Drachenkind von maidlin ================================================================================ Kapitel 10: Ich liebe dich -------------------------- Er starrte nach unten, auf die klare Wasseroberfläche des Sees und blickte sich an. Sein Herz raste. Er atmete viel zu schnell. Sein Körper bebte. Mit zitternden Händen berührte er sein Gesicht und sah sich selbst dabei im Spiegelbild des Wassers. Seine Augen waren weit aufgerissen vor Entsetzen und Schrecken über das, was ihn anblickte – über den, der ihn anblickte. Da war Angst und Grauen – über sich selbst. Denn das, was er im Wasser sah, war nicht das, was er bisher gesehen hatte. Es war nicht die Gestalt eines Drachens, die ihm entgegen blickte. Es war die eines Menschen. Er krümmte sich. Ihm wurde übel. Ruckartig drehte er seinen Körper und erbrach sich. Es schmeckte bitter und ekelhaft und doch nahm es nichts von dem Gefühl, welches ihn beherrschte. Erneut sah er auf die Oberfläche des Wassers, doch das Bild hatte sich nicht verändert. Noch immer sah er nur einen Menschen. Was war geschehen? Wie hatte das passieren können? Was hatte er getan? War dies die Strafe, für die Sünde, die er begangen hatte? Die Strafe für das, was er niemals hätte haben sollen und doch so sehr begehrt hatte in der letzten Nacht? Die Erinnerung an das Geschehen war ihm so lebendig, wie keine andere. Noch immer konnte er ihre samtig weiche, warme Haut unter seinen Fingern, ihre Küsse auf seinen Lippen, ihre Berührungen seines Körpers spüren. Allein bei diesen wenigen, kurzen Erinnerungen, begann sein Körper von neuem zu prickeln. Wie sehr er sie doch gewollt hatte! Wie sehr er sie doch noch immer wollte! Aber niemals wollte er das! Er wollte niemals so... menschlich werden, hatte sich all die Monate dagegen gewehrt. Er war zu schwach gewesen. In einer einzigen Nacht, hatte er sich für immer verloren. Wegen eines Menschen! Wegen eines einfachen Menschen! Wegen eines Menschen ohne dem er nicht mehr sein konnte! Es war nicht mehr nur sein Körper der sich verändert hatte, sondern auch sein Herz. Er war ein Mensch. Sie zwang sich beinah dazu ihre Augen geschlossen zu halten. Sie wollte den Moment zwischen Schlaf und Erwachen noch ein wenig länger festhalten. Sie wollte sich weiter ihren Träumen hingeben. Es gab nur eines von dem sie Träume – der letzten Nacht. Auch Annie spürte noch immer seine Berührungen auf ihrer Haut, wie er sie sanft gestreichelt und geküsst hatte. Ihr war als hätten seine Küsse von einem unstillbaren Verlangen gesprochen, welches sie selbst genauso stark empfunden hatte. Aber dass, was sie getan hatten... Es war so viel mehr, als sie je beschreiben könnte, als sie jemals für möglich gehalten hatte zu empfinden. Sie hatte sich so leicht gefühlt, vollkommen losgelöst von allem Irdischem. Ihre Wangen begannen von neuem zu glühen. Nein, sie wollte noch nicht aufwachen. Denn, wenn sie es tat, würde sie sich ihm stellen müssen. Etwas, wofür sie sich nicht bereit fühlte. Sie war sicher einem hasserfüllten Blick zu begegnen. Vielleicht war er auch verstört. Aber es würde ein Blick sein, den sie nicht ertragen könnte. Doch sie konnte sich nicht länger gegen das Aufwachen wehren. Nur sehr wiederwillig öffnete sie die Augen und drehte sich dann noch einmal um. Sie wollte ihn noch nicht sehen. Sie hielt kurz inne. Irrte sie sich oder... Annie hob den Kopf und hatte sich tatsächlich nicht geirrt. Draco war nicht mehr da. Sie setzte sich auf und zog die Decke noch ein Stück weiter nach oben, um ihren nackten Körper zu bedecken. Das Herz schlug ihr schneller. Wo war er? Hatte