Angels, Vampires and a Shinigami von Kitty_St_Heaven ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Kyo war fassungslos. Zuerst hatte er an Luces Vertrauen gezweifelt und nun stellte sich heraus, dass alles nur zu seinem Schutz war. Der Vampir hatte ihn davor schützen wollen die Wahrheit zu erfahren. Der Engel war absolut schwach gegen seinen älteren Bruder. Selbst die Tatsache, dass er von den Fähigkeiten her stärker war, half ihm herzlich wenig, denn er traute sich nicht sie gegen seinen Bruder zu richten. „Du hast dich kein bisschen verändert, Kyo. Du erzitterst immer noch vor Ehrfurcht, wenn du mich siehst. Wann wirst du endlich erwachsen, kleiner Bruder?“ Kaname grinste überlegen in ihre Richtung und aus der Kehle des blonden Vampirs drang ein leises Grollen. „Was denn? Bist du etwa verstimmt, Hündchen?“ Luce wollte sich auf den arroganten Engel stürzen, doch sein Freund hielt ihn davon ab. „Nicht…“, brachte er schwach heraus. Flehend sah er in die kalten Augen des Himmelskriegers, doch dieser blieb davon unberührt. Es war hoffnungslos! Egal, was Seraphis sich ausdachte, Kyo war nicht in der Lage zu kämpfen du der andere Vampir konnte es nicht mit voller Konzentration. Doch plötzlich änderte sich die Situation, denn der vorher noch verängstigte Engel richtete sich gerade auf und trat Kaname gegenüber. „Lass sie frei!“, sagte er mit recht sicherer Stimme. Der Silberhaarige schien von dieser Reaktion genauso ebenso überrascht zu sein, wie die beiden Vampire. Da er keine Antwort bekam, hakte der Braunhaarige noch einmal nach: „Die beiden Menschenmädchen. Wo sind sie?“ Wie in Trance zeigte der Anführer der Engel zu einem Kessel in der Nähe, an den Mariah und Lorelei gefesselt waren. Beide waren unverletzt und bei Bewusstsein. Kyo atmete erleichtert auf und wiederholte die Forderung sie freizulassen. Kaname knirschte mit den Zähnen und zischte: „Warum?“ Alle Augenpaare in der Halle richteten sich auf den älteren der beiden Brüder, der deutlich wütend war. „Warum bist du so tief gesunken, Bruder? Du warst einst ein so hochangesehener Engel! Jeder hat zu dir aufgesehen und dich bewundert. Warum bist du bloß so undankbar? Man hat dir den schönsten und heiligsten Engel versprochen und was machst du? Du bist mit einem Vampir zusammen, einem MÄNNLICHEN! Welchen Zauber hat er angewendet? Was bindet dich an ihn? Zwei Fragen, deren Antworten ich bis jetzt noch nicht gefunden habe. Aber egal, was es ist, ich werde es hiermit vernichten!“ Der Silberhaarige zeigte mit dem Finger auf Luce und an der Fingerspitze bildete sich eine kleine, leuchtende Kugel. Sie war nicht größer, als eine Erbse, aber Kyo wusste um ihre Durchschlagskraft. Ohne lange nachzudenken wusste er, was zu tun war. Wie ein Blitz flog die kleine Kugel los und explodierte eine Nanosekunde später, beim Auftreffen auf das Ziel. Staub wurde aufgewirbelt und schluckte jedes Licht. Es herrschte absolute Finsternis in der Fabrikhalle. „Luce!“, reif Mariah voller Verzweiflung. Heiße Tränen flossen über ihre Wangen und schienen nicht mehr aufhören zu wollen, als plötzlich die Stimme des Totgeglaubten erklang: „Ich bin in Ordnung, Mariah. Ich bin unverletzt.“ „Das kann nicht sein.“, war Kanames wütende und fassungslose Stimme zu hören. Erst, als sich der Staub nach einiger Zeit wieder gelegt hatte, erkannten alle den Grund. Nur verhältnismäßig leicht verletzt, stand Kyo vor Luce und atmete schwer. „Wie? Was? Warum?