Drachenkind von maidlin ================================================================================ Kapitel 24: Einladung zur Jagd ------------------------------ Barrington sah ihn erstaunt an und Draco empfand eine gewisse Genugtuung dabei. „Alexander?“, wandte er sich dann fragend an Annies Bruder und dieser löste den Blick von Draco. Draco hatte seinen Gesichtsausdruck nicht recht deuten können. Doch er war sich beinah sicher, dass sein Erscheinen ihm alles andere als recht gewesen war. Aber wie so oft ließ er sich davon nicht beeindrucken. Stattdessen richtete er den Blick wieder auf John Barrington. Der kleine Mann hatte sich nicht verändert, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er war höchstens noch beleibter, noch hässlicher und widerlicher. Und mit diesem Mann, tat Annie... würde Annie... Allein der Gedanke ließ ihn erneut zornig werden und das letzte bisschen Unsicherheit, welches er vielleicht noch in sich verspürt hatte, verschwand nun gänzlich. Dieser Mann musste sterben. Nur so würde er selbst endlich Ruhe und Rache finden. Egal, was es ihn kosten würde. Alexander räusperte sich. „Das ist... uhm... Er arbeitet für mich und kümmert sich momentan um die Waldpflege.“, antwortete Alexander zögerlich auf Barringtons unausgesprochene Frage. „Ihr sagtet gar nichts davon, dass ihr fremde Hilfe in Anspruch nehmt. Ich hatte den Eindruck, dass ihr euch allein um eurer Gut kümmert.“, erwiderte Barrington misstrauisch, doch sein Blick blieb auf Draco haften, der ihn kalt erwiderte. Draco hatte den Kiefer so fest zusammengepresst, so dass seine Zähne bereits schmerzten. Es kostete ihn unglaubliche Mühe und Kraft seinen Instinkten nicht nachzugeben und sich auf Barrington zu stürzen. Nur das sichere Wissen, dass er nicht gegen ihn würde bestehen können, hielt ihn davon ab. Sein Schwert lag in seinem Zimmer, zudem würde Barringtons Begleiter nicht nur zusehen. Das letzte Mal hatten sie ihn ebenso kräftig unterstützt, dachte er bitter. „Das habe ich nicht, Sir, weil es für mich keine Bedeutung hatte. Er ist nur ein einfacher Arbeiter. Aber ich wollte euch gewiss nicht täuschen. Ich hielt es nur nicht für wichtig genug, ihn zu erwähnen.“ „Der Gedanken der Täuschung drängt sich mir unweigerlich auf. Woher kommt er?“, fragt Barrington weiter. „Er ist ein Reisender, der von Ort zu Ort zieht und nach Arbeit sucht. Ich habe ihn im letzten Herbst eingestellt, als Susan erfuhr, dass sie ein Kind erwartet. Ich dachte eine zusätzliche Hilfe kann nicht schaden. Wie ich bereits sagte, hielt ich ihn nicht für erwähnenswert.“ John Barrington schwieg einen Moment und schien darüber nachzudenken. Wenn er überhaupt denken konnte, dachte Draco bissig. Ohne den Blick abzuwenden, sprach Barrington weiter: „Wie heißt du?“ Jetzt war es Draco, der einen Moment verblüfft war. Offenbar sprach er ihn direkt an. Etwas, was er überhaupt nicht erwartet hatte. „Er spricht nicht.“, sagte Alexander sofort und ohne eine Antwort von Draco abzuwarten. Draco blickte ihn kurz an. Als würde er auch nur ein Wort an diesen Mann richten! Niemals! Doch ob Alexander sich bewusst war, dass er die gleichen Worte gebraucht hatte, wie Annie damals? „Ach nein? Warum nicht?“, fragte Barrington und sah wieder zu Alexander. „Er ist... geistig... zurückgeblieben, kann kaum einen ordentliches Wort über die Lippen bringen. Glaubt mir, ihr wollt ihn gar nicht sprechen hören. Er ist... schwachsinnig.“, sagte Alexander schließlich. Barrington betrachtete ihn abfällig. „Er sieht gar nicht danach aus.“ „Das täuscht. Er ist dümmer, als ein Esel.“, sagte Alexander abwertend und lachte verhohlen. Draco warf ihm einen stechenden Blick zu, den dieser eindringlich erwiderte und mit seinen Lippen ein stummes Wort formte. Darüber würden sie später sprechen. „Aha. Wie nennt ihr ihn dann?“ „Uhm... Drake. Meine Frau gab ihm den Namen Drake.“ „Ihre Frau?“ „Ja.“ Alexander unterbrach sich kurz und suchte offenbar nach weiteren Worten, oder einer Antwort, wie Draco dachte. Er war selbst sehr interessiert daran, eine Erklärung zu hören. Warum hatte er nicht seinen richtigen Namen genannt? Barrington hätte doch ganz sicher nicht gewusst, was er bedeutete. „Seit sie ein Kind erwartet denk sie täglich über mögliche Namen nach. Sie hat jeden Tag einen neuen Favoriten und andere fallen weg. Ich nehme an Drake war einer von denen, die nicht mehr für unser Kind in Frage kamen. Und da er scheinbar keinen hat, gab sie ihm diesen. Die Frauen eben.“, fügte Alexander hinzu, als erklärte das alles. „Ja, ja... die Frauen.“, bestätigte Barrington und lachte verhalten. „ Wie lange wird er bei euch bleiben?“ „Das kann ich noch nicht genau sagen. So lange wie er sich nützlich macht und das Kind noch nicht geboren ist, gedenke ich nicht ihn so schnell fortzuschicken. Arbeiten kann er ja.