Sulphur Mountain von abgemeldet (Murdocx2D) ================================================================================ Kapitel 1: Ice Cool ------------------- Es tut mir leid, ich habe die ersten Kapitel schon vor einer ganzen Weile verfasst, sie sind also nicht allzu überragend ^^" ------> Es war die schneidende Frostluft die ihn an diesem Morgen, ungewohnt früh, weckte. Schlaftrunken öffnete er seine tiefschwarzen Augen und verzog den Mund zu einem herzhaftem Gähnen. Er sog tief die Luft ein und streckte sich ausgiebig, bevor er wie vom Blitz getroffen zusammenfuhr und sich die verrutschte Bettdecke bis zur Nasenspitze zog. “Was zum-?” Der junge Mann mit der naiven, viel zu hellen Stimme versuchte das Zittern, das von ihm Besitz ergriffen hatte, niederzukämpfen, während er nach der Ursache des plötzlich eiszeitlichen Klimas seines Zimmers suchte. Sein Blick huschte zu dem großen Fenster, durch dessen staubiges Glas ihn tapfer ein paar erste Strahlen der aufgehenden Sonne entgegen blitzten. Es war fest verschlossen. Genauso wie die schwere eiserne Tür, die sein kleines Zimmer von dem Parkplatz des Studios trennte. Aber warum verdammte Scheiße is’ es dann nur so kalt hier drin? 2D warf verstohlen einen Seitenblick auf den Kleiderhaufen, der achtlos in der -zu seinem Leidwesen hintersten- Ecke des Zimmers lag. Er wünschte sich auf einmal er hätte am gestrigen Abend mehr angezogen als die pinkfarbenen Boxershorts. Wagemutig streckte er einen der blassen Arme unter der Decke hervor, zog ihn jedoch prompt wieder an den wärmenden Körper zurück. KALT! Der Sänger spielte kurz mit dem Gedanken einfach wieder in sein wunderbar weiches Kopfkissen zu sinken und den restlichen Winter durchzuschlafen. So wie es die Kaninchen machten! Einfach warten bis das Schlimmste vorüber war, und man keine Angst mehr haben musste, sofort schockgefrostet zu werden, wenn man das Bett verließ… Hielten Kaninchen eigentlich Winterschlaf? 2D wusste es nicht, und eigentlich war es ihm auch egal. Er wollte nur möglichst schnell zum Kong flüchten und sich aufwärmen. Okay bei drei steh ich auf, nahm er sich mutig vor und krallte die langen Finger in die Enden seiner dünnen Bettdecke. Äh… Eins, zwei… drei! 2D zögerte kurz, doch dann riss er sich die Decke vom Körper und sprang schwungvoll aus dem Bett. Als seine nackten Füße die Fliesen seines Zimmers berührten, zog er zischend die eisige Luft ein. Im Eiltempo hechtete er zu dem angepeilten Ziel, grapschte sich Jeans, Socken, sowie Rollkragenpullover und machte schlitternd kehrt. Beinahe hätte er den Halt verloren und sich der Länge nach hingelegt, konnte sich im letzten Augenblick jedoch mit einem Ausfallschritt vor einem gebrochenen Bein bewahren. Dennoch schaffte er es nur mit mäßigem Erfolg das Bett wieder völlig unbeschadet zu erreichen; bevor er auf die Matratze klettern konnte, knickte er unglücklich um und schlug mit der Kniescheibe auf der kalten Oberfläche des Bodens auf. Der Schmerz zuckte wie ein Stromstoß durch sein rechtes Bein und ließ ihn qualvoll aufschreien. Der Sänger blieb kurz hocken. Er wartetet frierend, bis der stechende Schmerz zu einem unangenehmen Pochen abgeebbt war. Dann rappelte sich vorsichtig auf. Das Gelenk knirschte verdächtig. 2D biss sich auf die Unterlippe und stieg auf das Bett. Rasch streifte er sich den roten Wollpullover über den Kopf. Die grelle Farbe des Oberteils biss sich stark mit dem Azurblau seiner zerzausten Haarpracht. Eine Tatsache die ihn allerdings nur wenig störte. Schnell versuchte er in die Jeans zu schlüpfen, konnte allerdings nicht verhindern das er das verletzte Knie anwinkeln musste. “Autsch!” 2D war sich sicher das seine Kniescheibe nur noch aus einem kleinen Haufen Splitter bestand. Darauf bedacht das Bein nicht zu sehr zu belasten, zog er sich die Socken über seine kalten Füße. Er vollführte beinahe einen Spagat als er versuchte, an das Ende seines durchgesteckten Beines zu gelangen. Er konnte sich selbst nicht genau erklären wie, doch 2D schaffte es die Prozedur ohne weitere Schmerzen zu meistern. Umständlich robbte er zur Kante seiner Matratze und setzte vorsichtig die besockten Füße auf den Boden. Humpelnd machte er sich auf den Weg in Richtung Eisentür. Unterwegs schlüpfte er eilig in die hellblauen Chucks, die neben einem seiner unzähligen Keyboards lagen. Zwei Allstars, geziert mit dem Namen seiner Band… Ähm, der Band in der er spielte. 2D öffnete die Schlösser, die seine Zimmertür schmückten (man weiß ja schließlich nie, wer sich vielleicht mitten in der Nacht einmal dazu entschließt, einem einen Besuch abzustatten, und dann nach allen Regeln der Kunst zu verprügeln) und trat hinaus auf den überdachten Parkplatz. Der junge Sänger schlang die langen Arme um die schmale Brust. Hier draußen war es sogar noch kälter als in seinem Zimmer. Gefühlte -106°C. Mindestens! 2D passierte zügig den großen Wohnwagen der nun schon seit gut und gerne sieben Jahren an ein und der selben Stelle parkte. Er stellte fest das weder Licht brannte, noch irgendeine andere Regung darauf hinwies das sein Bandkollege bereits aufgewacht war. Als er schließlich die kleine Küche des Studios betrat, sollte er jedoch eines Besseren belehrt werden. Murdoc Niccals saß an seinem Stammplatz, mit dem Gesicht zur Tür, dem Rücken zur Wand und den Füßen auf dem Tisch. Wenn er bemerkt haben sollte das sein Sänger eingetreten war, ließ er es sich nicht anmerken und redete stattdessen weiter angeregt, und scheinbar verärgert (wie 2D es eigentlich auch nicht anders von ihm kannte) auf den massigen, schwarzen Drummer der Band ein. Russel hingegen stimmte in das “Guten Morgen” Noodles mit ein. Sie hockte mit einer Tasse in der Hand vor dem alten Ofen, in dessen rußiger Mitte ein kleines Feuerchen prasselte. Es verbreitete eine wohlige und willkommene Wärme. 2D wunderte sich. Eigentlich hatten sie den Ofen nie benutzt. Sie wollten ihn schon vor langer Zeit entsorgen, hatten dies allerdings wegen Noodles Protest, letztlich doch gelassen. Sie hielt ihn für ein nostu- nasto-… Äh… Ah, für ein nostalgisches Sammlerstück, wenn 2D es sich richtig gemerkt hatte. Er war sich nicht allzu sicher was das bedeutete, aber wenn er der Gitarristin so gefiel, sollte sie ihn doch ruhig behalten. “Äh… Was macht ihr’n schon hier?”, wollte er wissen. “Diskutieren”, war die knappe Antwort seitens Murdoc. 2D wandte sich an den ruppigen Bassisten, wobei ihm sofort auffiel das dieser -ganz im Gegensatz zu ihm selbst, Noodle und Russel- lediglich eine Jeans und die gewohnte Kette, mit dem umgedrehten Kreuz trug. Kein Oberteil. Es juckte 2D in den Finger sich selbst den Pullover vom Leib zu reißen. Aus reiner Loyalität und Bewunderung zu diesem Mann. Ja, er bewunderte ihn wirklich. Seine Coolness, sein Auftreten, seine Intelligenz. Außerdem hatte er 2D das Leben gerettet! Glaubte er jedenfalls… “Diskutieren?” Der Sänger konnte sich nicht vorstellen worüber man kurz nach Sonnenaufgang diskutieren sollte. “Ja”, schnaubte Murdoc. “Diskutieren. Is’ das etwa auch ein Fremdwort für dich, Schwachkopf?” 2D machte ein Gesicht, entgegnete jedoch nichts. Er sah über Murdocs Rohheit hinweg. So wie er es immer tat. Muds war nun einmal Muds. “Worüber‘n ?”, erkundigte er sich stattdessen. Murdoc knirschte genervt mit den Zähnen und warf ihm einen gereizten Blick zu. In Ordnung. Heute schien er wirklich miese Laune zu haben. “Falls es dir noch nich’ aufgefallen sein sollte, mein hirntoter Freund, ist in dem ganzen Drecksladen hier der Strom ausgefallen, was bedeutet das wir weder etwas anderes als Dosenfraß essen- noch heizen können!”, schimpfte er. “Oh… Na ja, un‘ ?” Russel war derjenige der antwortete. “Ich hab’ herausgefunden das das gesamte Stromnetzwerk im Umkreis von zehn Kilometern zusammengebrochen ist. Und da wir das einzige Gebäude im Umkreis von zehn Kilometern hier sind, sind logischer Weise nur wir davon betroffen. Die Reparaturarbeiten könn’ sich also noch bis zu zwei oder drei Wochen hinziehen”, erklärte er. “Ah…”, machte 2D, der der ganzen Sache nicht wirklich folgen konnte. “Und wir haben darüber diskutiert uns hier zwei Wochen lang den Arsch abzufrieren und uns von, wie Murdoc so schön sagt, Dosenfraß und Pizza zu ernähren, oder… eine Weile wegzufahren.” “Ich möchte irgendwo hin fahren wo Schnee liegt!”, warf Noodle ein. Murdoc knurrte missmutig. “Is’ es dir hier nicht kalt genug?”, fragte der Mann, der Mitte Dezember ohne Shirt herumrannte. “Mhm… Schon, aber hier liegt ja kein Schnee, Murdoc”, entgegnete sie. “Wir fahren nicht weg!” Dem Ton des Bassisten nach zu urteilen schien die Sache damit gegessen. Noodle ließ sich jedoch nicht so einfach abspeisen. “Und wer entscheidet das?” “Ich entscheide das”, knurrte Murdoc. 2D wusste genau, stünde er nun an Noodles Stelle hätte er sich spätestens jetzt, zusätzlich zu dem verletzten Knie, auch noch ein paar nette Feilchen eingefangen. “Ich denke es wäre nur fair auch uns andere nach ihrer Meinung zu fragen nicht wahr Murdoc?”, beharrte sie und stellte ihren Kakao auf die Herdplatte des kleinen Ofen. “Nichts da, wir bleiben! Punkt! Jetzt halt endlich den Mund!” Die Gitarristin schien zu bemerken das sie mit der Überzeugend-Sachlichen-Tour nicht weiter kommen würde. Sie erhob sich, wobei sie sich mit einer raschen Bewegung den viel zu langen Pony aus dem Gesicht strich. 