Demonic Possession von Kiru ================================================================================ Irresistible Demons. -------------------- Beta'd: JAAA =D jetzt schon von meiner unglaublichen Tattoo Kapitelrating: R ~*~ Es war langsam wieder Zeit, das wusste Mana. Auch, wenn er die Zeichen am liebsten ignoriert, auch, wenn er das Ganze am liebsten vergessen hätte – es war unausweichlich. Er musste es tun, ungeachtet dessen, wie sehr es ihm missfiel. Und das tat es in solchen Ausmaßen, dass er sich wirklich zusammenreißen musste, um das Zeichen zu geben. Er entfernte sich von seinem Gefolge, murmelte einige Worte vor sich hin und schob anschließend langsam, ganz vorsichtig, seine Augenbinde beiseite. ~*~ Daisuke kam als letzter. Das war keine Überraschung, aber es würde die Stimmung nicht wirklich heben, das wusste er. Er schritt die Gänge entlang, betastete vorsichtig seine Frisur und blieb dann vor der großen verzierten Eisentür stehen. Ohne zu Zögern hob er einen Arm und griff nach dem silbernen Türklopfer, um sich bemerkbar zu machen. Es gab ein hässlich knirschendes Geräusch, als er den großen Ring mit Elan abriss. Stirnrunzelnd betrachtete Daisuke das Metall in seiner Hand, sah dann zu dem nun defekten Türklopfer und zuckte anschließend mit den Schultern. Kurzerhand schlug er mit dem abgebrochenen Ring einige Male gegen die Tür, wodurch er etliche unschöne Dellen hinterließ und das Metall dabei ungesund verbog. Die Tür öffnete sich knarrend von selbst, und Daisuke setzte ein Lächeln auf, als er die anderen drei Gestalten erblickte, die bereits an dem runden schwarzen Eisentisch in der Mitte des hohen Raumes saßen. „Dein Anklopfer ist kaputt“, bemerkte er freundlich und hielt das silberne Metallstück hoch. Mana betrachtete ihn einige Momente wortlos. „Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, und das war vor zehn Minuten, war er noch völlig intakt“, bemerkte er trocken. „Tja, er scheint wohl in dieser Zeit von alleine abgefallen sein“, meinte Daisuke schulterzuckend, warf den verformten Ring beiseite und nahm seinen Platz Mana gegenüber, mit dem Rücken zur Tür, ein. Die beiden links und rechts von ihm, Mako und Hakuei, wechselten einen vielsagenden Blick mit hochgezogenen Augenbrauen. „Hast du gerade gegessen?“, wollte Mana das Thema nicht fallen lassen. Daisuke sah an sich herunter. „Warum? Hab ich irgendwo Blut? Im Gesicht? Hat jemand einen Spiegel?“ „Tu das nie wieder, bevor du zu mir kommst. Du weißt, dass du schon einmal ‚aus Versehen’ meine Tür eingetreten hast, nachdem du ein Pferd verdrückt hast“, fuhr Mana ungerührt fort. Daisuke verdrehte die Augen. „Okay, ich hatte grad einen richtig schnuckeligen Verkäufer zum Frühstück, aber du musst damit rechnen, dass ich noch was esse, wenn du mich so früh aus dem Bett holst.“ „Es ist Spätnachmittag.“ „Es war eine lange Nacht!“ „Und genau das meine ich“, seufzte Mana und schaute kurz zu den beiden anderen, die sich offenbar gegenseitig anfeixten. „Darf ich die Sitzung eröffnen? Mana, der Anführer der Dämonen des Nordens, ist anwesend.“ „Daisuke, der Anführer der Dämonen des Südens, ist anwesend blablabla“, leierte Daisuke gelangweilt herunter und fing sich einen strengen Blick von seinem Gegenüber ein. „Mako, der Anführer der Dämonen des Westens, ist anwesend“, meldete sich der Dämon zu Daisukes Linken zu Wort. „Hakuei, der Anführer der Dämonen des Ostens, ist anwesend“, schloss derjenige zu Daisukes Rechten die Runde ab und nickte. Ein weiteres knarrendes Geräusch ertönte, als die massive Eisentür sich langsam zusperrte, anschließend schlossen sich sämtliche Läden vor den hohen und schmalen Fenstern mit einem Knall, ein Grollen ertönte, wie direkt aus dem Erdreich selbst, und für einige Sekunden war es stockduster und völlig still im großen runden Raum. Dann klatschte Mana zweimal in die Hände und oben, fast direkt unter der Decke schwebend, entzündeten sich eine enorme Anzahl von Kerzen, deren Licht nicht – wie normalerweise – nach oben gerichtet war und die wenigen Meter über ihnen erleuchtete, sondern es schien – wie flüssiges Wachs – an den Rändern der strahlend weißen Kerzen hinunterzulaufen und massenhaft und kollektiv zu Boden tropfen, wo es sich sammelte und mal hierhin, mal dorthin schwappte. Insgesamt war es nicht dunkler als zuvor, aber auf eine besondere Art hell – erst einmal war das Licht romantischer, andererseits wurden bizarre Schatten geworfen, kaum merklich, aber oft im Gegensatz zu der Lichtquelle: Da das Licht von überall her zu kommen schien, wussten die Schatten offenbar nicht, wo sie hin sollten, und huschten wirr durcheinander. „Ich LIEBE diese Beleuchtung“, bemerkte Daisuke grinsend, lehnte sich in seinem soliden Stuhl mit der hohen Lehne zurück und legte seine Füße auf den Eisentisch. „Ist doch gleich viel gemütlicher. Außerdem siehst du dann sexy aus, Mana. Was gibt’s?“ „Ich erkläre diese Versammlung aller Anführer der Dämonen hiermit für eröffnet“, beendete Mana das Ritual. „Oh, stimmt, ich hatte glatt vergessen, dass du ja noch was sagen musstest – gilt das jetzt?“, fragte Daisuke in die Runde. „Ich hab das Ritual unterbrochen, sorry. Ich bin heute nicht ganz bei mir.“ „Ich glaube, du warst das gesamte letzte Quartal nicht so ganz bei dir“, bemerkte Mana trocken. „Hey, das ist voll gemein – warum gehst du eigentlich immer zuerst auf mich los?“, beschwerte Daisuke sich und sah hilfesuchend zu den anderen beiden, die dem Gespräch mit Interesse folgten. „Weil du die meiste Scheiße machst“, warf Hakuei freundlich ein und lächelte, wodurch er ziemlich mordlüstern aussah. Er konnte nicht lächeln, ohne zu wirken, als wolle er seinem Gesprächspartner gleich den Kopf abbeißen – Daisuke nannte es im Stillen Haifischgrinsen. „Das stimmt“, nickte Mana. „Aber du solltest auch aufpassen, Hakuei. Du auch, Mako. Nur, weil ihr so tut, als wärt ihr nicht da und als würde euch das hier alles nichts angehen, werde ich euch nicht so leicht davon kommen lassen. Das zieht nicht mehr bei mir.“ „Schade“, meinte Hakuei schulterzuckend. „Aber einen Versuch war’s doch wert.“ Mana bedachte ihn mit einem finsteren Blick und wandte sich erneut an sein Gegenüber, das dazu übergegangen war, seine Fingernägel zu begutachten. „Hör zu, Daisuke. So kann es nicht weitergehen. Du bedienst dich ohne nachzudenken an den Menschen – wir haben ein Abkommen.“ „Wenn ich dich daran erinnern darf, in diesem Abkommen heißt es ‚nicht mehr als nötig’ Menschen fressen, aber sie sind alle nötig, weißt du. Ich muss so viele an meine Leute verteilen.“ „Ach ja? Und aus welchem Grund?“ Daisuke zuckte die Schultern. „Weil sie sonst ungemütlich werden. Sie wollen Menschenfleisch, und wenn sie das nicht kriegen, flippen sie aus und vögeln ein paar Prominente oder so was.“ „Ist ja nicht so, als würdest du das nicht rein zum Spaß tun“, meldete Hakuei sich wieder zu Wort und lächelte blutrünstig. „Hey, das ist aber wenigstens freiwillig!“, widersprach Daisuke ihm vehement. „Ich verführe sie, das ist was anderes.“ „Natürlich doch.“ „Soll ich’s dir vormachen? Komm her, dann zeig ich’s dir, und du sagst hinterher, ob es sich so sehr gezwungen angefühlt hat, hm? So eine halbe Portion wie dich vernasch ich doch zum Frühstück und zusammen mit ein paar Minderjährigen“, schnurrte Daisuke zu seinem rechten Nachbarn. „Na komm doch, los.“ „Daisuke“, sagte Mana in einem Noch-ein-Wort-und-du-bereust-es-Tonfall, begleitet von einem düsteren Blick. „Du kannst deine Libido an jemand anderem ausleben. Such dir doch wenigstens irgendwelche normalen Leute, selbst wenn die nicht so voll Make-up sind. Es gibt bestimmt auch ein paar Sahneschnitten im normalen Volk.“ „Aber dann ist doch dieses gewisse Etwas futsch“, schmollte Daisuke. „Wie auch immer, das ist nicht das Problem. Das Problem ist eher, dass du in den letzten drei Monaten etwa einhundertfünfzig Menschen hast fressen lassen beziehungsweise selbst gefressen hast. Das geht nicht, Daisuke, das ist viel zu viel. Zehn pro Monat ist ja schon die Obergrenze, aber FÜNFZIG?? Du spinnst doch!