“, stotterte der Angreifer. „Du fragst dich sicher, wie ich deine Attacke fast unbeschadet überstehen konnte. Hab ich Recht? Es ist eigentlich ganz simpel. Ich kenne deine Angriffe und ihre Stärke. Ich musste nur erkennen, an welcher Stelle die Kugel ankommen würde und all meine Regenerationskraft auf diesen einen Punkt konzentrieren. Dadurch wurde der Schaden minimiert. Die Antworten auf deine Fragen wirst du vielleicht erfahren, wenn du mich ganz lieb darum bittest.“ Der braunhaarige Engel strauchelte kurz, ding sich aber kurz darauf wieder. Mit einem zufriedenen Grinsen drehte er sich zu Luce um, der ihn fassungslos anstarrte und sagte: „Wie gut, dass ich so stur bin. Hättest du mich zuhause gelassen, dann wärst du jetzt tot. Ich bin also doch ganz hilfreich.“ Mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen ging der Vampir auf seinen geliebten Engel zu und umarmte ihn. Dieser lief sofort knallrot an. „Hey, du Vollidiot! Kannst du das nicht z…“ „Danke, Kyo.“, wurde er vom Blonden unterbrochen. „Du hast mir das Leben gerettet. Ich bin froh, dass es dich gibt.“ Er ließ von ihm ab und wuschelte ihm durch die Haare, bevor er mit einem überlegenen Grinsen meinte: „Das wird aber nicht zur Gewohnheit. Das nächste Mal werde ich dich wieder schützen.“ Nach einem Blick zu Kaname fügte er noch, an eben diesen gerichtet, hinzu: „Dafür, dass du ihn verletzt hast, bring ich dich um, Silberlöckchen!“ Nun trat auch Seraphis an ihre Seite und fragte: „Wie weit wollen wir gehen? Wollen wir sie töten? Sie gehören zu deiner Art, Kyo, also solltest du entscheiden.“ Der Braunäugige überlegte und kam schließlich zu einer Entscheidung. „Wir werden sie nicht töten! Aber sorgt dafür, dass kein Engel mehr kampffähig ist.“ Die Vampire nickten und die Drei stellten sich mit dem Rücken zueinander. Luce und Seraphis fletschten die Zähne und spannten sämtliche Muskeln an. Kyos Kraft war noch nicht wieder ganz hergestellt und so würde er sich wohl im Hintergrund halten und den anderen Beiden die Arbeit überlassen. Er sah durch die Reihen der Gegner und sah ein paar ihm bekannte Gesichter. Vielleicht konnten sie das zu ihrem Vorteil nutzen. Der Zorn seines Bruders hatte den Höhepunkt erreicht und seine Energie ließ sämtliche Glühbirnen und Leuchtröhren in der großen Halle zerspringen. Nur das Licht von etwa zwanzig Engelsschwingen erhellte den Raum. Bevor auch nur eines der Lichtwesen reagieren konnte, waren die beiden Nachtbewohner in den Schatten verschwunden und für sie unsichtbar. Kyo nutzte diese Verwirrung, um unbemerkt zu Mariah und Lorelei zu gelangen. Die Mädchen waren froh ihn zu sehen, aber sie hüteten sich davor, in dieser Situation zu sprechen. Schließlich erwachte ein Engel aus seiner Starre und griff Kyo an. Doch er kam nicht weit, denn Luce verhinderte sein Vorhaben mit einem Tritt in den Brustkorb des Angreifers. Im Bruchteil einer Sekunde war der Blonde auch schon wieder verschwunden. Nur eine Art schwarze Flamme, die wie ein Vorhang im Wind verschwand, zeugte von seiner Anwesenheit. Die Vampire waren gegenüber den Himmelsbewohnern klar im Vorteil. Keiner der Engel war in der Lage ihren Attacken zu folgen, geschweige denn sie abzuwehren. Nach und nach gab sich einer nach dem anderen geschlagen. Eine Frage schwirrte immer wieder durch Kanames Gedanken: „Wenn sie so stark waren, warum hatten sie dann jeden Kampf verloren?