Stumme Tränen von AnaO (Darfst du mich denn lieben, Inuyasha?!) ================================================================================ Kapitel 29: Anjaani und Schreibtische ------------------------------------- Yuichi starrte Anjaani an, als würde ihr Lächeln seinen Fehler wieder gut machen können. Doch das tat es nicht. Das Brennen von Yukis Kuss hinterließ plötzlich einen bitteren Beigeschmack auf seinen Lippen. Daran, dass ihre Arbeit auf dem Spiel stand, hatte er nicht mehr gedacht. Die letzten Tage waren ein Traum gewesen und nun musste sich Yuki wieder mit der Realität konfrontieren. "Du brauchst keine Schuldgefühle zu haben", versicherte ihm Anjaani. "Es war Yukis Entscheidung und sie wird dazu stehen." "Sie muss jetzt gerade biegen, was ich verbrochen habe." "Daran hättest du auch früher denken können", bemerkte Yami spitz. "Aber dafür ist es jetzt zu spät. Sie behält ihren Job, oder sie ist ihn los. Sie wusste um das Risiko." Ein schlechtes Gewissen nagte dennoch an ihm. Auch am Set ließ es keine Ruhe. Es ließ auch nicht von ihm ab, solange er Romeo war. Zum Glück bemerkte niemand sein inneres Wirrwarr. Weder seine Julia, noch die sonst so pingelige Regisseurin. Am Rande der Szene nahm er Fabien wahr, neben ihm ein rötliches Schimmern. Haare! Yuki sprach mit seinem Manager, ernst, wütend. Und Fabien… schloss sie plötzlich in seine Arme. "Pause, Yoko", rief er mitten in der Szene. Yoko bemerkte, was seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Sie nickte widerstrebend, doch verständnisvoll. Dem Gesichtsausdruck nach war Fabien aber besorgt. Er besaß jedoch genug gesunden Menschenverstand, Yuki sofort loszulassen. Sie selber hatte die Arme vor der Brust verschränkt und Fabiens Umarmung nicht erwidert. Sie wandte sich Yuichi zu und umschlang ihn mit den Armen. Er musste kein Hellseher sein, um zu wissen, was sie bedrückte. "Du bist gefeuert." So viel Schuld lag in seiner Stimme, dass Yuki sie mit einem honigsüßen Kuss verjagte. "Nein, bin ich nicht. Ich- Zuma!" Der Choreograph blieb überrascht stehen. "Ich muss mit dir reden. Kommst du bitte mit mir ins Büro?" "Ist es wegen den Bildern?" "Welchen Bildern?", wollte Yuichi wissen. "Sie malt Aktportraits von mir", knurrte Zuma sarkastisch. "Später, Liebling", versicherte Yuki und zog Zuma mit sich mit. "Bitte, ich muss in Ruhe mit dir reden." "Du hast sie gehört, Yuichi", sagte Yoko. "Ab zurück an deinen Posten." "Sie sind alleine in einem Raum." "Und?" "Mit Schreibtisch." Yoko biss sich auf die Unterlippe. "Yuichi, lass den Blödsinn. Ich möchte die Szene jetzt im Kasten haben." Yuichis Gesicht war todernst. "Er ist ausgehungert und sie sieht aus wie du. Kann Zuma Schreibtischen widerstehen?" Yoko stöhnte genervt auf. "Du bist die Pest!" Überrascht sahen Yuki und Zuma auf, als die beiden ins Büro traten. "Du bist ein Trottel", sagten die Schwestern gleichzeitig zum Romeo. "Aber er sitzt auf dem Schreibtisch", triumphierte Yuichi. Zuma verdrehte die Augen und reichte Yuki sein Handy. Sie notierte sich eine Nummer daraus auf einem Zettel. "Er ist gut", versicherte Zuma. "Und bezahlbar. Wozu brauchst du ihn überhaupt?" "Wen?" "Meinen Anwalt." "Warum nimmst du nicht meinen?", beschwerte sich Yuichi. "Weil mir der zu teuer ist." "Ich kann doch-" "Wirst du aber nicht!" "Mann, warum lässt du mich nie bezahlen?" "Sei doch froh, dass du kein Prinzesschen hast, das sich bedienen lässt", riet ihm Zuma. "Ja, weil er das Prinzesschen ist." "Ruhe", rief Yoko, als Yuichi wütend Luft holte. "Yuki will ihren Chef verklagen und keiner von euch beiden sorgt sich, warum das so ist." Beide Männer sahen sie schuldbewusst an. "Du", funkelte sie Yuichi an. "Mach dir lieber mal Gedanken darüber, was ihr Chef angestellt hat, dass sie ihm das Gericht an den Hals hetzen will!" Yuki atmete durch. Erst jetzt bemerkte Yuichi, dass sie vor Wut kochte. Er zog sie in seine Arme und sie begann sich zu entspannen. "Er hat mich nicht gefeuert, obwohl ich mit dir in Peking war, statt zu arbeiten." "Unter welcher Bedingung?", hakte Yoko nach. "Der Hollywood-Star kommt dieses Wochenende wieder, angeblich nur wegen mir. Mit Bedingungen." "Du meinst Entschädigung", schwante Yoko Übles. "Was für eine Entschädigung?" Yuichi war verwirrt. Yuki presste die Lippen zusammen und wandte das Gesicht ab. "Kätzchen, übersetz das mal." "Sie ist die Entschädigung", schüttelte Yoko den Kopf. "Sie soll sich prostituieren." Die beiden Brüder waren erstarrt. "Genau, mein Chef erpresst mich. Entweder Kündigung oder, wie hat er es ausgedrückt? Oder ich bin dem Kerl gefügig." "Das ist ein schlechter Scherz!", entfuhr es den Halbbrüdern gleichzeitig. "Schön wäre es", seufzte sie niedergeschlagen. "Die Arbeit da macht mir wirklich Spaß und ich brauche das Geld. Aber das lasse ich mir nicht bieten. Yui-kun, dir wird der Kiefer schmerzen, wenn du weiter so mit den Zähnen knirscht." Yuichi zwang sich, sich zu beruhigen. "Ich erledige das", entschied Yoko. "Ich werde mit ihm reden." "Du gehst nirgends wohin ohne mich", knurrte Yuichi. "Nein, ich kann mit keinem verhandeln, den du vorher bewusstlos prügelst. Ich schaffe das allein. Es gab niemanden, den ich bisher nicht umstimmen konnte." "Dann komme ich mit dir", bot sich Zuma an. Sie lächelte kalt. "Nein danke, du wärst mir nur im Weg. Yuki, dreh die Szene bitte fertig. Danach kümmerst du dich um die Kampfszene. Zuma, hol Inuyasha her und probt mit Yuichi, damit er sich abreagieren kann. In zwei Stunden bin ich wieder da. Wenn nicht, schaut bitte nach mir." Sie stürmte hinaus, ehe sie jemand aufhalten konnte. "Ihr lasst zu, dass sie da alleine hingeht?", beschwerte sich Zuma. "Hast du es nicht auch zugelassen?", spottete Yuichi. "Sie kriegt das hin", winkte Yuki ab. "Du unterschätzt Yokos Argumente." "Oui, sie wird ihn in Grund und Boden reden", lächelte Yuichi stolz. "Im Überreden ist mein Kätzchen einsame Spitze." "Zuma, konzentrier dich auf deine Arbeit", rügte Yuki scharf. Er zuckte kaum merklich zusammen. Seine Augen blitzten silbern, als er sie ansah. "Ich wäre auch gerne so entspannt wie du, wenn ich meine Schwester losschicke, die Drecksarbeit für mich zu erledigen." "Eine Hand wäscht die andere", ließ sich Yuki nicht kränken. "Sie hilft mir mit ihrem Talent, ich ihr mit meinem." "Sie ist immer noch nicht zurück!" "Die zwei Stunden sind auch noch nicht rum!" "Faule Ausrede!" "Dann fahr du da hin, wenn du dir solche Sorgen machst! Ich traue Yoko zu, es zu schaffen. Ich weiß, was sie drauf hat." "Ich nicht?", zischte er leise. "Nein, du hast nicht die geringste Ahnung, was du an ihr hast. Und das macht dich in meinen Augen zu einem der blödesten Menschen, die ich kenne." Sie starrten sich beide voll unverhohlenem Zorn an und Inuyasha stellte sich demonstrativ an Yukis Seite. Zuma presste die Zähne zusammen. "Du musst nicht den Wachhund spielen. Ich bin nicht so niveaulos, auf Frauen loszugehen." "Ich beschütze sie nicht, ich halte sie zurück", knurrte Inuyasha amüsiert. "Das kleine Biest hier macht dich fertig." "No, gracias. An jemandem wie dir mache ich mir nicht die Hände schmutzig." "Du sprichst mir aus der Seele", zischte Zuma auf Spanisch zurück. "Das ist unter meinem Niveau." "Oho, ich wusste nicht, dass man noch tiefer sinken kann." "Yoko", beschwerte sich Yuichi laut. "Ihr redet die ganze Zeit spanisch. Wenn du ihn schon beleidigst, tu es in einer Sprache, die ich verstehe!" "Nimm jede Sprache die du willst, der Inhalt bleibt gleich. Du bist blind. Siehst nicht, wer dir gut tut. Aber lässt dich auf Kagome ein. Das werde ich nie verstehen." "Das musst du auch nicht verstehen." Yuki wirbelte herum und starrte ihre Schwester an. Yoko lächelte kühl. "Was er tut und was nicht, ist seine Angelegenheit. Das geht weder dich noch mich etwas an." "Wie war es?", kam Yuichi seiner Freundin zuvor und jetzt grinste Yoko breit. "Du hast deinen Job noch. Du musst dir um nichts Gedanken machen. Und dem Hollywood-Star wurde abgesagt." "Wirklich?" Vier Augenpaare wurden kugelrund. Ein goldenes, ein silbernes, ein blaues und ein ockerbraunes. "Wirklich. Ich habe mir die Zunge wund gequasselt und mein Bedarf am gesprochenen Wort ist für heute gedeckt. Ich brauche jetzt Stille." Yuki fiel Yoko um den Hals. "Oh, Kätzchen! Danke, danke, danke! Wie hast du das geschafft?" "Später. Ich will jetzt wirklich nicht reden. Ich bin im Büro." "Wie zum Teufel hat sie das geschafft?", starrte ihr Yuichi hinterher. "Ich habe noch nie erlebt, dass sie freiwillig die Klappe hält", wunderte sich Inuyasha. "Mit ihr stimmt was nicht!" "Seltsam", sorgte sich auch Yuki. "Ob es