Weihnachtsgeschichten von Riafya (OSs zur Weihnachtszeit) ================================================================================ Ich liebe dich, Julie --------------------- Für Susilein, die immer ein offenes Ohr oder zumindest Auge für mich hat. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute und hoffe, das hier wird dir gefallen. *knuddel* _____________________________________ Ich liebe dich, Julie Julie nahm vorsichtig eine Weihnachtskugel aus der Kiste und hing sie an den Ast des Weihnachtsbaumes. Er stand im Wohnzimmer, direkt vor dem großen Fenster, das den Blick in den Garten freigab. Noch war er ungeschmückt, doch in ein paar Stunden würde er im feinsten Glanz erstrahlen. Dafür würde sie schon sorgen. Aus dem Radio erklang eine Instrumentalversion von Last Christmas. Das Haus war erfüllt vom Weihnachtsgeruch, was frischgebackene Plätzchen und Räucherkerzen einschloss. Die junge Frau liebte die Weihnachtszeit. Es gab nichts schöneres auf dieser Welt, als diese Momente im Dezember. Sie überlegte, was sie noch alles tun musste. Das Essen war vorbereitet und musste morgen nur noch aufgewärmt werden. Die Geschenke waren verpackt und standen alle gut versteckt in ihrem Kleiderschrank. Sogar die Garderobe hatte sie bereits vorbereitet. Jetzt fehlte eigentlich nur noch die Dekoration. Lächelnd holte sie eine weitere Christbaumkugel hervor und fuhr sich dabei über den gewölbten Bauch. Bald war es soweit und sie würde ein Kind zur Welt bringen. Ihr erstes Kind. Ein Sohn. Obwohl sie ihn bisher nur durch Ultraschallbilder kannte, liebte sie ihn jetzt schon. Er war ihr ein und alles. Sie würde ihn groß ziehen und einen wunderbaren Menschen aus ihn machen. Genau wie sein Vater. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihren Lippen, als sie an eben jene Person dachte. Kuu Hizuri ließ sich Zeit. Dabei hatte er doch ursprünglich mit ihr zusammen den Weihnachtsbaum schmücken wollen. Doch vor ein paar Minuten hatte er ihr eine E-Mail geschickt und ihr mitgeteilt, dass die Dreharbeiten sich verzögert hatten und er etwas länger brauchen würde. Typisch Mann. Auf dieses Geschlecht war einfach kein Verlass. Warum mussten sie auch gerade an Heiligabend drehen? Hätten sie das nicht ein andermal machen können? Verstimmt suchte sie nach dem Lametta, das sie vor ein paar Minuten noch gesehen hatte. Sie wollten dieses Jahr einen warmen Baum gestalten, die Kugeln waren rot, das Lametta golden. Das klassische Bild eines Weihnachtsbaumes. Dann fehlten nur noch die vielen Geschenke, ein prasselndes Kaminfeuer und natürlich der Schnee, von dem bis jetzt allerdings nichts zu sehen war. Schade eigentlich. Was gab es schöneres als weiße Weihnachten? Sie hoffte mit ihrem kleinen Liebling noch viele solcher Jahre zu erleben, wo er draußen Schlitten fahren ging und sie ihn mit einer heißen Schokolade begrüßen konnte. Ob seine Freunde wohl dabei sein würden? Was würde aus ihm werden? Das war alles so spannend. Im Augenblick war jedoch nur eines wichtig: dass er gesund zur Welt kommen und sein Vater endlich nach Hause kommen würde. Nichts war schlimmer, als ein einsames Weihnachten. In diesem Moment klingelte das Telefon. Hastig gab sie ihre Suche auf und rannte in Richtung des klingelnden Gerätes. „Hallo?“, keuchte sie, ohne vorher nachzusehen, wer sie anrief. Was sie sofort bereute. „Na endlich, ich hab schon gedacht, du würdest überhaupt nicht mehr rangehen.“ „Dir auch ein frohes Weihnachten, Mutter“, entgegnete sie trotzig. Die beiden waren seit ihrer „überstürzten“ Heirat mit Kuu nicht sonderlich gut zu sprechen, da ihre Mutter davon überzeugt war, dass ihr Schwiegersohn ihre Tochter unglücklich machen würde. „Sei nicht immer so kalt zu mir“, beschwerte sie sich. „Es ist Weihnachten, das Fest der Liebe. Ohne mich könntest du es überhaupt nicht feiern.“ „Jaja, ohne dich würde ich nicht leben. Ich kenne die Leier schon, Mutter“, das letzte Wort fauchte sie regelrecht. „Wenn du mir nichts vernünftiges zu sagen hast, lege ich jetzt auf. Ich muss noch das Essen vorbereiten zu das wir dich und Vater eingeladen haben.“ „Keine Sorge, Jules. Wir können auch gerne Zuhause bleiben und euch in Ruhe lassen.“ Julie konnte die beleidigte Miene ihrer Mutter deutlich vor sich sehen. Für einen Moment überlegte sie, ob sie dieses großzügige Angebot nicht annehmen sollte, doch den darauf folgenden Wutausbruch wollte sie ihrem Vater nicht antun. „Wir wollen aber, dass ihr kommt“, sagte sie deshalb. „Wir wollen mit euch Weihnachten genießen und uns ein gutes Essen munden lassen. Außerdem vermisse ich euch.“ So, wenn das nicht wirkte, wusste sie auch nicht weiter. Ihre Mutter war auf jeden Fall gerührt. „Oh, Jules. Schätzchen. Hättest du das doch eher gesagt. Dann könnten wir doch öfters vorbeikommen.“ Um Gottes Willen, bitte nicht!, dachte sie verzweifelt. „Nein Mutter, du musst dir diese Mühe nicht machen. Ich weiß doch, dass du lange Autofahrten hasst.“ „Das macht doch nichts. Für dich würde ich das in Kauf nehmen.“ Nun, wenn das keine Neuigkeiten waren. Die Frau, die normalerweise einen großen Bogen um das Haus ihrer Tochter machte und diese am Liebsten als „kleine Hure“ bezeichnete, würde ganz plötzlich alles für diese „Hure“ in Kauf nehmen. „Woher dieser plötzliche Sinneswandel?“, fragte Julie misstrauisch und setzte sich auf den nächsten Stuhl. Der Fetus begann in diesem Moment wie wild zu strampeln, so als hätte er den Stimmungswandel seiner Mutter bemerkt. Wahrscheinlich hatte er das auch. „Wie meinst du das schon wieder? Ich würde immer alles für dich tun. Das weißt du doch! Immerhin bist du mein Fleisch und Blut und...“ „Was willst du?