er sie... hatte er sie etwa verlassen? War er für immer gegangen oder war vielleicht er nur in den Wald verschwunden, wie er es öfters allein tat? Was hatte sie nur getan? Es hätte es nicht geschehen dürfen! Wenn er jetzt gegangen war und allein irgendwo in der fremden Welt der Menschen umherirrte, wenn ihm irgendetwas passierte, dann war das nur ihr verschulden! Abermals hielt Annie inne. Nein, er würde niemals diesen Wald verlassen und zu den Menschen gehen. Es war nicht so sehr der Gedanke, dass er Angst davor haben würde, der sie der Sache sehr sicher machte, sondern vielmehr, dass er sich niemals freiwillig unter die Menschen begeben würde. Auch wenn sie letzte Nacht.. Auch wenn er mit ihr... Sie wagte es nicht einmal diesen Gedanken zu Ende zu denken, so kostbar war ihr dieser Moment. Egal, was zwischen ihnen geschehen war, sein Stolz würde ungebrochen sein. Trotzdem machte sie sich daran aufzustehen. Sie wollte nach ihm suchen. Annie wusste, dass sie ihm früher oder später wieder gegenübertreten musste. Wenigstens so lange, bis er wieder das sein würde, was er war. Ihr Herz zog sich in schmerzlich zusammen. Nach dieser Nacht würde sie es noch weniger ertragen können, ihn wieder gehen zu lassen. Aber sie hatte es ja gewusst, sagte sie sich. Sie hatte gewusst, worauf sie sich einließ und welche Schmerzen sie sich selbst zufügen würde, wenn sie es täte. Aber es war ein bittersüßer Schmerz und auch wenn sie kein ewiges Gedächtnis oder Erinnerung besaß, so würde sie keine Sekunde dieser Nacht jemals vergessen können. Niemals... Gerade als sie sich bereits zur Hälfte erhoben hatte, erschien Draco in der Tür. Sie war so erleichtert darüber, dass er zu ihr zurückgekommen war, dass sie sich wieder auf den Boden sinken ließ. Doch gleich in der nächsten Sekunde erschrak sie über seinen Gesichtsausdruck, den sie dann bemerkte. Er war so viel anders, als sie erwartet hatte. Sein Gesicht war ganz bleich und sie war sicher Schmerz und Trauer darin zu sehen. Etwas was sie sich nicht erklären konnte. „Draco, was ist pa-“ Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, war er bereits bei ihr. Er drückte sie so schnell auf den Boden, dass sie vor Überraschung einen kleinen Schreckensschrei ausstieß. Noch erschrockener war sie aber, als er begann beinah fieberhaft ihren Hals zu küssen. Die Decke mit der sie gerade noch ihren Körper bedeckt hatte, riss er beiseite und begann sie von neuem zu streicheln. „Wa-Wa-Wa...“, stammelte sie. Einen flüchtigen Augenblick sah er sie an und Annie verschlug es den Atem. Da war etwas in seinen Augen, was sie noch nie gesehen hatte, etwas unbekanntes und beängstigendes. Er küsste ihre Lippen hart und heftig und ließ ihr keine Möglichkeit weiter zu sprechen oder sich gar gegen ihn zu wehren. Sie wusste nicht, was geschehen war und sie begriff nicht, warum er sich so verhielt. Annie glaubte in seinen Küssen Verzweiflung zu schmecken. Eine tiefe, nicht enden wollende Verzweiflung. Sie konnte es in seinen Berührungen und Küssen spüren und an der Angespanntheit, die seinen Körper zu beherrschen schien. Was war nur geschehen? Was war nur in ihn gefahren? Sie wusste es nicht. Sie war sogar überzeugt, dass sie wohl niemals eine Antwort auf all diese Fragen erhalten würde. Aber sie wollte bei ihm sein, ihm zeigen, dass sie da war. Er braucht sie jetzt genauso, wie vor zwei Tagen. Nur die Gründe waren ganz andere, dass konnte sie spüren. Sie wollte ihm etwas von dem Schmerz nehmen, der ihn offenbar quälte. Sie legte die Arme um seinen Nacken und erwiderte den Kuss sanft und zärtlich. Unter dem Kuss