Blutiges Verlangen von Melantha (Ghetto der Angst I) ================================================================================ Kapitel 23: Anfang vom Ende --------------------------- Ich wollte das Kapitel eigentlich erst später hochladen. Es hat mir aber so schon gut gefallen, daher muss ich es jetzt einfach noch uppen. ^^ Also viel Spaß damit. X3 Und nochmals Danke für eure Kommentare *sich freu* LG, eure Mad-Ann __________________________________________________ Nach den ereignisreichen letzten Tagen, war es mehr als ungewohnt, für Kate, als sie in ihrem Zimmer saß und nichts mit sich anzufangen wusste. Immer wieder begutachtete sie ihre nagelneue Röhm RG 70 Ladystar. Sie war winzig, im Vergleich zu normalen Pistolen, aber das war auf einer Seite wiederum gut, da man sie leicht unter der Kleidung verstecken konnte. Einige Male spielte sie daran herum, als sie sich vergewissert hatte, dass kein Magazin geladen war. Sie betätigte die Sicherung, zog den Abzug, hörte das Klacken, das dabei entstand und übte einige Male vor dem Spiegel, wie man am coolsten damit aussah. Sie dachte an Krimiserien aus dem Fernsehen und posierte die coolen Bewegungen der Fernsehstars nach. Irgendwie musste man sich ja davon ablenken, dass man vermutlich schon bald wieder in Lebensgefahr schweben würde. Mit dieser Situation hatte sich Kate schon abgefunden. Früher oder später würde sie sich den Vampiren stellen müssen. Draußen war es schon langsam dunkler geworden. Es war etwas nach 18 Uhr und am Himmel war eine dicke Wolkendecke aufgezogen. Einige vereinzelten Schneeflocken fielen herab, konnten sich auf dem schlammdurchtränkten Boden aber nicht lange halten und schmolzen wieder. Dann klingelte auf einmal das Handy. Kate erschrak und hastig verstaute sie die Pistole wieder in ihrem Nachttischschränkchen. Die Rufnummer des Anrufers war anonym. „Hallo Daniel.“, antwortete sie selbstsicher mit einem Lächeln auf den Lippen. „Hi Kate. Woher weißt du dass ich es bin?“, kam es aus der Leitung. „Weibliche Intuition.“, sagte sie und setzte sich aufs Bett. „Was gibt’s Neues?“ „Ja klar...na gut ich wollte dich eigentlich in meine Pläne einweihen.“ Im Hintergrund hörte man Autos vorbeifahren und ein monotones Rauschen. Vermutlich sprach er mit der Freisprechanlage im Auto. „Ähm okay. Ich höre.“ „Nicht am Telefon.“, fiel er ihr sofort ins Wort. „Ich bin in etwa zwanzig Minuten bei dir. Jedenfalls...ich habe eine Tötungslizenz gegen Jeanne-Claire. Ich habe die Sache heute noch mit dem Staatsanwalt persönlich geklärt.“ Der letzte Satz hatte eine tiefere Bedeutung. Daniels persönliches Gespräch mit dem Staatsanwalt hatte einige Details, die er Kate nicht erklären wollte. Schließlich war es nicht gerade üblich einem Juristen eine Vampirtötungsbescheinigung mit gezogener Browning abzuverlangen. „Ach echt? Das ist super.“ Kate konnte sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen. „Es gibt jedoch einen Haken...“, wiedersprach er augenblicklich. „Welchen?“ „Wir haben jetzt zwar die Lizenz, dass wir auf legalen Wege die Meisterin der Stadt umlegen können, jedoch dürfen wir keine Ratsmitglieder umbringen. Das heißt Maurice hat eine Immunität und wenn es dazu kommen wird - und das wird es ganz sicher - dass er uns angreift, so dürfen wir ihn nicht umbringen. Bei der aktuellen Rechtslage wird ein Mord an einem Ratsmitglied mit über 10 Jahren Haft bestraft.“, erklärte Daniel und zwischendurch gab es einige klackernde Geräusche im Hintergrund. Vermutlich parkte er den Wagen gerade irgendwo. Kate stieß einen unruhigen Luftstrom aus. Die Sache war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. „Und was machen wir jetzt?