2D wusste das die junge Japanerin vorhatte ihre kleine “Geheimwaffe” einzusetzen. Plötzlich verspürte 2D einen Stich in der Magengrube. Verwundert drückte er sich die Faust auf den Bauch. “Aber Murdoc-sama! Seit ich hier bin, hatten wir erst einen richtigen Winter und das ist fast fünf Jahre her. Ich würde doch so gerne irgendwo hinfahren wo es schneit… Bitte, bitte. Lass uns fahren… Für miiich…?” Noodle hatte sich neben Murdocs Stuhl auf den Boden gehockt. Sie blinzelte ihm nun aus grünen Mandelaugen entgegen. Einen Zeigefinger hatte sie dabei an den Mundwinkel gelegt, was sie besonders unschuldig aussehen ließ. Eine sehr effektive Methode. Murdoc verschränkte die Arme und starrte gegen die Wand. Dabei erinnerte er 2D ein klein wenig an ein bockiges Kind… Noodle hatte früher des Öfteren so ausgehen, wenn Murdoc sie nicht in seinem Winnebago hatte spielen lassen! Jeden Augenblick würde Murdoc nachgeben. Bestimmt… Hoffentlich. 2D hatte gerade kurzerhand den Entschluss gefasst, auch irgendwohin vereisen zu wollen. Ein Tapetenwechsel würde ihm gut tun und vielleicht sogar ein bisschen Inspiration für einen neuen Song liefern! “Außerdem”, setzte Noodle an, “werden da mit Sicherheit auch schöne Frauen sein. An den heißen Quellen vielleicht… und sowieso…” (Noodle hatte scheinbar bereits einen Fünfsterneaufenthalt für die Band geplant). Murdoc drehte dem Mädchen den Kopf zu. Seine Brauen waren weiterhin missmutig zusammengekniffen, doch in seinen Augen konnte 2D ein verdächtiges Funkeln erkennen. Noodle hatte gewonnen. “Na schön. Fein! Du hast gewonnen!”, bestätigte er, und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. “Fahren wir eben an deinen bekloppten Urlaubsort! Bitte!” Noch während Murdoc wild und scheinbar sauer gestikulierte, hatte Noodle bereits erfreut die Hand in die Luft gestreckt und ihm das schwarze Haar zerzaust. Mit einem siegreichen Grinsen auf den Lippen drehte sie sich um. 2D meinte sie zwinkern zu sehen, obwohl das lila Haar ihr bereits wieder vor die Stirn gefallen war. Er versuchte einen Blick aufzusetzen der so viel aussagen sollte wie Wie machst du das nur? Die Gitarristin zuckte mit den Schultern und hauchte 2D im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange. Fröhlich trällernd verließ sie den Raum. Derweil schien Murdoc immer weiter in Rage zu geraten. “…weil ich der Bandleader bin und wir nicht einfach nach Lust und Laune in der Welt rumjagen können! ICH hab die Band gegründet! Also steht MIR das Recht zu, zu entscheiden! Aber wen interessiert das hier eigentlich noch?!” “Mich interessiert das, Muds”, versuchte 2D den Bassisten zu beruhigen. “Ach so? Na wunderbar! Was heißt das denn schon, hä? Dich interessieren ja schließlich auch Kätzchen, Liebeslieder, schwuchtelfarbene Bettwäsche und hautenge Rollkragenpullover!” Murdoc machte eine ausladende Geste mit der Hand. “Weißt du das sich das nicht gerade vorteilhaft auf deine, ohnehin nur minimal vorhandene, Männlichkeit auswirkt, D?!” 2D fühlte sich beinahe erschlagen von so viel Kritik. “Muds, beruhig dich jetzt Alter.” Russel, der das Schauspiel bis jetzt schweigend verfolgt hatte (was wohl zu größten Teilen daran lag, dass er mit dem Essen eines Sandwichs von unglaublichem Ausmaß beschäftigt war), hob beschwichtigend die Hände. “Beruhig dich Alter”, äffte der Satanist den Drummer nach. 2D ahnte Schlimmes und duckte sich innerlich. Er selbst war für Murdoc bis jetzt immer das beste Ventil gewesen um sich abzureagieren. Ein Ventil das er in diesem Augenblick scheinbar gut gebrauchen konnte. Murdoc schien schon seit dem Aufstehen schlecht gelaunt zu sein. Der Stromausfall und Noodles Überredungskunst hatten das Fass wohl zum Überlaufen gebracht. Oder besser gesagt, zum explodieren. Ein Stuhl flog gegen eine Wand und verlor mit einem lauten Knack ein Bein. Ein Tisch wurde grob zur Seite geschoben, ein wütender Bassist kam auf ihn zugestampft. Sollte er jetzt weglaufen? Nein, warum sollte er, er hatte doch nichts Verbotenes getan… oder doch? Am Besten einfach stehen bleiben. Der Bassist rauschte kochend auf 2D zu. Dieser hatte das Gesicht verzogen, in Erwartung jeden Augenblick eine Tracht Prügel einstecken zu müssen. “Geh mir aus dem Weg, Arschloch!”, befahl Murdoc und versetzte 2D einen groben Stoß. Der Sänger stolperte zur Seite. Im ersten Moment legte sich ein erleichterter Ausdruck auf das hübsche Gesicht, der sich jedoch schlagartig in Qual verwandelte. 2D‘s Bein erhielt einen schmerzhaften Ruck und vor seinem inneren Auge explodierten zahlreiche Farben. Ein lautes Knirschen schien sein Trommelfell zerreißen zu wollen. Er verlor den Boden unter den Füßen, versuchte sich schnell an etwas abzufangen. Vergeblich. Als er spürte wie seine Stirn mit etwas hartem kollidierte, erloschen die Farben. Er fühlte sich wie in schwarzes Samt gehüllt. Um ihn wurde es Nacht. In weiter Ferne hörte er seinen eigenen Aufschrei und den eines anderen… “Stu?!” Kapitel 2: Wake me up before you go, go --------------------------------------- “Alter, D. Mach keinen Scheiß.” “Hey Arschloch, du sabberst.” “Murdoc-sama!” “Was denn? Guck doch!” “… D, wach jetzt auf.” “Du bist ja so taktlos.” “Komm schon, der ist doch immer noch völlig weggetreten!” “Das ist meine letzte Warnung, wach auf, D!” Oder was? “Wenn du nicht gleich die Augen aufmachst, zwing ich dich dazu.” Versuchs do- Noch bevor er den Satz zu Ende denken konnte, hatte ihm jemand die Faust in die Magengrube gerammt. 2D fuhr keuchend zusammen und drehte sich auf die Seite. “Eigentlich wollte ich ihm bloß ein Glas Wasser ins Gesicht kippen, Muds”, entsetzte sich Russel. “Na und, so geht’s doch auch.” 2D schluckte die Galle hinunter, die ihm in den Hals geschossen war und drehte den Kopf, um seine Bandmitglieder anzusehen. Murdoc hatte ein selbstzufriedenes Grinsen aufgelegt, die Faust immer noch erhoben. Noodles Gesicht sprühte vor Erleichterung und auch Russel klopfte ihm erfreut auf die Schulter. “Was- was is’n passiert?”, nuschelte der Sänger und richtete sich ein wenig auf. In seinem Knie regierte ein unangenehmes Dauerziehen und auch seine Schläfe schien schon einmal bessere Tage gesehen zu haben. 2D schloss vorsichtig ein Auge. Mit dem Finger fuhr er über die geschwollene Stelle über seiner Braue. Eine warme, schmierige Flüssigkeit bedeckte seine Fingerkuppe. “Aua”, stellte er fest. “Du hast dich vor etwa drei Stunden von uns verabschiedet, Alter.” Der Sänger stöhnte als er sich aufrappelte. Der gesamte Raum schien sich zu drehen und seine Beine fühlten sich an als wären ihre Knochen durch Pudding ersetzt worden. 2D verlor für einen Augenblick den Halt. Jemand packte blitzschnell seine Schultern um ihn abzufangen, ließ jedoch genauso schnell wieder los. “Pass doch auf”, sagte Murdoc. Der Blauschopf nickte. Er klammerte sich sicherheitshalber an die Tischkante. “Uh… Wo sind meine Kopfschmerztabletten…” Er kratzte sich mit der freien Hand am Kopf. Nervös suchte er den Raum nach der kleinen Dose mit den bunten Pillen ab. Russel verdrehte die Augen. “Du wirst noch süchtig nach den Dingern”, warnte er. 2D ignorierte ihn und grapschte sich Wasserglas und Medikamente, die der Drummer ihm plötzlich vor die Nase hielt. Fast so als hätte er erwartet das 2D danach fragen würde. Was für ein Zufall. Der Sänger leerte das Glas mit drei kräftigen Zügen und einer Doppeldosis Tabletten. Sicher war sicher. “Ah, 2D-chan! Dein Bein”, rief Noodle plötzlich erschrocken. Sie starrte ihn an. Der Angesprochene folgte dem aufgeregten Blick der kleinen Japanerin. Tatsächlich hatte sich -auf dem hellen Stoff der Hose klar zu erkennen- ein dunkler Fleck auf Höhe des Knies ausgebreitet. “Hab’ gar nich’ bemerkt das das blutet”, nuschelte er. 2D stellte das Glas auf den Tisch. Er setzte sich und hob das Knie. Die Jeans war kaum mehr feucht, an einigen Stellen war das Blut sogar schon eingetrocknet. Er spürte das der Stoff an der Wunde klebte, es ziepte unschön. “Ich bin heute morgen ausgerutscht”, erklärte er. Die anderen drei verdrehten beinahe synchron die Augen. Russel musterte ihn missmutig. “Du bist wirklich anstrengend weißt du das, D? … Sieht jedenfalls so aus als müsstest du verarztet werden. Schon wieder. Murdoc, das machst du, Noodle und ich gehen unsere Sachen packen.” 2D sah auf. “Sachen packen? Aber-” “Ich?! Wieso muss ausgerechnet ich die Krankenschwester für den Trottel spielen?!”, unterbrach ihn Murdoc. Der Drummer ignorierte ihn. “Jupp, wir haben entschieden das wir noch heute losfahren”, sagte er zu 2D. “Wäre wohl das Beste wenn du auch gleich anfängst zu packen… Und du…”, jetzt sprach er mit Murdoc, “du wirst das machen weil das -erstens- ganz offensichtlich auch deine Schuld war, weil du -zweitens- wie ich dich kenne, so oder so nur eine Hose und ein Shirt einpacken, und somit nicht länger als zwei Minuten brauchen wirst und -drittens- weil ich dich bis nach Ohio prügeln werde wenn du’s nicht machst.” Russel stieß ihn mit dem Zeigefinger unsanft gegen die Brust. Der Bassist trat einen Schritt zurück und hob geschlagen die Hände. “Schon gut, schon gut, reg’ dich ab. Ich mach’s ja”, knurrte er. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, Russel ein paar saftige Flüche hinterher zu zischen, als er und Noodle auf den Flur verschwunden waren. “Dämlicher, verfressener Sohn einer Hündin! Idiotischer, fetter…” Er setzte die Tirade fort, als er -auf der Suche nach Verbänden und Pflastern- alle möglichen Schränke und Schubladen aufriss. Der Sänger beobachtete ihn schweigend. Er dachte nach. Oder besser gesagt, er bestritt einen inneren Konflikt. Sollte er ihn fragen? “Stu?!” Die Stimme klang klar in seiner Erinnerung wider. Es war ganz eindeutig Murdoc gewesen der da, ja beinahe panisch, seinen Namen gerufen hatte. Daran bestand kein Zweifel. Der Satanist hatte ihn nie zuvor Stu genannt. Eigentlich hatte ihn hier niemand je zuvor Stu genannt. Höchstens Stuart oder D. 2D würde nur zu gern erfahren warum also jetzt. Murdoc hatte sich doch nicht etwa Sorgen um ihn gemacht? In seiner Brust begann es zu kribbeln. “Da ist ja das Scheißding.” Murdoc kramte umständlich einen kleinen Arzneikoffer aus der hintersten Ecke des Küchenregals. Er stellte ihn unnötig laut auf dem Tisch ab und ließ die Schnallen aufschnappen. “Glaub’ bloß nicht das ich das deinetwegen mache. Ich hab’ nur keinen Bock die nächsten zwei Monate im Ganzkörpergips zu verbringen, klar?” 2D nickte schweigend. Murdoc wühlte eine kleine Flasche mit klarer Flüssigkeit aus den endlosen Tiefen des Koffers und fingerte an dem Deckel herum. Als er es endlich geschafft hatte das widerspenstige Gläschen zu öffnen, tröpfelte er etwas von dem Inhalt auf einen Fetzen Watte. Er kam auf 2D zu. “Halt still”, raunte er. Der Sänger hielt still. Er versteifte sich auf dem hölzernen Stuhl, und zuckte nicht einmal mit der Wimper als Murdoc seine Stirn vom Blut befreite und das Desinfektionsmittel in der offenen Wunde begann zu brennen wie Säure. Doch eigentlich war es weniger der Befehl der ihn so still da sitzen ließ. Es war eher die Tatsache das der Bassist ihn berührte ohne ihm Schmerzen zuzufügen… zumindest nicht willentlich. Bisher hatte jeder körperliche Kontakt zwischen ihnen darin bestanden, das 2D sich eine Tracht Prügel einhandelte oder sonst irgendwie verletzt wurde. Er war verwirrt. In seinem Kopf begann es erneut zu schwirren. Diesmal war es jedoch anders. Es fühlte sich… besser an. Wahrscheinlich begannen die Tabletten bereits zu wirken. Plötzlich spürte er wie Murdocs Hand seinen Nacken umfasste, um seinen Kopf zu fixieren. Unwillkürlich erschauderte er. Die feinen Haare unter den Fingern des Bassisten stellten sich auf. Dieser schien das nicht zu bemerken. Er beugte sich vor um die Platzwunde näher in Augenschein zu nehmen. Auf einmal war er so nahe. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Er war so nahe das sie sich fast zu berühren schienen. 2D schloss die Augen. Er hob kaum merklich den Kopf. Sie waren nur unmittelbar voneinander entfernt. Er bemerkte das sein Atem auf Widerstand stieß. Vielleicht ein Zentimeter würde ausreichen um… 2D reckte den Kopf nach vorn und packte das Handgelenk des überraschten Bassisten. Er sog den berauschend herben Geruch ein, der von Murdoc ausging. Plötzlich streiften sich ihre Lippen für den Bruchteil einer Sekunde. Die Berührung ließ Murdoc zusammenzucken als hätte 2D ihm einen Elektroschocker ins Gesicht gedrückt. Er machte einen Satz zurück, wobei ihm das Fläschchen aus der Hand rutschte und auf dem Boden zerbarst. “Was zur Hölle tust du denn da?!”, schrie er. Der Sänger hätte ihm gerne geantwortet, wenn auch nur mit einer Ausrede, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Was war nur über ihn gekommen? Das hatte er nicht gewollt! Oder doch? Und wenn schon, er hätte es nicht getan, da er sich der Folgen bewusst war! 2D bereitete sich auf die Prügel seines Lebens vor. Aber Murdoc stand einfach nur da und starrte ihn mit dem selben entsetzten Ausdruck an, den wahrscheinlich auch 2D aufgelegt hatte. Sekunden vergingen. Sekunden die zu Stunden werden schienen. Gleich würde er seine Faust spüren. Blut schmecken. Immer wieder und wieder. Doch weder das eine geschah, noch das andere. Alles was der Satanist tat, war schweigend die Scherben zur Seite zu kicken und ihm den Rücken zuzudrehen. 2D blickte ihn erstaunt an. Er hatte das Gefühl irgendetwas sehr wichtiges verpasst zu haben. Er wollte gerade den Mund aufmachen um Murdoc genau das zu fragen, schloss ihn jedoch wieder als dieser sich umdrehte. “Runter mit der Hose”, befahl er. 2D klappte stattdessen die Kinnlage hinunter. “Wa- was?”, fragte er stotternd. Die Röte schoss ihm ins Gesicht. Murdoc hob eine Braue und deutete verärgert mit dem Kinn auf die untere Hälfte des Jüngeren. “Bist du jetzt auch noch taub, oder was? Ich habe gesagt du sollst die Hose ausziehen, oder willst du ewig mit ‘nem blutenden Knie rum rennen?” 2D war eine Augenblick irritiert, bevor er verstand. Er atmete aus. “Achso”, murmelte er und wurde erneut rot, als ihm bewusst wurde, dass da gerade ein klitzekleines Fünkchen freudiger Erwartung in ihm erloschen war. Er kniff die Augen zusammen und schüttelte empört den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein! Er musste ganz dringend hier raus. Mit Murdoc allein in einem Raum zu sein tat ihm nicht gut. So schnell er konnte schlüpfte er aus der blutverschmierten Jeans. Es fühlte sich an als würde er zusammen mit dem Stoff, auch die Haut von seinem Knie abziehen. Er entriss dem Bassisten den Verband und wickelte die gesamte Rolle um sein verletztes Bein, die -erst grimmigen, dann belustigten- Blicke von Murdoc auf sich spürend. “Mit dem Ding da passt du mit Sicherheit in keine deiner Jeans”, sagte Murdoc. Er konnte sich sein spöttisches Grinsen scheinbar nicht verkneifen. 2D verzog den Mund und schaute auf sein völlig deformiertes Knie. “Das geht schon”, log er. “Wenn du meinst.” Murdoc zuckte mit den Schultern. Der Sänger nickte, dann schnappte er sich seine Hose und humpelte schnurstracks aus der Küche. Beißende Kälte schlug ihm entgegen als er den Flur betrat, doch er gab sich nicht die Blöße umzukehren oder sich in seine Jeans zu zwängen. 2D kämpfte sich tapfer, wenn auch zähneklappernd, bis zum Parkplatz. Er ging eilig an Murdocs Winnebago vorbei und schlug seine Zimmertür hinter sich zu. Schnell stakste er zu seinem Kleiderschrank, kramte die weiteste Hose heraus die er finden konnte und zog sich hastig um. Es war in seinem Zimmer nicht unbedingt molliger geworden. Als 2D -wieder voll eingekleidet- ins Bad schlurfte, erblickte er sein aufgelöstes Ich in dem großen Wandspiegel. Selbst bei dieser Jeans war der Verband, durch eine riesige Wölbung, mehr als nur erahnbar. Er löste seufzend den Blick von seiner lächerlich aussehenden, unteren Hälfte und sah seinem Spiegelbild in die Augen. Wenn man das so sagen konnte. Die beiden schwarzen Höhlen starrten ihn mit einer Mischung aus Verwirrung, Verletztheit und Sehnsucht an. Verwirrung überwog. Wie immer. 2D ließ sich langsam in den Schneidersitz sinken, was dank der geschätzten zehn Zentimeter dicken Polsterung weit weniger schmerzhaft war als erwartet. Er musterte sein Gegenüber. In dem grellen Licht der Neonröhre sah er sogar noch blasser aus als sonst. Die bläulichen Schatten unter seinen Augen traten deutlich hervor und wurden nur gelegentlich von einer Strähne seines Azurhaares unterbrochen, die ihm ins Gesicht fiel. Zwischen den glatten, halb geöffneten Lippen blitzte die Zahnlücke hervor, die er Murdoc zu verdanken hatte. Die Wunde über seinem Auge hatte aufgehört zu bluten. “Was is’n nur los mit dir?”, sagte 2D. Der Ausdruck des anderen wurde fragend, doch antworten würde er nicht. Sie fuhren sich zeitgleich durch ihr Haar und senkten den Kopf. Dann starrten sie einander erneut an. “Schluss mit den Tabletten!”, forderte er. 2D konnte sich selbst nichts vormachen. Er wusste, es hatte nichts damit zu tun. Auch wenn er nur zu gerne die Schuld darauf geschoben hätte. Nein, er hatte ihn schon immer gemocht... Aber doch nicht auf diese Weise! Obwohl… eigentlich hatte er auch nie weiter darüber nachgedacht. Er dachte über die allerwenigsten Sachen ernsthaft nach. Meistens weil sie ganz einfach unbedeutend schienen. Das hier war nicht unbedeutend. Murdoc hat mir das Leben gerettet, argumentierte er in Gedanken. Ich mag ihn wie einen großen Bruder! Er dachte darüber nach. Mhm… Nein, das war wohl nicht das ganz selbe. Zwar hatte er nie einen großen Bruder gehabt, doch er war sich ziemlich sicher, dass man nicht so für seine Geschwister empfand. Ansonsten wäre ja noch die halbe Weltbevölkerung irgendwie miteinander verwandt. 2D musste über diese Theorie kichern. Dann verstummte er abrupt. Was er da gerade eben unbewusst eingestanden hatte… das machte alles… deutlich. Er mochte Murdoc. Mehr als einen Bruder. Mehr als man jemanden mögen sollte der einem das Leben gerettet hat. Mehr als er zugab, als er zugeben durfte. Er blickte trotzig. Na und? Was änderte das schon? Dann fühlte er sich eben zu ihm hingezogen. Es würde ja sowieso nicht interessieren! Vielleicht war es gar nicht die Tatsache das er, ein junger Mann, sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Nein. Das war ihm sogar egal! Es war wohl eher die Tatsache, dass es diesen Mann nie interessieren würde. Das er es nie erwidern würde. 2D legte das Gesicht in seine Hände… Murdoc würde es nie erwidern… und weinte stumm die ersten Tränen. Kapitel 3: From A Different Angle --------------------------------- Dieses Kapitel ist schrecklich... bitte verzeiht mir Dx -------> Russel hatte wieder einmal recht gehabt. Auch wenn Murdoc es natürlich nie zugegeben hätte. Der Satanist hatte allerhöchstens drei Minuten gebraucht um zu packen. All seine Habseligkeiten hatte er achtlos in den Beutel gestopft, der nun auf dem Bett lag, direkt neben ihm. Trotz der Tatsache das er reisefertig war, zögerte er es unnötig heraus seinen Winnebago zu verlassen. Nicht das er Heimweh hatte! Zur Hölle, nein! Es war nur… Er wollt es vermeiden 2D ein weiteres Mal allein über den Weg zu laufen. Der Junge benahm sich in letzter Zeit äußerst eigenartig. Und zwar auf eine Art und Weise die Murdoc nicht gefallen wollte. Der Bassist drehte sich auf den Rücken. Der Blick seiner ungleichen Augen folgte den Konturen eines riesigen Fleckes, an der Decke des Wohnwagens. Für das was sich der Blauschopf da vorhin gewagt hatte, hätte er es eigentlich verdient ausgeweidet oder zu Hackfleisch verarbeitet zu werden. Oder beides. Murdoc hatte ihm nicht einmal eine scheuern können. Warum nicht?! Der Satanist fletschte die Zähne und musterte seine geballte Faust. Warum zur verfluchten Hölle hatte er ihm nichts antun können?! Was war denn nur plötzlich so schwer daran? Murdoc hieb ein paar Mal wütend in die Luft. Er hatte es ihn einfach so durchgehen lassen! “Der verdammte Homo hat ‘ne Abreibung verdient!”, knurrte er. Eine plötzliche Entschlossenheit ergriff Murdoc. Wut flammte in ihm auf. Wenn der Volltrottel glaubte Murdoc wäre weich geworden, hatte er sich aber geschnitten! Der Bassist sprang auf. Die eisernen Sohlen seiner schwarzen Stiefel trafen schwer auf den weichen Boden des Winnebagos. Er riss die Tür auf und trat auf den Parkplatz hinaus. Wütend funkelte er in Richtung 2D’s Zimmers. Das dicke Eis der Pfützen unter ihm, knirschte als er auf die Tür zu schritt. “Hey, Arschloch! MACH AUF!”, brüllte er und donnerte mit der Faust gegen den kalten Stahl. Er war sauer. Sehr sauer. Als der Angebrüllte nicht reagierte, machte Murdoc keinerlei Anstalten noch einmal zu klopfen, stattdessen holte er aus und trat beherzt die Tür ein. Die Klinke knirschte nur. Nach dem zweiten Tritt flog sie jedoch aus der Fassung und die Metalltür schwang auf. Murdoc betrat das Zimmer. Es war leer. Von den unzähligen Keyboards und anderem Unsinn einmal abgesehen. Er durchquerte den Raum und sah sich um. Blau, lila, rot… rosa! Verdammt noch mal. Ein rosa Hello Kitty Kopfkissen?! “Das ist definitiv mehr als schwu-” “Muds?” Murdoc fuhr herum. 