum stehen. Er öffnete schon seinen Mund um den Hiwatari zu fragend, warum er das alles machen würde, doch als Rei sich plötzlich zwischen Wand und harten Körper gepinnt wiederfand, blieben dem Langhaarigen die Wörter im Halse stecken. - Rei Kon hätte wahrlich nie davon geträumt, dass er irgendwann einmal von Kai Hiwatari in einem dunklen Flur im Haus einer seiner besten Freunde verführt würde und nach dem Akt vollkommen überwältigt auf das entspannte Gesicht des schlafenden Russen blicken zu können. Und doch fühlte er sich wie in einem Traum. Federleicht strich Rei mit den Fingerspitzen über die Wange Kais, lächelte leicht, als der Arm um seiner Hüfte seinen Griff festigte, ihn noch näher an den warmen Körper des Russen zog. Sanft legte der Tiger seine Lippen auf die seines Gegenübers und schloss dann mit einem Gähnen seine Augen. ‚Bitte lass das keinen Traum sein.‘ --- Lachend zog Rei seine Hand zurück auf seinen Schoß, lehnte sich tiefer in die Rückenlehne des Sofas. Mao quietschte schon nach kurzer Zeit wieder breit grinsend und griff sich erneut die Hand des älteren Chinesen. Sie war zusammen mit einer ihrer neuesten Eroberungen zu Besuch in den Staaten, war dieser doch Amerikaner. Sie hatte also nicht lange gezögert, als ihr Freund ihr seine Eltern vorstellen wollte, würde sie doch so die Möglichkeit bekommen, ihren Bruder und dessen Freund, die vor knapp drei Jahren ausgewandert waren, zu besuchen. „Ich fass es nicht, dass du vor mir heiratest! ...Obwohl ich dich wohl nie verstehen werde, dass du ausgerechnet Hiwatari das Ja-Wort gibst.“ Grinsend richtete der mittlerweile 25 jährige seinen Blick wieder auf den schmalen Platinring mit dem eingelassenen Diamanten, der seinen rechten Ringfinger seit dem Vorabend schmückte. Selig lächelnd vergaß er seine kleine Schwester und dachte an den Vorabend zurück: an das ungewöhnliche Verhalten Kais noch am Vormittag, den riesigen Strauß roter Rosen mit der kleinen Karte, auf der der Name des Restaurants stand und die Uhrzeit, an das überwältigende Gefühl, als er seinen Freu-… Verlobten im Restaurant ungeduldig am Tisch sitzen sah, nervös die Tischdecke zu Recht zupfend. Der langhaarige Chinese seufzte leise und seine Lippen zogen sich leicht auseinander, als er daran zurück dachte. Wie Kai ihn angegrinst hatte und ihm auf seinen Stuhl geholfen hatte. Den Chinesen mit feinem Essen und ruhiger Atmosphäre verwöhnt hatte. Vor allem aber erinnerte er sich an die leisen Worte des Größeren, als dieser ihm den Antrag gemacht hatte. Rei hatte den Russen noch nie so nervös gesehen wie in dem Augenblick, wo er dem Jüngeren den Ring auf den Finger gesteckt und fragend zu ihm aufgesehen hatte. Unsanft wurde Rei von der Hand aus seinen Gedanken gerissen, die vor seinem Gesicht herum wedelte. Leicht angesäuert blickte er zu der kleinen Chinesin auf der anderen Seite des Couchtisches. „Was ist, Mao?“ Lächelnd sah die Jüngere zu dem Langhaarigen, umschloss sanft die Ringgeschmückte Hand mit ihren eigenen. „Ich wünsche euch alles nur erdenklich Gute, Rei. Du bist mein großer Bruder und wenn Kai dir je wehtut, sagst du es mir und ich zerfetze Hiwatari mit Freuden in der Luft. Solange du aber mit ihm glücklich bist, freue ich mich für dich und hoffe, dass ihr glücklich bleibt, ja?“ „Du bist eine Landplage, Mao… danke.“ Ihm frech zuzwinkernd stand Mao auf. Sie drückte Rei einen Kuss auf die Wange und setzte sich neben ihn auf das Sofa, erneut nach der rechten Hand des Chinesen greifend um den Ring zu bewundern. - Die nächsten Wochen vergingen für Rei wie im Flug. Freunde riefen ihn den ganzen Tag über an um alles aus ihm herauszuquetschen, er suchte nach dem passenden Ort für die Hochzeit, organisierte dazu noch einfach alles und stattete dem in einer Tochterfirma der seines Großvaters arbeitenden Kai immer wieder kleine Besuche ab, damit der auch mal etwas erledigte. In der letzten Woche vor dem großen Tag war das Appartement des Paares vollbeladen mit alten Freunden, die helfen wollten und dann doch nur im Weg herumstanden. Zudem war das zwar nicht kleine, aber für die Hochzeitsgesellschaft dann doch scheinbar zu mickrige Heim vollgestellt mit Hochzeitsgeschenken: Mikrowelle, Waschmaschine, etliche Gutscheine für Sexshops, Videos und Bildercollagen aus alten Zeiten, Päckchen die von keinem der Beiden Bräutigamen aus Angst vor den Folgen geöffnet wurden. Das meiste war, typisch für den Geschenkanlass, überflüssig, aber wann hatten sich Freunde je etwas diesbezüglich sagen lassen? So kam es, dass beide, Rei und Kai, am Tag der Hochzeit fluchend durch die Wohnung rannten und ihre Sachen zusammensuchten. Junggesellenabschied war im traditionellen Maße nicht gefeiert worden und auch hatten sie es sich nicht bieten lassen, als die Frauen Rei von Kai am ‚Großen Tag‘ bis zur Zeremonie fernhalten wollten, aber dank der trotzdem am vorigen Abend gefeierten Party, hatten sie ihren Wecker übermüdet überhört und waren so zu spät zur eigenen Hochzeit. „Kai! Wo ist mein Föhn? Und wieso zum Geier sind da Haare im Waschbecken?“ Grinsend, wenn auch leicht schief, tauchte der Kopf des Russen in der Tür zum Badezimmer auf. Er hatte sich im letzten Jahr einen Bart wachsen lassen, der in seiner ganzen Blauheit die alten Dreiecke als Gesichtsschmuck des Mannes ersetzt hatte. „Hinter dir und ich hab mich rasiert. Sonst noch was?“ „Ah.“ Erleichtert griff Rei nach dem schwarzen Föhn und sah dann durch den Spiegel zu Kai, der, mittlerweile im Bad stehend, das Hemd zuknöpfte. Rei hob spöttisch eine seiner Augenbrauen und wandte sich wieder seiner Frisur zu. „Pff, rasiert siehst du aber nicht aus, da ist immer noch das Fell in deinem Gesicht.“ Der Chinese war weniger begeistert von der Idee des Bartwuchses gewesen und versuchte den Russen seit jeher wieder davon abzubringen- ohne großen Erfolg zu haben. Seufzend legte Rei den Föhn wieder weg und flocht sich seine lange Mähne mit geübten Handgriffen zu einem losen Zopf, welchen er mit rotem Band zusammen band und sich über die Schulter legte. Er streckte seine Hand nach der an einem roten Band befestigter rot-grünen Brosche aus, welche den Anfang seines Zopfes schmücken sollte¹, jedoch kam Kai ihm zuvor. Stumm stellte sich der Russe hinter seinen Verlobten und band den Stoff um den dicken schwarzen Zopf. Damit fertig, legte er die Arme von hinten um den schmaleren Mann vor sich. Mit einem leichten Lächeln lehnte sich Rei in den Armen des Russen zurück und schloss die Augen, ließ für einen kurzen Moment den Stress des Morgens Stress sein und genoss die Ruhe. - Ungeduldig sahen die Hochzeitsgäste immer wieder umher. Das Paar hatte bereits eine halbe Stunde Verspätung und noch war nichts von ihnen zu sehen. Zeo, als Trauzeuge Reis und Yuriy als Kais, versuchten verzweifelnd einen der beiden zu erreichen, jedoch waren beide scheinbar nicht gewillt ans Telefon zu gehen. „Ihnen ist nichts passiert, da sonst Kyōju bereits was wissen würde.