Romeo und Julius von Remy ================================================================================ Annäherungsversuche ------------------- Romeo und Julius Kapitel 19 – Annäherungsversuchchen Man erlebte es wohl nicht jeden Tag, dass man meinte, dass sich jemand gleich umbringen würde. Juan ging es zumindest nicht so und eigentlich hatte er so etwas auch noch nie erlebt. Und auf ein zweites Mal legte er es auch nicht unbedingt an. Erst einmal müsste er den Schock vom ersten Mal überstehen. Juan war noch etwas länger als Reno auf dem Dach geblieben. In seinem Zustand wollte er aber auch eigentlich nicht in den Unterricht. Es musste aber wohl sein. Jetzt trabte er die Treppe nach unten, im ersten Moment wusste er aber auch nicht einmal, wo er hin musste. „Hey, Juan...? Wo warst du die letzte Stunde über?“ Er wandte sich um und atmete erleichtert auf, als er Sina erkannte. Natürlich, sie hätten die letzte Stunde zusammen gehabt. „Och... Hatte keine Lust...“, meinte er und strich sich durchs Haar. Mit Mühe und Not konnte er so locker klingen, wie es ging. „So wie Reno, wie ich es mitbekommen hab'... Weißt du wo er jetzt ist?“, wollte sie wissen. Juan zuckte unwissend die Schulter und wollte sich schon verabschieden. Doch da hielt sie ihn noch kurz auf. „Seid ihr nicht zusammen gewesen?“, fragte sie und zog die Augenbrauen leicht zusammen. „Bis gerade eben nicht mehr“, antwortete er nur schnell und wandte sich um zum Gehen. Er sah Reno den ganzen Schultag nicht mehr, erst wieder als er sich auf den Heimweg machen wollte. „Willst du vielleicht mitfahren?“ Juan war Renos Auto überhaupt nicht aufgefallen, als er daran vorbeigegangen war. Dabei war sein Gol ja nicht unbedingt etwas, was man so häufig sah. „Damit du gegen 'nen Baum fahren kannst oder was?“, fragte Juan etwas schroff, doch trotzdem lachte Reno nur einen Augenblick später auf. „Ach komm schon, dass auf dem Dach war doch nur ein Witz. Kannst dich deswegen schon wieder abregen.“ Für Juan war es kein Witz gewesen, für ihn war es purer Ernst. Über so etwas lachte man aber auch nicht. Was wäre denn gewesen, wenn Reno – nur für einen kurzen Moment – das Gleichgewicht verloren hätte? In diesem kurzen Augenblick hätte sein Leben aus sein können und das von Juan gleich mit. Er wäre sicherlich nicht so abgebrüht, dass er dabei zusehen könnte, wie jemand in den Tod stürzte und danach noch wirklich normal im Kopf wäre. „Jetzt komm schon!“ Reno stieg in den Wagen, lehnte sich zum Beifahrersitz hinüber und öffnete die Tür. Nur noch kurz sah sich Juan um, dann stieg er ein. Die ganze Sache war ihm nicht geheuer, überhaupt nicht. Die ersten Minuten der Fahrt herrschte Stille. Erdrückende Stille. Juan versuchte es zu ignorieren und wandte seine Aufmerksamkeit dem zu, was am Beifahrerfenster vorbeizog. Nicht unbedingt sehr viel Interessantes dabei, einige Büsche und Sträucher. Immer wieder das Gleiche. Doch auf einmal änderte sich das Bild. „Reno, wo willst du hin?“, entfuhr es Juan und er wandte sich abrupt zu seinem Fahrer um, der warf ihn nur kurz einen Blick zu und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder der Straße zu. Ein Lächeln huschte ihm dabei über die Lippen. „Grins nicht so blöd, sondern halt an!“ Scheinbar überhörte Reno den fast schon geknurrten Befehl von Juan. „Hey!“, fauchte Juan erneut, doch erhielt er keine Reaktion. Die ganze Zeit über hatte er aus dem Fenster geschaut und doch hatte er sich den Weg kein bisschen gemerkt. „Reno, was soll das?“ Langsam bekam er es mit der Angst zu tun. Seit der Stunde, die sie miteinander geschwänzt hatten, traute er Reno ziemlich viel zu. „Sag mir endlich, wo du hin willst!“ Und endlich wandte sich Reno einen Moment länger zu ihm, aber auch nur, weil das Auto auch schon einen Augenblick später stehen blieb. „Hier warst du doch schon mal...“, meinte er, während er die Handbremse anzog. Juans Blick wanderte wieder nach vorne, als Reno schon ausstieg. Natürlich waren sie hier schon einmal. Juan folgte Reno. „Fährst wohl öfters her...