“ Das Auto kam zum Stillstand und der Empfang wurde besser. „Ich werde dich gleich abholen. Wir müssen die Sache unbedingt heute Nacht noch durchziehen, anderenfalls könnte es schon zu spät sein.“ „Was meinst du mit zu spät?“, fragte sie und kratzte sich unbewusst am Hinterkopf. „Sie werden dich finden.“, hallte es durchs Handy. Es war eine Weile lang still. Dann räusperte sich Daniel. „Zieh dich um und bereite dich darauf vor. Steck die Pistole ein. Ich bin in einer Viertelstunde da.“ „Scheint nur wenig Zeit zu sein um noch schnell ein Testament zu schreiben, oder?“, lies sie sich anmerken. Sarkasmus? Nein, nicht doch. Ein warmes, ehrliches Lachen drang durch den Hörer. „Hoffen wir, dass du keines brauchen wirst.“, sein Lachen verhallte und er schluckte hörbar. „Ich warte vor dem Haus, ich werde nicht klingeln, okay.“ „Alles klar.“, antwortete sie knapp. Er legte auf. „Alles klar...“, murmelte sie zu sich selbst und beugte den Oberkörper nach vorn, dabei lies sie die Finger in die braunen Haare wandern und verdeckte ihr Gesicht. „...Alles klar...“, kam kaum hörbar von ihr. Keine zehn Minuten später hatte sich Kate ganz unbemerkt aus der Wohnung geschlichen. Ihre Mutter war gerade in der Küche beschäftigt und hatte sie nicht gehört oder gesehen, als sie sich mucksmäuschenstill rausgestohlen hatte. Kate erinnerte es ziemlich genau an die Zeit vor gerade mal 2 Jahren, als sie sich damals immer rausgeschlichen hat, wenn sie zusammen mit Val auf angesagte Partys oder Konzerte gehen wollte, ihre Mutter es ihr aber verboten hatte. Zu dumm, dass sie an diesem Abend wohl eher keinen Spaß haben würde. Auf Kates Schreibtisch lag ein kurzer Abschiedsbrief, für den Fall, dass...nun ja etwas schief ging. Was sie natürlich nicht hoffte. Sie wollte ihrer Mutter selbstverständlich nicht zumuten, dass sie gleich erfahren würde, dass die Tochter heute Nacht noch zu Jeanne-Claire, der Vampirschlampe des Ghettos der Angst gehen würde. Ganz zu schweigen davon, dass es nicht nur die Meisterin, sondern noch einige Dutzend anderer Vampire dort gab, insbesondere auch noch ein Ratsmitglied höchstpersönlich. Sie wollte es sich ja kaum selbst eingestehen, wie dumm das war, was sie jetzt vorhatte. Vor der Einfahrt parkte Daniel und Kate stieß einen Seufzer aus, als sie sah, wer auf der Beifahrerseite saß. Ihre Augenbraue wanderte unmerklich ein kleines Stückchen nach unten. Es war der Werwolf-Marc. Als er registrierte, stieg er aus. Er trug eine Bluejeans, eine typische aus den 90er Jahren, dunkelblau und ausgewaschen, oder vielleicht war die Hose auch nur auf Used-Look gemacht worden. Dazu trug er ein Paar braune Cowboystiefel, die seine Waden bis kurz unterhalb der Kniekehlen bedeckten. Obenrum trug er eine schwarze Jacke, die so aufgepolstert war, dass man mutmaßen konnte, er würde Gewichte stemmen. „N’abend.“, meinte er etwas abwesend und klappte den Beifahrersitz nach vorn, damit Kate nach hinten ins Auto einsteigen konnte. Das Auto war nur ein 3-Türer. „Hallo...“, entgegnete Kate und fühlte sich in der Anwesenheit des schüchternen Werwolfes irgendwie unwohl. Sie stieg nach hinten und erntete ein Grinsen seitens Daniel, der nach hinten zu ihr blickte. Er schien in innige Vorfreude versunken zu sein. „Und bist du bereit?