ihr gut geht?" Das würde Zuma herausfinden. Yoko war aber nicht in ihrem Büro. Er fand sie in der kleinen Küche. Sie zuckte zusammen, doch er hatte gesehen, was sie vor ihm zu verstecken versuchte. "Du brauchst Eisbeutel für deine Zunge?" Yoko blieb ihn eine Antwort schuldig und er merkte, dass ihm das fehlte. Ihre spitzzüngige Schlagfertigkeit. Die verbalen Auseinandersetzungen mit ihr, die sie meistens gewann. "Bist du verletzt?" "Geh arbeiten." Er packte ihre Hand. Damit hatte sie nicht gerechnet und sie zuckte vor seiner Berührung zurück. Ihre Wangen röteten sich, ihre Pupillen weiteten sich. Er reizte sie. So wie sie ihn… Yoko schloss kurz die Augen. "Du erinnerst mich an Romeo", summte sie leise. Das war wie ein Schlag in den Magen. Grob inspizierte er ihre rechte Hand. Die Fingerknöchel waren leicht geschwollen und dunkler gefärbt. Augenblicklich lockerte sich sein Griff. Ihm war körperliche Gewalt zuwider. "Du hast nur geredet?", runzelte er die Stirn. "Schlagkräftige Argumente", lächelte sie. "Ich musste mich gegen seine persönliche Leibgarde wehren. Nur fünf Mann. Aber dann war ihr Chef bereit zuzuhören." "Du gegen fünf?" "Ja, oder hast du geglaubt, meine Medaillen wären nur Dekoration? Ich bin stärker, als ich aussehe. Einer von denen war nur unerwartet schwer gepanzert. Kaum der Rede wert." Kaum der Rede wert… "Wo bist du noch verletzt?" "Ein wenig an den Rippen angeknackst." Jetzt bemerkte er, dass sie schwerer atmete. "Ich bringe dich ins Krankenhaus." Sie versuchte, seine Hand abzuschütteln. "Blödsinn! Ich bin nicht aus Zucker." Aber sie schmeckte wie Karamell… "Yoko, du hast Schmerzen. Das sieht mir nicht nach einer Kleinigkeit aus." "Ich überlebe es. Erinnerst du dich noch, ich bin hart im Nehmen?" Ihre Blicke trafen sich und da war wieder dieser elektrische Sog zwischen ihnen. "Eine gegen fünf. Du hast es wirklich alleine geschafft." Es war diese schmeichelnde Tonlage, die sie früher stets schwach gemacht hatte. Früher. "Du hast mich immer unterschätzt. Leider merkst du zu spät, was ich drauf habe. Romeo ist nicht blind dafür." "Was willst du von einem verdammten Dämon!", entfuhr es ihm unkontrolliert. Seine beherrschte, distanzierte Maske begann zu bröckeln. Sie lächelte ihn an, kalt, gefühllos. "Er gibt mir etwas, was ich von dir nie bekommen werde." "Und er ist besser als ich?" Sie zögerte kaum einen halben Atemzug. Zu lange. "Viel besser." "Du lügst, Yoko." "Und meine Schwester? Sie hat dich zufrieden gestellt?" Ihr gefühlloses Lächeln wurde düster. "Wohl kaum. Du, Akira, bist der einzige, der sich hier als Gehörnter fühlt. Weil du als einziger etwas verloren hast. Ich bin über dich hinweg. Du hast keine Macht über mich." Seine Augen wurden dunkler. Sie wusste, sie beging einen Fehler, ihn dermaßen herauszufordern, aber sie liebte das Risiko. "Aber du über mich?" Seine Stimme war ein einziges, dunkles Versprechen. Er trat näher an sie heran, beugte sich zu ihr. Sie hob ihm die vollen, dunkelroten Lippen entgegen, er spürte ihren Atem, heiß, unwiderstehlich. Sie flüsterte nur ein Wort: "Si." Sanft, schon fast zärtlich legten sich seine Lippen auf ihre. Sie schloss die Augen nicht, ihre gelbbraune Iris war wunderschön. Sie reagierte nicht auf ihn. Er riss sie an sich, vertiefte den Kuss und zog ihre empfindliche Unterlippe zwischen seine Zähne. Das wäre ihr Untergang. War er aber nicht. Keine noch so winzige Reaktion. Er war wie vor den Kopf gestoßen. Sein Herz hämmerte, sein Blut rauschte. Er war völlig berauscht von ihrer Süße. Sie aber blieb eiskalt. "Fertig? Du quetscht mir die Rippen." Sie öffnete die Türe, drehte sich noch einmal um. "Das Ende der Ball- Choreo solltest du noch umändern. Ich brauche mehr Leidenschaft. Das konntest du doch mal besser." Und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Ein boshaftes Lächeln umspielte ihre Lippen. Erst als sie in ihrem Büro war, in Sicherheit, gaben ihre Knie nach. Yuki und Inuyasha, über einige Dokumente gebeugt, blickten erstaunt auf. Yokos Puls an ihrem Hals raste, ihre Wangen waren gerötet, ihre geschwollenen Lippen bebten. Sie fürchtete, das Herz wurde ihr jeden Moment durch die schmerzenden Rippen brechen. "Zuma." Ihre Schwester musste nicht einmal raten. "Du wärst stolz auf mich", atmete Yoko tief durch. "Ich habe mir nichts anmerken lassen, er sich schon." "Was hat er denn gemacht?" "Offensichtlich ihre Schwachstelle ausnutzen wollen", erriet Inuyasha und musterte sie mit seinem Kennerblick. "Ganz genau." Ihre Augen verschleierten sich. "Meine Unterlippe zwischen seinen Zähnen… was mach ich bloß, mir ist so heiß!" "Ganz toll, er wird toben und ich muss wieder den Fußabtreter für euch Plagen spielen", grollte Inuyasha. "Ich schau, dass er seine Laune nicht an Yamada auslässt. Und du sieh zu, dass der rote Zwerg wieder abkühlt." "Hey, Meister, hast du auch einen Tipp wie ich das anstellen soll?" "Keine Ahnung. Lass dir was einfallen." "Na super", knurrte Yuki unzufrieden. "Gereizte Schwachstellen kann man nicht abkühlen! Was mach ich jetzt mit dir?" Yoko konzentrierte sich auf ihre Atmung. "Ich krieg das in den Griff. Lass mir nur ein bisschen Zeit." "Und rennst den ganzen Tag mit einem unerträglichen Kribbeln zwischen den Beinen rum? Siehst du Romeo heute?" "Sobald ich das Büro verlasse." Etwas blitzte in Yukis Augen auf. Etwas noch nie Gesehenes. "Dein Romeo, nicht meiner!" Eifersucht. Yoko war so verblüfft, dass sie die brennende Lust in ihrem Unterleib völlig vergaß. "Beruhig dich, ich steh nicht auf Yuichi." "Wieso, was stimmt nicht mit ihm?" Yoko hielt ein Lachen zurück, denn mit Yuki war nicht zu spaßen, wenn sie diesen abwehrenden Gesichtsausdruck auflegte. "Yuki Lisa Higurashi, bist du das? Sag mal, entwickelst du gerade menschliche, romantische Gefühle?" Yuki seufzte theatralisch auf. "Bei Yuichi geht mir jede Vernunft und Rationalität flöten", gestand sie. "Siehst du denn nicht, wie perfekt er ist?" Yoko registrierte ein blaues Augenpaar in der Türe, reagierte aber nicht darauf, damit Yuki nicht abgelenkt wurde. Yuichi war in der Tür erstarrt. Er hatte nur seinen Namen gehört, verstand kein Wort Deutsch. Wenn Yuki jetzt ins Japanische wechseln würde, wäre das zu verdächtig. Aber die Sprache der Träumer und Verliebten weckte kein Misstrauen. "Perfekt gibt es nicht", sinnierte sie auf Französisch. "Und Yuichi ist nicht perfekt." "Perfekt liegt im Auge des Betrachters", widersprach Yuki leise. "Und Yuichi… keiner ist wie er. Das musst du zugeben." "Er hat ein wirklich schönes Äußeres, das ist wahr. Da spielt er in der obersten Riege." Sie ließ sich lange genug Zeit, dass Yuki widersprechen konnte. "Es gibt kein Aber! Nicht bei ihm. Yuichi hat Ausstrahlung, Charakter, Charisma. Das unterscheidet ihn von all den hübschen Dumpfbeuteln!" "Was ist ein Dumpfbeutel?" "Hübsche Kerle, die sonst nichts zu bieten haben! Yuichi hat mehr Charisma als all die Kerle am Set zusammen, ja, inklusive Zuma. Tut mir leid, was auch immer du in ihm gesehen hast, ist sehe es nicht. Ich sehe nur ein Gesicht, das einem wundervollen Menschen leider viel zu ähnlich sieht. Aber charakterlich liegen Welten dazwischen. Ein Hauch mehr von Yuichi und Zuma wäre toll. Aber niemand ist wie Yuichi." "Albern, unzuverlässig, unberechenbar…" "Humorvoll, unbeschwert und spontan nenne ich es. Das sind keine Fehler, Karina. Nicht aus meiner Sichtweise. Ich verstehe nicht, wie man in seiner Nähe kein Herzrasen bekommt." "Ich bin ihm genauso nah und auch vertraut. Ich liebe ihn auch, aber wie einen Bruder." "Aber bei mir ist es anders." Yuki senkte leicht die Wimpern. "Es ist ungewöhnlich, aber vom ersten Augenblick an bin ich völlig durchgedreht. Zwischen uns war schon immer etwas Besonderes. Ich glaube…" "Es sind nur Worte", munterte Yoko sie sanft auf. "Sag es einfach. Du brichst dir keinen Zacken von der Krone." "Es sind eben nur Worte", erklärte Yuki. "Sie sind schnell gesagt. Handeln wiegt soviel mehr als ein Wort. Ich will ihm lieber zeigen, was er mir bedeutet." "Hast du das denn nicht? Yuki, ich war dein Leben lang bei dir, wo er weg war. Ich habe gesehen, wie der Scherz mit deinen Gefühlen größer wurde. Deine Verzweiflung, deine blinde Treue, deine Angst, dass er nie kommen wird. Und am schlimmsten war deine Einsamkeit. Ich weiß, so sehr wir Drei verbunden sind, du würdest alles für ihn aufgeben. Jederzeit und ohne zu zögern. Warum?" "Weil er alles ist. Ich brauche nur ihn. Ich bin unvollständig ohne ihn. Seit er da ist, habe ich gemerkt, wie… wie… ach, verflucht", zischte sie leise und ballte die Fäuste. "Ich bin abhängig von ihm!" Abhängigkeit war