Romeo und Julius von Remy ================================================================================ Ein ungewollter Romeo --------------------- Kapitel 7 – Ein ungewollter Romeo Ein Seufzen verließ die Kehle des Blonden. Sie wollten es wirklich. Alle. Einstimmig. „Ich werde Romeo nicht spielen!“, meinte er schließlich bestimmend. Doch keiner hörte wirklich auf ihn. „Wenn nicht Romeo, dann Julius!“, riefen da einige der Mädchen, die sich wohl schon insgeheim überlegten, wen sie als sein Gegenstück wählen wollten. Immerhin gab es mindestens eine Kussszene, und auf die wollten sie es anlegen. Der andere Junge musste perfekt sein. Das passende Gegenstück zu Reno. „Nein!“, knurrte der Junge da aber nur und stand langsam auf, um einmal zur Tür zu marschieren und schließlich zurück zum Pult. „Reno! Jetzt mach schon. Du bist hier doch ohnehin einer der Einzigen, der einen Typen küssen würde!“, schnaubte Gwen und warf schon Jonas einen finsteren Blick zu. Scheinbar wusste der Braunhaarige schon auf was sie hinaus wollte. „Reno werde ich sicher nicht küssen!“, knurrte er da schon und verschränkte eingeschnappt die Arme. „Sonst ist hier aber niemand im Raum, der auch nur im Ansatz schwul ist“, kommentierte Corvin mürrisch. Zwar war er klein, aber konnte sich gut und gerne auch durchsetzen. „Ich bin bi! Nur bi! Und ich steh mehr auf Mädchen, als auf Jungs!“, fauchte Jonas da den Kleineren sofort wütend an. „Na ja, aber am liebsten vom ganzen Footballteam ficken lassen“, grummelte Zoe und schüttelte leicht den Kopf. Es war wohl gerade für sie ein Fehler sich einzumischen. „Fresse! Lesbe!“, brüllte der Braunhaarige sie an. Da hatte er aber auch schon eine Ohrfeige von Uma empfangen. „Lass meine Freundin in Ruhe“, zischte sie wütend. Die ganze Zeit über meldete sich schon Juan. Einfach irgendetwas in die Runde rufen, wollte er nicht. An seiner alten Schule in der Theater-AG hatte er das auch nie gemacht. Da war es aber auch etwas ruhiger zugegangen. „Juan, wenn du was willst, dann sag es!“ Genervt verdrehte Maria die Augen. Der Schwarzhaarige zog leicht die Schultern ein. „O.K.“ - Für einen Moment war es sogar einmal still. - „Ich würde gerne... na ja, ... ich würde gerne den Julius spielen.“ Leicht verwirrt wurde er angesehen. Keiner glaubte wohl so recht, dass er das wirklich gesagt hatte. „Dann will ich auch!“, rief da aber auf einmal Jonas. Die zweite Überraschung des Tages. „Auf einmal.“ Leicht hob Petra eine Augenbraue und zupfte dabei an ihrem Rock herum. Hosen hasste sie gewöhnlich, dabei regten sie Röcke auch manchmal auf, wenn sie nicht richtig fielen. „Ja, einen Neuen lasse ich nicht an eine Hauptrolle!“, zischte er das braunhaarige Mädchen an. Da setzte wohl sein Ego wieder ein. Leicht genervt massierte sich Reno die Schläfe und ließ seinen Blick über das Blatt Papier, das vor ihm lag, schweifen. Fast jede Rolle war schon mindestens doppelt besetzt, wenn nicht gar dreifach. Das würde ein wunderbares Vorsprechen geben. Sie würden sich die Köpfe einschlagen. Im letzten Jahr hatte er es doch schon erlebt, wie aggressiv sie alle aufeinander werden konnten, wenn der eine nicht die Rolle bekam, die er wollte. Zum Glück legte sich das dann aber auch mit der Zeit. Jedem wurde eine kleine Aufgabe zugesprochen. Immerhin mussten Kostüme selbst genäht werden, genauso wie sie die Bühnenbilder machen mussten. Für die Beleuchtung konnte sich auch immer jemand kümmern. Dann machte es auch bald niemandem mehr etwas aus, dass er irgendeine Rolle nicht bekommen hatte. Zaghaft schrieb er neben Julius schließlich die Namen der beiden Jungen, die sich jetzt endlich dafür gemeldet hatten. Ein leises Seufzen verließ schließlich seine Kehle. „Jetzt bleibt uns immer noch der Romeo“, murmelte er und meinte es mehr zu sich selbst, als zu den anderen. Doch die fasten das ganz anders auf. „Du!