“ „Für einen einfachen Arbeiter, reitet er ein zu prachtvolles Pferd, findet ihr nicht? Wie kommt es das dieses nicht mein Geschenk zur Hochzeit war?“, fragte Barrington mit scharfer Stimme und musterte Alexander mit einem stechenden Blick. „Das lässt sich leicht erklären. Diese Stute ist sehr eigen und störrisch. Ehrlich gesagt wunderte es mich selbst, dass sie sich von ihm reiten lässt. Normalerweise wirft sie ihre Reiter ab und schnappt nach ihnen. Es muss an seinem geistigen Zustand liegen, dass sie ihn gewähren lässt. Anders kann ich es mir nicht erklären.“ „Tatsächlich? Ich will mich selbst davon überzeugen.“, erwiderte er bestimmt und gab seinen Begleitern bereits das Zeichen ihm beim Absitzen zu helfen. „Sir, ich kann ihnen wirklich nur raten dies zu unterlassen.“ , versuchte Alexander ihn umzustimmen. „Ich will es jetzt probieren!“, fuhr er Alexander an und seine Worte ließen keine Widerrede zu. Alexander warf einen Blick zu Draco und für einen kurzen Moment erwiderte dieser seinen Blick. Hera bewegte sich unruhig hin und her und zuckte nervös mit dem Kopf. Sie konnte Barringtons Boshaftigkeit genauso spüren, wie er. Auf keinen Fall würde er für diesen Mann absatteln! Nicht auch noch Hera würde er bekommen!, dachte Draco. Kurz blickte er Barrington noch einmal kalt an. Dieser hatte sich Hera schon genähert und streckte erwartungsvoll den Arm aus. Da zog Draco an den Zügeln, wie er es bei dem Tier immer tat und sie preschte im schnellen Galopp davon. Es war bereits dunkel als er auf den Hof zurückkehrte. Er wurde langsamer, als er die Gebäude sah und Hera trabte gemächlich vor sich hin. Er ging nicht davon aus, dass Barrington noch da sein würde, doch es war besser vorsichtiger zu sein. Er wusste, dass seine Selbstbeherrschung bei diesem Mann sehr gering war. Draco hatte den halben Tag gebraucht, um sich wieder zu beruhigen, bis er seine Wut soweit unter Kontrolle hatte, dass er wieder an etwas anderes denken konnte. Davor hatte er sie an den Bäumen ausgelassen – auch jenen, die vom Winter keinen Schaden davon getragen hatten. Es war niemand auf dem Hof und in der Küche sah er das Licht brennen. Ob Alexander wohl wütend war, dass er Barrington nicht gewähren lassen hat? Selbst wenn, das war ihm egal. Er stieg aus dem Sattel und lief Richtung Stall. Ohne dass er Hera bei den Zügeln nahm, trabte sie hinter ihm her. Als er die Stalltür öffnete war er nicht überrascht Alexander dort vorzufinden. Offenbar hatte er auf ihn gewartet, auch wenn er gerade dabei war frisches Stroh in den Boxen zu verteilen. Wortlos ging Draco an ihm vorbei und sattelte Hera ab. Dann nahm er ein Tuch um sie abzureiben. „Er war von deinem Verschwinden nicht sehr begeistert.“, begann Alexander schließlich zu erzählen. Draco reagierte nicht. Er wollte nichts von diesem Mann hören und schon gar nicht über ihn reden. Er wollte ihn in die hinterste Ecke seiner Gedanken verbannen. Das machte ihm das Warten erträglicher. Heute war ihm wieder einmal bewusst geworden, wie wenig er doch bisher gelernt hatte. Alexander gab ihm zwar Unterricht, aber Draco hatte das Gefühl, dass er nicht genug war. Doch wann war es genug? Er wusste es nicht. Wahrscheinlich würde er es erst erfahren, wenn sie sich wirklich gegenüber standen und einer sterben würde, dachte er grimmig. „Er kommt morgen noch einmal.“, sagte Alexander dann. Nun richtete sich Draco auf und sah ihn unvermittelt an. Der Unterton in Alexanders Stimme war deutlich zu hören gewesen. „Er will Hera unbedingt reiten. Die Tatsache, dass du einfach mit ihr verschwunden bist, ohne dass ich etwas dagegen getan habe, hat ihn sehr wütend werden lassen, aber vor allem misstrauisch. Er erwartet von mir, dass ich dich hart bestrafe.“ Draco bedachte Annies Bruder mit einem Blick, der alles sagte: Er sollte es nicht wagen. „Du hast seiner Meinung nach gegen meinen Willen gehandelt. Das gehört sich nicht für einen niederen Arbeiter, der zudem noch bei mir Wohnen und Leben darf. Ich müsste dich dafür auspeitschen.“ Alexander schwieg, als erwartete er eine Reaktion von Draco. Doch dieser blieb stumm. Alexander stieß einen Seufzer aus und rieb sich den Nacken. „Natürlich mache ich das nicht.“, sprach der weiter. „Eigentlich bin ich froh, dass du verschwunden bist und dich nicht auf ihn gestürzt hast, wie du es wahrscheinlich gern getan hättest. Der Hass in deinen Augen war nicht zu übersehen.“, fuhr er fort, während er Wüstensand kurz durch die Mähne fuhr. Danach ging er zu Hera und diese streckte den Kopf nach seine Hand aus, als hoffte sie darin etwas besonderes Leckeres zu finden. Als dem nicht so war, drehte sie sich sofort weg. Alexander schnaubte kurz. „Ich wollte gar nicht, dass er sie reitet. Das will ich immer noch nicht, aber mir bleibt wohl keine Wahl.