gleichzusetzen mit Verderben. "So", grinste Yuki jetzt. "Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Du bist abgekühlt und Yuichi hatte sein Süßholzgeraspel. Zufrieden, Liebling?" "Sei einmal berechenbar, Schönheit", zog er sie lachend in seine Arme. "Fliehst du vor Zuma?", fragte ihn Yoko. "Oui, hast du ihn so aufgeregt? Der ist weg. Hoffentlich kriegt Onee-chan das nicht ab." Er hätte Anjaani warnen sollen, denn seine Befürchtung bewahrheitete sich. "Zuma?", klopfte sie kurz vor Feierabend an seine Tür. "Hast du kurz Zeit?" "Komm schon rein", grummelte er leise. Er saß am Rand seines Schreibtisches. Warum nochmal hatte er die ideale Größe? Wofür eigentlich? Sie begriff es einfach nicht. "Was ist los, Aurora?", wunderte er sich über ihre plötzliche Gedankenversunkenheit. "Woran denkst du?" "An Yoko." Seine Augen wurden steinhart. Ihm selber ging es nicht anders. Er schaffte es nicht, dieses verfluchte, gelbäugige, karamellduftige Biest aus seinen Gedanken zu vertreiben. "Yoko hat erst vor kurzem gesagt, dein Tisch sei perfekt." "Perfekt?" Ihm schwante etwas und sein Interesse war geweckt. "Sie sagte, er habe die perfekte Höhe", plapperte Anjaani unschuldig. "Ich verstehe aber nicht wofür? Sie hat es so schwärmerisch gesagt, mir aber nichts erklären wollen." Schwärmerisch? "Wann war das?" "Letzte Woche, glaube ich. Sie war richtig begeistert. Aber warum? Was ist an deinem Schreibtisch so toll?" "Soll ich es dir erklären?" Das Verlangen, das ihn seit Yokos brutaler Abfuhr quälte, brodelte an die Oberfläche, dunkel, gierig, heiß. "Erklären, nicht zeigen", runzelte sie die Stirn, so naiv ihm zu trauen. Er nahm ihre Hand und wieder zuckte sie vor seiner Wärme zurück. So kalt er war, sein Körper war warm, nein eher heiß, muskulös, männlich… Was um Himmels Willen dachte sie da?! Er zog sie an seinen Körper, so eng und vertraut. Warum gefiel ihr seine Nähe? "Zuma, lass das", sagte sie klar und deutlich. Es wäre ein Nein, hätten ihre Augen sich nicht leicht vergoldet. "Es ist wie Tanzen", raunte er und schmiegte die Wange an ihre. Seine Lippen begannen ihren Hals zu streicheln. Es war ein Gefühl, wie ein leichter elektrischer Schlag. Ihr Atem stockte. "Aber der Rhythmus ist nicht vorgeschrieben, Schöne. Den bestimmen ganz alleine wir…" Ehe sie sich versah, hob er sie auf den Schreibtisch. Seine Hüfte drückte sich an ihre. Die perfekte Höhe… "Nein!" Das Grauen packte sie, als sie begriff. Ihr Herz krampfte sich zusammen, doch unter ihrer Haut brannte es. Verdammt nochmal, sie wollte es nicht! "Wehr dich", flüsterte er. "Aber dein Körper will mich." "Nein, ich liebe…" "Den Dämon?" Spott leuchtete in seinen Augen auf. Er rückte von ihr ab. Anjaanis Knie zitterten. "Ja, den Dämon!" "Und warum wirst du dann bei mir schwach?" Sie stieß ihn zur Seite, schritt erbost zur Tür, doch er erwischte sie am Ellenbogen, riss sie an sich. Seine Lippen an ihrem Ohrläppchen. "Er will dich nicht mehr, er hatte dich nämlich schon." Sie erstarrte, schockgeweitet waren ihre Augen. "Er hat dich schon benutzt, er ist fertig mit dir." Mit Tränen in den Augen floh sie aus seinem Büro, an Yokos Filmset. Blind rannte sie in die Aufnahme hinein. Vor ihr stand plötzlich ein muskulöser Adonis mit atemberaubenden Augen. Sie erkannte ihn auf den ersten Blick nicht. Dann änderte sich etwas bei diesem wunderschönen Mann und er zog sie mit sich, an den Rand der Szene. "Yuichi?" Sie war kurz verblüfft. Vom Rennen war sie völlig außer Atem. "Hast du mich tatsächlich nicht erkannt?" "Du warst… nicht wie du", versuchte sie zu erklären. "Du warst wie… naja ich vermute mal wie Romeo." "Dann muss ich gut sein, wenn du mich nicht erkennst. Gefalle ich dir?" Sie blickte an ihm herab, ehrliche Bewunderung in den Augen. Seine Kleidung war mehr als nur schmeichelhaft, die Farben einfach perfekt. "Yuichi… ich weiß, wie gut du aussiehst… aber das… meine Güte… Ich kann mich nicht sattsehen. Ich könnte glatt schwach… werden… Oh nein! Nicht auch noch… bei dir…" Ihre Stimme brach. "Hey, Onee-chan, warum weinst du?" Er rückte Anjaanis Schleier zurecht, zog sie fester an sich. Was für ein himmelweiter Unterschied zwischen ihm und Zuma bestand! "Du siehst wirklich toll aus…" "Sag mir bitte, was dich bedrückt." Jetzt begann er sich zu sorgen. "Gefällt dir Yuichi?", hörte sie Yukis Stimme. "Und wie", grinste Yuichi breit. "Endlich haben sich ihre Augen vergoldet. Nur ganz leicht", fügte er hastig hinzu. "Warum machst du meinen Freund an?" Anjaani schluchzte auf und warf sich ihrem Häschen an den Hals. Yuki suchte Antworten in Yuichis Augen, doch er wusste selber nicht, was mit Anjaani los war. "Entschuldige, Aani, ich weiß doch, dass du ihn nie-" "Mein Unterleib hat sich zusammengezogen", hauchte sie beschämt. "Jetzt bei Yuichi?!" Und weg war ihre Ruhe. "Nein, keine Sorge, Yuki-Hase. Aber es ist passiert und es war genauso wie du es beschrieben hast." Yuichi runzelte stumm die Stirn. "Lust", erklärte Yuki. "Sie hat Lust empfunden." "Aber das ist doch gar nicht schlimm", vertuschte Yuichi ein Lachen, denn Anjaani machte das offensichtlich zu schaffen. "Es hat aber nichts mit Inuyasha zu tun", traf Yuki den Nagel auf den Kopf. "Zuma hat seine Laune an dir ausgelassen", trat Yoko seufzend zum Trio. "Oh, Aani, das tut mir leid, ich bin Schuld dran!" Anjaani konnte Yoko nicht in die Augen sehen. "Ich habe mich gefragt, warum sein Schreibtisch die perfekte Höhe hat. Ich musste plötzlich daran denken, als ich in seinem Büro war." "Sag bloß, er hat es dir gesagt?" "Gezeigt." Das Wort war kaum verständlich. "Aber er hat mir nichts getan. Mich nur angesehen und meinen Hals berührt." "Mit den Lippen?" Keine Spur von Vorwurf in Yokos Stimme, nur reine Neugier. Sie nickte gequält. "Und da war dieses Gefühl da, ich konnte nichts dagegen machen." "Gott, Aani", prustete Yuki laut los. "Ich wäre froh, wenn ich nur ein Ziehen im Unterleib spüren würde, wenn man meinen Hals küsst." "Den Eindruck habe ich nicht", grinste Yuichi. "Aber bei Yuki ist es viel heftiger. Was du empfunden hast, war völlig normal." "Wirklich?" "Schätzchen, es gibt nun einmal Körperteile, die sind empfindlicher. Es muss rein gar nichts mit Lust zu tun haben." "Bei jedem?" "Aani", seufzte Yoko und legte ihre Lehrerinnen-Mimik auf. "Der Hals ist eine erogene Zone. Klar, reagiert dein Körper, wenn er da berührt wird. Das ist völlig normal. Hat dein Herz das gewollt?" "Nein", gestand sie. "Dann musst du dir auch keinen Vorwurf machen." "Er hat gesagt, Inuyasha wolle mich nicht, weil er mich schon hatte. Er sei fertig mit mir." "Autsch", kommentierte Yuki und sah dann Yoko vorwurfsvoll an. "Gut gemacht, bravo." Yoko schüttelte den Kopf. "Zuma war schon immer einmalig darin, verbal zuzuschlagen. Er wollte dich nur verletzten. Ich habe ihn heute erbost und er musste an dir Rache üben. Tut mir leid, Aanilein." "Rede doch einfach mit unserem Casanova drüber", riet Yuichi. "Wenn er dir sagt, dass das normal ist, wirst du ihm garantiert glauben." Anjaani riss empört die Augen auf. "Ja, klar! Du, Saajan, ist es normal, dass mir heiß wird, wenn Zuma mich küsst?!" "Was zur Hölle!", brüllte Inuyasha hinter ihr. "Wann hat der Grapscher dich geküsst?!" Kreischend fuhr Anjaani zusammen, griff sich ans Herz. Yami lachte fies. "Marie", erzürnte sich Anjaani. "Das ist echt nicht witzig!" "Du hättest dein Gesicht aber mal sehen sollen", amüsierte sich Yuichi. "Entschuldige, Aani, ich konnte mich nicht beherrschen", lachte Yami, nun mit ihrer eigenen Stimme. "Nanu, was ist dir über die Leber gelaufen, Aurora?", wunderte sich Aryan, als er zum Abendessen kam. "Deine Freundin!", funkelte sie Yami an. "Dafür hafte ich nicht", erklärte er gespielt ernst. "Was treibst du für Unsinn, Süße?" "Keinen, wofür du Schadensbegrenzung leisten musst. Hallo, Sanam." Sie barg sich in seiner Umarmung und verschmolz an seinen Lippen, in seiner Wärme. "Hey, ihr habt eine eigene Wohnung dafür!", beschwerte sich die Inderin. Aryan sah Yami überrascht an, doch sie zuckte nur unschuldig mit den Schultern. "Wie hast du Aurora denn so erzürnt?" "Hoffentlich sagt sie es dir", atmete Inuyasha erleichtert aus. "Ich platze vor Neugier!" "Ich weiß es, ich weiß es", trällerte Yuichi. Inuyasha grummelte nur. Yuichi hatte Yuki auf dem Schoß und diese funkelte den weißhaarigen Dämon warnend an. "Sag's ihm, Mäuschen", nickte Yuki. "Ich habe Inuyashas Stimme missbraucht", grinste Yami. "Sie hat sich von dem Schreck noch nicht erholt." "Ich finde, das sagt alles", erkannte Aryan. "Mehr müssen wir nicht wissen. Yoko ist am Set und ich vermute, der Alpha-Vampir wird dort