“ „Durchgebrannt sind sie nicht, dazu hat Rei sich zu viel Mühe mit allem gegeben.“ „Dann bleiben noch zwei Möglichkeiten: Sie sind zu spät aufgestanden und verspäten sich weil sie trödeln…“ Zeo und Yuriy sahen sich in die Augen und seufzten synchron auf. „- oder sie treiben‘s schon wieder.“ In genau diesem Moment ertönte die Hupe des weißen Cadillacs, der auf dem Feld, auf welchem die Feier stattfand, gerade auf die Hochzeitsgesellschaft zufuhr. Das Auto rollte vor den roten Teppich, der den Weg zu dem mit Bändern und Blumen geschmückten Bogen bedeckte. Als sich die Türe des Wagens öffnete, stieg zuerst Kai heraus. Er trug einen schwarzen Frack, das Hemd nicht ganz bis oben hin geschlossen. Seine Haare waren wie immer ungebändigt und seine rechte, in einem weißen Handschuh gekleidete Hand hob er Rei hin, der sie sofort ergriff. Der Chinese trug im Gegensatz zu Kai einen chinesisch angehauchten schwarzen Anzug mit typischem Stehkragen und dunkelroten Absätzen an den Ärmeln. Lächelnd hakte er sich bei Kai unter und ging zusammen mit seinem Zukünftigen auf den Hochzeitsbogen zu, vorbei an den alten Freunden und Kais Eltern. Letztere wurden überrascht von ihrem Sohn angesehen, Rei zwinkerte ihnen dagegen kurz grinsend zu. Die Zeremonie war wild durcheinander gewürfelt mit allerlei Traditionen bei der Eheschließung. Rote Bänder die um ihre Hände gewickelt wurden, das Zertreten der zwei Kristallbecher, das Sprechen von Gelübden (das ehemalige russische Team drohte allen Anwesenden stillzuschweigen über die natürlich nichtexistenten Tränen der Rührung), das Übergeben der Ringe, nicht zu vergessen der Kuss zu Ende der Zeremonie. Die Feier nach dem offiziellen Teil dauerte mehrere Tage. Das ehemalige Team der Bai Hu Zu veranstaltete Teezeremonien und schenkten Wein aus, die Eltern Kais ließen mit dem frisch vermählten Paar zwei weiße Tauben fliegen, Zeo und Takao hatten zwei hohe Kerzen besorgt, mit denen Kai und Rei von Tisch zu Tisch gingen und dort die Kerzen anzünden mussten. Während Kai sich zwischenzeitlich bei seinen Eltern an den Tisch setzte, ließ Rei zufrieden seufzend seinen Blick durch die Menge der Gäste schweifen. Bei dem Blick Yuriys wurde ihm leicht mulmig, aber der Mann des Chinesen ließ ihn eh nicht aus den Augen, war er noch so vertieft in sein Gespräch. „Und? Glücklich, Zufrieden und bereit ab morgen für die nächsten zwei Wochen das Bett nicht mehr zu verlassen?“ Breit grinsend setzte sich Zeo neben Rei, strich sich seine Haare aus dem Gesicht. Der Japaner war einer der ersten gewesen, der von dem Ausgang des Abends vor sieben Jahren etwas erfahren hatte. Klar, er hatte Rei praktisch entführt und dazu genötigt ihm alles zu erzählen, aber nachdem Zeo per Zufall auch beim ersten großen Streit zwischen Rei und Kai der Erste Eingeweihte war, hatte sich eine Freundschaft zwischen den beiden langhaarigen Männern entwickelt. Ihre etwa gleiche Haarlänge war zudem eine Gemeinsamkeit die sie verband- Sie hatten immer gleich jemanden zur Stelle, der Pflegetipps parat hatte und der zur Abwechslung mal nicht Witze über die Masse an Haaren machen würde. Rei nickte nur und lehnte sich gegen den türkishaarigen Mann. „…Ich fass es einfach nicht, dass ich verheiratet bin... Das ist wie in einem wunderschönen Traum.“ „Ich sag es dir, spätestens morgen Abend, wenn ihr schön in der Karibik in eurem eigenen kleinen Flitterwochenhäusschen seid und es wie die Karnickel treibt, wird dir alles klar werden… du hättest doch mich nehmen sollen.“ Die Augen verdrehend boxte der Schwarzhaarige seinem Freund in die Seite. Der Blick der goldenen Augen suchte den der roten Iriden, die wie auf Kommando zu ihm sahen. Schmunzelnd betrachtete Zeo den Blickwechsel des jungen Ehepaares. In einem Anfall von Boshaftigkeit fing der Japaner an, Rei zu kitzeln um ihn aus seiner Starre zu holen, nur um kurz darauf von Kai beinahe massakriert zu werden. Lachend brachte sich Zeo in Sicherheit an die Seite Brooklyns, der ohne ihn anzusehen den Arm um ihn legte. Die grünen Augen des kleineren beobachteten Rei und Kai, als diese sich spielerisch neckten. ‚Die werden mit ihren Sturköpfen noch viel Spaß in ihrer Ehe haben, genug um alles zu überstehen lieben sie sich ja.‘ --- „Wir sind zu Hause.“ „State the obvious, will you?“ Augenverdrehend drückte Rei die Eingangstür ihres neuen Heims mit einem eleganten Stoß aus der Hüfte auf, einem der Hiwatari-Anwesen in denen Kai als Kind seine Zeit verbracht hatte. Das Anwesen hatte einen riesigen Garten und auch wenn es theoretisch gesehen nicht nötig gewesen wäre, hatten Kais Eltern darauf bestanden, dass sie in das Landhaus zögen. Da es, wie ihr Appartement, in der Nähe von San Francisco und somit Kais Arbeitsplatz lag, war es am Ende dann aber keine schwere Entscheidung. „Dafür, dass ich während der letzten zwei Wochen so lieb zu dir war, bist du gerade aber ziemlich frech mir gegenüber, findest du nicht, Kai-kins?“ Lachend duckte sich Rei, um den Armen seines Ehemannes zu entkommen. Jegliche Spitznamen für den Russen durfte man nie in dessen Gegenwart sagen, aber Rei genoss es Kai zu ärgern, das Ergebnis lief grundsätzlich nämlich nur auf diese eine Sache heraus. Denn auch wenn es, wie von Zeo vorausgesagt, in den Flitterwochen so gewesen war, dass Kai keine Minute die Finger von ihm hatte lassen können (nicht, dass es anders herum großartig anders gewesen wäre), ihr Heim musste noch eingeweiht werden, warum also nicht direkt anfangen? - Seufzend piekte Rei Kai in die Seite. Dem Chinesen war langweilig. Sterbenslangweilig. Sie lebten mittlerweile seit etwas über einem Jahr in dem Anwesen, hatten vor rund einem Monat ihren ersten Hochzeitstag, aber… Während der Russe sich immer weiter an die Spitze seiner Firma arbeitete, von seinem Großvater sogar immer wieder den gesamten Familienbetrieb angeboten bekam, saß der schwarzhaarige Chinese zu Hause. Inzwischen hatte er ihre Heimbibliothek fast komplett ausgelesen, hatte den Garten auf Vordermann gebracht, doch dem Langhaarigen fehlte die Herausforderung. Genervt stöhnte der russische Mann auf und, die vorher in der Hand gehaltene Zeitung beiseite gelegt, stützte sich auf den kleineren. Fast schon sauer sahen die roten Augen auf Rei hinab, der den Blick schmollend erwiderte. „Was?