“ Ein kurzes Schweigen kehrte ein, bis ihre Mutter antwortete: „Ich habe Emilia Edwards gesagt, dass ich Kuu Hizuri kenne. Sie ist ein großer Fan von ihm, weißt du und deshalb dachte ich...“ „Ich dachte, er wäre in deinen Augen ein mittelloser, hinterhältiger, verruchter Schauspieler, der mich in den Ruin treiben und Schande über unsere Familie bringen würde.“ „Ach Jules, das war doch nicht...“ „Und jetzt willst du ihn dafür benutzen, eine selbstsüchtige, heuchlerische Freundin von dir zu beeindrucken? Hast du eigentlich überhaupt keinen Stolz?“ „Jules, ich muss doch sehr bitten.“ „Ich heiße Juliella!“, rief sie. „J. U. L. I. E.L.L.A.“ „Aber Jules...“ „Hör auf mich Jules zu nennen.“ Damit legte sie auf und warf den Telefonhörer quer durchs Zimmer. Diese Frau trieb sie immer wieder in den Wahnsinn. Wie konnte sie es überhaupt wagen? Einfach ihren Mann für so etwas zu benutzen. Widerlich. Mühsam versuchte sie die Tränen zu unterdrücken, die sich ihren Weg zu den Augen bahnten. Der Fetus strampelte weiterhin munter an ihren Bauch. Wollte er sie trösten? Sanft strich sie über ihren Bauch. „Keine Sorge, mein Liebling“, murmelte sie. „Mama geht es gleich wieder gut. Gib ihr nur einen Moment.“ Traurig sah sie aus dem Fenster. Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt. „Wo bleibst du nur, Kuu?“ Einige Stunden später war alles tiptop. Der Baum war geschmückt, der Kamin angezündet und der Tisch feierlich gedeckt. Heute gab es mal das traditionelle Essen aus Deutschland: Würstchen mit Kartoffelsalat. Eine Freundin, die dort ein Jahr lang studiert hatte, war davon ganz begeistert gewesen, deshalb hatte sie beschlossen, es selbst auszuprobieren. Erst morgen würden sie mit Kuus Eltern Truthahn essen... wo blieb er nur? Sich einsam fühlend stellte sie sich vor den nächsten Spiegel und betrachtete sich darin. Sie war hübsch, keine Zweifel. Ihr blondes Haar hatte sie so gut es ging hochgesteckt, nur zwei Strähnen links und rechts hingen als helle Locken an ihrem Kopf herunter. Ihre Augen leuchteten in einem hellen Blau, das viele Männer an ihr lobten. Sie trug eine schwarze Bluse, auf der sich Rosen ineinander rankten und eine ebenfalls schwarze, weite Hose. Alles Umstandsmode, damit es ihr und dem Baby gut ging. Eine silberne Kette mit einer kunstvoll geformten Kette hing um ihren Hals. Ein Geschenk von Kuu bei ihrem zweiten Date. Lächelnd erinnerte sich Julie an diesen Tag. Es war sehr schön gewesen. Er hatte sie zum Essen eingeladen in ein teures französisches Restaurant. Überall war nur Berühmtheiten gewesen und sie war sich sehr fehl am Platz vorgekommen. Damals hätte sie nie gedacht, dass sie einmal zu diesen Berühmtheiten dazugehören würde. Eine einfache Studentin war sie gewesen, als sie ihm im Central Park von New York über den Weg gerannt hatte. Es war ein warmer Tag Ende August gewesen und sie war zu spät dran und würde sicher die Vorlesung ihres Professors verpassen. Letztendlich tat sie es wirklich, aber dafür hatte sie etwas viel wertvolleres erlebt. Einen wunderbaren Tag mit Kuu Hizuri. Was ihr damals noch nicht bewusst gewesen war, war die Tatsache, dass er sich augenblicklich in sie verliebt hatte. Doch jetzt, etwa zwei Jahre später, wusste sie es. Wie auch nicht, mit dem kleinen Geschöpf in ihrem Bauch, das täglich ihre Liebe bewies. Gedankenverloren wanderte sie durch das Haus, bis sie - ohne es zu merken - auf die Veranda getreten war und die Kälte eines Winterabends sie umarmte. Lächelnd trat sie einen weiteren Schritt ins Freie hinaus, bis sie direkt unter dem freien Himmel stand. Kein einziger Stern war zu sehen, Wolken mussten also über ihr hängen. Ob sie ihr den langersehnten Schnee bringen würden? Als sie dort stand, hörte sie plötzlich wie sich jemand von hinten anschlich und im nächsten Moment schlangen sich zwei starke Arme um sie, die sie nur zu gut kannte. „Ho, ho, ho“, flüsterte der Besitzer der Arme und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Sie lächelte und lehnte sich an ihn. „Ich liebe dich“, sagte sie und hörte, wie er leise lachte. „Ich dich auch, mein Schatz. Und jetzt komm wieder rein, oder du erkältest dich.“ Während Kuu seine Frau ins Haus führte, traf die erste Schneeflocke auf die Erde. 22 Jahre später „Wow, das ist ja furchtbar romantisch“, sagte Kyoko und strahlte ihre Schwiegermutter in Spe an. „Ja nicht? Ein wunderbares Weihnachtsfest. Wäre nur der Anruf meiner Mutter nicht gewesen.“ Die Blondhaarige seufzte und begann damit die Plätzchen zu stapeln. In diesem Moment kamen Kuu und Ren herein. Ersterer atmete genüßlich ein. „Hm... das riecht ja wunderbar. Was gibt‘s denn?“ „Essen, was sonst“, entgegnete seine Frau und zwinkerte Kyoko zu. „Soll mir Recht sein“, versicherte ihr ihr Sohn, der auf seine Verlobte zu ging, sie von hinten umarmte und ihr einen Kuss auf die Haare drückte. „Wenn ihr beide kocht, kann es ja nur gut sein.“ Kyoko kicherte, doch Julie warf ihm einen bösen Blick zu. „Mach dich nützlich und deck den Tisch!“ „Aye, Ma‘am.“ „Warte ich helfe dir!“, rief Kyoko und eilte ihm mit ein paar Tellern hinterher. Julie beobachtete lächelnd, wie ihr Sohn mit seiner großen Liebe herumalberte. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Aus ihm war ein wunderbarer Mensch geworden, genauso wie sein Vater. Er war liebevoll, zartfühlig und dennoch stark. Ihr Kuon. Ihr Sohn. „Unglaublich, dass er bald heiraten wird, nicht wahr?“, sagte Kuu, der neben sie getreten war. „Ja, dabei war er gestern doch noch ein Baby.“ Kuu lachte leise und schlang einen Arm um ihren Körper, zog sich fest an sich, so dass sie ihren Kopf auf seine Schulter legte, um sich an ihn zu schmiegen. „Ich liebe dich, Julie“, flüsterte er. Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Ich weiß.