“, fragte er sie und musterte sie genau. Kate trug eine ältere, hellblaue Röhrenjeans mit einigen so gewollten Rissen, zu schwarzen Sneaker. Dazu ein rotbraunes Sweatshirt unter einem grau-schwarz gemustertem Wollponcho, der ihr bis zum Bauch reichte. So war es ihr nicht zu warm im nass-kalten Matschwetter, aber auch nicht zu kalt. Die Magazine samt der kleinen Pistole hatte sie in der Bauchtasche ihres Pullovers verstaut. Diese nahmen praktischerweise nicht allzu viel Platz weg. Sie hatte noch eine kleine, schwarze Umhängetasche, in der lag ihr Handy, etwas Verbandsmaterial, ein Kugelschreiber und...ein Päckchen Kaugummi. Naja so was brauchte man eben. „Naja so einigermaßen.“, murmelte sie daraufhin und überlegte, ob sie das wirklich durchziehen sollte. Daniel zwinkerte beschwichtigend. „Das wird schon.“ Marc meldete sich zu Wort. „Hat sie das überhaupt schon mal gemacht?“ „Nein.“, antwortete Daniel ihm wahrheitsgemäß. „Mmmkay...“, Marc schien über irgendetwas nachzudenken. Der Typ war Kate auf irgendeine unerklärliche Art und Weise unsympathisch. „Das wird ja ein Spaß...“, säuselte er leise und ironisch vor sich hin und lehnte seinen Kopf an die kühle Seitenscheibe. Daniel schien es nicht zu stören, dass Marc schlecht gelaunt schien. Er nickte Kate gutmutig zu und dann wandte dich der Blonde wieder nach vorn und lies den Motor an. Langsam fuhr er aus der Einfahrt und pendelte sich in den Verkehr ein. Dabei strömte rauschend warme Luft durch die Klimaanlage und die Vorderscheibe war beschlagen. Marc wischte während Daniel fuhr das Kondenswasser vom Glas, sodass man wieder vernünftig durchsehen konnte. Der Blondschopf nickte ihm zu. Anscheinend verstanden sich Jungs auch ohne große Reden. Kate hatte sich auf die Seite hinter Daniel gesetzt und sich schließlich angeschnallt. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an die hellen, blinkenden Lichter der Stadt in der Dämmerung gewöhnt hatte. Überall blinkten sie bunte Häuser und Reklameschilder an. Es waren zahlreiche PKW auf dem Weg in die Innenstadt. Schließlich war es Abend und es gab ein sehr vielfältiges Nightlife in der City. Und das tagtäglich. „Warum...ist er mitgekommen?“, fragte Kate schließlich und meinte natürlich Marc damit. „Er hat sich bereiterklärt uns zu helfen, weil er noch eine Rechnung offen hat...mit Jeanne-Claire.“, antwortete Daniel und bog bei einer Kreuzung ab. „Ich werde die alte Krähe rupfen!“, zischte der Werwolf und ballte die Hand zur Faust. Sie musste augenblicklich lachen und stellte sich die Situation bildlich vor. „Achso...was war denn los?“ Marc drehte sich zu ihr um. „Normalerweise leben Werwölfe nicht in solch großen Städten.“ Kate nickte nur. „Daher haben Werwölfe, die hier leben keine Rudelgemeinschaft. Andererseits leben die Vampire hier in ihren Clans, also das heißt, dass es eine Art Rangfolge gibt, und dass sie einen Anführer haben. Wenn man jedoch als Werwolf alleine hier lebt, so glauben die Vampire sich das Recht herauszunehmen, über die anderen Rassen zu dominieren. Und ich lass mich bestimmt nicht von einer Frau dominieren.“, er machte ein angewidertes Gesicht, als er an Jeanne-Claire dachte. Irrte sich Kate, oder klang das gerade sehr sexistisch? „Jedenfalls würde ich mich besonders nicht von so einer Schlampe dominieren lassen. Sie lässt von nichts die Finger, egal ob Männlein oder Weiblein.“ Nun verzog auch Kate das Gesicht. Damit hatte er allerdings recht. Marc wandte sich wieder nach vorn und verschränkte die Hände im Nacken. Er war wahrhaft ein komischer Typ. Warum lebte er in der Großstadt, wenn er da als Werwolf unterlegen war, gegenüber den Vampiren? Andererseits konnte man die Hilfe eines Werwolfes gut gebrauchen, wenn man es mit bösartigen Vampiren zutun bekam. „Und erklärst du mir jetzt deine Strategie?