“ „Mir ist langweilig.“ „Ich merke es.“ Knurrend versuchte Rei sich vom Griff des Größeren zu befreien, nur um es nach einigen Minuten ohne Ergebnis aufzugeben. Der Chinese sah bittend zu Kai hoch. Es wäre doch gelacht, wenn der Russe seinem von Max übernommenen Dackelblick bzw. zu den von Rei selbst verbesserten ‚Kitty-Eyes‘ widerstehen würde. „Rei…“ Der Chinese fing an zu grinsen und zog seine Handgelenke aus dem Griff seines Ehemannes, um seine Arme um dessen Hals zu schlingen. Langsam küsste Rei über die seit dem Hochzeitstag endlich wieder bartfreie Kinnlinie Kais bis hin zu dessen Ohr, in welches er leise hinein schnurrte. Mithilfe seiner Finger kämmte er durch das kurze silberblaue Haar des Russen, der geniesend langsam die Lider über seine Augen schob. Reis Herzschlag beschleunigte sich langsam aber sicher und Kais Augen vernebelten. Der Chinese löste eine seiner Hände aus dem Haar des Größeren und schob sie über den Oberkörper des Russen, zeichnete dort die Muskeln nach. Er hob seinen Kopf an, legte ihn in den Nacken und berührte federleicht die Lippen Kais, als diese sich plötzlich passend zu den leisen Wörtern bewegten. „Ich muss in einer Woche auf Geschäftsreise.“ Der Chinese hielt in seinem Tun inne, hob seine Lieder an und gab den Blick auf die fragenden, traurigen, irgendwo enttäuschten goldenen Augen frei. Er schlang erneut beide Arme um den Hals Kais, zog ihn zu sich hinunter, als er sich zurück auf das Sofa sinken ließ. Rei spürte die Arme seines Mannes, die sich fest um ihn schlangen, noch mehr versuchte einen Abstand zwischen ihnen zu verringern. Es herrschte einige Minuten angespannte Stille, die der schmalere Mann flüstern brach. „Warum?“ „Zur jährlichen Firmenversammlung mit gleichzeitiger Weiterbildung. Letztes Jahr waren wir in den Flitterwochen… Ohne Zweifel will mein Großvater mir außerdem wieder die Firma andrehen.“ „Und wie lang…?“ „…sechs Wochen.“ Leicht zitternd atmete Rei den Duft von Kais Haaren tief ein. Es war seltsam, aber seit sie vor acht Jahren zusammen gekommen waren… war ihre längste Trennung eine von gut einer Woche gewesen. Damals war Kai zu seiner Familie gefahren, Rei zu Besuch beim alten Team in Japan gewesen. Ursprünglich war ein Urlaub von zwei Wochen geplant gewesen, aber schon nach einer Woche hatte Kai bei Kyōju auf der Matte gestanden und nach Rei verlangt. Seit diesem Tag hielten sie es nie länger als ein-zwei Tage ohne einander aus. Selbst wenn sie sich auf die Nerven gingen und sich stritten, sie hatten immer einen Weg gefunden sich schlicht aus dem Weg zu gehen und abends trotzdem nebeneinander einzuschlafen. Auf Reis Lippen bildete sich ein kleines Lächeln, leicht traurig, aber die goldenen Augen sahen entschlossen auf die Haut in Kais Schulterbeuge. Wenn sie das erst einmal überstanden hätten, denn mitkommen würde er erstens nicht können und zweitens hatte er keine Lust sich auf die andere Seite der Welt zu begeben, nur um sich dann in einem Hotelzimmer zu langweilen, dann hätten sie wieder ein ‚erstes Mal‘ hinter sich, waren diese doch am schwersten. „Du rufst mich an, täglich, und wenn du stumm am anderen Ende sitzt und mir beim herum spinnen zuhörst, klar?“ - „Hast du alles? Flugtickets, Pass, Ausweis, Geld, Handy? Hast du mir die Nummer von deinem Hotel aufgeschrieben?“ Leicht panisch sah Rei zurück zum Haus, unsicher ob er, auch wenn er nun schon zehn Mal nachgesehen hatte, auch wirklich alle Daten von Kai auf dem kleinen Zettel in der Küche aufgeschrieben hatte. Der Russe stand derweil schmunzelnd neben ihm, die Arme um die Taille des Kleineren geschlungen. „Wir haben alles nachgesehen und nichts vergessen, entspann dich, Tiger.“ Grummelnd lehnte Rei sich gegen den Russen, vergrub das Gesicht am Hals Kais. Fest umschlang der kleinere der Männer sein Gegenüber und drückte sich an ihn. Rei wollte seinen Mann nicht loslassen. Sechs Wochen waren so lang… und die Libido des Russen zu groß um da ohne Zuwendung zu überleben, oder nicht? Was war nun, wenn sich der andere einen seiner Kollegen schnappte um sich zu erleichtern, oder noch schlimmer, eine Kollegin? Mit einem Mann könnte er ja noch konkurrieren, aber mit einer Frau? Soweit er wusste hatte Kai keine Erfahrungen mit Frauen, wenn ihm das nun besser gefiel als mit dem Chinesen? „Hör auf dir Horrorgedanken zu machen, Rei.“ Der Schwarzhaarige schreckte aus seinen Gedanken hoch, sah unsicher, beschämt zu dem Größeren auf. Kai kannte ihn zu gut. Im Grunde war es aber doch auch lächerlich. Kai mit einer Frau? Sicher nicht, Kai redete einer Frau wohl zu wenig und war kein großer Fan von romantischem Gehabe. Darauf standen Frauen doch immerhin, zumindest Mao und Hiromi waren ganz klar dafür. Und Kais stille Art und der Sarkasmus, der dann nur so tropfte, sprach er dann doch mal mit fremden Leuten, würde wohl kaum jemanden dazu bringen, mit dem Russen zu schlafen… Und wenn nun jemand Masochist war und Kai genau in sein Beuteschema passte? Die Augen Reis weiteten sich und, seinen Ehemann eher nicht überraschend, sprang er den Größeren an. Kai, eine Reaktion in dieser Richtung bereits ahnend, festigte seinen Griff um die Hüfte des Tigers, drückte ihn fest an sich und schloss die Augen. Der Chinese fing derweil an leise schnurrend seine Lippen über den Hals des anderen Mannes streifen zu lassen. Vorsichtig nahm er das Ohrläppchen des Russen zwischen seine Zähne, knabberte leicht daran. Einige Minuten genoss Kai die Berührungen seines Mannes still, fuhr selber über den Rücken und die Oberschenkel des Chinesen, als allerdings der Taxifahrer im Wagen hinter ihm anfing zu zetern, löste der Hiwatari eine seiner Hände und zog Reis Gesicht am Kinn vor das seinige. Die goldenen Augen sahen traurig in die Roten. In stillem Verständnis schlossen sich jedoch beide Paare und die Männer versanken in einem letzten Abschiedskuss. „Vergiss nicht mich anzurufen wenn du da bist…“ Plötzlich frierend zog Rei den langen Strickmantel enger um sich, als er Kai beim einsteigen in das Taxi zusah. Der Russe fuhr das Fenster herunter und zog ihn an einer losgelösten Haarsträhne zu sich herunter, drückte seine Lippen zart knapp unter Reis Auge. Ein rares Lächeln umspielte die Lippen des Größeren, als er sich wieder vom Gesicht Reis entfernte. „Versuch nachher zu schlafen. Für den Notfall hab ich dir Baldrian in deinen Nachtschrank geräumt.