merkte sie, wie er sich langsam beruhigte, sich sein Körper entspannte, seine Atmung ruhiger wurde und die anscheinende Verzweiflung verschwand. Es war ein intensiver Kuss, wunderschön und genauso kostbar, wie all die anderen. Auch ohne, dass es ausgesprochen worden war, hatte sich in dieser einen Nacht so viel zwischen ihnen verändert. Sie waren nicht mehr einfach nur zwei Menschen, die zusammenlebten, weil es die momentanen Umstände nun mal erforderten. Ihre Beziehung zueinander war anders geworden, doch was genau es war, vermochte Annie nicht zu sagen. Vielleicht war nun alles auch einfach nur noch komplizierter. Doch diese Gedanken verflüchtigten sich unter seinen Berührungen schnell. Er liebkoste ihre Haut mit seinen Fingern, seine Lippen und seiner Zunge und war dieses Mal nicht mehr zurückhaltend. Abermals begann sie unter seinen sanften und weichen Händen vor Erregung zu erbeben und sie wusste, dass es nur eines gab, was sie davon erlösen konnte. Es war egal, sagte Draco sich. Es war vollkommen egal, was er war oder wer. So lange, wie er nur sie hatte, konnte er es ertragen, sich selbst betrogen und verraten zu haben. Sie war sein, für immer, alles andere war egal. Als sie die Augen das nächste Mal öffnete, wusste sie, dass sie wohl noch einmal eingeschlafen sein musste. Viel zu lange hatte sie schon geschlafen und doch zog sie die Beine noch etwas mehr an und kuschelte sich in ihre Decke. Auch wenn die Sonne sie außerhalb der Hütte mit ihren warmen Strahlen lockte und der Gesang der Vögel so laut war, dass an weiteren Schlaf nicht mehr zu denken war, wollte sie sich nicht erheben. Denn die Bedenken, welche sie bereits vor ein paar Stunden - oder waren es doch nur Minuten? – gehabt hatte, war noch immer präsent. Dieses Mal spürte sie die Wärme seines Körpers noch neben sich und wusste, dass er sie nicht gleich wieder verlassen hatte. Warum hatte er es noch einmal getan? Kam dieser seltsame Gesichtsausdruck, den sie vorher bei ihm gesehen hatte, nicht von ihrer ersten... Vereinigung? War er nicht deshalb so unglücklich gewesen? Warum hatte er sie dann von neuem geliebt? Annie drehte den Kopf leicht und sah ihn an. Seine Augen waren geöffnet und er starrte nach oben. Eine Weile sah sie ihn wortlos an, hoffte auf eine erste Reaktion von ihm, doch mit jeder Minute, die schweigend verstrich, wurde sie immer unruhiger. Wusste er nicht, dass auch sie bereits wach war? Nein, überlegte sie. Das war ausgeschlossen. Er hatte bestimmt bereits gemerkt, dass sie nicht mehr schlief und dass sie ihn schon eine Zeit lang ansah. „Ich wusste, dass du mich hassen würdest.“, wisperte sie und die ersten Tränen standen ihr in den Augen. Hätten sie es doch nur nicht getan! Dieses Schweigen war schlimmer, als es jedes scharfe Wort von ihm sein konnte. Wenn sie nur geahnt hätte, dass dies ihre Strafe war, hätte sie seiner Bitte, seinem Wunsch nie nachgegeben. Sie hätte sich niemals von seinen Worten verführen, niemals von ihren Wünschen ihrer Herzen leiten lassen. Draco sah sie an, ausdruckslos und mit einem Blick, den sie nicht kannte. Irgendwie erschienen ihr seine Augen merkwürdig leer. Ohne zu sprechen, fasste er ihr Handgelenk und zog sie an seinen Oberkörper. Starr vor Verwunderung lag sie auf seiner Brust und wurde sich der Situation erst richtig gewahr, als sie spürte, wie er mit seinen Fingerkuppen sacht über ihren nackten Rücken strich. Wiederholt durchliefen sie Schauer. Annie verstand nicht, was das sollte, was er ihr mit diesem Verhalten sagen wollte, aber sie konnte auch nicht sprechen. Auch wenn es nur eine wunderbare Illusion