“, meinte er, als er neben Reno zum Stehen kam. Dieser nickte langsam. „Nur eigentlich bin ich sonst immer allein...“ Ein leises Seufzen verließ die Kehle des Blonden, der schon durch den etwas feuchten Sand stapfte. Ein kalter Wind zog vom Meer her auf und kündigte schon fast den Regen an, den er bringen wird. „Hey, Reno, wieso hast du mich denn dann mitgenommen?“ Für einen Moment blieb der Blonde stehen und überlegte. So recht wusste er wohl keine Antwort. Doch dann wandte er sich trotzdem zu dem anderen um. „Och, nur so...“ Für manche Sachen brauchte Reno keinen Grund, gelegentlich tat er Sachen einfach so aus dem Bauch heraus. Etwas, was in einigen Momenten sogar gut war, doch einfach nicht immer. Gerade meinte er, dass es nicht unbedingt schlecht gewesen wäre, dass er Juan – frei aus dem Bauch heraus – einfach mitgenommen hatte. „Lange sollte wir aber nicht hier bleiben...“ Juan fröstelte es. Die warmen Tage waren aber auch schon längst um. Auch wenn Pismo Beach am Meer lag, wurde es auch hier langsam Herbst. Zwar waren die Temperaturen sicherlich noch höher, als anderenorts, doch hier war es einfach niemand so recht gewohnt. Selbst Juan nicht, der eigentlich schon an so verschiedenen Orten gelebt hatte. „Du frierst doch nicht etwa...?“ Reno war sichtlich darüber belustigt, wie sich der andere immer wieder über die Arme rieb. „Ja...“, gab dieser schließlich zu. Gerade war es ihm egal, ob es peinlich wäre oder nicht. Er fror eben, na und? „Dann fahren wir lieber wieder, bevor du dir noch etwas Wichtiges abfrierst...“ Juan war es klar, an was der Blonde dachte. Viel zu klar. „Kommst du jetzt oder willst du doch hier bleiben?“ Reno war schon eingestiegen, während Juan noch einen Moment im kalten Wind stand. Schließlich tapste er langsam zurück zum Wagen. Zu seinem Glück hatte Reno längst die Heizung aufgedreht, als er auf den Beifahrersitz sank und die Tür zuzog. Der Rückweg war von genauso viel Schweigen gekennzeichnet, wie die Herfahrt. Doch jetzt war es weniger ihre Wortkargheit, die sie dazu brachte. Eher weil es sich Juan auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte und etwas dahin döste. Es dauerte etwas, bis Reno das mitbekam. Er merkte es ja eigentlich erst, als sie schon bei ihm zu Hause vor der Garage standen. Etwas verwirrt blickte er zu Juan, als dieser nicht ausstieg. Einen Moment überlegte Reno, ob er ihn wecken sollte. Er wollte überhaupt nicht, Juan sah einfach zu süß auf. Doch nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte, tat er es doch. „Du kannst echt nicht in meinem Auto pennen...“, meinte er, als ihre Wege sich eigentlich trennen müssten, nur kam Juan nicht weit. „Sieht nicht so aus, als ob meine Ma zu Hause ist“ Reno blickte den anderen mit gehobener Augenbraue an, bevor er ihn mit einer Kopfbewegung andeutete, er solle mitkommen. Was er sich auch nicht zweimal sagen ließ. „Wieso gibt sie dir eigentlich keinen Schlüssel?“ Sie saßen im Wohnzimmer, was sich Reno nur traute, weil seine Eltern ganz sicher nicht zu Hause waren. Wenn es anders wäre, wagte er es gar nicht mit einem Typen, auf dem er unter Umständen stehen könnte, nie nach unten. So jemand sollten sie besser nicht zu Gesicht bekommen. „Weil sie mich immer noch für einen kleinen Jungen hält, der den verlieren könnte...“ Juan seufzte. Sie wusste, dass es schon lange nicht mehr so war, doch sicher wäre sie glücklich darüber, wenn es möglich wäre, dass es noch so sein könnte. Viel lieber hätte sie ihren kleinen, süßen Juan noch, der er in der Grundschule war. Damals, als ihre Beziehungen etwas länger, als nur einige Monate dauerten. „Deine Ma ist echt komisch.