“ „Danke…“ „Ich hab dir außerdem noch was ins Schränkchen gelegt. Benutz es wenn wir telefonieren, okay?“ Leicht verwirrt und dagegen sehr skeptisch sah Rei seinen Mann an, nickte aber. Da war was nicht ganz koscher… Den Gedanken beiseite schiebend hob Rei die Hand zum Abschied und sah dem sich entfernenden Taxi hinterher, bis es hinter der Kurve verschwand. Seufzend drehte sich der Chinese zum Anwesen. Es würde schrecklich still sein... vielleicht sollte er sich einen Hund anschaffen. Kai hatte es zwar scherzhaft gemeint, als sich der Chinese mal wieder über Langeweile beschwert hatte, aber wenn er jetzt an die leeren, kalten Räume dachte in denen er die nächsten Wochen leben musste? Und was meinte Kai vorhin mit ‚benutz es wenn wir telefonieren‘? Rei beschloss der Sache nachzugehen. Es war eh zu spät und übereilt wollte er sich nicht einen Hund anschaffen, warum dann nicht also eines der Rätsel lösen, die sich so gerne in Kais Nähe und durch dessen Gesagtes auftaten? Gespannt öffnete der Chinese die Türe zu ihrem Schlafzimmer, drückte den Lichtschalter rechts neben der Türe. Langsam ging er auf seinen Nachtschrank zu, der links. Kai hatte sich geweigert auf der linken Seite zu schlafen, nachdem er bei einer dieser seltsamen Büroumfragen mitbekommen hatte, dass eigentlich jeder der Männer in den Hetero-Beziehungen rechts (vom Fußende aus)schlief. Seither war es Gang und gebe bei ihnen zu Hause oder im Hotel, das Kai ohne Worte die rechte Seite bekam, nicht, dass er sich noch in seiner Männlichkeit gekränkt fühlte, denn die war dem Russen so ziemlich das Heiligste. Schmunzelnd setzte sich Rei auf das Bett. Seinen Blick richtete er auf das schwarze Schränkchen. Einige Minuten starrte er auf das Designerstück, unsicher wie er jetzt handeln sollte und überlegend, was Kai ihm da in die Schublade gelegt hatte. ‚Er würde aber nicht… Nein.‘ Nicht mehr länger seine Neugier unterdrücken könnend, legte Rei vorsichtig die Finger um den Metallgriff und zog, Stück um Stück, den Holzkasten aus dessen Umrandung. Erst, als die Schublade komplett geöffnet war, hob Rei seinen Blick über deren Rand. Die goldenen Augen weiteten sich daraufhin auf fast unmögliche Größe. Mit einem „Eep!“ rammte Rei die Schublade wieder zurück, sprang auf und nahm sich vor, Kai beim Telefonat gehörig die Meinung zu blasen! „Verfluchter Bastard!“ - Seufzend rührte Rei in seinem Tee, sah starr in die rote Flüssigkeit. Kai war seit drei Tagen weg und er sehnte sich jetzt schon nach seinem russischen Ehemann. Das erste Telefonat war kurz gewesen dank Reis Schimpftirade auf den größeren Mann, beim zweiten Telefonat war er allerdings nach einem schlechten Traum dankbar für die Ablenkung durch Kai. Ihr drittes Telefonat, früher am Tag, dagegen… Rei schluckte und vergrub das gerötete Gesicht in seiner Hand. Allein bei dem Gedanken daran verzehrte sich alles in ihm nach dem größeren Mann, nach dessen Berührungen, Duft, nach einfach Allem. ‚Selbst Schuld, du hast doch angefangen, und wie erst. Wie konnte Kai überhaupt nach so einem Satz weitermachen? …Was fällt ihm aber auch ein so ein… ein Ding in meine Schublade zu packen…?!‘ Erneut verließ ein Seufzen die Kehle des langhaarigen Mannes. Er war jämmerlich. Nicht mal drei Tage war Kais Abreise her und schon wollte er ihn um jeden Preis zurück… War er damit eine Klette? Der chinesische Mann zog die Augenbrauen zusammen. Dann schüttelte er den Kopf, fuhr sich genervt grummelnd durch die Haare. Solche Gedanken konnte er jetzt einfach nicht gebrauchen. „Ich brauch ‘ne Ablenkung…“ - Die Ablenkung war rund sieben Kilogramm schwer, grau-weiß und stolperte bei jedem zweiten Schritt. Stolz sah Rei auf den kleinen Neufundländerwelpen der auf den Namen Andrei. Die Züchterin hatte ein Inserat in der Zeitung geschaltet gehabt, da Andrei keine Papiere dank seiner Färbung bekam und so nicht als Zuchtrüde zu gebrauchen war. Dem Chinesen war das allerdings egal gewesen und hatte sich einfach in die noch blauen Knopfaugen verliebt, die ihm da entgegengeblickt hatten. So kam es, dass der kleine Rüde nun, eine Woche nach Kais Abreise, fröhlich das Wohnzimmer durchtapste um zu Rei zu kommen, der mit ihm Rufübungen machte um ihn an seinen Namen zu gewöhnen. Kai war leicht überrascht gewesen, als er von dem Familienzuwachs gehört hatte, doch der enthusiastische Chinese hatte gebettelt und das Ego des Russen mit gehauchten Worten und Versprechungen geschmeichelt um seinen Willen zu bekommen. Und so versuchte Rei nun sich vollkommen mit dem Welpen zu beschäftigen, verwöhnte ihn nach Strich und Faden, jedoch funktionierte das auch nur solange wie Andrei Lust hatte und wach war… - Und so saß Rei in der zweiten Woche wieder gelangweilt am Küchentisch und starrte in seinen Tee. Andrei schlief nach einem ausgedehnten Spaziergang in der hauseigenen Parkanlage und überließ so die Möglichkeit für eine unangenehme Langeweile sich in Rei breit zu machen. ‚Ich dreh noch durch, wenn Kai nicht bald wieder kommt… Ich brauche einfach seine Aufmerksamkeit…‘ Genervt mit sich selbst grummelte Rei und schob sauer den Zeitschriftenstapel vom Tisch. Es klirrte, als irgendetwas mit den Magazinen auf dem Boden aufkam und blinzelnd sah Rei unter den Tisch. Die Hefte lagen aufgeschlagen und wild durcheinander auf den grauen Fliesen, keine Spur von irgendetwas, was klirren konnte. Die Chance ergreifend wenigstens kurz seiner Langeweile entfliehen zu können, krabbelte Rei umständlich unter den Tisch, fluchte leise als er sich den Kopf stieß und schob dann die Zeitschriften beiseite. Zum Vorschein kam ein großer Schlüsselbund. Alte, neue, rostige, große und kleine Schlüssel reihten aneinander, mal mit Beschriftung und dann wieder nicht. Reis Augen weiteten sich in Erkenntnis und schnell nahm er die Schlüssel in seine Hand. Das Gold in seinen Augen flackerte Unheil verkündend und eilig kroch er unter dem Tisch hervor, auf und davon die bisher verschlossenen Ecken des Anwesens zu erkunden. Er erinnerte sich, dass Kai davon gesprochen hatte, dass er ihm die Schlüssel bereitlegen würde. Es gab einen für den alten Gärtnerschuppen, mehrere Duplikate von den Schlüsseln für Wohnzimmer, Küche und ihrem Schlafzimmer, dem Bad. Ein Generalschlüssel und dessen Duplikate hingen mit im Bund… Und dann gab es da diesen alten goldenen Schlüssel. Er war reich verziert und groß, sah antik aus. Gedankenverloren drehte Rei den Schlüssel zwischen den Fingern. //„Der große Schlüssel ist von dem Raum am Ende vom Gang im zweiten Stock. Du darfst dich überall herumtreiben, die peinlichen Kindheitsfotos vom Speicher sind ganz dir, aber in diesen Raum im zweiten Stock wirst du nicht hineingehen. Verstanden, Rei? Überall nur nicht da.