war, so wollte sie zu gern an dieser festhalten und den Augenblick nicht durch ein Wort zerstören. Selbst, wenn sie wusste, wie dumm und naiv das doch von ihr war. Das würde noch früh genug geschehen. Also lauschte sie seinen Atemzügen und spürte seinen Herzschlag unter ihrem Körper. Er mochte es, wenn sie ihm so nah war, wenn sich ihre Haut berührte und er sie so mehr spüren konnte, als auf jede andere Weise. Langsam fuhren seine Finger ihren Rücken entlang. Draco bemerkte das leichte Erzittern ihres Körpers unter dieser Geste. Die Reaktionen, die er bei ihr auslöste, wenn er sie so berührte, beruhigten ihn auf seltsame Weise und ließen ihn viele andere Dinge vergessen. „Es tut mir leid. Ich hätte nicht... Wir hätten nicht...“, hörte er sie schließlich leise sagen. „Die ganze Zeit,...“, begann er, „... war da etwas in mir, ein... ein Verlangen, dass ich nicht... es war egal, was ich tat, aber es reichte nie, um es zum Schweigen zu bringen. … Es war wie ein Tier, welches niemals genug hatte, sondern immer mehr wollte. Aber jetzt... jetzt, weiß ich, wie ich es beherrschen kann, wie ich es erfüllen kann.“ Annie sah ihn mit großen Augen an. Seine Worte klangen gerade so, als hätte er sie ebenso sehr gewollt, wie sie ihn und das schon seit langem. Aber das... Es klang so unwirklich. Warum sollte er ausgerechnet sie... Trotzdem röten sich ihre Wangen leicht. Aber war es denn überhaupt wichtig, dass er möglicherweise so empfunden hatte? Es bedeutete nichts für ihre Zukunft. Sie hatten keine Zukunft. Er würde nicht bleiben. Annie senkte den Kopf so weit sie konnte und schmiegte sich doch noch ein wenig mehr an ihn. Sie wollte seine Nähe genießen, so lange es ihr möglich war und er es ihr gestattete. „Nein, ich hätte es nicht tun dürfen. Jetzt werde ich dich noch weniger gehen lassen wollen.“ „Ich weiß nicht, ob ich das noch kann.“, flüsterte und seine Stimme klang gebrochen. Abermals sah sie an, dieses Mal mit einem irritierten Ausdruck auf dem Gesicht. „Was meinst du damit?“, fragte sie mit trockener Stimme und erinnerte sie sich auch an die Frage, die sie hatte vorher stellen wollen. „Was war vorhin passiert?“ „Dieses Herz... Mein Herz... ist zu menschlich geworden. Ich habe gelernt Dinge zu empfinden, die mir vorher unmöglich waren, die ich eigentlich nie empfinden wollte. Mein Herz... ist nun das eines Menschen.“, seine Stimme zitterte und Annie glaube Angst daraus zu hören. Gefühle die ihr allein verschuldet waren. „Aber, dass... Du... Ich bin sicher, es gibt einen Weg... Du wirst ganz sicher wieder zu einem Drachen werden!“, versuchte sie ihm Hoffnung zu machen. Gleichzeitig wurde ihr aber klar, dass sie sich eben dies nicht wünschte. Sie wollte, dass er bei ihr blieb. Als sie das erkannte, konnte sie ihm nicht einmal mehr in die Augen sehen. Sie schämte sich und hasste sich selbst für diese Gedanken. Warum nur war sie so egoistisch? „Das Herz der Menschen ist so groß… und doch viel zu klein.“, sprach er leise weiter. Annie nickte stumm. „Es tut mir leid. Bitte verzeih mir, verzeih mir.“, sagte sie, den Tränen nahe. Wieder herrschte für einige Minuten schweigen und Annie hatte das Gefühl, dass es dazu nichts mehr zu sagen gab. Doch abermals überraschte er sie mit ihren Worten und dieses Mal glaubte sie, ihr Herz würde vor Freude zerreißen. „Ich will dich, nur dich allein – egal wie. So lange, wie du bei mir bist, will ich es hinnehmen. Wenn das der einzige Weg ist...“ Sie hob den Kopf und mit einer Bewegung seiner Arme zog er sie rasch nach unten und küsste sie. „Du bist mein.