“ Wie als könnte er Gedanken lesen, antwortete Seraphis: „Wir hatten bisher keinen Grund, ernsthaft zu kämpfen. Ihr hättet tagsüber nach Kyo suchen sollen und wir wären vollkommen machtlos gewesen. Aber hier ist es eine völlig andere Situation.“ „Jetzt, haben wir etwas, das wir beschützen müssen.“, führte Luce den Gedanken zu Ende. Kaname versuchte herauszufinden, woher die Stimmen kamen, doch es gelang ihm nicht. Dadurch, dass er seine ganze Kraft darauf konzentrierte seine natürlichen Feinde zu suchen, hatte er seinen kleinen Bruder vollkommen vergessen. Dieser hatte sich hinter ihn gestellt und setzte zu einer Attacke an. Einer der Engel wollte ihn noch warnen, aber es war zu spät. Der Anführer wurde mit voller Wucht getroffen und gegen die Wand geschleudert. Benommen glitt er an dieser hinab und blieb kraftlos liegen. Die nun herrenlosen Himmelskrieger wussten nicht mehr weiter. Der Kampf war erniedrigend für sie verlaufen, denn sie hatten nicht einmal Gegenwehr leisten können. Ergeben ließen die Verbliebenen einer nach dem anderen ihr Licht erlöschen, bis es erneut stockdunkel war und nur das leichte, sanfte Leuchten des Mondes etwas Licht spendete. Doch es blieb nicht lange dunkel. Nach und nach erschienen fingernagelgroße Kristallprismen, die das Licht einfingen und brachen. Es dauerte nicht lange und der ganze Raum war in ein wasserähnliches, blaues Licht getaucht. Kleine, helle Punkte tanzten über die Wände und Kessel, da sich die Kristalle leicht drehten. Auch, wenn der Anblick unglaublich schön war, so wusste doch jeder Engel, dass sie eine Warnung darstellten. Luce und Seraphis traten fast gleichzeitig aus ihren Schattenverstecken und gingen so leichtfüßig auf ihre Gegner zu, dass sie zu schweben schienen. Anschließend ging der blauäugige Vampir in Kyos Richtung und der grünäugige in die der Menschen. Eine ganze Weile herrschte Stille, denn niemand traute sich etwas zu sagen. Schließlich wurde sie von Kanames angeschlagener Stimme durchbrochen. „Du hast… meine Frage… noch nicht beantwortet… Was bindet dich… an ihn, wenn nicht ein… Zauber?“ Das Sprechen fiel ihm sichtlich schwer und der Braunhaarige überlegte, ob er nicht zu viel Kraft verwendet hatte. Langsam ging er auf seinen Bruder zu und kniete sich so vor ihn, dass nur eines seiner Knie den Boden berührte. „Du schaffst das, mein Guter. Ich glaub an dich! Du hast dich überwunden und deinen Bruder angegriffen, da wirst du ja wohl diese Erklärung abgeben können.“ Kyo versuchte sich damit in Gedanken Mut zu machen, was sich nach außen hin in geschlossenen Augen zeigte. Als er die Augen wieder öffnete, atmete der jüngere Engel noch einmal tief durch und begann zu sprechen: „Also der Grund ist… ist…“ All der Mut war dahin, all das Zusprechen nutzlos gewesen. Er würde es nie schaffen diese Worte auszusprechen. Es war damals auch Luce gewesen, der ihm seine Gefühle gestanden hatte. Der Engel hatte zur Antwort nur genickt. „Warum? Warum kann ich es nicht sagen?“, dachte sich der verzweifelte Engel immer wieder, während er unbewusst aufstand, die Hände zu Fäusten ballte und unruhig von einer zur anderen Seite lief. Immer wieder versuchte er sich Mut zuzusprechen, aber es wollte einfach nicht gelingen. Plötzlich spürte Kyo eine warme, sanfte Hand auf seiner Schulter. Sie gehörte zu Luce, der zu ihm gekommen war. „Es ist in Ordnung, Kyo.