“// Die Lippen des Tigers verzogen sich zu einem breiten Grinsen. Das war ja die reinste Einladung für ihn und seine Neugier. Gut gelaunt summend räumte Rei die Zeitschriften wieder auf den Tisch und kippte seinen bereits kalten Tee in das Waschbecken. Als er mit dem Aufräumen fertig war, machte er sich auf den Weg in den zweiten Stock. Er erklomm die Stufen hinauf, vorbei an den teuren Gemälden alter Künstler, den alten Eisenrüstungen und etlichen Türen. Und dann stand er vor ihr. Die schwere Eichentür war antik aber in gutem Schuss. Sie war mit einer Relief-Geschichte verziert. Kai hatte sie ihm mal erklärt, irgendetwas mit einem hässlichen aber steinreichen Kerl der seine neugierige Frau umbrachte oder so… Rei schüttelte nur den Kopf. Er hatte nichts übrig für diese westlichen Märchen. Bestimmt suchte Rei den alten Goldschlüssel und trennte die anderen von ihm. Ohne zu zögern drückte er ihn in das Schloss, spürte regelrecht wie der Schlüssel die Stifte zurückdrückte. Fest entschlossen seine Langeweile zu besiegen legte er seine Finger um die Klinke der Eichentür. Plötzlich kam ihm aber ein fast schon erschreckender Gedanke: Kai wusste doch, dass er neugierig war, warum verbot er ihm dann etwas so einladend? Zudem hatte er ihm die verhassten Kindheitserinnerungen in Form der Fotos freigegeben, nur den Raum im selben Atemzug nicht…. Vielleicht war das eine Falle? Eine Probe für den Chinesen ob Kai ihm trauen konnte. Die Hand des Langhaarigen lockerte ihren Griff und er ging einen Schritt zurück, ließ seine Hand leblos neben sich baumeln. Er wollte das Vertrauen des Russen auf keinen Fall verlieren, schon gar nicht weil ihm langweilig war. Als Kai ihn das nächste Mal anrief, erwähnte der Chinese nichts von dem Raum, auch wenn ihn eine Frage dazu gerade zu auf der Zunge brannte. Stattdessen genoss er es der Stimme seines Geliebten zu lauschen und den sanften Worten ebenso zart zu antworten. - Es war nun aber in der Woche vor Kais Rückkehr, dass Andrei verschwand. Der junge Rüde war gewachsen und ebenso sein Entdeckungsdrang. Er musste alles erkunden und da er nun endlich die Richtige Länge der Beine zum Treppensteigen hatte, waren die oberen Stockwerke dran. Rei hatte alle Hände voll zu tun den Rüden zu besänftigen, ging fast stündlich mit ihm in den Garten und stellte kostbare Vasen und wackelige Dinge in eines der Gästezimmer, welches er immer sicher verschloss. Als der Chinese aber gerade wieder etwas gerettet hatte (die blaue Ming-Vase von Kais Mutter- sie vergötterte das Teil), ließ er den Hund wohl zu lange aus den Augen. Der Mann bemerkte fast sofort, das etwas nicht stimmte: es war zu still. Mit Andrei und seinem momentan so aufgescheuchten Wesen hörte man im Haus immer entweder das Trappeln der riesigen Pfoten oder das Hecheln des Rüden wenn er pausierte. Doch als Rei sich nach dem Abschließen des Zimmers umdrehte, war es mucksmäuschenstill. Augenblicklich begann Rei nach dem Hund zu suchen, fürchtend was er dieses Mal für Scherben wegräumen musste. Er ging durch jedes Zimmer in den Stockwerken, durchsuchte das Wohnzimmer, sah in der Speisekammer nach, durchsuchte den Garten und den Schuppen, aber nirgends war der Rüde zu finden. Langsam anfangend Panik zu spüren, schnappte sich Rei den Schlüsselbund und sah in jedem verschlossenen Zimmer nach, bis er vor der schweren Eichentür stand, den goldenen Schlüssel in der Hand. Er zögerte. Natürlich suchte er Andrei, aber es gab für den Hund keine Möglichkeit in den Raum zu kommen, also hatte er keinen Grund in den Raum zu sehen… Immer wieder sagte er sich das in Gedanken, blieb jedoch weiter vor der Tür stehen. Warum machte Kai so ein Theater um die Türe? Tat er in dem Raum etwas Verbotenes? Stand dort eine Gelddruckmaschine? Hingen an den Wänden peinliche Poster von irgendwelchen Idolen die Kai in jungen Jahren hatte? …Oder lagerte er etwas in dem Raum? Photos? Erinnerungen? Trophäen aus Wettkämpfen? Aber warum sollte der Raum dann vor Rei verschlossen bleiben… Das Herz des Chinesen zog sich schmerzhaft zusammen, als er weiter dachte. ‚Was ist wenn er da drinnen Trophäen, Erinnerungen an alte Flammen und Eroberungen lagert? Oder einen Schrein für jemanden erbaut hat… der nicht ich bin…‘ Die langen Finger des Schwarzhaarigen griffen den Stoff des zu langen Sweatshirts, eines von Kais (gegen die Sehnsucht). Er könnte es nicht ertragen, würde der Russe etwas dergleichen vor ihm geheim zu halten… Es war beinahe so, als ob Rei unterbewusst den Schlüssel drehte, das Klicken des geöffneten Riegel ihn aus seinen Gedanken reißend. Fassungslos sah er auf seine Hand, die die Klinke schon in der Hand hielt, auf halben Weg sie hinunter zu drücken. ‚Kai muss und wird es nie erfahren.‘ Kurz darauf war die Türe des Raumes weit geöffnet. - Rei sah in völligem Unglauben in den hell erleuchteten Raum. Das Zimmer war nicht sonderlich groß (verglichen mit der durchschnittlichen Raumgröße ihres Hauses), fünf mal fünf Meter vielleicht, und war hell erleuchtet von zwei riesigen, Fußboden tiefen Fenstern. Die Wände waren gelb gestrichen, zumindest dort wo Rei noch etwas von der Wand hinter den unzähligen Bildern und Regalen erkennen konnte. Langsam ging Rei in das Zimmer, schloss mit leisem Klacken die Türe hinter sich. Links von ihm war die komplette Wand, Boden bis Decke, mit einem Regal bestückt. Auf diesem waren Trophäen, goldene, silberne, mit Figur und ohne, Medaillen und in Bilderrahmen dargestellte Urkunden ausgestellt. Liebevoll strich Rei mit dem Finger über den staubigen Namen seines Verlobten auf dem Sockel einer der größeren Pokale. Verliehen für… „-den Gewinner des Salsa Einzel-Wettbewerbs. Kai Hiwatari, 11 Jahre…“ Mit einem leichten Lächeln suchte Reis Blick die Inschrift des nächsten Pokals. Schwimmen, Reiten, Bogenschießen… Amateur Beyblade Wettbewerb. Unglaublich viele Sportarten waren aufgezählt, nur wenige Preise waren nicht für die ersten drei Plätze. Rei drehte sich, sah an die Fensterwand. Durch das Glas hindurch hatte man einen traumhaften Ausblick auf den Park. Man sah bis zum Grundstücksende, wenn es klareres Wetter hatte müsste man sogar die Stadt sehen können… Der Chinese musterte die in einer, zwischen den Fenstern an der Wand stehenden, Vitrine ausgestellten Blades. Die meisten waren kaputt, manche nicht mehr mehr als ein Haufen Teile zusammengehalten von, wahrscheinlich, Kleber, aber jeder von ihnen zeigte die Kraft die Kai seit jeher besitzen musste. In Gedanken versunken drehte sich Rei zur dritten Wand und zuckte zusammen, als er in riesige goldene Augen blickte. „Was um alles in der Welt?...