Requiem von Glasschmetterling (Wichtelstory 2008 für Wombat) ================================================================================ Kapitel 6: Entdeckung --------------------- Requiem – Kapitel 6: Entdeckung Die Stille in der Suite war dicht, fast greifbar, während Hermine Weasley nachdenklich in ihre Kaffeetasse starrte und noch immer versuchte, ihre Enttäuschung zu verarbeiten. Nach all der Arbeit, all der Anstrengung, die sie in die Ermittlungen in diesem Fall gesteckt hatte, hatte Kingsley sie zurückgepfiffen... einfach so, weil er die politischen Auswirkungen ihrer Handlungen fürchtete. Als ob sie nicht selbst gut genug wusste, auf welch glattem und dünnem Eis sie sich mit ihrer Arbeit im Ministerium bewegte... und auch Malfoy schien sich dieser Tatsache bewusst zu sein, denn immerhin war er es gewesen, der den Gedanken mit ihrer Tarnung aufgeworfen hatte. Auch wenn ihnen diese Geschichte nun vielleicht auf den Kopf fallen würde. Nachdenklich betrachtete sie den Mann, der ihr gegenüber saß und in so wenigen Tagen von einem Feind zu einem zumindest widerstrebenden Verbündeten geworden war... schneller, als sie jemals erwartet hätte. Und nun war er geblieben... in stummem Einverständnis warteten sie gemeinsam auf Nachricht aus Großbritannien, denn Hermine hatte die Eule, die Kingsleys Brief gebracht hatte, mit einem Hinweis auf Asoria Carrow zurückgeschickt. „Denkst du, sie werden sie finden?“ Malfoys Stimme klang rau von der langen Stille, und Hermine blickte überrascht auf, zögerte kurz. „Ich weiß es nicht. Es kommt ganz darauf an, wer der Presse gesteckt hat, dass wir bei Carrow waren, und wie schnell sich diese Information verbreitet... und ich kann von hier aus nichts darüber herausfinden, ich müsste...“ Sie verstummte und schnaubte leise, nahm einen Schluck von ihrem kalt gewordenen Kaffee. „Tut mir leid... aber es macht mich einfach wahnsinnig, hier zu sitzen und nichts tun zu können.“ Malfoy winkte mit einem leichten Lächeln ab. „Damit sind Sie nicht allein...“ „Eine weitere Eigenschaft, die Slytherin und Gryffindor gemeinsam haben, würde ich sagen.“ Sogar sie selbst hörte, dass ihre Stimme fast ein wenig überrascht klang, doch er schüttelte nur den Kopf und grinste. „In Slytherin ist man nicht nur tückisch... sondern auch loyal, was die wahren Freunde angeht. Und die Familie.“ Der kleine Anflug von Amüsement war sofort wieder aus seinem Verhalten verschwunden, wahrscheinlich hatte ihn die Bemerkung an seinen Sohn erinnert, der gerade in Hogwarts war – und damit in Sicherheit. Sicherheit... ein kleiner Gedanke schob sich nach vorne, etwas, das in einem Brief von Rose gestanden war, doch sie bekam es einfach nicht zu fassen und... Ein lautes Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken und sie schreckte auf, vielleicht war es ein Auror des Ministeriums, der ihnen Nachricht brachte? Auch Malfoy schien ratlos, das drückte sein Blick deutlich aus, doch noch ehe sie sich überhaupt erhoben hatte, um zur Tür zu gehen, platzte Ron in ihr Zimmer und stürzte auf sie zu. „Hermine!“ „Ron.“ Sie spürte, wie sich trotz der ernsten Situation, trotz all ihrer Sorgen ein Lächeln auf ihre Lippen schlich, das allerdings sofort wieder von seinem ernsten, verwirrten Gesichtsausdruck verschluckt wurde. „Was ist passiert? Was machst du hier?