“ _______________________________________ So, das war es auch schon. Zuerst einmal: wenn mir jetzt jemand schreiben will, dass vor 22 Jahren keine E-Mails verschickt wurden und man auf Telefonen noch nicht die Anrufnummer erkennen konnte, kann diese Person es gleich lassen. Es ist mir nämlich egal. *strahl* Ansonsten hoffe ich, dass euch und besonders dir, Sue, das Kapitel gefallen hat. ^^ Das nächste Kapitel ist über Yu-Gi-Oh! Bis dann, eure Ayako Vom Weihnachtsbaumschmücken und Plätzchenbacken ----------------------------------------------- Für Hokuto, meine Kohai und beste Freundin. Danke, dass wir Freunde sein können. ^^ Ich hoffe, diese kleine Geschichte wird dir gefallen. Anmerkung an alle anderen Leser: Wer hier ernst oder dergleichen sucht, kann gleich wieder gehen. Dieser OS ist sehr OOC und hat mit der Originalstory nur geringfügig etwas zu tun. Also bitte ich um Nachsicht ja? ^^ ______________________________________ Vom Weihnachtsbaumschmücken und Plätzchenbacken Yugi Muto stand auf einer Leiter und schmückte einen Weihnachtsbaum. „Die Kunden werden sich sicher sehr darüber freuen“, hatte sein Großvater mit einem breiten Lächeln von der Sorte , das keine Widerrede dudelte, gesagt. „Weihnachten ist sehr wichtig für das Geschäft, wir müssen das ausnutzen. Es kann gut sein, dass der Baum viele Leute auf der Suche nach dem passenden Geschenk für ihre Kinder anlockt.“ „Das ist ja alles schön und gut“, murmelte der Junge. „Aber warum muss ich dann auf die wohl unstabilste Leiter in der ganzen Stadt steigen?“ Diese Aussage war eine Tatsache. Wenn sich der junge Duellant, Sieger im Königreich der Duellanten und Träger des Milleniumspuzzles auch nur um ein paar Millimeter bewegte, fing die Leiter gefährlich zu wackeln an und er drohte, hinunter zu fallen. Dies war auch in diesem Moment wieder der Fall. Es begann ganz langsam und unschuldig. Ein sanftes Schaukeln von einer Seite zur anderen. Doch dann wurde es immer stärker, so dass der Junge sich an den Baum klammerte, den er soeben noch geschmückt hatte. Ein Fehler, wie er sogleich herausfinden würde. Die Leiter unter seinen Füßen gab einen kurzen, sterbenden Laut von sich, dann zerbrach sie in tausend Stücke. Der Baum, welcher nun das ganze Gewicht des jungen Mutos tragen musste, begann nun seinerseits, sich gefährlich von einer Seite zur anderen zu bewegen. Doch anstatt loszulassen und das bemitleidenswerte Lebewesen zu erlösen, klammerte er sich noch fester an ihn, was schmerzhafte Folgen haben würde. Für beide. Der Baum stürzte um und begrub den Jungen unter sich. Kaum einen Augenblick später trafen die bereits aufgehängten Christbaumkugeln auf den Boden und zerbersten in unzählige kleine Teile. Ein letztes Klackern, ein letztes Klingeln. Stille. Zwei Minuten lang war nichts mehr zu hören, doch dann trat jemand neben den Weihnachtsbaum und kniete sich hin. „Lebst du noch, Yugi?“ Der Angesprochene begann sich zu regen und kämpfte sich unter dem Baum hervor. Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er die andere Person ansah. „Natürlich, mach dir keine Sorgen, Yami.“ Yami war ein fünftausend Jahre alter Geist, der in dem Puzzle lebte. Zusammen hatten er und Yugi Pegasus überlistet und somit Yugis Großvater gerettet. Seitdem waren die beiden die besten Freunde und unterstützten sich in allen Dingen und wenn es sich dabei nur um das Schmücken eines Weihnachtsbaumes handelte, der nun dummerweise etwas angeschlagen aussah. „Geht es dir auch gut?“, fragte Yami und beobachtete, wie sein Freund vorsichtig aufstand. „Der Aufprall war nicht gerade weich gewesen. Und... ist das nicht Blut an deinem Arm?“ „Keine Sorge“, wiederholte der kleinere von den beiden. „Es geht mir gut, wirklich.“ Im nächsten Moment schrie er laut auf, weil der andere vorsichtig seinen Arm abgetastete. „Aha. Dir geht es also gut.“ Der Junge sah ihn schuldbewusst an, was den fünftausend Jahre alten Geist zu einem Lachen bewegte. „Geh am besten nach oben und lass dich von deinem Großvater verarzten.“ Gesagt, getan. Der Junge mit den Stachelhaaren durchquerte den Raum und lief die Treppe hinauf. Der Spielzeugladen seines Großvaters wurde in den höheren Stockwerken von einer sehr gemütlichen Privatwohnung abgelöst, die die beiden bewohnten. Als Yugi dort ankam, hörte er seltsame Geräusche aus der Küche und ein merkwürdiger Geruch lag in der Luft. Mit einer bösen Vorahnung lief er darauf zu und stolperte sogleich über ein auf dem Boden liegendem Geschenk. „Heute ist wirklich dein Pechtag“, kommentierte Yami lächelnd. Er bekam keine Antwort, da sein Freund in diesem Moment einen Blick in die Küche geworfen hatte. „Oh nein... Großvater.“ Die Küche war von einem riesigen Berg Schüsseln und Töpfen bedeckt. Überall klebte Teig und aus dem Ofen stieg dunkler Rauch hervor. Yugi rannte zu ihm und öffnete das Gerät. Ein beißender Geruch stieg ihm in die Nase, so dass er husten musste, dann betrachtete er den Inhalt. Offenbar hatten es Plätzchen werden sollen, zumindest erklärte das die vielen kleinen Aschehäufchen, die in einem gleichmäßigen Abstand über das angekohlte Blech verteilt waren. „Hm, lecker.“ Yugi sah den Geist seines Puzzles an, der die Häufchen wie hochwertige Museumsstücke betrachtete. „Sehr kross.“ Der Junge lächelte mit dem Wissen, dass sein Freund das beabsichtigt hatte. „Ich frage mich, wie Großvater das alleine lassen konnte.“ „Und wo ist er wohl?