“ Der Chinese keuchte und ging einen Schritt zurück. Auf einer gigantischen Leinwand prangte ein übergroßes Bild von ihm selbst. Die Pupillen waren zu schmalen Schlitzen verzogen und sahen den Betrachter säuerlich an. Seine Haare waren offen und wurden von Wind verweht, die weißen Eckzähne blitzen über der Unterlippe hervor, der Mund zu einem sarkastischen Grinsen verzogen. Es war so echt gemalt, wie eine Photographie… erstaunt sah er auf das Datum. Das Bild war vor über zehn Jahren entstanden! Das musste noch zu Zeiten ihrer aktiven Bladerkarriere gewesen sein! Neben dem ersten Bild stapelten sich unzählige weitere: Rei erkannte welche von Yuriy und Boris, Kais Eltern, von dem Hiwatari selbst, noch mehr von dem Chinesen, welche von Kai und Rei gemeinsam… Alle Bilder so lebensecht wie das Erste. Der Blick Reis fuhr herum zur letzten Wand und sah in Ehrfurcht auf das wohl unfertige Bild. Das Motiv war wieder er selbst, nur schlief er friedlich, die schwarzen Haare lose geflochten. Etliche Strähnen die sich aus dem Zopf gelöst hatten hingen ihm ins Gesicht. Seine Haut unbekleidet und nur die schwarzen Haare die die richtigen Stellen verdeckten. Er lag zusammengerollt auf dem Bett in ihrem Schlafzimmer… Vorsichtig näherte Rei sich dem Bild, sah kurz auf die Skizzen, die neben der Staffelei an der Wand hingen. Rei zuckte plötzlich zusammen, ließ den Schlüsselbund aus der Hand fallen. Draußen hatte der Postbote gehupt, das Zeichen dafür, dass sie ein Packet hatten und Rei herauskommen musste. Fluchend hob er den Schlüsselbund auf und drehte sich um, eilte aus dem Raum. Kurz warf er noch einen letzten Blick in den Raum, hinüber zu der Staffelei. Wieso wollte Kai das vor ihm Geheim halten? Die Augen verdrehend als es erneut draußen hupte, beeilte Rei sich weiter. Hätte er noch Mal einen Blick zurück auf die Türe geworfen dann wäre die Katastrophe vielleicht abzuwenden gewesen… - Es war nachdem Rei zusammen mit dem Päckchen die Tür mit dem Fuß zugestoßen hatte, als er das aufjaulen von Andrei hörte und kurz danach das furchteinflößend klingende Scheppern. „Andrjuscha!“ Das Winseln im zweiten Stock lokalisierend, rannte Rei die Treppen hoch, hetzte den Flur entlang und stellte erblassend den Ursprungsort des Lärms fest. Gehetzt riss Rei die Eichentüre auf. Andrei lag winselnd unter den Pokalen aus dem Regal begraben, dessen Bretter schief an der Wand hingen. Leise aufschreiend stürzte Rei auf die Knie um den jungen Rüden unter dem Metall hervor zu holen, hob ihn ächzend hoch, drückte ihn aber erleichtert an sich. „Ich hab‘ mir Sorgen gemacht du dummer Hund… Oh nein.“ Fassungslos sah Rei zu den umgeschmissen, zerknickten und teils zerrissenen Leinwänden. Ungläubig sah er zwischen Andrei und den Gemälden hin und her, ging langsam auf sie zu. Sein Kopf ruckte herum, als er auf Höhe der Staffelei war. Das Holzgerüst hing halb an der Wand, heil geblieben, das Bild jedoch lag auf dem Boden- unter ihm die Lachen der umgefallenen Farbtöpfe. - Das Türschloss klackte leise, als es mitten in der Nacht aufgeschlossen wurde, weckte den neugierigen Neufundländerwelpen. Leise sprang Andrei vom Sofa und seinem Schlafplatz neben dem schlafenden Rei, ging in den Flur. Die dunkle Figur sah aus dunkeln Augen zu ihm herab und der Welpe kniff kurz den Schwanz in Furcht ein, ehe er anfing die Zähne zu fletschen, in Gedanken bei seinem Herrchen, das selig auf der Couch schlief. Der junge Hund begann zu bellen und ging drohend auf den Fremden zu, der erstaunt einen Schritt zurück machte. Helles Licht blendete auf, ließ beide Parteien ihren Blick zum Lichtschalter werfen. Rei stand, sich müde durch die Haare fahrend, in der Wohnzimmertüre, die Hand noch auf dem Schalter. „Andrei? Was machst du… für … Kai!“ Lachend rannte der Chinese auf seinen Mann zu, sprang in die ihn erwartenden Arme. Fest umarmte Kai seinen schwarzhaarigen Geliebten, atmete tief den so vermissten Duft des Kleineren ein. Rei selbst war beschäftigt zufrieden zu schnurren und sich immer näher an den Größeren zu schmiegen. Wie hatte er diesen Mann nur vermisst! Der Blick der goldenen Augen wurde von den Lidern freigegeben und der Chinese sah glücklich lächelnd zu Kai auf, der den Blick mit einem um die Lippen spielenden Grinsen erwiderte. „Kai…“ „Hey…“ Rei stellte sich auf die Zehenspitzen und vergrub die Hände in den verstrubbelten blausilbernen Haaren des größeren Mannes, erwiderte den Kuss Kais mit gleicher Leidenschaft. Sie verloren sich in ihrer Begrüßung, genossen es den jeweils Anderen wieder anfassen zu können in vollen Zügen: Kai schob seine rechte Hand unter Reis Shirt, massierte mit der anderen über dessen Hintern. Und Rei zog an den von ihm so geliebten Haaren, strich mit der anderen Hand langsam über die feste Brust des Hiwataris hinunter. Erst das Knurren Andreis, brachte die Männer nach Minuten dazu sich schwer atmend voneinander zu trennen. Die goldenen Augen Reis suchten den Blick des Welpen, der mit dem Kopf gegen Kais Bein drückte, sich verzweifelnd versuchte zwischen die Männer zu drücken. Während Rei leise auflachte, fand Kai das Ganze weniger amüsant und bedachte den Hund mit einem bösen Blick. Der Chinese ging in die Knie und hievte den Neufundländer hoch (Andrei hatte ordentlich an Masse zugelegt und wog bereits seine 20 Kilo), drückte ihn sanft an sich. „Du musst Kai nicht anknurren, das ist doch dein zweiter Vater. Ich hab dir von ihm erzählt, Süßer.