Parallelwelten von dunkelbunt (Kopf oder Zahl) ================================================================================ Kapitel 1: Schwarze Hunde & rosa Elefanten ------------------------------------------ Mein Hintern tat mir weh und mir war trotz der Jahreszeit reichlich kalt hier im Schatten des großen Gebäudes. Ich würde bald mal etwas rumlaufen müssen, ich saß jetzt immerhin schon seit über einer Stunde hier und klimperte auf meiner Gitarre vor mich hin. Mehr oder weniger halbherzig, weil ich um die Uhrzeit eh noch kein Publikum hatte. Die wenigen Leute, die jetzt durch die Innenstadt hasteten, waren alle auf dem Weg zur Arbeit und hatten nun wirklich keine Zeit mir armen, bemitleidenswerten Straßenmusiker ein wenig zuzuhören oder vielleicht mal ein bisschen Geld hinzuschmeißen. Na ja, dafür würde ich später mehr Glück haben, ich kannte das ja schon zur Genüge, wenn sich später die Stadt füllte, nahm ich auch mehr ein. Mein Hund Jamie, den ich jeden Morgen mit in die Stadt nahm, wenn ich schon den ganzen Tag draußen war, lang gelangweilt neben mir, die Schnauze auf meinen Oberschenkel gebettet und sah mich mitleidig an. Ich unterbrach mein Spiel und legte die Gitarre beiseite. "Ja, ich weiß, Dicker, dir ist langweilig. Wir gehen nachher mal eine Runde." Ich tätschelte ihm den Kopf und sah auf meine Uhr. Gerade mal viertel nach acht. Ich hasste die Morgen in der Stadt. Scheiße, ich hatte Angst. Ich hatte die Hosen voll und war verdammt aufgeregt. Es war das erste Mal, dass ich schwänzte, dem Unterricht unerlaubt fortblieb, überhaupt das erste Mal, dass ich gegen irgendeine Regel verstieß. Es war mein Versuch gegen die verdammt kleine und vorhersehbare Welt meiner Eltern zu rebellieren, in der mein ganzes Leben schon festgelegt war. Es war ein Ausbruch aus dem Spießerland. Ich wollte Freiheit schnuppern. Unauffällig schlich ich durch die Stadt und war wohl in etwa so unauffällig wie ein rosa Elefant auf einer Beerdigung. Ich hatte aber Glück, um diese Uhrzeit war hier kaum jemand unterwegs. Nur wenige Spätzügler unterwegs zur Arbeit und ein paar Straßenverkäufer und -bettler, die den Tag gemächlich angehen ließen. Dann entdeckte ich ihn. Er saß gelangweilt da und tätschelte einem recht großen schwarzen Hund den Kopf. Neben ihm lag eine Gitarre. Ich weiß nicht, was mich an ihm so neugierig machte, vielleicht seine pinken Haare, die vielen Tattoos an den Armen, die Piercings, oder sein leicht mürrischer Gesichtsausdruck. Jedenfalls blieb ich stehen und beobachtete ihn einen Moment lang. Als ich mich kurz umsah bemerkte ich, dass er gegenüber eines Mäcces saß und in meinem Kopf drängte der Gedanke an etwas zu essen, alles andere zur Seite. Ich beschloss mir etwas Leckeres zu gönnen. Ich ließ meinen Blick schweifen und hatte jetzt schon wieder absolut keine Lust auf den heutigen Tag. Wie lange saß ich jetzt schon hier? Seit den letzten Ferien im Frühling und das jeden verdammten Tag. Okay, ich hatte mir das selber ausgesucht, alles war mir lieber, als in die Schule zu gehen und alles dort zu ertragen. Und alles, meinte wirklich alles. Die Lehrer, die Mitschüler, der Unterricht, die Methoden, der Umgangston, allein der Gedanke an den großen, grauen Kasten, in dem ich eigentlich um diese Uhrzeit sitzen musste, bereitete mir Kopfschmerzen und ein komisches Gefühl von Beklemmung und Ablehnung in der Brust, die es unmöglich machte, dass ich mich dort blicken ließ. Anfangs hatte ich nur ein paar Stunden geschwänzt, dann ganze Blöcke und seit ein paar Monaten ging ich gar nicht mehr hin. Gegenüber von mir betrat gerade jemand das Mäcces, in das ich nur auch zu gerne gegangen und mir vielleicht einen Kaffe geleistet hätte. Aber Jamie konnte ich nicht mit rein nehmen und er war nur ungern alleine und jaulte und fiepste was das Zeug hielt, wenn ich mich schon nur ein paar Meter zu viel entfernte. Seufzend sah ich auf die sich gerade wieder schließende Tür und kramte stattdessen in meiner Tasche nach einer Flasche Wasser, die nicht einmal mehr Sprudel hatte. Ekelhaft. Ich gönnte mir einen Kakao und einen Haselnussdonut und sah mich nun nach einem guten Sitzplatz um. Ich entdeckte einen, von dem aus ich einen guten Blick auf den Typen mit dem Hund und der Gitarre hatte und beschloss es mir dort gemütlich zu machen. Ich beobachtete ihn eine Weile und als ich sah wie er einen Schluck aus einer Wasserflasche nahm und dabei angewidert das Gesicht verzog, hatte ich Mitleid mit ihm. Ich verdrückte schnell meinen Donut, schnappte mir meinen halbausgetrunkenen Kakao und ging nach vorne, um einen weiteren Kakao zu bestellen. Ich ging zur Tür, zögerte aber. Ich war nicht unbedingt jemand, der einfach so auf andere zuging und schon gar nicht jemand, der einfach ungefragt etwas mitbrachte. Ich wusste nicht wie ich den Kakao übergeben sollte, ohne blöd dazustehen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Wahrscheinlich würde ich eh nur stumm da stehen oder stottern. Aber ich nahm all meinen kaum vorhandenen Mut zusammen und trat aus dem Mäcces raus auf den Typen zu. Ich stopfte die Wasserflasche mürrisch zurück in den Rucksack. Bah, ich musste mir unbedingt was anderes mitnehmen, aber ich vergaß früh immer, wenn ich gerade so tat, als würde ich mich gleich auf den Weg in die Schule machen, die alte raus- und eine neue reinzutun. Das hatte ich irgendwie schon immer vergessen. Ich packte mein Schulzeug und vergaß das Trinken. Und das setzte sich immer noch fort, weil die Rituale am Morgen ja die gleichen waren. Echt lästig. Jamie hob in dem Moment den Kopf von meinem Schoß, als ich die Hand schon wieder auf seinen Kopf legen wollte und guckte neugierig geradeaus. Ich hob also auch meinen Blick und sah einen Jungen auf mich zukommen, der...der echt süß war. Tut mir Leid, aber so was fällt mir immer als erstes auf. Er war recht schmal und wirkte irgendwie unsicher, als er weiter auf mich zulief, fast so als wollte er am liebsten wieder kehrt machen. Misstrauisch sah ich ihm entgegen und Jamie neben mir kam auf die Beine um dem Jungen entgegenzuschnuppern. Ängstlich blieb ich stehen. Der Hund war nicht recht groß, er war riesig. Aber weil er mich bloß ansah und freundlich, glaubte ich jedenfalls, mit dem Schwanz wedelte, schob ich mich langsam näher auf die beiden zu. Erschrocken quiekte ich, als der Hund ein paar Schritte auf mich zu machte. 'Heilige Scheiße, jetzt reiß dich aber zusammen!', ermahnte ich mich und trat dann noch näher, den Hund immer im Auge behaltend. Sein Besitzer sah misstrauisch zu mir auf. Der stechende Blick ließ mich zusammenzucken. Mit einem piepsigen "Hier" reichte ich ihm den Kakaobecher. Jamie machte dem kleinen offenbar Angst und wenn ich nicht noch damit beschäftigt gewesen wäre ihn mürrisch zu mustern, dann hätte ich darüber sicher schmunzeln können. Mit einer bestimmten Bewegung drückte ich Jamies Hinterteil Richtung Boden und er setzte sich brav hin, unseren Besucher aber nicht aus den Augen lassend. "Was ist das?", fragte ich mit scharfer Stimme und wies mit einem Nicken auf den Pappbecher in seiner Hand, den er mir entgegenstreckte. Oh, Gott sei Dank. Der Hund sah sitzend schon wieder weniger riesig und bedrohlich aus. Aber nur ein ganz kleines bisschen. Ich hatte das Gefühl der andere hätte mich gebissen, so scharf war sein Tonfall. Am liebsten hätte ich meine Hand zurückgezogen und wäre davon gelaufen. Aber mit einem Blick auf den Hund ließ ich es bleiben. Bei großen, bösen Raubtieren sollte man ja nie rennen, sondern langsam rückwärts gehen oder sich tot stellen. Das mit dem tot stellen käme jetzt aber bestimmt blöd rüber und bevor ich mich langsam rückwärts davon schleichen konnte, war mein Mund mal wieder schneller, wie immer. "Kakao“, antwortete ich also brav auf seine Frage und kam mir reichlich dämlich vor, weil er den Becher immer noch nicht annahm. "Kakao?", fragte ich verächtlich und nahm dem anderen den Becher aus der Hand um mich selber zu vergewissern. Blitzschnell zog er seine Hand zurück, als wäre ich ansteckend und vergrub sie tief in der Tasche seiner Jeans. Ich machte den Deckel ab und tatsächlich befand sich in dem Becher eine milchig braune Flüssigkeit und ich verzog angewidert das Gesicht. "Seh ich aus wie zwölf, oder was?" Ich sah wieder zu ihm auf und stellte den Kakao etwas unsanft neben mich, vor Jaime, der interessiert daran schnupperte. "Was soll die Aktion eigentlich, seh ich so aus, als ob ich Almosen bräuchte?" Das war ja...also...dieser...ich...! Empört schnappte ich nach Luft. Am liebsten wäre ich jetzt wirklich davon gerannt, oder hätte mich noch viel lieber auf ihn gestürzt. Beides schien mir aber keine Option solange der Hund dabei war. Stattdessen fauchte ich wütend: "Ich wollte bloß nett sein!" Er wollte etwas erwidern, nichts Nettes wahrscheinlich, aber ich warf noch beleidigt ein: "Und nein, wie zwölf siehst du nicht aus, eher wie Paulchen Panther!" Damit stapfte ich davon, zurück zum Mäcces. Blöder Idiot. Und dabei mochte ich seine Haare eigentlich. Aber wie konnte er bloß Kakao verunglimpfen? Mein allerliebstes Lieblingsgetränk! Und ich war bestimmt keine zwölf mehr! Dieser...dieser Spaten! Außerdem wieso hockte er da, wenn er keine Almosen wollte?! Wütend grummelte ich vor mich hin und bemerkte erst, dass ich grad einen Kaffee im Mäcces gekauft hatte, als ich mit diesem schon wieder auf der Strasse stand. Verdammt! Mit hochgezogenen Augenbrauen und recht, doch ich musste es zugeben, positiv überrascht, sah ich dem Wicht nach, wie er davon stampfte. Irgendwie hatte er auf den ersten Blick nicht so ausgesehen, als hätte er den Mumm mich anzugehen. Er hatte eher wie ein kleines verschüchtertes Reh gewirkt. Ein verunsichertes, kleines, verschüchtertes Reh. Aber dafür hatte er einen tollen Arsch. Ähem...ja. War aber so. Ich verkniff mir ein kleines Grinsen, als er wütend davon stapfte und legte den Kopf schief, ihn mit dem Blick verfolgend. Fast war ich etwas enttäuscht, als er wieder im Mäcces verschwand, schüttelte dann aber den Kopf über die Aktion eben. Leute gab's. Ich griff wieder meine Gitarre neben mir und setzte sie mir auf den Schoß. Ich legte schon wieder die Finger auf die Saiten, als die Tür zum Mäcces wieder aufging und der Kleine wieder in der Tür stand. Verbissen fixierte er mich und ich hob eine Augenbraue. Was würde das jetzt werden? Wollte er mir jetzt Stylingtipps für meine nächste Haarfarbe geben? Ich Blödheini! Na ja, gekauft war gekauft und da ich selbst keinen Kaffee trank, stapfte ich also immer noch wütend zurück zu dem Typen und riss meinen Arm mit dem Kaffee so schnell in seine Richtung, dass mir etwas auf die Hand schwappte, trotz des Deckels. Wie schaffte ich das bloß immer? "Besser?!", fauchte ich ihn also an und hoffte man würde nicht hören, dass der heiße Kaffee mir ziemlich wehgetan hatte. Einen Moment lang schwieg ich und sah ihn einfach nur an. Nicht ungläubig, nicht skeptisch, einfach nur überlegend. Hatte ich jetzt seinen Ehrgeiz geweckt? Ich strich mir mein Pony aus den Augen und nickte wie vorhin wieder auf den Becher, von dem jetzt schon ein bisschen der Brühe, die er übergekippt hatte und die eindeutig nach Kaffee aussah, runter und auf meine Hose tropfte. "Zucker drinnen?" Jamie neben mir verfolgte das Schauspiel mit schief gelegtem Kopf. Dieser...! Ich biss mir auf die Lippe. Ehrlich gesagt, ich wusste es nicht. Sollte er es doch selbst herausfinden. Also grummelte ich etwas Unverständliches. Er schien zu überlegen, nahm den Becher aber dann doch an. Ich warf einen Blick zu dem Hund. Warum guckte der denn so komisch? Ob er mich beißen würde wenn kein Zucker im Kaffee war? Nein, bestimmt nicht. So weit würde der Typ bestimmt nicht gehen...oder? Vorsichtshalber riss ich ihm den Kaffee wieder aus der Hand und lief zurück zum Mäcces damit. Ich konnte ihn hinter mir etwas rufen hören, verstand aber nicht was. Schnell wühlte ich am Tresen nach einem Tütchen Zucker und so einem Milchdöppchen und nahm lieber von beiden zwei wieder mit nach draußen. Fast hätte ich den Kaffee vergessen, den ich auf den Tresen, zum besseren Wühlen, gestellt hatte. Warum machte ich das eigentlich? Da ich keine Antwort fand, tat ich es einfach und lief zurück zu dem Typen. Langsam fing mir das Ganze an Spaß zu machen. Interessiert was weiter geschehen würde, legte ich meine Gitarre wieder beiseite und wartete, bis er wieder vor mir stand und mir den Becher plus Kaffeesahne und Zucker in die Hände drückte. Ich schmunzelte amüsiert über sein mürrisches Gesicht und wiederholte, was ich ihm eben hinterher gerufen er aber wie es aussah nicht gehört hatte. "Ich hasse Zucker im Kaffee." Ich warf ihm das Tütchen wieder zu und er versuchte es aufzufangen, bekam es aber nicht zu fassen und es fiel zu Boden. Mit einem Satz war Jamie bei der weißten Tüte und der Kerl machte einen erschrockenen Satz zurück. Ich zog Jamie an der Leine wieder zu mir und konnte jetzt nicht anders als mein Grinsen offen zu zeigen. "Und ich trinke Kaffee nur mit Milch, nicht mit Sahne." Beleidigt verschränkte ich die Arme und schob meine Unterlippe vor. Nein, ich würde jetzt nicht noch mal zurück in den Mäcces laufen. Wär ja noch schöner! Stattdessen sollte ich mir lieber eine passende und treffende Bemerkung einfallen lassen! "Du...", 'Gut einen Anfang hast du schon gemacht, Elis! Jetzt nur noch der Rest' feuerte ich mich selbst an. Der Typ sah mich interessiert und mit einem fast vorfreudigem Funkeln in den Augen an. Wollte der mich etwa vergackeiern? Nicht mit mir! "Du kannst mich mal!" Ich lachte und stellte den Kaffee neben mich, bevor ich aufstand. Der Kleine war echt zu süß. Und er hatte einen tollen Hintern. Klein und knackig, so wie ich es mochte. Und seine grimmige Miene war auch einfach nur goldig. Vor allem die kleine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen, wenn er mich vergrätzt anfunkelte. "Nichts lieber als das", grinste ich ihn schelmisch an, als ich stand - ich überragte ihn mehr als einen Kopf - und reichte ihm die Hand. "Mein Name ist Valentin. Aber du kannst mich Valle nennen. Und das ist Jamie." Ich zeigte auf ihn. "Wir sind schwul." Mein Mund klappte auf und zu. Mit riesigen Augen glotzte ich ihn an. Weil erstens: "Nichts lieber als das?" Ich spürte wie ich rot wurde. Verdammt, mir wurde überall so kribbelig, dabei hatte er es bestimmt nicht mal ernst gemeint und wenn dann nur auf eine wirklich unverschämte Art. Zweitens, war er verdammt groß. So sah er gar nicht aus, wenn er da so auf dem Boden rumlümmelte. Drittens, was sollte ich zu so einer Vorstellung sagen? Einen Knicks machen und "Angenehm. Oh und ich bin Elis!" flöten? Viertens: "Wir sind schwul?" Meinte er etwa den Hund? Und fünftens, wie konnte er das einfach so sagen? So offen, so ganz ohne... Scham? Ich würde mich das niemals trauen. Mal davon abgesehen, dass ich mir meiner Sache sowieso nicht sicher war. Ich meine ob ich - selbst in Gedanken konnte ich das Wort nur flüstern - ...schwul...war. Wie auch? In der Welt meiner Eltern gab es das Wort nicht. Und in den gesellschaftlichen Kreisen, in denen sie sich bewegten, war es sowieso tabu. Es war so unfair. Ich war mir nicht mal sicher und der Kerl da konnte es einfach so hinaus posaunen. Ich glubschte immer noch und erst jetzt fiel mir seine ausgestreckte Hand auf. "Elis", sagte ich und ich Vollidiot machte doch tatsächlich einen Knicks. Hatte ich eben nicht eben noch gedacht, dass ich genau das nicht machen würde?! 'Okay sag noch irgendetwas. Sonst wird’s richtig peinlich', schallt ich mich innerlich. Auf das "Nichts lieber als das" traute ich mich nicht einzugehen. Also fragte ich: "Wir?" Leicht irritiert lächelte ich, also er wie ein braves wohlerzogenes Mädchen einen Knicks machte und zwang mich nicht laut herauszulachen. Er legte seine Hand in meine und leicht spöttisch deutete ich eine Verbeugung an, tat so als würde ich einen Kuss auf seinen Handrücken hauchen. "Stets zu Diensten, Elis." Ich lies seine Hand nicht los, wies mit der anderen auf den Hund, der jetzt freudig an seiner Seite hochsprang und sich den Kopf tätscheln ließ. "'Wir' meint mich und den Hund." Ich grinste. "Er hat einen Lover musst du wissen", fügte ich flüsternd in vertraulichem Ton hinzu. Ganz ehrlich? Als er mir den angedeuteten Handkuss gab und dieses "Stets zu Diensten" säuselte, wurden meine Knie weich und ich wäre gerne wie eine echte Lady in Ohnmacht gefallen. Schließlich hatte er sich gerade wie ein Gentleman benommen... Wenn auch nur gerade. Ich glaube ich bildete mir ein, dass er ganz leicht mit dem Daumen über meinen Handrücken strich, erschrak aber zu sehr vor dem an mir hochspringenden Hund, um weiter darüber nachzudenken. Vorsichtig tätschelte ich dem Monstervieh den Kopf und stellte erfreut fest, dass er ein ganz schönes, weiches Fell hatte. "Einen Lover?", fragte ich irritiert, wie konnte ein Hund einen Lover haben? Es sah bestimmt merkwürdig aus, wie wir hier rumstanden, meine Hand immer noch in seiner. Ob wir so aussahen, als würden wir Händchen halten? Oder doch nur wie zwei, die sich die Hand schüttelten? "Ja", lächelte ich und ließ meine Hand sinken, seine aber nicht loslassend. Er folgte der Bewegung unsere Hände mit seinem Blick und schaute dann schnell wieder hoch. "Einen Rüden aus unsere Siedlung. Die beiden lieben sich echt abgöttisch, lassen keinen anderen Hund an den anderen ran. Echt süß." Elis war auch echt süß. Anders konnte man es leider nicht sagen. Seine Wangen waren gerade leicht rosa, man sah ihm an, dass er verlegen war und dass ich so einfach gesagt hatte, dass ich schwul war, hatte ihn sichtlich geschockt, verblüfft. "Außerdem...", grinste ich, "sind sie echt scharf aufeinander." Verlegen aber lächelnd senkte er den Blick und ich ließ schnell seine Hand los. "Du hast ja Grübchen!", rief ich schon fast. Also wenn er lächelte war er ja gleich noch tausendmal niedlicher, als wenn er muffelte. Ich musterte ihn noch einmal von oben bis unten. Wie alt er wohl war? Wieso hatte er das denn jetzt so...komisch betont? Scharf aufeinander. Meinte er die Hunde, oder...uns? Und was meinte er mit scharf aufeinander? Machten die Hunde etwa...oh. Mist, jetzt wurde ich verlegen. Oh, nein! Jetzt hatte er meine Grübchen gesehen! Ich mochte meine Grübchen nicht. Die ließen mich wie ein kleines Kind aussehen. Es war wirklich so. Es war schön öfters passiert, dass Omas mir Bonbons oder anderes zugesteckt, mir durch die Haare gewuschelt oder noch schlimmer in die Wange gezwickt und so etwas wie "So ein süßes Kerlchen!" dazu gesagt hatten. Jeder der meine Grübchen sah schätzte mich für viel jünger ein, als ich war und nahm mich nicht mehr für voll. Schnell hob ich meine Hände und versteckte meine Grübchen unter ihnen. "Och, nein. Komm, nicht verstecken." Sanft entfernte ich seine Hände von seinem Gesicht und er ließ es mit sich machen. "Die sind doch süß." Er wurde noch einen Tacken röter als eben schon und langsam machte das keinen Spaß mehr. Er sah doch echt niedlich aus, wenn er so schüchtern rüber kam, aber vorhin hatte er viel mehr Feuer gehabt. "Wo ist denn deine spitze Zunge von eben, die hat mir besser gefallen." Zugegeben, seine 'Beleidigungen' waren haarscharf an der Grenze zu 'lächerlich' vorbeigerutscht, Zwölfjährige hatten mich schon schlimmer beleidigt, aber wenn er so verzweifelt nach einer passenden suchte, wirkte er wieder so richtig dämlich. Süß dämlich. Jamie, der anscheinend merkte, dass er nicht mehr viel von Elis zu erwarten hatte, setzte seine Forderpfoten wieder auf den Boden und schnüffelte ein letztes Mal an seinen Beinen, bevor er sich neben mich setzte und mich erwartungsvoll ansah. Ich ignorierte ihn. Elis schien nicht vorzuhaben zu antworten. "Wie alt bist du eigentlich?" Wieder musterte ich ihn. Recht groß war er ja, Stimmbruch war eindeutig vorhanden... "Sechzehn, siebzehn?" Süß? Das hatten schon Omas, Tanten und tausende andere weibliche Wesen zu mir gesagt. Aber noch nie...ein Kerl. Ob er das auch wirklich ernst meinte? Spitze Zunge? Jetzt nahm er mich aber wirklich auf den Arm. Ich wusste, dass meine 'Beleidigungen' kaum ernst zu nehmen waren. Aber wo bitte hätte ich auch Fluchen lernen sollen? Niemand in meiner Umgebung fluchte. Jedenfalls niemand, den ich kannte. "Ich bin fast achtzehn!", motzte ich auf seine Frage hin und sah ihn beleidigt an. Ich war doch keine sechzehn! "Oh, tut mir Leid, der Herr." Ich lachte. "Ich wollte Sie nicht beleidigen, natürlich sind Sie bald achtzehn." Jamie hatte beschlossen, dass es ihm zu langweilig geworden war und hatte sich daran gemacht ein bisschen den Boden abzuschnuppern und ich trat auf seine Leine, die einfach nur am Boden lag, damit er stehen blieb. Was er auch tat, als er den Zug an der Leine spürte und sich fragend nach mir umsah. "Hierher, Freundchen", bestimmte ich und zeigte neben mich. Er gehorchte, so wie er immer gehorchte, er war zum Glück gut erzogen, sonst könnte ich ihn nie den ganzen Tag mit in die Stadt nehmen. "Willst du...