“ Mana funkelte ihn aufgebracht an. „Also MEINE Dämonen haben im letzten Quartal nur dreizehn Menschen gefressen, und das auch nur, weil sie so gut rochen“, mischte Hakuei sich überlegen ein. „MEINE Dämonen haben keinen einzigen gefressen, weil sie wissen, dass es ein sehr großes Risiko mit sich bringt, wenn wir unsere wahre Existenz in der Menschenwelt durchscheinen lassen!“, erwiderte Mana. „Und das solltet ihr erst einmal selbst begreifen, und dann euren bescheuerten und nichtsnutzigen Aasgeiern beibringen!!“ „Was ist denn mit DIR, Mako?“, wollte Daisuke herausfordernd wissen. „Du hast dich bis jetzt so gentlemanlike aus dem Gespräch herausgehalten.“ Der Angesprochene hob langsam seinen rechten Zeigefinger, um anzuzeigen, wie viele seine Untertanen gegessen hatten. „Einen Penner“, fügte er mit seiner dunklen Stimme hinzu, die bei Mana jedes Mal eine Gänsehaut auslöste. „Und den haben sie sich brüderlich geteilt.“ „Ist das nicht vorbildlich?“, bemerkte Mana. „So weit solltet ihr auch kommen. Wie hast du das geschafft, Mako?“ Der dunkelste Dämon von allen deutete ein Lächeln an, das kaum bemerkbar war. „Ich vertröste meine Dämonen, jedes Quartal erneut. Aber lange werden sie nicht mehr warten.“ „Warten... worauf?“, warf Mana zögerlich ein. „Endlich dieses hundselende Leben aufgeben zu können“, antwortete Mako ruhig und musterte jeden der anderen drei lange. „Sie haben keine Lust mehr, sich zu verstecken – und das vor einer niederen Rasse. Die Menschen sind gefährlich, das bestreite ich nicht, sie können uns durchaus mit einigen Mitteln töten – aber dennoch sind sie uns untergeordnet. Seht sie euch an! Ein Haufen ungebildeter und stilloser Schwäch- und Perverslinge. Wir sind stärker, wir sind schöner, wir sind langlebiger. Keine Frage, dass wir die besseren Bewohner dieser Erde wären – zudem wir auch auf alle Errungenschaften, die unsere wohlgeliebte Natur zerstören, verzichten können.“ „Wohl wahr, wohl wahr“, nickte Daisuke und nahm seine Füße vom Tisch, um sich nach vorne lehnen zu können. „Warte“, warf Mana vorsichtig ein. „Du willst sagen.... dass du und deine Dämonen die Menschheit auslöschen wollen?“ „Genau das“, nickte Mako und schlug gelassen ein Bein über das andere. „Sie zerstören diesen Planeten, sie sind dumm und unnütz – wir sind doch die wahren Herrscher der Erde. Wir leben seit Jahrtausenden im Versteckten, und wir werden immer mehr. Ich habe es satt, mich weiter vor diesen ignoranten Idioten zu verstecken.“ „Seh ich auch so“, stimmte Daisuke ihm zu. „Die Menschen sind zu nichts anderem gut als Fressen und Ficken. Aber – das muss man sagen – die meisten schmecken wirklich vorzüglich und können euch die Seele aus dem Hirn vögeln. Wisst ihr, letztens hatte ich diesen einen Sänger da, wie heißt er noch, DAS war eine Nacht, das sag ich euch, die werd ich so schnell nicht wieder vergessen. Himmlisch, wenn ich dieses Wort benutzen darf. Erst hab ich ihn abgefüllt, schon ganz praktisch, dieser Alkohol, und dann hat er mir erst einen-“ „Aber wir brauchen sie nicht einmal dafür“, unterbrach Mako den Dämon, bevor er zu ausschweifend werden konnte. „Ernähren können wir uns von anderen Dingen, welche die Natur uns bietet, und für unsere Triebe...“ „Hör auf, das ist doch widerlich!“, warf Hakuei angeekelt ein. „Unzucht von Dämonen mit Dämonen? Da kann doch nichts Gutes bei rauskommen – hast du dir mal die Missgeburten angesehen, die bei den wenigen Schwangerschaften rausgekommen sind, die wir bis jetzt hatten?“ „Und ohne Menschen können wir uns nicht reproduzieren“, stimmte Mana ihm nachdenklich zu. „Wir entstehen aus Menschen mit vollständig und von Grund auf böser und niederträchtiger Seele, und wenn es keine Menschen mehr gibt, werden wir langsam aussterben.“ „Ich habe einige Versuche durchgeführt“, entgegnete Mako reserviert. „Ich habe einige meiner Dämoninnen schwängern und die Kinder operieren lassen, sodass sie aussahen wie ganz normale Dämonenkinder. Es haben zwar nur zwei von zehn überlebt, aber diese haben eine sehr gesunde Grausam- und Hinterhältigkeit an den Tag gelegt. Es wäre möglich, dass wir uns auf diese Weise fortpflanzen.“ „DAS ist pervers!“, rief Hakuei. „Du beschwerst dich über die Perversionen der Menschen, und selbst führst du solche... dämonenverachtenden Versuche durch? Das ist abstoßend, Mako, das ist wirklich ekelerregend, wenn kein Tisch zwischen uns wäre, würde ich dir jetzt in den Schoß kotzen.“ „Versteh ich das richtig?“, warf Daisuke ein. „Du willst mit deinem Mund an Makos Schritt?“ „Wartet einmal“, mischte Mana sich wieder ein. „Gehen wir noch einen Schritt zurück – wie willst du es bewerkstelligen, die gesamte Menschheit zu vernichten?“ „Ganz einfach – es wird einen Krieg geben“, antwortete Mako sanft und faltete die Hände auf dem Tisch. „Den größten, den man sich vorstellen kann – zwischen Mensch und Dämon. Wir haben insofern einen Vorteil, als dass die Menschen noch keine Ahnung haben, dass wir existieren.“ „Obwohl einige von uns alles daran setzen, das zu ändern“, warf Mana ein und musterte Daisuke, der seine Frisur richtete. „Und wir sind nicht gerade wenige. Wenn wir zusammen-“ „Dieses Wort kannst du aus deinem Wortschatz streichen!“, meinte Hakuei sofort und verschränkte die Arme. „Ich werde ganz bestimmt nicht mit dir zusammen kämpfen, schon gar nicht in so einem Rassenkrieg.“ „Überleg doch einmal – wenn wir alleine die Menschen angreifen, werden sie sich ziemlich schnell ein Bild von ihren Feinden machen – und wenn sie ganz gezielt danach suchen, glaubst du, du könntest dich einfach da raushalten?“, fragte Mako und zog seine Augenbrauen zwei Millimeter nach oben. „Sie werden euch ebenso vernichten.“ „Ich könnte dich auch einfach vorher daran hindern, den Krieg überhaupt anzufangen!“, zischte Hakuei, nun langsam wütend werdend. „KINDERKLOPPE!“, rief Daisuke begeistert und fing an, imaginäres Popcorn zu essen. „Das führt doch zu nichts“, schaltete Mana sich ruhig ein. „Mako, sei vernünftig. Erst einmal hängen wir von den Menschen ab – ich bezweifle, dass viele Dämonen von dem Gedanken begeistert sind, nur Missgeburten produzieren zu können – und außerdem müssten wir diese Kinder aufziehen, wer würde das übernehmen? Wissen wir ganz sicher, dass sie auch überleben? Das alleine sind zu viele Risiken. Außerdem wäre es vollkommener Unsinn zu glauben, dass wir einen Krieg gegen sie gewinnen könnten.“ „Weißt du das?“, fragte Mako beherrscht. „Es ist logisch. Wie viele sind wir? Vielleicht ein paar Tausende? Wie viele Menschen gibt es? Einige Milliarden? Natürlich, nicht alle haben die Möglichkeit, uns Schaden zuzufügen, aber nimm allein Japan. Die japanische Armee hat die Mittel, um uns erheblich zu schaden, wenn nicht sogar uns ganz hinwegzufegen. Und dann überleg, wenn sich ganz Asien mit der USA und Europa zusammen schließt, um uns gezielt zu bekämpfen – der einzige Grund, aus dem wir noch existieren, ist der, dass die Menschen noch nichts von uns wissen“, erklärte Mana sachlich. „Und deshalb ist es auch so wichtig, dass es dabei bleibt.“ „Wenn man aber nach und nach alle Dämonen in die Armee schleust und dann eines Tages ein Überraschungsmanöver macht, bei dem man die japanische Armee übernimmt und alle anderen Erdteile bombardiert?“, schlug Daisuke geistesgegenwärtig vor und zuckte mit den Schultern. „Könnte man das nicht machen?“ „Selbst dann hätten wir keine Chance“, merkte Mana kopfschüttelnd an. Daisuke starrte Hakuei so lange an, bis dieser seinen Blick erwiderte, und warf ihm dann eine Kusshand zu. „Sollte es zu einem Krieg kommen, der von dir begonnen wurde, versage ich dir hiermit bereits meine sämtliche Unterstützung“, erhob Hakuei seine Stimme und ignorierte den anderen. „Mako, falls du einen Krieg beginnst, werde ich nicht an deiner Seite kämpfen, egal, was passiert. Werde ich gezwungen, mich für eine Seite zu entscheiden, wird es nicht deine sein, ich will nur, dass du das weißt.