“ „Ich...“ Unschlüssig sah er sich um, eine Geste, die sie schon so oft bei ihm gesehen hatte – und die seinen Blick auf Malfoy fallen ließ, der noch immer an dem kleinen Tisch saß und sich seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen brennend für seine Kaffeetasse interessierte. „Es stimmt also.“ In Rons Stimme lag eine Kälte, die sie frösteln ließ, und ratlos sah sie zu ihrem Mann, dessen Augen sich nicht entscheiden konnten, ob sie nun sie oder Malfoy finster anstarren sollten. „Ich hab es ja schon lange geahnt, aber dass es ausgerechnet er sein soll... ich hätte dir mehr Geschmack zugetraut, Hermine.“ „Ron?“ Sie hob fragend die Augenbrauen, doch er schüttelte nur den Kopf. „Und es von einem Journalisten des Tagespropheten zu erfahren, der mich fragt, ob ich von der Affäre meiner Frau mit dem britischen Botschafter in Frankreich wüsste... wie konntest du das tun? Wie konntest du nur... ich hab mich schon gefragt, wieso du so oft zu Tagungen und Kongressen fährst... aber das... das ist...“ Ihm schien es die Sprache verschlagen zu haben, doch auch sie selbst fühlte sich wie erstarrt, und sie musste sich zwingen, die kurze Pause in seinem Monolog zu nutzen. „Ron.“ „Was?“ Wo er zuvor Malfoy angestarrt hatte, wandte er sich nun ihr zu, und das mit einer plötzlichen Wut, die sie fast erschreckte. „Willst du mir jetzt sagen, dass es nicht so ist, wie ich denke? Dass es anders ist, als es aussieht?“ „Ja.“ Sie spürte, wie ihr eigener Tonfall schärfer wurde, wie seine gänzlich unverdienten Anschuldigungen den letzten Rest von Temperament in ihr wachriefen, den ihre Arbeit im Ministerium noch übrig gelassen hatte. „Ja, eigentlich wollte ich das. Und entschuldigen wollte ich mich auch, weil ich so wenig Zeit für dich und die Kinder habe. Aber da du so offensichtlich nicht daran interessiert bist, die Wahrheit zu erfahren, sondern am liebsten irgendeinem Schmierfink wie Rita Kimmkorn glaubst, ohne mich auch nur zu fragen, ob das auch stimmt, kann ich das wohl gleich sein lassen. Ist ja nur etwas, das deine Frau sagt – nicht zu vergleichen mit der Autorität des geschriebenen Worts im Tagespropheten. Oder im Klitterer!“ Sie hatte kaum wahrgenommen, wie ihre Stimme mit jedem ihrer Sätze lauter und lauter geworden war, bis sie schließlich richtiggehend gebrüllt hatte – und Ron sie nur noch wütender anstarrte als zuvor. „Du willst mir also erklären, dass Malfoy zum gemütlichen Kaffeeklatsch hier bei dir in deinem Zimmer ist?“ „Ja, natürlich. Und nachdem wir ausgetrunken haben, fallen wir übereinander her – das ist es doch, was du sagen möchtest.“ Kalter Sarkasmus mischte sich mit ihrer Wut, und sie spürte, wie sie kaum stillhalten konnte vor Zorn, wie sie sich zwingen musste, nicht irgend etwas zu tun, das sie später bereuen würde. „Die Wahrheit ist, wir warten auf eine Nachricht aus dem Ministerium – und das kannst du jetzt glauben oder nicht, oder du fragst Kingsley.