ähm..." Ich drehte mich unschlüssig zu meinen Sachen herum, meiner Gitarre, der Gitarrentasche, meinem Rucksack und der Sweatjacke, auf der ich gesessen hatte - die Becher mit Kakao und Kaffee standen immer noch daneben - und beschloss, dass ich ihm ja wohl kaum einen Platz neben mir anbieten konnte. Er musste sowieso den Eindruck haben, dass ich ein Schnorrer war. Was ich ja irgendwie auch war, nur eben nicht darauf angewiesen. "Was hast du jetzt vor? Musst du nicht in die Schule?" Gott sei Dank gehorchte ihm der Hund. Mir war es lieber, wenn er schön bei…Valle blieb. Nicht das er noch auf die Idee kam, doch noch ein bisschen an mir rumzuknabbern. Wobei wenn Valle das tun würde-...'Aus, Elis! Gar nicht erst dran denken.' Oh man, das war knapp gewesen. Bevor ich darüber nachdenken konnte, was er mir wohl hatte anbieten wollen, kam die Frage nach der Schule. Misstrauisch sah ich ihn an. Das war doch keiner, der Schulschwänzer abfing? Ach, Quatsch, nein, der war doch selbst noch viel zu jung. Wie alt war er eigentlich? Ob ich ihm sagen konnte, dass ich mir heute 'frei genommen' hatte? Ich beschloss es einfach zu tun, schließlich hockte er hier ja auch rum und war bestimmt keiner, der wegen so etwas die Nase rümpfte oder gleich Ärger machte. "Müssen schon, aber wollen..." Ich zuckte noch aussagekräftig mit den Schultern. "Aah." Ich nickte und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Du klingst nach einem klugen Jungen." Ich hob die Leine vom Boden auf und drückte sie ihm in die Hand. "Halt mal." Ich bückte mich, legte die Gitarre in die Tasche und schloss den Reißverschluss, schnappte mir meine Jacke, schmiss sie in den Rucksack und schulterte diesen. "Dann hast du ja jetzt nichts vor, oder?" Breit strahlte ich ihn an und nahm ihm die Leine wieder ab, stiefelte Richtung Stadtwiese und hoffte einfach, dass er mit Folgen würde. Auf jeden Fall war es wesentlich komfortabler sich dort auf eine Bank oder die Wiese zu hauen, als mitten in den Straßendreck in der Hauptfußgängerzone zu sitzen. Wäre im Endeffekt wohl auch besser für seine Klamotten, die sahen alle ziemlich schnieke aus. Würde ich auf so was Wert legen, wäre ich mir jetzt mit meinen verschlissenen und auch schon zerrissenen Jeans und dem einfachen weißen T-Shirt schäbig vorgekommen. Aber...so was war mir eigentlich egal. Er konnte mir doch nicht einfach die Leine von diesem...Riesenvieh in die Hand drücken! Und warum packte er jetzt seine Sachen? Als er mich so breit anstrahlte, fing wieder alles in mir an zu kribbeln. Ich bekam seine Frage nur halb mit und starrte ihm ein wenig verblüfft hinterher, als er mir die Leine wieder abnahm und einfach davon latschte. Dann folgte ich ihm schnell, holte ihn ein und achtete darauf auf der Seite zu gehen, auf der der Hund nicht lief. "So", fing ich an um die Konversation in Gang zu bringen. "Du schwänzt also? Ich hab dich hier in der Stadt noch nie gesehen und ich sitze eigentlich immer hier um diese Uhrzeit. Okay, manchmal auch woanders, aber meistens hier." Jamie trottete gemächlich neben mir her, Elis auf der anderen Seite. Ob ich ihm auch eine Leine... Ähem. Falsche Richtung, Valle, komplett falsche Richtung. Wir wollen ja nicht, dass er gleich schreiend wegläuft. Er hat ja schon genug Schiss vor dem Hund. Ich musterte ihn von der Seite, seine Miene wirkte jetzt irgendwie verschlossen und nachdenklich, also wäre er mit den Gedanken ganz woanders. Hatte er mir überhaupt zugehört? Ich presste meine Lippen aufeinander. Wie viel konnte ich ihm erzählen? Wie viel sollte ich ihm erzählen? Wollte ich ihm überhaupt antworten? Es wäre unhöflich nicht zu antworten. Manchmal gingen mir meine Manieren mir echt auf die Nerven. Ich seufzte und blickte auf meine Füße. Entschied mich dann dazu zu antworten. "Ist mein erstes Mal." Sein erstes Mal? Ich hüstelte gekünstelt, grinste in mich hinein und musste dann doch lachen. "Sorry", sagte ich und blieb stehen, weil Jamie meinte an einen Mülleimer pinkeln zu müssen. "Dann warst du also bis gestern noch Jungfrau?" Ich grinste ihn an, aber er grinste nicht zurück, schaute nur verlegen weg - das konnte er echt gut - und lief weiter mit eingesunkenen Schultern neben mir her, als Jamie wieder an der Leine zerrte. Ich seufzte leise und stupste ihn dann an. "Was ist denn los, Kleiner? Hast du Schiss jemand erwischt dich oder warum guckst du plötzlich so?" In der ersten Sekunde hatte ich gedacht, er hätte die Art von Jungfrau gemeint und kam mir gleich noch blöder vor. Er konnte ja nicht wissen, dass ich noch nie... Und ja ich hatte Schiss. Gewaltigen Schiss. Ich wollte mir überhaupt nicht vorstellen was passierte, wenn man mich erwischte. Wie meine Eltern reagierten. Das hört sich ziemlich nach einem Weichei an, aber das war ich ja auch. Nie hatte ich etwas getan, was meine Eltern hätte verärgern können. Ich war immer der perfekte Sohn gewesen, hatte nie etwas hinterfragt, sondern immer nur gehorcht. Und ich konnte nicht mehr. Ich fühlte mich leer und stumpf innen, hatte das Gefühl nie wirklich etwas erlebt zu haben, nie wirklich gelebt zu haben. Aber wie sollte ich das Menschen erklären, die so vollkommen glücklich in ihrer Welt lebten, die mich so einengte. Wenn ich mutig gewesen wäre, hätte ich mein gesamtes Erspartes zusammengeklaubt und hätte mich davon gemacht. Ganz weit weg. Aber ich war nicht mutig. Und alles was ich wagte war lächerliches Schule schwänzen. Ich musste kräftig schlucken und traute es mir gerade nicht zu sprechen. Ein Schulterzucken und vages Nicken mussten Valle fürs Erste reichen. Ich seufzte erneut. Vertraut legte ich einen Arm um seine Schulter, klein genug war er ja, dass wir ganz normal weitergehen konnten. "Mach dir keine Sorgen, Elis. Mir ging’s am Anfang genau so, ich hatte total Schiss, dass ich irgendjemanden treffe, der mich kennt und meinen Eltern was petzt. Ich hab mich nicht mal getraut in die Stadt zu gehen, sondern hab mich an einen See bei uns in der Nähe gehauen, irgendwo zwischen die Büsche und hab gelesen. Oder Gitarre gespielt." Ich wuschelte ihm durch die dunklen Haare. "Das gibt sich, glaub mir. Und in der Schule hat danach auch niemand was gesagt." Ich versuchte ihn damit zu trösten, aber irgendwie schien es nicht richtig Früchte zu tragen. Aber ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte, ich konnte sowieso nicht trösten, darin war ich eine Null. Als er seinen Arm um mich legte, hätte ich mich am liebsten einerseits an ihn gedrückt und ihn andererseits wieder fortgedrückt. Stattdessen ging ich einfach weiter schweigend neben ihm her. Lange würde es bei meiner Schule sicher nicht dauern, bis sie sich bei mir meldeten. Dank meiner Eltern ging ich ja nicht auf irgendeine öffentliche Schule... Nein, nur das Beste vom Besten, auch wenn es mich erdrückte. Wir kamen an der Stadtwiese an und erst jetzt verstand ich wohin Valle mich geführt hatte. Dieser betrat die Wiese und sah sich um. Er warf einen Blick auf mich und ich hatte das Gefühl, er würde meine Kleidung mustern. Dann schritt er auf eine nahe gelegene Bank zu. Ich folgte, zögerte dann und überholte Valle, ging auf ein sonniges Stück Rasen zu, kontrollierte ob der Boden einigermaßen trocken und sauber war, zog dann meine Jacke aus und legte sie mit der Innenseite nach unten. Ich sah zu Valle rüber, der mich ein wenig überrascht ansah und ließ mich dann auf meine Jacke nieder, lehnte mich ins Gras zurück und schloss die Augen. Ich konnte hören, wie er sich neben mich setzte. Ich war überrascht, als er sich einfach so sang- und klanglos auf die Wiese legte, sagte aber nichts und schmiss mich daneben. Ich machte Jamie los, auch wenn es eigentlich nicht erlaubt war, aber er hörte ja sowieso auf mich. Er schnupperte ein bisschen in der Gegend rum, erleichterte sich dann ein paar Mal an ein paar Bäumen und Büschen und schleppte irgendwann einen großen Stock an, den ich ihm warf. Elis sagte nichts mehr, seit wir die Stadt verlassen hatten und irgendwann sah ich nicht mehr ein, dass ich immer labern musste, aber keine Reaktion bekam. Also spielte ich mit dem Hund, tollte mit ihm rum und ließ mich irgendwann neben Elis ins Graß fallen, mit Jamies Kopf auf dem Bauch und ließ mir die Sonne ins Gesicht und auf die Arme scheinen. Wir schwiegen die ganze Zeit, was mich irgendwann einfach nur noch nervte. Seine schlechte oder eher melancholische Stimmung ging mir auf den Sack und meine schlechte Laune von heute Morgen kehrte zurück. Später am Tag, gegen Mittag, stand ich schließlich auf, ließ Elis wissen, dass ich jetzt wieder in die Fußgängerzone musste, um mir mein heutiges Geld zu verdienen, pfiff Jamie hinter mir her und überließ es ihm, ob er mir folgte oder nicht. Wäre er mir nicht gefolgt wäre es mir auch egal gewesen, in dem Moment war er mir wirklich ziemlich egal, ich war schließlich nicht auf ihn angewiesen. Ich hatte mein Bestes versucht, wenn er nicht wollte, sollte er sehen wo er blieb. Hier einfach nur so auf der Wiese zu liegen, sich von der Sonne wärmen zu lassen und nichts zu tun oder zu sagen, hatte mir gut getan. Ich fühlte mich besser. Viel besser. Und es hatte gut getan nicht alleine zu sein. Auch wenn Valle nach einer Weile recht genervt schien. Als er so einfach aufstand und mir erklärte er würde in die Stadt zurückgehen, hatte ich das Gefühl schuld an seiner miesen Laune zu sein, was ich wohl auch war. Ich zögerte. Einerseits war es wirklich schön hier und ich wollte nur ungern wieder aufstehen. Aber andererseits wollte ich auch bei Valle bleiben. Während ich noch darüber nachdachte, was ich tun sollte, verschwanden Valle und Jamie aus meinem Blickfeld und ich fühlte mich plötzlich einsam. Also rappelte ich mich auf, klopfte mich und meine Jacke ab und lief zurück in die Stadt. Ich hatte ein wenig Angst, ihn im jetzt dichten Gedränge nicht mehr zu finden, aber dann viel mir ein, das er ja gesagt hatte, dass er sich eigentlich immer vor dem Mäcces aufhielt. Und tatsächlich war er gerade dabei seine Sachen wieder an der gleichen Stelle von heute morgen auszubreiten, als ich dort ankam Eilig schritt ich zu ihm und ließ nach kurzem Zögern und einem Blick auf seine undeutbare Miene meine Jacke neben ihn fallen, wieder mit der Innenseite nach unten und setzte mich zu ihm. Als sich Elis neben mich setzte, würdigte ich ihn keines Blickes. Nicht, weil ich verächtlich sein wollte, ich stimmte meine Gitarre. Aber ich wollte ihn auch nicht unbedingt ansehen, wie gesagt war ich sauer. Jamie hatte sich brav neben mich gelegt, er kannte das schon. Er würde eh irgendwann einschlafen oder die Passanten mit mitleidigem Blick angucken. Jamie war ein Geldmagnet. Wirklich, er konnte das gut. Bevor ich begann mein übliches Programm zu spielen - es setzte sich größtenteils aus verschiedenen Rockklassikern, einigen bekannten Balladen und vielen Songs meiner derzeitigen Lieblingsbands zusammen - warf ich Elis noch einen kurzen Blick zu. Ich war mir im Klaren, wie lächerlich wir aussehen mussten. Ich in meinen abgenutzten, leicht schäbigen Klamotten und er in seinen sauberen Hosen und dem ordentlichen T-Shirt, bei dem ich mir sicher war, dass es sogar gebügelt war. Wenigstens guckten die Leute so zweimal hin. Dann begann ich zu spielen und das mit kurzen Pausen fast drei Stunden lang. Dann fing meine Stimme wie immer an leicht zu kratzen und ich musste eine längere Pause einlegen, ich hatte sowieso einen Riesenhunger langsam. Jeden Tag die gleiche Tour, ich kannte das schon zur Genüge. Mist, er war immer noch sauer auf mich. Ein wenig eingeschüchtert senkte ich den Blick auf meine Hände. Valle begann neben mir zu spielen. Als er dann aber zu singen begann, ruckte mein Kopf wieder hoch und ich starrte ihn mit offenem Mund an. Scheiße, war der gut! Und seine Stimme war einfach...ich wusste nicht recht wie ich sie beschrieben sollte. Sie klang dunkel, sanft, aber das wirklich Ausdruckstarke an ihr war das leicht raue in ihr. Es fing einen ein, schien durch einen zu dringen und hinterließ eine angenehme Gänsehaut, trotz dessen, dass es Sommer war. Den Leuten, die an uns vorübergingen, schien es nicht anders zu gehen, sein Gitarrenkoffer füllte sich recht gut. Ich hätte ihm ewig zuhören können. Als er seine erste Pause machte, bemerkte ich die schrägen Blicke, die man uns zu warf und mir fiel auf, wie fehl ich hier eigentlich am Platze wirken musste. Ich begann mich leicht unwohl zu fühlen. Doch als Valle wieder begann zu singen, mochte ich einfach nicht aufstehen und gehen. Stattdessen blieb ich neben ihm sitzen, hörte ihm zu uns sah ihn an. Da fiel mir etwas an seinem Hals auf. Es sah aus wie ein Knutschfleck, nein, eher wie ein Lippenstiftabdruck. Oder war es ein Tattoo? Ich hätte ihn nur zu gerne gefragt, aber ich wollte ihn nicht unterbrechen. Als Valle dann irgendwann eine längere Pause einlegte, fiel mein Blick auf meine Uhr und ich erschrak. Ich hätte schon vor zwei Stunden wieder zu Hause sein müssen! Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und schnappte mir meine Jacke. Ich warf einen unsicheren Blick zu Valle, wusste nicht recht was ich sagen sollte, sah noch mal auf die Uhr und lief mit einem "Tut mir Leid, ich muss." los. Erst später viel mir ein, dass ich ihn gar nicht gefragt hatte, ob ich mich morgen wieder zu ihm setzen durfte, oder ob er noch sauer war. Als Elis plötzlich aufsprang, seine Sachen schnappte und mit ein paar Abschiedsworten verschwand, war ich...nein, sauer war ich nicht mehr. Ich konnte nur noch resignierend seufzen, meine Gitarre wieder zur Hand nehmen und noch eine zweite Runde einlegen. Diesmal dauerte sie nicht so lange und als es gegen Abend ging, packte ich zusammen und machte mich auch auf den Weg nach Hause. Zwar murrte alles in meinem Inneren, wenn ich ab und zu wieder an Elis dachte, aber ich zwang mich das abzutun und mich nicht weiter aufzuregen. Gelinde gesagt...ich fand er hatte einen miesen Charakter. Das klang jetzt hart, aber...ich hatte keine Ahnung mehr, warum er das heute Morgen gemacht hatte, vielleicht hatte er nur Gesellschaft gebraucht oder jemanden der aussah, als könnte er auf ihn aufpassen. Aber wenn er Gesellschaft gesucht hatte, warum hatte er dann nicht mit mir geredet? Selbst die größte Depriphase ist irgendwann vorbei und wir hatten fast den ganzen Tag aufeinander gehockt. Er war ja ganz süß, aber...nein, wieso sollte ich mich für jemanden ins Zeug legen, mit dem ich nicht mal richtig klar kam, mit den ich nicht mal reden konnte? Ich wusste ja nicht mal, wie er gepolt war und irgendwie war es mir zu anstrengend das herauszufinden. Und dann fiel mir ein, dass ich ihn vielleicht sowieso nicht wieder sehen würde. Also musste ich mir um so was doch eigentlich keine Gedanken machen. Ich war schon reichlich dämlich. Kapitel 2: Midlife Crisis & Kreativität auf der Flucht ------------------------------------------------------ Dieses Kapitel ist...na ja. Spät, stumpf, unlogisch und Valle scheint schon mit nicht mal ganz 20 in der Midlife Crisis versackt zu sein. Oder er befindet sich in der Menopause. Weiß man ja nicht. Außerdem leiden wir an chronischem Motivations- und Kreativitätsmangel. Man merkts. Blödsinn labern kann ich immer noch. Ansonsten viel Spaß. :D' ~*~*~ Ich hatte Glück gehabt. Meine Eltern waren nicht da gewesen, nur unsere Haushälterin und die konnte mich gut leiden. Also würde es keinen Ärger geben. Ich hatte ein wenig ein schlechtes Gewissen wegen Valle. Aber gestern war einfach alles zu viel für mich gewesen. Die ganze Aufregung, das Hoch und Tief meiner Gefühle. Ich hoffte ich würde ein wenig routinierter werden. Und ich hoffte, ich könnte Valle wieder sehen. Mich neben ihn setzen und mich mit ihm unterhalten. Aber irgendwie hatte ich Angst, dass er das nicht mehr wollte. Auch heute schlich ich wieder durch die Stadt, diesmal aber eher, weil ich mich nicht traute direkt zu Valle zu gehen. Er und Jamie saßen wieder vor dem Mäcces. Ich zögerte. Wusste nicht was ich tun sollte. Ich trat einen Schritt auf sie zu, Jamie und er hoben den Kopf, sahen zu mir rüber. Sein Blick hieß mich nicht gerade willkommen. Mir wurde flau im Magen und ich wandte mich ab, ging stattdessen in den Mäcces. Kurz darauf kam ich wieder raus, mit einem Kaffee, einem Kakao und zwei Donuts beladen. Ich holte tief Luft und ging dann doch zu Valle rüber. Er sah nicht auf, nur Jamie begrüßte mich mit einem freundlichen Schwanzwedeln. Vielleicht begrüßte er auch eher die Donuts. Ich stellte den Kaffeebecher vor Valle ab und legte einen der Donuts oben drauf, der von Jamie fixiert wurde. Dann suchte ich nach den richtigen Worten. "Es tut mir leid. Gestern...da war nicht mein Tag. Ich...", wusste nicht weiter und er sah mich immer noch nicht an. Als ich den Blick hob und Elis da stehen sah, wusste ich nicht, wie es mir gehen sollte. Er sah traurig aus, unsicher und als täte es ihm Leid. Ich wusste, dass ich versucht hatte mir einzureden, ihn eh nicht wieder zu sehen und trotzdem gehofft hatte, dass er heute wieder hier stehen würde. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte oder nicht. Und als er sich abwandte und im Mäcces verschwand, wusste ich nicht ob ich erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Also beschloss ich ganz einfach schlechte Laune zu kriegen, das war schon mal gut, darin war ich ein Meister. Als er dann doch wieder auf mich zukam, zog ich die Augenbrauen missmutig zusammen und beschloss ihn nicht mehr zu mögen – ich weiß, ich benahm mich wie ein kleines Kind - und ihn zu ignorieren. Ebenso wie den Kaffee und den Donut. Gestern hatte er es sich verscherzt, das passierte öfter im Leben, man konnte nicht mit jedem Freundschaft schließen. Oder mögen, weil er gut aussah. Als er sich so, wie ich fand, halbherzig entschuldigte, schaute ich demonstrativ auf meine Uhr und kraulte Jamie hinter den Ohren. Ich musste etwas sagen und zwar schnell. "Ich mag keinen vegetarischen Schmalz", war das erste, was mir einfiel. Ich glaube, ich guckte genau so ungläubig und verwirrt wie Valle, der sich kurz dabei unterbrach Jamie zu kraulen und mich ansah. "Ich mag auch keinen tierischen Schmalz", haspelte ich schnell weiter, bevor noch seine Aufmerksamkeit wieder schwand. "Aber meine Ma kauft immer vegetarischen Schmalz, weil ich ihr einmal gesagt hab ich würde ihn mögen, dabei stimmt das gar nicht. Und jetzt erwartet sie immer, dass ich ihn esse, dabei wird mir schlecht davon. Und ich hab ein bisschen Schiss davor, es ihr zu sagen, weil es sie doch so glücklich macht, wenn ich den blöden Schmalz esse. Genauso wie ich gestern Schiss davor hatte erwischt zu werden. Das hat so sehr meinen Kopf beherrscht, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte. Und das tut mir leid, weil ich es gestern wirklich schön mit dir fand... Besonders als du gesungen hast. Bitte sei nicht mehr sauer auf mich. Und wenn du weiter sauer bist, hast du was dagegen, wenn ich mich trotzdem in deine Nähe setze? Ich würd dich gerne singen hören...oder mich mit dir unterhalten..." Abwartend und zaghaft lächelnd sah ich ihn an. Mich mit mir unterhalten? Ach ja, stimmt, man merkte sofort, dass er sich gerne mit einem unterhielt. Aber was er da sagte...das war schon irgendwie süß. Und ich war ja nun auch nicht der Kaltherzigste. Außerdem hatte er angedeutet, dass er meine Stimme mochte und...