“, flüsterte er gegen ihre Lippen, als er von diesen ließ. „Niemand anderes soll dich bekommen. Du gehörst mir allein.“ „Ja.“, sagte sie mit brüchiger Stimme und eine Träne rollte ihre Wange hinab. Abermals küsste er sie. „Ich bin müde.“, sagte er schwach, als sie sich wieder trennten. Dann drehte er den Kopf und schloss die Augen. Behutsam strich Annie ihm über die Stirn und fuhr ihm durch die Haare. Schlief er bereits, fragte sie sich einen Moment. Wann hatte er das letzte Mal geschlafen? War er etwas die ganze Nacht auf gewesen? Waren es diese Gedanken, die ihn wach gehalten hatten? Sie konnte sich vorstellen, wie er wohl die ganze Nacht darüber nachgedacht hatte, dass er versucht hatte zu verstehen und dass es ihn doch nur noch mehr verwirrt hatte. Auch wenn er sagte, dass er als Mensch leben könnte, so würde er es doch nur ihretwegen tun. Annie wusste nicht, ob sie das wirklich wollte. Konnte sie mit dem Wissen leben, dass er sich selbst und alles was er war und ihn ausmachte, ihretwegen aufgab? Konnte sie es ihm wirklich zumuten ein menschliches Leben zu führen, ein Leben was er von Anfang an gehasst hatte und das er nur wegen ihr ertragen wollte? Konnte sie das wirklich annehmen? Aber war es nicht jetzt schon zu spät? Hatte er nicht gesagt, dass er bereits zu menschlich war, dass sein Herz sich verändert hatte? Auch daran trug sie Schuld. Es hatte sich ihretwegen geändert. Sie hätte den Zauber nicht so lang sprechen dürfen. Sie hätte ihn gehen lassen müssen, als er genese war. Sie hätte einen Weg finden müssen, ihn wieder zurück zu verwandeln, als es ihm besser gegangen war. Vielleicht hätte ihr Alexander helfen können. Gemeinsam hätten sie sicher eine Lösung gefunden. Vielleicht könnte er sich doch noch an diesen Körper und an dieses Leben gewöhnen? Vielleicht konnten sie dann ein ganz normales Leben führen, hier in ihrem Wald, in ihrer Hütte, als Mann und Frau zusammen? Sie wären allein und für sich. Draco müsste gar nicht in die Welt der Menschen. Sie könnten für immer hier bleiben. Niemand würde sie stören oder jemals davon erfahren. Alexander würde sie vielleicht ab du an besuchen kommen. Was würde ihr Bruder dazu sagen? Er mochte Draco ohnehin nicht sehr. Aber er würde ihr Entscheidung schon akzeptieren, wenn auch erst einmal wiederwillig. Sie und Draco könnten zusammen glücklich sein. Vielleicht... sie wagte es kaum diesen Gedanken zu Ende zu denken,... vielleicht hätten sie irgendwann eine eigene Familie. Bei dieser Vorstellung wurde ihr ganz warum ums Herz und doch verbot sie es sich ein Bild davon zu machen. Sie war nicht sicher, ob sie seine Worte einfach so glauben konnte und sollte. Leise und vorsichtig erhob sie sich nun. Er schien wirklich zu schlafen, denn er ließ sie ohne weiteres gehen. Annie streifte sich ihr Kleid über, welches irgendwo neben ihrer Schlafstelle lag. Dann machte sie sich einen Korb mit Brot und Marmelade zurecht und schlich sich leise aus der Hütte. Den Korb stellte sie an die Seite der Hütte, gut unter einem Tuch verborgen und sie machte sich als auf zum See. Dort wusch sie als erstes ihr Kleid und legte es zum Trocknen auf einen der großen Steine, die am Ufer lagen. Ein paar Strahlen der Sonne fanden ihren Weg durch das dichte Blätterdach und würden es schon trocknen, bis sie fertig war. Zudem waren die Temperaturen ausordentlich hoch, so dass es gewiss nicht lange dauern würde. Während sie das Kleid wusch, wurde ihr bewusst, dass sich ihr Körper anders anfühlte als zuvor. Auch wenn er sich äußerlich vielleicht nicht verändert hatte, so fühlte sie sich doch anders. Noch immer wart ihr, als könnte sie seine Küsse