“ Ron starrte sie an, für einen Augenblick, zwei, drei, die sich in die Länge zogen, und sie vermeinte bereits, so etwas wie Zweifel hinter der Maske seines Zorns zu sehen, als er sich abrupt abwandte und das Zimmer so schnell verließ, wie er gekommen war. Gemeinsam mit Ron verschwand auch Hermines Wut, ebenso abrupt, wie sie gekommen war, und erschöpft ließ sie sich auf ihren Stuhl zurücksinken – sie hatte nicht gemerkt, dass sie aufgestanden war. Malfoy hatte mittlerweile aufgegeben, so zu tun, als wäre er vollkommen unbeteiligt, und blickte sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht deuten konnte, mit einem Funkeln in den grauen Augen, das sie verwirrte. Doch die ersten Tränen sammelten sich bereits, suchten nach einem Weg nach draußen, und hastig vergrub sie ihr Gesicht in den Händen... das fehlte noch, dass er sie weinen sah. Angestrengt bemühte sie sich, ihr Schluchzen zu unterdrücken, doch das Geräusch drang zwischen ihren Fingern hervor, schien in ihrer eigenen, stumpfen Wahrnehmung klar und deutlich in dem stillen Raum widerzuhallen, und sie schüttelte langsam den Kopf. So lange hatte sie nicht geweint... und jetzt passierte es wieder, ausgerechnet vor dem Mann, der schuld an der ganzen verdammten Situation war. Sie wusste nicht, wie lange sie dort gesessen hatte, doch schließlich begannen ihre Tränen langsam zu versiegen und Ruhe breitete sich in dem Zimmer aus... eine Ruhe, die allerdings sofort von leisen Worten unterbrochen wurde. „Es tut mir leid.“ Schnell blickte Hermine auf, zu überrascht, um daran zu denken, wie ihr Gesicht aussehen könnte, und erhaschte Malfoy dabei, wie er schuldbewusst in seine leere Kaffeetasse starrte. „Ich...“, er sah sie an, musterte sie für einen Moment und schüttelte dann den Kopf, „Meine eigene Ehe ist so zerrüttet, dass ich nicht daran gedacht habe, was unsere... nein, was meine Idee mit der Ihren anstellen könnte.“ Hermine seufzte leise auf und wischte sich die letzten Tränen aus den Wimpern, eigentlich wollte sie gar nicht wissen, wie sie im Moment aussah und war dankbar, dass Malfoy kein Wort darüber verloren hatte. „Ich... ist schon gut.“ Sie klang noch immer schwach und erstickt. „Soll ich Ihnen einen Tee...?“ Sie setzte schon an, den Kopf zu schütteln, nur um plötzlich innezuhalten, als ihr bewusst wurde, was dieser merkwürdige Ausdruck in seinen Augen zeigte – er fühlte sich hilflos, war wohl nicht oft in die Verlegenheit gekommen, eine weinende Frau trösten zu sollen, und mit der Ohnmacht vermischte sich die Wut über eben diese. Hermine lächelte ein wenig. „Das wäre nett, ja.“ Sein Zauberstab wirbelte durch die Luft, einen Augenblick später stand eine dampfende Tasse vor ihr, frisch aus der Küche im Keller des Hotels, und sie lächelte fast ein wenig abwesend – der Zimmerservice war in der magischen Welt eindeutig besser als jener, den sie aus ihrer Kindheit kannte. „Danke.“ „Soll ich... soll ich gehen?“ Malfoy bedachte sie mit einem Blick, so als ob sie jeden Moment explodieren konnte, und sie spürte, wie seine Reaktion sie gegen ihren Willen ein wenig amüsierte – er wirkte vollkommen ahnungslos, etwas, das sie bei ihm eindeutig genoss. Trotzdem schüttelte sie nachdenklich den Kopf. „Wir haben noch immer nichts von Kingsley gehört, und deswegen sind Sie doch eigentlich hier, oder?