“ „Dasselbe gilt für mich auch“, nickte Mana. „Und spätestens jetzt solltest du einsehen, dass es für deine Idee noch nicht die Zeit ist. Du kannst nicht gegen zwei Dämonenvölker UND die Menschen kämpfen. Selbst wenn du noch Daisukes Unterstützung hättest.“ „Mich fragt ja keiner!“, warf dieser beleidigt ein. „Es gefällt mir auch nicht, dass wir uns verstecken und ihnen die Überhand lassen müssen, das gebe ich offen zu, aber wir sind noch nicht bereit für einen solchen Rassenkrieg“, fuhr Mana fort. Mako hatte seine Augen zu gefährlich schmalen Schlitzen verengt, sagte aber nichts mehr. „Du bist so sexy, wenn du dich aufregst“, schnurrte Daisuke in Hakueis Richtung. „Kannst du mir dein Wort geben, dass du keinen Krieg anfängst, ohne es uns vorher angekündigt zu haben? Das darf ich doch von dir verlangen, oder?“ Mako senkte seinen Blick für einen Herzschlag, dann fixierte er seinen linken Nachbarn fest. „Du bist ein Verräter, Mana. Du verrätst deine eigene Rasse, indem du befürwortest, dass sie im Untergrund und unter erbärmlichen Verhältnissen zu leben hat. Aber du bist nicht nur der Vorsitzende dieser Runde von uns Anführern, sondern auch eine Persönlichkeit, die ich respektieren kann. Du hast mein Wort, auch, wenn es mir nicht gefällt.“ „Ich übergehe deine Beleidigung und bin dir für deinen Respekt dankbar“, entgegnete Mana sanft. „Das zeigt wahre Größe, dass du dich mir trotz allem beugst, ich weiß das zu schätzen. Ich weiß nicht, ob ich das an deiner Stelle gemacht hätte.“ „Ganz bestimmt nicht, du eingebildeter Sack!“, rief Daisuke. „So jemand ist unheimlich beliebt, der am Anfang nicht einsieht, dass er Fehler begangen hat, und am Ende keine Ahnung hat, und trotzdem mitmischt“, bemerkte Hakuei leise. „Redest du von mir?“, wollte der Anführer des Südens wissen und hob die Augenbrauen, während Mana und Mako sich im Hintergrund noch immer ernst unterhielten. „Uuuh, Hakuei, du hast mich beleidigt, ich bin tödlich getroffen! Also bitte, als ob ich mich daran störe, dass ein impotentes Huhn wie du mich nicht mag. Wobei du ein impotentes SEXY Huhn bist.“ „Kannst du nicht einmal deine Hackfresse halten?“, knurrte Hakuei ihn ungehalten an. „Sorg doch dafür!“, meinte Daisuke auffordernd. „Knebel mich, küss mich, stopf mir das Maul!“ „Du kannst mich nicht provozieren, du frisch durchgeficktes Eichhörnchen.“ „Besser durchgefickt als mein Leben lang abstinent!“, grinste Daisuke triumphierend. „Das hättest du wohl gern, hm?“ „Nein, eigentlich nicht, Jungfrauen haben mir zu wenig Erfahrung – wenn du wirklich noch eine bist, dann tut’s mir leid, aber das will ich mir nicht antun.“ „Ich bin keine Jungfrau, aber ich vögel auch nicht alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist.“ „Nein, du schüttelst es noch herunter!“, lachte Daisuke. Er konnte überhaupt nicht so schnell reagieren, da war Hakuei mit einem Satz über den Tisch gesprungen und hatte ihn von seinem Stuhl gerissen. Er bekam nur mit, dass sein Kopf mit ziemlicher Wucht auf den Fußboden gerammt wurde und er einen Schlag in die Magengrube kassierte, der nicht von schlechten Eltern war. „Hakuei! Daisuke!!“, rief Mana irgendwo aus dem Hintergrund. Kurzerhand schubste Daisuke den anderen von sich herunter, sprang wieder auf die Füße und zog sich blitzschnell seinen Mantel aus, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. „Los, Hakuei, schlag mich, tritt mich, lass mich mein eigenes Blut schmecken!“, provozierte er den anderen grinsend. „Worauf du dich verlassen kannst“, fauchte dieser, und keine zwei Sekunden später sah man nur noch Arme und Beine, die unvorstellbar schnell in irgendwelche Richtungen geschleudert wurden, die beiden verschmolzen fast miteinander, während sie sich gegenseitig mit Schlägen eindeckten, versuchten, dem anderen die Knochen zu brechen oder ihn einfach auf den Boden zu werfen. Während Mana alarmiert aufgesprungen war, blieb Mako völlig entspannt sitzen. „Es bringt nichts, wenn du dazwischen gehst“, bemerkte er. „Du kassierst nur selbst ein paar. Außerdem können sie sich nicht gegenseitig verletzen, dafür lieben sie sich zu sehr.“ „Ja, es sieht auch danach aus“, meinte Mana zweifelnd und hob eine Augenbraue, während die anderen beiden sich quer durch den Saal prügelten. „Ist das alles, was du drauf hast??“, rief Daisuke amüsiert und duckte sich, um kein Veilchen zu bekommen. „Ich werd grad erst warm!“, entgegnete Hakuei und wich nun seinerseits einem Tritt aus, sah aber die direkt darauffolgende Faust nicht, weshalb er von Daisukes schier dämonischer Kraft zu Boden geschlagen wurde. Kurzerhand warf der Kleinere sich auf ihn und eine Weile rollten sie über den Boden, bis sie irgendwann zum Halten kamen. Hakuei kniete über dem anderen, drückte dessen Hände auf den Boden und war merklich außer Atem. Daisuke ging es nicht anders. „Na los, küss mich schon“, zischte dieser leise und verengte seine Augen etwas. „Das willst du doch, oder? Los, hier, bitteschön, hier ist deine einmalige Chance!“ Daraufhin streckte er die Zunge heraus, so weit es ging. Hakuei starrte ihn einige Herzschläge an, dann beugte er sich zu ihm herunter und leckte über seine Zunge. Eine Weile blieb es lediglich bei einem Zungenspiel, dann hob Daisuke seinen Kopf und drückte seine Lippen fest auf Hakueis, ehe er vielsagend die Beine spreizte und seine Arme weit ausbreitete, sodass Hakuei, der diese schließlich festhielt, mehr oder weniger auf ihn fiel. Nur wenige Sekunden später küssten sie sich beinahe brutal und rücksichtslos, während Daisuke eine Hand in Hakueis Hose geschoben hatte und sich dem anderen auffordernd stöhnend entgegen drückte. Mana, der mit dem Rücken zu den beiden saß, warf Mako einen Blick zu. „Machen die beiden gerade das...“ „Los, Hakuei, beiß mich, kratz mich, ja! Noch mal! Ahh... tu mir weh, füg mir Schmerzen zu! Ja! Genau so! Und jetzt fang endlich an! Ah, genau so!“ „Gut, die Frage hat sich erledigt“, murmelte Mana und fasste sich mit einer Hand an die Stirn, während er versuchte, die Geräusche hinter sich auszublenden. Er wusste, weshalb er diese vierteljährlichen Sitzungen hasste wie die Pest. Der eine wollte die Menschheit ausrotten, der andere war doof wie Stroh und ein reiner Genussdämon, und der andere... na ja, der vögelte den zweiten gerade. Und fügte ihm Schmerzen zu, zumindest der Geräuschkulisse nach zu urteilen. War Mana denn der einzige normale Dämon hier? „Ich sag ja, die beiden lieben sich viel zu sehr, als dass sie sich gegenseitig wehtun könnten“, bemerkte Mako schulterzuckend und runzelte leicht die Stirn, als er Daisuke aufschreien hörte. „Streich das. Besser: Als dass sie sich töten könnten.“ „Vielleicht wäre uns damit allerdings geholfen“, sagte Mana leise und seufzte einmal tief. Mako hob lediglich kurz eine Augenbraue. „Wie stehst DU denn zu Unzucht zwischen Dämon und Dämon? Auch so wie Hakuei, der das eine behauptet und...“ Er warf einen Blick in Richtung Lärmquelle. „Oder weißt du das noch nicht? Willst du es herausfinden?“ Eine Weile betrachtete Mana das dämonische Lächeln des anderen, dann vergrub er das Gesicht in beiden Händen und wünschte sich weit weg, ganz weit weg. Einige Minuten später setzten Hakuei und Daisuke sich wieder an den Tisch, als wäre nichts passiert. Hakuei hatte keine Frisur mehr und drei tiefe Kratzer über der Wange, Daisuke allerdings sah mit seiner Platzwunde an der Schläfe, den Biss- und Kratzwunden am Hals und seiner teilweise zerrissenen Kleidung (nur sein Mantel war noch heile) deutlich mitgenommener aus. Dennoch grinste er in die Runde. „Sind wir jetzt fertig, Mana?“, wollte er wissen, hörbar zufrieden klingend. „Kannst du die Sitzung auflösen?“ „Ich verstehe nicht, weshalb ich sie überhaupt eröffnet habe“, murmelte der Angesprochene und ließ seine Hände wieder sinken, warf Hakuei, der sich gerade eine Zigarette anzündete, einen kurzen Blick zu und schüttelte dann den Kopf. „Meinetwegen. Ich habe nichts mehr zu sagen.“ „Eine Sache noch“, meldete Mako sich zu Wort und wandte sich an Daisuke, welcher mit seinem Mantel kämpfte. „Wenn du dich auch nur ein einziges Mal wieder an einem meiner Leute vergreifst, reiß ich dir eigenhändig deine Zunge heraus.