“, murmelte er schließlich. Draco hatte Mühe den Zorn zu bändigen, der in ihm aufstieg. Warum nur fiel es ihm bei diesem Gefühl so schwer. Warum ließ er sich immer wieder davon beherrschen? Die Sehnsucht nach Annie konnte er doch auch verdrängen. „Wann?“, war dann schließlich alles was Draco laut fragte. „Nach Sonnenaufgang, noch vor dem Mittag. Eine sehr genaue Angabe, findest du nicht?“, fragte Alexander bissig. „Ich möchte, dass du eines der anderen Pferde nimmst, meinetwegen auch Wüstensand. Ich brauche ihn morgen nicht.“ Draco sah ihn noch eine Weile an und wandte sich dann wieder Hera zu. Er begann sie zu striegeln. „Sie wird ihn abwerfen.“, sagte er nach einer Weile. Das Lachen von Alexander, welches daraufhin folgte, irritierte ihn etwas und er sah ihn verwundert an. „Das hoffe ich doch. Ich habe ihn heute eindringlich gewarnt und wenn ich ehrlich bin... Ich will mich gar nicht von ihr trennen. Er befand die anderen Pferde auch als schön, aber er hat sich Hera in den Kopf gesetzt. Wenn er merkt, dass er sie nicht haben kann, wird er sich danach hoffentlich nicht mehr hier blicken lassen.“, sagte Alexander und Draco war über so viel Ehrlichkeit verblüfft. „Du wusstest, dass er kommen würde, deswegen hast du mich in den Wald geschickt.“, sprach Draco und arbeitete weiter. Hera mochte es überhaupt nicht, wenn man ihr nicht seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. „Ja, das wusste ich.“ Alexander setzte sich auf eine der Kisten, die vor den Boxen standen und diverse Materialien zur Pflege der Pferde enthielten. „Du kannst morgen Wüstensand nehmen. Er wird dir gehorchen. Er ist ein sehr zuverlässiges Tier.“ „Ich weiß.“, antwortete Draco kurz. Er hatte nichts gegen Wüstensand, aber der Gedanke, dass er sich schon wieder Barringtons Willen beugen musste, gefiel ihm nicht. Wann würde es endlich aufhören? „Er wird sie nicht mehr haben wollen, wenn sie ihn erst einmal abwirft. Deine Zeit wird kommen.“, sagte Alexander, als wüsste er genau, was in Draco vorging. „Es mangelt dir nicht so sehr an Können, sondern an Erfahrung. Ich habe dir mehrmals gesagt, dass Können nicht alles ist. Barrington hat dir Jahre an Erfahrung voraus. Du könntest nicht anders als scheitern.“ Draco nickte wiederwillig. Er wusste, dass er recht hatte. Und er hasste es. Am nächsten Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, sattelte Draco Wüstensand. Das Pferd war ihn zwar gewöhnt und er hatte ihn auch schon oft gesattelt, doch dieses Mal schien es zu spüren, dass er es auch reiten würde. Etwas was Wüstensand nervös werden ließ. Gleichzeitig tänzelte Hera unzufrieden in ihrer Box herum und schnaubte durch die Nüstern. Offenbar war ihr klar, dass sie heute nicht seine Begleiterin sein würde. Bevor er Wüstensand hinausführte, ging er noch einmal zu der schwarzen Stute und streichelte sie sanft. „Wirf ihn ab, hörst du? Wirf den dicken Mann ab und zeige ihm, dass er nicht alles haben kann.“, flüsterte er in ihr Ohr. Sie wieherte kurz und nickte mit dem Kopf, als wollte sie ihm zustimmen. Den ganzen Tag verbrachte Draco im Wald und blieb dieses Mal sogar weit länger als nötig. Der Himmel verfärbte sich bereits ein wenig, als er sich auf den Weg zurück machte. Er hatte seine Rückkehr so lange wie möglich heraus gezögert, weil er befürchtet, dass Barringtons doch seinen Willen bekommen hatte. Er wusste nicht, was er tun würde, wenn Hera auch noch weg wäre. Seltsamerweise mochte er das störrische Pferd recht gern. Als er in die Nähe des Grundstücks kam, atmete er erleichter aus. Abermals war der Hof leer und niemand Fremdes mehr zu sehen. Vielleicht konnte er diesen Tag bald beenden. Draco öffnete die Stalltür und führte Wüstensand hinein. Die Pferde in den ersten drei Boxen standen noch darin und sahen ihn ein wenig interessiert aber doch zurückhaltend an. Noch bevor er hinsah hörte er ein sehr vertrautes Schnauben, aus der letzten Box, das eindeutig Unzufriedenheit ausdrückte. Ganz so als wollte sie ihn schelten, warum er erst jetzt zurück kam. Als sein Blick zu dem Tier glitt, atmete er erleichtert aus. Er konnte selbst nicht begreifen, dass er sein Herz inzwischen so an sie gehängt hatte. Warum? Sie war doch nichts weiter als ein gewöhnliches Pferd?, fragte er sich selbst. Hastig führte er Wüstensand in seine Box zurück und ging dann zu Hera. Herausfordernd streckte sie ihm den Kopf entgegen und er kraulte sie hinter den Ohren. Gleichzeitig fragte er sich, was geschehen war. War Barrington nicht gekommen? Hatte sie ihn abgeworfen? Oder würde er Hera erst später holen, so wie er es auch mit Annie getan hatte? „Du bist endlich zurück.“, hörte er Alexander plötzlich vom Eingang des Stalles sagen. Draco atmete noch einmal tief durch bevor er sich zu Annies Bruder umdrehte. Dann nickte er kurz als Antwort. Draco wandte sich von Hera ab, was diese wieder mit einem unzufriedenen Schnauben quittierte. Er machte sich daran Wüstensand abzusatteln und wartete darauf, dass Alexander erzählen würde, was geschehen war. Alexander stellte sich vor Heras Box und betrachtete sie eingehend. Auch von ihm ließ sie sich streicheln. „Sie hat heute ganze Arbeit geleistet.