“ Ein kurzes Schweigen kehrte ein, dann drehte er sich um, verließ den Raum, machte sich auf die Suche nach dem alten Mann. Schließlich fand er einen Zettel: Bin kurz weggegangen. Schau bitte mal nach den Plätzchen, ja? Nicht, dass sie anbrennen, das wäre katastrophal. Den Laden kannst du solange zumachen. Großvater „Hätte er das nicht eher sagen können“, fragte Yugi und starrte das Wort „katastrophal“ an. Die Plätzchen waren dahin. Sein Großvater würde sicher sehr enttäuscht sein. Er war zwar nicht der beste Koch, aber er wollte immer, dass seine „Werke“, wie er es nannte, gelangen. Das durfte er nicht zulassen. Kurzentschlossen nahm Yugi etwas Geld aus der Haushaltskasse und zog seine dicke Winterjacke an. „Ähm... Yugi?“, sagte Yami, der ihm gezwungenermaßen hinterhereilte. „Was hast du vor?“ „Wir müssen Großvater retten“, erklärte er ihm feierlich. „Was? Aber... er ist doch nur weggegangen. Oder meinst du, er ist entführt worden?“, erschrocken sah er ihn an. „Doch nicht schon wieder. Wir haben ihn doch erst gerettet. Das darf nicht wahr sein.“ Yugi verdrehte die Augen. „Keine Sorge, ihm geht‘s sicher gut.“ Er schloss den Laden hinter sich ab und drehte das dort hängende Schild auf „geschlossen“ um. „Aber wenn er seine Plätzchen sieht, wird es ihm nicht mehr gut gehen.“ „Stimmt, davon wird einem schlecht. Aber würdest du ihm dann nicht besser helfen, wenn du das Schlamassel beseitigst?“ „Das werde ich schon noch tun. Aber davor kaufe ich neue Zutaten.“ „Oh nein.“ Der Junge lächelte. „Oh doch.“ In genau diesem Moment gingen zwei Personen, die fest ineinander verschlungen waren an den beiden vorbei. Personen, die beiden sehr bekannt vorkamen. „Waren das...“ „Das kann nicht sein.“ „Doch nicht etwa?“ Yugi wirbelte herum. „Ich fass es nicht. Tea!“ Angesprochne löste sich erschrocken von ihrem Gegenüber. „Y... y... Yugi.“ „Tea, was machst du da? Und... Kaiba!“ Der kleine Junge war zusehends überfordert, als er den offensichtlichen Liebhaber seiner besten Freundin erkannte: Seto Kaiba. Ebendiese Person zog das braunhaarige Mädchen fest an sich und sah ihn böse an. „Das ist meine Freundin, Yugi, also lass schön die Finger von ihr, verstanden?“ Das Gesprächsthema schien nicht sonderlich über diese Aussage erfreut zu sein. Sie löste sich von ihm und schleuderte ihm eine Einkaufstüte an den Kopf, die sie offensichtlich schon die ganze Zeit getragen hatte. „Seto, was fällt dir ein?“, rief sie so laut, dass sich einige Passanten umdrehten. „Wage es nie wieder so mit meinem besten Freund zu reden, verstanden? Und fang gar nicht erst damit an, mir Befehle machen zu wollen, da mach ich nicht mit.“ „Was für eine friedliche und harmonische Beziehung“, kommentierte Yami die Szene und sah dabei zu, wie Seto vorsorglich in Deckung ging. Yugi lächelte nur nervös und wartete, bis die Braunhaarige sich wieder beruhigt hatte. „Du hast mir gar nicht erzählt, dass du mit Kaiba zusammen bist.“ „Das stimmt und das tut mir auch leid, aber du hättest es Joey erzählt und der wäre sicher ausgerastet“, erklärte Tea ihm peinlich berührt. „Das stimmt.“ Yugi sah die Szene praktisch vor sich: „Du Mistkerl! Wie konntest du dich einfach hinter meinen Rücken, an meine Freundin ranmachen?“ „Was heißt hier deine Freundin, Wheeler?“, würde Seto antworten. „Sie gehört mir.“ „Hey, wer gehört hier wem?“, würde Tea daraufhin schreien. Alles in allem würde es in einer Prügelei enden. (Um es kurz zu machen.) „Und was machst du hier, so ganz allein?“, fragte Seto, um von seiner „Schuld“ abzulenken. „Etwa ein Date?“ Yugi errötete. „Nein! Nein, ich geh einkaufen.“ „Du meinst wohl, ihr geht einkaufen“, sagte Tea und warf dem Puzzle einen vielsagenden Blick zu. „Wie geht es dem Geist?“ „Oh, ganz gut, soweit ich das beurteilen kann, oder?“, fügte er an das Gesprächsthema gewandt hinzu. Yami lächelte. „Wolltest du nicht etwas einkaufen?“ „Ah stimmt. Tut mir leid, Tea, aber ich muss dringend in den Supermarkt, um meinen Großvater das Leben zu retten.“ Das frischgebackene Paar sah hin alarmiert an. „Das Leben zu retten? Aber weshalb?“, rief Tea erschrocken. „Wurde er etwa schon wieder entführt?“, knurrte Seto. „Ich sag dir, wenn Pegasus wieder dahintersteckt, dann...“ „Nein, nein“, rief Yugi und hob abwehrend die Hände. „Es geht ihm gut, aber seinen Plätzchen weniger und wenn er das sieht, bekommt er sicher einen Herzinfarkt.“ „Ja, wegen dem Gestank“, wiederholte Yami. „Das ist ja schrecklich“, rief Tea. „Und was willst du jetzt dagegen tun?“ „Ganz einfach, ich backe neue.“ „Ich hab‘s gewusst“, stöhnte Yami. „Yugi, du kannst ungefähr genauso gut Plätzchen backen, wie dein Großvater.“ „Das stimmt“, entgegnete er. „Aber ich muss es tun! Ich muss ihn retten.“ „Ich glaube kaum, dass neue, verbrannte Plätzchen ihn retten werden.“ „Sie werden nicht verbrennen.“ „Natürlich nicht.“ „Denk ja nicht, dass ich den sarkastischen Unterton in deiner Stimme nicht gehört habe.“ „Was für ein Unterton?“ „Wie wäre es, wenn du einfach an mich glaubst?“ „Yugi, ich glaube immer an dich, dass weißt du“, versicherte Yami ihm. „Aber... es gibt Dinge, bei denen hilft nicht einmal der Glaube.“ „Du bist gemein!“ „Ähm, Tea?“, sagte Seto. „Mit wem redet er da?“ Yugi hielt inne und drehte sich um. Seto starrte ihn verdutzt an, so wie alle Passanten im Umkreis von drei Metern. „Ich glaube, mit Yami“, erklärte ihm Tea und funkelte alle, deren Namen sie nicht kannte böse an. „Habt ihr nichts besseres zu tun?“ Die Passanten verstreuten sich. „Also, soweit ich das verstanden habe, willst du Plätzchen backen“, fasste Tea die Situation zusammen. Ihr kleiner Freund nickte. „Genau.“ „Yugi, nimm mir das jetzt nicht übel, aber du kannst das nicht“, verkündete sie ihm. Der Angesprochene ließ den Kopf hängen. „Ich weiß. Aber ich muss es tun. Sonst wird Großvater...“, seine lilafarbenen Augen füllten sich mit Tränen. Seto wich erschrocken zurück. Offensichtlich mochte er keine Tränen. „Yugi“, sagte Yami und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe. Wir kriegen das schon irgendwie hin.“ Der Junge hob seinen Kopf und sah ihn hoffnungsvoll an. „Wirklich?