Romeo und Julius von Remy ================================================================================ Eingeschnappt und angespannt ---------------------------- Kapitel 3 – Eingeschnappt und angespannt Alleine stand Juan nach dem Unterricht am Schultor. Eigentlich wollte ihn seine Mutter abholen und mit nach Hause nehmen. Ihr neues Heim hatte er auch bis jetzt noch gar nicht gesehen. Somit wusste er auch nicht, wo er überhaupt hinmusste. Die vergangene Nacht hatten sie noch bei einem Freund seiner Mam verbracht und sie hatte ihn heute Morgen zur Schule gebracht. Hatte aber dann auch gleich los gemusst. Deswegen war er alleine in der Aula gestanden, wo Reno ihn getroffen hatte. Und jetzt war wieder niemand bei ihm. Ohne ihn zu beachten, waren die anderen Schüler vor einigen Minuten an ihm vorbei gestürmt. Alle hatten sie nach Hause oder noch mit zu Freunden wollen. Eben eine normale Freizeit haben. Nur für ihn würde das wohl so bald nicht passieren. „Mann, nur weil ich diese blöde Hausaufgabe nicht gemacht habe! Das waren nicht mal zwei Zeilen zu schreiben. Blöder Mr Meyers“, hörte der Schwarzhaarige da aber auf einmal jemanden lautstark zetern. Er wandte sich zum Schulgebäude um, aus dem gerade Reno und Sina kamen. „Freu' dich lieber, dass ich auf dich gewartet habe“, meinte das Mädchen nur, um den anderen zu beschwichtigen, als ihr Blick auf Juan viel, der sie interessiert ansah. Doch schon im nächsten Moment wandte er sich ab und fixierte einen undefinierbaren Punkt auf dem Boden, bevor er den Kopf wieder hob und seinen Blick einmal die Straße auf und ab schweifen ließ. Sie würde nicht mehr kommen. Ein Seufzen verließ seine Kehle. Wie konnte sie ihn nur vergessen? Er war doch ihr Sohn! Konnte er ihr so wenig wert sein? „Na, Juan. Wartest du noch auf jemanden“, meinte da aber auf einmal Sina zu ihm und legte ihm ungefragt einen Arm um die Schultern. Den schüttelte er aber auch gleich wieder ab. „Meine Ma wollte mich abholen“, erwiderte er nur trocken und ließ den Kopf wieder sinken. Nervös begann er mit einem Fuß leicht über den Boden zu scharren. Zu den beiden konnte er jetzt kaum sagen, dass er nicht wusste, wo er hinmusste. So sehr wollte er sich nicht blamieren. „Und du weißt wohl selber nicht, wo euer wertes, neues Heim ist?“, fragte da aber schon Reno und stapfte – ohne auf eine Antwort zu warten – an ihm vorbei. Ein paar Meter entfernt blieb er stehen und drehte sich zu Sina um. „Jetzt willst wohl du mal Wurzeln schlagen?“, meinte er scherzhaft. Doch das Mädchen hatte sich aus einem anderen Grund nicht in Bewegung gesetzt. „Wo würdet ihr denn wohnen? Vielleicht können wir dich ja hinbringen“, meinte da Sina schon lächelnd. Etwas scheu sah aber Juan nur weg, bevor er antwortete: „Sunrise Terrace 132.“ Leicht hob die Braunhaarige eine Augenbraue. „Habt ihr nicht 133, Reno?“ Angesprochener kam gerade zu ihr zurück. „Ja. Wusste gar nicht, dass nebenan wer eingezogen ist.“ Als ob er überlegen würde, kratzte sich der Blonde über dem Auge. „Man könnte wahrscheinlich sogar euer Haus in Brand stecken und du würdest es nicht mitbekommen. Selbst wenn du drin wärest.“ Sina verdrehte die Augen, bevor sie sich wieder an Juan wandte. „Dann kannst du wohl wirklich mit uns mitkommen.“ Laut stieß Reno ein Seufzen aus. Wohl sein Kommentar dazu. Aus dem Augenwinkel blickte die Braunhaarige zu ihm und meinte schließlich nach kurzer Überlegung: „Hat deine Mam dein Auto eigentlich hergebracht?