“, riefen sie ihm Chor. Aber er schüttelte auch schon den Kopf. „Das werde ich nicht machen!“ Eigentlich war es gar nicht möglich, dass sich sonst niemand fand. Immerhin war es eine Hauptrolle und dann sollte es doch eigentlich egal sein, ob der jetzt schwul werden sollte oder nicht. Nur die Rolle war doch wichtig. Und in die musste sich derjenige dann eben hineinversetzen. „Reno, gib es doch auf. Keiner wird sich gegen die Mehrheit stellen wollen!“ Mit gehobenem Zeigefinger meinte das Sina, die sich als Erste für Paris gemeldet hatte. Auch wenn der jetzt kein Graf sondern nur noch eine Gräfin war. Zumindest der Name konnte gleich bleiben. „Paris Hilton hat Recht!“, rief Gwen auch gleich, wurde aber auch gleich von Sina giftig angefunkelt. Mit solchen Witzen könnte sich die Braunhaarige jetzt wohl die nächste Zeit herumschlagen. Aber die ursprüngliche Aussprache des Namens klang einfach zu männlich, deswegen musste etwas Weibliches her. Und gerade der Name der Hotelerbin war eben so perfekt dafür gemacht. Reno seufzte. Das konnte doch wirklich nicht wahr sein, dass sie gerade ihn dafür haben wollten. Eigentlich wollte er sich voll und ganz auf die Vorbereitungen konzentrieren und nicht aufs Textauswendiglernen. „Nur wenn sich sonst keiner dafür bereit erklärt“, murmelte er schließlich. Irgendwie musste er sie doch beruhigen. Ablassen von ihm würden sie aber ohnehin nicht. „Wann machen wir das Vorsprechen?“, fragte da auch schon Timo. Es waren immerhin jetzt alle Rollen verteilt, nur musste sich noch darauf geeinigt werden, wer von den mehrfachen Besetzungen genommen würde. „Morgen“, grummelte Reno und suchte sein Notizbuch auf dem Pult. Irgendwo unter einigen Blättern war es verschollen. Kurz blätterte er es durch und schrieb dann ein paar Worte auf die nächste freie Seite. Andächtig sahen die anderen ihm dabei zu, als ob er Gott und sie seine Engel waren, die nur so auf einen Befehl warteten. „Dann hätten wir es wohl für heute“, meinte der Blonde, als er langsam wieder den Kopf hob. Noch im selben Moment verließ ein Seufzen seine Kehle. Ab jetzt hieß es wirklich Arbeit für ihn. Das, was immer nur ein Hobby für ihn war, würde noch Stress bedeuten. Gerade weil er ihr Leiter war. Langsam stand er auf und stapfte zu einer Stofftasche, die in einer Ecke lag. Er hatte sie schon vor ein paar Tagen hier deponiert. So musste er das schwere Ding zumindest nicht gerade heute mit sich herumschleppen. „Ich schätze einmal, Textbücher wären nicht schlecht“, murmelte er und zog einen Stapel Blätter, die fein säuberlich an der linken oberen Ecke zusammengeheftet waren, aus der Tasche. Noch vor einer Woche war er an diesen Dingern gehangen. Immer über ein paar Stunden verteilt hatte er sie nachmittags ausgedruckt, bis er insgesamt 35 zusammen gehabt hatte. Lieber ein paar mehr als zu wenig. Schon als er nur das Wort >Textbücher< ausgesprochen hatte, wurden sie alle hellhörig. Darauf hatten sie gewartet. Zwar passte das Stück immer noch nicht allen, aber sie würden sich schon daran gewöhnen. Spätestens wenn sie es gelesen hätten. Dabei hatte er nicht viel ändern müssen. Nur ein paar Passagen. Die, die einfach nicht gepasst hatten. „Dann gib mal her!