“, begann er schließlich. „Sie hat sich genauso verhalten, wie wir es erwartet haben. Barrington saß nicht sehr lange im Satteln. Er hat es zwar immer wieder versucht, ich glaube 15 oder 20 Mal sogar. Er saß aber nicht einmal so lange in ihrem Sattel, wie er gebracht hatte, aufzusitzen. Dann versuchte er es mit der Peitsche, aber da hat sie sogar angefangen nach ihm zu treten und zu schnappen. Um die Mittagszeit hat er dann sehr frustriert aufgegeben. “ Dann fing Alexander plötzlich an zu lachen. „Du hättest sehen sollen, wie er versuchte aufzusitzen! Er ist so klein und schwer, und Hera so ein großes Tier! Er brauchte eine Fußbank und selbst damit hat er sich noch abgemüht. Ich musste mich so bemühen ihn nicht auszulachen! Das kannst du dir gar nicht vorstellen.“ Draco sah kurz zu Hera und konnte es sich vorstellen. Unweigerlich zuckte einer seiner Mundwinkel nach oben. Das hätte er wohl doch gern gesehen. „Wie hat er reagiert?“, fragte er stattdessen. Bei seiner Frage wurde Alexander augenblicklich wieder ernst und seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er antwortete: „Er sagte, dass er solch ein widerspenstiges Tier sofort zum Schlachter führen würde.“ Draco sah ruckartig auf und starrte ihn entgeistert an. Hatte er gerade richtig gehört? „Aber Hera gehört...“ „Mir?“, beendete Alexander seinen Satz. „Natürlich tut sie das, aber das hat für ihn keinerlei Bedeutung. Wer sich ihm wiedersetzt wird beseitig, ganz egal wer oder was es ist oder wem es gehört.“ Draco hielt angespannt den Atem an. Warum war sie dann noch hier, wenn sie doch... „Allerdings befindet er, dass sie solch ein prächtiges und außergewöhnliches Tier ist, dass es gerade zu sträflich wäre sie zu töten.“, Alexander lachte spöttisch auf. „Und das aus seinem Mund! Ich soll sie zur Zucht nehmen und ihm die Nachkommen überlassen. Er sucht nach einem angemessenen Hengst. … Als ob das so viel einfacher wäre!“ Draco entspannte sich wieder etwas, dennoch traute er dem Ganzen nicht. „Aber sie kann bleiben?“ „Ja.“, antwortete Alexander kurz und Draco fuhr nun endgültig herum. Da war noch mehr. Alexanders Blick war unsicher, so als würde er seine folgenden Worte mit Bedacht wählen müssen. „Barrington sagte, er hätte Hera bereits früher schon einmal gesehen, also vor gestern Morgen. Auf dem Festumzug, der für seine Hochzeit gehalten wurde. Sie sei von einem verhüllten Reiter geritten worden. Ich wollte ihm gleich wiedersprechen, doch er unterbrach mich. Er war sich sehr sicher und konnte sich deswegen so gut erinnern, weil Annie der Reiter aufgefallen war. Und zwar eben deswegen, weil er so verhüllt gewesen war, das Wetter aber nicht einmal so kalt. Barrington sagte das Pferd wäre schwarz und sehr groß gewesen und regelrecht aus der Menge herausgestochen. Er hatte es als Hera wieder erkannt. Und er konnte sich genau erinnern, dass ein Windstoß das blonde Haar des Reiters enthüllt hatte.“ Alexander machte eine kurze Pause, in der er mit dem Kopf schüttelte. „Ich konnte ihm unmöglich etwas anderes einreden. Er hat Hera genau erkannt. Sie ist ja auch nicht schwer zu übersehen und das blonde Haar ließ ihn vermuten, dass du es gewesen warst, den er sah. Warum hast du mir nicht gesagt, dass er dich gesehen hat?“ „Ich wusste es nicht. Ich habe sie... gesehen und dann bin ich davon geritten. Ja, es kam ein Wind auf, aber...“ Er zog die Augenbrauen zusammen. Woher hätte er ahnen sollen, dass dabei die Kapuze verrutscht war? „Das ist ja eigentlich auch unwichtig. Ich musste ihm jedenfalls sagen, dass du es warst. Natürlich, wollte er gleich von mir wissen, warum du dein Gesicht nicht gezeigt hast. Ich sagte ihm, dass du Menschenscheu bist. Dann stellte er weitere Fragen: Seit wann genau du bei mir bis, woher du kommst, was du sagen kannst und... ob du irgendwelche Gewohnheiten hättest, die merkwürdig wären.“ Das konnte nur eines bedeuten. „Er weiß es.“, sagte Draco knapp. „Nein, das tut er nicht.“, wiedersprach Alexander. „Wie kannst du dir sicher sein?“ „Weil du ein Mensch bist. Du hast es selbst gesagt. Vielleicht ist ihm aufgefallen, dass irgendetwas an dir anders ist. Aber das ist es mir auch. Dennoch wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, dass du... nun ja... so etwas bist...warst... wie auch immer. Ich denke nicht, dass er darauf kommen könnte. Nur weil du beim Festumzug dabei warst und nicht sprichst, ist das noch lange kein Beweis für irgendetwas. Außerdem würde es bedeuten, dass er Magie akzeptieren müsste und das wird nicht passieren. Wo er doch alles versucht sie zu vernichten. Ich habe sie schon ewig nicht mehr angewandt, aus Angst, dass es doch jemand merken würde. Dabei ist es eigentlich eine regelrecht Schande.