ähem...das hörte ich natürlich äußerst gerne, welcher normale Mensch, der sang, hörte nicht gerne, dass die Stimme den Leuten gefiel. Und schließlich verdiente ich mir damit und mit meinem Gitarrenspiel das Geld, was mein nicht vorhandenes Taschengeld aufbesserte. Ich zeigte auf den Kaffee, "Zucker drin?", und warf Elis einen kleinen Seitenblick zu. Sichtlich erleichtert schüttelte er mit dem Kopf. Aber so leicht würde ich es ihm nicht machen, heute konnte er sich ins Zeug legen, wenn er sich unbedingt unterhalten wollte, ich hatte meine Bereitschaft gezeigt, ob er daraus jetzt deutete, dass er bleiben konnte oder nicht, war mir egal. Ich griff nach dem Kaffee und dem Donut und trank erst mal einen kräftigen Schluck, auch wenn er noch ziemlich heiß war. Balsam für meinen von zu wenig Schlaf geschundenen Körper. Toll jetzt trank er zwar den Kaffee, aber ob ich bleiben durfte, wusste ich immer noch nicht. Da er aber auch nichts Gegenteiliges gesagt hatte, zog ich mir meine Jacke aus und ließ mich neben ihm nieder. Wir schlürften schweigend unsere Getränke und das war mir dann doch irgendwie unangenehm. Ich könnte natürlich auch einfach wieder drauf los reden, aber ich hatte gerade ziemlich viel Blödsinn erzählt, okay, es war wahr, aber deswegen musste es ja nicht noch einmal passieren. Verzweifelt suchte ich nach einem Gesprächsthema. Dann fiel mir etwas ein. "Du...du hast gesagt, dass du auch mal geschwänzt hast. Wie lange hast du geschwänzt? Und bist du deswegen von der Schule geflogen? Sitzt du deswegen immer hier?" Hoffentlich machte es ihm nichts aus, dass ich ihn das fragte. Überrascht sah ich ihn von der Seite an. "Ähm...ich schwänze. Immer noch. Und so weit ich weiß, bin ich noch nicht geflogen, nein." Hatte er mich etwa für einen einfachen Schnorrer gehalten? Einen Arbeitslosen, der sich damit, dass er sich hier von morgens an in die Stadt setzte sein Geld verdiente, weil er es anders nicht bekam oder es nicht ausreichte? Schön wär’s, dann müsste ich wenigstens nicht immer um halb sieben aufstehen und schon in die Stadt torkeln, dann würde ich erst zur Hauptgeschäftszeit antanzen, dann wäre es viel einfacher. "Oh", machte ich einfallsreich. Mist. Voll ins Fettnäpfchen getreten. "Und du wurdest noch nicht erwischt? Haben die nicht bei dir zu Hause angerufen? Oder bringst du regelmäßig Entschuldigungen vorbei?" Wenn das bei ihm so einfach ablief, könnte es ja bei mir auch vielleicht... "Klar, haben die angerufen." Ich wischte mir ein paar Krümel von dem Donut von der Hose und legte Jamie ein Stück hin. Er schnupperte daran und verschlang es schließlich freudig, blickte mich dann weiter mit bettelndem Blick an. Ich grinste und brach ein diesmal kleineres Stück ab, das auch mit einem Haps in seinem Maul verschwand und kräftig durchgekaut und fünfzigtausendmal nachgeschleckt wurde. Ich hielt mich zurück noch mehr zu sagen, auch wenn ich ihn jetzt mit Informationen hätte überschütten können, wie meine Eltern getobt hatten und alles. Aber das konnte er ja alles selber rausfinden, er musste einfach fragen. Ich streckte meine Beine von mir, die durch das ewige Gesitze im Schneidersitz schon wieder wehtaten. Ich überlegte, was ich heute bis Mittag machen sollte, wenn ich nicht schon wieder nur rumgammeln wollte. Aber die Geschäfte machten ja auch erst alle um zehn auf. Ich beobachtete wie er dem Riesenhund ein paar Donutstücke abgab und neselte ein bisschen an meiner Hose rum. "Und du hast keinen Ärger bekommen? Von deinen Eltern? Oder glauben die, dass du jetzt wieder zur Schule gehst?" Vielleicht waren seine Eltern ja nicht so streng. Oder sie hatten den Anruf nicht mitbekommen oder so. Neugierig sah ich ihn an. "’Türlich hab ich Ärger bekommen. Massenweise. Die haben alles versucht, dass ich zur Schule gehe, aber irgendwann haben sie nicht mehr gewusst, was sie machen sollten." Selbst als sie mich eigenhändig zur Schule gefahren hatte, war ich einfach wieder aus dem Hintereingang abgehauen und einen Umweg zur Bahn gegangen. Mittlerweile kamen ja nicht mal mehr Anrufe von der Schule, die Gespräche mit Direx und allem hatten ja auch nichts gebraucht. Ich rechnete damit, dass ich dieses Jahr nicht schaffen würde, wegen der fehlenden Noten oder sie mich irgendwann schmeißen würden. Irgendwie war es mir ziemlich egal. Keine Ahnung warum. "Aber...Hat man dich denn nie von zu Hause abgeholt? Es gibt doch so Leute die das machen." Jedenfalls hatte ich im Fernsehen mal einen Bericht darüber gesehen. Ich wusste nicht ob man das auch hier machte. Vielleicht interessierte sich hier ja niemand so wirklich für Schwänzer. Warum schwänzte er eigentlich? Ob ich ihn das fragen konnte? Aber dann musste ich ihm vielleicht meine Gründe erläutern und ich wusste noch nicht, ob ich das wollte. "Meine Schule legt da nicht so Wert drauf, glaub ich. Dauerhaft schwänze ich schon seit den Osterferien und bis jetzt hat sich nicht wieder jemand gemeldet. Ich glaube, die haben mich aufgegeben." Ich trank den letzten Schluck vom Kaffee und gab Jamie noch ein Stück vom Donut, dann stand ich auf und brachte den Becher in den Mülleimer ein paar Meter weiter. Als ich mich wieder neben Elis setzte, entschloss ich mich, dass ich jetzt mal etwas wissen wollte. "Wieso schwänzt du eigentlich? Und warum gleich den kompletten Unterricht? Ich zumindest hab irgendwann in der Achten ganz klein angefangen mit ein paar Stunden. Bist du so scharf auf Ärger?" Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. "Ich möchte keinen Ärger", begann ich und überlegte wie ich ihm meine Gründe erklären konnte, ohne zu viel zu verraten, vorerst. "Aber ich gehe auf eine sehr strenge Schule, wenn ich nur ein paar Stunden schwänze und dann wieder hingehe, fällt das viel eher auf, als wenn ich den kompletten Tag fehle." Ich sah ihn an. Er schien darauf zu warten, dass ich fortfuhr. "Ich fühle mich nicht wohl in der Schule, sie ist so...", …sehr das, was meine Eltern wollten. Zudem herrschte in der Schule wirklich ein unangenehmes Klima. "So kalt. Ich weiß nicht, wie ich das richtig erklären soll, aber es ist als würde sie mich aussaugen. Innerlich. Verstehst du?" Fragend sah ich ihn und hoffte er verstand, oder würde wenigstens so tun. Ich räuspere mich und mache dann ein unbestimmtes "Mhm." Ich glaub ich verstand ihn echt gut. "Ich war bis zur zehnten auf einer kirchlichen Schule, nichts klösterliches, auch wenn es sich so anhört, aber es war eben keine staatliche Schule. Da war alles privater, man kannte jeden Lehrer und jeden Schüler, war einfach eine warme, familiäre Atmosphäre." Obwohl ich mit Gott und dem ganzen Kram nichts anfangen konnte, ja, nicht mal getauft und deswegen vor allem oft mit den Religionslehrern und den Fanatikern aneinander gerasselt war, hatte ich diese Schule im Gegensatz zu meiner späteren geliebt. Gut, ich war da auch nicht gerne hingegangen, aber im direkten Vergleich wäre ich gerne wieder sechzehn. "An meiner Schule jetzt weiß ich gerade mal die Namen von zwei Leuten aus einer Klasse und die kann ich auch nicht leiden, kenn sie aber schon ewig, deswegen bin ich wohl mehr oder weniger mit ihnen befreundet. Die Schule ist total anders. Man ist da total anonym. Damit komm ich nicht klar." Ich bin nicht gerne einer unter vielen. Auch wenn das vielleicht über meinen Charakter aussagt, dass ich arrogant sein könnte. Erleichtert atmete ich auf. "Bei mir in der Schule kennt jeder jeden. Zumindest weiß man ungefähr wer wer ist. Und das engt ein. Man kann sich keinen Fehltritt erlauben, es wissen sofort alle darüber bescheid. Selbst die Eltern." Und das war das Schlimmste daran, weil es dann immer auf sie zurück fiel und sie sich vor ihren 'Freunden' erklären mussten. Es hatte manchmal regelrechte Dramen und Zerwürfnisse ausgelöst, selbst wenn es eigentlich nur um Nichtigkeiten ging. "Und es ist schwierig Freunde zu finden, weil man nie weiß, ob sie es ernst meinen oder nicht doch nur die geschäftlichen Beziehungen der Eltern fördern wollen." Ich wurde rot. Man das hatte sich jetzt blöd angehört. So richtig schön nach Bonze und Spießer. Ich schämte mich und sprang auf um meinen Kakaobecher ebenfalls in den Mülleimer zu werfen. Ganz langsam kam ich zurück. Ich wollte irgendwie nicht, dass Valle von mir als verwöhntes, kleines Reiche-Leute-Söhnchen dachte. So wie er das erzählte klang das alles ziemlich so, als wäre er ziemlich reich, beziehungsweise seine Eltern und als legten sie viel Wert auf gesellschaftliches Ansehen. Irgendwie tat er mir Leid, aber irgendwie drängte sich jetzt auch die Frage auf, was er eigentlich hier machte. Warum er sich gerade neben MICH setzte und mir einen Kaffee...oh. Jetzt kam ich mir dumm vor. Extrem dumm. Er hatte von mir gedacht ich sei irgendein armer Irrer, der es nötig hatte auf der Straße für sein Geld zu spielen und hatte mir aus Mitleid etwas Gutes tun wollen und mir diesen Kaffee und heute auch noch den Donut besorgt. Wieso schlug er mir nicht gleich ins Gesicht, das wäre weniger an den Stolz gegangen. Als er sich wieder neben mich setzte, sagte ich kein Wort. Irgendwie hatte ich das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben. Ich wusste nur nicht was. Oder fand Valle mich jetzt blöd, weil ich so ein...Bonze war? Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. "Valle?" Kein Ton, er sah nicht mal auf. Er ignorierte mich? "Hab...ich was falsch gemacht? Habe ich was Falsches gesagt? Es tut mir leid, ich wollte nicht..." Ja, was eigentlich? Wie das Spießerkind klingen, das ich nun einmal war? Verlegen senkte ich den Kopf und fummelte an meiner Hose rum. "Ich brauch keine Almosen, klar?!" Meine Stimme klang kalt, als ich das sagte und Jamie hob winselnd den Kopf. Ich kraulte ihn beruhigend und zog die Beine an um aufzustehen. "Ich hab’s dir schon mal gesagt. Von mir aus kannst du bei mir bleiben, wenn du nirgendwo anders hin willst, aber behandle mich nicht wie einen armen Schlucker, der deine Großzügigkeit braucht." Ich schnappte mir meine Tasche und die Gitarrentasche und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust. "Ich will in den Park, willst du mit oder nicht?" Erschrocken sah ich ihn an. Almosen? Wovon sprach er? Verwirrt sprang ich auf und folgte ihm. "Welche Almosen? Was meinst du?" Ich musste fast neben ihm her rennen, weil er so schnell lief. Da fiel bei mir der Groschen und ich wäre fast stehen geblieben. "Meinst du den Kaffee und den Donut?" Ich war ein wenig verwirrt. "Aber der Kaffee war Teil meiner Entschuldigung, wegen gestern. Und den Donut hab ich dir mitgebracht, weil ich Hunger hatte und es doch unhöflich gewesen wäre, wenn nur ich alleine etwas gegessen hätte. Das war nicht aus Mitleid. Glaub mir das bitte." Ich flehte schon fast. Das konnte er seiner Großmutter erzählen, wenn es die interessierte, mich tat es das nicht. Auch wenn ich schlucken musste, weil er so...verzweifelt? klang. "Ich meine nicht nur heute. Aber vergiss es." Abrupt blieb ich stehen und würgte Jamie fast ein bisschen den Hals, weil er ein paar Meter vor mir gelaufen war und er sah sich überrascht zu mir um, ob er etwas falsch gemacht hatte. "Sag mal, Kleiner." Ich versuchte meiner Stimme einen weicheren Klang zu geben, damit ich mich nicht allzu gemein anhörte. "Hast du keine anderen Freunde bei denen du rumhängen kannst, wenn du schon schwänzt? Ich treffe mich heute Nachmittag mit ein paar von meinen, wir wollen gemeinsam ein bisschen Musik machen..." Mehr sagte ich nicht, es klang jetzt sowieso schon genug danach, dass ich ihn loswerden wollte. Er glaubte mir nicht. Ich musste kräftig schlucken und spürte wie es in meinen Augen zu brennen begann. Bloß nicht losheulen, verzweifelt kämpfte ich gegen die Tränen an. Schnell senkte ich den Kopf, starrte meine Schuhe an. Aber als mir dann mehr oder weniger klar machte, dass er mich loswerden wollte, nutzte des heftigste Blinzeln und Schlucken nichts. Ich zuckte als Antwort auf seine Frage unbestimmt mit den Schultern und wandte mich dann schnell ab, weil ich bereits spürte, wie sich die erste Träne löste. Scheiße, jetzt hatte ich ihm zum Heulen gebracht. Ach verdammt, wieso konnte ich auch kein einziges Mal meine große Klappe halten? Und obwohl ich eigentlich kein Mitleid mit ihm haben wollte, weil sein merkwürdiges Verhalten mir an meinen Stolz gegangen war, verspürte ich ein schlechtes Gewissen und berührte ihn vorsichtig an der Schulter. "Hey, Kleiner. Komm, nicht weinen, es tut mir Leid. Du kannst auch mitkommen, wenn du willst, ich hab’s nicht so gemeint." Jamie schon seinen Kopf unter Elis' herabhängende Hand und sah mit treuen Hundeaugen zu ihm rauf. Elis lächelte traurig und seine Grübchen kamen wieder leicht zum Vorschein. Gerade jetzt wirkte er wieder so unglaublich niedlich, dass es mir noch mehr Leid tat, was ich gesagt hatte. Wahrscheinlich hatte er das ganze nur gut gemeint und ich winkte nicht nur mit dem Zaunpfahl, sondern schlug ihm ihn gleich eins Gesicht. "Kleiner?" Mist, jetzt hatte er es doch gesehen. Jamie war wirklich lieb. Scheiße, jetzt musste ich erst recht losheulen. Seufzend stellte ich meine Gitarrentasche neben mich, drehte Elis zu mir rum und zog ihn in meine Arme. Sofort versteifte er sich, aber ich hatte nicht vor ihn loszulassen und strich ihm nur beruhigend über den Rücken. "Es tut mir Leid, okay?" Er schluchzte nur an meiner Schulter und mein Herz quälte sich ab mich nicht umzubringen. "Jetzt sag doch mal was, so ein Idiot kann ich doch gar nicht gewesen sein." Bei seinen letzten Worten musste ich irgendwie ein bisschen lächeln und gleichzeitig schluchzen. Ich versuchte so gut es ging mit dem Weinen aufzuhören, aber es tat so gut endlich mal richtig von jemandem in den Arm genommen zu werden, dass sie nur umso mehr flossen. Außerdem roch Valle gut und hatte ich schon erwähnt, dass es sich gut anfühlte? Aber ich konnte ja nicht ewig in seinen Armen bleiben, auch wenn es noch so schön war, sein T-Shirt war schon nass. Also drückte ich ihn ein wenig von mir und fuhr mir mit der Hand über die Augen. Leider ohne Effekt. "Ist schon gut", schniefte ich. "Ist ja nicht deine Schuld." Noch einmal fuhr ich mir mit der Hand über die Augen, wieder brachte es nichts. Man, ich sah bestimmt scheiße aus. Er sah entzückend aus, wie er da so stand, mit geröteten Augen, feucht glänzenden Wangen und den langen nassen Wimpern. In Filmen wischte der Held dem Mädchen in solchen Momenten die Tränen von den Wangen, küsste sie dann je nach Film zärtlich oder bis zum Schwachsinn und nahm sie dann mit auf sein Zimmer. Leider konnte ich das mit Elis wohl aber nicht machen und eigentlich wusste ich auch gar nicht, ob ich das wollte. Eben war ich noch stinksauer gewesen. Aber jetzt war er wieder so unglaublich niedlich. Und ich wette, sein Arsch hatte sich auch nicht großartig verändert. Räusper. "Doch irgendwie ja schon. Ich hätte nicht so gemein sein sollen." Ich wuschelte ihm durch die Haare, kramte in meinem Rucksack nach Taschentüchern und reichte ihm eins. "Danke." Mit einem Schniefen nahm ich das Taschentuch. Während ich die Tränen wegwischte und mir die Nase putzte, bemerkte ich erleichtert, dass ich mich so langsam beruhigte. "Nein, das war nur...nur..." Ich suchte nach den passenden Worten. Aber die einzigen, die ich finden konnte, klangen ziemlich dämlich. "Irgendwie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat..." Es klang echt dämlich. Fragend sah ich zu ihm auf, er war so groß. Ich hoffte, dass er verstand, wie ich das meinte. Beunruhigt sah ich ihn an. Das klang nach so viel mehr, als es auf den ersten Moment ausgesehen hatte. Ohne großartig drüber nachzudenken wischte ich ihm jetzt doch noch eine letzte Träne von der Wange und machte ein besorgtes Gesicht. "Wieso, was ist denn noch los? Ist es wegen der Schule und dem Schwänzen?" In dem Moment winselte Jamie zu meinen Füßen los und drückte sein Hinterteil an mein Bein. Durch die Seitenstraße fuhr ein Polizeiauto und da wie immer noch nicht viele Leute unterwegs waren und wir hier ziemlich abseits am Rande des Stadtparks standen, fielen wir ihnen sicher auf. Und Elis sowieso, denn er war ganz eindeutig Schüler und wenn sie uns ansprachen konnte er sicher nicht beweisen, dass er schulfrei hatte oder schon eine Ausbildung und dann würden sie ihn sicher vorsichtshalber auflesen und nach Hause bringen. Also tat ich so, als hätte ich das Auto nicht gesehen, schnappte mir mit der einen Hand meine Gitarre, mit der anderen Elis' Hand und zog ihn und Jaime hinter mir her, als wären wir dringend auch dem Weg irgendwohin. Hier in der Nähe war die Musikhochschule, mit meiner Gitarre war das bestimmt glaubhaft. Als er mir die Träne wegwischte, hielt ich unwillkürlich den Atem an. Noch bevor ich dazu kam ihm irgendwie zu antworten, schnappte er sich seine Gitarre und meine Hand und zog mich und Jamie in einem Tempo hinter sich her, dass ich stolperte und wieder fast rennen musste. Der Kerl hatte aber auch lange Beine. Und es war schön seine Hand zu halten. Verwirrt sah ich ihn an. "Was ist los?" Ich versuchte mich umzusehen, aber da zog er mich schnell um eine Ecke. "Lauf einfach so, als hättest du es richtig eilig noch zum Unterricht zu kommen, dann quatscht uns auch niemand an, ob wir in der Zeit nicht in der Schule zu sein haben." Mich sprachen sie meistens gar nicht an, wahrscheinlich weil sie mich für das gleiche hielten, wofür Elis mich gehalten hatte. Na gut, bis auf ein paar Mal bis jetzt sprachen sie mich eigentlich nie an. Ich wollte aber nicht testen, ob sie es heute machen würden. Was mich beunruhigte, war die Tatsache, dass dort eben überhaupt ein Polizeiauto gewesen war, meistens hieß das, dass es noch ein paar mal hier lang fahren würde und so groß war die Stadt leider auch nicht. "Hast du eigentlich irgend einen Ort wo du hingehen könntest, wenn du nicht in die Stadt könntest?", fragte ich Elis und verlangsamte unsere Schritte etwas. In ein Mäcces setzen konnten wir uns nicht wegen Jamie und die meisten Läden machten erst in über einer Stunde auf, sowieso konnte ich kaum irgendwohin, weil ich ja Jamie dabei hatte. Was meinte er damit? Ich hatte irgendwie ein ungutes Gefühl. Aber ich tat, was er sagte, versuchte es jedenfalls. Zum Glück hielt er noch meine Hand, dass gab mir irgendwie ein wenig Sicherheit. Ich überlegte kurz. "Doch es gäbe schon einen Ort. Wir haben so ein kleines Grundstück, eine Art Schrebergarten, mit einem kleinem Häuschen drauf...Aber…" Ich druckste ein bisschen herum. "Aber?", hakte Valle nach, Ich spürte wie ich knallrot wurde "Es ist...ein bisschen unheimlich da...Ich bin da nicht so gerne alleine..." Ich wurde immer leiser und zog den Kopf ein. Valle musste mich ja jetzt für ein ganz schönes Weichei halten. Ich lachte, ließ seine Hand los und wuschelte ihm durch die Haare - irgendwie tat ich das gerne. "Du latschst allen ernstes jeden Tag durch die Stadt, obwohl du dich in ein wahrscheinlich komfortables Gartenhäuschen hauen und die Seele baumeln lassen könntest? Mein Gott, du hast Nerven." Ich knuffte ihn in die Seite und hielt ihn dann am Arm fest, damit er stehen blieb. Nicht, dass wir jetzt in die falsche Richtung liefen. "Hast du die Schlüssel?" Ich mochte es, wenn er mir durch die Haare wuschelte, das gab mir ein gutes Gefühl. Schade, dass er dafür meine Hand losgelassen hatte. Ich wurde noch einen Tacken mehr rot. Einmal wegen meinen Gedanken und weil ich mir so dämlich vorkam bei seinen Worten. "Ja, ich hab die Schlüssel. Ich hab sie vorsichtshalber eingesteckt. Aber...", …mich nicht getraut hinzugehen, ich zog meinen Kopf noch tiefer ein. "Gut. Können wir da hin?" Fragend sah ich ihn an, weil ich mir nicht sicher war, ob ich mich einfach bei sich einladen konnte. Eben hatte ich ihn noch loswerden wollen und sogar zum Heulen gebracht. "Oder...willst du lieber alleine? Ich mein, bei mir ist das okay, ich werd nicht so oft angesprochen und...na ja..." "Nein. Alleine will ich da nicht hin." Mit großen Augen sah ich ihn an. "Wir können da hin. Meine Eltern nutzen es so gut wie nie." Valle fragte mich wo wir hin und lang müssten und ich erklärte es ihm. Schweigend machten wir uns auf den Weg. Ich suchte verzweifelt nach einem Gesprächsthema. Auf dem Weg zur Bahn schwiegen wir und ich wusste auch nicht wirklich, was ich sagen sollte oder wollte. Mir tat das von vorhin noch Leid und irgendwie war Elis jetzt schon wieder so geknickt wie gestern, als wir auch kaum geredet hatten. Also beschloss ich einfach nichts zu sagen, am Ende würde ich nur wieder pissig werden, weil er nicht antwortete. Als wir an der Haltestelle standen, wurde ich schon von weitem lautstark von einem Freund von mir begrüßt, der mich dann umarmte und mir freundschaftlich auf den Rücken schlug. "Na, Valle, du Mof, immer noch am Schwänzen?" Er kraulte Jamie den Kopf, der sofort an ihm hochsprang und ich nickte nur grinsend. "Das ist Elis", stellte ich meinen Begleiter vor und zeigte dann auf den anderen. "Und das ist Manuel." Ich zeigte auf ihn. Elis blinzelte zu ihm hoch, Manuel war noch größer als ich. Dieser Manuel war nicht nur groß, er sah auch gut aus. Aber das tat Valle auch und meiner Meinung nach auch besser. "Hallo", piepte ich. Manuel grinste und wuschelte mir durch die Haare. "Bist ja ein ganz Süßer." Ich merkte wie mein Gesicht einen Hauch von rosa bekam. Und warum wuschelten mir ständig alle durch die Haare? "Dein Neuer?", fragte Manuel Valle, mit einem Nicken auf mich. Ich wurde knallrot. Ich räusperte mich, blickte kurz auf meine Füße, konnte mir aber ein kleines Grinsen nicht verkneifen, bevor ich antwortete. "Nein, wir sind nur Freunde." Hoffte ich zumindest, wir kannten uns ja gerade mal zwei Tage und an beiden hatten wir uns mehr oder weniger in der Wolle gehabt. Und höchstwahrscheinlich war er nicht mal schwul, so wie er auf meine Aussage gestern reagiert hatte. "Er ist ein Kollege", meinte ich und bezog mich damit auf das Schwänzen. Manuel nickte wissend und ich fuhr fort. "Die haben heute Wagen in der Stadt und der Kleine sieht leider nicht annähernd so aus, als dürfte er um diese Uhrzeit draußen sein." Das klang irgendwie komisch. "Seine Eltern haben ein Gartenhäuschen oder was auch immer das ist, da fahren wir jetzt hin." Das Valle mich als Freund bezeichnete, machte mir ein wohliges Gefühl im Bauch. Das mit dem ’um diese Uhrzeit’ fand ich dann aber wieder blöd, das klang als wäre ich ein kleines Kind. In dem Moment fuhr die Bahn ein und wir verabschiedeten uns von Manuel, der Valle noch einmal umarmte und mir wieder durch die Haare wuschelte. Kaum hatte wir uns gesetzt platzte ich neugierig mit einer Frage aus. "Woher kennt ihr euch? Aus der Schule?" Um dann flüsternd fortzufahren, "Schwänzt er auch? Oder wieso ist er um diese Uhrzeit unterwegs?" "Nein, nicht aus der Schule." Ich dirigierte Jamie mit der Leine zwischen meine Beine, er setzte sich brav hin und ließ sich hinter den Ohren kraulen. "Er gehört mit zu meinem Freundeskreis, aber ich würde mal sagen er schwänzt heute auch. Sonst wäre er ja nicht hier. Allerdings kann er sich im Gegensatz zu mir in ein Café oder ins Mäcces setzen, er hat ja keinen Hund dabei." Ich überlegte, ob ich rechtzeitig wieder in der Stadt war, um mich nachher mit den anderen treffen zu können, oder ob ich absagen musste. Ehrlich gesagt fände ich das jetzt nicht mal so schlimm, gerade war Elis' Gegenwart wieder ziemlich angenehm. Das war sie eigentlich immer, wenn...na ja, eigentlich regte ich mich ja die ganze Zeit über ihn auf. Aber ich mochte ihn trotzdem in meiner Nähe haben und das bereitete mir jetzt ein bisschen Sorgen. Ich durfte nicht riskieren, dass er mir jetzt zu sehr gefiel, ich wusste ja nicht einmal, woran ich bei ihm war. Kapitel 3: Neugier & Entdeckungsfreude -------------------------------------- Schicken wir Elis und Valle auf Entdeckungsreise und hoffen wir, dass sie nicht von Löwen oder Flamingos gefressen werden oder aus dem Safarimobil purzeln. :] Beta musste diesmal leider ein bisschen spartanisch ausfallen, deswegen gilt: Fehler? Her damit, die gehören uns. :) Danke schonmal im Vorraus. ~*~*~ Wir mussten ein Stück aus der Stadt rausfahren, um zu dem Grundstück zu kommen, aber die Zeit verging recht schnell, weil Valle mir ein wenig was über seine Freunde erzählte. Zu den Gärten musste man ein Stückchen gehen und ich bekam ein mulmiges Gefühl, ich mochte das Häuschen wirklich nicht, ich fand es einfach unheimlich. Das Gute war, dass wir in der kleinen Gartensiedlung recht zentral lagen, es war also nicht mehr so weit, erklärte ich Valle. Das Schloss des Häuschens klemmte etwas und ich hatte ein wenig Schwierigkeiten damit es auf zu bekommen. Als es endlich aufsprang, öffnete ich die Türe und ließ Valle den Vortritt. Ich trat vor Elis in das Häuschen und sah mich neugierig um. Sofort kam ich mir fehl am Platz vor. Wie konnte ein kleines Häuschen in einer Schrebergartenanlage so aussehen? Alles sah edel und teuer und vor allem sauber aus. Also so gar nicht wie ich oder wie ein Hund, ich kam mir bescheuert vor. Unschlüssig blieb ich stehen und sah mich nach Elis um. "Ihr müsst wirklich viel Geld haben. Gehst du auf eine Privatschule oder so?" "Hmmh. Leider." Mehr wollte ich nicht wirklich dazu sagen. "Setz dich ruhig“, meinte ich und wies auf die Sitzecke mit der Couch und den Sesseln. "Ich glaube wir müssen noch einiges zu trinken und knabbern hier haben. Unsere...Ab und zu kommt jemand vorbei um auszusortieren und aufzufüllen." Ich kam mir blöd und irgendwie plump vor. Ihm auf die Nase zu binden, dass wir eine Haushälterin hatten, die regelmäßig unsere Grundstücke abklapperte und organisierte. Ich holte eine Flasche Limo und eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und aus einem der Schränke eine Tüte Salzknabberzeugs und stellte alles auf den Couchtisch. Ich ließ mich ganz in die Nähe von Valle auf die Couch fallen, das Haus war mir eben einfach zu unheimlich, um alleine auf einem Sessel zu sitzen. Kindisch, aber leider wahr. Ich sagte nichts weiter zu dem was Elis eben erzählt hatte, weil ich wirklich nicht wusste, was ich darauf sagen sollte. Anscheinend hatten sie ja wirklich viel Knete, etwas was ich nie hatte und nie besitzen würde. Soviel war klar...würden Elis und ich weiter befreundet bleiben, würde ich ihn nie zu mir nach Hause nehmen, da würde ich mich in Grund und Boden schämen. Jamie sah sich neugierig um und beschnupperte alles. Unwohl ließ ich meinen Blick ebenfalls schweifen und wünschte Elis würde irgendwas sagen. Das hier war sein Revier, ich wusste nicht wie ich mich hier verhalten oder was ich sagen sollte. Es passierte selten, dass ich mich in irgendeiner Situation unwohl fühlte, aber das hier was eindeutig unbekanntes Terrain. Ich stöpselte mir die Schuhe von den Füßen und zog sie unter mich auf die Couch. Die Stille war unangenehm. Ich wollte etwas sagen, irgendwas, wusste aber mal wieder nicht was. Fieberhaft überlegte ich was ich sagen konnte. Worüber könnte man mit Valle reden? Wofür interessierte er sich? Alles was ich über ihn wusste war, dass er einen Hund namens Jamie hatte, die Schule schwänzte und seinen Kaffee ohne Zucker, dafür mit Milch trank. Das war nicht viel. Und dann fiel mir siedendheiß ein, dass er ja schwul war. Das wäre doch die Gelegenheit, mal was sozusagen aus erster Hand darüber zu erfahren. Die Sache war nur, wie konnte ich danach fragen, ohne dämlich zu wirken oder ihn irgendwie zu beleidigen? Ich schraubte den Verschluss der Wasser Flasche ab, schüttete mir etwas in mein Glas und trank es in einem Zug leer. Dann goss ich mir etwas nach und behielt das Glas in der Hand, es gab mir ein wenig Halt. Okay, auch wenn ich jetzt bescheuert klingen würde, ich würde ihn jetzt einfach fragen. Und hoffen, dass er es mir nicht übel nahm. "Du", begann ich und Valle sah irgendwie erleichtert zu mir rüber. "Sag mal, wie ist es eigentlich...schwul zu sein? Ich meine...wie merkt man das und..." Ich wurde wieder knallrot und mit jedem Wort leiser, bis ich schließlich ganz verstummte. Ich traute mich nicht zu ihm rüber zu sehen. Zuerst verstand ich gar nicht, dann fiel der Groschen und dann war ich irritiert. Und dann musste ich lachen. "Wie soll es schon 'sein', schwul zu sein?", wollte ich wissen. "Und wie man das merkt, das ist bei jedem unterschiedlich, denke ich." Ich wollte mich da nicht festlegen und zu Anfang sowieso nicht allzu viel dazu sagen, mir schien als wäre das Gespräch Elis ziemlich wichtig, nicht einfach nur bloße Konversation, also musste ich ja nicht alles in einen Satz knallen. "Wieso willst du das wissen?" Neugierig rückte ich ein Stück an ihn ran, um seinen Blick einzufangen, aber er blinzelte nur kurz zu mir rüber und schaute dann ganz schnell wieder verlegen weg. "Weil...weil eben", murmelte ich und versuchte irgendwie mein rotes Gesicht zu verstecken. Ich konnte hören wie Valle sich noch näher an mich ran schob. Das war nicht gut, seine Nähe machte mich gerade ganz schön nervös. "Weil?", hackte Valle nach und ich konnte seinen neugierigen Blick auf mir spüren. Nervös drehte ich das Glas in meiner Hand. Ich begann ein wenig herum zu drucksen. " Weil ich es eben wissen möchte, ich bin mir nicht sicher...." Ich fingerte immer schlimmer am Glas rum, bis Valle es mir sanft abnahm und auf den Tisch zurück stellte. "Wobei bist du dir nicht sicher?" "Dabei ob ich nicht auch...schwul bin...", nuschelte ich und wagte nicht von meinen Händen aufzublicken. "Mhm", war das einzige, was ich von mir gab. In meinem Gedanken schwirrten eine Menge Gedankenfetzen und Bilder rum, wie ich jetzt reagieren könnte, was ich sagen oder machen könnte, aber wahrscheinlich ging da nur mal wieder meine Fantasie mit mir durch. Ähem. Ich fand es mutig, dass Elis es so direkt ansprach und - und das klang jetzt irgendwie komisch -, ich fand es gut, dass er es ansprechen konnte und dass er jemanden hatte, den er das fragen konnte. Auch wenn derjenige ich war. Und ich war da vielleicht nicht unbedingt der sensibelste Gesprächspartner. Für mich hätte es einiges leichter gemacht, wenn ich damals jemanden zum Reden gehabt hätte. Aber mein Charakter war auch anders, ich war offener, ich hatte nicht geredet, ich hatte einfach gehandelt. Und ausprobiert. "Wieso denkst du denn, dass du schwul bist?", fragte ich ganz sachlich und musterte Elis' Profil. Er verkroch sich beinahe in sich selbst. "Hast du dich verliebt, oder...merkst du das eher...körperlich?" "Ja", murmelte ich. "Ich war in einen Jungen verliebt. Aus meiner Klasse. Ich mein ich war auch schon mal in ein oder zwei Mädchen verliebt, aber das war irgendwie...anders. Und körperlich, weiß nicht genau, wie du das meinst.“ Ich zuckte mit den Schultern und pulte an meinem Daumen rum. "Aber wenn mich ein Mädchen berührt, ist da nichts. Rein gar nichts. Und wenn ein Junge das macht, dann...hmmh." Ich sprach sehr leise und pulte immer schlimmer an meinem Daumen rum. Ich überlegte, was ich jetzt sagen oder tun sollte, aber das einzige, was mir einfiel, konnte ich jetzt ganz sicher nicht tun. Es wäre mir ein leichtes gewesen seinen Kopf zu mir zu drehen ihn zu küssen. Irgendwas von 'Wir können ja rausfinden, ob du schwul bist' zu schwafeln und das zu tun, was ich bei jedem anderen Menschen jetzt auch wirklich getan hätte. Aber das war Elis. Und er tat sich echt schwer damit und ihn jetzt einfach zu überfallen, nur weil das normalerweise meinem Charakter entsprach, das wäre unhöflich, unpassend und würde ihn total aus der Bahn werfen. Stattdessen legte ich einfach die Hände auf seine, damit er aufhörte an seinen Händen rumzuknaupeln und sagte das, was gerade am nächsten lag. "Tja, Kleiner, so ungern ich das auch so direkt sage, aber wies aussieht bist du wohl schwul. Tut mir Leid." Nein, das tat es eigentlich nicht. Seine Hände, auf den meinen lösten ein Kribbeln in mir aus, das in den Fingerspitzen begann, über die Arme bis zu den Schultern verlief und sich schließlich wohlig in meinem ganzen Körper ausbreitete. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte, am liebsten hätte ich mich in seine Arme geworfen und mich an ihn gedrückt. Aber ich wusste nicht, ob das okay für ihn und wie es rübergekommen wäre. Dann ließ ich mich etwas stutzen. "Glaubst du? Wie meinst du das?" Zaghaft sah ich ihn an. Ich schmunzelte leicht, legte dein Kopf ein bisschen auf die Seite und zog die Nase kraus, ich wusste nicht genau, wie ich das ausführen sollte. "Na ja", machte ich und irgendwo in Richtung der Tür, von der Elis vorhin mit den Flaschen und den Gläsern wiedergekommen war, krachte es. Wahrscheinlich hatte Jamie etwas mit seinem Schwanz runtergerissen oder war irgendwo drangesprungen, weil es nach Essen gerochen hatte. Eigentlich konnte man ihn nie aus den Augen lassen. "Du bist dir sicher, dass du in einen Jungen verliebt warst und du fühlst nichts, wenn ein Mädchen dich anfasst. Kleiner, das spricht eine eindeutige Sprache würde ich sagen." "Hmmh", gab ich von mir. Ich war ein wenig abgelenkt, von seinen Händen, die immer noch auf meinen lagen. Es fühlte sich schön an. Es gab so vieles, was ich Valle noch fragen wollte. Ich wusste nur nicht wie und was zuerst. "Wie...wie hast du es bemerkt?" Ich entschloss mich dazu dies zu meiner ersten Frage zu machen. "Ach, Gott." Ich lehnte mich zurück an die Lehne und versuchte mich zu erinnern. Okay, soo lange war es auch nicht wieder zurück, dass ich es vergessen hatte, aber bei mir war es komplett anders gewesen, als bei Elis. "Das hört sich blöd an", grinste ich etwas schief. "Ich fand den Gedanken einen Jungen zu küssen oder ihm irgendwie näher zu kommen einfach reizvoll, allein in Gedanken. Also hab ich’s ausprobiert. Und es hat mit gefallen." Ich zuckte mit den Schultern. "Ich komm mit Mädchen gut klar, aber an ihnen reizt mich einfach nichts und verlieben tu ich mich sowieso grundsätzlich nur in Kerle." Ich schluckte, mein Mund war trocken und ich traute mich kaum die nächste Frage zu stellen. Ich rutschte ein bisschen unruhig hin und her. "Wie ist es einen Jungen zu küssen? Anders, als bei einem Mädchen? Ich meine..." Verlegen senkte ich den Kopf. Ich lächelte. "Für mich schon. Es fühlt sich einfach anders an, weißt du. Einfach richtig, so wie man eben findet, dass es sich anfühlen muss, wenn man jemanden küsst, den man mag." Das hörte sich komisch an, also versuchte ich es noch einmal. "Also für mich fühlt es sich wahrscheinlich genau so an, wie für jemanden der ein Mädchen küsst und auf es steht. Aber rein...technisch ist es nicht anders, es sind ja trotzdem nur Lippen." Das hörte sich jetzt noch beschissener an, aber ich hoffte er wurde daraus schlau. Ich nickte langsam und begann nervös meine Finger zu kneten. "Also ist es doch anders?" Ich überlegte kurz und begann dann noch nervöser meine Finger zu bearbeiten. Stotternd und mit knallrotem Kopf versuchte ich meine nächste Frage zu stellen. "Hmmh, meinst du denn...du könntest...mich...hmm...irgendwie, weil...wenn es dir nichts...nur ein...-" Ich verkniff mir ein Grinsen und bevor er sich noch einen abbrach beim Stottern, beugte ich mich zu ihm und küsste ihn. Nichts besonderes, ich legte nur meine Lippen sanft und auf seine, die ganz warm und weich waren und ein kleines bisschen zitterten. Gerne hätte ich mehr gemacht, meine Lippen gegen seine bewegt oder ihn gerne richtig geküsst, weil es mir selber so unglaublich gut gefiel seine Lippen auf meinen zu spüren und mein Herz ein bisschen schneller schlug, aber ich zwang mich wieder von ihm zu lösen und griff wieder nach seinen ebenfalls zitternden Händen. "Und?" In mir zitterte und kribbelte alles. Mein Herz raste und meine Lippen brannten. Auf eine sehr angenehme Weise. Und als er meine Hände dann auch noch in die seinen nahm, klinkte sich irgendetwas in meinem Gehirn aus. Ich riss die Hände hoch, krallte mich in sein T-Shirt, warf mich geradezu auf ihn und küsste ihn sehr ungeschickt. Überrumpelt von Elis Überfall wusste ich erst nicht, wie ich reagieren sollte, als er sich regelrecht auf mich stürzte. Aber trotzdem war ich positiv überrascht von seiner Reaktion und wenn es ihm nicht gefallen hätte, dann hätte er mich ja nun nicht wieder geküsst. Ich hob eine Hand und während ich sie sanft in seinen Nacken schob, legte ich die andere in sein Kreuz und zog ihn ein bisschen an mich. Ich weiß nicht mehr was ich dachte. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt etwas gedacht habe. Ich weiß nur noch, wie ich Valle geradezu auf den Schoss krabbelte und mich an ihn schmiegte. Irgendwie versuchte ich auch noch meine Hände aus seinem T-Shirt zu lösen, um meine Arme um seinen Nacken zu legen, aber meine Hände gehorchten nicht und krallten sich weiterhin krampfhaft in sein T-Shirt. Elis schmiss mich jetzt fast um und ich beschloss, dass wir das hier beenden mussten, bevor da am Ende noch was bei mir umschaltete, denn ich war mir ganz sicher, dass das passieren würde, wenn wir weiter machten. Elis war sicher nicht der beste Küsser, eigentlich küssten wir uns ja nicht mal unbedingt so, wie ich es gewohnt war, weil es einfach zu unbeholfen von seiner Seite und reichlich ungeschickt war, aber gerade das war es, war mir an Elis und an diesem Kuss gefiel. Ich löste seine Hände sanft aus meinem Shirt und schob ihn von mir, lächelte ihn an, wie er mich da so mit verwirrten Augen anblinzelte. Gerne hätte ich ihm jetzt einen liebevollen Kuss auf die Stirn gegeben, die Arme um ihn gelegt und einfach festgehalten, aber ich machte nichts von alledem, sondern räusperte mich nur und setzte mich wieder normal hin. "Ich würde mal sagen, dir gefällt es einen Jungen zu küssen." Ich grinste schief. "Hmmh.“ Das war mir jetzt irgendwie peinlich, wie ich mich auf ihn gestürzt hatte. Ich hätte Valle gerne noch weiter geküsst, doch anscheinend hatte es ihm nicht so gefallen wie mir. Na ja, ich war ja auch kein guter Küsser, weil so gut wie unerfahren. Aber wer wusste, wie weit es noch gegangen wäre, wenn wir weiter gemacht hätten. Das erleichterte mich dann doch. Und dann fuhr es mir wie ein Stich durchs Herz. Was war, wenn Valle nicht nur aufgehört hatte, weil er es nicht gut fand, sondern auch, weil er bereits einen Freund hatte? Ich kam mir nur noch blöder vor, weil ich mich so auf ihn gestürzt hatte. Aber andererseits, hätte Valle mich denn geküsst, wenn er doch einen Freund hatte? Ich konnte es mir bei ihm irgendwie nicht vorstellen, dass er so etwas tat, aber eigentlich kannte ich ihn ja gar nicht so wirklich. Ich traute mich nicht ihn zu fragen. Stattdessen wischte ich mir die schweißnassen Hände an meiner Hose ab und überlegte, was ich sagen konnte. Ich wollte gerne das Thema wechseln, wusste aber nicht wie, ohne zu wirken als ob ich beleidigt oder verletzt wäre. Denn dazu hatte ich ja gar kein Recht. Dann fiel mir ein, dass Jamie hier ja auch noch irgendwo war und sah mich suchend um. Elis war das ganze offensichtlich peinlich und er sah sich demonstrativ um. Keine Ahnung, nach was er Ausschau hielt, aber mir fiel auch nichts ein, was ich jetzt sagen könnte, damit sich seine Anspannung löste. Wenn ich jetzt einfach ein anderes Thema anschnitt, dann wäre das nur noch viel peinlicher. "'Hmm'“?, fragte ich also und suchte seinen Blick. "Hmm-nein oder Hmm-ja? Komm schon, ein bisschen mehr Information musst du mir schon geben, Kleiner. War es so schlimm mich zu küssen oder wars wenigstens annehmbar?" Ich lächelte ihn an, auch wenn er es nicht sah, weil er mir einfach nicht in die Augen guckte. Mein Kopf ruckte rum. "Es...es war...“ Scheiße, wenn er so lächelte bekam ich keinen vernünftigen Satz mehr zustande. "Mehr als annehmbar", nuschelte ich und senkte verlegen meinen Blick. Leicht verlegen räusperte ich mich, lachte dann aber und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Irgendwie musste ich das ganze hier jetzt ein bisschen wieder auf diese Bahn bringen, damit mein Kopf nicht noch verrückt spielte und sich irgendwas ausmalte, was wahrscheinlich nicht sein würde. "Das heißt also unser kleiner Elis ist schwul." Ich grinste ihn schelmisch an und versuchte mich ein bisschen in Euphorie reinzusteigern und sprang auf. "Jamie, hierher", rief ich Richtung Tür und drehte mich dann motiviert zu Elis rum. "Bist du denn immer noch verliebt? Oder soll ich dir mal jemanden vorstellen?" Jamie kam von hinten angetrottet und ich beugte mich zu ihm runter, um ihm das Fell zu kraulen. Zwar hätte ich mich gerne selber angeboten, aber das war wohl nicht unbedingt angebracht in dieser Situation. Als…Kumpel war ich ihm wahrscheinlich nützlicher. Ob ich verliebt war? Einige Augenblicke starrte ich Valle einfach nur an. Öffnete den Mund und schloss ihn wieder. War ich verliebt? In Valle? "Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher." Ich glaube ich wusste es schon damals, richtig bewusst werden sollte es mir aber erst später. "Mhm...", machte ich nachdenklich und warf dann einen Blick auf die Uhr. "Weißt du was, das lass ich so nicht gelten." Ich ging auf ihn zu und zog ihn an den Händen von der Couch. "Los pack dein Zeug zusammen, wir fahren wieder in die Stadt. Ich hab dir doch erzählt, dass ich mich mit ein paar Freunden treffen will um ein bisschen zu jammen. Komm einfach mit, unter den Leuten sind auch ein paar Freunde von mir, die auch schwul oder bi sind. Vielleicht lernst du jemand nettes kennen." Ich lächelte, wuschelte ihm durch die Haare und wandte mich dann meinen Sachen zu. Jeremie hatte heute auch zugesagt zu kommen, vielleicht wäre der ja was für Elis. Der war nicht so laut und aufgedreht wie die anderen, sondern auch recht ruhig, aber ehrlich. Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte, stimmte aber zu. Ich stand langsam auf und räumte alles zurück an seinen Platz. Anscheinend war Valle nicht an mir interessiert, wenn er mir irgendjemanden vorstellen wollte. Es bedrückte mich ein wenig, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Ich folgte Valle, der inzwischen mit Jamie nach draußen gegangen war und schloss das Häuschen wieder ab. Auch diesmal machte das Schloss ein wenig Probleme. Auf dem Weg zur Bahn wurde mir bewusst, dass es ziemlich blöd von mir gewesen war, einfach so mitzukommen. Wahrscheinlich würde ich zwischen seinen Freunden ziemlich herausstechen. Und ich mochte es gar nicht zu sehr im Mittelpunkt zu stehen. Und dann war da noch, dass ich nie wusste, worüber ich mit jemanden reden sollte. Ich war recht schüchtern, was aber oft für arrogant und/oder dämlich gehalten wurde. Ich begann mich ein wenig unwohl zu fühlen und wurde nervös. Kapitel 4: Ex & weg ------------------- Ob nun kippen und schlucken oder Verflossene und Tennisflucht, ihr dürfts titelmäßig interpretieren, wie ihr wollt und Elis und Valle ists wohl auch egal, denn die haben andere Probleme. Die wir ihnen machen. *seufz* - wir sind so nett. ;) Kapitel ein bisschen früher als geplant, ich sag ja wir sind nett. Und gönnerhaft. Und der ganze andere Kram, den mein Ego gerade nur ausspuckt, weils schon wieder so spät ist. Viel Spaß und seid so lieb und lasst was da. :] ~*~*~ Auf dem Rückweg in die Stadt redete Elis wieder so gut wie gar nichts und schien über irgendetwas zu brüten. Wahrscheinlich hatte ihn die ganze Sache mit dem Kuss zu sehr aus der Bahn geworfen und die Tatsache, dass er vielleicht schwul war. Eher höchstwahrscheinlich. Okay, nannten wir das Kind beim Namen: Er WAR eindeutig schwul. Also bitte, mit so was kannte ich mich aus. Deswegen ließ ich ihn auch weitestgehend in Ruhe und erzählte ein bisschen von meinen Freunden und dass wir uns öfter in der Stadt trafen, um zusammen ein bisschen Musik zu machen und zu singen, um damit ein bisschen mehr Geld zu verdienen und Spaß zu haben. Als wir durch die Stadt gingen und uns durch die Leute in der Fußgängerzone schoben sah man die etwas größere und ziemlich laute Gruppe, die ich meinen sozialen Umgang nannte, schon von Weitem und Elis neben mir drängte sich ein bisschen an mich und war offenbar nervös. "Keine Sorge, die sind alle furchtbar nett", beruhigte ich ihn und legte einen Arm um seine Schulter. "Fressen werden sie dich nicht." Valles Arm um meiner Schulter half mir ein wenig, mein Selbstvertrauen wiederzufinden. Dennoch wurde ich immer langsamer, je näher wir der Gruppe kamen und Valle musste mich schließlich fast zu den anderen rüber schieben. Kaum entdeckt, wurde Valle auch schon laut grölend begrüßt. Spätestens jetzt hätte ich mich am liebsten umgedreht und wäre davongelaufen, doch Valles Arm lag so fest um meine Schultern, dass es mir fast unmöglich schien. Mir wurde um den Hals gefallen, freundschaftlich auf den Rücken geschlagen und Küsschen wurden verteilt, dann schob ich Elis vor mich und drückte ihm beruhigend die Schultern. "Das ist Elis", stellte ich vor und auch er bekam seine Portion Begrüßung ab, die allerdings daraus bestand, dass ihm durch die Haare gewuschelt wurde und die einzigen beiden Mädchen, die da waren, ihn mit 'Ach, ist der süß!' und 'Dürfen wir den behalten?' in unsere Mitte aufnahmen. "Nein, der gehört mir", grinste ich und vermittelte damit gleich mal wieder den völlig falschen