2D stand im Türahmen seines Badezimmers und sah ihn an. Er trug eine ausgebeulte Hose. Sein Haar war noch verzauster als sonst, das Gesicht gerötet. Plötzlich war der Zorn, der den Bassisten hergetrieben hatte, verraucht. “Was ist den mit dir passiert? Sieht aus als hättest du dir grad’ die Augen aus’m Kopf geheult.” Eine kurze Pause trat ein. Dann lachte Murdoc. “Im wahrsten Sinne des Wortes”, gluckste er. Auch auf 2D’s Gesicht stahl sich ein kleines Grinsen. “Ich… hab mir den Finger geklemmt”, sagte er. Das war nun wirklich alles andere als überzeugend. Nicht nur da 2D der schlechteste Lügner aller Zeiten war. Murdoc hatte den Sänger noch nie weinen sehen. Noch nicht einmal, als er ihn damals solange mit seinen Fäusten bearbeitet hatte, bis er reif fürs Krankenhaus gewesen war. Gejammert und gewinselt hatte er. Nie geweint. Doch Murdoc fragte nicht weiter nach. Er wollte gar nicht wissen was der Idiot für einen Grund gehabt haben sollte, sich im Bad zu verkriechen und herumzuheulen. Vielleicht wusste er es auch schon längst. Murdoc verzog den Mund und ließ sich neben dem Hello Kitty Kissen auf die Bettkante sinken. “Was machst du hier?” Der Bassist sah ihn an. Ich bin her gekommen um die lebende Scheiße aus dir rauszuprügeln, aber jetzt hab ich irgendwie keine Lust mehr. “Wir fahren in einer Stunde”, sagte er stattdessen. “Oh… ja… packen.” 2D kratzte sich etwas zerstreut am Kopf, dann humpelte er auf Murdoc zu. Dieser schreckte zurück als der Sänger vor ihm auf die Knie ging. “Was zum-”, setzte Murdoc an, verstummte jedoch als 2D lediglich einen Koffer unter dem Bett hervorzauberte und sich dann umständlich wieder aufrappelte. Beim Thema Packen nahmen die beiden sich nicht viel. So wie 2D seine Sachen in die Tasche schaufelte, hätte er genauso gut eine Schneeschippe benutzen können. Der einzige Unterschied zu Murdoc war, dass die Kleider des Sängers sehr viel farbenfroher waren. “Murdoc?”, murmelte 2D, während er den Koffer mit Socken stopfte. “Mh-hm?” Murdoc sah 2D an und konnte gerade noch erkennen wie dieser schnell das errötete Gesicht von ihm abwandte. Doch dieses Mal, war es eine andere Art von Röte. Der Satanist hob eine Braue. “Ich… äh”, stammelte 2D und hielt kurz inne. “… wo- wollte dich mal was fragen…” “Ach ja?” Murdocs Neugierde war geweckt. Der Sänger nickte knapp. “Also, öhm… na ja… ich… mhmmm.” “Was ist 2D?”, drängte der Bassist. “Ich… vorhin, als ich in Ohnmacht… nun ja… du… ich…” Er brach ab. “… Ich warte!” “Ja… Uh… also… ich… vergiss es.” “JETZT SPUCK’S AUS!” Er sprang ungeduldig auf und stellte sich drohend vor 2D. Der Sänger hob schützend die Hände und starrte ihn durch die gespreizten Finger hindurch ängstlich an. Murdoc ignorierte 2D’s Zurückzucken und packte seinen Kragen. “Was willst du, Vollidiot?!” Der Jüngere schluckte. Dann sprudelte es aus ihm heraus, wie ein Wasserfall. Murdoc hatte Mühe ihm zu folgen. “AlsichinOhnmachtgefallenbinhastdumeinenNamengerufenabernicht2DsondernStudashastdunochniegemachtunddasklangalshättestdudirSorgenummichgemachtabervielleichthabichmirdasjaauchnureingebildet!” 2D schnappte nach Luft, dann zog er wieder die Hände vors Gesicht und wartete auf den Schlag… der nicht folgte. Er sah vorsichtig auf. “Ich…” Nun war es an Murdoc nach den richtigen Worten zu suchen. Er hatte nicht erwartet das 2D das noch hatte hören können. Murdoc erinnerte sich gut an den überraschten Blick, den Russel ihm zugeworfen hatte. Na schön, ja. Er hatte sich Sorgen gemacht. Aber warum denn auch nicht? 2D war schließlich der Frontmann der Band. Er war wichtig für ihren Erfolg. Nichts weiter. “Du bist schließlich unser Sänger!”, sagte er also. “A- Aber, wenn du mich schlägst scheint dir das auch ziemlich egal zu sein…”, nuschelte 2D und senkte den Kopf. Murdocs Augen verengten sich. “Da hab ich das unter Kontrolle, das zählt nicht. Ich weiß wann ich aufhören muss.” Der Bassist wusste nicht genau warum er sich vor 2D rechtfertigte. Warum er das Gefühl hatte sich rechtfertigen zu müssen. “Natürlich, was sonst”, sagte 2D so leise, dass Murdoc sich nicht sicher war ob er mit ihm sprach. “Ich dachte nur… vielleicht…” Wieder brach er ab. Jetzt riss Murdoc die Augen auf. Der Kleine hatte sich doch nicht etwa in irgendeiner Weise Hoffnung gemacht?! Er hatte doch nicht tatsächlich erwartet das Murdoc…?! Der Bassist traute sich nicht den Gedanken weiter zu führen. Er knurrte und zog 2D grob zu sich. Die Hand am Kragen verkrampfte sich. “WAS?! Du hast doch nicht gedacht das ich… dich…?”, schnaubte er wütend und ungläubig zugleich. 2D, der zu verstehen schien das Murdoc langsam seine Beherrschung verlor, schüttelte eilig den Kopf. “NE- NEIN! Natürlich nicht! Muds! Bi- bitte ni-”, beeilte er sich zu sagen. Doch es half nichts. Murdoc schäumte über vor Wut. Er holte aus und verpasste 2D einen heftigen Kinnhaken. Der Kopf des Sängers flog zur Seite. “Muds, hör auf!”, flehte er. Der zweite Schlag traf seine Magengrube. 2D keuchte. Er versuchte sich verzweifelt aus Murdocs Griff zu befreien, die Nähte seines Pullovers rissen knackend auf. “Murdoc bitte!”, jammerte er ein zweites Mal. Tatsächlich ließ der Bassist seinen Kragen los, doch nur um im nächsten Augenblick über ihm zu stehen und seine Faust auf 2D’s Mund hinunter schnellen zu lassen. Seine Unterlippe platzte genau mittig auf. Aus dem feinen Riss quoll just dunkelrotes Blut. Murdoc grinste sadistisch. Das hier war schon eher nach seinem Geschmack. “Na, wie gefällt dir das?”, fragte er und packte das Handgelenk des Sängers. 2D wich nicht mehr zurück. Das Wimmern erstarb. Seine Miene wurde ausdruckslos. Lediglich die schwarzen Augen schimmerten vor Verzweiflung. Murdoc funkelte. Was war plötzlich los? Kein Flehen, kein Winseln? … Na schön. Dann würde er ihn eben zum Winseln bringen! Murdoc packte mit der rechten Hand 2D’s schlanken Hals. Er drückte zu. Der Kehlkopf verrutschte unter seinen Fingern. Stille. Murdoc knirschte mit den Zähnen. Er hob die freie Hand und bohrte den langen Fingernagel seines Daumens in die Platzwunde von 2D’s Lippe. Nichts. Der Satanist presste ihn mit grimmiger Entschlossenheit noch fester an die Wand. Sein Nagel grub sich tiefer in die Wunde. Er drehte den Daumen, sodass das Blut begann ihm den Finger hinunter zu rinnen. Dann, endlich, zeigte sein Sänger eine Reaktion. Doch nicht die, die Murdoc erwartet hatte. 2D schloss die Augen… und weinte. Schwere Tränen flossen die blassen Wangen hinunter und tropften von seinem Kinn. Murdoc starrte ihn erschrocken an. Dann ließ er ihn entsetzt los. Die Kampfeslust verflog. 2D hob nicht den Kopf. Er sank an der kahlen Wand hinunter und begann herzzerreißend zu schluchzen. Das Gesicht vergrub er in der Armbeuge. Murdoc stand noch einen Augenblick lang unschlüssig da und blickte auf ihn hinab. Er wusste nicht so recht was er jetzt tun sollte. Eine Mischung aus Entsetzen, Ablehnung, Ärger -und vielleicht sogar Mitleid?- breitete sich in ihm aus. “Bah”, machte Murdoc dann. “Was ist nur los mit dir…”, sagte er und ging. Wie erwartet war 2D der letzte, der am Tor ankam. Murdoc saß bereits hinter dem Steuer des altersschwachen, rostroten ‘68er Dodge Charger. Auf einmal war er froh vor einem Jahr die Klimaanlage hatte reparieren zu lassen. Ein teurer Spaß, aber lohnenswert. Im Innern des alten Sportwagens herrschten nun mollige 26°. Dennoch zerzauste ein kalter Windstoß Murdoc das Haar, als Russel den Kofferraum öffnete um 2D’s Gepäck zu verstauen. “Ah, Russel-chan! Wir wollen los!”, quengelte Noodle auf dem Rücksitz. Sie rutschte nervös hin und her. Noodle hatte in etwa das Stillsitzvermögen eines koffeinsüchtigen Eichhörnchens. “Ja doch”, entgegnete Russel und keine zwanzig Sekunden später saß er neben Noodle auf der Rückbank. 2D ließ sich etwas mehr Zeit. Es schien ihm nicht zu behagen seinen Stammplatz einzunehmen; auf dem Beifahrersitz, neben Murdoc. Der Bassist konnte sehen wie 2D einen verstohlenen Blick auf die übrigen zwei Zentimeter freien Sitzes neben Russel warf, gab sich jedoch nach einigen Sekunden geschlagen, öffnete die Tür und setzte sich. Ihre Blicke trafen sich. Hastig wandten sie sich wieder voneinander ab. Russel, dem das nicht entgangen war, runzelte die Stirn. “Haben wir irgendwas verpasst?”, fragte er neugierig und auch Noodle schien hellhörig zu werden. “Nein”, antwortete Murdoc knapp. Russel zuckte mit einer Schulter, als er ihm einen bösen Blick durch den Rückspiegel zuwarf, und schnallte sich an. Murdoc drehte grimmig den Schlüssel im Zündschloss. Die Reifen quietschten protestierend als er das Gesapedal durchtrat. Im hinteren Teil des Wagens herrschte Hochstimmung. Noodles Vorfreude schien auf Russel abzufärben. Sie lachten und spielten Stein, Schere, Papier oder Kennzeichenraten. Murdoc und 2D dagegen, starrten bereits seit einer geschlagenen Stunde stur geradeaus. Der Bassist hatte das Lenkrad so fest umklammert das seine Knöchel weiß hervortraten, und 2D nagte unentwegt auf seiner verletzten Unterlippe. Plötzlich durchbrach er die Stille zwischen ihnen. “Oh nein!”, rief der Sänger. Murdoc drehte ihm nur widerwillig den Kopf zu. “Was ist los?”, fragte er. 2D schlug sich verärgert aufs Bein, bereute es jedoch sofort. “Autsch!” Er zog das verletzte Knie an seine Brust. “… Ich hab meine Queen Alben vergessen”, murmelte er nach einer Weile. Murdoc schnaubte. “Kein Wunder das du so auf die stehst. Du und Freddie, ihr seit immerhin vom selben Ufer”, meinte er grimmig zur Frontscheibe. 