“, fragte sie nach einer Pause Daniel. Sie sah wie er sie über den Rückspiegel hin ansah. Kurz darauf wandten sich seine Augen wieder der Straße zu. Sie befanden sich gerade auf einer mehrspurigen Straße, die durchs Vampirghetto führte. „Also ich war die letzten Tage über hinter Jeanne-Claire her und habe festgestellt, dass ihr Schlafplatz von Nacht zu Nacht wechselte. Es ist anscheinend so, dass sie sich schützen will, vor feindlichen Angriffen. Jedoch habe ich einige ihrer Handlanger dabei beobachten können, wie sie sich im Industrieviertel herumgetrieben haben. Ich habe eine bestimmte Ahnung, wo sie sich momentan aufhalten könnte.“ Kate folgte seinen Worten aufmerksam und nickte. „Jedenfalls...der Plan sieht folgendermaßen aus. Wir haben den Überraschungsmoment auf unserer Seite, also werden wir uns möglichst unbemerkt zu den Vampiren schleichen, gegebenenfalls einige schwächere Millenniumsvampire umlegen, bis wir bei der Meisterin sind. Dort kümmert sich Marc zusammen mit dir um Jeanne-Claire, während ich dafür sorge, dass Maurice uns nicht in die Quere kommt. Du musst dich voll und ganz auf Marc verlassen, er gibt dir Deckung, verstanden?“ Dieser Plan gefiel ihr nicht, aber was sollten sie sonst tun? Jemand musste sich ja um Maurice Greenwood kümmern, wer wenn nicht der Profi-Vampirkiller persönlich? „Ich...ich weiß nicht recht.“, murrte sie und schielte zu Marc rüber. Dieser funkelte sie böswillig an. „Wenn du nicht willst, dass ich mithelfe, verschwinde ich und ihr könnt selbst sehen, wie ihr die Vampire bekämpfen wollt.“ Jetzt hatte sie Marc auch noch sauer gemacht. Na das konnte ja nur besser werden... „Tut mir leid, ich hab’s nicht so gemeint.“, entschuldigte sie sich und seufzte. „Also gut, ziehen wir es so durch.“ Daniel grinste stumm vor sich hin und bog in eine Seitenstraße ein. „Aber wehe, wenn du mich nicht mit dieser Gruftschlampe allein lässt!“, maulte Kate und verschränkte die Arme vor der Brust. Marc drehte sich zu ihr um und streckte ihr die rosa Zunge raus. „Hey...nicht so ungefällig, Kleine.“ Kate lies ein entnervtes Schnauben los. „Bitte versichere mir: Lass mich nicht mit Jeanne-Claire allein.“, verbesserte sie und es kostete ihr einen Teil ihrer Überwindung. Marc schmunzelte. „Geht doch. Ich lass dich nicht mit ihr allein.“ Der Weg führte sie an einen entlegenen Parkplatz vor eine stillgelegte Ziegelei der späten 70er Jahre. Der Wagen hielt, als er sich seinen Weg durch den ungeräumten Platz gebahnt hatte und plötzlich war es ruhig um sie herum. Kein lärmender Verkehr, keine Leute nichts. „Wo sind wir hier gelandet?“ Kate blickte aus dem Fenster in die entlegenste Gegend der Stadt. Sie konnte sich nicht entsinnen, schon einmal hier gewesen zu sein. Normalerweise war sie damit vertraut, dass in allen Winkel und Gassen der Stadt Menschen oder Vampire waren und dass alle Straßen fein säuberlich geräumt und gesalzen waren. Hier jedoch, war nichts davon der Fall. Der Schnee lag stellenweiße knietief, bis auf die wenigen Stellen, an denen vorher schon Autos langgefahren waren. Links und rechts von ihr türmten sich Fabrikgebäude auf, welche mindestens 5 Etagen hoch waren. Nicht zu übersehen waren die unzähligen, engen und schmutzigen Gassen, in einigen stand oder lag Metallschrott von kaputten Maschinen. Schiefe Wellblechdächer waren rostdurchfressen, ebenso wie einige Dachrinnen, aus denen meterlange Eiszapfen bedrohlich herabhingen und geradezu darauf warteten jemanden zu erstechen. „Dieses Industriegebiet ist schon seit einigen Jahren ziemlich verlassen, die Hallen und Fabriken sind größtenteils leerstehend.