Eindruck. "Äh...nein", revidierte ich dann und sah mich nach Jeremie um, der sich gerade sein Saxophon umhängte. "Er ist nicht 'meiner', aber ich will ihn lieber vor euren Klauen retten." Dann stellte ich erst Mal meine Tasche und meine Gitarre an die Hauswand, vor der wir uns versammelt hatten und knotete Jamies Leine an einen Träger. Frei rumlaufen lassen durfte ich ihn in der Stadt ja nicht. Warum wuschelten mir ständig alle durch die Haare? Bei dem 'Ach, ist der süß!' wurde ich ja schon rot, aber als Valle 'Nein, der gehört mir' sagte, konnte ich wahrscheinlich mit einer Tomate um das schönste tiefste Rot konkurrieren. Ich hielt mich an Valle und wusste nicht, wen ich ansehen sollte und wen nicht, hielt den Blick gesenkt und betrachtete äußerst interessiert meine Schuhspitzen. Als ich mich wieder aufrichtete und rumdrehte, stand Elis direkt hinter mir und schien gerade dem Boden einen Heiratsantrag zu machen, so hypnotisiert, wie er den anguckte. Ich erschrak mich und stupste ihn dann an. "Komm, so schlimm kann es doch nicht sein." Er sah mich aber nur verzagt an und ich seufzte. "Willst du 'n Bier oder so?" Ich sah mich nach den anderen um und bis auf Jeremie, der nichts trank und Lena, der man lieber gleich gar nichts gab, hatten alle schon eine Flasche in der Hand oder neben sich stehen. Ich schätzte Elis zwar nicht so ein, dass er wirklich annehmen würde, aber fragen konnte man ja... "Ich...ich weiß nicht." Ich hatte noch nie etwas getrunken. Einer von Valles Kumpels schien meine Unentschlossenheit als Aufforderung zu sehen, denn er drückte mir ein Bier in die Hand. "Hier, nimm." Höflich, wie ich war, nahm ich das Bier an, meine leider zu gute Erziehung hätte nicht zugelassen, dass ich es ablehnte. Ein wenig unschlüssig sah ich es an, sah zu Valle rüber, der schief grinsend auf dem Boden saß. Zögernd setzte ich mich neben ihm, wollte das Bier möglichst unauffällig zur Seite stellen, als der gleiche Typ von eben, ein "Lass es dir schmecken. Nun trink schon." von sich gab. Höflich und dämlich wie ich war nahm ich einen Schluck und hätte es am liebsten gleich wieder ausgespuckt. Das schmeckte ja richtig widerwärtig. Ich bekam einen kräftigen, aber wohl gut gemeinten Schlag auf die Schulter, der fast dafür sorgte, dass ich mich verschluckte. "Na siehste? Geht doch", lachte der Typ und trank selbst von seinem Bier. Irgendwie tat Elis mir Leid, wie er da neben mir saß und von dem Bier trank, was ihm ganz offenbar nicht schmeckte, aber Seb, der es ihm einfach in die Hand gedrückt hatte, hatte für so was keinen Blick. "Du musst nichts trinken, wenn du nicht willst", flüsterte ich ihm zu und zeigte auf Jeremie. "Der da trinkt seit neuestem auch nichts und niemand kriegt ihn mehr dazu. Er hatte da einige…nennen wir es Ausrutscher." Mehr wollte ich zu dem Thema nicht sagen. Nie wieder. Ich lächelte ihm zu, als er zu uns rüber blickte und er winkte freundlich. Seb drückte mir auch ein Bier in die Hand und ich suchte in meinem Rucksack nach einem Feuerzeug, weil er meins natürlich nicht aufgemacht hatte. Ich war erleichtert, dass es hier jemanden gab, der nichts trank. Dann wäre es wohl doch nicht so unhöflich, nichts zu trinken. Ich sah zu dem Typen rüber, der nichts trank und lächelte ihn zaghaft an. Er lächelte zurück. "Hey." Mir wurde ein Ellbogen in die Seite gerammt. Es war der Typ, der mir ein Bier gegeben hatte. "Schmeckts nicht?" Mit seinem Kinn wies er auf mein Bier. "Doch, doch", murmelte ich verlegen. Scheiße, warum traute ich mich eigentlich nie, meine Meinung zu sagen? Weil es nicht meiner Erziehung und gesamten Lebensstil entsprach. Der Typ sah mich auf meine Worte hin erwartungsvoll an und ich nahm schweren Herzens die Flasche wieder auf und trank einen Schluck. Und weil der Typ immer noch guckte, trank ich noch einen und noch einen und noch einen. "Ey, auf Ex, Alter!", kam es begeistert von ihm und er setzte ebenfalls sein Bier an. Mistkacke. Jetzt war ich hier auch noch unbeabsichtigt in einen Wettstreit geraten. Ich konnte Valles leicht besorgten Blick auf mir spüren. Doch jetzt war es zu spät, denn die anderen fingen jetzt auch noch an uns anzufeuern. Um meines winzigen Stolz wegen, trank ich also und schaffte es tatsächlich vor dem anderen fertig zu werden. Jetzt war mir allerdings fast schon kotzübel und leicht schwummrig. Mit einem fetten Rülpser beendete auch mein Wettpartner sein Trinken und legte anerkennend einen Arm um meine Schulter. "Klasse Kleiner, hätte ich dir nicht zugetraut." "Danke, ich mir auch nicht", nuschelte ich kaum verständlich, aber der Typ verstand und fiel in ein grölendes Gelächter. Alle lachten, aber ich fand die Sache irgendwie nicht wirklich witzig. Man sah Elis an, dass er wohl ziemlich selten trank und dementsprechend wenig vertrug. Ich nahm ihm die leere Flasche ab und langte dann über seinen Kopf zu Seb, gab dem einen Klaps auf den Hinterkopf. "Lass jetzt gut sein, Seb", sagte ich, aber er lachte nur und ich stand auf und nahm meine Gitarre aus meiner Tasche. "Fangen wir jetzt an oder was?", fragte ich in die Runde und zustimmende Stimmen wurden laut. "Komm Seb, krall dir dein Luftkissen, es geht los. Und lass Elis in Ruhe." Er grinste nur und verpasste ihm einen Klaps auf die Schulter. "Wieso, der Kleine ist echt gut. Und das nennt man Akkordeon, du Kunstbanause." Er setzte es sich über die Schulter und fragte in die Runde, was wir nun spielen wollten. Sie einigten sich zuerst auf was Folkiges und da das nicht zu meinem Repertoire gehörte, setzte ich mich wieder neben Elis und auch Jeremie ließ sich neben mir nieder. Ich stellte die beiden gleich einander vor. "Jeremie, das ist Elis, Elis, das ist Jeremie." Jeremie lächelte ihn an und reichte ihm dann über meinen Schoß die Hand. "Hi." "Hi", piepste ich und erwiderte seinen Händedruck. Er hatte ein tolles Lächeln. Auch sonst sah er toll aus, was jetzt ziemlich dämlich klingt, aber so war. Er drückte noch einmal meine Hand und ließ sie dann los. Mir war noch vom Bier schwummrig, jetzt aber noch mehr. "Woher kennt ihr euch?", fragte er neugierig. "Wir betreiben zur Zeit das gleiche in Sachen Schule", ergriff Valle für mich das Wort. Jeremie lachte verstehend. In dem Moment quetschte sich ein Mädchen zwischen die Massen der Menschen, die durch die Stadt schlenderten und setzte mit einem Ächzen ihre riesengroße Instrumententasche genau neben Jamies Schwanz ab, der lieber vorsorglich aufsprang. "Danke, dass ihr gewartet habt", motzte sie und strich sich ein paar von ihren Haaren aus den Augen, die ihr ins Gesicht geflattert waren. Dann strahlte sie und mit einem breiten Lächeln an und ihr Blick bleib an Elis hängen. "Huch? Wer bist du denn?" Sie kam näher, um ihn sich genauer anzusehen und kniff die Augen zusammen. "Ähm", mache ich intelligent und blicke sie unsicher an. "Ich bin Elis", nuschelte ich und wurde nervös, weil sie mich immer noch mit zusammengekniffenen Augen ansah. Ich begann unsicher hin und her zu rutschen. Valle und Jeremie grinsten lediglich und das Mädchen starrte mich noch immer an. "Anni, hör auf ihn so anzustarren, du machst ihm ja Angst." Ich griff nach ihrer Hand und riss sie bald um, als ich mich an ihr hochzog. "Elis, das ist Annemarie, meine beste Freundin." Jetzt strahlte sie wieder breit und beugte sich zu ihm runter, um ihn zu umarmen. "Dein Freund?", fragte sie mich freudestrahlend und ich zog sie wieder hoch, weil Elis nicht so aussah, als würde ihm diese Knuddelattacke gefallen. Konnte vielleicht auch daran liegen, dass er von allen immer als mein Freund bezeichnet und angesehen wurde. "Nein, nicht 'mein' Freund, 'ein' Freund. Hast du Hunger?" Sie nickte begeistert und zog einen Zehneuroschein aus ihrer hinteren Jeanstasche. "Von meinen Alten, damit ich heute nicht verhungere. Gehen wir zu Mäcces?" "Klar", nickte ich und guckte zu Elis und Jeremie. "Passt ihr mal eben auf Jamie auf?" Jeremie nickte und griff nach links, um eben Erwähnten zu streicheln, der sich schon wieder reichlich langweilte. Ich warf Elis einen eindringlichen Blick zu und nickte auf Jeremie und hoffe er verstand, was ich ihm versuchte mitzuteilen, bevor ich von Anni in die Menge gezerrt wurde. Reichlich verwirrt sah ich Valle nach. Was hatte er denn jetzt mit dem Nicken andeuten wollen? Dann verstand ich. Er hatte mir ja jemanden vorstellen wollen. Und schon seit wir hier waren, immer wieder auf Jeremie hingewiesen. Schüchtern sah ich zu ebendiesem rüber. Ich war noch nie gut darin gewesen Smalltalk zu führen. Ich war eine Niete darin. Jeremie drehte den Kopf und lächelte mich an. Innerlich fluchend dachte ich verzweifelt darüber nach, was ich sagen könnte. Da fiel mein Blick auf Annis riesige Instrumententasche. "Was spielt sie?", fragte ich mit einem Nicken auf sie. Anni schubste mich ins Mäcces, wir stellten uns an eine der langen Schlangen und sie spielte mit dem Zehneuroschein rum. "Süß der Kleine", sagte sie plötzlich und ich warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor ich wieder der Angebotstafel meine volle Aufmerksamkeit schenkte. "Mhm." "Echt richtig niedlich." "Jep." "Schwul?" "Seit neuestem." "Wie das?" "Lange Geschichte." "Magst du ihn?" "Er ist nett." "Aaha." So liefen so ziemlich alle Gespräche zwischen mir und Anni ab. Sie fragte, ich antwortete und ich fragte mich ernsthaft wie sie später aus diesen 'Gesprächen' schlau werden konnte. "Wie gehts Pablo?" Meine Hand wanderte automatisch an meinen Hals und ich strich über das Tattoo in Form eines Mundes unter meinem Kiefer. "Gut, glaub ich." "Noch Kontakt?" "Bissl." "Aaha." Wann waren die da vorne endlich mal fertig? Jeremie folgte meinem Blick. "Ein Bass." Er lächelte, "Ein riesiges Instrument für so ein kleines Mädchen. Aber sie ist echt gut." Ich fragte ihn nach seinem Saxophon und mit leuchtenden Augen begann er zu erzählen. Anscheinend hatte ich das richtige Thema gefunden, er war gar nicht mehr zu bremsen. Er strahlte mich an und mir fiel wieder auf, dass er echt gut aussah. Aber am meisten mochte ich sein Lächeln. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Anni und Valle sich uns wieder näherten. Dabei strahlte er mich an und ich merkte, wie ich rot wurde. Anni schmiss sich auf meinen ehemaligen Platz genau zwischen Elis und Jeremie und warf den beiden interessierte Blicke zu. "Na, wie gehts?", fragte sie dann plump, wie das ihre Art war und packte ihre Cheesburger aus, für die sich Jamie natürlich gleich brennend interessierte. Ich ließ mich neben Elis nieder und packte auch meinen Kram aus. Endlich mal wieder was richtiges zu Essen nach diesem ganzen Dosenfraß zu Hause. Okay, Fast Food war jetzt auch nicht das Ausgewogenste, aber besser als das, was es dort gab. Ich langte an Elis vorbei, angelte nach meinem Rucksack, auf den sich Anni fast draufgesetzt hätte und holte meine Wasserflasche raus. Ich hätte zwar auch eine Sprite oder so nehmen können, aber das war schließlich Annis Geld und ich musste meins sparen. Ich guckte Elis an, dessen Unterhaltung mit Jeremie verstummt war, seit wir wieder da waren und fragte leise: "Und? Wie ist Jeremie so?" Ich nuschelte etwas und wurde noch eine Spur röter. Doch Valle hatte verstanden. Er lächelte zufrieden. Die anderen waren inzwischen fertig mit Spielen geworden und warteten darauf, dass Anni und Valle fertig wurden. Ich war gespannt darauf, ob Anni wirklich so gut war, wie Jeremie gesagt hatte. Und wie es wohl aussah, wenn sie dieses Riesenteil spielte. Die anderen warteten schon ungeduldig und Anni und ich schlangen schnell unser Essen hinter, bevor wir auch zu unseren Instrumenten griffen und mitspielten. Die meisten von uns konnten zwar einigermaßen singen, aber als ich mitspielte, bestanden einige darauf, dass ich sang. Was ich auch machte, aber trotzdem darauf bestehend das nicht alleine zu tun, ich fand meine Stimme nämlich gar nichts sooo gut. Lenas fand ich sehr viel schöner und deswegen musste sie auch mitsingen, sie kannte sowieso viel mehr Texte, als ich. Also große Gruppe fielen wir natürlich den Leuten in der Fußgängerzone ziemlich schnell auf und eine recht große Traube aus Besuchern hatte sich gebildet. Und wir bekamen verhältnismäßig viel Geld. Sehr viel mehr, als ich alleine einnahm. Und wenn wir das teilen würden, dann hatte ich immer noch mehr als sonst. Schade nur, dass wir das selten machen konnten, weil die meisten von uns natürlich nicht einfach schwänzen konnten, wie ich das machte. Und außerdem gingen viele zum Unterricht für ihre Instrumente und der fand nun mal größtenteils nachmittags statt. Anni war wirklich gut. Jeremie auch. Aber keiner von ihnen konnte Valle und seine Stimme übertreffen. Fand ich. Als die anderen kurz eine Pause einlegten, fiel mein Blick zur Uhr und ich erschrak. Wenn ich mich jetzt nicht beeilte, würde ich zu spät kommen. Ich sprang auf und sammelte meine Sachen ein. Valle sah fragend zu mir rüber. Auch Jeremie und Anni. Irgendwie war mir das zu viel Aufmerksamkeit und ich wurde rot und stammelte: "Ich muss los." Ich hörte einfach mittendrin auf zu spielen und einiges Murren von meinen Freunden wurde laut, auch einige Zuschauer guckten komisch, aber das war mir egal. Ich ging zu Elis und stellte meine Gitarre gegen die Hauswand. "Schon?", konnte ich nur nicht sehr schlau fragen und war ein bisschen enttäuscht, es war noch nicht mal spät. Ich nickte. "Ja, ich hab noch...Training." Dass ich zum Tennis musste wollte ich jetzt nicht unbedingt sagen, das würde schon wieder so bonzenmäßig klingen. "Das darf ich auf keinen Fall verpassen." Mein Trainer gab nicht nur blöde Kommentare über meinen Hintern von sich, er informierte meine Eltern auch über alles, was ich tat. Ohne Entschuldigung konnte ich dort also nicht fehlen. "Oh, okay." Ich wusste nicht richtig, was ich noch sagen sollte oder so, also umarmte ich ihn einfach ein bisschen umständlich und räusperte mich dann lächelnd. "Dann...bis morgen?" Ich hatte nicht mal eine Ahnung wie lange der Kleine jetzt schwänzen wollte. Und ob er vor hatte morgen wieder hier zu sein. "Ja." Ich lächelte, "Bis morgen dann." Ich winkte den anderen zu. Jeremie, Anni und Seb winkten zurück. Ich lächelte Jeremie und Valle noch einmal zu und machte mich auf den Weg. Innerlich schwer seufzend. Ich hatte wirklich keinen Bock auf den Trainer. Wahrscheinlich würde er meine Schlägerhaltung zum hundertachtzigsten Mal korrigieren und sich dabei von hinten wieder an mich pressen. Und ich dachte so was würde, wenn überhaupt, immer nur beim Golfen gemacht. Aber war nun mal ein guter Freund meines Vaters und geschäftliche Beziehungen durfte ich nicht versauen. Missmutig verzog ich das Gesicht. Kapitel 5: Kuss & Tränenguss ---------------------------- Klingt zwar nach freche Mädchen - freche Bücher, beinhaltet aber nur freche Kerle, heiße Küsse natürlich und Rumgeflenne, wie wir das ja schon kennen. :] Achja und ich liebe ja Pablo. :D Viel Spaß und sowieso erstmal ein ganz liebes Danke an die Kommischreiber der letzten Kapitel, Blacksad, anagura, Toastviech, MugenNoHana, snowwhitedoll, Yuki_core, ParanoidPink, BlaiseZabini und karasu-romantica. ~*~*~ Es war Sonntag und ich saß, so wie eigentlich jeden Tag, in der Stadt, diesmal allerdings auf der Stadtwiese zwischen jeder Menge andere Jugendlicher und Pärchen die turtelten wie die Blöden und ich hätte sie gerne jedes einzeln vergiftet. Anni saß neben mir, knabberte seit einer halben Stunde an der selben Mohrrübe und ließ sich die Sonne auf den Pelz scheinen, sabbelte ab und zu was von ihrem Freund vor sich hin, ihren Eltern oder ihrer Schule oder schieß mich tot, von was weiß ich nicht noch allem, und ließ mich meine schlechte Laune ausleben. Da jetzt Sonntag war, hatte ich die gesamte letzte Woche mit meinem neuem Freund Elis verbracht und wenn ich ehrlich sein sollte, dann war das bis jetzt die beste Woche, die ich je geschwänzt hatte. Donnerstag hatten Jeremie und Elis tatsächlich das erste Mal was zusammen gemacht und Freitag hatte er mir die ganze Zeit freudestrahlend davon erzählt, während ich versucht hatte gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Überall nur Pärchen, Liebe und Geturtel und ich bereute es wirklich manchmal mit Pablo Schluss gemacht zu haben. Und das sollte schon was heißen. Der Donnerstag mit Jeremie war wirklich schön gewesen. Gegen Ende hatte er mich sogar geküsst, nur kurz, aber immerhin. Ich hatte Valle davon erzählt, aber er hatte irgendwie nicht interessiert, irgendwie ein wenig abweisend gewirkt. Am Sonntag lief ich mit ein paar 'Freunden' durch die Stadt. Es waren Jungs aus dem Tennisclub und um den gesellschaftlichen Ansprüchen meiner Eltern zu genügen, war es Pflicht mit ihnen hier durch die Stadt zu latschen und mich zu langweilen. Zumeist lästerten sie nur über die Mädchen im Club und wer von ihnen das kürzeste Röckchen und das blickfangreichste T-Shirt angehabt hatte. Und über meinen Trainer, der hinter ihnen herhechelte. Und mir nebenbei versuchte an die Wäsche zu gehen, was ich aber unerwähnt ließ. Wir kamen an der Stadtwiese vorbei, auf der Valle und ich an unserem ersten Tag gesessen hatten. Zu meinem Schrecken, konnte ich Valle und Anni auf dieser ausmachen. Ich tat als würde ich sie nicht sehen und wandte der Wiese den Rücken zu. Drängte die anderen zum Weitergehen. In diesem Moment rief Anni lautstark meinen Namen. Ich zuckte zusammen, tat aber so, als hätte ich nichts gehört. Einer der anderen fragte mich, ob ich gemeint sei. "Das kann nicht sein, woher sollte ich die denn kennen?", meinte ich, nach einem kurzen Blick zur Wiese. Er nickte, glaubte mir und wir zogen weiter. Ich konnte Valles und Annis Blicke auf meinem Rücken spüren. Sofort hatte ich wieder ein schlechtes Gewissen. Aber die anderen durften nichts merken. Sonst würde das sofort an meine Eltern weitergegeben werden. "Was geht'n mit dem ab?", fragte Anni und ließ sich wieder auf ihren Hintern neben mich ins Gras fallen. Ich zuckte mit den Schultern und schluckte meine Enttäuschung runter, die aufgetaucht war, als Elis zu uns gesehen und durch uns durch geguckt hatte. Waren wir ihm jetzt schon peinlich oder was? Die armen abgewrackten Straßenmusiker, mit denen ein normaler Mensch nichts zu tun hatte, oder was? Na ja, hätte ich mir ja denken können nach einigen Dingen, die er schon gemacht hatte. Ich wusste noch, wie er mich letztens in der Stadt in einen Ladeneingang gezogen hatte, weil irgendeiner, den er kannte, unterwegs war und der uns nicht sehen sollte. Und da war es schon Nachmittag gewesen, also hätte er ohne Bedenken in der Stadt unterwegs sein können. Aber es hatte eben an mir gelegen, zumindest war ich nicht so blöd mir das nicht denken zu können. Aber mit Jeremie durfte er gesehen werden, oder was? Okay, Jeremie sah auch anständiger aus und ging zur Schule, hatte bessere Klamotten, ging an die Musikhochschule und außerdem hatte er keine pinken Haare und Tattoos. Schon...verständlich. Oder so. "Sind wir ihm jetzt peinlich?", ließ Anni aber nicht locker und ich grummelte irgendwas Unverständliches. "Was?" "Wie sieht's denn aus?!", fauchte ich und sie hob beschwichtigend die Hände. "Schon okay, ich frag nicht wieder. Man." Sie knabberte weiter an ihrer Mohrrübe und ich folgte Elis mit meinem Blick, bevor er mit seinen tollen Freunden in der Menge verschwand. Klar waren wir ihm peinlich. Wer das nicht sah, war blind. Mein schlechtes Gewissen nagte an mir. Ich hatte das Gefühl, dass Valle mir das bestimmt wieder übel nehmen würde. Und ich hatte recht. Als ich am Montag in die Stadt kam, war Valle nirgends zu sehen. Ich setzte mich an seinen üblichen Platz und wartete. Zwei Stunden. Dann zog ich mein Handy aus der Tasche und wählte zögernd seine Nummer. Ich hatte Angst, dass er gar nicht erst rangehen würde. Neben meinem Ohr schrillte das Handy los und mein erster Gedanke war, es gegen die Wand zu schleudern. Ich ging dann aber doch ran, um o schneller würde es mir wieder meinen wohlverdienten Schlaf geben. "Was?", raunzte ich unfreundlich und verschlafen ins Telefon und wünschte mir einen Moment später ich hätte auf den Display geguckt und dann auf lautlos gedrückt. "Hey", piepte ich. Mist, er war wirklich sauer. "Was willst du?", motzte Valle. Ich biss mir auf die Lippe. "Mit dir reden." "Ach, plötzlich?", meinte ich spitz und drehte mich dann stöhnend auf den Rücken, warf einen Blick auf die Uhr. Verdammte Scheiße, ich wollte schlafen. Ich war schließlich krank. Na ja, okay...'krank'. "Das sah gestern aber noch ganz anders aus, wenn ich mich recht erinnere." "Aber das war nur, weil..." Mist. Das konnte ich Valle nicht einfach so erzählen. "Weil?", hakte er genervt nach. "Ich kann es dir nicht so erklären. Das muss ich...kannst du nicht in die Stadt kommen?" "Nein. Vergiss es. Ich bin krank, ich bleib zu Hause." Außerdem renn ich dir bestimmt nicht hinterher, wenn du mich so schön ignorieren kannst. So weit kommts noch. "Sag was du willst, oder lass es bleiben." "Aber das kann ich nicht so." Ich wollte es nicht einfach so sagen, nur durchs Telefon. "Wenn du krank bist, sag mir wo du wohnst, dann komm ich eben vorbei." "Ähm..." Ich war etwas baff und setzte mich in meinem Bett auf, rieb mir den Kopf, weil ich sogar wirklich ein bisschen Kopfschmerzen hatte. "Nein." Hier sah es sowieso total schlimm aus und ich sah schlimm aus, ich würde ihn sicher nicht hier her lassen. "Jetzt sag schon, wo du wohnst", drängte ich. "Ich steh schon an der Bahn. Es kann jeden Moment eine kommen, also sag mir wo ich hin muss." "Du...