2D sagte nichts. Entweder hatte er die Andeutung des Bassisten nicht verstanden, oder es hatte ihn gekränkt. Sein verwirrter Ausdruck sagte Murdoc, dass es sich um ersteres handelte. “Ach, vergiss es”, grummelte er. Wieder wurde es still. “Tut mir leid”, flüsterte 2D plötzlich. Murdoc blickte ihn an, für den Fall das er sich verhört hatte. Doch auch 2D’s große schwarze Augen waren auf ihn gerichtet, der Kopf war leicht gesenkt. Er sah entschuldigend zu ihm hoch. “Für vorhin und auch… für die Sache heute Morgen.” Ein rosa Schatten huschte über sein beschämtes Gesicht. Sieht ja fast schon süß aus, fand Murdoc. Erschrocken schüttelte er den Kopf und starrte abrupt zur Straße. Was zur Hölle hatte er da gerade gedacht?! Süß?! 2D? “Ich, äh… schon gut, Schwamm drüber”, sagte er und bemerkte das er leicht entgeistert klang. 2D nickte und grinste ihn erleichtert an. “Aber sagt mal”, wandte er sich nun auch an Russel und Noodle, “wo fahren wir eigentlich hin?” “ZUM BANFF NATIONALPARK!”, rief Noodle begeistert. “Nach Kanada”, fügte Russel hinzu. 2D schielte über den Sitz. “Nach Kanada? Aber wie… wie habt ihr denn so spät noch ‘n Hotel bekommen?” “Darum mach dir mal keine Sorgen”, sagte Murdoc. “Ich hab’ da so meine Beziehungen.” Kapitel 4: Sulphur Mountain --------------------------- “Muds, geht‘s dir gut?!”, rief 2D besorgt und klopfte mit dem Fingerknöchel gegen die Toilettentür des Flugzeuges. Er legte ein Ohr an das dunkle Holz, um die Antwort besser verstehen zu können. “Ja”, krächzte es aus dem Innern. “Mir geht’s großartig, ich kotz mir hier die Seele aus’m Leib weil’s so viel Spaß macht, du Voll-” Der Rest ging in einem Würgen unter. “Keine Sorge, die Stewardess sagt wir sind in einer halben Stunde da!”, beschwichtigte ihn 2D. Wie um seine Worte zu bestätigen, kehrte im nächsten Augenblick die blonde Flugbegleitung, namens Lucy, mit einem Glas Wasser zurück. “Das stimmt, ich habe es mir vom Piloten bestätigen lassen!”, nickte sie. 2D nahm ihr dankbar das Glas aus der Hand. “Muds, ich hab Wasser, falls du ‘was trinken möchtest…” “Ich gehe wieder zurück Mr. Pot, wenn sie noch etwas brauchen, rufen sie nach mir.“ Sie lächelte, und mit einem letzten lasziven Zwinkern wackelte sie wieder davon. “Ich hab’ kein’ Durst”, hustete Murdoc. “Bist du sicher? Vielleicht sollte ich reinkommen und-” “Verpiss dich einfach!” 2D seufzte. “Na gut… Ich setz’ mich wieder!” Mit dem Wasser in der Hand humpelte 2D zurück zu seinem Platz, im mittleren Teil des Fliegers. Russel und Noodle erwarteten ihn mit fragenden Blicken. Auch wenn 2D in Russels Blick, noch so etwas wie Schadenfreude funkeln zu sehen glaubte. “Und wie geht’s unserem kleinen Kotzbrocken?”, fragte Russel neckend. “Nichts so gut”, antwortete 2D. “Ich glaube nicht das er da raus kommt, bevor wir gleich gelandet sind.” “Der arme Murdoc”, sagte Noodle, doch ihr Mitleid verlor etwas an Überzeugungskraft, als sie im nächsten Moment auf und ab hüpfte als hätte sie Federn unter den Sohlen. “Wir landen gleich?! Oh mano mano mano man!”, rief sie erfreut. 2D hatte sie das letzte Mal so aufgeregt erlebt, als sie den Gig in Japan gespielt hatten. Eigentlich konnte er sich auch nicht daran erinnern, seit dem Gig selbst so aufgeregt gewesen zu sein. Es war ihr letzter Auftritt gewesen und seitdem hatte keiner von ihnen mehr einen Fuß vor die Kong Studios gesetzt. Ein Urlaub war wirklich mehr als nötig. “Liebe Passagiere, wir möchten Sie nun bitten wieder Ihre Plätze einzunehmen und die Sicherheitsgurte anzulegen. Wir werden in wenigen Minuten landen. Vielen Dank.” Die quäkende Stimme einer Stewardess ertönte aus den Lautsprechern über ihnen. 2D tat wie geheißen und versuchte gleichzeitig angestrengt über den Sitz zu schielen, um nach Murdoc Ausschau zu halten. Tatsächlich kam der Bassist, nach wenigen Augenblicken, mehr schlecht als recht über den Gang auf ihn zugetorkelt. Er klammerte sich an jeden Sitz in seiner Reichweite, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. “Alles okay?”, fragte 2D, als Murdoc sich zwischen ihm und Russel in den Sitz fallen ließ. Der Bassist grummelte etwas Unverständliches. “Alter, wir haben dich bis hier her reihern hören”, lachte Russel und beugte sich vor, um Murdoc feixend ins Gesicht zu grinsen. 2D warf ihm einen tadelnden Blick zu. “Was denn? Glaubst er wäre netter zu mir?” Nein, eigentlich glaubte er das nicht. Murdoc würde sich wahrscheinlich wochenlang darüber lustig machen. Doch 2D schwieg. Muds tat ihm trotz allem leid. Trotz seines unglaublichen Hanges zum Arschlochsein, trotz seiner Wutausbrüche, trotz seiner Brutalität… Der Sänger seufzte schwer. Das Geräusch ließ Murdoc den Kopf heben. Der Bassist sah ihm für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen, dann wanderte sein Blick zu dem Glas, das 2D noch immer in der Hand hielt. 2D reichte es ihm, doch anstatt davon zu trinken, klatschte Murdoc sich den gesamten Inhalt ins Gesicht, wobei seine Sitznachbarn ebenfalls nicht ganz trocken blieben. 2D trocknete sich stumm mit seinem Pulloverärmel, Russel fluchte. Murdoc fuhr sich durch das nasse Haar und das Gesicht. Seine Frisur sah nun um einiges wilder aus. Es war ein heilloses Durcheinander. Und… 2D gefiel es. Er betrachtete ihn verstohlen. Unterhalb des verwuschelten Schwarz, war Murdocs Gesicht einen Hauch blasser als sonst. Seine Haut hatte eine Art minzgrün angenommen, wodurch die dunklen Schatten unter seinen Augen nur deutlicher hervortraten. Im gedämpften Licht der Deckenlampen schimmerte sein rotes Auge beinahe goldbraun, sein Rechtes war so schwarz wie immer. Die Brauen hatte er zusammengezogen, sodass sie sich beinahe zu treffen schienen. Er sah gleichzeitig verärgert und nachdenklich aus. Dieser Ausdruck war 2D bereits während der Fahrt zum Flughafen aufgefallen. “Erde an D!” Russel fuchtelte ihm mit der massigen Hand vor der Nase herum. 2D erschrak. “Ich, äh… Was?”, stammelte er leicht verwirrt und löste den Blick von Murdocs Profil. “Was zur Hölle ist mit dir passiert?!”, stieß Russel hervor. Die milchigen Augen starrten ihn an. 2D und Murdoc versteiften sich in ihren Sitzen. “Mann, das sieht echt übel aus. Das mir das nicht vorher aufgefallen ist”, murmelte er und beugte sich, vorbei an Murdoc, noch etwas näher zu 2D’s Gesicht. Der Sänger fuhr mit der Hand über sein Kinn und berührte die Stelle, an der ihn die Faust des Satanisten getroffen hatte. Dann betastete er seine geschundene Unterlippe. Bis jetzt hatte er sorgfältig darauf geachtet, weder Noodle noch Russel die Wunden entdecken zu lassen, die Murdoc ihm zugefügt hatte, um ihnen beiden Scherereien zu ersparen. 2D hatte sie sogar abgedeckt. Verdammt, er musste es gerade mit dem Ärmel abgewischt haben! “Ich…” Eine Ausrede musste her, und zwar schnell! 2D überlegte angestrengt. ...Eingeklemmt! Nein, Mist das hatte er schon... Während 2D schwieg, zog Russel die richtigen Schlüsse. “Murdoc!”, fauchte er. Der Drummer packte grob den Oberarm des Bassisten und drückte zu. “Warst du das?!” Er versuchte leise zu sprechen, doch seine knurrende Stimme und der aggressive Ton waren kaum zu überhören. Neugierige Blicke waren plötzlich auf sie gerichtet. Murdoc antwortete nicht auf die Frage, er fletschte nur stumm die Zähne. “Hey, Russ lass ihn los, es war meine Schuld… ich bin… gegen… die Tür… gelaufen.” Es klang wie eine Frage. Russel hob ungläubig eine Braue. “Ach komm, ja? Warum versuchst du den Idioten in Schutz zu nehmen?”, motzte er. Murdoc zerrte an seinem umklammerten Arm. “Wen nennst du hier einen Idioten?!” 2D biss sich auf die Zunge. Warum? Noodle, die bisher zu sehr damit beschäftigt war, auf ihrem Sitz herumzuzappeln und ungeduldig aus dem Fenster zu lugen, als ihnen Beachtung zu schenken, beugte sich nun verärgert vor. “Hey, Jungs! Wir sind im Urlaub! Und ihr werdet euch hier benehmen, sonst verderbt ihr alles! …Russ-chan, bitte”, fügte sie drängend hinzu, als niemand sich rührte. Russel zögerte. Er warf 2D einen eigenartigen Blick zu, bevor er endlich Murdocs Arm los ließ und sich grummelnd zurücklehnte. Auch der Sänger sank etwas tiefer in den Sitz. Warum nehm‘ ich ihn in Schutz? Weil er Murdoc mochte? Weil er nicht wollte das Murdoc verletzt wurde, oder in Schwierigkeiten geriet? Irgendwie ironisch… 2D fuhr zusammen. Er spürte einen unerwarteten, weichen Druck an seiner linken Hand. Etwas schloss sich für den Bruchteil einer Sekunde um seine Finger, doch bevor er bewusst reagieren konnte, war es bereits wieder vorbei. Er schaute zu spät zu Murdoc. Der Bassist schien sich nicht gerührt zu haben. Seine Hände ruhten auf den Armlehnen seines Sitzes, und auch sein Blick hatte erneut diesen unergründlichen Ausdruck angenommen. Doch die flüchtige Berührung war viel zu offensichtlich, um ein Versehen gewesen zu sein. Murdoc… Murdoc hatte gerade eben seine Hand gehalten. 2D’s Herz begann einen Takt schneller zu schlagen. Ungläubig huschte sein Blick abwechselnd zu seinem reglosen Sitznachbarn, und seiner ausgestreckten Hand. “Mu- Murdo-” “Wir möchten Sie nun bitten die Tische und Sitze in ihre ursprünglichen Positionen zurückzuklappen und das Flugzeug zu verlassen. Vielen Dank, dass Sie sich für London Lines entschieden haben.” Murdoc zögerte keinen Augenblick. Noch bevor 2D die Chance hatte ihm wieder das Gesicht zuzuwenden, war er bereits verschwunden. 