“ Missmutig verzog Kai die Brauen, als der Welpe tatsächlich ruhiger wurde und ihn nicht mehr ansah als ob er ihn gleich anfallen würde. Da konnte man ja fast eifersüchtig werden, wenn der eigene Mann so mit einem Hund sprach! - Es war keine Stunde später, da lagen beide Männer im Bett, Kai auf dem Rücken, die Finger sanft über den Rücken des Schwarzhaarigen fahrend, welcher sich halb um den Russen gewickelt hatte: ein Bein lag über Kais Beinen, der Kopf des Chinesen lag auf der Brust des Größeren, lauschte dem gleichmäßigen Schlagen des Herzschlags. Reis Gedanken kreisten um die Tatsache, dass er Kai das mit dem ‚Verbotenen Raum‘ noch beichten musste, möglichst bevor er die Schlüssel zurück gab. Als er den Schlüssel nämlich hatte fallen lassen, war ein bisschen Farbe an den Schlüssel gekommen, die sich aus unerklärlichen Gründen nicht entfernen ließ. Aber wie sollte er dem Russen die Sache beichten? In dem Raum waren so viele Erinnerungen gelagert. Selbst die Vitrine mit den Blades war, wie er bei einem Gang ohne Andrei auf dem Arm durch das Zimmer festgestellt hatte, zerstört worden. „Kai?“ „Hm?“ „Ich… hab dich vermisst.“ Ein leichtes Lächeln deutete sich auf den schmalen Lippen des Russen ab, als er die Augen schloss. - „Rei? Wo sind die Schlüssel?“ Ertappt fuhr Rei hoch, legte das Messer zur Seite, mit welchem er gerade das Gemüse für einen Auflauf fürs Mittagessen schnitt. Er hatte so gehofft, dass der Russe es einfach vergessen würde… aber wahrscheinlich wollte er in sein Zimmer um weiter zu malen. Zitternd öffnete Rei die oberste Schublade des Deckenhohen Schrankes, der neben der Türe zur Küche stand. Er spürte wie Kai sich hinter ihn stellte, die Hände sanft auf seiner Hüfte ablegte. Er spürte den Atem des Russen an seinem Ohr, hörte die leisen Worte. Wortlos drehte Rei sich um, übergab seinem geliebten den Schlüsselbund, hielt dabei den Kopf gesenkt. ‚Geh einfach, dreh dich um und geh.‘ „Wo ist der Goldschlüssel?“ Fragend sahen die roten Augen des Hiwataris zwischen dem Schlüsselbund und Rei hin und her. Sanft hob er das Kinn seines Mannes an, als dieser ihm nicht in die Augen sah und stumm blieb. Schuldbewusst und mit entschuldigendem Blick erwiderte der Chinese den Augenkontakt schließlich, ließen Kai erahnen, was passiert war. „Du warst zu neugierig?“ „Ich…“ Der Langhaarige hob seine Hände und drückte Kais Hand von seinem Kinn, drehte den Kopf zur Seite. Er machte einen Schritt nach vorne und umarmte den Russen fest, vergrub den Kopf in dessen weißen Hemd. ‚Er darf mich nicht verlassen, bitte, bitte bring ihn dazu mir zu verzeihen…‘ „Rei?" „Es tut mir Leid… Ich wollte nicht… aber der Postbote… Es tut mir so Leid, vergib mir…“ Verwirrt blinzelte der größere Mann, drückte Rei von sich, um ihm ins Gesicht zu sehen. Der Chinese kniff die Augen zusammen und schlang die eigenen Arme haltsuchend um sich selbst, verwirrte den Russen so noch mehr. Hatte Rei solche Angst vor seiner Reaktion, weil er in dem Zimmer war… oder… war etwas passiert? „Wo ist der Schlüssel?“ Kai zwang sich so ruhig wie möglich zu sprechen, fuhr zärtlich mit den Händen über die Arme des Chinesen, hoffte, ihn so zum reagieren zu bringen. „Er liegt in meinem Nachtschrank…“ „Okay.“ Der Russe drehte sich um, verschwand langsam aus Reis Blickfeld. Kaum war er daraus verschwunden, sank der Langhaarige zitternd, leise schluchzend zusammen, lehnte sich mit Tränen an den Augen an die Wand hinter ihm. - Minuten vergingen, eine Stunde. Zwei. Andrei hatte sich es auf den Beinen Reis gemütlich gemacht, schleckte immer wieder tröstend über dessen Hand. Er verstand nicht warum sein Herrchen traurig war, nur das und wollte ihn trösten. „Er wird mich verlassen…“ Immer wieder murmelte Rei vor sich hin. Er zitterte nicht mehr, aber es liefen unaufhörlich Tränen aus seinen Augenwinkeln. Leise und dann immer lauter wurden die Schritte des wiederkehrenden Russen. Mit zunehmender Lautstärke schienen sie immer mehr an den Wänden widerzuhallen und Rei vergrub seine Hände im dichten Fell des Neufundländers, bis die Schritte irgendwann vor ihm anhielten. ‚Bitte lass ihn mich nicht hassen!‘ Vorsichtig hob Rei seinen Blick. Er schrie auf, als er die Waffe in der Hand des Russen erkannte, der mit wutverzerrtem Gesicht auf diese Blickte. Die roten Augen sahen bei dem Angstlaut in Reis eigene, goldene. „Ich mache dir keine Vorwürfe, Rei. Ich habe deine Neugier provoziert mit meinen Anweisungen… dich trifft eine Schuld… aber dieser Köter hat sie zerstört. Meine Pokale… die Blades meines Vaters… die Bilder… Dafür wird er büßen.“ Manisch grinsend richtete Kai die Waffe auf den Welpen, der ihn freundlich ansah. Überrumpelt sprang Rei auf, Andrei auf seinem Arm und rannte an dem Russen vorbei. Er machte ihm Angst. Kai war immer gefasst, er würde doch nie einem Hund , noch dazu einem unerzogenen Welpen, etwas antun! Geschweige denn Rei selbst, aber hätte Kai eben abgedrückt, dann hätte die Kugel mit Sicherheit seine Beine getroffen… Was war nur mit dem Russen los? „Rei! Lass den Hund gefälligst hier!“ Der Chinese spürte wie ihm der Schweiß an der Schläfe hinab lief, Andrei zappelte mittlerweile und erleichterte das Tragen von ihm nicht wirklich. Er rannte mit seinem Hund durch das gesamte Haus, verließ es durch die Hintertür und stürzte in die schwarze Nacht. Rei wollte nur noch weg. Weg von dem Russen, den er liebte, eigentlich dachte zu kennen. Voller Angst kniff Rei die Augen zusammen. Und riss sie erschrocken wieder auf, als er gegen jemanden prallte. „Hi Rei.“ Freundlich lächelte Zeo ihm entgegen. Sah ihn keinesfalls überrascht an, sondern streckte die Hand aus, um Andrei zu streicheln. „Hey Andrei. Wie geht’s dir denn so, Kleiner?“ Immer wieder drehte Rei sich um, versuchte Kai zu lokalisieren, der ihn doch langsam eingeholt haben müsste. Dann registrierte er Zeos Worte. „Aber du kennst ihn doch gar nicht?! Was machst du überhaupt hier? Du bist in Japan! Wir haben doch noch vorhin telefoniert… du hast ein Konzert. Jetzt!“ Vollkommen verständnislos sah der Türkishaarige Rei an, legte den Kopf schief. Rei machte einen Schritt zurück. ‚Was wird hier gespielt?!‘ Plötzlich erhellte sich Zeos Miene und der Mann hob seine Hand zum Gruß. „Hey Kai, wovon redet Rei eigentlich, weißt du es?“ Der Chinese riss die Augen auf und wirbelte herum. Andrei bellte zur Begrüßung des Russen, der mit gehobener Waffe langsam auf Rei und Andrei zuging. „Zeo, du musst…!“ Verwirrt sah Rei auf die Stelle, an der eben noch Zeo gestanden hatte. Nichts, gähnende Leere. Sein Blick richtete sich wieder auf Kai, der immer näher kam. Reis Arme fühlten sich plötzlich wie Blei an, Andrei wurde ihm zu schwer, kam ihm plötzlich größer vor. Seine Beine versagten und der Chinese kippte einfach nach hinten. Voller Angst robbte Rei im Schlamm des aufgeweichten Bodens nach hinten, der Regen der auf einmal unaufhörlich auf sie niederprasselte wie spitze Nadeln auf seinen Armen, die sich verzweifelnd um Andrei schlangen, um ihn davon abzuhalten, auf Kai zuzuspringen. „Rei, lass den Köter los!