“ Da zog der Blonde schon die Augenbrauen zusammen. „Hoffe es.“ Er grummelte noch etwas vor sich hin, während sie zu dritt zu den Parkplätzen gingen. Meistens stellte Renos Mutter seinen nachtblauen Volkswagen Gol irgendwo auf den vorderen Teil, damit Reno ihn auch ja fand. Aber heute würde das wohl ohnehin nicht schwer werden. „Wieso seid ihr eigentlich noch hier gewesen?“, fragte Juan Sina. Der Blonde marschierte ein ganzes Stück vor den anderen beiden. Wahrscheinlich packte ihn etwas die Eifersucht. Sonst interessierte sich ja Sina so sehr für ihn, und jetzt war da dieses andere Subjekt zwischen sie geraden. „Reno durfte noch die Tafelschwämme im Physikraum ausklopfen. Stimmt's?“ Mit dem letzten Wort wandte sich die Braunhaarige an ihren besten Freund, der aber nur etwas Unverständliches vor sich hin grummelte. „So, und jetzt zu dir, Juan.“ - Sina legte dem Schwarzhaarigen erneut einen Arm um die Schultern. - „Was hältst du bis jetzt so von der wunderbaren Arroyo Grande High School?“ Leicht zuckte der Angesprochene mit den Schultern. „Ein paar irre Mädchen, aber sonst ganz O.K.“ Da lachte die Braunhaarige aber schon kurz auf. „Du hast Reno noch nicht richtig kennen gelernt. Der ist wahrscheinlich nichts gegen die paar Mädels, wenn er dich erst mal mag.“ Kaum hatte sie das ausgesprochen, rannte sie schon direkt gegen ihren Freund, der abrupt stehen geblieben war. „Halt die Klappe, Sina!“, fauchte er nur wütend und drehte nach links ab, wo sich sein eigentlich so heiß geliebter Volkswagen befand. „Ist das ein G2?“, fragte da schon Juan etwas schüchtern. Knapp nickte Reno. Eigentlich hätte der Dunkelhaarige wohl eine etwas nettere Antwort erwartet und im Grunde wollte er dadurch doch auch nur ein Gespräch anfangen. War wohl so ziemlich daneben gegangen. „Er ist öfters so gegenüber Jungs, die er nicht kennt. Dabei ist er sonst so anhänglich“, versuchte Sina ihn aufzumuntern und öffnete gekonnt, wie ein Chauffeur, die Beifahrertür. Freundlich bedankte sich Juan und stieg ein, bevor ihm überhaupt auffiel, dass er jetzt wohl die ganze Fahrt über neben dem etwas eingeschnappten Reno sitzen musste. Sina hatte es sich auf dem Rücksitz bequem gemacht und lehnte sich an den beiden Vordersitzen nach vorne ab. „So und jetzt sei nicht so bissig, Reno!“, tadelte sie den Blonden auch schon, als dieser den Zündschlüssel im Schloss umdrehte. Doch als Erwiderung erhielt sie nur ein mürrisches Knurren. „Der Herr hat wohl heute wieder seine zickige Phase. Und du regst dich wirklich über Schwulenklischees auf? Idiot“, brummte das Mädchen jetzt ebenso etwas beleidigt. Jedoch wurde dagegen Juan hellhörig. „Schwul?“, fragte er etwas verwirrt und wandte sich zu Sina um, die ihn aber nur etwas ertappt ansah. Sie wäre wohl eigentlich die Letzte gewesen, die so etwas einfach in die Weltgeschichte hinausrief, aber jetzt war es ihr wohl doch passiert. „Kann ich es ihm sagen, oder regst du dich dann nur auf?