auftauchen. Inuyasha, halte dich bereit, falls etwas schief läuft." Und schon war das Thema gewechselt. "Was könnte denn schief laufen?", sorgte sich Anjaani und vergaß ihren Ärger. "Im gängigsten Fall, dass er ungeduldig wird, seine Prinzipien über Bord wirft und sich ihr aufdrängt. Aber das ist nur eine Sicherheitsmaßnahme, Kleines", beruhigte er sie. "Yoko macht ihre Arbeit vorbildlich." "Wäre Zuma nicht", verdrehte Yuki die Augen. "Ganz im Gegenteil." Aryans Augen funkelten. "So muss Romeo sich anstrengen. Die Gefahr besteht, dass sie ihm weggenommen werden könnte. Umso feierlicher wäre sein Sieg." "Was wäre der Sieg?", grinste Yami. "Ein Kuss oder sogar eine Nacht?" Aryan schüttelte den Kopf. "Weder noch. Der krönende Sieg wäre ein Biss." Yuki durchfuhr ein Schauer. Yuichi, der dies deutlich gespürt hatte, drückte sie an sich. "Wie wahr", flüsterte er in ihr Ohr. "Ein Biss ist die Krönung." Hitze stieg in Yukis Wangen. Sündige Erinnerungen erwachten. Ein Biss brachte sie binnen weniger Momente zum Gipfel. Himmel, sich in ihm zu verlieren, während er sich in ihr verlor… Ein Vampirbiss löste einen Orgasmus aus. Das war eine Tatsache, die sie nun ohne Zögern glaubte, denn Yuichis Mund an ihrem Hals oder Nacken löste genau das gleiche aus. "Ihr beiden habt auch eine eigene Wohnung", bemerkte Anjaani spitz und riss Yuki aus ihren Träumen. "Unschuldig", bekannten sich beide. "Lisas Energie brennt plötzlich. Geht Heim oder beherrscht euch." "Meine Güte, Nee-chan, bist du neidisch oder seit wann gönnst du uns nicht etwas Verliebtsein?", wunderte sich Yuichi. Anjaani knickte ein. "Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was los ist. Entschuldigt." "Hat Zuma dich geärgert", wurde Inuyasha misstrauisch. "Oder ist er dir gegen deinen Willen nahe gekommen?" Verdammt! "Nein", antwortete sie ehrlich. "Nicht gegen ihren Willen", lachte Yami. "Das ist ja ihr Problem." "Dein Chef ist wieder da", grollte Anjaani. "Oder warum versuchst du deine Laune an mir aufzubessern?" "Ich hätte gerne deinen Chef", zischte Yami zurück. "Ich wüsste mit ihm umzugehen. Dein Fehler ist, dass du dich von ihm einschüchtern lässt. Zuma ist umgänglich, du musst nur wissen, wie du mit ihm umzuspringen hast." "Ich bin nicht du", wehrte sich Anjaani. "Yoko hat ihn gezähmt. Ich habe nicht das Glück, wie sie auszusehen. Ich habe das Pech, dass er mich hasst. Abgrundtief hasst." "Weißt du denn immer noch nicht warum", sorgte sich Yuki. "Nein", seufzte sie niedergeschlagen. "Es ist nicht seine Schuld. Es war schon immer so, dass man mich verabscheut hat. Wenn ich nur wüsste, was ich falsch mache." "Du gibst du viel", erklärte Inuyasha. "Du bist selbstlos und die Leute nutzen dich aus. Sie sind es nicht gewohnt, wenn du dir mal nicht ein Bein für sie abreißt." "Du übertreibst", war ihr einziger Kommentar. "Was ist mit dieser alten Schulkameradin, die dich ständig anruft mit ihren Problemen? Sie war ausgerastet, weil du keine Zeit hattest und später zurückrufen wolltest. Sie sind abhängig von deiner Hilfe und viel zu verwöhnt. Dass du eigene Bedürfnisse hast, sieht keiner." "Am wenigsten du", sagte Aryan. Inuyashas Kopf fuhr zu ihm herum. "Was zur Hölle soll das heißen?!" "Ein Beispiel nur. Dein Fleischkonsum. Du weißt ganz genau, wie sehr es sie quält, rohes Fleisch auch nur anzusehen und trotzdem kannst du nicht drauf verzichten. Nicht einen einzigen Tag." "A-aber… für mich macht sie es doch gerne…" "Und da wären wir wieder bei deinem Argument. Du bist verwöhnt. Gerade du nimmst Aurora als viel zu selbstverständlich." "Nimm das zurück!" "Nein." Die Atmosphäre war angespannt. Das Knurren in Inuyashas Kehle wuchs und Aryan starrte ihn an, beunruhigend ruhig. "Oh-oh", flüsterte Yuichi. "Meint ihr, sie gehen aufeinander los?" "Nein", lächelte jetzt Aryan. "Dafür hat er viel zu große Angst vor Yami." "Schluss jetzt", beendete Anjaani das Ganze und nahm Inuyasha in Schutz. "Inuyasha ist mein Leben. Für ihn würde ich tagtäglich durch die Hölle gehen, wenn es ihn glücklich machen würde. Nii-san, du weißt doch ganz genau, was er mir bedeutet, das darfst du ihm nicht vorwerfen. Jedem, aber nicht ihm. Und jetzt esst, damit Chi-chan und mein Häschen endlich Heim können." Yuichi und Yuki grinsten sich an. "Unser neuer Schreibtisch ist gekommen." "Hat er die richtige Höhe?", lachte Yami. "Ganz genau die richtige", hauchte Yuki. "Wir müssen ihn nur noch aufbauen." "Super, unnötige Verzögerung." "Non", schmunzelte Yuichi. "Ich nenne es Vorspiel." "Yuichi ist ein geübter Handwerker. Er ist gründlich und sehr schnell." "Beim Vorspiel?" "Willst du mich ärgern", drohte Yuichi Yami. "Ich will endlich, dass ihr von Peking erzählt", regte sich Yami auf. "Wie war eure Reise?" "Das geht nicht", winkte Yuichi ab. "Das ist nicht jugendfrei." "Und wenn wir beide verreisen, Prinzessin?" "Was?", wirbelte sie zu Aryan herum. "Sollen wir zwei verreisen?" "Du?" "Genau, mit dir zusammen." "Wohin?", war sie baff und starrte ihren Freund ungläubig an. "Das ist dir überlassen. Aber ich habe an Indien gedacht." "Wann?" "Nächste Woche. Da hast du doch Urlaubstage genommen." "Warum?" "Weil ich mir Zeit mit dir wünsche." "Wirklich?" "Kriegst du auch mal wieder mehr als nur ein Wort raus", lachte er. Sie musterte ihn genauer. "Töte ihn", sagte sie trocken zu Inuyasha. "Was?!" Dem Hundedämon blieb fast der Bissen im Hals stecken. "Das ist doch nicht Aryan. Bring den Dämon da um und dann suchen wir den richtigen Aryan." Aryans Blick wurde zärtlich. "Ist das so unwahrscheinlich, dass ich mir eine Woche frei nehme?" "Ja", antwortete der komplette Tisch. "Es ist nicht unmöglich. Ich hatte noch nie Urlaub, warum jetzt nicht damit anfangen? Jeder Dämonenjäger hat Urlaub, wieso ich nicht?" "Weil du die Welt von dir abhängig gemacht hast", antwortete Yami sanft. Ein Tonfall, der selbst beim steinharten Aryan Gänsehaut auslöste. "Willst du gar nicht mit mir weg?" "Ich will mir keine Hoffnungen machen", erwiderte sie nüchtern. "Urlaub heißt für mich nonstop zusammen zu sein. In meinen Augen gäbe es nichts Schöneres. Das wäre mein größter Wunsch." "Und den möchte ich dir erfüllen", versprach Aryan. "Eine Woche auf Suraj." "Ist das deine eigene Insel?" Yamis Augen wurden riesig. "Nein", lachte Aryan. "Es ist ein kleiner, recht unbekannter Inselstaat im Süden Indiens. Vor fünf Jahren verhalf ich ihnen aus der Gefangenschaft der saudi-arabischen Regierung. Ich bin gern gesehener Gast beim Sultan." "Du bist quasi der Nationalheld?" "Ja, so sehen sie mich." Aryan selbst hasste es, verehrt zu werden. Allein das Wort Held war ihm zuwider. Diese Bescheidenheit war nur eine von unzähligen Eigenschaften, die Yami an ihm so liebte. Sie zog ihn am Kragen zu sich, seine Stirn berührte die ihre. Heiß, kribbelnd das Gefühl. Seine funkelnden Augen lösten Schwindel in ihr aus, Hitze, Begehren und unendliche Freude. Das war auf jeden Fall der echte Aryan. "Wir zwei fahren in den Urlaub? Du und ich? Allein?" "Fliegen." "Können wir nicht etwas nehmen, das sich an Land bewegt?" "Hoch über den Wolken mit mir" , raunte seine schöne Stimme in ihrem Kopf. "Dem Himmel fast so nah wie in deinen Armen." "Lange?" "Lange genug" , waren die verheißungsvollen Worte. "Was ist jetzt los?", wunderte sich Yuichi über die wechselnde Mimik der beiden. "Er hat ihr wahrscheinlich eine "lange Aufzugfahrt" versprochen", erriet Yuki. Ja, daran erinnerte sich Yuichi gerne. An den Aufzug… "Und weg ist Yuichi", lachte Yuki. "Genau wie Yami." Yuichis Gesicht spiegelte seine seligen Erinnerungen wider, doch Yamis strahlte wie die Sonne persönlich, ihre Augen funkelten wie Edelsteine und all die Müdigkeit und der Stress, die sie die letzten Tage im Griff hatten, waren wie weggeweht. Zum ersten Mal seit Tagen aß sie mehr als nur ein paar Bissen. Sie summte sogar vor sich hin. Der Zauber ihrer Stimme verbreitete Glückseligkeit im Raum. "Willst du gar nicht wissen, wohin wir genau verreisen", freute Aryan sich über ihre gute Laune. "Mir ist völlig egal, wo ich hinfliege. Du bist da! Ich verbringe Zeit mit dir!" Ihre Augen leuchteten, wie er noch nie Augen leuchten gesehen hatte. Sie war so wunderschön. Hatte er je eine schönere Frau gesehen? Nein, entschied sein Herz. Und sie gehörte ihm. "Für immer", flüsterte Yami leise. "Wo fliegt ihr hin?", interessierte sich Anjaani. "Wir anderen können keine Gedanken lesen." "Doch, du schon, wenn du dich anstrengst", korrigierte Aryan. "Das ist aber eine Sache des Kopfes, nicht des Herzens wie bei euch beiden." "Also stimmt es", platzte es aus Inuyasha heraus und er starrte Yuichi an. "Hatten wir doch