“ Die letzten Worte hatte Alexander nur noch gemurmelt und Draco wusste, dass sie auch gar nicht an ihn gerichtet waren. Er dachte über Alexanders Worte nach. War John Barrington wirklich so leicht zu täuschen? „Was, wenn er aber doch bemerkt hat, dass ich anders bin?“ Alexander schien einen Moment zu überlegen, bevor er ihm antwortete, dann sagte er: „Nein, das denke ich nicht. Barrington ist kein Mensch, der sehr viel über andere nachdenkt. Dafür ist er zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Er ist misstrauisch, kann man sagen. Allerdings halte ich es für übereilt uns unnötig Sorgen zu machen und selbst, wenn... Was für eine Alternative als hier zu bleiben und abzuwarten gibt es? Nein, ich denke wirklich nicht, dass er etwas gemerkt hat. Woran sollte er auch?“, sagte er zum Schluss noch einmal. Draco sah ihn zweifelnd an. Er wusste nicht, ob er diese Worte einfach glauben sollte. Natürlich konnte Alexander Barrington besser einschätzen, als er, Trotzdem wollte er nicht glauben, dass er sich mit so einfachen Antworten, wie Alexander sie ihm wohl gegeben haben muss, zufrieden gab. Er hatte ihn in seinem Versteck gefunden. Es war sogar gelungen ihn zu verwunden und davon zu treiben. Sollte er wirklich nur Glück gehabt haben? Das konnte er einfach nicht glauben. Es würde seine eigene Schwäche bedeuten. Dieser Mann musste mehr können, als es den Anschein hatte. Und fast wünschte er sich sogar, dass John Barrington ihn erkannt hatte. „Ich gehe schon mal rein. Sieh zu, dass du fertig wirst, sonst ist das Essen wieder kalt.“, sagte Alexander und ging davon. Draco nickte kurz, dann arbeitet er zügig weiter. In der kommenden Nacht schlief er unruhig, denn immer noch nagt das Gefühl an ihm, das etwas passieren würde. Er hatte dieses Gefühl schon so oft gehabt und immer war etwas geschehen. Doch nie hatte er sagen können, was geschehen würde oder gar wann. Er konnte immer nur warten. Wie sehr er es doch leid war. Er fühlte sich machtlos und seinem Schicksal ausgeliefert. Gefühle die ihm vor nicht allzu langer Zeit unbekannt waren. Bis vor etwas mehr als einem Jahr, war er es allein gewesen, der sein Schicksal bestimmt hatte. Am nächsten Tag beendete er die Arbeiten im Wald. Er hatte am Vortag so viel gearbeitet, dass er bereits gegen Mittag fertig war und da kein Besuch von unliebsamen Leuten angekündigt war, kehrte er zurück. Die Pferdeställe müssten wieder gesäubert werden und vielleicht hatte Alexander noch Zeit mit ihm zu üben, überlegte er auf dem Rückweg. Wenn nicht, könnte er mit Hera noch ein wenig ausreiten. Doch als er auf das Gut kam, sah er einen besorgten Zug um Alexanders Mundwinkel, der gerade Wasser holte. Draco stieg ab und führte Hera zum Stall. Er passierte Alexander und sah ihn einen Moment an, darauf wartend, dass er ihm erzählt, was geschehen sei. So wie er es sonst immer tat. Er erwartete, dass Barrington sich noch einmal gezeigt hatte. „Susan geht es heute wieder schlechter.“, sagte er sattdessen. Draco konnte verstehen, dass er sich sorgte, doch war es auch nichts Ungewöhnliches. In den letzten Wochen hatte es immer Schwankungen gegeben. „Sie hat sich hingelegt und schläft. Sei also leiser, wenn du ins Haus gehst.“ Er nickte kurz, wartete aber noch. „Und Barrington war wieder da!“, stieß Alexander aus und dieses Mal war die Wut nicht zu überhören. Also wusste er es doch, dachte er still. „Er will, dass ich mit ihm in drei Tagen zu Jagd gehe und ich kann nicht mal ablehnen!“, sagte Alexander weiter laut. „Warum nicht?“ „Weil...“, Alexander atmete einmal tief durch, als wolle er sich erst beruhigen, bevor er ihm antwortete. „Ich habe es versucht. Ich habe ihm gesagt, dass ich meine Frau gerade jetzt nicht mehr gern allein lasse. Er hat zwar zustimmend genickt, dann aber gefragt, was ich mache, wenn ich meine Schwester besuche oder in der Stadt bin.“ „Ich bin dann da.“, kam Draco ihm zuvor und ihm war klar, wie der Rest des Gespräches verlaufen war. „Ja! Also sagte er, dass dem nichts mehr im Wege steht, da du ja auf sie achten wirst. Als ich sagte, dass das nicht so einfach ist, fragte er mit einem seltsamen Ton in der Stimme, ob es irgendein Problem mit dir gäbe. Was blieb mir anderes übrig, als ihm zu sagen, dass ich liebend gern mit ihm mitkomme?“ Die letzten Worte hatte er so betont, als hätte er sie ausgespuckt. „Mir fällt nichts ein, wie ich das ganze doch noch umgehen könnte!“ „Es macht mir nichts aus, nach ihr zu sehen.“, antwortete Draco schlicht und meinte es auch so. Es war nicht so, dass er ständig an ihrem Bett sitzen musste. „Ich weiß, aber ich will einfach nicht nach seiner Pfeife tanzen, verstehst du das denn nicht?!“ Draco sparte sich eine Antwort darauf. Natürlich verstand er das. „Ach...