äh..." Ich atmete kurz tief ein und aus, als er drängelte und ich überlegte einen Moment. "Ist es denn wirklich so wichtig, dass du nicht ein paar Tage warten kannst? Du kannst doch auch noch später versuchen irgendeine Ausrede aufzutischen, warum du deine Freunde ignorierst. Pardon. Deine anderen Freunde." Klang ich ein bisschen zickig? Ich dachte an die Schnösel, mit denen er unterwegs gewesen war und vor denen er uns so gekonnt verleugnet hatte. "Eben deswegen ist es wichtig." "Weswegen?" "Na weil du’s nicht verstehst, es falsch verstehst. Es ist keine Ausrede. Also sag mir jetzt, wo du wohnst, oder..." Oder was? Es gab nichts, womit ich ihn hätte 'bedrohen' oder 'erpressen' können. Ich spürte wie meine Augen zu brennen begannen und kämpfte verzweifelt dagegen an. Scheiße, ich war so eine Heulsuse. Ich seufzte laut und fuhr mir mit den Händen übers Gesicht. Ich würde doch jetzt nicht weich werden, oder? "Okay." Was?! Hey, so war das nicht ausgemacht gewesen. "Stehst du am Leuchner?" "Ja." "Nimm die 8. Richtung Miltitz. Parkallee aussteigen. Nelkenweg 136. Den musst du selber finden." Ich legte auf. Wenn er sich das jetzt nicht gemerkt hatte, war das sein Pech. Ich sprang aus dem Bett und rammelte mir erst mal gekonnt den Kopf an der Dachschräge. Fluchend sammelte ich ein paar Klamotten und Zeitschriften vom Boden, die ich in einen Schrank knallte, bevor ich das Bad aufsuchte. Jetzt musste ich auch noch aufräumen und dafür sorgen, dass ich nicht aussah wie eben aus dem Klo gekrochen. Ich hatte den Nelkenweg nur mit Mühe finden können. Zudem wusste ich noch nicht einmal, wie Valle mit Nachnamen hieß. Ich stand ein wenig verwirrt vor dem Klingelschild. So viele Namen. Ich traute mich erst nicht Valle noch einmal anzurufen. Aber es ging ja nicht anders, also wählte ich ihn zaghaft seine Nummer. Das Handy auf meinem Bett klingelte wieder und diesmal guckte ich auf den Display, bevor ich abnahm. Natürlich war es Elis, wie ich mir gedacht hatte. "Findest dus nicht?" "Doch", kam es kleinlaut zurück und ich seufzte lautlos, weil ich merkte, wie ich schon wieder weich wurde, nur weil ich seine Stimme hörte, und schloss kurz die Augen. "Was dann?" "Wie heißt du?" Ich schaltete nicht. "Valentin?" "Mit Nachnamen." "Oh...äh...Vassilevski." Ich legte wieder auf und kurz darauf klingelte es an der Tür. Schnell stürzte ich auf den Flur und drückte auf den Summer, auch wenn ich mir diese Eile eigentlich hätte sparen können, weil mein Vater seinen Arsch sowieso nicht bewegt hätte. Vassilevski war der oberste Klingelknopf. Demnach musste ich bis ganz nach oben. "Mist", murmelte ich, als ich feststellen musste, dass es hier keinen Aufzug gab. Also fünf Stockwerke nach oben. Ich war nicht so der große Treppensteiger und kam demnach recht außer Atem oben an. Valle blickte mir abschätzig entgegen. Elis kam ziemlich abgehetzt oben an und war ganz rot im Gesicht. Fast musste ich schmunzeln, aber ich öffnete nur die Tür ein Stück und ließ ihn reinkommen. "Tach", sagte ich nur und er kam gar nicht zu einer Antwort, weil er so schwer atmete. Meine Mutter steckte ihren Kopf aus der Tür und schaute überrascht. "Oh, Krankenbesuch?" Ich räusperte mich unauffällig und schloss die Tür hinter mir. "Ja, sieht so aus. Ma, das ist Elis." Ich war ein wenig abgelenkt davon, dass Valle nur Boxershorts und ein T-Shirt trug und keuchte seiner Mutter, noch immer außer Atem, ein heiseres und abgehacktes "Hallo...schön Sie kennen...zu lernen." entgegen. Meine Mutter begrüßte ihn auch, lächelnd, was sie sonst sehr selten tat, sagte mir, dass ich nicht so lange machen sollte und verschwand dann wieder. Ich schob Elis in mein Zimmer und machte dann etwas lustlos eine allumfassende Handbewegung. "Fühl dich wie zu Hause. Also...", ich setzte mich auf die Kante meiner Couch und wartete, dass er seinen Rucksack abgestellt hatte, "schieß los, was hast du dir ausgedacht?" "Ich hab mir nichts ausgedacht", verteidigte ich mich "Es ist nur so..." Ich wusste nicht wohin mit mir. Und ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Und ob Valle es überhaupt verstehen würde. Ich seufzte, steckte die Hände in die Taschen, zog sie wieder raus, verschränkte die Arme und stand ein wenig dämlich im Raum rum. "Ich weiß einfach nicht, wie ich dir das...alles erklären soll." Hilflos sah ich ihn an. Ich zuckte mit den Schultern und sah ihn an. "Ich kann dir nicht helfen. Fang doch einfach ganz vorne an." Er zappelte ungelenk rum und man sah ihm an, dass er sich unwohl fühlte. "Willst du dich setzen?", bot ich gnädigerweise an und er nickte erleichtert. Vorsichtig setzte ich mich neben ihn, ein Stück entfernt auf die Couch. Ich sah zu ihm rüber und wieder weg, auf meine Hände. Nervös fing ich an, mich an meiner einen Hand zu kratzen. "Du weißt doch, dass ich recht...reiche Eltern habe. Und auf eine Privatschule gehe. Meine Klamotten nur das beste sind." Ich zupfte missmutig an meiner Hose. Die angesagteste Marke, der letzte Schrei. Nicht grad billig. Valle nickte. "Und dass sie ganz andere Werte und Maßstäbe haben, als andere...als 'normale' Leute." Ich betonte 'normale' sarkastisch. "Ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst, wie einengend und..." Ich brach ab. Es klang so dämlich. Ich rutschte von der Kante der Couch auf die Sitzfläche und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ja, ich kann mir vorstellen, wie schlimm das sein muss. Total. Viel Geld, man kann tun und lassen was man will, kaufen was man will. Und ich verstehe auch, dass man da eben andere Freunde hat, keine Sorge, so dumm bin ich nicht. Dann liegt es also daran, dass du reich bist, dass du uns verleugnen musst? Ah, okay. Total verständlich. Ehrlich." Das war ja mal die dümmste Ausrede, die ich je gehört hatte. Ach was...das war nicht mal eine Ausrede. "Das mein ich doch gar nicht!" Verzweifelt sah ich ihn an. "Ich darf gar nichts. Ich darf mir nicht aussuchen, was ich für Klamotten trage, mit was für Leuten ich Umgang habe, auf welche Schule ich gehe, wie ich meine Haare zu tragen habe! Ständig muss ich irgendwelche Feiern, Anlässe Bälle oder Feten besuchen, von Leuten die ich weder wirklich kenne, noch leiden kann. Ich darf mir noch nicht mal aussuchen, was ich später machen will, weil sowieso klar ist, dass ich die Firma meines Vaters übernehmen werde. Ich darf mir nicht einen einzigen 'Fehltritt' erlauben, ein falsches Wort oder unbedacht sprechen. Es könnte ja meine ganze Zukunft versauen, Geschäftsbeziehungen zerstören, gesellschaftlich schaden..." Scheiße. Er würde mich nicht verstehen. Ich hatte Schluckauf und ich hasste mich, weil ich es ihm nicht richtig erklären konnte und hier schon wieder fast in Tränen ausbrach. Ich war ein ziemliches Arschloch, oder? Das Ganze konnte er sich sicher nicht ausgedacht haben, nicht wahr? Das klang schon hollywoodreif und so einer, dass er einem ausgeschmückte Geschichten auftischte, war er nicht. Und ich Idiot glaubte ihm nicht und hackte immer weiter drauf rum. Und er hatte sogar schon Tränen in den Augen, die er versuchte wegzublinzeln und ich schlagartig ein schlechtes Gewissen. Ich griff nach seinen Händen und strich ihm vorsichtig über die Wange. "Tut mir Leid, das hab ich nicht gewusst“, murmelte ich beinahe kleinlaut, mir bewusst wie bescheuert das klang. Lange würde ich die Tränen nicht mehr zurückhalten können. "Und deswegen geh ich auch nicht mehr zur Schule. Es ist einfach...zu viel. Ich wollte irgendetwas tun, dass ein wenig...rebellierend ist. Ich weiß, das ist dämlich, ich hätte stattdessen meine Sachen packen und mit einer Menge Geld verschwinden sollen, aber ich bin einfach zu feige." Jetzt begann ich wirklich zu heulen. Scheiße. "Aber ich habs auch nicht mehr ertragen dort hinzugehen. Mich weiter auf meine Schule einschränken zu lassen, unaufhaltsam. Neben all diesen hohlköpfigen, spießigen Idioten zu stehen und keinen einzigen echten Freund zu haben..." Mein Schluckauf verschlimmerte sich durchs Heulen. Und du bist...warst der einzige, der wirklich ehrlich zu mir war und..." Jetzt konnte ich vor lauter Heulen und Schluckauf nicht mehr weiter sprechen. Ich zog Elis an wortlos zu mir und er drückte sich weinend an mich. Ich strich ihm beruhigend über den Rücken und brabbelte irgendwas Bescheuertes vor mich hin, was er wahrscheinlich sowieso nicht verstehen konnte. "Hey", murmelte ich dann und drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Haare, wie man es bei einem kleinen Kind machte, dass sich gerade weh getan hatte und jetzt weinte. "Hey, du kannst mir gerne in den Arsch treten, aber bitte hör auf zu weinen, okay? Tut mir echt Leid." Er lachte ein bisschen erstickt auf und ich fuhr ihm über die Haare. "Ich mein’s Ernst." "Okay", schluchzte ich und versuchte mich zu beruhigen. Aber es ging nicht. Endlich hatte ich es jemanden erzählen können. Der es verstand, wie er jedenfalls gesagt hatte. Ich hoffte Valle würde das noch ein bisschen aushalten. Seine Umarmung tat mir gut. "Tut mir ehrlich Leid, ich wusste nicht, dass es so krass ist." Ich schluckte und schob ihn ein Stückchen von mir. Er guckte mich unsicher an und ich wischte ihm vorsichtig die Tränen von den roten Wangen, bevor ich wieder mein Kinn auf seinen Kopf legte. Er war so klein. Und sowieso total schmächtig. "Ich...ich kenn das nicht, wie du ja vielleicht gesehen hast." Damit meinte ich meine Wohnung und alles andere, was er von mir mitbekommen hatte. "Ich hab nicht mal gewusst, dass...na ja, das klingt irgendwie wie im Mittelalter." Ich musste lachen, auch wenn’s mehr wie ein trockenes Husten klang. "Es ist ja nicht nur so", schniefte ich. Ich hatte irgendwie das Gefühl meine Eltern wenigstens ein bisschen verteidigen zu müssen. "Ich mein...sie lieben mich, auf ihre Art. Und ich bekomme ja so gut wie alles, nur eben..." Ein Schulterzucken musste als Weiterführung reichen, sonst hätte das ganze eben wieder in einem Schluchzen geendet. Welches ich auch jetzt nicht richtig unterdrücken konnte. "Nur eben?" Ich fand das klang echt krass. Wenn ich mal ein Kind haben würde - und das würde ich eh nie - und in so einer Situation wäre, dann würde ich anders behandeln, da war ich mir sicher. Man konnte doch die Wünsche von jemandem nicht einfach übergehen. Wenn ich mir vorstellte, dass meine Eltern das bei mir versucht hätten, ich hätte das nie zugelassen. Ich musste meine eigenen Entscheidungen treffen und selbstständig sein, sonst würde ich drauf gehen. "Keine Freiheit." Ich setzte mich auf. Erfolglos versuchte ich mir die Tränen wegzuwischen, sah Valle entschuldigend und hilflos an und schniefte. "Warte." Schnell sprang ich auf, um von meinem Schreibtisch Taschentücher zu holen und hielt sie ihm hin. Er nahm sie sich und wischte sich die Tränen ab und schnäuzte sich die Nase. Total hilflos sah er aus und ich hätte ihn gerne wieder in die Arme genommen, er tat mir Leid. Sowieso war er mir in der kurzen Zeit, die wir uns kannten schon total ans Herz gewachsen und ich wollte nicht, dass es ihm so schlimm ging. "Und du kannst gar nicht mit deinen Eltern darüber reden, oder so?" Ich schüttelte den Kopf und lächelte schwach. "Sie sind selbst so aufgewachsen. Sie kennen es gar nicht anders. Außerdem glauben sie ja, sie würden mir etwas Gutes tun." Nachdenklich zerknüllte ich das Taschentuch. Dann sah ich Valle an. "Danke, dass du mir zugehört und mich getröstet hast. Das hat wirklich gut getan." Und schon füllten sich meine Augen wieder mir Tränen, also schnappte ich mir ein neues Taschentuch und schniefte hinein. Valle sollte nicht merken, dass ich gleich wieder losheulen könnte. "Ist doch klar", meinte ich und sah Elis ein bisschen abwesend dabei zu, wie er versuchte die nächsten Tränen zurück zu halten. Ich überlegte, wie ich Elis vielleicht helfen konnte, aber mir fiel auch nichts ein, was wirklich wirkungsvoll gewesen wäre. "Kann ich irgendwas für dich machen?", fragte ich ihn also. Ich schüttelte den Kopf, nickte und schüttelte ihn wieder. Valle lächelte. "Also?", fragte er. Ich schluckte. "Nicht mehr sauer auf mich sein?", fragte ich kleinlaut. Er hatte sich zwar entschuldigt, aber das hieß ja nicht, dass er nicht doch noch irgendwie sauer auf mich war. "Du kleiner Dummkopf." Ich drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und ihn noch mal an mich und ließ ihn dann wieder los. "Ich bin nicht mehr sauer, glaub mir. Ich bin froh, dass du nicht sauer auf mich bist. Er lächelte und schüttelte den Kopf und seine Grübchen kamen wieder zum Vorschein. Ich konnte nicht anders und musste auch lächeln. Gerne hätte ich ihn...nein, das konnte ich nicht machen. Er hatte doch jetzt Jeremie. Und wir waren nur Freunde. Freunde die sich stritten und Geheimnise anvertrauten und sich dann später einander heulend in den Armen lagen. Oder zumindest heulte er immer und ich nahm ihn dann in den Arm. Ich sah auf die Uhr und bemerkte, dass es immer noch total früh war. "Willst du...willst du hier bleiben, bis du nach Hause musst? Oder willst du wieder in die Stadt? Ich muss eigentlich auch noch mal. Treff mich mit...muss mich mit jemandem treffen." Der Kuss auf die Stirn bescherte mir Herzrasen und zart rote Wangen. Mit wem er sich wohl traf? "In die Stadt wär ganz gut", meinte ich, es würde mich wieder auf andere Gedanken bringen. "Aber kann ich vorher noch mal ins Bad?" Valle nickte und wies mir den Weg. Ich wusch mir schnell mein Gesicht mit kaltem Wasser und betrachtete unglücklich meine geröteten verquollenen Augen. Es half ja nichts. Ich kehrte eilig zurück zu Valle, bevor ich mir noch zu viele Gedanken machte. Während Elis im Bad war suchte ich mir ein paar Klamotten raus, die ich anziehen konnte und noch die Bezeichnung 'halbwegs sauber' verdienten und drückte mich dann an ihm vorbei, als er wieder kam. "Zieh mich schnell an", meinte ich und beeilte mich damit. Dann ging ich wieder zu ihm und sah mich im Zimmer um. Meine Gitarre würde ich heute nicht mitnehmen, wahrscheinlich würde mich meine Mutter dann nicht mal gehen lassen. Jamie würde ich auch zu Hause lassen. Apropos... "Willst du eigentlich noch Jamie hallo sagen, bevor wir gehen?", fragte ich lächelnd. "Ich werd ihn gleich nicht mitnehmen können. Meine Eltern denken ja immer noch, mir gehts nicht gut." Irgendwie wollte ich Jamie schon Hallo sagen. Aber andererseits hatte ich immer noch ein bisschen Angst vor ihm. Also zuckte ich recht ratlos mit den Schultern. Valle grinste und verschwand kurz. Gleich darauf kam Jamie ins Zimmer gerast, sprang an mir hoch und leckte alles an nackter Haut ab, was er erreichen konnte. Ich quiekte und trat ein bisschen zurück. Valles Lachen half mir in keinster Weise. Zaghaft streckte ich die Hand aus und tätschelte den Kopf des Hundes. "Hallo, Jamie", piepte ich dazu. Ich lachte, als Jamie Elis fast flach legte und klatschte dann in die Hände, bevor er ihn noch auffraß. "Komm, Jaime, das reicht." Jetzt sprang er an mir hoch und ließ sich mit Genussmiene das Fell kraulen, dann verschwand er wieder lärmend in der Wohnung, als ich ihn wegschickte und kurz darauf hörte man meine Mutter schimpfen. "Okay, komm, gehen wir, wir können ja langsam machen, ich muss erst in zwei Stunden da sein. Hast du Lust auf Mäcces?" Ich krallte mir meinen Rucksack und ließ die Jacke ausnahmsweise mal zu Hause, weil ich mich ja nicht drauf setzen musste und es ziemlich heiß draußen war, und winkte dann Elis hinter mir her. Erleichtert folgte ich Valle. "Ja, Mäcces wär ganz gut", stimmte ich zu. "Ich hab heute auch noch nichts gegessen." Im Mäcces angekommen, latschte ich zur McCafé Ecke rüber, auf etwas mit Fleisch hatte ich jetzt keinen Hunger. Stattdessen bestellte ich mir zwei Schokodonuts und einen Kakao. Elis stellte sich beim McCafé an und ich mich an der normalen Bestelltheke. Ausgerüstet mit meiner üblichen Menge an Burgern und heute sogar ausnahmsweise Mal mit Sprite setzte ich mich zu ihm an den Tisch und schlug kräftig zu. Krank spielen machte unheimlich hungrig. Wir aßen schweigend. Aber dann fiel mir wieder das Gespräch von zu Hause ein und auch wenn Elis gerade so aussah, als würde er nicht mehr daran denken und als würde ihm das gut tun, griff ich es noch mal vorsichtig auf. Ich räusperte mich. "Was willst du eigentlich machen, wenn deine Alten rausfinden, dass du schwänzt? Ich meine...was bringt dir das dann, außer ’ne Menge Ärger, wie ich die einschätze?“ Ich sah ihn nachdenklich an. "Ich weiß es nicht. Ich meine...das sollte so eine kleine Art Rebellion werden. Aber das werden sie ja wahrscheinlich eh nicht verstehen und...na ja, jetzt hab ich angefangen und es tut irgendwie ganz gut nicht in die Schule zu gehen." Ich lächelte schwach und knabberte an meinem Donut. "Mhm", machte ich nachdenklich. "Kann ich verstehen. Mir gings auch sehr viel besser, als ich irgendwann gar nicht mehr in die Schule gegangen bin. Da war mir sogar der Ärger mit denen zu Hause egal." Ich zuckte die Schultern und aß dann weiter. Auch Elis schien nichts mehr dazuzufügen haben und bis ich losmusste unterhielten wir uns noch ein bisschen über dies und das und Elis Laune war zum Glück wieder einigermaßen fröhlich. Ich durfte sogar des Öfteren seine süßen Grübchen bewundern und als ich das nächste Mal auf die Uhr guckte, war es schon viel zu spät. "Scheiße", fluchte ich und sprang auf, um mein Tablett wegzubringen. "Ich muss los", sagte ich dann zu Elis. "Willst du mitkommen? Dauert nicht lange." Hoffte ich. Ich nickte, trank den letzten Schluck Kakao und folgte Valle nach draußen. Ich war wirklich gespannt darauf, mit wem er sich traf. Vor allem wo er doch 'krank' war, dass er dafür in die Stadt ging. Kaum war ich aus dem Mäcces getreten, mit Elis im Schlepptau, und hatte mich suchend umgesehen, da wurde ich auch schon angesprungen und hatte eine Zunge tiefer im Hals stecken, als ich je gewollt hatte. Schimpfend schob ich meinen Ex von mir und musste mich zwingen ihm keine zu langen. "Scheiße, Pablo, könntest du dir vielleicht angewöhnen Leute anders zu begrüßen, als mit einer Mandeloperation. Is' ja widerwertig.“ Er grinste mich an, rückte aber kein Stück mehr von mir ab, als ich ihn geschoben hatte und auch seine Hände blieben wo sie waren. "Du kannst mir nicht sagen, du hättest es seinerzeit nicht genossen." Ich versetzte ihm einen Stoß und er musste mich wohl oder übel loslassen. Ich wischte mir erstmal mit dem Handrücken über den Mund. "Du hast so einen an der Klatschte." Er funkelte ihn an. "Und jetzt gibs her." "Es riecht nicht mehr nach dir." "Soll vorkommen. Her damit." Wehmütig griff er in seine Tasche und händigte mir mein Lieblingsshirt aus, das er mir immer noch nicht wiedergegeben und sowieso wie eine diebische Elster geklaut hatte, als ich mich vor ein paar Wochen von ihm getrennt hatte. Schnell packte ich es ein, bevor er noch auf andere dumme Gedanken kam. Sofort klebte der Kerl wieder an mir und strahlte mir mit seinem Zahnpastalächeln fast die Netzhaut weg. Verwirrt und mit einem stechenden Gefühl in der Brustgegend, sah ich zu den beiden rüber. Wer war das? Ein Arm um meine Schulter und ein Kuss auf meine Schläfe ließen mich verwirrt zur Seite blicken. "Hey." Jeremie stand neben mir und lächelte mich an. "Hey." Ich strahlte zurück, "Was machst du hier?" "Hab Pablo zufällig grad getroffen und hierher begleitet. Ich dachte mir, wenn er zu Valle unterwegs ist, bist du vielleicht dabei." Er nickte zu den beiden und lächelte mich an. Ich wurde rot und sah verlegen auf meine Schuhspitzen. "Wer ist das eigentlich? Ist das...Valles Freund?" Ich war ein wenig verwirrt, Valle hatte mir nie etwas von einem Freund gesagt...und mich außerdem geküsst. Wenn auch nur zur Probe oder so. Und er hatte nicht gerade sehr erfreut über die Annäherung des anderen gewirkt. "Nein, sein Ex." Nachdenklich sah Jeremie mich an. "Oh", machte ich und fühlte mich etwas dämlich. Jeremie lächelte plötzlich wieder und ich sah ihn fragend an. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Überrascht riss ich die Augen auf, schlang dann aber meine Arme um seinen Nacken. Er konnte gut küssen. Wirklich. Ich küsste ihn gerne. Und doch war es irgendwie anders, als mit Valle. Ich hatte alle Hände von Pablo erfolgreich von mir entfernt und auch sein Gesicht befand sich dort, wo es zu sein hatte und nicht wieder viel zu nah an meinem und ich drehte mich zu Elis rum um ihn wenigstens vorzustellen, bevor ich Pablo teeren, federn und foltern lassen würde. "Elis, da-..." Weiter kam ich aber nicht, dann drehte ich mich wieder abrupt rum und starrte fassungslos in Pablos Gesicht, der die beiden knutschenden Etwase da nun auch gesehen hatte. "Ich wusste gar nicht, dass die beiden zusammen sind." Und ich wusste nicht, dass sie schon rumknutschten. So! "Ich...keine Ahnung. Doch sind sie. Oder?" Kurz sah er mich fragend an und starrte dann wieder ungeniert zu sein beiden. "Hey." Schnell drehte ich meinen Kopf wieder zu mir und der Depp schien das als Aufforderung zu sehen, mich ebenfalls zu küssen. Zuerst wollte ich ihn wieder wegschieben, dann gab ich meine Gegenwehr allerdings ziemlich schnell nach, auch wenn ich nicht wirklich wusste, was plötzlich in mich gefahren war. Jeremie löste seine Lippen von meinen und Luft holte. Ich stammelte etwas rum und wurde rot. Jeremie grinste, küsste mich kurz. Ich gab ein "Hnnh" von mir und er küsste mich noch einmal. Ich wurde verlegen, wusste nicht wohin sehen und wollte einen Blick zu Valle werfen, aber Jeremie drehte mein Gesicht zu sich und küsste mich wieder. Diesmal wieder richtig. Endlich. Und oh, wanderte da etwa gerade eine Hand von meinem Gesicht über meinen Rücken und fummelte ein bisschen an meinem Hintern? Ich quiekte und konnte spüren wie Jeremie in den Kuss grinste und den Griff an meinem hintern verstärkte. Elis hinter mir gab eindeutige Geräusche von sich und eigentlich wollte ich gar nicht wissen, was die beiden da machten, hatte es aber leider bildlich vor Augen, was mich dazu brachte, oder besser nicht davon abhielt, Pablo freie Bahn zu gewähren, was dieser erfreut zur Kenntnis nahm und seine Lippen von meinen löste um mir den Kiefer entlang zu küssen, bis zu meinem Hals und dem Tattoo, das die Form seiner Lippen hatte. Leise seufzte ich, als er sich für seine Verhältnisse sanft daran zu schaffen machte und er grinste, bevor seine Hand gen Süden rutschte und unter meinem Shirt verschwand. Nun ging es mir aber doch zu weit, schließlich war er mein EX-Freund und...und...Elis... "Pablo", meinte ich leise und drückte ihn von mir, diesmal sogar ohne viel Gewalt und er löste sich mit bedauerndem Gesichtsausdruck von mir. "Schade, dabei schmeckst du mit jedem Moment süßer." Ich lächelte nur und tätschelte ihm die Wange, wie einem kleinen Kind. "Das ist vorbei, Großer." "Schade." Jeremie löste sich wieder von mir, nahm seine Hand aber nicht von meinem Hintern, stattdessen schob er sie mir tief in meine Gesäßtasche. Wieder wusste ich nicht, wohin ich blicken sollte und sah rüber zu Valle, der Pablo gerade die Wange tätschelte. Auch Jeremie wandte sich den anderen wieder zu und schob mich ein Stückchen zu ihnen rüber, mit sanftem Druck auf meinen Hintern, versteht sich. Ich drehte mich in Pablos Armen zu den beiden rum und lächelte Jeremie freundlich an, auch wenn ich ihm gerade gerne eine gelangt hätte. Er hatte Elis...und Elis hatte...argh. Okay, beruhig dich, Valle, du hast selber dafür gesorgt, dass die beiden sich kennen lernen, warum zickst du plötzlich? "Hey", kriegte ich gerade so hervor und wollte eigentlich Pablos Hand von meinem Hintern entfernen, ließ sie aber, wo sie war, als ich sah wo sich Jeremies befand. "Was machst du denn hier?", knirschte ich aufgesetzt freundlich. Irritiert sah ich Valle an. Er wirkte schon wieder schlecht gelaunt. Mein Blick zuckte zu Pablos Hand und zurück zu Valles Gesicht. Er sah mich kurz finster an und dann zurück zu Jeremie. Noch griesgrämiger. Ich drängte mich enger an Jeremie und senkte den Blick. Jeremie drückte irgendwie aufmunternd - ? - meinen Hintern und antwortete Valle. "Ich hab Pablo eben zufällig getroffen und als er sagte, er würde dich hier treffen, dachte ich mir, dass Elis vielleicht dabei ist und bin mit." Ich hatte irgendwie, dass Gefühl das Jeremie grinste und fragte mich warum oder ob das nur Einbildung war. "Hrm", grummelte ich nur und warf dann einen Blick auf die Uhr neben dem Mäcces. "Okay, ich muss auch wieder los." Ich warf Elis einen letzten Blick zu, winkte ihm und seinem neuen Freund kurz zu und wand mich dann noch schnell an Pablo. "Danke für das Shirt, wir..." Ich hielt inne. "Fährst du auch mit der 15?" Freudestrahlend nickte er und griff nach meiner Hand. "Klar, wenn du gerne willst." Er warf Jeremie und Elis - oder nur Jeremie? - einen triumphierenden Blick zu und zog mich dann hinter sich her. Grässlicher Tag. Ich würde mich jetzt nur noch zu Hause in mein Bett hauen und gar nichts mehr machen. Außer essen, atmen und mich scheiße fühlen. So was gestaltete sich doch im Bett immer am Besten. Verwirrt sah ich Valle hinterher und dann zu Jeremie. Der lächelte schief. "Komm", sagte er und zog mich mit sich. Kapitel 6: Verflossene & noch mehr Drama ---------------------------------------- Bruce würde sagen ‚Drama, Baby, Drama!’ und wir stimmen ihm da ganz zu. Außerdem ein gepflegtes ‚Cheers!’ auf die Erfüllung unserer Träume und der…äh, anderer. Kaffee gibts ja leider keinen, aber vielleicht können wir nachher ein bisschen weißen Rebwein anbieten. ;) Viel Spaß mit dem Drama hier. <.< ~*~*~ Wieder ein Morgen. Wieder schlechte Laune. Wieder kein Kaffee. Ich hasste es früh aufzustehen und was ich noch mehr hasste, war es über Nacht eine große Erkenntnis zu erlangen, nachdem man sich mehrere Stunden, verzweifelt nach Schlaf suchend, durch die Laken gewälzt hatte, und mit der man, nachdem sie endlich gewillt ist aufzutauchen, nicht viel anzufangen weiß. Ich mochte Elis also mehr, als es gut für mich war und hatte ihn nebenbei mal eben so mit einem guten Freund von mir verkuppelt, wofür ich mir jetzt auch noch die Schuld geben musste. Soweit so gut. Nein. Schuld daran waren allein diese verdammten Grübchen! Ich konnte rein gar nichts dafür, dass ich mich in Elis verknallt hatte. Er allein war schuld. Er war einfach zu süß. Seufzend lehnte ich meinen schmerzenden Kopf an die Wand hinter mir und Jamie leckte mir mitleidig über die Hand. Am nächsten Morgen traf ich einen recht schlecht gelaunten Valle und einen ruhigen Jamie an. Ich wollte mich zögernd neben ihm niederlassen, aber Valle stand auf und murrte: "Lass uns zum Gartenhaus gehen, ich hab heute kein Bock aufs Spielen." Ich zuckte mit den Schultern und wartete, bis er seine Sachen zusammen hatte und folgte ihm zur Bahn. Wir redeten nicht viel, als wir zu Elis' Häuschen fuhren und ich ließ mich, als wir endlich dort waren, geschafft auf das Sofa fallen und rieb mir die Stirn. Elis bot mir eine Kopfschmerztablette an und ich nahm das Angebot dankend an. Scheiß Grübelei. Er ließ sich neben mir nieder und ich rückte automatisch ein Stück von ihm weg. Ich brauchte jetzt nicht noch mehr Nähe von ihm, ich war sowieso verwirrt genug. Es tat mir weh, dass er sich so von mir wegsetzte. War er wieder sauer auf mich? Aber warum? "Stimmt was nicht? Bist du sauer auf mich? "Was? Nein. Nein, bin ich nicht, keine Sorge." Ich zwang mich zu einem Lächeln und stellte das Glas Wasser, mit dem ich die Tablette runter gespült hatte, zurück auf den Tisch. "Ich bin nur 'n bissl fertig, ich hab kaum geschlafen." Ich ließ den Kopf auf die Rückenlehne sinken und streichelte Jamie den Kopf, der diesmal nicht alles in Schutt und Asche zerlegte, sondern seine Schnauze auf meinem Knie platziert hatte. Wahrscheinlich hatte er gemerkt, dass es mir heute nicht gut ging. "Wie war’s gestern noch mit Jeremie?", fragte ich, versuchend möglichst unbeteiligt zu klingen und fragte mich, ob ich neuerdings unter die Masochisten gegangen war. Okay, wenn man mit Pablo zusammen...aber das war eine andere Geschichte. "Hmmh...Gut", meinte ich abgelenkt und starrte auf das Tattoo unter seinem Kiefer. Ich hatte es schon mal gesehen. Am ersten Tag oder so. Aber erst jetzt konnte ich erkennen, was es wirklich war. Ein Lippenabdruck. Ein Kussmund. Eine Markierung für die Ewigkeit? "Was ist das für ein Tattoo? Ich meine, wie bist du auf diese Idee gekommen?", platzte es aus mir raus und ich strich mit meinen Fingern vorsichtig darüber, bevor ich meine Hand wieder zurückzog. Gut? Gut?! Was hieß gut? Ich wollte Einzelheiten. Nein, wollte ich nicht. Doch, wollte ich. Aber wahrscheinlich war es besser für mich, wenn ich sie nicht wusste. Bevor ich aber nachhaken oder mir überlegen konnte, ob ich es nicht tun sollte, streiften Elis' Finger sanft meinen Hals und fast augenblicklich überzog meinen Körper trotz der Wärme, die schon am Morgen herrschte, eine wohlige Gänsehaut, von der ich hoffte, dass sie von Elis unbemerkt blieb. Ich versuchte mich wieder zu konzentrieren. Was? Achso, das Tattoo. "Das...das war nicht meine Idee. Ich war nur zu besoffen um es zu verhindern." Ich grinste bei dem Gedanken daran, wie ich ausgetickt war, als ich es am nächsten Morgen entdeckt hatte, obwohl ich mich danach ziemlich schnell beruhigt und es eigentlich ganz geil gefunden hatte. Außerdem hatte ich genug Tattoos, eins mehr oder weniger war also auch nicht allzu schlimm gewesen. Und wenigstens war es keine Cartoonfigur oder ähnlich peinlicher Kram gewesen. "Nicht deine Idee?" Ich hätte gerne noch mal mit meinen Fingern darüber gestrichen, traute mich aber nicht. "Wessen Idee war es dann? Und warum gerade so ein Motiv?" "Weil Pablo merkwürdige Gedanken hat und die Idee von seinem Mund an meinem Hals unglaublich toll fand." Ich fuhr nachdenklich darüber und fragte mich zum hunderttausendsten Mal, ob ich mich, wenn ich älter war und das Tattoo immer noch hatte, immer noch an Pablo erinnern würde können. Wahrscheinlich, denn für so was war ein Tattoo ja da. Zumindest sah ich das so und bei meinen meisten war es auch so. Ein Symbol für eine Begebenheit, eine Situation oder für einen Menschen, die man festhalten wollte. "Er hat meinen auch. Nur nicht am Hals." "Oh. Von Pablo?...Deinem Ex?" Der Gedanke gefiel mir nicht, irgendwie. "Und wo hat er es?" Ich runzelte die Stirn. "Findest du es nicht irgendwie komisch, mit der…hmm, Markierung deines Ex rumzulaufen?" Bildete ich mir das nur ein, oder klang Elis' Stimme auf einmal recht zickig? Nein, wahrscheinlich war das Wunschdenken. "Eifersüchtig?", fragte ich trotzdem neckend, weil ich mir sicher war damit eh keinen wunden Punkt zu treffen. "Und ja, wie gesagt konnte ich es nicht verhindern, ich war ziemlich hinüber. Und so viel Kohle, dass ich es wegmachen lassen kann, hab ich auch nicht. Ist doch nur ein Tattoo." Dass Pablo seines an seiner Leiste hatte und das natürlich auch unglaublich toll gefunden hatte, das sagte ich ihm jetzt lieber nicht. "Ei...Eifersüchtig?" Ich hatte das Gefühl, dass alles in mir zum Stillstand kam. Und sich dann mit einem einzigen Ruck wieder in Bewegung zu setzen begann, mir geradezu eine Erkenntnis aufdrückte. Ja, ich war eifersüchtig. Ohne jegliches Recht dazu. "Hmmh". entrutschte es mir. Ich hielt inne. Oder...zumindest hätte ich inne gehalten, wenn ich etwas anderes gemacht hätte, als dazusitzen und an die Decke zu starren. Einen Moment lang war nur das Ticken der Uhr zu hören und wenn ich Schnulzenschreiber gewesen wäre, hätte ich sicher auch unseren unruhigen Atem beschrieben, wenn ich seinen denn gehört hätte. Zumindest meiner war, nachdem ich die Luft kurz angehalten hatte, recht ungleichmäßig und langsam hab ich den Kopf und sah Elis ungläubig an. "Echt?" Einen Augenblick lang starrte ich Valle einfach nur an. Dann wurde ich knallrot und senkte den Blick, zuckte mit den Schultern. Das Muster unseres Sofabezuges war noch nie so interessant gewesen. Ich setzte mich schnell auf und wünschte ich hätte es nicht getan, weil mein Kopf hämmerte, jetzt noch schlimmer als eben, weil sich die Gedanken wieder überschlugen. "W-wie meinst du das?" "Ich bins eben!", motzte ich. "Irgendwie...", murmelte ich. Ich zupfte verschämt an meiner Hose rum. "Wieso?" Ich musste gucken wie ein Auto. Und ich fühlte mich auch wie ein Auto, zumindest wie ein 1992er Ford, der seine besten Tage schon gesehen hatte und nur noch schlimm stottern konnte. Ich versuchte durchzuatmen und wieder zu meinem normalen Ich zurückzufinden. Was allerdings leichter gesagt, als getan war. "Weiß nicht." Das Zupfen an der Hose wurde immer schlimmer. "Ich mag dich halt...sehr." Ich begann meine Finger zu kneten. "Scheiße. Tut mir leid. Ich hab gar nicht...das Recht dazu. Ich will dir nicht noch mehr zur Last fallen", murmelte ich kleinlaut. "Gott, hör auf." Ich griff nach seinen Händen, die ständig irgendwo rumfummelten und atmete tief durch und versuchte das Grinsen, was sich stetig auf mein Gesicht schleichen wollte, irgendwie zu unterdrücken, aber es wollte mir nicht so recht gelingen. "Du fällst mir nicht zur Last. Gar nicht. In keinster Weise. Aber was ist mit Jeremie?" "Jeremie? Da ist nichts mehr. Also seit gestern. Wenn da überhaupt jemals so wirklich was war. Er hat mir gestern gesagt, dass aus uns wohl nie etwas werden würde, weil er jemand anderen mag. Aber er würde gerne so tun, um diese andere Person vielleicht ein kleines bisschen eifersüchtig zu machen. Jedenfalls, bis ich jemand anderen habe…und da hab ich ihm gesagt, dass es schon jemand anderen gibt. Also…“ „Jemand anderes?“, unterbrach mich Valle sofort. „Wen denn?“ „Na, dich eben“, nuschelte ich und wurde wieder rot. „Warum grinst du so? Lass das", murrte ich und musste selbst ein bisschen lächeln, es steckte einfach an, Valles Grinsen. "Lass mich doch, ich freu mich eben." Ein bisschen überrascht sah er mich an, aber ich sagte nichts, sondern beugte mich einfach zu ihm, um ihn vorsichtig zu küssen. Als keine Gegenwehr kam, zog ich ihn ein bisschen näher an mich ran und vertiefte den Kuss, während er die Arme um meinen Nacken legte und ich meinen um seine Hüfte schlang. Grinsend löste ich mich von ihm. "Wenn du wirklich so eifersüchtig bist, kannst du dich gerne selber auf mir verewigen. Nur nicht für immer. Ich will nicht, wenn ich fünfzig bin, zwei Lippenabdrücke von meinen Verflossenen auf dem Körper haben." Leicht irritiert schüttelte ich den Kopf. Ich schwafelte. "Ist auch egal." Ich küsste ihn wieder. Hmm...also hmmm. Zum klaren Denken, schien ich nicht mehr fähig. Valles Küsse machten mich irgendwie so beduselt, kribbelig und glücklich...und mir wurde heiß. "Verewigen?", fragte ich, als Valle ganz kurz von mir abließ. "Wie meinst du das?" "Hhmm, ich weiß nicht", grinste ich ihn an und küsste ihn wieder, hauchte dann einen Kuss auf eines seiner Grübchen, dass mich wieder anstrahlte. "Such’s dir aus." Ich biss ihn mit sanfter Gewalt in den Hals und er quietschte erschrocken auf. Grinsend küsste ich ihm die Stelle und ließ langsam meine Hände wandern. Aber wenn Jeremie ihm an den Arsch langen durfte, dann durfte ich das schon lange. Ich verstand immer noch nicht was er meinte, aber seine plötzliche Verwandlung in eine Art Vampir lenkte mich dann doch zu sehr ab. Nicht, dass es mir nicht gefiel, aber es war eben das erste Mal, das jemand so etwas bei mir gemacht hatte. Und wohin waren seine Hände da gerade unterwegs? Mist, klares Denken war heute wohl vorerst nicht mehr angesagt. "Sag mal", fing ich an und ließ meine Hände unter sein Shirt wandern, "Wir sind jetzt zusammen, ja? Weil, wenn du eh nicht mit Jeremie zusammen bist, dann...oh, warte mal. Ihr seid nicht zusammen, aber trotzdem knutscht er dich ab?" Mit empört hochgezogener Augenbraue sah ich Elis an. "Darf ich ihm jetzt eine langen?" Seine Finger kitzelten ein bisschen, aber auf eine angenehme Weise. "Wenn du willst", murmelte ich und lächelte ihn an, runzelte dann aber die Stirn. "Du hast dich aber auch von deinem Ex abknutschen lassen. Und nein, du darfst Jeremie keine langen." "Aber...", fing ich an, erntete einen strengen Blick von Elis, ließ mich aber nicht beirren. "Erstens hat er mir die Zunge in den Hals gesteckt und zweitens hätte ich mich auch wesentlich mehr dagegen gewehrt, wenn Jeremie das Selbe nicht zwei Meter entfernt mit dir gemacht hätte", grummelte ich. "Und ja, will ich", fügte ich noch dazu und küsste ihn wieder. "Ausrede!", murrte ich zwischen zwei Küssen, hatte aber auch keine Lust, dass Thema weiter zu vertiefen. Ich wollte das hier genießen und nicht diskutieren. Schon gar nicht, wollte ich, dass das hier noch in einen Streit ausartete. "Das-…", fing ich an, aber in dem Moment klingelte irgendwo ein Handy und da es meins nicht wahr, konnte es nur Elis' sein. Unwillig machte ich mich von ihm los und er sprang auf, um zu seiner Tasche zu laufen und das Ding zu suchen. "Wer ist das denn?", wollte ich grummelnd wissen, aber er suchte nur noch hektischer in seiner Tasche. "Keine Ahnung." "Wer ruft dich denn um die Uhrzeit an?" "Keine Ahnung!" Er fand es, warf einen Blick auf das Display und wurde beinahe kreidebleich. "Was ist los? Wer ist es?" "Mein Vater." Einen Augenblick lang starrte ich das Telefon einfach nur an. Schließlich hob ich mit zitternder Hand ab. "Ja?" "Wo zum Teufel bist du?", donnerte es mir entgegen, ich kam aber gar nicht dazu noch etwas zu sagen. "Die Schule hat angerufen! Komm sofort nach Hause!" Dann wurde aufgelegt. Mir wurde übel und ich glaub ich war wieder den Tränen nah. "Ich muss. Sie wissen es." "Was? Aber...Sind sie sehr sauer?" Ich stand schnell von der Couch auf und ging zu Elis, aber er nickte nur und begann seine Sachen aufzulesen. "Warte, ich komm mit." Na ja, mir blieb sowieso nichts anderes übrig, hier bleiben konnte ich ja nicht. Bevor er abschloss, nahm ich ihn noch mal in den Arm und für einen kurzen Moment lehnte er sich an mich, aber dann machte er sich wieder los. Auf dem Weg zur Bahn nahm ich seine Hand und drückte sie aufmunternd, aber ich wusste nicht genau, was ich sagen sollte. Gern hätte ich ja gesagt, dass es schon gut werden würde, aber so wie es aussah waren seine Eltern ja sehr viel strenger und gingen anders an solche Sachen ran. Am liebsten wäre ich im Gartenhäuschen geblieben, bei Valle. Aber es ging nicht, es hinauszuzögern machte es nur noch schlimmer. In der Stadt verabschiedete ich mich ganz schnell von Valle und Jamie. "Meld dich", meinte Valle noch, bevor ich mich auf in die Höhle des Löwen machte. Irgendwann, ich glaub es war so ungefähr vier Uhr in der Früh, rief ich Valle an. Er hatte überhaupt keine Gelegenheit sich zu melden, schon schluchzte und stotterte ich ihm ins Ohr. "Hausarrest...lange...Privatlehrer und...und…" Vor lauter heulen, bekam ich keinen vernünftigen Satz mehr zustande. Mitten in der Nacht, oder war es schon früh?, weckte mich Elis mit einem Anruf und obwohl ich dem Störenfried zuerst den Kopf abhacken wollte, war ich hellwach, als ich sah, dass es Elis war, der da anrief. Ich versuchte ihn ein bisschen zu beruhigen, wusste aber auch nicht wirklich, was ich sagen sollte und wartete dann einfach ergeben, bis Elis seine Heulattacke beendet hatte und wieder normal sprechen konnte. Dann fiel mir etwas sehr, sehr wichtiges ein, was ich bis jetzt nicht bedacht hatte. "Wann sehen wir uns denn dann?" Panik?! "Weiß nicht", schniefte ich und wischte mir mit dem Ärmel übers Gesicht. "Ich werd mir was überlegen. Vielleicht komme ich am Wochenende hier raus. Aber dann kann ich nur zu dir, woanders wäre ich zu leicht zu finden." "Mein Gott, das klingt wie 'ne Flucht ausm Knast. Bist du dir sicher, dass du dir das antun willst? Dann kriegst du nur noch mehr Ärger." Okay, war ich irgendwie blöd oder so? Warum laberte ich so eine Gülle? Ich musste ein bisschen lachen. "Ja. Ich würde es hier sonst einfach nicht aushalten...Nicht mehr." Ich zuckte mit den Schultern, obwohl er es nicht sehen konnte. "Mhm, na ja, wenn du meinst. Aber nicht, dass sie dich dann das nächste Wochenende gleich ganz festhalten." Das klang immer mehr nach Knast. Dann fiel mir was ein. "Sag mal...dass du schwul bist, das wissen sie aber noch nicht, oder?" "Nein." Ich schüttelte den Kopf. "Das würde in viel mehr, als nur Hausarrest und Privatlehrer, ausarten. Und ich komme. Ich bin fast achtzehn, sie können mich nicht ewig festhalten", murmelte ich unwirsch. "Okay." Sein zu Hause klang mit jedem Mal schrecklicher, da war ich doch irgendwie ganz froh, dass ich meine Eltern erwischt hatte. "Wann hast du eigentlich Geburtstag?", fiel mir dann ein. "In zwei Wochen. Wieso?" Nachdenklich pulte ich an der Decke rum, in der ich eingehüllt auf meinem Bett saß. "Nur so." Ich räusperte mich und versuchte meine Stimme unbeteiligt klingen zu lassen, auch wenn das natürlich totaler Quatsch war. "Was magst du so?" Ich musste wieder lächeln. Es war wirklich süß, wie Valle versuchte desinteressiert zu tun. "Ich mag dich", sagte ich also und grinste. "Und Kakao. Und rotes, blaues und grünes Weingummi. Wieso?" "Mhm." Damit konnte ich nicht wirklich viel anfangen. Ich konnte mit ja schlecht eine Schleife umbinden und mich selbst zum Geburtstag verschenken. Obwohl…nein. Das war Elis, was dachte ich da? "Und sonst so?" Ich klopfte Jamie, der in seinem Körbchen vor meinem Bett schlief, reichlich unsanft auf den Kopf und er hob ihn langsam, um zu sehen, wer ihn da aus seinem wohlverdienten Schlaf weckte. Als ich aber neben mich aufs Bett klopfte und ein bisschen zur Seite rückte, war er sofort auf den Beinen und dann neben mir, wo er sich zusammenrollte und sich das Fell kraulen ließ. "Du musst mir nichts schenken", meinte ich lächelnd und pulte weiter an meiner Decke rum. Es tat gut, über etwas anderes zu reden. "Wer hat denn gesagt, dass ich dir was schenken will? Vielleicht ist mir dein Geburtstag auch völlig schnuppe und ich warte nur auf den Tag, an dem ich dich endlich legal flachlegen kann?" Und ich wusste noch nicht mal das genaue Datum, 'in zwei Wochen' sagte mir nicht wirklich viel. Ich wurde knallrot, versuchte etwas zu sagen, aber mehr als ein Krächzen bekam ich nicht raus. Ich räusperte mich und nuschelte dann leicht heiser: "Blödkopf. Warum hast du dann gefragt?" Ich grinste und warf dann einen Blick auf die Uhr. Shit, in ein paar Stunden musste ich schon wieder aufstehen. Und diesmal würde ich den Tag alleine und ohne Elis in der Stadt verbringen müssen. So eine Scheiße auch. "Tja, ich hatte gehofft du vertraust mir ein paar deiner geheimsten Fantasien und Sexvorlieben an. Konnte ich doch nicht wissen, dass du mit schnödem Weingummi daher kommst." Mein Gesicht bekam noch einen Ticken mehr rot ab. "Das musst du schon alles selbst herausfinden. Sollst dir ja Mühe geben", meinte ich und wunderte mich, wieso ich mich traute so etwas zu sagen. Lag wohl an Valle. "Mhm, okay. Ich freu mich aufs Wochenende, Kleiner. Mal sehen, wie gut ich bin. Aber wir sollten für jetzt mal Schluss machen, ich brauch noch ein bisschen Schlaf, bevor ich morgen früh raus und in die Stadt muss. Ohne dich." Ich schniefte mitleidheichend. Wir verabschiedeten uns und als wir aufgelegt hatten und ich mich wieder in meine Decke kuschelte, versuchte ich krampfhaft nicht daran zu denken, wie schrecklich elislos der morgendliche Tag werden würde. Kapitel 7: Hollywood &... ------------------------- Ja. <.