recht!" "Du bist ein Blitzmerker, Flohteppich, weißt du das?", neckte ihn Yuki. "Einige Bedingungen müssen erfüllt sein, damit das mühelos funktioniert", erklärte Anjaani. "Ein Partner muss sehr feinfühlig sein, sonst könnte jeder Gedanken lesen. Dazu müssen sie füreinander bestimmt sein. Die Herzen müssen im gleichen Takt schlagen-" "Wieso können Yuki und ich es dann nicht?", wunderte sich Yuichi. "Weil man sich nicht nur seelisch, sondern auch körperlich einigen muss", erklärte Aryan. "Aber davor müssen nicht nur die Gefühle, sondern auch der Körper rein gewesen sein. Herz und Körper müssen quasi jungfräulich sein. Yami hat immer nur mich geliebt und ich habe vor ihr nie jemanden geliebt. Und unangerührt waren wir beide." "Heißt das, wer zusammen die Barriere der Jungfräulichkeit überwindet, trennt auch die Barriere der Seelen?", übersetzte Yuki. "Wenn man für einander bestimmt ist, ja." "Man darf also nur diese eine Person, die für dich bestimmt ist, je geliebt haben?" "Das tun wir", motzte Yuichi. "Nur mit dieser Person geschlafen haben?" Er brummte. "Wir könnten das, wenn Yuichi mir die Unschuld genommen hätte?" "Vielleicht, wenn er davor auch jungfräulich gewesen wäre." "Und wenn Aryan nicht so feinfühlig wäre, könnten wir das auch nicht." "Siehst du, es liegt nicht an mir, Schönheit! Wenn das die Bedingungen sind, schafft das keiner!" "Es ist sehr selten", gab Aryan zu. "Die schwierigste Bedingung ist wohl, die Person zu finden, für die man geboren wurde. Ein Herz, das mit deinem im selben Takt schlägt." "Ihr seid füreinander bestimmt", tröstete Anjaani den Japaner. "Das mit dem Gedankenlesen wäre schon cool", schmollte Yuichi. "Also komm", schnaubte Yami. "Wenn sich zwei wortlos verstehen, dann seid das eindeutig ihr beiden! Wie oft kommuniziert ihr nur mit den Augen? Ein Blick reicht oft aus und ihr wisst, wie der andere fühlt und sogar was er denkt. Ihr seid das perfekteste Team, das ich kenne." "Stimmt", sah Yuichi ein und schmiegte das Gesicht an Yukis. Sie schlang die Arme um seinen Nacken. "Ich spüre, dass du genauso ungeduldig bist wie ich, Schönheit." "Ich fürchte nur, ich kann nicht warten, bis der Schreibtisch sicher steht." "Regelt das daheim", verlangte Anjaani ungeduldig. "Ich will wissen, wo Aryan und Yami hinfliegen. Nii-san, ich platze vor Neugier!" "Ja, du müsstest irgendetwas Spektakuläres geplant haben", lächelte Yuki. "Eine Woche einsames Strandparadies", gab Aryan endlich preis. "Am zweiten Abend steht ein wichtiges Staatsbankett wegen dem Friedensvertrag an. Wir residieren im Palast des Sultans." "Oh." Die Augen der Frauen wurden riesig. "Heißt Staatsbankett etwa Ball?" "Ein rauschender Ball", bestätigte er Anjaanis Hoffnung. Anjaani strahlte und klatschte begeistert in die Hände. "Er nimmt den Nervenzwerg mit, nicht dich", erinnerte Inuyasha sie. "Ich weiß", lachte sie. "Ich freue mich für Yami, ich freue mich so sehr!" "Wow", wusste Yami nicht, wie sie darauf reagieren sollte. "Wenn du etwas machst, dann richtig." "Oh, du hast noch keine Ahnung." In Aryans Augen schimmerte etwas geheimnisvolles, etwas verheißungsvolles, das ihr Herz verrückt spielen ließ. "Wir fliegen Sonntag los. Montagmorgen sind wir da. Unser Urlaub." Was noch alles auf sie zukommen würde, konnte sie sich im Leben nicht vorstellen! "Beeil dich mit dem Essen", forderte sie ihn plötzlich auf. "Warte, Mäuschen, willst du keinen Nachtisch?" "Ich hole mir mein Dessert schon noch." Sie sah Aryan an und seine Augen begannen golden zu funkeln. Aryan schob seinen Teller beiseite. "Danke für das Essen, Kleines." Die zwei waren schneller verschwunden, als Anjaani blinzeln konnte. "Aani", nahm Yuki ihre Hand. "Irgendwann wirst du das auch verstehen." "Jetzt verschwindet endlich", grinste sie. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. "So still?", wunderte sich Yuichi im Wagen. "Fahr einfach", sagte sie nur. "Warum das denn?", tat er ahnungslos. "Man könnte fast meinen, du kannst es nicht erwarten, nach Hause zu kommen." Sie lehnte sich im Sitz zurück, schloss die Augen. Endlich allein und sie konnte ihre Gefühle zeigen. Sie war völlig ausgelaugt. Sein Grinsen verblasste. "Yuki, was ist los?" "Yui-kun, mein Tag war anstrengend, ich will einfach nur noch in die Badewanne." Oh. Er vergaß, dass sie den ganzen Tag auf Zack war. Ohne seine Yuki würde am Set rein gar nichts laufen. Sie leistete die Arbeit von drei Personen. Zeit, sie etwas zu verwöhnen. "Ein Schaumbad und danach eine Massage?" Yuki seufzte voll Wonne. "Oh, Yuichi, du bist der beste! Gibst du mir kurz dein Handy? Ich möchte jemandem schnell etwas schreiben." "Klar", reichte er ihr sein Mobiltelefon ohne zu Zögern. "Was ist eigentlich mit deinem?" "Akku ist leer." Die Drillinge waren wahre Meister im Lügen, doch Yuichis Kindergärtner-Antennen schlugen Alarm. "Yuki." Sie schwieg. Also log sie tatsächlich. Jetzt würde man sehen, wie gut er sie kannte. "Ich habe es schon lange nicht mehr in deiner Hand gesehen", überlegte er laut. "Ich war das Wochenende mit dir beschäftigt", erinnerte sie ihn, als sie, daheim angekommen, aus dem Auto stieg. "Ich hatte keinen Kopf frei. Und", schmiegte sie sich an ihn. "Lass uns jetzt bitte wieder miteinander beschäftigt sein." "Du lenkst mich ab. Was ist los?" Nichts wäre ihm momentan lieber, als sich in ihr zu verlieren, aber seine Alarmglocken schrillten laut. "Yuki, was stimmt nicht?" "Warum sollte etwas nicht stimmen?" Sie floh schon fast in die Wohnung. Nein, er würde nicht aufgeben! "Seit du am See diese ominöse Nachricht bekommen hast, fasst du dein Telefon nicht mehr freiwillig an. Was für eine Nachricht war das?" "Ich erinnere mich nicht mehr." "Lüge." Sie merkte erst, dass sie in der Falle saß, als sie mit dem Rücken gegen die Wand gedrängt wurde. Er schloss die Finger sanft um ihre Handgelenke, drückte sie gegen die Tür. Sein Körper an ihren gepresst. Und diese dunkelblauen, glühenden Augen. Noch nie hatte sie Bedrängnis als so erregend empfunden. "Hör auf, Yuichi." Ihr Atem wurde schneller. Ihm so ausgeliefert zu sein, machte sie wahnsinnig an. "Warum?", raunte er Millimeter über ihren bebenden Lippen. Er hielt sich kaum noch im Zaum. "Weil du mich grade unerträglich scharf machst." "Was stand in der Nachricht? Sag es mir, dann können wir hier endlich weiter machen." Sie gab nach. "Eine Drohung, falls du es genau wissen willst, von einer anonymen Nummer. Ich werde Aryan bitten, sich darum zu kümmern." "Warum droht dir jemand?" "Weil er vielleicht nicht einsehen will, dass ich nur dich liebe. Du hast es mich vergessen lassen, Liebling. Und jetzt will ich bitte nur an dich denken." Seine heißen, samtigen Lippen überwältigten ihren Verstand und sie ließ sich willenlos verführen. "Lass mich vergessen…" "Oui", knurrte er erregt. "Du wirst keine Chance haben, irgendwas zu denken!" Anjaani schloss hinter Yuichi und Yuki die Türe und setzte sich seufzend an den Tisch. "Ich habe gedacht, es würde weh tun", gestand sie und sah Inuyasha an. Er war ihr noch geblieben. "Wenn alle dich verlassen?", flüsterte er. "Und mich vergessen, ja. Aber das tut es nicht." Er legte stirnrunzelnd den Kopf schief. "Ich brauche nur dich." Aber er würde nicht ewig bleiben. "Dafür gibt es deinen Schwur", erinnerte sie ihn. "Saajan, du tust mir einen Gefallen", versicherte sie, als er dementsprechend reagierte. "Im Himmel wartet jemand auf mich, der mich liebt. Der mich liebt, wie man nur lieben kann." Oh. Aber solange er bei ihr war, konnte er das Beste draus machen. Ihre Anwesenheit genießen, zum Beispiel. Oder sie glücklich machen. "Du, Anjaani? Gehst du mit mir in den Garten?" "Natürlich, warum?" "Ich habe mir gedacht, wir holen uns unseren Nachtisch direkt vom Kirschbaum. Und danach noch Baden im See." Sie erhob sich. "Balkon oder Treppenhaus?" Er lachte nur. Und sie stürmte voran, über das Balkongeländer und sprang. Inuyasha erwischte sie im Fall, sie presste sich lachend an ihn. "Anjaani, verdammt! Dein Vertrauen in mich könnte dich noch Kopf und Kragen kosten!" "Wieso? Wirst du alt und eingerostet?" "Ich gebe dir gleich einge-" Ihre Lippen schmiegten sich an seinen Hals. Ihr Atem schien seine Haut zu verbrennen. Schwindel und dieses unerträgliche, zuckersüße Brennen erfassten ihn. Tat sie das absichtlich? "Was machst du da?", raunte er. "Stört dich das?" Sie sah ihn an. Er war längst im Garten gelandet, doch keiner dachte daran, den anderen los zu lassen. Es störte ihn nicht im Geringsten. Nein, es wunderte ihn eher, dass er da sensibel war. "Der Hals ist eine eher empfindliche Stelle", sagte er. Sie errötete leicht, ihre dunklen Augen