“, kam von Daniel. Das Mädchen sah sich um. Dass die Gegend verlassen war, war ihr auch schon aufgefallen. „Bist du dir sicher, dass sich hier noch jemand freiwillig aufhalten würde?“, zögernd betrachtete sie die Gegend noch einmal. „Nur die Bösen gehen an solche Orte.“, lachte er. Der Vampirjäger löste den Gurt und stieg aus. Danach öffnete er den Kofferraum und zog einen silbern glänzenden Koffer heraus. Nun standen auch Marc und Kate aus und sahen sich den Inhalt an. Im Inneren des Koffers war eine Schicht aus grauem Schaumstoff mit genau eingepassten, silbernen Klingen. Es war ein Zehner-Set. Die kürzeste Klinge hatte eine Länge von zirka 12 Zentimetern, die längste jedoch eine von fast 30 Zentimetern. Die Messer unterschieden sich auch noch nach Breite des Schneideblattes. „Hier sind meine kleinen Schützlinge, allesamt aus 925er Sterlings-Silber. War eine Spezialanfertigung und nicht gerade ein Schnäppchen.“, kommentierte Daniel und nahm sich zwei der größten und breitesten und verstaute sie in zwei Armscheiden, die er sich umgeschnallt hatte. Jetzt erst fiel Kate auf, dass Daniel voll und ganz in schwarz gekleidet war. Eine lange, enggeschnittene Jeans, welche noch einige kleinere Taschen an den Beinen aufwies. Passend dazu schwarze Sportschuhe und einen ebenfalls schwarzen Pullover unter dem sich noch einiges Waffenarsenal abzeichnete. Die Klingen waren als Einzigstes über der Kleidung an speziellen Armschneiden angebracht und ließen den Blonden jetzt voll und ganz bedrohlich wirken. Marc hatte sich von den Klingen entfernt sah Kate eindringlich an. Kate begriff, dass Marc als Werwolf eine Art Allergie gegenüber Silber hatte. Anschließend holte Daniel aus dem kleinem Kofferraum noch Arm- und Beinholster und Messerscheiden. Nach wenigen Minuten hatte er an ihr einen Reichtum an Waffen montiert. An ihren beiden Beinen trug sie über der Kleidung jeweils ein Messer, an der Taille trug sie ein Waffenholster und in dem steckte eine mit Silbermunition geladene Firestar. Unter ihrem Pullover an beiden Armen befanden sich versteckt nochmals zwei kürzere Messer. Als Kate sich mit der ungewohnten Last bewegte, fühlte sie sich mehr als ungewohnt. „Das dürfte reichen.“ Zufrieden betrachtete Daniel sein vollendetes Werk. „Ich fühle mich schrecklich unwohl.“, gestand Kate und spürte nicht die Sicherheit, die sie sich mit den Waffen eigentlich erhofft hatte. Daniel legte seine Hände auf ihre Schultern, beugte den Oberkörper leicht nach vorn, damit er mit ihr auf Augenhöhe war. Seine tiefseeblauen Augen strahlten eine gewisse Reife aus, die jemand in seinem jungen Alter noch gar nicht hätte haben können. „Du musst keine Angst haben. Die Guten gewinnen immer.“, schon wieder zierte ein siegessicheres Lächeln sein Gesicht. „Merk dir eines: Lass die Vampire nicht zu nah an dich rankommen und halte sie mit der Pistole auf Distanz, während Marc und ich uns um Jeanne-Claire und Maurice Greenwood kümmern.“ Dann klopfte er ihr kumpelhaft auf die Schulter. „Geht klar.“, entgegnete sie leise und blickte hinab. Marc hatte sich in der Zwischenzeit an das Auto gelehnt und schielte genervt zu den beiden hin. „Seid ihr endlich fertig? Es ist schon fast 8 Uhr.