“ „Natürlich“, versicherte er ihm. „Aber davor“, sagte er, weil Yugi drauf und dran war, ihm vor Dankbarkeit in die Arme zu springen, „würde ich gerne wissen, warum du Tea nicht anschreist, obwohl sie dir dasselbe gesagt hat, wie ich.“ Ein betretendes Schweigen folgte dieser nett formulierten Frage. Es war Tea, die es schließlich unterbrach: „Wir helfen dir.“ Alle sahen sie verdutzt an, besonders Seto. „Was tun wir?“, rief er empört. „Wir helfen ihm“, wiederholte Tea und baute sich vor ihm auf. „Ob es dir passt, oder nicht.“ „Aber...“, er schrumpfte unter ihrem Blick zusammen und erinnerte dabei an einen treuen Hund, der ausgeschimpft wird. „Armer Kaiba“, sagte Yami. Yugi nickte. „Er ist selbst schuld.“ „Stimmt.“ Eine gute Stunde später standen die vier in der Küche, die immer noch einem Schlachtfeld glich. „Ach du Schande“, sagte Tea. „Du erwartest doch nicht wirklich, dass ich das hier aufräume, oder Schatz?“ „Tja, uns wird nichts anderes übrig bleiben“, entgegnete das einzige weibliche Lebewesen im Raum, das gleichzeitig einen Würgreiz zu unterdrücken schien. „Endlich!“, rief Yami begeistert. „Endlich ist mal jemand meiner Meinung.“ Und so machten sie sich ans Saubermachen und Plätzchenbacken. Als es bereits stockdunkel wurde, waren sie fertig. Die Küche sah tiptop aus und auf dem Wohnzimmertisch lag ein Teller mit vielen, leckeren Keksen. „Vielen Dank für eure Hilfe“, sagte Yugi und strahlte Tea und Seto an. „Ohne euch hätte ich das nie geschafft.“ „Ach, keine Ursache“, entgegnete Tea strahlend und stieß Seto mit dem Ellebogen in die Hüfte, da dieser ein leichtes Hüsteln von sich gegeben hat. „Es hat Spaß gemacht, nicht wahr Seto?“ „Hm? Ja, ja, es war toll.“ Yugi winkte, als die beiden davongingen. „Sie sind ein tolles Paar.“ „Das stimmt“, bekräftigte Yami seine Aussage. „Sie ergänzen sich prima.“ „Ja.“ Schweigend standen sie da und beobachteten die Leute, die an dem Spielzeugladen vorbeigingen. „Yugi?“ „Hm?“ „Du hast vorhin vergessen, deinen Arm zu verarzten.“ „Oh stimmt...“, der Junge sah ihn sich an. Dann fiel ihm etwas auf. Er drehte sich um und sah - einen geschmückten Weihnachtsbaum. „Na sowas! Dabei hab ich ihn doch umgeschmissen und nicht weitergeschmückt. Wie kann das sein?“ In diesem Moment ertönte von oben laute Weihnachtsmusik. „Tja, wie es aussieht, ist dein Großvater wieder da“, meinte Yami. Zusammen stiegen sie die Treppe hinauf. Yugis Großvater stand im Wohnzimmer und betrachtete die Plätzchen. Als er seinen Enkel bemerkte, sagte er: „Wie geht es Tea?“ Der Junge sah ihn verwirrt an, doch dann legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. „Du hast es geplant.“ Der Mann blinzelte. „Und? Wie geht es ihr?“ „Sie hat einen Freund.“ Dem Großvater fiel der Keks aus der Hand, den er eben noch gehalten hatte. „Sie hat einen was?“ Doch dann beruhigte er sich wieder und ein seltsames Grinsen legte sich auf sein Gesicht. „Ah, du!“ Yugi runzelte die Stirn. „Ah ich?“ „Hättest du mir nicht sagen können, dass du eine Freundin hast?“ „Er meint Tea“, erklärte ihm Yami, als der Junge nicht zu verstehen schien. „Bitte?“, rief er erschrocken. „Großvater!“, er errötete. „T...t... Tea ist eine Freundin und sowieseo...“, doch er verstummte. Yami und sein Großvater warfen ihm einen merkwürdigen Blick zu. „Sowieso was?“ Der Junge sah zu Boden. „Sowieso bin ich jemand anderes verliebt.“ Damit drehte er sich um und rannte in sein Zimmer. Sein Großvater und Yami sahen ihm verdutzt hinterher. „Tatsächlich? Und in wem?“, murmelte der alte Mann. Der Geist jedoch schwieg, seine Gedanken kreisten aber um ein Thema. Wen liebte Yugi und warum wusste er noch nichts davon? Wo er doch sonst jeden Moment seines Lebens teilte. Traurig verschwand er inmitten seiner Gedanken, stetig damit beschäftigt, über die Unbekannte nachzudenken, die Yugis Herz erobert hatte. Der Junge verarztete derweil endlich seinen Arm. Zu seinem Glück waren keine Splitter darin und das Blut, dass sein fünftausend Jahre alte Freund gesehen hatte, stammte von einer einfachen Schürfwunde, die schlimmer aussah, als sie war. „Siehst du“, sagte er in der Annahme, dass seine zweite Hälfte ihm zuhörte. „Kein Grund zur Sorge.“ Doch als der andere ihm nicht wie sonst antwortete, wandte er sich um. „Yami? Yami, wo bist du denn?“ Immer noch keine Antwort. Beunruhigt versuchte er, ihn in ihrem Geist zu erreichen. Als er vor der Tür zur Seele seines „Mitbewohners“ stand, ließ sie sich zu seiner bodenlosen Überraschung nicht öffnen. „Yami?“ Er bekam immer noch keine Antwort. Was soll das?, dachte er. Warum lässt er mich nicht rein? „Yami? Yami! Hey, was ist los?“ Er wollte wieder versuchen, die Tür zu öffnen und diesmal wurde er eingelassen. Das Labyrinth lag verlassen und verzweigt wie immer vor ihm. Überall waren Türen und Treppen, doch der Bewohner war nicht zu sehen. „Yami?“ „Was gibt es, Yugi?“, hörte er auf einmal eine Stimme hinter sich. Er wirbelte herum und sah, dass sein Freund ihn lächelnd musterte. Es war das übliche Lächeln, das er nur ihm schenkte und ihn immer wieder daran erinnerte, dass auch dieser Geist, den er zuerst als böse empfunden hatte, ein sanftes, liebevolles Wesen war. Augenblicklich erwiderte er sein Lächeln. „Ich habe mich gefragt, wo du bist.“ Sein Lächeln wurde breiter, was Yugis Herzschlag merklich beschleunigte. Auch wenn Yami ihn oft beunruhigte und nervte, er konnte sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. „Wo hätte ich denn sein sollen?“, fragte er mit einem leicht ironischen Tonfall. „Du weißt, dass ich dich nicht einfach allein lasse. Ich könnte es nicht einmal, wenn ich es wollte.“ Yugi nickte. „Natürlich weiß ich es, aber ich habe mir dennoch Sorgen gemacht. Warum hast du dich denn nicht gemeldet, als ich nach dir gerufen habe?