schimmerten golden. So atemberaubend schön. "Eine e- erogene Zone?" "Ja", wurde er jetzt misstrauisch. "Wieso?" "Ist der Hals bei jeder Frau empfindlicher?" Und langsam dämmerte es ihm. Aber er blieb ruhig, denn es erfreute ihn, dass sie sich in der Angelegenheit ihm öffnete. "Ich kann nicht verallgemeinern, aber bei den meisten ist es eine erogene Zone. Die Haut ist dünn und gut durchblutet." "Zuma hat mich berührt", gab sie seufzend zu und jetzt ließ sie ihn los. "Ich wusste nicht, dass es so arg ist und leider…" Er sah die Qual in ihren Augen. "Es hat dir gefallen." Kein Groll, kein Vorwurf, nur die pure Erkenntnis. "Ich bin ans Set gerannt. Chi-chan meinte, meine Reaktion sei normal. Ich will nicht, dass es normal ist, dass mir Zumas Berührungen gefallen. Plötzlich warst du hinter mir, wütend. Ich habe mich so erschreckt. Aber es war nur Yami. Ich will nicht, dass du mich für eine Schlampe hältst. Es kann doch nicht normal sein, dass der Körper so reagiert. Irgendwie kann ich's nicht glauben." Er setzte sich ins Gras, direkt neben den riesigen Himbeerbusch. "Und wenn ich es dir bestätige, glaubst du es?" Weil er eine männliche Schlampe ist. Sie sah in seine Glutaugen. "Warum solltest du mich anlügen?" Nein, weil sie ihm bedingungslos vertraut. "Was hat der Grapscher denn genau gemacht?" Er ließ sie nicht aus den Augen, während er sich die süßen, roten Himbeeren zwischen die Lippe schob. "Ich habe ihn gefragt, wofür sein Tisch die richtige Größe hat." Inuyashas Augen wurden kugelrund und sie wurde noch roter. "Jetzt weiß ich es." Seine Ruhe war verflogen. Er fletschte die Zähne. "Er hat mir nichts getan", beruhigte sie und zwang sich, die Augen von seinen Reißzähnen zu nehmen. "Aber er hat meinen Hals berührt… und…" "Berührt oder geküsst?" Sie senkte die Augen und er zwang sich durchzuatmen. "Berührungen mit den Lippen sind intensiver als mit den Fingern. Es ist normal, dass dein Körper darauf reagiert." "Nicht arg", gab sie zu. "Aber zu arg, dafür, dass ich nichts für ihn empfinde." "Hat nur dein Körper darauf reagiert?" Ihn rührte ihr Vertrauen, das sie ihm schenkte. "Ja, aber reicht das nicht?" "Nein", sagte er entschieden. "Dass der Körper reagiert ist normal. Ein Ziehen im Unterleib, warme Schauer, erhöhter Puls, schnellere Atmung, rasendes Herz, Hitze, Schwindel, schwitzige Haut…" Goldene Augen. Sie setzte sich neben ihn. "Das hatte ich alles nicht", wunderte sie sich. "Nur das Ziehen da unten und Schauer." Sie strahlte plötzlich. "Kalte Schauer." Und seine Augen wurden sanft. "Ganz normale körperliche Reaktionen." Er steckte ihr prompt eine Beere in den Mund. "Also hör auf, dir den Kopf darüber zu zerbrechen." "Ist der Hals die einzige erogene Zone?" Sie sah ihn voller Unschuld an und diese Unschuld war so verdammt anziehend. Sein Puls begann sich zu erhöhen. Verdammt, all die beschriebenen Reaktionen hatte er pausenlos bei ihr. Es war schon völlig normal für ihn. "Nein, es gibt viele. Sie können bei jedem anders sein. Manche sind da empfindlicher, andere gar nicht." "So wie meine Brüste?" Über weibliche Körperteile zu reden, machte ihr rein gar nichts aus. "Eine erogene Zone", nickte er und die Erinnerung trieb Hitze in ihm hoch. "Du wärst überrascht, wo man alles empfindlich sein kann. Von den Ohren, über die Handflächen bis zu den Füßen. Ich bin am empfindlichsten an den Ohren." "Aber dich beruhigt es, wenn ich dich kraule." Er errötete leicht, es war so süß. "Das habe ich vorhin gemeint mit dem Unterschied zwischen Händen und Lippen." Ein Schauer überkam sie. Wenn sie sich vorstellte, dass er ihren Hals küsste. Seine Lippen, der heiße Atem. Sie senkte die goldenen Augen. Ja, ein himmelweiter Unterschied zu seinen Fingern. Und der Gedanke, seine weichen, zarten Ohren mit den Lippen zu streicheln… Was war nur los mit ihr? "Anjaani, nicht alles, was für den Körper angenehm ist, ist verwerflich." Er legte den Arm um ihre Schulter, drückte sie an sich und sie schmiegte sich genüsslich in den roten Stoff seiner Kleidung. "Du hast nie Zärtlichkeit erfahren, deshalb weißt du nicht, wo die Grenze ist." Wenn er sich vorstellte, dass sie nie umarmt wurde, getröstet, geküsst… wie konnte man nur diesen vollen, roten Lippen widerstehen? Sie sah ihn an, ihr Gesicht Zentimeter von seinem entfernt. Ihre Augen glühten satt golden. Er war zwar nicht feinfühlig, aber wonach eine Frau sich sehnte, wusste er zu gut. Und diese Frau hier, die Erfüllung all seiner geheimen Sehnsüchte, wünschte sich einen Kuss. Es wäre so leicht, so einfach, aber der einfache Weg war oft auch der verbotene. Das Gold ihrer Augen schrumpfte langsam, doch die Liebe darin blieb. "Komm, Saajan, wer zuerst auf dem Kirschbaum ist." Er grinste herausfordernd. "Gegen mich ein Wettklettern?" Sie sprang lachend auf. "Wer zuerst auf dem höchsten Ast ist." Sie war wirklich flink, wenn sie keinen Sari trug. Er hängte sich neben sie an den Ast. "Das ist unfair, du wiegst nur die Hälfte von mir." "Keine Ausreden, Spielverderber." Sie zog sich an ihm hoch, erklomm geschickt den Baum, sprang von einem Ast zum anderen. Er folgte ihr. War sie so mutig, weil sie den Tod nicht fürchtete, oder weil er bei ihr war? "Bleib hier, Anjaani", bat er. "Ich kann nicht weiter hoch." Sie war fast an der Spitze der Baumkrone. Die Äste schwankten beträchtlich unter ihr. "Hast du Angst?" Das Sonnenlicht hüllte ihren Kopf ein wie ein goldener Schleier. "Ich bin schwerer als du. Muskeln wiegen mehr als Fett." Sie schwang sich zu ihm herunter, ein warmes Lächeln um den Mund. "Niemand kann so perfekt sein wie du, Mister." Und steckte ihm lachend eine dunkelrote Kirsche in den Mund. "Sollen wir morgen zum Optiker, Saajan?" Er runzelte sie Stirn, den Mund voller Kirschen. "Einen Sehtest machen. Du bist wohl blind geworden", kicherte sie. "Oder waren die Frauen in deiner Zeit dünner?" "Kam auf den Wohlstand an", überlegte er. "Reichere Leute waren definitiv dicker. Aber unter den Dämoninnen war keine füllig." "Stimmt ja, ich vergaß", trällerte sie. "Dämoninnen sind perfekt." Sie strahlte ihn herzlich an. Die Mondsteinsonne schimmerte um ihren Hals. Er beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Er hatte ihr gesagt, dass er keine schönere Frau als sie kannte. Die Worte hatte sie sich anscheinend gut eingeprägt. "Du weißt doch, dass du keine Kröte bist", schmatze er. "Ja, ich bin immerhin ein Molch", giggelte sie. "Anjaani, ich glaube, dass selbst in dir ein wenig Eitelkeit steckt", neckte er sie. Das überraschte sie jetzt. Sie schminkte sich nicht, sie stylte sich nicht, sie versuchte nie, ihre Vorzüge zu betonen. Alles an ihr war natürlich. "Würdest du an deinem Körper arbeiten, wenn du nicht eitel wärst?" "Gerade eben war ich noch fett", erinnerte sie ihn. "Solange du noch nicht rollst anstatt zu laufen." Sie schmiegte sich lachend an ihn. "Ich arbeite nicht an meinem Körper, ich halte ihn gesund. Sonst könnte ich das hier nicht." "Nein, Anjaani!" Sie sprang vom Baum, erwischte einen Ast des Apfelbaumes und schwang sich rüber. Grinsend warf sie ihm einen Apfel zu. "Unterschätze mich nicht, Mister." Mit einem Sprung landete er neben ihr. "Seit dieser Mistkerl von böser Seite dich angegriffen hat, bin ich etwas sensibel", gestand er. "Ich habe ihn aber erledigt", erinnerte sie ihn. "Und Aryan trainiert mich. Ich zweig es dir." Sie ergriff seine Hand, die gerade einen Apfel vom Baum schnitt. Seine messerscharfen Krallen wurden augenblicklich stumpf, als sie ihn berührte. "Was ist das denn?" "Das ist ein Reflex, damit ich dich nicht verletzen kann." "Seit wann denn?" "Seit du wegen diesen Dingern fast verblutet wärst. Sie werden automatisch ungefährlich, wenn du mich berührst." Sie sah ihn an. "Es ist eine seelische Blockade. Möchtest du, dass ich sie löse?" "Nein. Der Reflex ist nur bei dir aktiv. Was wolltest du mir denn zeigen?" "Ein Schutzschild, den Aryan mir antrainiert hat. Du kannst mich nicht verletzen, wenn es aktiviert ist." Ihre Augen zuckten auf seinen Mund. Doch da sie sich nicht vergoldeten, erkannte Inuyasha, was sie im Sinn hatte. Seine Zähne blitzten zwischen seinen Lippen hervor. "Nein!" Er rückte sofort von ihr weg. "Die sind genauso gefährlich wie meine Krallen." Aber er hatte sie unterschätzt. Ihre Augen blitzen golden auf und plötzlich waren seine Muskeln wie aus Stein. Er konnte sich nicht bewegen, war erstarrt. So sehr er es versuchte, er konnte sich keinen Zentimeter rühren. "Schließ die Augen", riet sie. Und sobald er sie nicht mehr sah, kehrte die Macht über seinen Körper zurück. "Aryan arbeitet dran. Aber ich werde besser. Du musst dir nicht