“, fragte sie vorsichtig und Reno bejahte auch. Obwohl es ihm eigentlich sicher nicht passte. Er würde ihr aber schon noch die Leviten lesen. „Reno ist schwul“, meinte die Braunhaarige so wenig wie möglich bewertend. Nie hatte sie ihren Freund deswegen beurteilt, weil er nicht hetero war. Sie nicht. Sonst hätte sie ihm wahrscheinlich ohnehin nie wieder unter die Augen treten müssen. „Aha“, gab da aber schon Juan gleichgültig von sich. Für ihn war es wohl das Normalste der Welt. Als ob es gar nichts anderes geben würde. Die gesamte Fahrt über schwiegen sich die drei Jugendlichen an. Dabei hätte Sina wohl zu gerne Juan noch etwas ausgequetscht. Ein Neuer war für sie – im Gegensatz zu Reno – verdammt interessant. Man konnte immer so viele schöne, neue Informationen erhalten. Aber jetzt hielt sogar sie viel lieber die Klappe. „So, da wären wir. Sunrise Terrace 132“, verkündete Reno etwas tonlos, als er den Wagen anhielt. Bis zur Nr. 133 waren es kaum 20 Meter. Doch scheinbar wollte er den Schwarzhaarigen so früh wie möglich los werden. „Dann verzieh ich mich auch gleich. Muss ja ohnehin in die Farnsworth.“ Schon einen Moment später war Sina auch schon ausgestiegen. „Danke“, flüsterte Juan, bevor er es ihr gleichtat. „Nichts zu danken“, erwiderte der Blonde. Immer noch etwas gefühlskalt. Langsam tapste der Schwarzhaarige auf die Haustür zu, während das blaue Auto auf die Einfahrt des Hauses nebenan fuhr. Zaghaft klingelte Juan. Nach wenigen Minuten ein zweites Mal. Dann nochmal. Doch niemand machte auf. Hilflos sah er sich um, bevor er auf die Treppe der Veranda sank. Jetzt hatte ihn seine Mutter nicht nur vergessen. Nein. Sie war auch nicht einmal zu Hause. Er stützte den Kopf auf den Händen ab und seufzte. „Niemand zu Hause?“, hörte er da aber auf einmal jemanden rufen. Verwirrt blickte Juan in die Richtung, aus der der Ruf kam. Dort stand Reno und hatte den Kopf leicht schief gelegt. „Sieht so aus“, erwiderte der Schwarzhaarige schließlich und seufzte ein weiteres Mal leise. Zaghaft blickte sich Reno um. Etwas sicherer meinte er dann aber: „Willst du vielleicht mit rüber kommen? Wer weiß schon, wann deine Mam heim kommt.“ „Äh... gerne.“ Langsam stand Juan auf und tapste durch den Vorgarten bis zu dem Blonden hinüber, der auf eine Lücke zwischen den Sträuchern deutete, die eigentlich die beiden Gärten voneinander trennten. „Sorry, dass ich gerade eben so ekelhaft war“, versuchte Reno sich zu entschuldigen und kratzte sich dabei verlegen am Hinterkopf. „Macht doch nichts.“ Scheu blickte der Schwarzhaarige weg. So schnell vertraute er normalerweise Fremden auch nicht. „Na dann komm.“ Ungezwungen nahm der Blonde die Hand des anderen. Bei Sina machte er das sonst auch. Somit war er es wohl einfach bewohnt. Doch bei seiner Freundin und ihm konnte man wohl auch nicht auf dumme Gedanken kommen. Die meisten wussten, dass er auf Jungs stand und deshalb kaum mit Sina zusammen sein konnte. Aber bei Juan könnte das anders aussehen. Wenn sie ein Nachbar auch nur sah, würde es komisch rüberkommen. Obwohl sie kein Paar waren. Unsicher tapste Juan hinter dem Blonden her, der ihn einfach so durchs Haus lotste. Bis in sein Zimmer. „Ist etwas unaufgeräumt. Ich hab aber auch keinen Besuch erwartet“, meinte Reno grinsend und sammelte auch gleich ein paar Sachen vom Boden auf. Zum Großteil lagen dort Klamotten verteilt. Und nicht nur die, die wahrscheinlich niemanden die Schamesröte ins Gesicht zaubern würden. Sich etwas umsehend setzte sich Juan auf das große Bett. Leicht drückte er die Zeigefinger gegeneinander. Ihm war die Nervosität wortwörtlich ins Gesicht geschrieben. „Hey, sei mal ein bisschen lockerer“, meinte Reno, als er neben ihn sank und ihm einen Arm um die Schultern legte. „Ich beiße grundsätzlich nicht und bin auch sonst eigentlich ganz nett.