“ Der fünftausend Jahre alte Geist runzelte die Stirn. „Du hast nach mir gerufen?“ „Ja.“ „Warum?“, tiefe Sorge lag auf seinem Gesicht. „Ist etwas passiert?“ „Nein, nein“, beruhigte ihn der Jüngere. „Ich wollte dir nur sagen, dass mit meinem Arm alles okay ist.“ Zum Beweis zeigte er ihn ihm. „Siehst du? Nur eine Schürfwunde.“ Yami ging auf ihn zu und griff nach seinem Arm, um ihn genauer zu begutachten. „Hast du Desinfektionsmittel drauf gemacht?“ „Natürlich.“ Er versuchte das Kribbeln zu unterdrücken, dass sich an den Stellen ausbreitete, die der andere berührte. Seit wann hatte er in seiner Gegenwart solche Empfindungen? Die Beiden sahen sich tief in die Augen. Es waren dieselbe, nur dass der Ältere etwas strenger aussah. Geheimnisvoller. Yugi fragte sich, ob das von der mysteriösen Vergangenheit lag, über die er nicht Bescheid wusste. Wer dieser Mensch vor ihm wohl gewesen war? Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen, da jemand seine Wange berührte. Er blickte auf und sah, dass Yami seine Hand ausgestreckt hatte und nun seine Wange streichelte. „Ich bin froh, dich kennengelernt zu haben Yugi.“ Der Angesprochene blinzelte, bevor sein Gesicht von einem tiefen Rot überzogen wurde. „I... i... ich bin auch froh, dich getroffen zu haben“, stotterte er. Da hörten sie, wie Yugis Großvater aus weiter Ferne rief: „Yugi, das Essen ist fertig.“ Yami ließ seine Wange los und lächelte wieder. „Na los. Iss etwas. Du hast es dir verdient.“ Der Kleinere nickte und kehrte in sein Zimmer zurück. „Ich bin gleich da, Großvater.“ Er ging auf die Tür zu, um den Raum zu verlassen, doch sein Freund hielt ihn auf. „Yugi?“ Er blieb stehen und drehte sich abermals zu ihm um. Der Größere kam auf ihn zu und hauchte ihn einen Kuss auf die Stirn. „Das mit den Plätzchen hast du wirklich gut gemacht“, flüsterte er. Mit einem hochroten Kopf ging der Jüngere in die Küche, um mit seinem Großvater Heiligabend zu verbringen, wohl wissend, dass der wichtigste Mensch in seinem Leben diese Momente mit ihm teilen würde. _______________________________ So, dass war dann der zweite OS. Ich hoffe, es ist wenigstens etwas von Yu-Gi-Oh! übrig geblieben. *drop* Ich wünsche euch allen ein schönes Weihnachten. Bis bald, eure Ayako Kyoko und der Weihnachtsmann ---------------------------- Ja, auch 2009 bekommt ihr wieder einen Weihnachts-OS. Diesmal geht es um ein Pairing (zumindest angedeutet), das meiner Meinung nach immer vernachlässigt wird. Deshalb ist es an der Zeit, dass ich das mal ändere. XD Dieser OS ist ganz speziell für Susilein und all jene, die mich das ganze Jahr über mit Kommis oder ENSs begleitet haben. *verbeug* __________________________________________________________ Kyoko und der Weihnachtsmann Ihre Schritte waren laut, wenn man sie mit der Stille verglich, die im ganzen Wald zu herrschen schien. Es waren schnelle, eilige Schritte, die darauf hindeuteten, dass ihr Verursacher nur wenig Zeit hatte, um an sein Ziel zu kommen. Tränen, die nie hätten vergossen werden sollen, folgten ihnen auf den langen Weg durch die Bäume, die schon seit Jahren dort standen und dennoch nicht alt schienen. Das Ziel des rennenden Mädchens war ein Fluss, der vor Jahrhunderten beschlossen hatte, die Bäume mit seinem Wasser zu nähren und ihr schon oft Trost gespendet hatte. Oder war es der Junge, der dort gelebt hatte, bevor alles anders wurde? Mit einem lauten Aufschluchzen durchbrach sie die letzten Büschen und fand sich auf der Lichtung wider, die sie gesucht hatte. Wie der Rest des Waldes war sie mit Schnee bedeckt und selbst der Fluss war von der Kälte besiegt und zugefroren worden. Für einen kurzen Moment stand das Mädchen schweigend da und suchte diesen ihr kostbaren Ort mit ihren Augen ab. Koon war nicht hier. Sie war allein. So wie immer. Kraftlos sank sie in sich zusammen und kniete auf dem schneebedeckten Boden. Warum war sie überhaupt hierher gekommen? Sie hätte es besser wissen sollen. Er kam nicht wieder, er würde nie wiederkommen. Er war jetzt an einem besseren Ort, wo die Hände seines Vaters ihn nicht erreichen konnten. Das war auch gut so, es war besser, wenn es ihm gut ginge, als wenn er wegen ihr weiterhin gefangen wäre. Sie wünschte sich nur, sie hätte mitkommen können. Leise weinend saß sie da, ohne darauf zu achten, was in ihrer Umgebung geschah. Deshalb merkte sie auch nicht, wie sich ihr jemand leise näherte: „Ähm... hallo?“ Erschrocken zuckte sie zusammen und blickte auf. Vor ihr stand ein kleines Mädchen mit lockigen, blonden Haar, blauen Augen und weißen Flügeln auf dem Rücken. Sie war in ein weißes Kleid gehüllt, das die Weinende unwillkürlich an ihren Geschichtsunterricht über das alte Rom erinnerte. „Bist du ein Engel?“, fragte sie verblüfft. „Mein Name ist Maria“, entgegnete die Gestalt und kam noch einen Schritt näher. „Ich bin ein Schutzengel in Ausbildung, doch im Moment mache ich ein Praktikum bei Santa Rory.“ „Santa Rory?“ „Santa Clauses Nachfolger, der gute Mann ist vor kurzem in den Ruhestand gegangen. Nun, nach knapp 1500 Jahren Dienst ist das berechtigt.“ Maria sah sie neugierig an. „Wer bist du?“ Das Mädchen zögerte kurz, bevor sie „Kyoko“ murmelte. „Soso, Kyoko-chan also“, sagte der Engel erfreut. „Es ist schön dich kennen zu lernen. Auch wenn die Umstände nicht die schönsten sind.“ Sie setzte sich vor sie auf den Boden und musterte sie neugierig. „Also, warum sitzt du zu Weihnachten allein auf einer Lichtung und weinst?“ Dies veranlasste sie dazu, noch mehr Tränen rollen zu lassen. „Es ist wegen Koon. Ich kann ich nicht finden!“ „Koon?“, fragte Maria verwirrt, bevor sie seltsam blass wurde. „Oh nein. Das war doch nicht etwa dieser blonde Junge, der hier auf jemanden gewartet hat, oder?