“ Die beiden anderen nickten ernst und Daniel ging als Erster los. Es war ein Stück zu Fuß, so meinte Daniel, da sich die kleine Gruppe ja unbemerkt in die Nähe der Vampire begeben wollte. Allein der Schnee am Boden sorgte dafür, dass es nicht stockfinster war, da es hier nur sehr wenige funktionierende Straßenlaternen gab. Warum mussten sich die Bösen auch nur so klischeehaft an dunklen Orten aufhalten? Marc, der im Moment die Mitte bildete, hielt plötzlich an. Er hielt seinen Kopf nach oben, schloss die Augen und lauschte. Gleichzeitig zitterten leicht seine Nasenflügel und er schnüffelte, anders konnte man es nicht bezeichnen. „Scheiße.“, sagte er und riss die Augen auf. In eben der gleichen Sekunde löste sich ein Ein-Meter-Eiszapfen von oben und fiel direkt auf Kate hinab. Im gleichen Moment flog Marc durch die Luft, ohne dass sie seinen Sprung gesehen hatte, er kam mit den Beinen an der naheliegenden Wand auf, dabei stieß er sich kraftvoll ab und schleuderte den Eiskoloss in die entgegengesetzte Richtung. Noch nie kam Kate eine Sekunde so schrecklich lang vor. Eben flog der Zapfen noch in Zeitlupengeschwindigkeit durch die gegenüberliegende Glasscheibe, schon hatte Daniel die Browning gezogen und gab Schüsse ab, welche etwas am Dach traf, von dem sich der Eiszapfen gelöst hatte. Der Schall kam wie ein Düsenjet und riss Kate aus ihrer vorübergehenden Regungslosigkeit. Durch den Schuss hatte sich auf dem Dach eine Schneeschicht gelöst, welche auf einem Schlag herabdonnerte. Sie sprang, wie sie noch nie gesprungen ist, schien für einen Moment lang durch die Luft zu fliegen und landete unsanft in einem Schneehaufen. Über ihr zerbrach die Fensterscheibe in glitzernde, tödlich funkelnde Splitter. Fast zeitgleich stürzte der weiße Haufen vom Dach, donnerte auf die Stelle, an der Kate eben noch gestanden hatte. Sie presste ihr Gesicht in den stechendkalten Schnee und hielt die Arme schützend über ihren Hinterkopf, als die Splitter über sie herabregneten. Die Scherben bohrten sich teilweise durch den dicken Stoff ihres Pullovers, den Poncho durchdrangen sie glücklicherweise nicht, da die Wolle dafür einfach zu dick war. Sie stöhnte auf, als sie mit einem Ruck am Arm nach oben gezogen wurde. Ihre Augen weiteten sich, suchten die Umgebung nach Daniel ab. Doch sie sah nur in die grauen Augen einer fremden Vampirfrau, die Kate mit der einen Hand hoch zerrte und mit der anderen in ihren Schopf griff, die Haare straff packte und den Kopf nach hinten zog. Sie riss ihren Mund auf und entblößte ihre spitzen Zähne und setzte schon zu einer Bewegung an ihren Hals an, da explodierte ihr Schädel schon in viele kleine Fetzen und unerdenklich viele Teile vom Gehirn schleuderten in Kates Gesicht. Teile des Schädelknochens kratzten Kates Wange auf und eine durchtrennte Halsschlagader spritzte einen reichlichen Strahl voll Blut. Schließlich sank der Körper der Vampirfrau zu Boden. Kate blieb ein Moment, um einen kräftigen Atemzug zu tun. Sie sah an sich herab, war von oben bis unten blutbesudelt, hatte unzählig viele Kratzer auf ihrer Körperrückseite verteilt und im Gesicht. Und das Alles geschah innerhalb von nur wenigen Sekunden Reaktionszeit. Ihre Augen suchten Daniel und fanden ihn mit einem kräftigem Vampirmann ringend nur wenige Meter von ihr entfernt. Er hatte die Browning in der Hand, doch konnte nicht schießen, da der Vampir seinen Arm nach hinten gezogen hatte und die Waffe somit nach oben zu noch mehr tödlichen Eiszapfen deutete. Dies hieß, wenn Daniel so schoss, würde er zwar den Vampir erledigen, jedoch auch sich selbst. Noch bevor Kate es registriert hatte, hielt sie ihre Firestar in der Rechten, stützte den Arm mit der Linken und schoss. Der Vampir wurde am Hals, genauer gesagt am Adamsapfel getroffen, fiel nach hinten um und Daniel befreite sich aus dem Griff. Dann blickte Kate weg von Daniel in die andere Richtung und fand Marc von etwa einem halben Dutzend anderen Vampiren umringt. Jedoch schien das Kräfteverhältnis ausgeglichen zu sein, da sich die Blutsauger leicht von ihm zurückstoßen ließen. „Das mit dem Überraschungsmoment können wir wohl vergessen.