2D starrte dem Bassisten leicht verdattert hinterher. “2D-chan? Wir können jetzt raus.” Noodle zupfte ungeduldig an dem Ärmel seines Pullovers. 2D nickte abwesend. Murdoc hatte seine Hand gehalten. Sein geradezu fluchtartige Verschwinden sagte ihm außerdem, dass Muds wohl nicht weiter darauf angesprochen werden wollte. Typisch für ihn. “Komm ich helf’ dir”, schlug sie vor. 2D streifte sich seinen Parker über und ließ sich von Noodle seinen Arm um ihre Schultern legen. Sie stützte ihn, als er sich aufrappelte. Seine Beine zitterten. Was im Moment allerdings wenig mit seinem verletzten Knie zu tun hatte. Murdoc hatte seine Hand gehalten. Kurz und sanft. Doch er wollte nicht darüber reden. 2D entschied seiner stummen Bitte nachzugehen. Ihm stand nicht der Sinn nach weiteren Verletzungen. Wenn Murdoc reden wollte, musste er schon selbst auf ihn zu kommen. Er würde keinen weiteren Schritt tun. 2D’s Blick war trotzig als sie in der Masse der herausdrängelnden Passagiere den Gang hinab liefen. Blöder, sturer Muds. “Einen schönen Tag noch”, hörte er eine bekannte Stimme sagen. 2D bemerkte wie Lucy beim Vorbeigehen seine Brust streifte und ihm zuzwinkerte. “Vielleicht sieht man sich ja noch mal”, fügte sie hinzu, dann war sie wieder in der Menge verschwunden. “Äh, sicher”, murmelte er, ein wenig verspätet. “Ooh, ich glaube sie mag dich”, kicherte Noodle. “Kann schon sein”, entgegnete 2D monoton. Er hatte momentan wirklich anderes im Kopf. Nicht einmal die Aussicht, die sich ihnen außerhalb des Fliegers bot, konnte er angemessen bestaunen. Obwohl es, zugegeben, ein atemberaubender Anblick war; der Sulphur Mountain war kein einzelner Berg, so wie 2D eigentlich vermutet hatte. Viel mehr war es ein Tal, das in einem leichten Bogen umgeben war von Bergen, welche sich bis hinter den Horizont zu erstrecken schienen. Tannen und diverse andere Nadelbäume bedeckten den Fuß des sichelförmigen Gebirges und das gesamte Tal. Nur stellenweise ersetzten kleine Siedlungen die dichte Flora, und ein breiter Flusse zog sich von Osten nach Westen über das gesamte Gebiet. Dazu kam, das alles was hier grün oder braun hätte sein sollen, in eine glitzernde, weiße Schneedecke gehüllt war. Es sah aus, wie das Bild aus einem Märchenbuch. Noodles geflüstertes “einfach unbeschreiblich”, fasste das Ganze recht passend zusammen. Ein paar winzige Schneeflocken segelten vom grauen Himmel zu ihnen hinab. 2D streckte die Hand aus, doch die hauchdünnen Flocken schmolzen, noch bevor sie seine Haut berührten. Den gesamten Weg, vom Flugzeug bis zu dem Taxi, das für sie bereit stand, versuchte er nach ihnen zu greifen, und wenn es ihm tatsächlich einmal gelang eine Schneeflocke zu fangen, war sie bereits verschwunden bevor er sie betrachten konnte. Aus irgendeinem Grund machte ihn das traurig. Er war ständig von ihnen umgeben, aber wirklich erreichen, konnte er nicht eine einzige. “Toll mal wieder amerikanischen Boden unter den Füßen zu haben, was?”, grinste ihnen Russel entgegen, der vor dem Taxi auf sie wartete. Genüsslich sog er die eisige Luft ein. “Oh ja! Toll wieder einen Haufen fetter Fast Food Junkies um sich zu haben!”, feixte die Antwort aus dem Innern des Kleinbusses. Murdoc starrte sie finster durch das geöffnete Fenster hindurch an. “Pass auf was du sagst, du arroganter Ar- ” “Russel-chan!” Russel seufzte. “Ich hoffe inständig das wir da ein paar verdammte Einzelzimmer kriegen. Mit dir in einem Raum halte ich es ja keine zehn Minuten aus.” Die Zimmeraufteilung! Daran hatte 2D bisher noch gar nicht gedacht. Vielleicht, wenn er es richtig anstellte… und er und Murdoc ein Zimmer… Nein! Nein, ganz ausgeschlossen. Er schüttelte den Kopf. Schon allein bei dem Gedanken daran begannen seine Wangen zu glühen. Es war dumm auch nur den kleinsten Augenblick zu glauben Murdoc würde… wahrscheinlich würde er es sogar bevorzugen auf dem Flur zu schlafen, anstatt ein Zimmer mit 2D zu teilen. Geschweige denn ein Bett. Denn soviel wusste er; das Hotel war ein Hotel für Paare. Auf jedem Zimmer gab es nur ein Doppelbett. 2D fragte sich warum sie gerade dieses Hotel ausgesucht hatten. Vielleicht war es das Billigste gewesen oder- ach ja. Murdoc hatte dort ja… Beziehungen… “Hey Blauschopf, bist’e da draußen festgefroren, oder was?” 2D löste den Blick von seinen Füßen. Er starrte auf die geöffnete Tür und brauchte einen Moment, um zu schalten. “Ah, ja. T’schuldigung”, nuschelte er und beeilte sich einzusteigen. Der Innenraum des Taxis war klimatisiert und roch nach einer Mischung aus Duftbäumchen und Qualm. 2D setzte sich auf den freien Platz neben Noodle. Russel und Murdoc gegenüber. “Na, dann kann’s ja losgehen”, forderte Russel den Fahrer auf. Noodle quiekte fröhlich, als der Wagen ins Rollen kam und drückte sich die Nase an der Scheibe platt. Auch 2D beobachtete während der Fahrt die vorbeirauschenden Gebäude und Bäume. Allerdings war es eher ein Versuch nicht dem Blick des Bassisten zu begegnen, als der schönen Landschaft halber. Es verging kaum eine viertel Stunde, bis 2D sich doch ein wenig im Anblick der glitzernden Welt, außerhalb des Taxis verlor. Je weiter sie in das Tal eindrangen, desto höher schienen die Tannen zu werden. Nach einiger Zeit durchfuhren sie einen Wald, dessen Baumkronen so dicht waren, dass die Straße doch tatsächlich wieder zu erkennen war. Der Fahrer beschleunigte den Wagen merklich. Hier schien keine Rutschgefahr zu bestehen. “Da vorn’ isses gleich”, verkündete er. 2D reckte den Hals, um durch die Frontscheibe zu schauen, entdeckte jedoch nichts weiter, als noch mehr Bäume. “Wo denn?”, fragte Noodle. “Hinter da Kurve”, sagte der Fahrer und bog im selben Augenblick rechts ab. Es sah aus wie eine überdimensionale Schneekugel. Inmitten der riesigen, weißen, baumlosen Fläche stand ein kleines, graues Schloss. Haufenweise Skulpturen zierten die Anlage und zwei Büsche in Form von bäumenden Pferden begrüßten sie bereits auf halbem Wege. Auch wenn 2D nicht unbedingt eine Abneigung gegen kitschige Dinge hegte, das hier war nun wirklich zu viel des Guten. “Heilige Scheiße…”, hörte er Murdoc seufzen. “… das ist ja so was von typisch.” Typisch? Typisch für was? “… Muds? Wen sagtest du, kennst du hier?”, fragte Russel glucksend. “Ach, halt die Fresse”, konterte Murdoc schlagfertig. -------------------> Okay, falls ihr euch wundern solltet »Hä, was ist denn das für ein beschissenes Ende«: Eigentlich ist das Kapitel hier noch gar nicht fertig... Aber ich habe schon so lange nichts hochgeladen, da dachte ich »Scheiß drauf« xD Und wegen dem "Schloss"... Tut mir leid, aber mir ist spontan nichts besseres eingefallen, und ein bisschen Kitsch darf doch auch nicht fehlen XD Oh und ich hab noch keine Idee wie's weitergehen soll, also lässt das nächste Kappi wohl noch etwas auf sich warten, sorry ^^" Kapitel 5: Girl Problems ------------------------ Ich komme mir so blöd vor diesen Mist zu verfassen xD. Wenn ihr mal eine richtig schöne, durchdachte Murdocx2D Fanfiction lesen wollt, dann würde ich euch raten mal bei meiner Lieblingsautorin vorbeizuschauen! Es lohnt sich! http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/229804/ ------------------------> “Mudsiiilein!” 2D widerstand nur mit Mühe dem Drang, seinen Koffer fallen zu lassen, und sich mit beiden Händen die Ohren zuzuhalten. Er fragte sich unwillkürlich ob es jemals eine Frau geschafft hatte, höher zu quietschen als Sopran. Falls nicht: Wow, er stand der ersten gegenüber. “Lang ist’s her! Ach, Mudsi ich hab’ dich so vermisst!” Hätte jetzt ein Glas in der Nähe gestanden wäre es mit Sicherheit zersprungen. Und wäre es das nicht, hätte 2D es ihr spätestens dann an den Kopf geworfen, als sie Murdoc ungestüm in die Arme fiel. Er ballte die Fäuste als er sah, dass der Bassist die Knuddelei wortlos über sich ergehen ließ. Dabei passte sie doch so gar nicht in sein Beuteschema! Das Mädchen hatte wasserstoffblondes Haar, an dessen Ansatz man die einstige, eher schlammige Farbe ausmachen konnte. Sie war klein und zierlich, hatte jedoch etwa so viele frauliche Rundungen wie ein Holzbrett und war ebenso flach. 2D konnte nicht sagen ob sie ein hübsches Gesicht hatte, dazu hätte er vorher vielleicht einen Spatel gebraucht, um sie von den Unmengen an Make-up zu befreien. Ihre Kleider waren ein farbenfrohes Durcheinander bestehend aus einem geblümten T-Shirt mit Puffärmeln, einem gelben Rüschenrock und Absatzschuhen, die perfekt zu 2D’s Haaren passten. Zudem erinnerte ihn ihr Verhalten ein wenig an ein nervöses Nagetier. Die Art wie ihre kleinen geschminkten Augen von Murdoc zu ihnen huschten, und die ruckartige Bewegung, als sie 2D die manikürte Hand entgegenstreckte. “Halli Hallo! Ich heiße Vanessa, aber nennt mich ruhig Nessy, wie das Seemonster Nessy!” Was folgte war ein hysterisches Kichern. “Hihi Hihi! Ich habe ja schon so viel von euch gehört! Was ja eigentlich nicht schwer ist, ihr seid ja voll berühmt! Das wundert mich eigentlich nicht, ich habe schon immer gewusst, dass Mudsi es irgendwann zu was bringt! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie toll es ist euch hier zu haben, hihi!”, giggelte sie. 2D konnte nicht anders als sie mit offenem Mund anzustarren. Sie… kannte ihn schon bevor er Gorillaz gegründet hatte? Sie kannte Murdoc schon länger als er? 2D spürte das diese Tatsache aus irgendeinem Grund, ganz schön an ihm nagte. Vanessa setzte ein widerlich süßes Grinsen auf und warf Murdoc einen Luftkuss zu. Dieser lächelte darauf nur gequält. 2D konnte hören wie Russel neben ihm erstickt in seinen Schal prustete, Tränen standen ihm in den Augen. Noodle schien die einzige zu sein, die es schaffte, sich absolut nichts anmerken zu lassen. “Domo arigato gozaimasu“, sagte sie mit einer höflichen Verbeugung, „vielen Dank, dass Sie uns noch so kurzfristig aufgenommen haben.