“, meinte Timo, der sich herzhaft streckte. Eindruck schänden nannte man das ja normalerweise bei ihm. Manche Mädchen schmolzen nur so dahin, wenn sie sahen, wie sich Muskeln unter seinem Shirt anspannten. Doch hier war keines davon. „Tu nicht so, als ob du mehr als Pudding in den Armen hättest“, grummelte Uma und ging zu Reno, um ihm beim Verteilen zu helfen. Kurz darauf hatten sich auch schon alle voneinander verabschiedet und nur noch Reno, Juan und Sina saßen in dem kleinen Raum. „Du wirst ein wunderbarer Julius“, freute sich das Mädchen und schlang die Arme um den Schwarzhaarigen, der wohl nicht ganz so glücklich über die Berührung war. Mühsam versuchte er sie wieder von sich wegzudrücken. „Braucht ihr noch lange, ich will nämlich eigentlich heim.“ Reno war schon so etwas wie Sinas privater Chauffeur. Auch wenn er es wohl nie zugeben würde. Und sie erst recht nicht. Aber so gut wie jeden Tag nahm er sie mit zur Schule und nachmittags dann wieder mit nach Hause. Eigentlich müsste sie sich ja nach ihm richten und nicht umgekehrt. „Du könntest dich ja zumindest etwas für Juan freuen!“, maulte Sina aber auch schon los. Verlegen sah der Schwarzhaarige weg, als Reno ihn mit leicht gehobener Augenbraue ansah. „Wieso? Bis jetzt kann es immer noch auch Jonas werden.“ Irgendwie hoffte doch der Blonde selbst, dass es nicht er werden würde. Obwohl ihn keiner der beiden Jungen so recht passte. Nur musste er jetzt wohl oder übel. Sie würden die Rolle keinem anderen geben. Und dabei wollte er sie gar nicht. Eigentlich müsste er die AG doch nur leiten. Momentan wollte er auch gar nicht selbst auf der Bühne stehen. „Aber so gut wie!“, zischte Sina und zog mit einem Ruck beide Jungen hoch, die damit wohl gar nicht gerechnet hatten. Weswegen es für sie auch so einfach war. Leicht stolperte der Schwarzhaarige einige Schritte nach vorne, während Reno nur leicht eine Augenbraue hob und ihm dabei zusah, wie er versuchte das Gleichgewicht wieder zu bekommen. War das so schwer? „Du wirkst so richtig zerbrechlich“, meinte da auf einmal Sina und legte den Kopf etwas schief. Verwirrt blickte Juan in ihre grünen Augen, die irgendwie strahlten. „Na ja“, murmelte er und wandte sich leicht zu Reno, der die beiden nur prüfend betrachtete. „Junge Liebe“, schwelgte er scherzhaft dahin und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Da hatte ihn die Braunhaarige aber auch schon gegen das Schienbein getreten. „An was du für einen Scheiß denkst!“, murrte sie und wollte schon ein weiteres Mal mit den Fuß ausholen. Doch Reno hielt sie zurück. „Gewisse Teile da unten brauche ich noch.“ Belehrend hob er den Zeigefinger, doch Sina grinste nur. „Du brauchst da irgendwas? ... Was denn?“ Wie ein kleines Kind, das so extrem seltsame Geräusche aus dem Schlafzimmer seiner Eltern gehört hatte, blickte sie ihn an. Da entfuhr Reno aber nur ein Kichern. Dieser Gesichtsausdruck von ihr war normalerweise Gold wert. „Lach mich nicht aus!“, fuhr die Braunhaarige ihren Freund da aber auch schon an, der konnte sich vor Lachen nur nicht mehr einkriegen. „Sorry“, versuchte er irgendwann atemlos herauszuzwingen, als er sich halbwegs wieder beruhigt hatte. Nur verschränkte da Sina schon die Arme vor der Brust und blickte ihn böse an. „Wenn du so schaust!