“ Kyoko starrte sie an. „Was?“ „Ach du je, hätte ich das gewusst, hätte ich doch etwas unternehmen können!“, rief Maria und sprang auf. Sie wirkte sichtlich bestürzt. „Aber nein, ich hätte nichts tun können. Wichtel sind stärker als Engel, sie hätten mich dann nur auch noch mitgenommen.“ „Wichtel?“, fragte Kyoko. „Was hat Koon mit Wichtel zu tun?“ Maria erstarrte und sah sie mit einem Ausdruck schlechten Gewissens an. „Sie haben ihn mitgenommen“, erkläre sie leise. „In ihre Fabrik.“ „Aber wozu?“ „Als Versuchskaninchen für ihre neuesten Produkte. Das tun sie öfters, da die armen Kinder es nur selten lange aushalten.“ „Moment!“, rief das Mädchen entsetzt. „Das heißt also, Koon wurde entführt und wird jetzt von den Wichteln des Weihnachtsmanns für irgendwelche Experimente missbraucht?“ Maria sah sie mitleidig an. „Ich denke schon. Tut mir echt Leid, Kyoko-chan.“ „Das dürfen sie nicht tun!“, schrie Kyoko und sprang nun ebenfalls auf. „Wir müssen ihn retten!“ „Und wie sollen wir das anstellen? Wichtel sind gefährlich! Das schaffst du nicht allein! Und sieh mich nicht so an, ich bin dir keine Hilfe!“ „Keine Hilfe wobei?“, fragte eine männliche Stimme. Überrascht drehte sich Kyoko zu ihrem Ursprung um. Dabei handelte es sich um einen jungen, blonden Mann, der die Szene amüsiert beobachtete. Vor seinen hellen Augen ruhte eine Brille und er machte einen sehr gebildeten Ausdruck. „Yashiro!“, rief Maria verstimmt. „Das ist Santa Rorys anderer Praktikant“, erklärte sie Kyoko. „Allerdings ist er in der Auslieferungsabteilung, während ich mich bei den Wünschesammlern tummele.“ Auslieferungsabteilung? Wünschesammler? Kyoko sah verwirrt zwischen den beiden hin und her. Wo war sie hier nur hinein geraten? „Hast du den Schlitten dabei, Yash?“, fragte Maria. „Kyoko-chan hier will beim Chef vorsprechen.“ Der Mann musterte das Mädchen neugierig. „Tatsächlich? Warum?“ „Ein paar Wichtel haben ihren Freund entführt. Wir müssen ihn zurückholen oder sie wird das ganze Weihnachten unglücklich sein!“ „Unglücklich? Zu Weihnachten?!“ Yashiro schüttelte entsetzt den Kopf. „Das geht nicht! Komm, Kyoko-chan! Wir bringen dich ins Weihnachtsland!“ Kyoko wusste nicht, wie ihr geschah, als sie von Maria durch den Wald gezogen wurde und sich kurz darauf auf einem Schlitten wiederfand, vor dem zwei Rentiere eingespannt waren. Wo war sie hier hineingeraten? Ihre Verwirrung wurde nur von ihrer tiefen Sorge um Koon übertroffen. Maria meinte, er wäre in Gefahr! Und wenn es auch nur den Hauch einer Chance gab, ihn zu retten, würde sie sie ergreifen. Dabei kam es ihr nicht einmal in den Sinn, dass sich der kleine Engel vielleicht irren konnte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Im Weihnachtsland herrschte Hochbetrieb. Es war nur noch wenige Stunden bis Weihnachten und es waren immer noch nicht alle Geschenke verpackt, geschweige denn fertig. Doch dies war nicht ungewöhnlich, sondern ein alljährliches Vorkommnis. Weihnachtsland bestand aus insgesamt drei Teilen. Mittelpunkt bildete eine riesige Stadt, in der Geschenke angefertigt, Kinder auf der ganzen Welt beobachtetet und auch manche politischen Entscheidungen getroffen wurden, wobei letzteres vor der Weltöffentlichkeit geheim gehalten wurden (und die anderen beiden Dinge vergaßen die Menschen mit dem Erwachsenwerden). Darum erstreckte sich ein dichter Tannenwald, der schließlich von einer ewig erscheinenden Eiswüste abgelöst wurde. Kyoko sah sich ehrfürchtig um, während Maria und Yashiro sie durch die verwinkelten Gassen der Stadt führte. Man hatte ihnen gesagt, dass Santa Rory sich im Moment in einer der Fabriken befand, wo offensichtlich die Kaugummimaschiene einen Defekt hatte. „Das kommt öfters vor“, beteuerte Yashiro zuversichtlich. „Aber der Chef kriegt das wieder hin.“ „Ja, er ist ja auch so ein guter Handwerker“, entgegnete Maria sarkastisch. „Komm, Kyoko-chan, nimm meine Hand oder wir verlieren uns noch! Gleich werden wir nämlich den Hauptplatz überqueren und dort tummeln sich um diese Zeit jede menge Weihnachtselfen, Kobolde und Engel.“ Der Weg zur Fabrik verlief ohne erwähnenswerte Zwischenfälle, auch wenn Kyoko mit jedem Schritt, den sie tat, mehr staunte. Überall waren Elfen zu sehen, die fleißig Geschenke durch die Gegend trugen oder mit zu ihrem Arbeitsplatz eilten. Auf dem großen Hauptplatz, der etwa so groß wie der Petersplatz in Rom war, konnte sie sogar einen Engelschor entdecken, die Weihnachtslieder sangen. Das Mädchen konnte das alles nur mit großen Augen ansehen. Sie hätte nie gedacht, dass es im Weihnachtsland so hektisch war. „Normalerweise ist es auch nicht ganz so schlimm“, erklärte ihr Maria, während sie die Fabrik betraten. „Es sind nur alle schrecklich aufgeregt, weil es ja in einigen Stunden losgeht. Die übliche Hektik zum Schluss, du verstehen?“ Kyoko nickte. So ging es ihr immer in den letzten fünf Minuten einer Klassenarbeit. „Oh mein Gott!“, rief Yashiro plötzlich. „Diesmal haben sie es aber wirklich übertrieben.“ Das Mädchen spähte über seine Schulter und musste ihm unwillkürlich zustimmen. Das Gebäude, in dem sie sich befanden, bestand aus einem riesigen Raum, der von den Größenverhältnissen aus betrachtet am ehesten einer Eishalle glich. Tatsächlich war der Boden eine spiegelglatte Oberfläche, auf der einige Elfen mit Schlittschuhen zwischen den verschiedenen Gerätschaften der Fabrik herum glitten. Es handelte sich offensichtlich um die Süßigkeitenabteilung, da Kyoko verschiedene, vollendete Tafeln Schokolade, Zuckerwatte, Bonbons und allerlei andere Leckereien sehen konnte. Heute allerdings war alles von einer seltsamen, klebrigen, rosa Schicht überzogen, die sich schnell als Kaugummi entpuppte. „Die Maschine ist kaputt!