“, sagte der Blonde. „Du musst ihm nicht antworten.“ Fast hätte der Engel ihm geglaubt, doch dann sah einen Ausdruck auf dem Gesicht seines geliebten Vampirs, der ihm das Herz in der Brust zerriss. Entschlossen griff der Braunhaarige nach dem Arm seines Freundes und klammerte sich daran fest. „Der Grund, warum ich bei ihm bleibe ist… weil ich ihn liebe!“ Kyo atmete viel zu schnell und dachte, dass sein Kopf von all dem Blut darin explodieren müsste. Kaname schloss die Augen, lehnte sich an die Wand und lächelte. „Das habe ich mir gedacht.“, sagte er. „Ich wollte es nur einmal aus deinem Mund hören. Außerdem ist es eine Genugtuung diesen Ausdruck auf dem Gesicht deines Freundes zu sehen.“ Sofort drehte sich der Kleinste der Drei um und sah, dass Luce den Kopf weggedreht hatte und eine Hand vors Gesicht hielt. Selbst, wenn er versuchte es zu verstecken, konnte Kyo die eindeutige, dunkelrote Färbung durch seine Finger scheinen sehen. Seraphis kam zu ihnen und tätschelte seinem Artgenossen aufbauend den Kopf. „Scheint so, als wärst du endlich an deinem Ziel angekommen. Bist du glücklich?“ Der Schwarzhaarige redete über ihre Gedanken und der Angesprochene nickte nur leicht. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Blonde sein Gesicht wieder preis gab. Er schaffte es allerdings nicht, seinem Partner in die Augen zu sehen. Mittlerweile waren auch die Mädchen zu ihnen gekommen und Mariah fragte: „Können wir jetzt nach Hause gehen?“ Der größere Vampir lächelte und nickte. „Ich bringe dich nach Hause. Luce und Kyo werden sich um Lorelei kümmern.“ Fast unbemerkt zwinkerte er seinem Freund zu und schob seine Begleitung sanft in Richtung Ausgang. Der Rest der Truppe stand noch eine Weile da ohne sich zu bewegen. Schließlich seufzte das einzige weibliche Wesen, nahm jeweils eine Hand ihrer Begleiter und ging mit den Worten „Auf Nimmerwiedersehen“ in die gleiche Richtung, wie zuvor die Zweiergruppe. Als sie ein gutes Stück vom Fabrikgelände entfernt waren, brach Lorelei das Schweigen und sagte zu Kyo: „Was für eine informative Nacht das heute doch ist. Was es alles über dich zu erfahren gibt. Du hast einen extrem anhänglichen, aber irgendwie seltsamen Bruder, du bist ein Engel und dazu noch schwul!“ „Ich bin nicht schwul!“, wehrte sich der Engel, doch er verstummte, als er sah, dass sowohl das Mädchen als auch Luce eine Augenbraue hochzogen. Mit dem Finger auf den blonden Vampir gerichtet entgegnete sie: „Ach nein? Was ist denn sonst die Bedeutung der Worte „Weil ich ihn liebe“, auf diese Person bezogen? Für mich ist das eindeutig, aber ich lasse mich gerne belehren. Wie lange streitet er das jetzt schon ab?“ Die letzte Frage hatte sie an den Nachtbewohner gerichtet. Dieser kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und antwortete nach einer Weile: „Och ich denke so an die 922 Jahre werden es schon sein. Ich war schon immer äußerst geduldig.“ Mit skeptischem Blick meinte die Rothaarige: „Da musst du aber extrem geduldig sein! Du solltest endlich aufgeben, Kyo. Du hast doch einen wirklich netten, fürsorglichen, gut aussehenden Gefährten. Du solltest mal langsam dazu stehen. Ich denke bei einer so langen. Gemeinsamen Zeit kennt ihr eh alles vom jeweils anderen. Hab ich recht?