“, meinte er knautschig. So etwas schob sie doch immer auf ihn, dabei konnte er manchmal für seine Lachkrämpfe – vor allem die, die ihr galten – gar nichts dafür. Knapp fuhr Sina Reno übers Haar, da nahm er sie aber schon in den Schwitzkasten. Schweigend sah Juan den beiden zu, wie sie miteinander rangelten. Er konnte sich noch viel zu gut daran erinnern, wie er früher immer mit seinen Freunden gespielt hatte. Aber eigentlich war das viel zu lange her um diesen Gedanken noch hinterher zu trauern. Nie hatte ihm auch nur einer seiner alten Freunde geschrieben. Selbst als er mal einen Brief an sie geschickt hatte. Es kam nie etwas zurück. Sie wollten wohl gar nichts mehr mit ihm zu tun haben. Leise seufzte Juan, da schweifte aber auch schon Renos Blick zu ihm. Gerade hatte er Sina wieder losgelassen, und die versuchte jetzt etwas mühsam ihre Haar wieder zu richten. Irritiert zog der Blonde eine Augenbraue hoch und legte den Kopf leicht schief. Irgendetwas passte ihm an dem Schwarzhaarigen nicht. Nur fiel ihm einfach nicht auf, was. „Dann gehen wir mal“, meinte da aber auf einmal Juan und legte ein leichtes Lächeln auf. Es wirkte nur etwas gequält. Mit den beiden Freunden in einem Raum musste er sich aber auch einfach mies fühlen. „Jupp... Bist du fertig mit Haaremachen, Sina?“ Grinsend wandte sich Reno an die Braunhaarige, die aber immer noch fast schon jede Strähne einzeln sortierte. So musste es nur eine Heidenarbeit sein. „Du bist schon hübsch“, meinte der Blonde und legte ihr einen Arm um die Schultern. Schließlich gingen sie gemeinsam durch die Gänge bis zum Haupteingang. Reno und Sina alberten vor Juan herum. Immer wieder versuchte das Mädchen ihren Freund von sich wegzustoßen, der auf gut Glück gelegentlich einmal probierte seinen Arm um ihre Schultern zu legen und ihr irgendwelche Dummheiten ins Ohr flüsterte. Juan konnte sich nur im Ansatz vorstellen, was der andere Junge seiner Freundin da erzählte, da sie mit der Zeit immer röter im Gesicht wurde. Stumm stapfte der Schwarzhaarige nur hinter ihnen her, bis Sina sich irgendwann zu ihm retten wollte und sich an seinen Arm klammerte. „Reno, du bist so pervers!“, fauchte sie ihren Freund an, der nur leicht mit den Schultern zuckte. „Wieso? So wird’s eben gemacht!“, kommentierte er nur und blickte sie desinteressiert an. „Das musst du aber nicht so ausführen! Und immerhin hast du es auch noch nicht gemacht! Also red nicht so neunmalklug!“ Zum Schluss hin war sie immer lauter geworden, und beinahe hätte sie den Blonden wohl sogar angeschrien. Aber das konnte sie sich noch gut genug verkneifen. Verwirrt sah Juan zwischen den beiden hin und her – wieder einmal. „Über was redet ihr überhaupt?“, wollte er schließlich wissen, als es nicht so aussah, als ob einer von ihnen ihm freiwillig antworten wollte. „Ich habe ihr die geheimen Sexpraktiken der Schwulen erklärt“, erwiderte dann aber der Blonde schon kichernd und wieder wurde Sina rot. Bis zu den Ohren sogar. Ein leises Auflachen entfuhr aber sogar Juan jetzt. „Du bist wirklich pervers“, meinte er da aber schon auf einmal, bevor er schon wieder loslachte. Vielleicht könnte er doch Freunde brauchen? Es war doch gar nicht einmal so schlecht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)