spüren und fast bedauerte sie es ein wenig, dass sie die Spuren seiner Berührung fortwaschen würde. Zugleich war es doch aber unmöglich sie je zu vergessen. Aber auch wenn sie vorher noch so gedacht hatte, so spürte sie, wie das kalte Nass sie belebte, als sie in den See ging. Ihre Gedanken wurden klaren und schienen nicht mehr ganz so wirr und auch ihr Körper fühlte sich nicht mehr steif und müde an. Nach ihrer Rückkehr setzte sie sich unter die Linde, die direkt neben ihrer Hütte stand und machte sich ein Brot. Sie lehnte sich gegen den alten Baum und schloss die Augen. Ihre Gedanken drifteten schnell wieder zu dem Geschehenem ab, aber sie wehrte sich dagegen weiter darüber nachzudenken. Sie wusste, dass es nichts bringen würde, außer vielleicht Kopfschmerzen, auf die sie gut verzichten konnte. Stattdessen konzentrierte sie sich nur auf die Geräusche um sie herum. Das sachte Rascheln der Blätter an den Bäumen, den Gesang der Vögel, das Summen von Flügelschlägen winziger Insekten und die Rufe der Tiere aus dem Wald. Alles war so friedlich und ihr vertraut. Sie hätte Stunden dieser Musik lauschen können, ohne davon müde zu werden, denn in jedem Augenblick änderte sich etwas in dem Orchester. Eine neue Stimme kam hinzu oder eine andere verschwand. Sie genoss diesen Moment. Wann war es das letzte Mal gewesen, dass sie einfach nur so dasaß und die Natur um sich herum genossen hatte? Sie konnte sich diese Frage nicht einmal beantworten. Es war wohl bevor Draco zu ihr gekommen war. Annie bemerkte nicht, wie Draco erwacht war und ebenfalls vor die Tür getreten war. Eine Zeit lang hatte er sie beobachtet. Ein kleines Lächeln hatte ihre Lippen umspielt und er hatte sich gefragt, an was sie wohl dachte. Nie wäre ihm die Idee gekommen, dass es alles um sie herum gewesen war, das sie so glücklich machte. Als er sie so betrachtete und wiederholt nicht anders konnte, als zu denken, wie schön sie war, wie anmutig ihr Körper, wie betörend ihr Duft und wie süß und zart ihre Küsse, bereute er nicht, was er getan hatte. Wenn all dies für immer sein war, dann wollte er den Preis zahlen. Wenn sie dafür bei ihm bleiben würde, würde er sogar noch mehr geben, wenn es erforderlich wäre. Draco ging zu ihr und hauchte einen leichten Kuss auf ihre Lippen. Sie sah ihn überrascht an, doch ihr Ausdruck änderte sich gleich in ein sanftes Lächeln. „Woran denkst du?“, fragte er sie und setzte sich ebenfalls. Annie schüttelte leicht den Kopf. „An nichts. Ich genieße es nur hier zu sein und den Tieren zu lauschen.“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Möchtest du etwas essen? Du hast sicher Hunger.“ Draco schüttelte kurz mit dem Kopf. Er fühlte sich noch immer nicht wohl. „Warum denkst du an nichts?“ „Wenn ich darüber nachdenken würde, was wir getan haben, kommen mir so viele Gedanken auf einmal, dass es mich ganz verwirrt. Es gibt so vieles, was ich empfinde und jedes Gefühl ist genauso stark, wie das andere. Ich weiß nicht, ob ich es aushalten würde, sie gleichzeitig zu empfinden.“ „Was ist es, was du empfindest?“, fragte er sie weiter und sah sie aus seinen blauen Augen an. Annie überlegte einen Moment, wie sie es ihm am besten erklären konnte. „Ich empfinde Freude, über das Geschehene, unglaubliche Freude, die ich nicht in Worte fassen kann. Besonders deine Worte, dass du bei mir bleiben willst, haben mich so glücklich gemacht. Aber ich empfinde auch Trauer und Zweifel. Ich weiß nicht, ob es richtig war, was wir getan haben. ... Nicht, wenn du dafür etwas bleibst, was du nicht sein möchtest.