“, rief ein Elf, der Kyoko unwillkürlich an Shotaro erinnerte. Er kam auf die kleine Gruppe zu und betrachtete sie neugierig. „Habt ihr einen Techniker mitgebracht?“ „Sei nicht albern, Sho!“, entgegnete Maria unfreundlich und Kyoko weitete die Augen. Das war aber ein seltsamer Zufall! „Wir sind auf der Suche nach dem Chef.“ „Der ist dahinten“, meinte Sho achselzuckend und nickte in die Richtung aus der die seltsame Masse zu kommen schien. „Ist ziemlich wütend, am besten wartet ihr bis er sich beruhigt hat.“ Offenbar beschloss Maria, ihn zu ignorieren, da sie den Arm ihres Schützlings packte und sie mit sich zog. Yashiro folgte ihnen nach kurzem Zögern schmunzelnd, während Sho ihnen einfach nur achselzuckend hinterher sah, um danach sofort wieder an die Arbeit zu gehen. Santa Rory stand vor der defekten Kaugummimaschiene und funkelte den verantwortlichen Elf wütend an. Er war jünger, als Kyoko vermutet hatte, da er immer noch dichtes, schwarzes Haar besaß und sein Bart so gut, wie nicht vorhanden war. Auch der Körperbau hatte nichts mit dem üblichen Bild, des dicken, alten Mannes gemein, da er relativ groß, schlank und offensichtlich auch muskulös war. Nur der rote Mantel und die schwarzen Stiefel verrieten, dass es sich um den Weihnachtsmann handeln musste. „Wie konnte dir das nur passieren, Reino?“, rief er gerade aufgebracht. „Ich sagte doch: Keine neuen Experimente so kurz vor Weihnachten! Kannst du mir bitte sagen, wie wir jetzt noch rechtzeitig fertig werden sollen?“ „Nun... wir könnten dieses Jahr ja einfach allen Kindern Obst schenken“, schlug der Elf kleinlaut vor. „Ich meine, das wäre doch viel gesünder und wir wollen doch, dass es alle zu Weihnachten gut geht, oder?“ Unsicher sah er zu seinem Vorgesetzten auf, der darüber nachzudenken schien. „Das ist eigentlich kein schlechter Gedanke. Hast du das notiert, Kanae?“, fragte er ein schwarzhaariges Wesen neben sich. „Das ist Kanae“, flüsterte Maria Kyoko zu. „Die persönliche Assistentin vom Chef. Wie du an der grünen Haut erkennen kannst, ist sie ein Kobold.“ Zwar war es für das Mädchen alles andere als offensichtlich, dies daraus zu schließen, tatsächlich hatte sie viel eher auf einen Alien getippt, doch sie beschloss, keine Einwände zu erheben. „Gut, dann ist es beschlossene Sache!“, rief Santa Rory in diesem Moment zufrieden. „Alle, die keine Süßigkeiten mehr bekommen, kriegen Obst. Ein sehr guter Vorschlag, Reino. Manchmal sieht man eben doch, dass meine Idee, dich einzustellen, doch nicht so schlecht war, wie es normalerweise den Anschein hat.“ Der Elf schwieg und Kyoko konnte es ihm nicht verübeln. Das war wirklich nicht sehr nett gewesen. „So, damit wäre das erledigt. Was kommt als nächstes? Oh!“, Rory hatte sich umgedreht und die Neuankömmlige entdeckt. „Yashiro! Maria! Ihr seid zurück!“, rief er geradezu entzückt. „Und wen habt ihr uns da mitgebracht?“ „Das ist Kyoko-chan, Sir!“, antwortete der Engel wie aus der Pistole geschossen. „Sie ist hier, weil der Verdacht besteht, dass ein paar Wichtel ihren Freund entführt haben.“ „Soso“, sagte Rory und beugte sich zu dem Mädchen herab, um es besser in Augenschein zu nehmen. „Und wer ist dieser Freund?“ „Sein Name ist Koon“, verkündete Kyoko entschlossen. „Er ist der Sohn eines grausamen Feenkönigs!“ Santa Rory hob amüsiert die Augenbrauen. „Tatsächlich? Nun, dann kann es sich ja nur um einen Jungen handeln. Armes Kind“, sagte er mitfühlend und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wenn das, was Maria sagt stimmt, wirst du ihn wahrscheinlich nie wieder sehen.“ Entsetzt starrte sie den Mann an. Das war doch wohl nicht sein Ernst! „A...aber....“ „Die Wichtel sind nicht für ihre Gastfreundschaft bekannt, Kyoko-chan“, erklärte er ruhig. „Und wenn sie einmal etwas in ihren Besitz gebracht haben, geben sie es nie wieder her.“ „Nein!“, flüsterte Kyoko und stolperte einige Schritte zurück. „Das ist nicht wahr!“ Traurig erhob sich Santa Rory und sah sie mitleidig an. „Es tut mir Leid, Kyoko-chan. Doch da kann selbst ich nichts machen.“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wirbelte das Mädchen herum und rannte, rannte, rannte, rannte, bis sie nicht mehr rennen konnte und über ihre Füße stolperten, hinfiel und nicht mehr aufstehen konnte. Sie weinte, wie sie seit langem nicht mehr geweint hatte, immer wieder kamen neue Tränen und es schien, als würde ihre Trauer kein Ende nehmen. Koon war fort. Er war bei den Wichtel. Wurde gefoltert und für ihre Experimente misshandelt. Und sie, die ihn hatte retten wollen, hatte versagt. Sie würde ihn nie wieder sehen und es war ihre Schuld. „Kyoko-chan?“ Erschrocken blickte sie auf. Das erste, was ihr bewusst wurde, war die Tatsache, dass sie sich wieder auf ihrer Lichtung befand. Wie war sie hierher gekommen? Das zweite war eine nur allzu bekannte Gestalt, die vor ihr kniete und sie besorgt musterte. „Kyoko-chan, ist alles in Ordnung?“ Und obwohl die Tränen immer noch kein Ende genommen hatte, musste sie unwillkürlich lächeln. „Ja, Koon. Jetzt ist alles wieder in Ordnung.“ ___________________________________________ Auch Tränen können ein Geschenk sein. Denn die Fähigkeit zu weinen und Gefühle zu zeigen, unterscheidet die Menschen von einfachen Robotern und die Lebenden von den Toten. Deshalb ist es richtig, sich ab und zu seiner Verzweiflung hinzugeben, solange man es nicht zur Gewohnheit werden lässt. Aus diesem Grund ist es auch nicht schlimm, wenn man an Weihnachten weinen muss, egal ob aus Trauer oder aus Glück. Trotzdem wünsche ich euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und hoffe, dass ihr, genau wie Kyoko, zum Schluss lächeln werdet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)