“ Doch scheinbar ließ das den Schwarzhaarigen erst recht noch unruhiger werden. Eigentlich wollte er keine Nähe zu Fremden. Daraus konnte nur viel zu leicht Freundschaft werden und die wollte er doch vermeiden. „Du musst vor mir wirklich keine Angst haben! Schwule sind nicht nur auf Sex aus! Und vergewaltigen würde ich ohnehin niemanden!“ Leicht zog Reno den anderen noch ein Stück näher zu sich, bis er ihn schon regelrecht an sich drückte. „Ich weiß“, nuschelte der Schwarzhaarige schließlich und versuchte sich irgendwie aus dem Griff des Blonden zu befreien. Doch es gelang ihm nicht. Scheinbar war Reno einfach stärker als er. Da ließ dieser aber schon selbst locker und stand auf. Nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, tapste er zum Fenster und stützte sich dort leicht ab. Eigentlich konnte er doch draußen nur das gegenüberliegende Haus erkennen. Und dennoch blickte er hinaus, als ob etwas wirklich hoch Interessantes dort wäre. „Welches wird dein Zimmer?“, fragte er auf einmal. Sichtlich zuckte Juan zusammen und erwiderte zaghaft: „Weiß noch nicht. Meine Ma hat das alles eingeteilt.“ Alles hatte seine Mutter gemacht. Das Haus aussuchen, festlegen wann sie umziehen, die Möbelpacker bestellen, ... einfach alles. Juan hatte nicht mitentscheiden dürfen. Er musste sich immer nur fügen. „Kannst du versuchen das Zimmer direkt gegenüber von meinem zu kriegen?“ Keine Sekunde wandte sich der Blonde zu seinem Gast um, als er das sagte. Hoffte aber wohl dennoch irgendwie auf ein Ja. „Versuchen kann ich es schon. Aber wenn meine Ma was anderes festgelegt hat, kann ich daran nichts ändern.“ Langsam senkte der Schwarzhaarige den Kopf. Er wehrte sich auch nicht dagegen, was seine Mutter sagte. Immer wurde alles gemacht. Wenn sie ihm wohl sagen würde, er solle sich vor einen Zug werfen, er würde es sogar tun. „Du bist ganz schön auf deine Mutter fixiert.“ Reno drehte sich wieder zu Juan um, der ihn nur etwas verwirrt ansah. Leicht hob der Blonde eine Augenbraue. Obwohl er eine Tatsache – und keine Frage – ausgesprochen hatte, wartete er wohl auf eine Antwort. „Kann schon sein.“ Wieder wurde der Schwarzhaarige nervös. Solange ihn der andere nicht angesehen hatte, ging es. Jetzt nicht mehr. Direkter Blickkontakt ließ sein Selbstbewusstsein dahinschmelzen. „Na ja, wie es aussieht sind deine Eltern ja wohl geschieden.“ Der Blonde war wieder zurück zum Bett gekommen und ging jetzt vor dem Schwarzhaarigen in die Hocke. Leicht legte er zudem den Kopf schief. „Du siehst ein wenig müde aus. Willst du dich vielleicht etwas hinlegen?“ Perplex wurde Reno von Juan angesehen. „Ist gestern etwas spät geworden“, murmelte der Schwarzhaarige schließlich. Wieder drückte er die Zeigefinger aneinander. Entspannte ihn vielleicht etwas. „Dann schlaf ein bisschen. Ich pass schon auf, wenn deine Ma heim kommt. Kann ihr dann ja auch Bescheid sagen, dass du hier bist.“ Langsam richtete sich der Blonde wieder auf. Zaghaft folgte Juan ihm mit den Augen, als Reno zur Tür ging. „Wo... wo willst du hin?“ Der Schwarzhaarige wirkte jetzt erst recht eingeschüchtert. „Da wo selbst der Kaiser alleine hingeht“, erwiderte der Blonde mit einem frechen Grinsen, bevor er den Raum verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)