“ „Versteh ich das richtig?“, entgegnete Daisuke spöttisch. „Du willst meine Zunge haben, hm? Dann hol sie dir doch!“ Er streckte ebenjene weit heraus und schien Mako mit ihr zuzuwinken. Hakuei verdrehte die Augen. „Ich erkläre hiermit die Sitzung für beendet!!!“, rief Mana und schlug mit einer Hand flach auf den Tisch. Gleichzeitig erloschen alle Kerzen, die Fensterläden öffneten sich und die Tür schwang – nun lautlos – wieder auf. „Ich würde das an deiner Stelle nicht riskieren“, sagte Mako ruhig. „Ach ja? Gut, dass du nicht ich bist, denn ich weiß, dass du andere Sachen von meiner Zunge willst, und nicht sie herausreißen“, schnurrte Daisuke. „Würdest du eigentlich mit jedem ins Bett gehen, nur mal so?“, fragte Hakuei. „Nur mit hübschen Leuten“, antwortete Daisuke schulterzuckend. „Ah.“ „Hey, das war ein Kompliment.“ „Hat sich irgendwie nicht wie eins angefühlt, wenn ich ehrlich sein soll.“ „Ich würde an deiner Stelle wirklich vorsichtig sein, an welche Orte du deine Zunge hinsteckst, sie könnte dir leicht abgebissen werden.“ „Ha! Ich WUSSTE doch, du willst mich, Mako!“ „VERSCHWINDET!!!!!“, schrie Mana laut. Die anderen drei verstummten und blickten ihn einen Moment schweigend an. Er deutete ein gequältes Lächeln an. „Bitte.“ Noch immer miteinander diskutierend, verließen Daisuke, Hakuei und Mako den großen Raum und ließen dessen Besitzer zurück. Wer hat eigentlich verfügt, dass die Anführer der Dämonen der vier Himmelsrichtungen sich in vierteljährlichem Abstand treffen müssen?, fragte Mana sich, Ich brauche seine Adresse, dann erschieß ich den Kerl. ~*~ Contradictory Demons. --------------------- Kapitelrating: R ~*~ Schlechte Kundschaft diesen Abend, dachte Daisuke und sah sich unzufrieden um, Ziemlich schlechte Kundschaft. Bis jetzt hatte er noch niemanden gefunden, der seine Aufmerksamkeit verdient hätte, und die wenigen, die einigermaßen sein Typ gewesen wären, hatten kein Interesse an ihm. Na super. Wenn das so weiterging, nahm er sich einfach irgendeinen. Auf Einsamkeit hatte er diese Nacht nämlich echt keine Lust, vor allem, da seine Leute unterwegs waren, um ihrer sozialen Kontakte zu frönen. Wie viele ihrer Bekanntschaften wohl wussten, mit wem sie da verkehrten? Höchstwahrscheinlich gar keiner. Manchmal stieg die Anzahl der Wissenden kurzzeitig an, aber fast sofort darauf fiel sie wieder. Daisukes Leute waren schnell, das war einer ihrer wenigen Pluspunkte. Schon traurig, wenn man als Anführer einer Gruppe zugeben musste, dass seine Untergebenen allesamt notgeile und vor allem verfressene Spatzenhirne waren, nicht wahr? Andererseits – wenn man selbst ein notgeiles verfressenes Spatzenhirn war, nur eben das intelligenteste Spatzenhirn von ihnen, dann passte das auch wieder. Nein, Daisuke war nicht nur durch seine Intelligenz an seinen Posten gekommen, sondern auch unter Einsatz seines Körpers – und das nicht nur im Kampf. Er war gerissen und hinterhältig, und er war schnell und stark. Außerdem hatte er eine große Klappe und wusste sich Gehör zu verschaffen. Er gefiel sich auf seinem Thron, und da er seinen Leuten viele Freiheiten ließ, war er auch beliebt. Nein, anders: Es gab wenige, die ihn hassten. Und trotz allem wollte er noch diese Nacht jemanden haben, einen schönen leckeren Menschen, jemand mit einem Astralkörper, er wollte ihn vernaschen und sich anschließend irgendetwas zu essen suchen. Denn er war hungrig. „Hey, Süße!“, sprach ihn jemand unvermittelt an. Er wandte sich um und lächelte aufgesetzt. „Ja?“, flötete er. Hässlich, befand er, Den werd ich ganz bestimmt nicht nehmen. Im Gesicht des Typen zeigte sich Überraschung. „Ewww, du bist ja ’n Kerl.“ Nicht ganz, dachte Daisuke. „Zisch ab. Du bist mir zu unattraktiv.“ „Aber wenn ich’s mir recht überlege – eigentlich siehst du gar nicht schlecht aus. Und ein großes Mundwerk hast du auch. Da steh ich drauf. Wie viel nimmst du?“ „Mehr, als du mir jemals geben könntest. Wenn du Geld zuviel hast, denk doch mal über plastische Chirurgie nach“, entgegnete Daisuke. „Es ist schlecht für dein Geschäft, wenn du Kunden abwimmelst, das weißt du-“ Daisuke machte einen einzigen Satz aus dem Stand, sodass der Typ nach hinten geschleudert wurde und zu Boden fiel. Keine zwei Sekunden später saß Daisuke auf seiner Brust und besah sich interessiert sein Portemonnaie. „Hey, was.... geh von mir... was willst du!???“ „Keine Kreditkarten“, murmelte Daisuke vor sich hin und neigte den Kopf zur Seite. „Keine Fotos, keine Kundenkarten, keine Notizzettel, keine Erinnerungsstücke. Fast kein Geld, keine kleinen runden Dinger für die Einkaufswagen. Du bist nicht nur ein Langweiler und arm, sondern du hast auch kein Privatleben.“ Mit neu erwachtem Interesse musterte er den Mensch unter sich. „Lass mich... was willst du von mir? Geh-“ „Ich hab noch eine andere Verwendung für dich.“ Daisuke deutete ein Lächeln an, ehe er eine Hand auf den Mund des anderen presste, sich zu ihm herunter beugte und ihm die Zähne in die Kehle schlug. „Wie traurig. Der Anführer der Dämonen des Südens muss sich mit solchem Abschaum begnügen“, sagte eine sehr tiefe und dunkle Stimme. Daisuke, der gerade auf einem Oberarmknochen herumkaute, richtete sich langsam auf und wischte sich mit dem Ärmel seines schwarzweißen Mantels Blut vom Kinn. Erst hatte er gedacht, Mako würde ihn besuchen, aber es war doch ein anderer Dämon. Er kam ihm gänzlich unbekannt vor – das war nicht gut. Es konnte ein Ungesetzlicher sein, ein Gesetzloser, einer, der sich keinem der vier Anführer unterwarf. „Er schmeckt eigentlich ganz gut“, bemerkte er schulterzuckend. Der Hochgewachsene betrachtete ihn einen Augenblick angewidert. „Es ist abstoßend, wie du isst“, entgegnete er dann. Daisuke riss das letzte Stück Fleisch vom Knochen und warf diesen dann zur Seite. Das Beste hatte er sich bereits gegönnt: Zuerst die Kehle, dann das Herz, dann fast alle Innereien außer der Leber, des Magens und der Gallenblase, anschließend das angenehm fette Bauchfleisch, danach die Oberschenkel und nun tat er sich an den Armen gütlich. „Warum? So hat er viel mehr Geschmack.“ „Ich kenne nicht viele, die Menschen roh fressen können. Und vor allem so blutig, wie du es tust. Kannst du ihn nicht wenigstens von oben nach unten...?“ „Pff. Ist doch egal. Ich fange beim Leckersten an, und wenn ich hinterher keinen Hunger mehr habe, kann ich den Rest immer noch in den Fluss werfen. Zu wem gehörst du? Oder bist du ein Gesetzloser? Dann muss ich dich nämlich leider umbringen.“ „Nein, keine Sorge, ich bin nicht ohne Grund hier, ich wurde herbefohlen“, wehrte der Dunkle sofort ab und verzog kaum merklich das Gesicht, als Daisuke sich eine Rippe zwischen die Zähne schob, um gedankenverloren darauf herum zu kauen. „Ich...“ „Komm zum Punkt“, knurrte der Kleinere der beiden. „Ich hab nicht ewig Zeit.“ „Ich habe nur eine einzige Frage – bist du immer noch gewillt, meinen Anführer im Falle eines Krieges gegen die Menschen zu unterstützen?“ „Ach, du kommst von diesem Scheißer?“, fragte Daisuke und zog die Augenbrauen hoch. „Hätte ich mir gleich denken können. So, wie du aussiehst... Nein, bin ich nicht. Ich hab noch mal drüber nachgedacht, und bin zu dem Schluss gekommen, dass Mana Recht hatte – wir sind noch nicht bereit dazu. Glaub mir, ich würde nichts lieber tun als alle Menschen einzusperren und als Haustiere zu halten, aber ich glaub auch nicht, dass es so toll wäre, wenn sie alle krepieren. Wir sind abhängig von ihnen, genauso wie die Menschen abhängig von den Insekten sind. Die sind auch hässlich und dumm und wirken unnütz, aber ohne sie würde nichts mehr laufen. Kapiert?“ Er hatte die Rippe inzwischen aus dem Mund genommen und pfefferte sie nun zur Seite, wo sie mit klickenden Geräuschen auf dem Boden aufkam. Der andere Dämon schwieg einige Sekunden. „Du willst dich ihnen also unterordnen? Und was sagen deine Leute dazu?