“ Er nickte abwesend, und sie nahm einen ersten Schluck aus ihrer Teetasse, die Wärme durchströmte sie und sie schlang die Finger darum, um die Kälte aus ihrer Seele zu vertreiben. Sie wusste nicht, was in Ron gefahren war, doch wenn sie sich an seine Worte zurückerinnerte, dann wurde sie das dumpfe Gefühl nicht los, dass es hier um mehr ging als die Tatsache, dass er sie gemeinsam mit Malfoy an einem Tisch angetroffen hatte. Paris schien nur der letzte Tropfen gewesen zu sein, der das Fass zum Überlaufen brachte, doch das eigentliche Problem lag wohl viel tiefer... Hermine schüttelte langsam den Kopf. Auch wenn sie sie manchmal fast in den Wahnsinn trieb, liebte sie doch ihre Arbeit im Ministerium, mochte das Gefühl, etwas Gutes tun zu können, die Zauberwelt zum Besseren zu verändern – und sie hatte gedacht, dass sie sich jetzt, wo Rose bereits in Hogwarts war und Hugo ihr in einem halben Jahr folgen würde, wieder mehr ihren Aufgaben widmen konnte... doch anscheinend hatte Ron ein Problem mit diesem Gedanken. Eigentlich hatte sie gedacht, dieses Thema schon längst geklärt zu haben, denn dass sie nicht wie Rons Mutter zu Hause bleiben würde, während ihr Mann arbeitete, hatte für sie immer festgestanden... wieso hatte sie denn ihren Abschluss in Hogwarts mit Bestnoten bestanden, wenn nicht, um etwas zu bewegen? Aber er... er schien doch andere Ansichten zu haben, als sie gedacht hätte, und leise seufzte sie und griff nach ihrer Tasse. Wenn er sich wieder beruhigt hatte, musste sie mit ihm reden, doch sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das noch einige Zeit dauern würde, und bis dahin war es besser, ihre Nerven im Zaum zu halten und sich auf den Fall zu konzentrieren, an dem sie gerade arbeitete. Nachdenklich nahm sie einen Schluck, vielleicht hätte sie doch nach Kakao fragen sollen, immerhin hatte Dumbledore ihn sozusagen als Allheilmittel angesehen, damals, als sie noch in Hogwarts... Sie erstarrte mitten in der Bewegung, während ihre Gedanken jenen Pfad einschlugen, der ihnen zuvor durch Rons Auftauchen verwehrt geblieben war. „Verdammt.“ Malfoy blickte auf, offensichtlich überrascht und vielleicht auch erschrocken von der plötzlichen Angst, die sie erfüllte und die sich auch auf ihrem Gesicht abzeichnen musste, doch sie winkte hastig ab und rannte in ihr Schlafzimmer. Zwischen den Büchern auf ihrem Nachtkästchen lagen auch einige Briefe, die sie von ihrer Familie erhalten hatte, und fahrig griff sie nach dem zusammengefalteten Blatt, das mit Roses ordentlicher, rundlicher Mädchenhandschrift beschrieben war. „Was ist?“ Ihr Gast beobachtete sie in augenscheinlicher Verwirrung, doch sie ließ sich nur zurück auf ihren Stuhl sinken, während sie den Brief mit zitternden Fingern auffaltete. „Mir ist gerade ein sehr, sehr unangenehmer Gedanke gekommen...“ „Welcher?“ Anstatt zu antworten, überflog sie die Zeilen, bis sie zu jener Information gelangte, die sie vor allem interessierte, und zuckte zusammen. „Wer auch immer diese Morde begangen hat, ob es nun Carrow ist oder nicht, sie haben sich bis jetzt an Kinder gehalten, die noch nicht in Hogwarts waren... aber was ist, wenn sie nur auf eine Gelegenheit warten, Schüler anzugreifen?“ Malfoy zog die Augenbrauen hoch. „Der Gedanke ist mir auch schon gekommen, aber warum sind Sie deswegen in heller Aufregung?“ „Heute ist Samstag.“ Sie warf einen letzten Blick auf den Brief, das Papier hatte unter ihrem festen Griff bereits gelitten, und erschöpft blickte sie auf. „Hogsmeade-Samstag.“ „Bei Merlin... und Scorpius ist...“ „... im Dorf, wie alle anderen. Wo ihn niemand beschützt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)