“ Er hörte ihr aufmerksam zu und doch wunderten ihn ihre Worte. „Ich will, dass du nur mir gehörst und niemanden sonst. Wenn das bedeutet ein Mensch bleiben zu müssen, dann bin ich bereit dazu. Ich will dich niemals einem anderem geben. Und wenn ein Mensch sein bedeutet, dass ich dich so berühren kann, wie letzte Nacht, dann will ich nicht wieder in meine alte Gestalt zurück. Nicht, wenn du nicht bei mir wärest.“ Abermals färbten sich ihre Wangen rot. Seine Worte trafen sie genau in ihr Herz und brachten es zum flattern. „Aber... Kann ich denn ein Mensch bleiben?“, fragte er sie zweifelnd. „Ich weiß es nicht. Du sagst, dein Herz ist jetzt das eines Menschen... Wenn du es selbst willst,... vielleicht. Du selbst bist ein magisches Wesen, du besitzt Magie, vielleicht eine viel stärkere als wir Menschen.“ Ihr seid mit dem Mond verbunden, dachte sie. Eine stärkere Macht, als diese gab es doch nicht oder? „Wir müssen warten.“, sprach sie weiter. „Einfach nur warten.“, wiederholte sie flüsternd. „Bereust du es?“, fragte sie nach ein paar weiteren Sekunden, in denen keiner von ihnen gesprochen hatte. „Nein.“, antwortete er ihr sachlich. „Aber ich habe gesündigt. Ich habe etwas genommen, was ich so sehr begehrte und was ich doch niemals haben sollte.“ Mit fragenden Augen sah sie ihn an. Sein Gesicht war angespannt und sie merkte, dass er seine Worte wirklich so meinte. Möglichweise war es ja das, was ihn so sehr quälte. „Wir haben nicht gesündigt.“, widersprach sie ihm. „Wir haben nichts verbotenes getan. Ich wollte es so. Du es dir nichts genommen, was du nicht hättest haben sollen. Wir haben nichts unrechtes getan.“, redete sie auf ihn ein. „Du wirst nicht bestraft werden.“ Einen Moment trafen seine Augen die ihren und Annie glaubte darin die gleiche Kälte zu sehen, die ihr bisher so vertraut war. „Vielleicht.“, antwortete er nur und sah dann wieder weg. Er hatte seine Worte anders gemeint. Er war ein Drache gewesen und niemals hätte er auch nur den Gedanken haben sollen, einen Menschen zu begehren. Das er sich dem Hingegeben hatte, war eine Sünde. Und dass er es nicht einmal bereute eine noch viel größere. Annie beschlich ein ungutes Gefühl, doch sie wollte selbst nicht an ihren Worten zweifeln. Sie durfte einfach nicht, denn sie waren ja wahr! Sie hatte es ebenso gewollt wie er, wenn nicht sogar noch mehr. Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Sie hatten es getan, weil sie... weil sie sich... Annie stutze. Er hatte gesagt, dass er sie begehrte, aber hieß das auch, dass er sie liebte? Dessen war sie sich noch immer nicht ganz sicher. Irritiert schüttelte sie den Kopf und lehnte sich dann an seine Schulter. Sie schloss die Augen und bei ihren nachfolgenden Worte, schlug ihr das Herz bis in den Hals. „Ich liebe dich, Draco.“, flüsterte sie so leise, dass sie es selbst kaum hörte. Doch er würde sie verstehen. Als keine Reaktion von ihm kam, wurde sie nervös. „Was... Was ist mit dir? Liebst du mich?“ „Ich weiß es nicht.“, antwortete er wieder in einem sachlichen Tonfall. Was ist Liebe?, fragte er sich. Er mochte Annie. Doch was unterschied dieses Gefühl von Liebe? Wie fühlte es sich an, wenn man liebte? Er wusste es nicht. Sie war ihm wichtig, aber war das Liebe? Er wollte sie berühren, immer bei ihr sein und ihre Küsse spüren, doch war das Liebe? Annie sah ihn einen Augenblick an. Das war nicht die Antwort, die sie erhofft hatte, aber sie wollte nicht weiter darüber reden oder nachdenken. Sie hoffte einfach, dass er sie irgendwann doch einmal lieben würde und dass er es ihr dann vielleicht auch sagte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)