“ „Oh, aber das ist doch gar kein Problem! Du bist ja vielleicht auch ein niedliches Ding, hihi!“, kicherte das Seeungeheuer und kniff ihr beherzt in die Wange, wie eine Großmutter ihr Enkelkind. Dies war der Augenblick in dem selbst Noodles Lächeln gefror. “Hey Schätzchen, wie wär’s wenn du mal die Schlüssel rüber wachsen lässt?”, raunte Murdoc hastig. Schätzchen. “Sofort!”, tschilpte Vanessa und harkte sich bei Murdoc ein, um ihn zum Empfangsbereich zu zerren. Die Gruppe stellte erleichtert fest, dass das Innere des Hotels weit weniger kitschig war, als sein Äußeres Erscheinungsbild, oder das Gelände auf dem es stand. Eigentlich fand 2D, war es hier sogar recht behaglich. Die Einrichtung der Lobby war modern und gemütlich… auch wenn man an einigen Stellen ruhig an Pastelltönen und Plastikpflanzen hätte sparen können. “Also, hier sind die Schlüssel!” Das Seeungeheuer legte vier Zimmerschlüssel auf den marmornen Tresen. “Ihr seid ja ziemlich spät dran, deshalb sind einige Zimmer echt weit auseinander, sorry.” 2D griff nach dem Schlüssel, der ihm am nächsten lag, die anderen taten es ihm gleich. Gespannt drehte er die Plakette um, auf der seine Zimmernummer eingraviert worden war. Zimmer 23. Verstohlen riskierte er einen Blick auf Murdocs Bund. Zimmer… 39. Verdammt. “Lasst noch mal sehen!”, verlangte Vanessa. “Ah... Okay, also Russel und Noodle... Hihi… Tut mir leid, aber dein Name ist echt süß Noodle, hihi…” Die Gitarristin knirschte hörbar mit den Zähnen. Ihr Kiefer war angespannt und das Lächeln hatte sich mittlerweile in eine verärgerte Grimasse verwandelt. “Also Russel und Noodle Etage 1, Mudsi Etage 3 und du Etage 2!” Und du? Kam es ihm nur so vor, oder beruhte dieser kleine, unerwartete Funke Feindlichkeit, den er ihr gegenüber empfand, auf Gegenseitigkeit? “Ich würde euch ja hoch begleiten, aber ich hab’ keine Zeit! Falls ihr noch Fragen habt, in jedem Zimmer ist ein Telefon mit dem ihr zu jeder Tageszeit die Rezeption erreichen könnt. Frühstück gibt es von 6 bis 10 Uhr, Mittagessen von 11 bis 2 Uhr und Abends bekommt ihr ein kaltes Buffet wieder von 6 bis 10 Uhr. Links den Gang hinunter befindet sich der Aufenthaltsraum, daneben der Speisesaal, und die letzte Tür führt zur Außenanlage, die sich besonders für romantische Spaziergänge eignet. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt”, plapperte sie wie jemand, der diese Ansprache in seinem Leben schon einmal zu viel gehalten hatte. Als sie fortfuhr kehrte der unbeschwerte, aufgedrehte Ton zurück: “Hihi, na dann, man sieht sich!” 2D packte den Griff seines Koffers und beobachtete mit Bauchschmerzen wie Vanessa Murdoc einen Kuss auf die Wange drückte. Abrupt machte er auf dem Absatz kehrt. Murdoc hatte schon Unmengen an Frauen mit nach Hause gebracht. Frauen die er am selben Abend noch kennengelernt hatte, Frauen die am nächsten Morgen wieder verschwanden. Bedeutungslose Frauen. Warum war sie etwas besonderes? Ja, warum gerade sie? 2D verzog das Gesicht. Dank dem schrillen Organ des Seeungeheuers sauste es noch immer in seinen Ohren. Der Sänger wartete bis sie um die Ecke gebogen waren, bevor er seine Schritte kaum merklich verlangsamte, um auf einer Höhe mit Murdoc zu laufen. 2D schluckte und versuchte seine nächsten Worte mit Bedacht zu wählen. “D- Du… kennst sie schon länger?”, fragte er so beiläufig wie möglich. Russel und Noodle waren ihnen keine zwei Schritte voraus, doch 2D war sich sicher, dass sie ihn nicht gehört hatten. Russel prustete unentwegt leise vor sich hin und die harten Plastikrollen der Koffer klapperten laut über die Steinstufen der Wendeltreppe die sie bestiegen. “Ja”, antwortete der Bassist knapp. “Ihr seid… Freunde, ja?” 2D’s Blick fixierte den Boden, er wartete gespannt. Doch Murdoc schwieg. Die restlichen Stufen zur ersten Etage erklommen sie stumm. 2D versuchte sich damit abzufinden auf seine Frage keine Antwort zu bekommen. Um die Enttäuschung über Murdocs Verschwiegenheit zu überspielen, gab er sich sehr beschäftigt, während er seinen Koffer die kalten Marmorstufen hoch schleifte. “Muds, Muds, Muds…” Russel schüttelte grinsend den Kopf. Sie erreichten die erste Etage und der Drummer hielt auf dem Weg zu seiner Zimmertür inne, um sich zu Murdoc umzudrehen. “Egal welche Strafe ich mir jemals für dich gewünscht habe, weil du dich wieder einmal wie ein kompletter Arsch verhalten hast, egal was, das hier ist tausend Mal schlimmer. Ich freue mich schon darauf, dich die nächsten Wochen mit dieser Pfeife an den Hacken klebend zu sehen, ich-” “Russel-chan, sei einfach leise”, unterbrach ihn Noodle. Die Japanerin drückte dem Drummer die Hand auf den Rücken und drängte ihn kopfschüttelnd weiter zu gehen. “In mancher Hinsicht bist du kein bisschen besser als Murdoc-sama”, tadelte sie ihn. Russel lachte nur schadenfroh. Murdoc blieb zornig starrend stehen, bis sie beide auf ihren jeweiligen Zimmern verschwunden waren. 2D war ein wenig irritiert. “Muds, sollen wir nicht auch rau-” “Sie war meine verdammte feste Freundin”, spuckte Murdoc plötzlich aus und setzte sich endlich wieder in Bewegung. Für einen Augenblick konnte 2D nicht anders, als den Bassisten verdattert anzustarren, er gewann jedoch schnell die Fassung wieder. Hastig humpelte er hinter ihm her. “Wie Freundin? Also- Also, du meinst so richtig?” Er hatte Murdoc bisher noch niemals von einer Freundin reden hören. Und schon gar nicht von einer festen Freundin. “Ja, verdammt noch mal.” “Aber, aber…” “Aber, aber, aber, aber”, griff Murdoc sein Gestotter auf. “Sie war der größte Fehler überhaupt! Und wenn ich der größte Fehler sage, dann meine ich das auch so! Zwei Jahre mexikanisches Gefängnis sind nichts dagegen.” 2D blinzelte Murdoc erstaunt an. “Und warum sind wir dann hier?”, fragte er vorsichtig. “Weil Noodle unbedingt einen verschissenen Urlaub machen wollte!” Er hatte womöglich seine wertvolle Privatsphäre aufgeopfert, sich wieder mit Personen in Kontakt gesetzt, mit denen er nie wieder etwas zu tun haben wollte, und spielte den netten, alten Freund, damit Noodle einen schönen Urlaub hatte? 2D konnte nicht anders, als über seinen Bandkollegen zu lächeln. Murdoc war manchmal wirklich alles andere, als ein übler Kerl. Dieser kurze Moment 2Ds Wohlseins, wurde jedoch mit den nächsten Worten des Bassisten brutal niedergetrampelt. “Dieses Miststück ist der Grund dafür, dass ich mich niemals wieder auf eine verdammte Beziehung einlassen werde! Kannst du dir vorstellen dieses Gekicher wochenlang zu ertragen? One-Night-Stands, bitte! Aber eine”, er setzte mit der freien Hand Anführungszeichen in Luft, “ feste Bindung werde ich niemals wieder eingehen, mein Freund. Murdoc Niccals lernt aus seinen Fehlern! … wenn es mal vorkommen sollte, dass ich welche mache”, fügte er schnell hinzu. Anstelle dieser Rede, hätte er 2D genauso gut ohrfeigen können. Er starrte Murdoc an, dessen Augen verärgert einen Punkt auf den Stufen fixierten. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Eine feste Bindung werde ich niemals wieder eingehen. Die Worte wiederholten sich in 2D‘s Kopf, wie eine defekte Schallplatte, die immer und immer wieder die selbe Liedzeile abspielte. Ein One-Night-Stand machte eine Nacht lang Spaß, am nächsten Morgen fiel jede Art von Verpflichtung von einem ab. Eine feste Bindung dagegen, beinhaltete sich fast jeden Tag zu sehen und viel Zeit miteinander zu verbringen. 2D mochte vielleicht nicht die hellste Kerze am Leuchter sein, doch das etwas anderes, als eine “verdammte feste Beziehung” zwischen ihnen gar nicht möglich war, wusste selbst er. Wie sollte man sich danach auch aus dem Weg gehen? Sollte etwa einer der beiden die Band verlassen? Die Situation war aussichtslos. “Hey, Zombie”, sagte Murdoc. Er sah 2D nicht direkt an, doch sein Tonfall war harsch. “Das hier ist deine Etage.” 2D hob den Kopf und betrachtete die goldene 2, die über ihm an die Wand genagelt worden war. Ohne ein Wort machte der Sänger kehrt. Humpelnd entfernte er sich von Murdoc. Er konnte den Bassisten etwas von wegen “geistig nicht ganz da” und “würde seinen Kopf vergessen” fluchen hören, doch er machte sich nicht die Mühe seine Worte zu verstehen. Genauso wenig wie er sich die Mühe machte sein Zimmer näher zu betrachten, oder seinen Koffer auszupacken. 2D knallte lediglich die Tür hinter sich zu, schleuderte sein Gepäck in eine Ecke und ließ sich in voller Montur auf das weiche Doppelbett fallen. Nun lag er da, mit dem Gesicht im Laken. Es war ziemlich schwer durch den eigenartigen Seidenstoff Luft zu bekommen. Doch aus irgendeiner dummen Trotzreaktion heraus, weigerte er sich den Kopf zu drehen, um frei atmen zu können. Er wollte, dass einmal etwas ganz genauso lief, wie es ihm passte. Und im Moment passte es ihm eben einfach, mit dem Gesicht im Laken vergraben, da zu liegen. Und am besten nie mehr aufzustehen. 