“ „Schieb dir meine Leute doch in den Arsch, was die denken, ist mir scheißegal – ich bin hier der Chef, und wenn ich sage, dass sie nicht mit euch kämpfen werden, WERDEN sie auch nicht mit euch kämpfen, so einfach geht das. Meine Leute haben nämlich keine Angst vor mir, sondern sie lieben mich. Allesamt. Sie haben mich zum Fressen gern.“ Daisuke bleckte sein blutiges Gebiss und riss mit einem hässlichen Knirschen nun auch den zweiten Oberarm vom nur noch spärlichen Rumpf seines Opfers. „Ist das dein letztes Wort?“ „Nein. Wie heißt du, Penner?“ „Ich bin Loki.“ „Pass mal auf, Loki. Sag deinem Anführer, dass er keine Chance hat, nicht gegen mich und Mana und Hakuei. Klar, es werden ein paar überlaufen, aber das werden wenige sein.“ Daisuke biss herzhaft in den Bizeps und sprach mit vollem Mund weiter, während das Blut zu Boden tropfte. „Und jetzt hau ab. Kein Futterneid hier.“ Loki zögerte merklich. „Ich kann dich nicht überreden, dich unserer Seite anzuschließen?“ „Auf gar keinen Fall, ich hab keinen Bock auf so einen Krieg.“ „Wenn ein solches Überreden sinnlos ist, bitte, ich kann auch anders“, nickte Loki und schritt auf Daisuke zu, packte ihn an den Haaren und riss ihn auf die Füße, so hoch, dass dieser sich auf die Zehenspitzen stellen musste. „Ich hatte ja auf ein wenig Unterstützung gehofft, aber dass auch du so ein Verräter bist...“ „Lass mich los“, sagte Daisuke leise und kniff ein Auge zu, als Loki ihn noch etwas höher zerrte. „Lass mich los!“ „Auf keinen Fall.“ Loki schubste den Kleineren von sich weg, sodass dieser gegen die Steinmauer hinter sich prallte, und stand innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder vor ihm. Mit emotionsloser Miene packte er Daisuke an der Kehle und hob ihn dieses Mal ganz von den Füßen, während er zudrückte. „Wenn du nicht freiwillig kooperierst, werde ich eben dafür sorgen. Wenn du genug hast und einverstanden bist, gib mir ein Zeichen.“ Daisuke gab ein röchelndes Geräusch von sich, brachte allerdings noch ein schiefes Grinsen zustande. „So wichtig ist euch... dieser Scheißkrieg? Ich hab schon gesagt, ich hab... keinen Bock darauf.“ Nun kam Lokis Gesicht dem seinem ganz nahe. „Wie ich sagte, das ist ein Verrat an deinen Leuten, an dir selbst und allgemein an deiner Rasse. Wir dürfen nicht länger im Verborgenen leben. Wir wollen frei sein.“ Er krallte sich nun in die helle Haut des anderen, sodass einzelne Blutstropfen dessen Kehle hinunter liefen. Daisukes Grinsen wurde breiter. „Ja, genau so“, wisperte er außer Atem. „Tu mir weh, genau so... du bist vielversprechend.“ Seine darauffolgenden Reaktionen waren so schnell, dass Loki kaum Zeit hatte, sie zu registrieren: Zuerst trat Daisuke ihm mit einiger Wucht zwischen die Beine, anschließend biss er in seinen Handrücken, sodass sein Griff sich etwas lockerte, und drückte ihm ruckartig den Kopf nach unten, um ihm das Knie ins Gesicht zu rammen. Zuletzt trat Daisuke ihm noch kraftvoll vor die Brust, wodurch er nach hinten geschleudert wurde und an der gegenüberliegende Wand aufschlug. Dadurch, dass Daisuke sich zwar festgebissen, aber nicht wieder los gelassen hatte, riss er Loki außerdem noch ein beachtliches Stück Haut von seinem Handrücken, das er nun, mit beiden Beinen auf dem Boden stehend, angewidert ausspuckte. Loki fackelte nicht lange, sondern wollte sich sofort wieder auf den anderen stürzen – allerdings erfolglos. Daisukes Augen leuchteten für einen Moment rubinrot auf, er bleckte seine Zähne und ließ ein wildes Fauchen hören, und mit einem Satz war er zwei Meter an der Wand hinter sich hochgesprungen. Mit seinen langen und äußerst robusten Krallen hielt er sich zwischen den Steinen fest, während er noch ein wenig höher kletterte, sich abstieß und auf einen der vielen Balkone sprang. Dort blieb er sitzen, wie eine lauernde Katze, und fauchte noch einmal nach unten in Lokis Richtung. „Feigling!“, rief dieser. „Komm runter und kämpfe!“ „Du hättest eh keine Chance!“, entgegnete Daisuke grollend und fuhr mit der Zunge über seine spitzen Zähne. „Wenn ich gerade gegessen habe, gibt es niemanden, der mich schlagen kann. Nicht mal Mana, wusstest du das? Ich bin älter als er, viel älter. Geh zurück zu deinem Macker und sag ihm, dass ich kein Interesse habe, mich mit ihm zusammen zu schließen. Auch nicht, wenn er gut im Bett sein sollte.“ Mit den Worten nutzte er das noch vorhandene Adrenalin in seinem Blut, erklomm den Rest der Hauswand und jagte anschließend über einige Dächer. Als seine Zähne langsam wieder stumpf wurden, seine Krallen sich zurückbildeten und diese dämonischen Triebe in ihm wieder entschlummerten, war er längst wieder auf dem Boden. ~*~ „Wie geht’s dir, Daisuke?“ „Sack.“ „Hast du Hunger?“ „Perverser.“ „Awww, dein Magen knurrt ja.“ „Machtgeiles Arschloch.“ „Hast du endlich ein wenig Verstand gewonnen?“ „Mentaler Krüppel.“ „Ich sehe, an deiner Einstellung hat sich nichts geändert.“ „Moderndes Stück Dreck.“ „Du solltest besser auf deinen Mund aufpassen. Wenn ich du wäre, würde ich mich in dieser Position ein wenig-“ „Ranzige Filzlaus.“ „Daisuke, du willst doch nicht, dass ich-“ „Armseliger Fliegenfurz.“ Daisukes Kopf flog schon beim ersten Schlag zur Seite. Er drehte ihn wieder zurück und starrte die dürre Gestalt vor sich hasserfüllt an. „Derjenige, der zuerst zuschlägt, gibt zu, keine Argumente mehr zu haben“, wisperte er. „Das hättest du gerne, hm?“ Mako deutete eins seiner dämonischen Lächeln an. „Sprüche klopfen kannst du immer noch. Zumindest... noch.“ „Du kannst mir das Maul nicht stopfen, egal, was du machst“, zischte der Anführer der Dämonen des Südens finster, aber dennoch kraftlos. Er fühlte sich schwach, und wären nicht seine beiden Arme an die Wände gekettet worden, würde er auf der Stelle zu Boden sinken. Aber so hielten die Ketten ihn auf eine grausame Art aufrecht. Überall an ihm war Blut, vor allem in seinem Gesicht, aber auch auf seinem Rücken, auf seinen Beinen, seinem Oberkörper allgemein... er war so zerschunden, dass er es sich nicht mehr vorstellen konnte, wie es war, ohne Schmerzen zu leben. „Das wollen wir doch mal sehen. Morgen sind die drei Monate vorbei, morgen ist das nächste Treffen. Du weißt, was passiert, wenn du nicht rechtzeitig auftauchst... kann dich das umstimmen?“ Daisuke deutete ein halbherziges Grinsen an, wobei er kaum Kraft hatte, den Kopf zu heben. „Nie im Leben. Du hast mich für diesen kranken Scheiß angekettet, geschlagen, vergewaltigt, und in jeder erdenklichen Weise gefoltert – jetzt kann ich’s auch gleich bis zum Ende durchziehen. Brauchst du mich so sehr, hm?“ „Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass dem nicht so wäre“, seufzte Mako und verschränkte unzufrieden die Arme. „Aber sobald Mana erfährt, dass du eigentlich auf seiner Seite stehst, wird er nicht das tun, worauf ich hoffe.“ „Und was wäre das?“, fragte Daisuke schwach. „Wenn ich mit meinen Dämonen tatsächlich einen Krieg beginne und die Menschen angreife, was, glaubst du, wird passieren?“ „Sie werden euch vernichten.“ „Ja, sie werden uns ausrotten wollen. Und zwar uns alle. Du glaubst doch nicht, dass irgendjemand euch vertraut und zulässt, dass ihr mit ihnen zusammen kämpft? Nein, die Menschen werden uns allesamt verteufeln und uns vernichten. Wenn ihr mir allerdings helft, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir überhaupt irgendwie überleben.“ Daisuke ließ ein langgezogenes Stöhnen hören. „Du reißt uns also lieber ganz in den Tod, als dass du weiterhin so lebst wie die Dämonen seit Tausenden von Jahren.“ „So ist es. Ihr habt die Wahl – entweder ganz sicher untergehen und eure eigenen Artgenossen umbringen, oder an ihrer Seite kämpfen und die Chance auf ein freies Leben haben.“ „Du bist größenwahnsinnig, Mako, vollkommen durchgeknallt.“ „Besser größenwahnsinnig als kleinbürgerlich, Daisuke. Ich brauche dich nur aus einem ganz einfachen Grund – wenn ich bereits von einem von euch Unterstützung habe, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Mana auf meine Forderung eingeht.“ Der Angekettete schnaubte spöttisch. „Und dafür veranstaltest du das hier.