“ Juan versuchte das leise Kichern, dass Reno von sich gab, einfach zu überhören. Immerhin war es doch seine Mutter, zwar hatte sie manchmal wirklich einen an der Klatsche, aber er liebte sie trotzdem. Ohne sie würde er womöglich im Heim sein, sie hatte ihn ja auch gewollt, im Gegensatz zu seinem Vater, den er nicht kannte. Juan beneidete Reno, der wusste zumindest, wer sein Vater war und musste nicht immer mit dieser Ungewissheit leben. Seine Mutter erzählte ihm ja auch nie etwas über ihn. Angeblich wäre er tot und sie würde deswegen so ungern über ihn reden. Als er noch klein war, hatte er ihr das immer geglaubt, doch je älter er wurde, je weniger wollte er es wahr haben, dass sein Vater tot war. Auf einmal lehnte sich Reno an den Größeren und machte es sich sichtlich bequem. „Was soll das werden?“, wollte Juan wissen, doch bevor er eine Antwort bekam, bemerkte er, wie der andere zitterte. Sofort legte er einen Arm um den Blonden, der sich auch gleich etwas näher an ihn kuschelte. „Genau das wollte ich.“ „Oh Mann, du bist ja ein richtiges Mädchen...“ Juan schob ihn weg und stand auf, wobei er die Arme hinter dem Kopf verschränkte. „Also das wäre mir aufgefallen.“ Reno entfuhr wieder ein Kichern. „Überspiel' mal nicht, was du vor hattest...“ Abrupt verstummte Reno auch wieder und blickte den anderem mit großen Augen an. Juan beugte sich über ihn. „Verkauf mich ja nicht für blöd! Ich weiß schon, was du wolltest... Aber ich ficke nicht mit Leuten einfach nur so rum, die ich kenne...“ Reno wandte den Blick ab. „Ich dachte ja nur...“, murmelte er. Für ihn war es wohl einfach nur einen Versuch wert, dabei war ihm Erfolg oder Misserfolg völlig gleichgültig. Juan strahlte für ihn Erfahrung aus, so wäre er sicher auch jemand, dem er vertrauen könnte. Er würde ihn nicht einfach ausnutzen und irgendwann wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. „Du solltest dir jemanden suchen, der dich wirklich mag...“ Schwach lächelte Juan. Nur einen Moment müsste er sich wohl fühlen, mehr brachte er gar nicht, um bei jemand bleiben zu können. „Magst du mich denn nicht?“ Eine Frage, als ob sie ein kleines Kind gestellt hätte und genau so sah Reno gerade drein. „Doch... aber... du bist nett...“ - Juan blickte zur Seite und überlegte einen Augenblick, was er eigentlich sagen wollte. - „Ich bin kein Freund von festen Beziehungen und so was willst du doch...“ Er sank wieder neben den Blonden und seufzte leise. „Weißt du... ich bin es gar nicht gewohnt, dass ich mit jemand etwas Festes eingehen könnte. Schafft man ja eh nicht...“ Juan wurde es von seiner Mutter gar nicht anderes gezeigt. Immer wieder liefen ihr die Kerle davon, keiner wollte sie – und vor allem sie beide – wirklich haben. Solange sie aber nicht erzählte, dass sie einen Sohn hatte, lief auch alles gut, doch sobald er dazu kam, ging alles bergab. Er war der Grund dafür, dass so viele ihrer Beziehungen in die Brüche gingen, zumindest bildete er sich das mit der Zeit ein. Juan lehnte sich an Reno. „Meine Ma wollte immer umziehen, wenn es mal wieder aus war... Zumindest jetzt die letzten Male. Ich will so ein Leben nicht, also werd' ich damit gleich gar nicht anfangen...“ Er hatte es sich vor einigen Monaten wirklich fest vorgenommen. „Du musst doch nicht unbedingt werden, wie deine Mutter. Oder etwa doch?“, meinte Reno und dieses Mal schob er den anderen etwas von sich weg, nur stand er dann nicht auf. Kurz huschte ein Lächeln über Juans Lippen. „Ich weiß gar nicht, wieso du da heute da runterspringen wolltest... Eigentlich sollte ich...“ Da hatte ihm Reno aber auch schon gegen die Schulter geschlagen. „Ich wollte nicht springen und du ganz bestimmt auch nicht!“ Er zog die Augen zu schlitzen zusammen und wirkte wohl das erste Mal in seinem Leben autoritär. Auf einmal zuckte er jedoch zusammen, als er hörte wie die Haustür aufgeschlossen wurde. „Wir sollten nach oben!“ Reno packte Juan am Arm und schlief ihn hinter sich her nach oben in sein Zimmer. Natürlich waren seine Eltern nach Hause gekommen und unbedingt mussten sie sie nicht zusammen sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)