2D versuchte an nichts zu denken. Oft genug war ihm das auch gelungen. Warum dann jetzt nicht? Okay, langsam wurde es unangenehm. Der seidige Stoff wurde mit jedem Atemzug an seine Nase gesogen und schnitt ihm die Sauerstoffzufuhr ab. Nein, er konnte noch durchhalten. Wenn er es nur wollte, konnte er es au- 2D hob ruckartig den Kopf, und mit einem gewaltigen Zischlaut, sog er frische Atemluft durch seine fehlenden Schneidezähne. Frustriert keuchend ließ er den Kopf wieder auf die Decke plumpsen, diesmal jedoch seitlich. “Scheiße”, fluchte er leise. “Scheiße, scheiße, scheiße!”, fluchte er etwas lauter. Seine Hände krallten sich in das Kopfkissen, das über ihm lag. Mit einem Ruck zog er es sich an den Mund und schrie so laut hinein, wie er lange nicht geschrien hatte. Bis ihm ein zweites Mal die Luft wegblieb und er ein zweites Mal aufkeuchte. “Scheiße”, fluchte er ebenfalls ein weiteres Mal. Wieso musste nur immer ihm so etwas passieren? Was hatte er im Leben angestellt, dass er so bestraft wurde? Zuerst wurde er von einem selbstsüchtigen Satanisten überfahren, fiel ins Koma, wachte mit zwei schwarzen Augenhöhlen und ohne Schneidezähne wieder auf, verlor dann seine damalige Freundin an genannten Satanisten, wurde von besagtem Satanisten über Jahre hinweg verspottet und verprügelt, verliebte sich absurder weise nach all diesen Jahren auch noch in berüchtigten Satanisten, und musste dann am Ende auch noch feststellen, dass dies sowohl sinn-, als auch aussichtslos war? 2D setzte sich auf und legte das Gesicht in Hände. Was tat Murdoc noch gleich immer, wenn er sich abreagieren musste? Er suchte sich ein Ventil. Der Sänger sah auf und blickte sich im Raum um, ohne wirklich ernsthaft nach etwas zu suchen, bis sein Blick unwillkürlich auf die Bibel und den Kugelschreiber fiel, die neben dem Bett, auf einer kleinen Kommode lagen. Er packte sich das Büchlein und riss eine der leeren Vorderseiten heraus. Nun wurde er dank Murdoc auch noch zum Blasphemisten. Nun ja, der Satanist würde es ihm danken. Er schüttelte den Kopf und setzte ohne zu zögern den Stift an. Every time I come here I'm not sure what to say I know it should be easy But it never seems that way You, you make me feel Like no one ever will So why, why do you bore me Until my heart is still- 2D hielt inne. Noch während er geschrieben hatte, hatte er bemerkt, dass, sich das Leid innerlich von der Seele zu singen, weitaus unbefriedigender war, als er sich erhofft hatte. Was er jetzt brauchte war ein offenes Ohr. Jemand der ihm zur Abwechslung einmal zuhörte. Und jemand der ihn verstand. “Noodle? Noodle, bist du da?”, fragte 2D schüchtern, durch die geschlossene Tür hindurch. Murdoc hatte oft gesagt, dass der Sänger sich verhielt wie ein weinerliches Mädchen. Vielleicht war ein Mädchen ja dann im Moment die beste Person, an die er sich wenden konnte. Wenn 2D sich schon wie ein Mädchen verhielt, wieso sollte ein echtes Mädchen ihn dann nicht verstehen können? “2D-chan? Natürlich, komm ruhig rein!” Er öffnete die Tür und schlüpfte in das Zimmer der Gitarristin. Noodle war gerade dabei, alle ihre Kleidungsstücke auf dem Bett neu zusammenzulegen. 2D dachte kurz an sein unachtsam in die Ecke geschossenes Gepäckstück. “Was gibt’s?”, fragte sie, ohne aufzusehen. Och nichts besonderes, ich glaube nur, ich hab’ mich in unser Band-Arschloch verliebt und wollte mal mit einem Mädchen darüber reden. “Ach, äh, nichts… bestimmtes”, nuschelte 2D und hätte sich für seine Feigheit am liebsten selber in den Arsch getreten. “Okay”, sagte Noodle und fuhr unbeirrt fort. Er fragte sich ob dies eine dieser filmtypischen “auf-desinteressiert-tun-und-so-den-eigentlichen-Grund-herauskitzeln-Strategien”, war, oder ob die Gitarristin sich wirklich nicht für das Seelenheil ihres Bandmitglieds interessierte. 2D nahm stumm auf einem der weißen Sessel des Hotelzimmers Platz. Sich innerlich immer noch für seine Mutlosigkeit rügend, packte er das kleine Zierkissen und umarmte es so fest wie er konnte. Nach einigen Minuten stillen Beobachtens von Noodles Falttechnik, fasste 2D sich ein Herz und presste die ersten Worte heraus. Er hielt diese Stille einfach nicht länger aus. “Ich- Ich muss dir was erzählen.” “So?”, entgegnete Noodle. “Es ist wichtig. Schwörst du mir… Schwörst du mir, dass du niemandem was davon erzählst?”, fragte er zaghaft. Beschämt senkte den Kopf. Er führte sich auf wie ein kleines Kind. Endlich unterbrach das Mädchen ihr Tun und sah ihn an. “Worum geht es denn eigentlich, 2D-chan?” 2D drückte das Kissen noch ein wenig fester und Noodle schien zu verstehen. Sie fegte einige ihrer liebevoll zusammengefalteten Kleider von der Bettkante und setzte sich ihm direkt gegenüber. “Ich schwöre, dass ich niemandem davon erzählen werde”, flüsterte sie und kreuzte dabei beide Zeige- und Mittelfinger. Nun fühlte 2D sich endgültig in die Grundschulzeit zurück versetzt. Er kam sich vor wie ein Schüler, der gerade dabei war seiner Lehrerin zu beichten, dass ihm ein kleines Malheur passiert war. Höchstwahrscheinlich sah er auch ebenso verlegen aus. 2D holte einmal tief Luft und während er ausatmete hauchte er: “Ich glaube ich mag Murdoc.” Während der unangenehmen Stille die daraufhin eintrat, schloss 2D die Augen, in der Hoffnung nichts zu sehen, würde sie zu ertragen, ein wenig einfacher machen. Dem war leider nicht so. “Aber 2D-chan”, kam endlich Noodles Antwort. Sie klang jedoch alles andere als entsetzt oder angewidert, so wie er es eigentlich erwartet hatte. Sie klang viel eher belustigt und erleichtert. “Das wusste ich schon.” 2Ds Augen weiteten sich vor Überraschung. “Du- du hast das gewusst? Aber wie…” “2D-chan, ich mag vielleicht noch jung sein, aber ich bin doch nicht blind. Du würdest sonst auch wohl kaum seine ständigen Pöbeleien und Beleidigungen über dich ergehen lassen. Obwohl ich ja finde, dass du dich dagegen wehren solltest, egal wie sehr du zu ihm aufsiehst.” Das konnte nicht sein, so offensichtlich konnte er doch gar nicht gehandelt haben. Sie musste da was falsch verstehen. Hastig versuchte er sich zu erklären. “Noodle, ich glaube du weißt nicht was ich meine. Ich- Ich meine das ich Murdoc mag. Wirklich mag.” Er brachte es einfach nicht über sich das Wort “verliebt” laut auszusprechen. Vielleicht war es dafür doch noch ein wenig zu früh. Noodle lächelte ihn nur an. Er konnte keine Art von Scham oder Sarkasmus in dem jungen Gesicht lesen. “Vielleicht mag es keinem der anderen beiden aufgefallen sein, aber mir ist es nicht entgangen. Ich bin immerhin ein Mädchen, wir haben da den sogenannten Sechsten Sinn, weißt du.” Sie legte den Kopf schief und zwinkerte ihm hintergründig zu. Sie hatte es also tatsächlich gewusst. War es fair, dass ein 13-jähriges Mädchen früher über seine Gefühle bescheid wusste, als er selber? Da 2Ds Antwort lediglich aus einem ungläubigen Starren bestand, fuhr Noodle fort. “Am Anfang ist es mir nie wirklich aufgefallen, obwohl du schon immer eine Art Sympathie für Murdoc-sama zu hegen schienst, was glaube ich, mit der ganzen Heldengeschichte zusammenhängen könnte. Ich kann nicht prüfen wie es wirklich abgelaufen ist, von dir höre ich ja immer nur, dass er dein Leben gerettet hat, obwohl ich das stark zu bezweifeln wage.” “Aber er hat-!” “Jedenfalls”, unterbrach sie 2Ds kläglichen Versuch sie von der Geschichte zu überzeugen, “denke ich das dies die Grundstein für die ganze Sache gewesen sein könnte. Russel-chan hat mir später noch von Paula erzählt.” 2D zuckte bei dem Klang des Namens zusammen. “Die Tatsache das sie dich betrogen hat, könnte dein Vertrauen in Frauen beschädigt haben. Als ich später erfahren habe, dass du nach Paula keine ernsthafte Interaktion mehr mit einer Frau hattest, hat das meinen Verdacht noch bestärkt… Dir ist aber schon klar, dass Murdoc auch derjenige war, der mit der sie dich betrogen hat, oder?”, fragte sie, eine Braue hebend. Na und, Murdoc war ein notgeiler Bock, der beinahe jedem Rock hinterher jagte. Paula hätte es besser wissen müssen. Miststück. “In den letzten paar Monaten ist es zunehmend deutlicher geworden.” In den letzten paar Monaten? Dabei hatte er es erst in den letzten Tagen wirklich gespürt. “Wie du dich in seiner Gegenwart verhältst. Egal was du sagst oder tust, dein erster Blick gilt immer Murdoc. Wenn Murdoc seine Sitzposition verändert, bewegst du dich auf deinem Stuhl. Wenn Murdoc schlecht gelaunt ist, bist du meist der erste, der es bemerkt, und versuchst ihn zu beruhigen… was ja leider nicht immer klappt”, fügte sie hinzu und ließ einen besorgten Blick über sein verletztes Gesicht schweifen. “Du versuchst Murdoc vor Russel-chan zu beschützen, auch wenn er eine Abreibung verdient hätte.” Das Flugzeug. Sie war also doch nicht ganz so abwesend gewesen, wie er gedacht hatte. “Und in letzter Zeit dann noch dieser ungeheure Ausstoß an Pheromonen-” “Phero-was?”, fragte 2D entsetzt. Was sollte das sein? Eine Krankheit? “Sexualhormone”, erklärte Noodle nüchtern. “Oh”, entgegnete 2D und bemerkte, wie er erneut rot anlief. Wieso konnte sie darüber sprechen, als wäre es das natürlichste auf der Welt? Wieso wusste sie überhaupt so viel über ihn? War er so ein offenes Buch? “Na ja, sobald er sich in deiner Nähe aufhält verströmst du sie, wie eine Pusteblume ihren Samen im Wind… Es wundert mich eigentlich, dass Murdoc in deiner unmittelbaren Nähe nie wirklich darauf reagiert hat. Kein Zucken, keine unvorhergesehene Verhaltensänderung, kein gar nichts.” “Und wie hast du das bemerkt?” “Sechs Sinne”, sagte sie schlechthin und tippte sich amüsiert an die Nasenspitze. Ein weiteres Mal an diesem Tag stand 2D der Mund offen. Noodle könnte über ihn wahrscheinlich eine Doktorarbeit verfassen und er selbst erkannte nach fünf Jahren gerade mal so viel, dass er für Murdoc mehr empfand als für einen Bruder? 2D hoffte inständig, dass der Grund nicht seine eigene, dumme Ignoranz, sondern Noodles kluger Scharfsinn war. “Und das… hast du alles so nebenbei bemerkt?”, fragte er ungläubig, nur noch zu einem Flüstern fähig. “Och nun ja”, entgegnete sie und kratzte sich leicht verlegen am Kopf. “Eigentlich fand ich es ganz interessant euch zu beobachten. Wenn wir gerade an keinem Album arbeiten, kann es in den Kong Studios ganz schön langweilig werden.” “Ich war ein Langeweileprojekt?” “Ich bin so froh, dass du dich mir endlich anvertraut hast, 2D-chan”, ignorierte sie seine Frage und umarmte ihn herzlich. 2D konnte in diesem Augenblick nicht anders, als sie -um einen großen Stein erleichtert- an sich zu drücken. ------> Oh mein Gott, das Ende xD Nennt mich Kitschgöttin XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)