solche Sorgen um mich machen. Ich habe schon einiges überstanden." "Damit willst du mir sagen, dass du mich nicht brauchst", knurrte er mürrisch. Es passte ihm gar nicht, dass er sich gegen sie nicht wehren konnte. "Stimmt, ich habe es ja auch ohne dich geschafft", lächelte sie traurig. "Aber weißt du, was der Unterschied ist?" Sie lehnte sich an ihn. "Ich bin glücklich." Er schmiegte seinen Kopf an ihren. Warum war es falsch, wenn es sich so richtig anfühlte? "Ist es für dich so neu wie für mich?", murmelte sie selig. "Nein, ich kenne es", antwortete er. "Aber ich habe es bisher nicht gemocht." Oder zumindest nicht erkannt, wie schön Zärtlichkeit war. "Bist du denn nie so mit diesem Verräter dagesessen?" "Kaum zu glauben, nicht wahr?", seufzte sie. "Aber ich war es nicht gewohnt. Die Drillinge sagten immer, das sei unnormal. Ich weiß wie herzlich sie mit ihrem Bruder umgegangen waren, wie viel Liebe und Zuneigung er ihnen gegeben hatte. Und ich habe es mir so sehr gewünscht. Raj hatte Bedingungen." Keine Berührung ohne Folgen. "Dieser verdammte Egoist! Warum hast du ihn nicht büßen lassen?" Sie richtete die Augen direkt auf seine und eiskalt durchfuhr es ihn. Zum ersten Mal sah er ein Quäntchen davon, was sie hinter ihrer Mauer versperrte. Dieses Quäntchen reichte aus, um ihn voll und ganz davon zu überzeugen, dass sie qualvoll verenden würde, könne sie die Mauer nicht mehr aufrecht halten. "Saajan, er ist vergleichsweise das harmloseste, was mir widerfahren ist. Aber ich kann ihn vergessen, im Vergleich zu anderem…" Sie brach ab, Reue im Blick "Wirst du es mir je verraten?", flüsterte er mit dieser Zärtlichkeit, die ihm ihr Herz sicherte. Doch ihre Augen wurden hart. "Wirst du mich fangen können? Wirst du stark genug sein, mich zu tragen?" "Ja", antwortete er ohne zu Zögern. "Dann tanz mit mir." Es war diese eine, alles sagende Reaktion, das kurze Abwenden seines Kopfes. Instinktiv, reflexartig. Er bereute es sofort, doch es war zu spät. Sie starrte ihn an, schien ihn mit ihren Augen röntgen zu können. Ihre Stimme trifte vor blanker Enttäuschung. "Das war deine Antwort, Inuyasha. Und solange sie nein lautet, hast du kein recht hinter die Mauer zu blicken." Und sie sprang, fort von ihm, in die Tiefen ihrer Einsamkeit. Seufzend beendete Yoko ihr Telefongespräch. Es wäre zu viel verlangt, dass Anjaani einmal Glück in ihrem Leben hatte. Dabei war ihr Glück so nah, dass sie es berühren konnte. "Meine Ewigkeit für deine Gedanken." "Mein Gedanken für die ewige Stille", erwiderte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie sah ihn an und erkannte gerade noch die Bewunderung, die Romeo hastig aus seinen Sturmwolkenaugen verbannte. Es imponierte ihn, dass sie sich nicht erschrecken oder überraschen ließ. "Du bist doch alleine hier." Er deute auf die Szene eines rauschenden, romantischen Balls. Die drückende Enge ihres Büros hatte Yoko nicht ertragen, meinte sie doch überall den Blick eines gewissen silbergrauen Augenpaares zu spüren. "Ich war alleine hier." Der Vorwurf klang deutlich aus ihrer samtenen, katzenhaften Stimme. "Du bist nicht erfreut, mich zu sehen?", rutschte es ihm heraus. Yoko legte den dicken Stapel Dokumente beiseite und rieb sich die Schläfen. "Ich zerfließe innerlich vor Glück." "Glück? Du kommst mir nicht gerade glücklich vor." Nicht eine Spur von Spott in seiner Stimme, reine Erkenntnis. "Wie kann ich dich glücklich machen?" "Bring mich hier weg." Es war eine spontane Antwort, unüberlegt, ehrlich. Er überlegte keine Sekunde. "Ich bringe dich in meine Welt." "Für immer?!" "Für heute Nacht", lachte er. "Kommst du mit?" Ohne zu Zögern reichte sie ihm die Hand. Er zog sie an sich. Es war warm und angenehm, fast wie bei Yuichi. "Vertraust du mir?" "Das werden wir sehen", lächelte sie ihn an. "Wo möchtest du hin?" "In deinem Schatten gehüllt zu den Sternen." "Ihr Wunsch ist mir Befehl, Señorita. Erlebe mit mir den Zauber der Nacht." Weit entfernt von allem Gewöhnlichen und Sterblichen tauchten sie ein in die Welt der Nacht. Er trug sie fort von den Lichtern der Stadt, fort von dem Lauten, dem Geschäftigen, hinein in des Mondes Stille. An seiner Hand ließ sie alles hinter sich und gab sich der Magie des Mondes hin. Yoko betrachtete den silbernen Zauber um sich, all die seltsamen Wesen, die in Mondlicht getaucht, den magischen, fremden Melodien verfallen waren. "Ein sehr starker Zauber", flüsterte sie. "Stark genug, dich in die Knie zu zwingen, Señorita?" Sie sah ihn an, das Mondlicht funkelte in seinen Augen. "Für heute Nacht." Und sie versanken gemeinsam im Zauber der Nacht. Zeit existierte nicht, Schwere existierte nicht. Nur Leichtigkeit. Es war wie in ihren Träumen, wie in ihren romantischsten, wildesten Phantasien. Wäre so ihr Leben mit ihm? "Bin ich der einzige Mensch hier", fragte sie Romeo nach Jahren, wie es schien. Er vergrub die Lippen in ihrem Haar. "Die einzige Sterbliche, ja." "Dann sind wohl die, die mich so ansehen, deine Artgenossen." Romeo hatte nur Augen für sie. "Wie sehen sie dich denn an?" "Hungrig." Er lachte leise auf, fröhlich, sinnlich und etwas düster. Eine unwiderstehliche Mischung. Yokos Herzschlag erhöhte sich dramatisch, als sie ihm in die Augen sah und den Blick nicht abzuwenden schaffte. "Du bist ein besonderer Leckerbissen. Aber du gehörst mir." "Nur dir." Was redete sie da? Und warum schlang sie die Arme um seinen Nacken? Sie war diesem Zauber so lange erlegen, dass er sie überwältigte. Sie gab sich ganz diesem Traum hin und erlaubte Romeo die Kontrolle. "Diese Welt ist schöner als in meinen Vorstellungen", flüsterte sie, Millimeter von seinen erwartungsvollen Lippen entfernt. Seine Pupillen waren so geweitet, dass sie fast die komplette Iris bedeckten. "Der Traum ist nicht vorbei", raunte er. "Gib dich mir hin und lass mich dich ins Paradies geleiten." Alles in ihr schrie ja und Romeo sah sich als sicheren Gewinner. Doch sie blockte seinen Kuss ab. "Noch nicht", sprach sie nüchtern. "Ich will weg von hier. Bring mich zurück in meine Welt." Er hatte gar nicht damit gerechnet und war völlig vor den Kopf gestoßen. Hoffentlich hatte sie ihr Glück nicht überstrapaziert. Dass Inuyasha in rettender Nähe war, tröstete sie ungemein. Denn trotz seiner sanften Art, spürte sie Gefahr in Romeo. "Ich unterschätze dich immer wieder", erkannte er verblüfft. "Ich mag es nicht, wenn man mich manipuliert", sagte sie nun lauter und wandte sich abrupt von ihm ab. Es tat weh, diesen Ort zu verlassen. Vom Traum zurück in die Wirklichkeit. Was gäbe sie dafür, alles hinter sich lassen zu können. Doch sie hatte schon als Kind verstanden, dass Träume nur in ihrem Kopf existieren. "Yoko!", rief es hinter ihr. "Ja, was ist?" "Geh nicht", bat er. "Ich möchte, dass du bei mir bleibst." "Und weißt du, was ich möchte? Dass du meinen Gefühlen die Möglichkeit gibst, sich alleine zu entwickeln. Wie soll ich dir so trauen?" Er sah sie hilflos an. Verschiedene Gefühle kämpften in ihm, man sah es in seinen Gesichtszügen. "Ich wollte dir nur meine Welt zeigen." "Hör auf, meinen Willen unterwerfen zu wollen. Ich bin und werde nicht dein Eigentum sein. Akzeptiere das." "Keine Tricks mehr. Versprochen." "Danke. Bringst du mich Heim?" Er versteckte die Unsicherheit, die ihn packte und beugte sich ihrem Willen. "Wie fliegt ihr?", murmelte sie im Schutz seines Schattens. "Mit dem Mondlicht. Es gibt uns die Kraft dazu. Verrate es niemandem." "Ist es denn so geheim?" "Niemand außer einem Vampir darf es wissen. Es ist heilig." Er setzte sie auf ihrem Balkon ab "Du solltest die Türe schließen", bemerkte er vorwurfsvoll. "In der Nacht lauern Gefahren." "Größere als du?" "Unwahrscheinlich." Sie trat einen Schritt zurück, um ihn besser betrachten zu können, den Ursprung ihrer geheimsten, dunkelsten Phantasie. "Ist es jetzt vorbei?" Anscheinend war ihm die Frage ungewollt entschlüpft, denn er schien sie zu bereuen, als er die Hand in sein blondes Haar fahren ließ. Dann fügte er noch, um Missverständnisse auszuschließen, hinzu: "Dieser Abend, meine ich." "Ich weiß, ich erwecke nicht den Eindruck, Romeo. Aber das war bisher der schönste Tag meines Lebens." Zumindest einer der schönsten. Seine Augen glühten auf, er barg seine Freude kaum. "Also habe ich dich glücklich gemacht, Señorita?" "Überglücklich", strahlte sie. "Bist du denn glücklich, Romeo?" Sie wandte sich um, trat zurück in ihre Wohnung. Es war eine stumme Einladung, ihr zu folgen. Und er nahm sie wortlos und dankbar an. Doch er schloss die Türe. "Mir steht die Welt offen, die Unendlichkeit des Seins. Und doch berührt mich nur dieser Moment. Dieser