“ Kyos krebsrotes Gesicht war ihr Antwort genug und der Blonde lachte. „Du bist eine Wucht, Lorelei. Du solltest mal bei Mariah übernachten, damit wir uns unterhalten können.“ „Ihr wollt ja doch nur auf mir rumhacken.“, beschwerte sich der Braunhaarige und verzog dabei schmollend den Mund. Mittlerweile standen sie vor ihrem Ziel. Einen Augenblick später kam tränenüberströmt die Mutter des Mädchens aus dem Haus gelaufen und schloss ihre Tochter in die Arme. „Lorelei! Meine kleine Lorelei! Wo bist du nur gewesen? Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Tu so etwas nie wieder, hast du verstanden?“ „Mama du erdrückst mich. Natürlich habe ich dich verstanden. Du redest ja auch direkt in mein Ohr.“ Auch, wenn ihre Worte frech klangen, so flossen auch ihr Freudentränen über die Wangen und sie klammerte sich an ihre Mutter. Die beiden nichtmenschlichen Wesen sahen die Wiedervereinigung nur noch aus einiger Entfernung, da sie sofort verschwunden waren, als sie Loreleis Mutter gespürt hatten. Kyo saß auf einem Dach. Das eine Bein war angewinkelt und das andere hing locker hinunter. Luce stand auf einem Lampenschirm und hatte die Arme verschränkt. „Was machen wir jetzt?“, fragte der Engel beiläufig. Der Vampir sah ihn mit seinen meerblauen Augen an und antwortete: „Lass uns gemütlich nach Hause laufen.“ Daraufhin stand der Braunhaarige auf und gemeinsam schwebten sie auf den Boden zurück. Eine halbe Ewigkeit herrschte Stille zwischen den Beiden und Kyo wünschte sich insgeheim Lorelei zurück. „Warum hast du dich gegen Kaname gestellt? Du konntest ihm doch früher auch kein Haar krümmen.“ Der Klang dieser ruhigen, wohlklingenden Stimme ließ den Kleineren zusammenzucken. „Was soll ich nur darauf antworten? Ich kann ja wohl schlecht sagen, dass es wegen ihm war.“, dachte er sich. Als der Blonde seinen inneren Kampf bemerkte, seufzte er und sagte zum zweiten Mal in dieser Nacht: „Du musst nicht antworten. Es ist einzig und allein deine Sache.“ „Nein!“, rief der Zurückhaltende plötzlich. Der Vampir sah erstaunt zu ihm und er hielt sich augenblicklich den Mund zu. „Warum habe ich das jetzt wieder gesagt?“ fragte sich der Engel in Gedanken. Der Ältere setzte ein freundliches Lächeln auf und kam langsam auf seinen Freund zu. Mit jedem Schritt, den er näher kam, wich dieser einen zurück. Das Spiel ging so lange, bis der Himmelsbewohner nicht mehr weiter konnte und mit dem Rücken an einer Hauswand stand. „Was soll mir dieser Einspruch denn bitte sagen? Bist du etwa doch bereit mir zu antworten?“ Der Größere legte langsam eine Hand flach auf der kalten Wand, neben dem Ohr seines Gegenüber ab und der Gefangene wusste, dass er verloren hatte. „Ich musste etwas tun, sonst…“ „Sonst was?“, unterbrach ihn der Vampir, der ihn mit seinen tiefen, dunkelblauen Augen fixiert hatte und seinem Gesicht immer näher kam. Er konnte bereits seinen Atem spüren, der ihm sanft über das Gesicht strich. „Sonst… wärst du jetzt nicht mehr bei mir…“, brachte der Braunäugige gerade noch so heraus, bevor sich die Lippen des Nachtbewohners auf die Seinigen legten. Wäre es möglich gewesen, so hätte Kyo die Zeit in diesem Moment angehalten. Er bereute es nicht seinen Geliebten gerettet zu haben. Ganz und gar nicht! Auch, wenn es egoistisch klang, so wusste er doch, dass Luce genauso über diesen Moment dachte. Es schien so lange her, seit sie eine solche ruhige, gemeinsame Zeit hatten. Nachdem sie sich wieder von einander gelöst hatten, nahm der Blonde seine Hand von der Mauer und legte sie auf die Stelle der Brust, unter der das Herz seines Partners wie wild schlug. Der Vampir musste schmunzeln und senkte seinen Kopf so weit, dass seine Stirn auf der Schulter seines Gegenüber lag. „Meine Güte Kyo. Wir sind fast ein Jahrtausend zusammen und du bist immer noch so aufgeregt, wie am allerersten Tag.