“, stöhnte Alexander dann. „Es bringt ja doch nichts sich darüber aufzuregen. Er will bereits in drei Tagen nach Tagesanbruch da sein, sieh also zu, dass du an dem Tag länger in deinem Zimmer bist oder eher bei den Pferden, ist mir egal. Er soll dich bloß nicht zu Gesicht bekommen.“ Mit diesen Worten nahm Alexander den Wassereimer und trug ihn ins Haus. Draco blickte ihm noch einen Moment hinterher. Er beneidete Alexander nicht im Geringsten, dachte er, als er seinen Arbeiten nachging. Er musste sich diesen Menschen beugen, ob er wollte oder nicht und wenn er es wagte sich ihm zu wiedersetzen, musste er mit einer hohen Strafe rechnen. Draco wusste, dass Alexander sich davon nicht abschrecken lassen würde, aber Susan hindert ihn. Für sie steckte er zurück. Draco wusste nicht, ob er genauso handeln könnte. Die Tage vergingen schnell und es gab genug zu tun. Das Holz, welches er geschlagen hatte, musste auf den Hof gebracht werden, um die Wintervorräte wieder aufzufüllen. Der nächste Winter... Draco konnte sich ihn nicht so recht vorstellen. Selbst der Herbst schien noch unendlich weit weg. Er konnte nicht sagen, ob der im nächsten Winter noch immer bei Alexander sein würde. Er wollte auch gar nicht weiter darüber nachdenken. Es führte ihn nirgendwohin. Das hatte er schon zu oft feststellen müssen. Der Morgen des dritten Tages brach ruhig an. Da Draco in der Nacht zu vor noch lange auf gewesen war, um in diesem merkwürdigen Buch zu lesen, welches Alexander ihm vor langer Zeit schon gegeben hatte – es ging dabei um einen sogenannten Gott, der die ganze Welt erschaffen haben soll, die Menschen wurden lächerlich alt und dann wollte Gott die Menschen durch eine Sintflut wieder vernichten – schlief er länger als gewöhnlich und erwachte erst dann, als er von draußen Pferdehufen hören konnte. Angespannt blieb er im Bett liegen. Vielleicht war es doch nicht so schlecht gewesen, dass er noch so lange in dem Buch gelesen hatte. Alexander hatte ihm ja gesagt, er sollte länger in seinem Zimmer bleiben. Es klopfte an der Tür und gleich darauf hörte er Schritte auf den Dielen des Holzfußbodens. Er erkannte sie als Alexanders, der nun die Tür öffnete. Leise setzte Draco sich auf und ging zur Tür. Er brauchte nur davor zu stehen und verstand jedes gesprochene Wort. Zuerst erkundigte sich John Barrington nach Susan und tat sein Mitgefühl kund, wie schlecht es ihr doch ginge, glücklicherweise konnte er das von seiner Frau nicht sagen. Diese Worte ließen Draco aufhorchen und er konnte nicht anders als Erleichterung zu verspüren. Er hatte es vermieden Alexander nach Annie zu fragen, doch es beruhigte ihn nun, es zu hören. Auch, wenn es von demjenigen kam, der sie ihm genommen hatte. Doch dann fragte er nach Drake, mit der Begründung, dass der Wald ja tadellos aussehe. Sofort versteifte sich sein Körper und er hörte noch konzentrierter zu. Alexander zögerte nicht mit einer Antwort. „Er ist bereits im Stall und hat mein Pferd gesattelt. Des Weiteren habe ich ihnen ja schon gesagt, dass er äußerst Menschenscheu ist und sich deswegen eher im Hintergrund hält.“, hörte ihn Draco deutlich sagen. Darauf musste Barrington wohl nichts erwidern, dann Draco hörte ihn nicht antworten. Aber obwohl er nicht dabei stand, hatte er dennoch das Gefühl, dass etwas Unausgesprochenes in der Luft lag. Dann hörte er die Tür schließen und es kehrte Stille im Haus ein. Er konnte die Stimmen von Barrington und Alexander nur noch gedämpfte hören. Es ging mal wieder um Hera. Es wurde noch kein Hengst für sie gefunden. Wenig später hörte er die Hufen über die Erde donnern, dann trat Still ein. Sie waren davon geritten. Draco verließ sein Zimmer und stellte sich an das Fenster in der Küche, um nur noch in der Ferne die Reiter sehen zu können. Im Anschluss ging er leise nach oben in das Schlafzimmer. Alexander hatte ihm die Erlaubnis gegeben es zu betreten, um nach Susan zu sehen. Draco stieß die Tür leise auf und blickte in einen Raum, der genauso schlicht, wie die des restlichen Hauses waren. Das Bett, welches in der Mitte stand, war größer als sein eigenes und Susan schlief ruhig darin. Neben dem Bett standen auf beiden Seiten kleine Nachtschränkchen und auf Alexanders Seite eine Kerze darauf. Das Fenster ließ ihn auf den Wald blicken in den Alexander geritten war. Zwei große Truhen standen noch in der Ecke und Draco glaubte zu ahnen, dass sie das gleiche enthielten wie Annies einst. Susan schien noch fest zu schlafen. Rasch verließ er das Zimmer wieder. Er erledigte seine Pflichten und schaute ab und an nach Susan, die den ganzen Morgen im Bett verbrachte und schlief. Bevor Alexander Wüstensand gesattelt hatte, hatte er das Mittagessen aufgesetzt, welches Draco dann nur noch auf Teller verteilen musste. Erst zu dieser Zeit, wagte er es Susan zu wecken. Sie aßen schweigend, jeder in seine eigenen Gedanken versunken und Draco sah Susan an, dass es ihr schwer fiel überhaupt etwas zu sich zu nehmen. „Wann er wohl zurück kommt?