“ „Natürlich. Ich will ja kein Risiko eingehen.“ „Mach, was du willst. Aber ohne mich. Halt mich da raus. Du kriegst meine Zustimmung nicht, egal, was du machst.“ „Interessant zu sehen, dass jemand wie du doch noch Prinzipien hat... Na gut, ich nehme das als dein letztes Wort. Wortwörtlich.“ Mako deutete ein Grinsen an, dann griff er in seine Hosentasche. Der nächste Tag war bis dahin der schlimmste in Daisukes Leben. Bereits früh begann sein Oberarm zu schmerzen, und im Laufe des Tages wurde es immer schlimmer, mit jedem Atemzug, den er tat, mit jeder noch so winzigsten Berührung, später sogar bei jedem Klopfen seines Herzens. Der Anführer der Anführer rief zur Sitzung, und Daisuke war unfähig zu kommen. Es war ja schon unangenehm, wenn er zu spät kam, aber jetzt, wo er überhaupt nicht auftauchte... Mana würde nicht aufhören, nach ihm zu rufen, so lange nicht, bis er auftauchte, und dadurch schmerzte das Tattoo auf seinem Oberarm so unerträglich und so endlos, dass er nicht klar denken konnte. Er konnte sich die Szene bildhaft vorstellen, wie Mana, Hakuei und Mako in diesem runden Raum saßen und sich ganz sicher darüber beschwerten, dass er, Daisuke, wieder einmal nicht pünktlich war. Eigentlich war es ja seine eigene Schuld, da er dann länger diese Schmerzen erleiden musste, aber er regte sie natürlich trotzdem auf, da sie ohne ihn nicht anfangen konnten. Und wenn er keinen Stellvertreter sendete... So langsam verlor er vor Schmerz beinahe das Bewusstsein. Aber das durfte er nicht, das wusste er. Er war so schwach, so erbärmlich, und ihm tat alles weh – eigentlich hätte er sich auch in Selbstmitleid wälzen können. Ob sie sich vielleicht um ihn sorgten? Nein, sie waren ganz bestimmt nur sauer, dass er nicht kam. Aber wie sollte er. Und Mana rief weiter nach ihm, hörte nicht auf, den ganzen Tag lang, und die Schmerzen wurden immer schlimmer... Und das Schlimmste war, dass er nicht einmal schreien konnte, nicht einmal seine eigene Stimme hören, nicht einmal Mako beschimpfen. Die Tackernadeln in seinen Lippen hielten ihn davon ab. Verdammte Menschen. Wenn sie wüssten, wie man ihre Erfindungen missbrauchen konnte. Er kniff die Augen zu und versuchte, trotz allem den Mund aufzumachen – unter anderen Umständen hätte es geklappt, aber nicht so. Die Nadeln schnitten noch tiefer in sein Fleisch, rissen die Wunden wieder auf und er schmeckte sein eigenes Blut, spürte, wie es sein Kinn herunter lief. Und Mana hörte nicht auf, nach ihm zu rufen. ~*~ Wie ein Traum. Wie in einem Traum spürte er mit einem Mal einen Luftzug auf seinem Gesicht, er hörte Geräusche, Geschrei, Gepolter, laute Stimmen. Alles gedämpft, aber es lag Bewegung in der Luft. Wenige Sekunden später – es konnten auch Minuten, Stunden oder Tage gewesen sein, er hatte das Zeitgefühl völlig verloren, aber es schien wie Sekunden – schlug jemand die Tür zu dem kleinen fensterlosen Raum auf. „Ach du Scheiße“, murmelte jemand, eine wohlbekannte Stimme. Stiefel schritten auf ihn zu, jemand ging vor ihm in die Hocke. Daisuke konnte nicht klar genug sehen, um ihn zu erkennen, aber allein durch seine Aura, durch diese erhabene, kraftstrotzende Aura, wusste er augenblicklich, wer es war. Seine Mundwinkel hoben sich um einen Millimeter. Er hätte gerne etwas gesagt, aber er konnte seine Lippen nicht auseinander kriegen. Er wollte nicht wirklich wissen, wie er aussah – völlig blutverschmiert, Schürf-, Biss- und Platzwunden, Kratzer, Schnitte und Verbrennungen überall, seine Kleidung fast gänzlich zerfetzt, nur noch durch die beiden Ketten halbwegs aufrecht gehalten und die Lippen zusammengetackert. „Ist er... oh mein...“, meldete sich noch jemand aus dem Hintergrund. „Ehm... ich kümmere mich erst mal um deinen Mund, ja?“, sprach der vor Daisuke ihn an. „Kann ich... kann ich die Nadeln einfach rausziehen?“ Daisuke hätte fast wieder gelächelt, nutzte diese Kraft aber dazu, schwach zu nicken. Natürlich, wenn er nur danach wieder sprechen konnte... Er zuckte kaum zusammen bei jeder Tackernadel, die der andere erbarmungslos herausriss. Insgesamt waren es neun, daher dauerte es eine Weile. Anschließend riss er mit Leichtigkeit die Ketten ab, wodurch Daisuke wie ein nasser Sack zu Boden fiel und regungslos liegen blieb. Er spürte weder seine Arme noch seine Beine – höchstens die Schmerzen. Der Boden war angenehm kühl, das lenkte ihn von diesem erbärmlichen Gefühl ab, sich selbst bemitleiden zu wollen. Vorsichtig wurde er auf den Rücken gedreht, und nun sah er zwei Gesichter über sich. Er deutete ein Grinsen an und schluckte das ganze Blut herunter, bevor er leise flüsterte: „Warum dauert das denn so lange?“ „Was wollte er von dir?“, fragte Mana leise zurück. Hakuei betastete den malträtierten Körper vorsichtig und hielt dann einen Moment inne. „Was zur...“ Na endlich, dachte Daisuke, innerlich die Augen verdrehend, Die Tackernadeln waren nicht so das Problem, mein Problem sind die ganzen ANDEREN Nadeln. Als ob man Voodoo mit mir machen könnte. Echt mal. Er hörte noch Manas besorgte Worte, bevor er sich zum ersten Mal in diesen Wochen dieser verlockenden Dunkelheit hingab. „Wir müssen ihn von hier weg bringen.“ ~*~ „Wie fühlst du dich?“, wollte Mana wissen. „Ich könnte ein Pferd fressen“, knurrte Daisuke und streckte sich in seinem Bett aus. „Will mir nicht einer von euch beiden Gesellschaft leisten? Ich bin ziemlich einsam gewesen...“ Mana rollte mit den Augen. „Okay, es scheint dir wirklich besser zu gehen. Was wollte Mako von dir?“ „Muss ich das jetzt wirklich noch mal zusammenfassen?“, stöhnte der Kleinere gequält. „Also, er will Krieg gegen die Menschen, egal, ob wir dabei vernichtet werden, und er wollte euch erpressen – entweder kämpft ihr an seiner Seite und werdet kaputtgemacht, oder aber ihr stellt euch gegen ihn und werdet kaputtgemacht. Zu den Menschen könnt ihr nicht überlaufen, weil die euch nicht akzeptieren werden... ja. Und von mir wollte er auch nur Unterstützung. Und sich höchstwahrscheinlich für die Zeit rächen, in der wir gleichzeitig Anführer sind. Wahrscheinlich bin ich ihm einfach auf den Sack gegangen.“ Mana und Hakuei wechselten einen Blick. „Und was gibt’s bei euch Neues, hm? Hat irgendwer den anderen geheiratet oder so?“ „Mako hatte mir sein Wort gegeben, dass er keinen Krieg beginnt, ohne es mir vorher angekündigt zu haben“, fing Mana zögerlich an. „Und... genau das hat er gemacht.“ „Dir sein Wort gegeben?“ „Nein. Einen Krieg angekündigt. Er wollte vorgestern, direkt nach der eigentlich fälligen Sitzung, zum ersten Mal zuschlagen.“ „Und ihr habt ihn dran gehindert und mich gleichzeitig noch befreit. Wie lobenswert. Hakuei, du bist sexy, wenn du so ernst guckst.“ „Ehrlich gesagt, nein“, meinte Mana zögerlich. „Mako hat einen Krieg begonnen. Allerdings nicht Dämonen gegen Menschen.“ Das ließ Daisuke für einen Moment verstummen. „Moment mal, du willst sagen, dass er gegen UNS kämpft?!“ „Genau das fürchte ich. Und zwar im Untergrund, sodass die Menschen nichts davon mitbekommen.“ „Heilige Scheiße.“ „Und wie es aussieht, hat er schon angefangen“, fuhr Hakuei fort und ließ sich neben Daisuke auf das Krankenbett sinken, sein Gesichtsausdruck die reinste Ratlosigkeit. „Zumindest sind einige meiner Leute über Nacht spurlos verschwunden.“ „An dir wird er sich besonders rächen wollen“, murmelte Mana und schlug für einige Herzschläge die Augen nieder. „Ja... wahrscheinlich“, nickte Hakuei und blickte dann zu Daisuke. „Aber noch mal zu dir...“ „Habe ich das richtig verstanden, dass er dich auf seine Seite ziehen wollte und du dich geweigert hast? Trotz ... der Sachen, die er mit dir angestellt hat?“, wollte Mana wissen. Daisuke zuckte mit den Schultern. „Klar. Dieser Drecksack hat’s verdient, dass wir ihm mal gehörig in den Arsch treten.“ Da lächelte Mana zum ersten Mal seit Langem wieder. „Ja. Hat er.“ „Du hast mich unterschätzt, hm? Keine Sorge, passiert vielen. Krieg ich jetzt mal langsam was zu essen? Und Hakuei, könntest du bitte deine Hand zwischen meinen Beinen weg nehmen?