Abend mit dir." "Ich sage dir warum." Sie sah ihn nicht an, als sie eine Weinflasche entkorkte. "Zeit mit mir ist kostbar, weil sie endlich ist." "Sie könnte unendlich sein." "Und macht unendliche Zeit glücklich?" "Es kommt darauf an, mit wem man diese Zeit verbringt." Jetzt hob sie die ockergelben Augen zu seinem Gesicht. "Mich reizt die Unendlichkeit nicht. Auch ein Glas?" Er lächelte dunkel. "Die rote Flüssigkeit, die ich bevorzuge, ist eine andere." Sie hielt seinem Blick stand, seine Pupillen weiteten sich. "Vermutlich direkt von der Quelle. Ich kann dir nicht geben, was du begehrst, aber ich kann damit dienen." Sie drückte ihm ein Glas in die Hand, halbvoll mit dem klaren, bordeauxfarbenem Rebensaft. "Es ist fast körperwarm. Ich wette, so bevorzugst du es." Er betrachtete sie intensiv über den Rand seines Glases. Sie erwiderte seinen Blick. Er schaffte es nicht, dass sie die Lider senkte. Diese Frau war bemerkenswert, einzigartig. "Können Vampire Gedanken lesen?", fragte sie plötzlich. "Nur bei Menschen, die sich durchschauen lassen. Verrate mir, warum du unglücklich bist. Jemand so einzigartiges wie du." Er hatte nicht erwartet, dass sie sich geschmeichelt zeigte, doch diese Reaktion verblüffte ihn. Sie lachte verächtlich auf. Bitterkeit trat in ihre Augen. "Einzigartig? Das ist das letzte Adjektiv, das auf mich zutrifft!" "Ich verstehe nicht", war er irritiert. "Eine Frau mit deiner Stärke, deiner Intelligenz, deiner Schönheit. Mir ist niemand begegnet, der wie du ist." "Mir schon, gleich zwei. Ich bin ein eineiiger Drilling." Eine neue Überraschung, die ihm kurz die Stimme raubte. "Hier habe ich Fotos." Sie holte ihr Handy aus der Handtasche, setzte sich damit auf das Sofa. Er ließ sich neben sie nieder. Der Abend verlief nicht, wie er ihn sich ausgemalt hatte und doch wollte er es nicht anders. "Oh", entfuhr es ihm, als er ein Bild ihrer Schwestern sah. "Das sind Kopien von dir. Unfassbar, dich gibt es drei Mal." "Ich bin die Mittlere", lächelte sie. "Dein Haar ist eigentlich rotbraun." Ohne darüber nachzudenken fuhr er durch ihr schwarzes, schimmerndes Haar. "Eine seltene Farbe für jemanden deiner Abstammung." "Was gefällt dir besser?" Wärme stahl sich in ihre Augen. Augen, die für eine Japanerin noch ungewöhnlicher waren. Sie blätterte weiter. "Welche bist du? Hoffentlich die Rote." "Natürlich die Rote." "Ausgezeichneter Farbgeschmack, Señorita Yoko." Sie lachte. Fröhlicher als sonst. Sie war tatsächlich glücklich. "Da haben wir wohl etwas gemeinsam." Er beugte sich neugierig näher. "Wer ist das?" Sie sah ihn an. Plötzlich wurde ihnen bewusst, wie nah sie sich waren. Und wieder stieß sie ihn völlig vor den Kopf. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. Ihr Haar roch betörend nach Jasmin. Er hatte Mühe seine Gedanken zu sortieren. "Wer ist der Japaner mit…" "Mit den Saphiraugen. Du hast ihn in meinem Herzen gesehen, aber falsche Schlüsse gezogen." Und sie erzählte ihm von Yuichi. Von ihren Schwestern und wie neidisch sie auf die Liebe zwischen Yuki und Yuichi war. Wie sehr sie sich auch nach dem Glück von Yami sehnte. Nur Aryans Name blieb ungesagt. Noch nie in seinem Leben hatte Romeo sich so mit einer Frau unterhalten und noch nie in seinem langen Leben hatte es ihn tatsächlich interessiert. "Wissen deine Schwestern von mir?", entfuhr es ihm plötzlich. "Glaubst du, die hören mich, von ihrem Platz aus den Siebten Himmel? Ihnen reichte dein Name und sie konnten mich nicht ernst nehmen." "Ist es denn etwas ernstes zwischen uns?", fragte er sie leise. Yoko blinzelte, ihre Wangen röteten sich. Abrupt stand sie auf, lief zur Weinflasche. Dieses Verhalten ließ sein Herz rasen. Es gab ihm die Sicherheit, die er brauchte, deshalb beließ er es dabei. "Wer ist der Blonde, der deinem Bruder so ähnlich sieht?" Das war die falsche Frage. Wut blitzte in ihren Augen auf, das Weinglas zerbarst in ihrer Hand. Der unwiderstehliche Geruch von Blut drang in seine Nase. "Yoko, du blutest!" Besorgt eilte er zu ihr, doch unwirsch wusch sie sich die Hand und wickelte sie in ein Stofftuch. Er hatte für diesen Abend tatsächlich Zuma aus ihren Gedanken vertrieben. "Das Thema ist tabu." Es gefiel ihm nicht, wie kalt ihre Stimme klang. Das war also der Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte. "Es ist tabu, wenn er dir noch etwas bedeutet." Yoko starrte ihn an, verblüfft. Dann gab sie nach. "Sie haben denselben Vater, sind sich im Charakter aber gar nicht ähnlich. Er ist kalt und gleichgültig. Ich bedeute ihm nichts, niemandem bedeute ich etwas. Weil ich der unbedeutende Drilling bin. " "Du bist nicht unbedeutend." Sie riss die Augen auf. "Ich spreche sehr gut Französisch, Señorita. Warum glaubst du, bist du weniger wert als deine Schwestern?" "Begegne ihnen, dann weißt du es. Du kennst Yukis Talent nicht… und Yami… Gott, Yami muss nur den Mund aufmachen! Sie hat eine Stimme, der Tod würde vor ihr niederknien. Ein Wort von ihr und ich verliere d-" Sie verstummte schlagartig. Er trat an sie heran und sie ließ sich in seine Arme ziehen, warm, geborgen. Sie hatte Vampire immer mit Härte und Kälte assoziiert. Sein Herz raste, sie spürte es unter ihren Fingern. "Du verlierst mich?", hauchte er überwältigt. Sie antwortete nicht, doch sie schlang die Arme um ihn. Romeo war wie gelähmt. Gefangen im Moment. Und zum ersten Mal in seinem Dasein wünschte er sich die Unendlichkeit. "Ich will dich kennenlernen", hauchte sie in seinen Armen. "Und ich will, dass du mich kennst." "Was ist das?", murmelte er. "Das was ich fühle… es ist so warm. Du bringst mein Herz zum zerspringen, nur durch eine Umarmung." "Ich wusste nicht, dass Vampire einen Puls haben." Jetzt lachte er laut auf. "Ich habe sogar ein Spiegelbild! Hölle, ich muss dich aufklären! Hast du Zeit?" Sie sah zu ihm hoch. Er war etwas größer als Zu- als Yuichi, aber ein wenig keiner als Aryan. "Die ganze Nacht. Oder schläfst du nicht?" Wieder lachte er. "Ich schlafe, weniger als Menschen, aber ich brauche Schlaf." "Dringend, wenn ich mit dir fertig bin." Denn er unterschätzte Yokos Fragen-Bombardement. Der Morgen graute, als Romeo erwachte. Wann war er eingeschlafen? Wie kam es, dass er so gut geschlafen hatte? Und wo befand er sich? Irritiert sah er sich um. Yoko? Träumte er? Engelsgleich lag sie neben ihm. Sie waren tatsächlich nebeneinander eingeschlafen. Wieder erfasste ihn diese zärtliche Sehnsucht. Er hatte nicht erreicht, was er erreichen wollte und doch wusste er, er hatte gewonnen. Liebevoll hauchte er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und verschwand im Silberschein des Morgennebels. Und Yoko lächelte still. Yuichi erwachte früher als sonst. Die Nacht hatte er geschlafen wie ein Stein. Yuki hatte ihn bis zum geht nicht mehr erschöpft. Dieser wunderbare Sinn seines Lebens, der friedlich neben ihm lag. Er verschwand nur kurz im Bad, um danach wieder in das Paradies zu versinken, dass ihm Yuki eröffnet hatte. Doch sein Blick fiel plötzlich auf ihre Handtasche. Ihr Handy ragte raus. Wenn sein Verstand gegen seine Neugier kämpfte, siegte immer haushoch seine Neugier. Doch ihr Handy war ausgeschaltet und durch ein Passwort geschützt. Was für eine Zahlenkombination würde sie nehmen? Ihr eigenes Geburtsdatum garantiert nicht. Sie liebte Zahlen, liebte die Logik dahinter. Was war das wichtigste in Yukis Leben? Einen Versuch war es wert. Er gab die Zahlen 0603 ein. Sein Geburtsdatum. Der 6.März. Leider falsch. Aber Yuki liebte die Vollkommenheit, die Vollständigkeit. Er gab sein komplettes Geburtsdatum ein: 06031990. Um mit einem vertrauten Geräusch leuchtete das Gerät auf. Wärme erfüllte ihn. Sein geliebtes Häschen! Nur kurz nachsehen, dann würde er sie sofort wieder in seine Arme schließen. Sie hatte viele Nachrichten, von ihm unbekannten Kerlen. Einige nach ihrem Zusammenkommen und viele davor. Zweifellos alles Anmachen und Avancen. Und steinhart wehrte sie alle ab. Ausnahmslos. Als ihm die Nachricht ins Auge sprang, die er suchte. Eine unterdrückte Nummer… Es waren tatsächlich drei kleine Worte und ihr Name. Er ließ die deutschen Worte von seinem Handy übersetzen und eiskalt überkam es ihn. Seine Eingeweide schrumpften zusammen. Jetzt verstand er ihre Reaktion auf diese Nachricht. Es war blanke Angst gewesen. Eine Nachricht von Lukas: Du bist tot, Häsle. Der Kerl, der versucht hatte, sie zu töten, schickte ihr eine Morddrohung. Der Kerl, den Aryan anscheinend hinter Gitter gebracht hatte, lauerte dort draußen… lauerte darauf es zu beenden. Er wollte sie töten. Yuki war in Lebensgefahr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)