“, meinte Kate mit heißerer Stimme zu Daniel, der dem Vampir hinter sich noch den Gnadenschuss erteilt hatte. „Sieht so aus.“, keuchte er. „Sollen wir Marc helfen?“, fragte Kate und beobachtete den Kampf von einem Werwolf gegen sechs Vampire. Doch der Vampirhenker schüttelte nur den Kopf. „Die haben keine Chance gegen ihn. Los, lass uns nicht hier so rumstehen. Marc kommt schon gleich nach.“ Das Mädchen nickte knapp und begann loszuspurten, als Daniel es auch tat. Der Schnee war voll Blut, Glas, Gehirnresten und etwa das gleiche Bild zeigte sich, wenn man Kate betrachtete. Doch ihr war im Moment egal, wie viele Kratzer sie hatte, oder wessen Blut an ihr klebte. Das Adrenalin pumpte sich durch ihre Adern, wie eine aufputschende Droge. Ihre Schritte knirschten durch den Schnee, bis sie eine hohe Lagerhalle erreichten. Sie hatte sehr hohe Fenster, die aus kleineren quadratförmigen Scheiben gebildet war. Es führte ein kleiner Podest in die Halle, da dies vermutlich zum Beladen von LKWs vorgesehen war. Die schwere Eisentür war geöffnet und Licht schien von dort nach draußen. Daniel sprang auf den Vorsprung und rannte ohne Zögern ins Innere hinein. Kate folgte ihm mit nur wenigen Schritt Entfernung. Eine Hand voll Vampire flogen direkt auf Daniel zu und rissen ihn zu Boden. Etwa drei von ihnen wurden dabei von ihm tödlich getroffen. Den letzten Beiden gelang es ihn am Boden festzuhalten, was allerdings auch nur an der Tatsache lag, dass Daniel nachladen musste. Als Kate sich ins Innere vorgedrungen hatte, erspähte sie vor sich eine Couchgarnitur aus schickem, schwarzem Leder. Es saßen vielleicht sieben Vampire beieinander auf den drei Möbelstücken und mittig war ein kaffeebrauner Couchtisch, der allein schon mindestens zwei Meter breit war. Jetzt fiel ihr erst die geschmackvolle Inneneinrichtung auf. Der Saal war riesig und die Sitzecke befand sich genau mittig und war symmetrisch. Die Möbel waren wie ein U geformt, mit der Öffnung zur Tür. Der Boden war aus schwarz-weiß karierten, großflächigen Fließen, die Wände waren neutral weiß und es hingen meterlange Stoffbahnen in Schwarz und in Weiß von den hohen Decken. Diese entsprangen mittig und wölbten sich leicht und waren fächerartig zu den Wänden hin angebracht. Die Optik erinnerte etwas an ein Zirkuszelt, nur eben in den beiden Nichtfarben, statt in bunt. Im Saal brannten in regelmäßigen Abständen rote Stehlampen, die aussahen wie Tulpen. Doch Zeit zum Bestaunen blieb der Braunhaarigen nicht sehr lange. Es hielten sich hier weit mehr als Dreißig Vampire auf, zusätzlich zu denen auf den bequemen Möbeln sitzend. Die sieben höherrangigen Vampire blickten mit ausdruckslosen Gesichtern zu Kate am Eingang. Zu ihnen zählten natürlich Jeanne-Claire, des weiteren Maurice, July und Vinzenz. Neben Jeanne-Claire saßen wie wohlerzogene Kinder John und Kelly links und recht von ihr. Auf dem Platz neben Vinzenz saß auch noch Esther, diese hielt jedoch den Kopf gesenkt und sah von Kate weg. „Enchanté. Mademoiselle ’Pomme de Sang’ est arrivé.“, lies Jeanne-Claire hocherfreut verkünden und ein entzücktes Lächeln schmückte ihr puppenhaftes Antlitz. Wenn man je behaupten konnte, dass eine Frau eine Lolita war, so müsste man diese Vampirin damit meinen, denn ihre Ausstrahlung kann nur so beschrieben werden. „Wie bitte?