“ „Nein! Was ist denn los mit dir? Wo ist mein Kai hin? Und was ist mit Zeo passiert? Was ist hier los?“ Tränen der Verzweiflung rannten über Reis Wangen. Er wollte den eingebildeten Bastard zurück, der nicht die Finger von ihm lassen konnte! Wo war dieser Kai geblieben? Ein schauer durchlief ihn, als er das Klacken hörte, welches beim entsichern der Waffe ertönte. Um sie herum wurde alles still. Rei beobachtete, wie der Finger des Russen so unendlich langsam abdrückte. Er spürte plötzlich nichts mehr. Keinen Schmerz. Keine Angst. Nichts. Stoß nur noch Andrei von sich, als er den Schuss hörte… --- „Nein!“ Er schrie. Schrie wie noch nie in seinem Leben, als er aus seinem Traum hochfuhr. Rei spürte wie neben ihm ein Körper kurz nach ihm aus dem Schlaf hochfuhr, versuchte in den ersten Minuten die warmen Hände von sich zu drücken, die ihn versuchten davon abzuhalten, mit den Armen um sich zu schlagen. Der Chinese war taub den beruhigenden Worten gegenüber, die aus den sonst so stummen Lippen kamen. War Blind gegenüber dem besorgten Blick der roten Augen. Plötzlich hielt eine Hand ihm den Mund zu, stillte seinen Schrei und starke Arme schlossen sich um den zitternden, nass geschwitzten Körper des jungen Mannes. „Psst. Es ist okay. Dir geht es gut… Beruhig dich Rei.“ Langsam kam der Langhaarige zu sich, sah sich orientierungslos um. „Wo bin ich?“ „In unserem Zimmer.“ Langsam drehte Rei seinen Kopf, sah Kai völlig entgeistert an, öffnete sogar schon seinen Mund um erneut los zu schreien, als ihm etwas auffiel: Kai war nackt. Kai war nie und nimmer 27. Kai trug, wenn auch verschmiert, die blauen Dreiecke auf seinen Wangen. Das hatte er nicht mehr, seit sie in die Staaten ausgewandert waren… Das war der 19 jährige Kai Hiwatari vor ihm. Und… „Es war alles nur ein Traum?“ Kai sah Rei beunruhigt an. Vorsichtig zog er den Kleineren auf seinen Schoß, strich ihm zärtlich durch die verklebten Haare. „Versprich mir, dass du nie einem Welpen etwas antust. Sie sind nun mal meistens noch ohne große Erziehung und zerstören Dinge weil sie es nicht besser wissen… Und lass mich nie alleine, wenn du auf Geschäftsreise gehst. Und wenn du mir deine Eltern auf den Hals schickst, lass mich nicht alleine.“ Der Russe drückte den leise murmelnden Rei näher an sich. Sanft fuhren die blassen Finger über den Rücken Reis, zogen die feinen Narben nach, die noch vom Kampf gegen Boris in der ersten WM übrig geblieben waren. Seufzend versuchte er einen Sinn in den für ihn so wirren Worten Reis zu finden, gab aber schon nach kurzer Zeit auf. „Ich verspreche es… Willst du mir von deinem Traum erzählen oder willst du schlafen?“ „Nein und nein… erzähl mir was… erzähl mir von deinen Trophäen von vor dem Bladen. Schwimmen, Reiten, Tanzen? Und wann findest du eigentlich die Zeit dafür deine Bilder zu malen? Und… erzählst du mir das Märchen mit dem… hässlichen aber reichen Mann, dessen Frau den goldenen Schlüssel in dem Raum voller toter Exfrauen des Kerls fallen lässt nochmal?“ Überrascht betrachtete Kai den Schwarzhaarigen, der sich wie ein Ertrinkender noch immer an ihn drückte und ihn festhielt. Woher wusste Rei von den Auszeichnungen? Und seine Bilder erst? Und woher kannte der chinesische Mann denn westliche Märchen? Hatte er ihm doch nie eines erzählt. Blinzelnd fuhr der junge Mann mit den sanften Berührungen fort, die er aus Überraschung gestoppt hatte. Egal woher Rei davon wusste. Egal was er da geträumt hatte. Wenn es ihm half, dann würde Kai eben von peinlichen Wettbewerben zu denen seine Mutter ihn genötigt hatte erzählen oder den heimlichen Bildern die er von Rei gemalt hatte oder von dem Märchen Blaubart und wie dessen Frau dem Tod entkam… - „Hey, wie geht’s dir?“ Müde blinzelte Rei, fuhr sich durch sein zerzaustes Haar. Kai lehnte über ihm, strich federleicht über die Schläfe des Langhaarigen. Kurz war Rei verwirrt. Wie sollte es ihm schon nach der Nacht mit seinem Schwarm gehen? Klar, sein Körper fühlte sich leicht schwer an und er würde Schwierigkeiten mit dem Sitzen-Gehen-Stehen haben, aber ... Dann fiel ihm sein Traum wieder ein. Die Angst vor Kai. Nachdenklich sahen die goldenen Augen in die roten des Russen. Stumm rutschte Rei auf der Stelle herum, dreht sich dann und schmiegte sich an die Brust des Größeren. „Ist es dir ernst mit mir?“ Der Chinese spürte, wie der Griff der Arme des Russen um ihn herum sich festigte. Wie sich die schmalen Lippen des Russen in einer Art Déjà-vu knapp unter seinem Auge auf die Haut des jungen Mannes legten. Dem Langhaarigen war das Antwort genug, malte kurz darauf lächelnd wirre Muster auf die Brust des Russen. Es herrschte kurze Zeit Ruhe, bis Rei anfing zu glucksen und sich näher an den Körper des Russen schmiegte, seine schmunzelnden Lippen in federleichten Küssen über den Hals des Russen gleiten ließ, der selbst ein breites Grinsen im Gesicht trug. Die Hand unter der Decke, blass im Vergleich zur bronzenen Haut über Reis Hintern, wurde davon nur weiter angespornt… --- „Wovon träumst du nachts?“ Dies war eine der Fragen, die Rei Kon ungern beantwortete. Wo er früher meist gespielt charmant, falsch lächelnd mit einem „Oft von meinen Kämpfen oder einfach von Dingen, die ich am Tag erlebt habe.“, geantwortet hatte… grinste er heute frech, ließ seinen Blick kurz zu dem schmalen Platinring mit dem eingelassenen Diamanten an seiner rechten Hand flackern und antwortete keck: „Ich träume von Kai Hiwatari.“ oOo Ming-sama Februrar 2009 Ich weiß, Rei ist sehr… verweichlicht geworden gegen Ende seines Traumes, ich begründe es mal mit seiner Verwirrung, ja? >.>“ Ich glaube, es ist mir arg aus der Hand gerutscht und ich hätte es wahrscheinlich um die Hochzeitsszenen etc. kürzen können, aber ich hab mir dann gedacht, dass es jetzt auch egal ist und nebenbei mag ich die Geschichte sogar halb~ ^3^v Jedenfalls, ich hab mir Mühe gegeben ein so… spezielles Märchen wie Blaubart umzusetzen und hoffe es ist mir zur Zufriedenheit von meinem Wichtelkindchen und vom Vorschlager() des Märchen geglückt. Zeo hat außerdem Spaß gemacht einzubinden, ihn verunstaltet sollte ich ihn nicht haben, oder? :3“ K³ please. Greetz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)