“, fragte sie auf einmal in die Stille und Draco zuckte nur mit den Schultern. Es war erst Mittag und er wusste nicht, wie lange so eine Jagd dauern konnte, aber offenbar waren sie noch nicht erfolgreich gewesen. Kein Wunder, dachte er. Nur mit einem Pferd und ein paar Pfeilen würde er auch nichts jagen können. „Du hast dich sicher gelangweilt, das tut mir Leid.“, entschuldige sich Susan auf einmal. Draco schüttelte kurz den Kopf. Langweilig war ihm nicht, auch wenn er sich wünschte, Hera einfach nehmen zu können und mit ihr auszureiten. „Wie findest du Cornelia, als Namen für das Kind?“, fragte sie ihn plötzlich und Draco verschluckte sich dabei an seinem Essen und musste laut husten. Erst als er sich einigermaßen wieder beruhig hatte, sah er sie fragend an. „Entschuldige, wenn ich dich damit überrascht habe.“, lächelte Susan. „Es ist nur so, dass ich mich irgendwie ablenken muss, um nicht ständig darüber nachzudenken, was geschehen könnte oder nicht und da beschäftige ich mich sehr gern mit dem Namen, den mein Kind einmal haben soll, kannst du das verstehen?“ Draco nickte kurz, obwohl es gelogen war. Er konnte sie überhaupt nicht verstehen und schon gar nicht wollte er sich darüber Gedanken machen. Deswegen sagte er: „Solltest du das nicht mit Alexander besprechen?“ Bei Susan antwortete er irgendwie bereitwilliger, fiel ihm auf. Mit ihr redete er hin und wieder sogar recht gern. Sie war ehrlich und einfach. Sie sagte, was sie dachte und vermochte es auf ihren Mann einzuwirken, ohne dass dieser es allerdings merkte, hatte Draco beobachtet. Das faszinierte ihn und er fragte sich ein ums andere Mal, wie sie es wohl bewerkstelligte. Außerdem drängte sie ihn nie zu Antworten. „Ja, schon. Aber er hält es für ein schlechtes Zeichen jetzt schon darüber nachzudenken, wenn das Kind noch nicht einmal geboren ist. Allerdings, wenn ich erst darüber nachdenke, wenn es da ist, ist es doch zu spät oder nicht?“, fragte sie ihn immer noch lächelnd. Wieder konnte er nur mit den Schultern zucken. Noch nie hatte er darüber nachgedacht, welche Namen die Menschen ihren Kindern gaben oder wann. Er selbst hatte seinen von Annie erhalten und die Bedeutung seines Namens war klar. Aber bei einem menschlichen Kind? „Also wie findest du Cornelia?“, fragte sie noch einmal. Draco atmete hörbar aus. Offenbar würde er um dieses Gespräch nicht herum kommen. „Bedeutet es etwas?“, fragte er deswegen. „Ich glaube es war ‚Die gerecht Zornige‘.“ Draco sah sie skeptisch an und sein Blick muss wohl sehr deutlich gewesen sein, dann Susan machte gleich darauf eine wegwerfende Handbewegung und sagte: „Du hast recht, kein passender Name für ein kleines Mädchen.“ „Wird es denn ein Mädchen?“ Bei ihnen, den Monddrachen, wusste man nie, was geboren werden würde, aber vielleicht war das bei den Menschen anders? „Ich weiß es nicht.“, wiedersprach Susan seinen Überlegungen. „Aber ich hätte gerne eines.“ „Warum?“ „Ich möchte es hübsch anziehen und sie könnte mir dann bei der Arbeit im Haus helfen. Wenn sie älter wäre, hätte ich jemanden mit dem ich abends vor dem Kamin sitzen und plaudern könnte. Nebenbei Sticken wir etwas oder Stricken im Herbst Pullover und machen es uns mit einer Tasse Tee gemütlich. Mit einem Jungen ginge das nicht.“, sagte sie mit Bedauern in der Stimme. „Obwohl dann natürlich Alexander eine fleißige Hilfe hätte. Ach, Hauptsache es wird gesund oder? Wieder sah er sie fragend an. Er konnte ihren Gedanken nicht richtig folgen. „Noch andere Vorschläge?“, fragte er beinah hilflos. „Oh, Helena finde ich sehr schön. Es heißt ‚Die Leuchtende‘ oder ‚Die Strahlende.“ Draco nicke kurz und hoffte, dass sie sich damit zufrieden gab. Er konnte zu dem Thema nichts sagen. Susan schenkte ihm ein Lächeln. „Dann ist es beschlossen. Wird es ein Mädchen, wird es Helena heißen.“ „Solltest du nicht erst Alexander fragen, statt mich?“, sagte Draco dann doch noch mit Unbehagen. Die Vorstellung, dass er Einfluss auf den Namen von Alexanders Kind gehabt hatte, gefiel ihm nicht sehr. „Ja, natürlich mache ich das.“, antwortete sie leichthin und Draco hegte Zweifel, ob sie wirklich immer ehrlich war. „Wie war das bei dir? Wie kamen deine Eltern auf deinen Namen? Draco ist doch wirklich sehr außergewöhnlich.“, wollte sie weiter wissen und in ihren Augen sah er, dass sie es ernst meinte. Draco stellte seinen Tonbecher, aus dem er gerade noch einen Schluck nehmen wollte, beiseite. War sie denn immer noch nicht fertig? Sie stellte zu viele Fragen. Fragen, die er ihr nicht beantworten konnte. „Ich weiß es nicht.“, antwortete er schlicht. Diese Antwort schien ihm an unverfänglichsten zu sein. Falsche Antwort, dachte er sofort im nächsten Augenblick, als er ihren Gesichtsausdruck sah. Denn er wechselte von verwirrt zu mitleidig. „Kanntest du deine Eltern nicht?