“, räusperte sich Kate verdutzt. „Sie sagte, dass Fräulein Blutsapfel angekommen ist.“ Hinter ihr tauchte nun auch endlich Marc in der Türschwelle auf. „Blutsapfel?“, fragte Kate unsicher. „Eine schöne Umschreibung für einen Menschen, den die Vampire aussaugen wollen.“, flüsterte der Werwolf ihr leise zu. Er hatte eine tiefe Schnittwunde an der rechten Augenbraue, das Blut floss ihm über das Auge, jedoch schloss sich die Wunde bereits wieder. Nun stand die Vampirmeisterin auf. Ihr zierlicher Körper war in ein puppenhaftes, schwarzes Kleid gehüllt, dass reichlich Spitze an Saum und Ärmel hatte, ebenso ein schönes Decollete formte und bodenlang war. Wären die anderen Vampire mit ihr aufgestanden, hätte es die eindrucksvolle Wirkung zerstört und außerdem war die Meisterin die Kleinste von allen. Wie in einer geisterhaften Bewegung sanken die schwarz eingehüllten Körper der unwichtigen, schwachen Millenniumsvampire, zu Boden. Ihre Köpfe berührten den gefliesten Boden mit einer Ehrfurcht, wie vor einer Königin. Denn nichts anderes war sie für all jenen, die sich in schwarze Kapuzenumhänge kleiden mussten. Die Königin der Nacht. „Es freut mich wirklich sehr, dass du dich nach unserer netten, kleinen Familie gesehnt hast, ma chérie.“, lies sie mit einem unverkennbaren französischem Dialekt verkünden. Kate zog die Brauen missbilligend hoch. Nette, kleine Familie - von wegen. Sie schielte hinüber zu Daniel, dieser schien regungslos am Boden zu kleben. Ihr fiel der Blick von Vinzenz auf, der seine Augen auf den Vampirjäger gerichtet hatte. Folglich drehte sie sich sofort zu Marc um, doch dieser schien auch mit Widerwillen festgehalten zu werden, nur diesmal von July. Diese hatte ein kokettes Lächeln auf den Lippen, während sie sich einerseits auf die Starre von Marc konzentrierte, und sich gleichzeitig mit der Hüfte an Maurice anschmiegte, wie ein blondes Kätzchen. Es fehlte nur noch das Schnurren, als der Ältere ihr mit der Hand das Bein entlang fuhr und somit mehr Haut offenbarte, da sie ein glänzend blaues Kleid trug. „J...Jungs...w...was ist los mit euch?“, stotterte sie und ihre Kinnlade zitterte, nicht vor Kälte, sondern vor Angst. „Um die musst du dir keine Gedanken machen, sie im Augenblick so nutzvoll wie ein Haufen stinkender Abfall.“, kicherte jemand. Es war Kelly. Sie hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Kates Schwester trug eine blaue Jeans mit vielen Rissen, dazu einen Nietengürtel, der absichtlich schief hing. Außerdem noch eine halb zerfetzte, violette Bluse. Weitere Nieten, eine gestreifte Stulpe am linken Arm, einige Ringe und Ketten ergänzten das Gesamtbild einer Punkrockgöre. Solche Kleidung trug sie noch nicht zu Lebzeiten, also als Mensch, soviel war sich Kate sicher. Diese Aufmachung musste aus einem fremden Kleiderschrank stammen. Zusätzlich hatte die Kurzhaarige noch viel zu viel Make-up auf die blasse Haut aufgetragen. Mit anderen Worten: Kelly war nicht mehr wiederzuerkennen! „Nun wird niemand im Weg stehen, wenn wir gemeinsam eine große, glückliche Familie werden. So wie früher Kate. Wir werden für immer vereint sein.“, Kellys Kichern durchfuhr wie ein Schauer den Saal. So wie Kate die Situation einschätzen konnte war sie nun völlig auf sich allein gestellt. Vor ihr waren unglaublich viele Vampire und ihre beiden Verbündeten verharrten in Regungslosigkeit. Das waren ja prima Aussichten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)