“ Hakuei machte auf der Stelle entrüstet den Mund auf. „Hallo?! Ich hab nichts... was-“ „Ich werfe irgendetwas“, sagte Mana. „Irgendwann werfe ich was nach euch, da könnt ihr euch drauf verlassen.“ Er wandte sich ab, damit die anderen beiden sein resigniertes und beinahe trauriges Lächeln nicht sehen konnten. „Macht eure Leute bereit zum Kampf. Es gibt Krieg.“ ~*~ Tattoo fand die Tackernadeln eklig ^^ Indivisible Demons. ------------------- Kapitelrating: R (oder NC-17?) ~*~ Wie konnte das passieren? Einfach unvorstellbar. Er hätte nie damit gerechnet, dass es einmal derart weit mit ihnen kommen würde. Er hatte gewusst, dass es sehr unschön werden würde, schon als Daisuke nicht zu ihrem einen Treffen gekommen war – hinterher hatte sich ja herausgestellt, dass er auf übelste Weise misshandelt worden war. Von Mako. Von dem Abtrünnigen, der alles daran setzte, ihnen das Leben schlecht zu machen. Nein, mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Er war wie gelähmt, er starrte regungslos auf den Boden vor sich. Erleuchtet vom schimmernden Licht der Kerzen huschten Schatten umher, schemenhafte Gestalten ließen sich auf dem kalten Steinboden erkennen, der nach und nach mit Blut getränkt, besprenkelt und benetzt wurde. Mit Dämonenblut. Die Geräuschkulisse war ebenfalls unendlich vielschichtig, man hörte Metall aufeinander klirren, Schreie, Rufe, Röcheln, Stöhnen, Keuchen, rasselnden, schnaufenden und abgehackten Atem, Wimmern, Jammern, Lachen, Knacken, Knirschen, Poltern, Schlurfen, Rascheln. Nachdem er all dies aufgenommen, wahrgenommen, verarbeitet und verstanden hatte, gab es nur noch eine Art von Sinneseindrücken, die sich in sein Bewusstsein drängte: Der Schmerz. Er breitete sich von seinem Gesicht her aus, wanderte immer wieder in pulsierenden Wellen bis hin in seine Finger- und Zehenspitzen, durchfuhr seinen gesamten Körper wie Stromschläge. Er zitterte, er konnte nichts dagegen unternehmen, zu stark brannte sich diese Erkenntnis in sein Bewusstsein, zu erschreckend war die Feststellung, die er langsam zu begreifen begann. Noch immer drückte er seine zitternde Hand vor sein linkes Auge, so fest er konnte, als könnte er damit seine Wunde heilen. Das Blut lief ihm das Gesicht herunter, zwischen seinen Fingern hindurch, tropfte zähflüssig auf den Boden und vermischte sich dort mit dem unzähliger anderer. Noch immer war er vollkommen fassungslos, hilflos, ratlos. Noch immer konnte er nur auf den Boden starren, wagte es nicht, den Blick zu heben. Er wusste, was er sehen würde. Seinen Alptraum. Eine Abfolge von Bildern, die sich in seiner inneren Netzhaut einbrennen würden, die er niemals vergessen könnte. Krieg. Er würde Krieg sehen, eine Schlacht, bei der keine Seite überwog, ein Gemetzel, so skrupel-, rücksichts- und gewissenlos wie es kein Gegenstück in der Menschengeschichte gab. Es war eine Schlacht, bei der nicht das Gewinnen im Vordergrund stand, es ging nicht darum, hinterher Friedensverhandlungen aufzunehmen, es ging einzig und allein darum, so viele wie möglich von seinen Feinden abzuschlachten, hinzuopfern, niederzumetzeln. Sie gehörten alle derselben Rasse an. Sie waren völlig gleich entstanden, sie benötigten dieselbe Nahrung, hatten die gleichen Bedürfnisse und Wünsche und hatten seit Jahrtausenden versteckt, aber in Harmonie miteinander gelebt. Natürlich hatte es kleinere Kämpfe gegeben, aber niemals, nicht ein einziges Mal, hatten derart viele Dämonen die Waffen gegeneinander erhoben. Es war ein einziger Alptraum. Aber das war nicht alles, was er sehen würde. Die Kämpfenden hatten einen respektvollen Kreis um sie gebildet, das Kampfgeschehen spielte sich in einigen Metern Entfernung überall um sie herum ab, aber das war es nicht, worum es ihm ging. Ihm ging es einzig und allein um die Person, die vor ihm stand, ein blutiges Messer in der rechten Hand, einen emotionslosen Ausdruck im Gesicht und die Gewissheit des Siegs im Herzen. In seinem kalten, versteinerten Herzen. Gab es so etwas wie grausame Dämonen? Dämonen waren von Natur aus grausam, aber manche übertrafen ihre Natur bei Weitem. Eins dieser Exemplare stand vor ihm und verzog seine Mundwinkel langsam, ganz langsam, wie in Zeitlupe, zu einem Lächeln. Langsam, ganz langsam, wie in Zeitlupe, hob er seinen Kopf und erwiderte den Blick seines Gegenübers. Sein ausgestochenes Auge hörte einfach nicht auf zu bluten, und mit dem anderen sah er nur verschwommen. Sein Auge. Es war das Symbol des Vertrauens aller Dämonen in ihn – er hatte es vor Jahrzehnten bekommen, kurz nachdem er Vorsitzender der Anführer aller Dämonen geworden war. Natürlich hatte er, um in diesen Kreis aufgenommen zu werden, erst einmal das Vertrauen der Dämonen in seiner Himmelsrichtung gewinnen müssen, aber danach hatte er sich ganz klar als die Führungsperson herausgestellt, die benötigt wurde. Hakuei und Mako erkannten ihn auf der Stelle als ihren einzigen Vorgesetzten an, bei Daisuke hatte es eine Zeitlang gedauert, aber auch er hatte ihn letztendlich akzeptiert. So wie alle anderen Dämonen auch. Und als Resultat hatte er das Auge bekommen. Es besaß geballte dämonische Kraft und wenn er keine Augenbinde trug, konnte er damit töten, bis zu einem gewissen Grad heilen, durch bestimmte Dinge hindurch sehen und die anderen Anführer zu ihrer vierteljährlichen Sitzung rufen – indem er nicht nach außen, sondern in sich selbst hinein sah. Der Preis dieses besonderen Auges war nur gewesen, dass er eins seiner normalen Augen hatte opfern müssen und versprechen, dass er das Auge nur in äußersten Notsituationen einsetzte – es konnte ganz leicht zu einem Machtmissbrauch kommen. Aber er setzte es weise und wohlüberlegt ein und trug ansonsten konstant seine Augenbinde. Das Auge besaß noch eine Eigenschaft – es konnte ihm nicht genommen werden, zumindest nicht mit Gewalt. Solange die Mehrheit der Dämonen in ihn vertrauten, gehörte es fest ihm. Und deshalb hatte er es nicht glauben können, als sein Gegenüber einfach ein Messer genommen und es ihm ausgestochen hatte. Denn das bedeutete, dass die Dämonen ihren Glauben in ihn verloren hatten. „Du bist am Ende, Mana“, sagte Mako leise. „Du bist erledigt.“ Und er wusste, dass er recht hatte. Der Dunkle zerrte ihn auf die Füße. „Gibst du auf?“ „Ja, ich gebe auf. Wenn du versprichst, diesen Krieg nicht weiter zu führen. Es ist unwirklich, es ist unglaublich. Es ist schrecklich. Du musst ihn beenden, Mako, es ist der reinste Wahnsinn.“ Langsam entfernte er die Hand von seiner leeren Augenhöhle und betrachtete seine blutverschmierten Finger. Es war sein Blut, aber es war blau, tiefblau, wie Tinte. Sein Herzblut. Mako hatte auf sein Auge gezielt und sein Herz getroffen. „Habt ihr gehört?!“, rief Mako nun laut, so ohrenbetäubend, dass nach und nach alle anderen Geräusche verstummten. „Seid ruhig! Habt ihr das gehört??“ „Ich gebe auf“, wiederholte er etwas lauter. „Ihr habt das Vertrauen in mich verloren, und daher sehe ich mich nicht mehr in der Lage, diese Verantwortung zu tragen. Solange Mako keine-“ Weiter kam er nicht. Es gab ein schmatzendes Geräusch, als Mako seine Metallklaue gespreizt bis zu seinem unechten Ellbogen durch Manas Oberkörper rammte. Ohne ein einziges Mal mit der Wimper zu zucken. Mana verkrampfte sich, krümmte sich etwas zusammen, gab ein röchelndes Geräusch von sich und musste husten, spuckte dabei noch mehr blaues Blut auf den Boden. Er legte seine zittrigen Finger auf Makos Klaue und den Kopf in den Nacken. „Begeh keine weiteren Morde“, wisperte er mit brüchiger Stimme. „Nicht an deiner Rasse, Mako, nicht an deiner... Rasse...“ Er biss die Zähne zusammen und zuckte, als Mako ihm den einzigen Halt nahm, den er noch gehabt hatte. Der einstige Dämonenanführer spuckte noch etwas Blut, hielt seine Hände auf das faustgroße Loch in seinem Oberkörper gedrückt und sank erst auf die Knie, anschließend auf den Boden. Mako betrachtete angewidert seine mit königsblauem Blut verschmierte Klaue und wandte sich an einen der wie gelähmt herumstehenden Dämonen. „Gib mir deine Axt.