“, murmelte er leise in den Stoff des Hemdes, dass sein Freund trug. Er war vollkommen in diesem einen Moment versunken, sodass er die Worte des Engels fast überhört hatte, die dieser ebenso leise sprach: „Es sind genau 954 Jahre, 42 Tage und nach dem nächsten Glockenschlag 3 Stunden!“ Das tiefe, stumpfe Leuten des Kirchturms kam und durchzog die Nacht. Keiner der Beiden wollte weitergehen, doch schließlich erhob sich der Blauäugige und gab ein Zeichen zum Aufbruch. Der Himmelsbewohner nickte stumm und folgte ihm mit einigem Abstand. Der Vampir drehte sich nicht zu ihm um, was ihn etwas stutzig machte. „Warst du mit diesen paar Kleinigkeiten wirklich zufrieden? Kann ich denn nicht mehr für dich tun?“, dachte sich der Engel. Plötzlich fiel ihm seine Hand ins Sichtfeld und er sah sich verstohlen in alle Richtungen um. Niemand war zu sehen und so stand seinem Plan, außer seiner Nervosität, nichts mehr im Weg. Noch einmal tief durchatmen und es ging los. „Luce!“ Der Angesprochene drehte sich um und sah, dass Kyo –mal wieder- mit sich kämpfte. „Was…“, wollte er gerade fragen, doch da wurde ihm bereits eine zittrige Hand entgegen gestreckt. Etwas verwirrt starrte er darauf und begriff erst recht spät, worauf sein Freund hinaus wollte. Die Erkenntnis traf ihn so plötzlich, dass sich der sonst so gefasste Mann abrupt umdrehte. Der Braunhaarige erschrak etwas über diese extreme Reaktion und fragte sich sofort, was er denn jetzt schon wieder falsch gemacht hatte. Dass sich der Vampir nur umgedreht hatte, um die Röte in seinem Gesicht vor ihm zu verbergen, wusste er nicht. Der Blonde bebte innerlich, als er dachte: „Ich halte das nicht mehr aus. So viel Liebenswürdigkeit an einem Tag sollte verboten sein. Was denkt er jetzt bloß über meine Reaktion?“ Von seinem Kampf gab er so gut wie nichts nach außen hin preis. Im Gegensatz zu seinem Gefährten, aber das konnte er nicht sehen, da er mit dem Rücken zu ihm stand. Schließlich beruhigte sich der Verlegene wieder und seufzte auf. Langsam nahm er die linke Hand aus der Hosentasche, wo sie bis eben verstaut gewesen war und streckte sie nach hinten. Kurz darauf spürte er eine vorsichtige, unsichere und zitternde Hand in der Seinigen und lächelte. Schweigend liefen sie Hand in Hand weiter und nur hin und wieder spähte Kyo zu seinem Freund hinauf und grinste. Dass dieser dasselbe tat, war ihm nicht bewusst. Er genoss einfach diese ruhige Zweisamkeit. Nach einer ganzen Weile traten sie endlich durch die Eingangstür ihres Zuhauses. Alles war dunkel, bis auf ein paar Kerzen, die an den Wänden der Eingangshalle in ihren Gefäßen brannten. Immer noch händchenhaltend ging das Paar ins Wohnzimmer. Durch den Schlitz unter der Bibliothekstür drang das weiche Licht von Seraphis’ geliebter Leselampe. Eben dieser saß vollkommen entspannt in seinem Sessel und las – wie immer. Niemand hätte erwartet, dass er vor ein paar Stunden noch eine Entführung beendet hatte. Er sah die Beiden mit seinen goldgrünen Augen an, als sie den Raum betraten. „Mir scheint ihr hattet eine schöne Zeit.