“ Draco biss sich auf die Innenseite seiner Wange und dachte an seine Eltern, wenn man ihnen diesen Namen geben wollte. Natürlich kannte er sie, die Wesen, die ihn versorgt haben, als er geboren wurde. Doch nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, sie als Eltern zu bezeichnen oder sie als solche zu sehen. Bei ihnen gab es solch einen Begriff nicht. „Nein.“ Das sollte es beenden und wie um es zu unterstreichen, schob er seinen halbleeren Teller von sich und stand auf. Ohne sie noch einmal anzusehen, ging er zur Tür und öffnete diese. „Warte.“ Ihre Stimme ließ ihn inne halten. „Es tut mir Leid, wenn ich dich etwas gefragt habe, das mir nicht zusteht.“, entschuldigte sie sich höflich bei ihm. Verwirrte sah er sie an. So etwas hatte Alexander so noch nie getan. Knapp nickte er, dann ging er nach draußen. Dort atmete er tief durch. Er wurde immer unvorsichtiger. Zu sehr hatte er sich seinem menschlichen Leben hingegeben. Wenn Barrington ihn wirklich erkennen sollte und das noch bevor er selbst bereit dazu war, würde es seine eigene Schuld sein. Alexander kam erst am Nachmittag zurück und seine Laune war nicht gut. Offensichtlich fand John Barrington in Alexander eine interessante Gesellschaft. So nannte er es zumindest und hatte ihn auch noch für die nächsten zwei Male zur Jagd gebeten. Wieder hatte Alexander nicht nein sagen können. Ein Blick in sein Gesicht genügte Draco aber, um zu ahnen, warum Alexander wirklich so schlechte Laune hatte. Barrington handelte nicht aus reiner Freundlichkeit. Er bezweckte etwas damit, nur was, war Draco nicht ganz klar. Das sollte sich allerdings ändern, als Annies Bruder nach der dritten Jagd nach Hause kam und wirklich wütend war. Er betrat die Küche und knallte die Tür so sehr hinter sich zu, dass Susan erschrocken zusammen zuckte. Draco trat verwundert aus seinem Zimmer, in dem er sich gerade umgezogen hatte. „Was ist denn los?“, fragte Susan ihren Mann und blickte ihn ein wenig ängstlich an. „Dieser verdammte...“, stieß Alexander aus und schritt ihm Zimmer auf und ab, als wäre er nicht ganz sicher, was er als nächstes tun wollte. „Alexander, beruhigt dich bitte.“, versuchte es Susan mit sanften Ton. „Setzt dich hin und erzähle uns was geschehen ist. Ich werde dir einen Tee kochen.“ „Ich will mich aber nicht setzen und ich will auch keinen Tee!“, fuhr er seine Frau an. Augenblicklich wurde seine Gesichtsausdruck sanfter. „Tut mir leid.“, murmelte er. „Schon gut.“, antwortete Susan schlicht. Draco stand an der Tür zu seinem Raum und beobachtet, das Ganze. Immer wieder hatte Alexander ihm kurze Blicke zugeworfen. Etwas war geschehen, was mit ihm zusammenhing. Hatte Barrington sein wahres Wese erraten? Alexander setzt sich schließlich doch und Susan brachte ihm einen starken Beruhigungstee. „Barrington will, dass ich noch einmal mit ihm gehe. Er sagt seine Späher haben einen riesigen Eber in den Wäldern entdeckt und er will eine Treibjagd daraus machen.“ Er musste wohl den kurzen Moment der Verwirrung in seinem Gesicht gesehen habe, denn Alexander erklärte anschließend kurz: „Eine Treibjagd wird von einer auserlesenen Gesellschaft des Adels veranstaltet. Dabei geht es einzig darum ein Tier aufzuspüren und es zu töten. Der Spaß besteht darin, es so lange wie möglich hinauszuzögern. Vielleicht sogar, bis das Tier von selbst tot umfällt.“ Draco bewegte sich unruhig und trat von einem Bein auf das andere. Er konnte nicht verhindern, dass ihm ein Schauer über den Rücken fuhr und sich die Härchen an seinem Arm aufstellten. Ja, so eine Jagd war ihm bekannt. Er hatte sie schon einmal erlebt. Die Bilder waren ihm lebendig vor Augen, die Schreie der Menschen, ihre Waffen und die Schmerzen die sie ihm verursacht hatten. Er war das Tier gewesen, was sie in die Enge hatten treiben wollen, bis es tot umgefallen wäre. „Aber das ist doch eine große Ehre für dich.“, sagte Susan und man konnte hören, dass sie das Verhalten ihres Mannes nicht nachvollziehen konnte. „Ja...“, stimmte Alexander zu, aber es schien nicht ehrlich gemeint zu sein. „Es werden viele Adlige dabei sein. Alles Leute, die ich nicht kenne oder nicht besonders leiden kann. Und es wird lange dauern. Wer weiß, wann wir das Vieh finden und wann es uns gelingt es zu erledigen. Außerdem will Barrington auch erst gegen Mittag beginnen! Es wird längst dunkel sein, wenn wir den Eber finden und wer weiß, wie lange es dauern wird, ehe wir ihn erlegen können. Es gefällt mir nicht, dich so lange allein zu lassen.“ Susan lachte leicht. „Aber du weißt doch, dass ich nicht allein bin. Draco wird bei mir sein und gestern und heute ging es mir so gut wie lange nicht mehr. Vielleicht pendelt sich die Schwangerschaft jetzt ein und beruhigt sich.“ Alexander schüttelte den Kopf. „Nein, eben nicht. Draco wird nicht da sein. John Barrington will dass er mitkommt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)