< Ich weiß. Es ist scheiße kurz. Und dann der Inhalt. *seufz* Da fällt mir nicht mal mehr ein dämlicher Spruch ein. >.> Wir haben das letzte Kapitel noch mal getrennt, sonst wäre es zu viel auf einmal gewesen und alles zu sehr Schlag auf Schlag gekommen. Nächsten Montag kommt dann das letzte. :) Viel Spaß mit dem hier und danke nochmal an die Kommentarscheiber. ~*~*~ Ich hatte es tatsächlich geschafft mich unbemerkt aus dem Haus zu schleichen. Dazu hatte ich zwar in die Hollywoodtrickkiste greifen müssen, ich hatte mich in mein Zimmer eingesperrt und war aus dem Fenster getürmt, aber es hatte funktioniert. Und ich hatte den Weg zu Valle auch wieder gefunden. Gerade stürmte ich mehr oder weniger die Treppen hoch, hoffentlich hatte ich noch genug Atem, um schnell oben anzukommen. Man hörte Elis' Schritte durch das ganze Haus hallen und als er oben war, flog er fast auf die Gusche. Ich hielt ihn gerade noch so fest und er fing sich wieder, strahlte mich dann mit einem Atomgrinsen an und ich zog ihn zu mir, um ihn zu küssen. "Hey", sagte ich. "Hey", säuselte er hin und weg und ich musste lachen. "Komm rein, Kleiner. Jamie freut sich schon den ganzen Tag auf dich." Und ich mich sowieso. Ich lächelte duselig. Valle machte mich glücklich. Ich brauchte ihn. Jamie schien sich wirklich zu freuen mich zu sehen, jedenfalls soweit ich das beurteilen konnte. Und ich freute mich auch ihn zu sehen. Irgendwie. Er war eben immer noch riesig. Aber noch mehr freute ich mich eben Valle zu sehen. Wir gingen in mein Zimmer und ich schmiss mich aufs Bett auf das Jamie gleich hinterhersprang. Meine Eltern waren zum Glück nicht da. "Okay, was wollen wir machen? In die Stadt kannst du ja nicht, oder?" "Nein", ich schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht. Hast du einen Film oder so was da, was wir uns anschauen könnten? Wäre jetzt jedenfalls das einzige, was mir einfällt." "Klar, können wir gerne machen." Wir suchten uns irgendeinen Film raus und schmissen uns zusammen auf die Couch. Elis kuschelte sich wie selbstverständlich in meine Arme und ich merkte mal wieder, wie sehr mir so was in den letzten Wochen gefehlt hatte. Ich musste ihn immer wieder irgendwie streicheln oder ihm Küsse geben und hatte irgendwann das Gefühl, dass ich ihn damit ein bisschen nervte. Ich zumindest wäre irgendwann genervt davon, wenn ich ständig immer irgendwie begrabbelt werden würde. Aber er beschwerte sich nicht. So konnte man doch ein Wochenende verbringen. Viel bekam ich vom Film nicht mit und das war allein Valles Schuld. Okay, ich konnte nicht genug kriegen von den Küssen und Streicheleinheiten, aber Valle machte das auch so gut. "Duuu?", begann ich, zur Antwort bekam ich einen Kuss. "Kann ich heute hier bleiben? Über Nacht, meine ich? Weil ich nicht weiß, wann ich das nächste Mal wieder kommen kann, da möchte ich so lange wie möglich bei dir bleiben." Ich strahlte ihn an und konnte nicht anders, als ihn wieder in einen Kuss zu ziehen. "Klar, wenn du gerne willst", murmelte ich dann und vergrub mein Gesicht in seinen Haaren und atmete tief durch. "Aber kriegst du dann nicht erst recht Ärger von deinen Eltern, wenn du nicht nach Hause kommst über Nacht?" Sein Handy hatte schon das ein oder andere Mal geklingelt, aber er hatte es ignoriert. "Aber ich will jetzt nicht gehen", murrte ich. "Außerdem müssen sie sich mal so langsam an den Gedanken gewöhnen, dass ich nicht mehr ewig unter ihrer Fuchtel stehe. Nicht mehr lange." "Okay, dann bleib." Und das tat er. Und er kam immer wieder, egal was seine Eltern sagten und was sie für Aufstände anzettelten. Er verbrachte bald jedes Wochenende bei mir und wenn er es mal nicht schaffte sich wegzuschleichen, dann telefonierten wir stundenlang. Wegen ihm wurde ich fast zu einem echten Stubenhocker und irgendwann war ich es Leid nur noch in meinem Zimmer zu hängen, irgendwelche irgendwann hundertmal gesehen Filme zu gucken und rumzuknutschen. Obwohl ich gegen das Letzte natürlich nichts einzuwenden hatte. Aber trotzdem wollte ich auch meine Freunde endlich alle mal wieder sehen und so gingen wir nun doch öfter in die Stadt oder zu irgendeinen von meinen Leuten, damit auch Elis mal ein bisschen unter Leute kam, die wie er es nannte, ehrlich zu ihm waren. Irgendwann kamen wir auf die Idee mal wieder in das Gartenhäuschen zu gehen. Also besorgte ich mir die Schlüssel und am nächstmöglichen Wochenende fuhren wir hin, Jamie kam mit. Wir saßen wie immer erstmal nur auf dem Sofa rum, redeten und küssten uns. Nur dass diesmal etwas mehr daraus wurde. Plötzlich lag ich ohne T-Shirt auf dem Sofa und Valle, genauso sein T-Shirt los, beugte sich über mich und küsste mich. Ich mein, dass war schon mal passiert und ich wurde diesmal auch nur ein bisschen rot, aber diesmal begnügte sich Valle nicht mehr damit, mich nur ein wenig mit seinen Händen zu streicheln. Stattdessen küssten sich seine Lippen meinen Hals entlang. Er biss mir zart ins Schlüsselbein, leckte entschuldigend drüber und begann meine Brust mit federleichten Küssen zu bedecken. Ich seufzte und schloss zitternd meine Augen. Es war nicht viel, was er da tat, aber es war das erste Mal, dass es jemand bei mir tat und es reichte aus, um mich zu erregen. Ich wurde verlegen und bestimmt noch eine Spur röter. Seine Hände strichen meine Seiten entlang, seine Lippen folgten ihrem Weg nach unten, kurz vorm Hosenbund stoppte er, richtete sich wieder auf und küsste mich. Als seine Finger sich geschickt daran machten meine Hose zu öffnen und hineinglitten, hielt ich den Atem an. Ich konnte sein Grinsen an meinen Lippen spüren und ich wäre am liebsten aufgesprungen und davon gelaufen, inzwischen musste ich eine knallrote Birne haben. Aber an Weglaufen war nicht mehr zu denken, als seine Finger in meine Hose glitten und mich zart berührten. Ich keuchte und er fackelte nicht mehr lange und schob mir mit einer Hand Hose samt Boxershorts ein Stück runter, während mich seine andere Hand umfasste. Ein Stöhnen entwich mir, welches mir Valle geradezu von den Lippen saugte. Erst ganz sanft und dann immer fester begann sich seine Hand zu bewegen. Mir wurde heiß, mir wurde schwindelig, mein Kopf war wie leer gefegt, ich stöhnte ein "Valle" und im selben Moment hatte ich das Gefühl alles in mir würde explodieren. Meine Finger krallten sich in Valles T-Shirt, ich keuchte noch einmal seinen Namen und kam. Ich rang nach Atem und hatte das Gefühl, dass jemand in der Ferne nach mir rief, war aber zu sehr damit beschäftigt, mir zu wünschen im Boden zu versinken. Ich wagte es nicht Valle anzusehen. Elis' Hände krampften sich in meine Schultern und er hatte den Kopf gesenkt. Lächelnd zog ich ihn in meine Arme und drückte ihm einen Kuss auf seine leicht zitternden Lippen. Offensichtlich war ihm das Ganze peinlich und irgendwie konnte ich ihn sogar verstehen. Mir war es auch irgendwie peinlich gewesen, als das jemand das Erste mal bei mir gemacht hatte. Obwohl ich es da ja sogar wirklich gewollt hatte. Ich war noch lange nicht so weit und so wie ich das beurteilen konnte, war das wahrscheinlich auch gut so, denn Elis war ziemlich durch den Wind. "Alles okay?", fragte ich leise und strich ihm sanft über den nackten Rücken. Ich nuschelte etwas Unverständliches und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Plötzlich konnte ich von draußen jemanden meinen Namen rufen hören und erschrak, ich schaffte es noch mir die Hose hochzuziehen, bevor die Türe aufsprang und mein Vater, dicht gefolgt von meiner Mutter, ins Gartenhäuschen platzte. Danach ging alles sehr schnell. Mein Vater brüllte, während er es irgendwie schaffte Valle nach draußen zu bugsieren, Jamie sprang bellend hinterher, meine Mutter kreischte, ob des haarigen Riesenviechs. Dann knallte die Türe, mit einem "Lassen Sie sich hier nie wieder blicken!" zu und auf mich stieß ein wahrer Schimpforkan nieder. Nicht nur, dass ich schwänzte und meinen Hausarrest missachtete, nein, jetzt war ich auch noch eine widerliche Schwuchtel, die es sich von einem dreckigen Stricher besorgen ließ. Sämtliche meiner Einwände wurden ignoriert. Nicht nur, dass ich weiterhin Privatunterricht und Hausarrest bekam, jetzt durfte ich auch Valle nie wieder sehen. Mein Vater konfiszierte mein Handy, meinen Laptop und besorgte mir eine Art Leibwächter, oder eher Babysitter, der darauf zu achten hatte, dass ich auch wirklich sämtliche Regeln einhielt. Es ging mir hundsmiserabel. Ich wusste nicht, wie ich Valle kontaktieren konnte. Kapitel 8: ...seine Kindermädchen --------------------------------- Ehm ja. Soviel dazu. Dies hier ist dann das letzte Kapitel, tut uns Leid, dass wir uns so total damit verspätet haben. Aaaber...wir haben sogar eine Entschuldigung. Wir wollten das Kapitel nämlich erst hochladen, wenn die...na ja, 'Fortsetzung' kann man es nicht nennen, sagen wir die 'Side-Strory' zu Parallelwelten fertig und hochladebereit ist. :) Also, wenn ihr an Jeremies (den mochtet ihr ja alle ganz gern leiden ;) und Pablos Geschichte interessiert seid, dann lade ich hier später noch den Link zur Story rein. Diese wird dann allerdings sehr viel kürzer sein (4 Kapitel) und ist dafür auch schon (fast) fertig. :) Wenn ich also nicht wieder schlamper (und endlich das letzte Kapitel zu Ende schreibe), dann dürfte es da schneller voran gehen. (Link: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/225005/) So genug gelabert. Letztes Kapitel, danke nochmal für die vielen lieben Reviews und ganzen die Favos. Und ja, die Geschichte ist da zu Ende, wo sie zu Ende ist, vielleicht geht es für die beiden jetzt erst richtig los, aber in der Story drehte es sich eben nur um diese kleine...'Romanze' zwischen den beiden. :] Enjoy. ~*~*~ Ich konnte Elis seit anderthalb Wochen nicht mehr erreichen und langsam machte mich das echt wahnsinnig. Nachdem ich ein paar Mal erfolglos versucht hatte ihn, auf seinem Handy anzurufen, war das irgendwann ausgeschaltet gewesen und ich hatte ja nicht mal eine Ahnung, wo genau er überhaupt wohnte. In der Stadt war er auch nicht mehr gewesen und auch wenn ich mir das eigentlich denken konnte, hielt ich jedes Mal wieder die Augen offen, wenn ich den Tag über in der Stadt saß. Natürlich hatte ihn nie ausmachen können. Und weil ich langsam wirklich verrückt wurde und zumindest endlich mal wieder seine Stimme hören wollte, hatte ich das ganze Telefonbuch durchwälzt, seine Telefonnummer endlich unter fünf anderen ausmachen können und drückte jetzt in dem Moment auf den grünen Hörer um ihn anzurufen. Am anderen Ende meldete sich eine dunkle Stimme. "Hier bei von Burghausen?" "Ähm...ja, hallo. Wäre es möglich Elis zu sprechen?" "Herr von Burghausen ist beschäftigt." Herr von Burghausen? Schnösel. "Ja, das dachte ich mir. Aber er hat sich lange nicht mehr gemeldet, ich mache mir Sorgen. Und...er ist ja auch nicht mehr in der Schule und so. Also..." "Wer spricht denn da?" "Christian. Ein Klassenkamerad. Also...ein ehemaliger." Es war kurz Stille und mein Herz klopfte ziemlich laut, dass ich es in meinen Ohren pochen hören konnte. Seit wann war ich denn so ein Schisser? "Ich stelle Sie durch." Erleichtert atmete ich aus. "Ein Herr Christian möchte Sie sprechen", teilte mir mein ‚Sitter’ mit. Ich war verwirrt. Was wollte der denn von mir? Ein wenig skeptisch nahm ich das Gespräch entgegen. Mit misstrauischer Stimme sprach Elis ein 'Ja?' in den Hörer und ich musste mich ziemlich zurückhalten ihn nicht verbal niederzumachen. Also atmete ich erst mal tief durch und sagte dann mit einigermaßen ruhiger Stimme. "Elis? Hier ist Valle... Alles okay, bei dir?" Ich gab ein glückliches Quieken von mir. "Va- Christian!...Altes Haus. Bei mir soweit…alles okay. Wie geht es dir?" Vor Aufregung schlug ich meinem Sitter die Türe vor der Nase zu. Er gab ein genervtes Grunzen von sich und entfernte sich schlurfenden Schrittes. Das einzig Gute an ihm war, dass er nicht besonders helle war. Er war riesig und muskulös und sollte mir wohl Angst oder Respekt einjagen. Wie auch immer. Ich wäre am liebsten durch den Telefonhörer durch in Valles Arme gekrochen. Ich lachte leise und ließ mich erleichtert auf meine Couch sinken. "Geht so, 'altes Haus'. Alles senkrecht?" Ich grinste und verkniff mir ein zweideutiges Hüsteln. Jetzt war sicher nicht der richtige Moment über unser letztes Zusammentreffen zu sprechen. "Wieso hast du dich nicht gemeldet?" Ich bin fast eingegangen. Aber das sagte ich lieber nicht. Ich war froh, dass Valle durchs Telefon meine knallrote Birne nicht sehen konnte. "Sie haben mein Handy und meinen Laptop an sich genommen. Außerdem habe ich jetzt einen Sitter von Gorilla, der sämtliche meiner Aktivitäten rund um die Uhr überwacht. Wahrscheinlich würde er sogar in meinem Zimmer schlafen, aber das fand meine Mutter dann zum Glück doch nicht mehr so gut", plapperte ich drauf los. "Und einen Brief schreiben wäre auch nicht so gut gekommen, den hätten sie zu aller erstmal überprüft. Von wegen Briefgeheimnis und so." "Also wenn ein Gorilla in deinem Zimmer schlafen würde, dann würde ich mir ernsthaft Sorgen um deine Familie machen", meinte ich ehrlich. "Kleiner, im Ernst, deine Familie klingt wie aus einem Klischeehollywoodstreifen entsprungen. Bist du sicher, dass der Chip, den du eingesetzt bekommen hast, nicht verrutscht ist? Oder du adoptiert bist? Du bist so vollkommen anders." "Nein, leider bin ich nicht adoptiert. Oder zum Glück, sonst müsste ich ihnen noch dankbar sein." Ich runzelte verwirrt die Stirn. "Anders? Was meinst du mit anders?" "Weiß nicht. Anders eben. So...normal. Gut, ich kann nicht sagen, dass du wie meine Freunde bist - zum Glück -, aber wie deine Eltern bist du auch nicht wirklich. Sonst hättest du wahrscheinlich nicht diesen…‚Rebellionsmist’ gemacht." Seufzend fuhr ich mir mit der Hand über die Augen. "Weißt du, wann die dich wieder rauslassen? Ich will dich mal wieder sehen." Ich musste lächeln. "Ich weiß noch nicht. Ich versuche mal mit ihnen zu reden." Ich seufzte schwer, der Gorilla fing an, an meine Tür zu klopfen. Kein Gespräch über zehn Minuten. Ich verdrehte die Augen. "Wenn es denn was bringt. Ich meld mich, sobald ich was weiß. Muss jetzt Schluss machen." Enttäuscht seufzte ich. "Okay. Bis dann. Hab dich lieb, Kleiner." Ich legte auf und schmiss das Telefon neben mich auf die Couch, ließ mich dann selber noch ein Stück tiefer in die Kissen sinken. Okay, dann musste ich also ab jetzt auf einen Anruf warten. Auch nicht besser, als in der Stadt rumzusitzen und nach ihm Ausschau zu halten… ~*~*~ Ich schniefte und drückte auf den Klingelknopf. Hoffentlich war Valle da. Der Summer ertönte und ich drückte die Türe auf. Langsam stieg ich die Treppen hoch. Vor dem letzten Absatz, versuchte ich jede Spur von verräterischen Tränen durch heftiges Wischen mit meinem Jackenärmel zu verwischen. Dann versuchte ich mich soweit zu beruhigen, dass keine neuen Tränen kamen, mit mäßigem Erfolg, und stieg den letzten Absatz hoch. Als Elis oben ankam, sah man ihm schon Weitem an, dass er total fertig war. Und er hatte geweint. Ich ging ihm ein Stück entgegen. "Hey, Kleiner, was ist denn mit dir los?", fragte ich besorgt und schloss ihn in meine Arme. Und was machte er hier? Durfte er denn wieder raus? Und warum hatte er eine Tasche mit? Okay, wenn ich ein bisschen so getan hätte, als hätte ich ein funktionierendes Hirn, hätte ich mir das ja eigentlich denken können, aber dumm fragen hatte doch eindeutig die besseren Chancen im Moment, denn ich war total verwirrt und ich sah ihn besorgt an. Wir saßen schweigend bei Valle im Zimmer. Ich hatte ihm eben alles erzählt. Von den Krach mit meinen Eltern, die mir nicht erlauben wollten Valle wieder zu sehen, wie immer schlimmer die Fetzen geflogen waren und wie ich schließlich in mein Zimmer getrampelt war, ein paar Sachen zusammen gepackt und darauf gewartet hatte, dass meine Eltern das Haus verließen, um sich mit ein paar Geschäftsfreunden zu treffen. Ich steckte meine Bankkarte ein und nutzte einen unachtsamen Moment des Gorillas, auch er musste ja schließlich mal aufs Klo, und schlüpfte aus dem Haus. Ich fuhr in die Stadt, ging in die erste Bank und räumte mein Konto leer. Es hatte sich nicht gerade wenig angehäuft, ich war ein recht sparsamer Mensch, dass meiste hatte ich eh immer so von meinen Eltern bekommen. Gerade als ich die Bank verlassen hatte, traf der Gorilla ein und packte mich. Ich habe keine Ahnung, wieso er mich so schnell gefunden hatte, aber im Nachhinein, war es recht logisch fand ich. In leichter Panik, der Gorilla könnte diesen Fluchtversuch vereiteln, trat ich ihm kräftig zwischen die Beine. Der Gorilla ging zu Boden und ich rannte Hals über Kopf los, fand mich am Ende in Valles Straße wieder. Okay, eigentlich war das ebenfalls mehr oder weniger geplant gewesen. Ich hatte ein wenig ein schlechtes Gewissen wegen dem Gorilla, schließlich hatte er ja nur seine Arbeit getan. Außerdem wusste ich nicht mehr weiter. Und das sagte ich auch Valle. In meinem Fluchtplan waren lediglich das Zusammenpacken von meinem wichtigsten Zeugs, das Abheben des Geldes und das Loswerden des Gorillas beinhaltet gewesen. Ich wusste nicht genau, was ich jetzt sagen sollte oder was Elis von mir erwartete, was ich sagen sollte. Ich war ein bisschen Baff von der ganzen Geschichte und kam mir langsam wirklich vor, wie in einem Hollywoodstreifen. "Also...", ich räusperte mich und wusste immer noch nicht wirklich, was ich sagen wollte. "Ich...also..." Ähm ja, soweit so gut. Ich atmete tief ein und aus. "Also du kannst natürlich erst mal hier bleiben." Ich griff nach seinen Händen und sah ihn nachdenklich an. "Aber ich hab keine Ahnung, wann meine Eltern irgendwas sagen und...na ja, deine werden ja das ja sicher nicht einfach so hinnehmen." "Ich will dir und deinen Eltern nicht zur Last fallen", murmelte ich. "Ich werde ja in ein paar Tagen achtzehn. Meine Eltern können dann ja nichts mehr machen. Oder? Außer vielleicht mein Konto sperren, aber das bringt ja nichts mehr, weil ich mein Geld ja schon abgeholt habe. Was sie schnell merken dürften. Von dem Geld könnte ich mir vielleicht eine kleine Wohnung anmieten und dann...müsste ich irgendwie arbeiten gehen." Ich zuckte mit den Schultern. "An meinem Achtzehnten kriege ich außerdem noch das Erbe meines Großvaters ausgezahlt, das mir noch zusteht. Ich wäre also erstmal für ne Weile unabhängig." Es klang alles so unrealistisch. Aber das war die einzige Art von Idee, die mir zurzeit einfiel. Und ich wollte Valle und seiner Familie wirklich nicht zur Last fallen "Klingt doch schon mal ganz gut." Nachdenklich musterte ich sein Gesicht und mir tat es in der Seele weh ihn so traurig zu sehen. Und das alles nur wegen diesen ganzen Zwängen. Er war für so was einfach nicht gemacht, er war alles in allem viel zu…zart dafür. "Aber...", setzte ich an und streichelte ihm sanft über die Wange. "Wie willst du das denn mit der Schule machen? Ich mein, hast du einen Abschluss oder so? Denn irgendwas brauchst du ja. Und ich nehme mal an, dass dir deine Eltern nicht weiter den Nachhilfelehrer bezahlen werden, wenn du dich weigerst nach Hause zu gehen." Im Übrigen…konnte ich wegen Kindesentführung angezeigt werden, weil er noch nicht achtzehn war? Ging das? War er noch ein Kind? Ich hatte absolut keine Ahnung von solchen Dingen, aber vielleicht war es auch einfach blödsinnig sich über so was Gedanken zu machen. Aber das sagte ich jetzt mal lieber nicht laut und hoffte einfach mal, dass seine Eltern keinen Anhaltspunkt hatten, wo Elis sich befand. "In einer Woche sind Ferien. Die Prüfungen muss ich ja trotz des Privatlehrers in der Schule machen und mit dem Zeugnis hätte ich die Fachhochschulreife... Ich könnte ’ne Ausbildung machen, wenn ich noch eine finde. Da würde ich ja auch was verdienen und wenn ich sparsam bleib, könnte das klappen...irgendwie...", nuschelte ich und kuschelte mich ein bisschen an Valle. "Okay." Wirklich sicher, ob das alles so klappen würde, wie Elis sich das vorstellte war ich mir nicht, aber ich hatte sowieso zu wenig Ahnung, als dass ich irgendwas dagegen sagen konnte. Ich musste mich ja sowieso mal selber um meine Schule kümmern und das würde auch totaler Stress werden, ich war mir sicher, dass bald irgendetwas Größeres auf mich zukommen würde. Und dann sagte ich noch „Das wird schon“, weil ich einfach nicht wusste, was ich Aufmunterndes sagen sollte. Zwar hasste ich solche Sprüche à la ‚Alles wird gut’ und ‚Das Leben geht weiter’ eigentlich mehr als die Pest, aber im Moment fiel mir doch selber nichts Besseres ein. Das würde schon werden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)