“, sagte der Sitzende mit seiner ruhigen, gefassten Stimme. Luce grinste ihn an, ließ Kyos Hand los und legte stattdessen seinen Arm um dessen Schultern. Der Engel hatte eine böse Vorahnung, die durch die Worte des Blonden bestätigt wurden, die dieser immer noch grinsend sagte. „Die schönste Zeit kommt erst noch.“ Alle Farbe wich aus dem Gesicht des Braunhaarigen, sodass es die gleiche Blässe hatte, wie das der anderen Beiden. Er wollte sich losreißen, aber es fehlte ihm an der nötigen Willenskraft. „Seid aber nicht zu laut, sonst wacht Mariah auf!“, meinte der Schwarzhaarige ebenso grinsend wie sein Artgenosse. Völlig fassungslos über diese Verschwörung versuchte der Benachteiligte zu protestieren: „Ihr könnt das doch nicht einfach ohne mich entscheiden. Mach stattdessen etwas dagegen, Seraphis!“ Aber dieser winkte nur lächelnd und Kyo wurde weggezogen. „Seraphiiiis!“, war das Einzige, was er noch hörte, nachdem die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Am nächsten Morgen wachte Mariah gegen Mittag auf und streckte sich. Sie hatte geschlafen wie ein Stein und wusste genau, dass ein gewisser schwarzhaariger Vampir dafür verantwortlich war. Das Mädchen stand auf und rannte so schnell sie konnte ins Bad, um ja von niemandem gesehen zu werden. Nach der Generalüberholung ging die junge Frau zu Kyos Zimmer und öffnete langsam und leise die Tür. Der Bewohner des Raums lag auf dem Bauch in seinem Bett. Beide Arme von sich gestreckt und mit dem Gesicht in den Kissen, murmelte er: „Ich bring ihn um! Ich schwör ’s! Ich kann mich keinen Millimeter bewegen.“ Die Blonde lachte auf und betrat das Zimmer. Sie öffnete die Vorhänge und sofort fanden die Sonnenstrahlen ihren Weg hinein und tauchten alles in ein warmes, helles gelb. Der Engel hatte seine Position nicht wirklich verändert, aber er hatte den Kopf in ihre Richtung gedreht. „Hast wenigstens du gut geschlafen?“, fragte der Halbtote ruhig, mit einem immer noch schmollenden und ironischen Unterton in der Stimme. Die Angesprochene kam lächelnd auf ihn zu, setzte sich vorsichtig auf den Rand des Bettes und strich ihm sanft über die Haare. „Ja, ich habe gut geschlafen.“, antwortete die Jüngere. „Denkst du, du schaffst es aufzustehen? Ich bringe dir Frühstück. Irgendwelche besonderen Wünsche?“ Der Braunhaarige schüttelte den Kopf und die junge Frau erhob sich. „Dann geh ich mal los. Es könnte allerdings ein bisschen dauern.“ Damit verschwand sie aus dem Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Abends saß Mariah mit den Vampiren auf den Sesseln vor dem Karmin im Wohnzimmer und sie unterhielten sich. Kyo hatte ihr befohlen dafür zu sorgen, dass Luce seinem Zimmer nicht zu nah kam, was dieser mit einem amüsierten Lachen aufnahm. Nach einiger Zeit kam der Engel dann doch noch mehr oder weniger ins Zimmer gelaufen. Sein Freund rückte sofort ein Stück zur Seite, auf der einzigen Couch, aber er blieb lieber stehen. „Entschuldige, dass du wegen uns entführt wurdest Mariah. Das wird nie wieder vorkommen. Bitte vergib uns noch dieses eine Mal.“ Mariah stand auf und umarmte zuerst Kyo, da er eh schon stand, dann Luce und schließlich Seraphis. „Ihr müsst euch für nichts entschuldigen. Ich bin gar nicht böse gewesen und Lorelei ebenso wenig. Uns ist doch gar nichts passiert, also lasst uns die Sache vergessen.“ Sie lächelte und die Drei atmeten erleichtert auf. „Davon mal abgesehen würde ich ohne euch wahrscheinlich gar nicht mehr leben! Also ist es eh entschuldigt. Ich muss jetzt schlafen gehen. Kommst du mit Kyo?“ Sie sah zu ihrem tagaktiven Freund, der etwas unsicher auf den Beinen wirkte und nur antwortete: „Kommen ist das falsche Wort, da meine Beine gerade nicht mitmachen. Sobald ich wieder der Herr über meinen Körper bin, eile ich dir nach. Was zum… Luce! Lass mich runter!“ Während er gesprochen hatte, war der Blonde zu ihm gekommen und hatte ihn hochgenommen. „Beschwer dich nicht! Ich lasse mich doch eh nicht umstimmen!“, mit diesen Worten beruhigte sich der Verärgerte wieder und der Vampir lief los. Am nächsten Tag ging das Laufen schon um einiges besser. Mit vereinten Kräften, wobei der Vampir den größeren Teil beigetragen hatte, hatten Mariah und Seraphis Luce aus dem Zimmer geschoben. Wer es nach ihm gegangen, dann hätte er mit Sicherheit dort weitergemacht, wo er in der Nacht zuvor aufgehört hatte. Der „Beschädigte“ lief immer noch wie ein kleines Pinguinbaby, aber er biss die Zähne zusammen. Er konnte seine menschliche Freundin ja wohl schlecht alleine in die Schule gehen lassen. Eben diese machte sich gerade Sorgen, ob er den Ansturm der Mädchen überstehen konnte. Am Tor wartete wie immer Lorelei auf sie, die Kyos Gang mit einem Grinsen bedachte, das sagte: „Ach deswegen warst du gestern nicht in der Schule!“ Aus ihrem Mund kam dann aber doch nur ein einfaches „Guten Morgen“. Kaum waren sie auf dem Schulgelände, kam auch schon der bekannte „Fanclub“ angelaufen. Wie wilde Tiere wollten sie sich auf den Engel stürzen, doch Lorelei ging dazwischen. „Jetzt mal ganz ruhig, Mädels. Seid ihr das Ganze nicht auch langsam leid? Mal davon abgesehen… der Herr ist vergeben!“ Ein bestürztes Raunen ging durch die Reihen der Mädchen und eines stellte die Frage der Fragen: „Wer ist es? Wir werden sie in Grund und Boden stampfen!“ Diese Aussage traf bei den anderen Mitgliedern der Gruppe auf große Zustimmung. Kyo und Mariah dagegen hielten die Luft an. Was hatte ihre Freundin nur vor? Wollte sie etwa die Beziehung zwischen dem Engel und dem Vampir preisgeben? Bei dieser Gelegenheit fiel ihnen auf, dass sie vergessen hatten das Gedächtnis ihrer kleinen Detektivin zu löschen. Aber sie waren sich auch gleichermaßen sicher, dass sie dies nicht mehr mit sich machen lassen würde. In der Zwischenzeit waren noch mehr Fragen bezüglich der Identität der mysteriösen Freundin laut geworden und die Rothaarige schien ihre Position zu genießen. „Ihr wollt es also wirklich wissen? Es ist ganz einfach…“ Sie ging zum Braunhaarigen hin und klammerte sich an seinen Arm, bevor sie fortfuhr: „Er ist mit… mir zusammen! Wenn ihr mir nicht glauben solltet, dann gebe ich euch hier und jetzt einen Beweis!“ Sie drehte den verwirrten Kyo zu sich und küsste ihn mitten auf den Mund. Dieser war vollkommen erstarrt und konnte nicht reagieren, während Mariah lachen musste. Das war eben „Lorelei auf Hochtouren“! Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen rannte die Unruhestifterin und zog dabei ihre beiden Freunde einfach mit sich. Die vollkommen fassungslose Menschengruppe wurde gekonnt stehen gelassen und ignoriert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)