“ Ein, zwei Schläge, und wenige Sekunden später hielt der finstere Dämon Manas Kopf an den Haaren hoch. „Er ist tot!“, rief er triumphierend. „Nun beginnt eine neue Ära! Wer sich uns nicht anschließt, wird augenblicklich getötet. Nun, wer ist dabei?“ ~*~ Daisuke stand an einem der hohen und schmalen Fenster und blickte hinaus. Nein, er sah nicht wirklich nach draußen, es wirkte nur so, in Wirklichkeit nahm er nichts wahr, was er von der Außenwelt hätte sehen können. Er stand nur da und versuchte nicht, sich zu beherrschen – es hätte ohnehin nichts gebracht. Er überraschte sich oft selbst mit seinen Perversionen, seiner Gleichgültigkeit oder seiner Stärke, aber in dieser Weise hatte er sich noch nie selbst erstaunt. Er hörte Schritte hinter sich, drehte sich aber nicht um, sondern schloss lediglich die Augen, als sich eine Hand vor ebendiese legte. „Glückwunsch“, flüsterte Daisuke. „Du bist wahrscheinlich der erste und letzte, der mich je weinend erlebt.“ „Ich bezweifle, dass ich mich darüber freuen sollte“, wisperte Hakuei zurück und schlang seinen anderen Arm um Daisukes Bauch, ehe er anfing, dessen Tränen wegzuwischen. „Wir haben verloren. Wir haben dadurch verloren, dass wir geglaubt haben, wir würden verlieren...“ „Nein, das ist es nicht alleine. Makos Leute sind um einiges besser als unsere. Jetzt wissen wir wenigstens, was er in den Jahren getan hat, in denen wir einfach nur unser Leben genossen haben. Wir hatten ohnehin keine Chance, und jetzt, wo Mana...“ Daisuke legte den Kopf in den Nacken und damit auf Hakueis Schulter. „Wir beide sind als nächstes dran. Nicht nur, weil wir von allen anderen noch die meiste Macht besitzen, sondern weil ich nicht nachgegeben und mich ihm nicht angeschlossen habe und du... weil du ihm seinen linken Arm geraubt hast, als ihr mich gerettet habt.“ „Aber dafür hat er ja einen schönen Ersatz gefunden“, knurrte der andere. „Meine Herren, wir wollen doch nicht gleich pessimistisch werden“, meldete sich da eine beinahe fröhlich klingende Stimme aus dem Hintergrund. Die beiden wandten sich alarmiert um, aber anstatt eines finsteren Handlangers von Mako erblickten sie einen Dämon, der ihnen beiden unbekannt vorkam. Er war ganz in schwarz gekleidet, aber in ein samtiges Schwarz, das eher an Seide erinnerte als an den matten Stoff, den Mako trug. Seine Haare waren ebenfalls schwarz, allerdings an den Spitzen leuchtend rot gefärbt und seine Augen unterschiedlich – eins gelbrot, das andere hellblau. Er machte einen irren Eindruck, wie er ohne Schuhe und freundlich lächelnd in der Tür stand und eine weiße Lilie in der Hand hielt. „Ich habe die Ehre mit ... wie war das noch gleich? Hakuei und Daisuke, nicht wahr?“, fuhr der Fremde fort und deutete eine offenbar spöttische Verbeugung an. „Du bist ein Gesetzloser“, stellte Hakuei fest. „Ach, in Zeiten wie diesen sollte man sich keine Gedanken mehr um dieses Problem machen, oder?“, winkte der Angesprochene ab. „Was gestern war, war gestern, und was heute ist, das zählt. Ich habe mich mein Leben lang geweigert, mich einem von euch zu unterwerfen, gut, aber dass ich jetzt bereit bin, euch zu helfen, zeigt doch mein eigentlich nobles Wesen, oder etwa nicht?“ Forschend musterte er sie, die Augenbrauen auffordernd gehoben. „Du willst uns helfen?“, wiederholte Hakuei skeptisch. „Und wie willst du das anstellen? Wer bist du überhaupt?“ „Ich heiße Gara. Ich war mein Leben lang für eine mehr oder weniger friedliche bis zweckmäßige Koexistenz von Dämonen und Menschen, daher kann ich die Geschehnisse in der letzten Woche nicht einfach ignorieren. Ein Krieg unter Dämonen lässt selbst uns Gesetzlose nicht kalt, und wir sind gezwungen, uns für eine Seite zu entscheiden – diejenige, bei der wir geschlachtet werden, oder diejenige, bei der wir mal so richtig die Sau rauslassen können. Und was meint ihr, welche wohl die meisten gewählt haben?“ Garas Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln. „Pff“, machte Daisuke. „Wie glaubwürdig. Du entscheidest dich als einziger anders als alle deine Kollegen. Das zieht nicht.“ „Nein, ihr versteht nicht“, widersprach Gara ihm sanft und trat einige Schritte auf sie zu. „Wir haben uns nicht diesem größenwahnsinnigen Spinner untergeordnet. Denkt darüber nach, weshalb wir wohl Gesetzlose sind, trotz des Risikos, jeden Tag von euren Leuten umgebracht zu werden. Weil wir uns keiner höheren Macht unterordnen wollen. Auch und vor allem nicht Mako. Wenn wir Anarchie wollen, dann richtig.“ „Und deswegen helft ihr uns, die euch seit jeher töten wollen“, bemerkte Hakuei spöttisch. „Genau. Weil wir natürlich eine Forderung haben: Sollten wir euch von Makos Herrschaft befreien, müsst ihr unseren Wunsch akzeptieren, ohne einen Repräsentanten zu leben. Mehr Bedingungen haben wir nicht – ihr dürftet eigentlich keine Einwände haben.“ Gara fuhr liebevoll mit den Fingerspitzen an einem Blütenblatt der Lilie entlang. Hakuei und Daisuke blickten sich an. In ihren beiden Gesichtern spiegelte sich Zweifel wider. „Ich glaub irgendwie nicht, dass es so einfach ist“, merkte Daisuke schulterzuckend an. „Wie wollt ihr das überhaupt anstellen?“, verlangte Hakuei zu wissen. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine kleine Gruppe von Vogelfreien...“ „Pass auf. Wir haben alle zwei Fähigkeiten, die unentbehrlich sind: Wir sind hinterhältig. Und wir sind anpassungsfähig. Es ist für uns ein Leichtes, uns in die Reihen der Dämonen zu schleusen, die Mako unterstützen. Genauso einfach wird es ein, Zweifel an ihm zu säen, das stellt überhaupt kein Problem dar. Ich bezweifle, dass er ein Heiliger, geschweige denn ein vorbildlicher Dämon ist. Wenn er davon Wind bekommt – umso besser! Dann werden die Dämonen anfangen, sich alle gegenseitig zu verdächtigen – Pech, wenn dabei auch mal einer von uns draufgeht, aber hauptsächlich werden dabei Unschuldige getötet werden. Und spätestens dann wird das Vertrauen in Mako verschwunden sein.“ Gara neigte den Kopf zur Seite, einen provokanten überlegenen Ausdruck im Gesicht. „Kurz: Ihr macht ihn bei seinen Leuten schlecht, die mögen ihn nicht mehr und wir können ihm das Auge nehmen“, fasste Daisuke zusammen. „Klingt eigentlich ganz logisch.“ „Ich kann ihm sein Auge auch selbst nehmen, wenn ihr das Risiko nicht eingehen wollt“, bot Gara an. „Aber ja, das ungefähr ist mein Plan. Und aufgrund unserer Forderungen haben wir uns direkt an euch gewandt – und weil wir wissen, dass ihr uns zustimmen werdet, da ihr selbst um euer Leben fürchtet. Ist es nicht so? Dieser Größenwahnsinnige ist hinter euch her. An eurer Stelle würde ich mich an jeden Strohhalm klammern, der mir hingehalten wird.“ „Du bist mir ziemlich unsympathisch“, warf Daisuke ein und sah aus den Augenwinkeln, dass Hakuei wirkte, als hätte er ihm am liebsten den Mund zugehalten. „Du kommst hier hin, erzählst uns, dass wir arme Würstchen sind, und zauberst TA-DA! die perfekte Lösung aus dem Ärmel. Für mich scheint das verdammt berechnend, aber ich geh eh nicht davon aus, dass ihr bescheuert seid. Im Gegenteil. Meinetwegen versuch, uns zu retten, und wenn es nicht klappt, haben wir auch nichts verloren, was nicht eh schon verloren gewesen wäre.“ Er zuckte fast gleichgültig mit den Schultern. Gara hob vielsagend die Augenbrauen. „Ich habe schon viel von dir gehört, und ich muss zugeben, dass keine Erzählung übertrieben war.“ „Ich fasse das als Kompliment auf“, erwiderte Daisuke pikiert. „Kannst du uns denn irgendwo verstecken?“, wechselte Hakuei elegant das Thema. „Natürlich. Wir haben an alles gedacht. Wir haben nur auf eure Zustimmung gewartet. Ach, da fällt mir ein – eine einzige Forderung habe ich noch.“ Nun schienen Garas Augen zu funkeln, und es sah nicht sehr vertrauenserweckend aus. „Wenn wir Erfolg haben und Mako töten können... will ich dich haben.“ Hakuei blinzelte einmal. „Mich?“ „Genau.“ Gara lächelte wieder. „Klar, du kannst ihn haben, ist ja nicht so, als hätten wir irgendeine Wahl“, winkte Daisuke schnell ab. „Können wir dann jetzt mal langsam gehen?“ „Gerne.“ Der Dämon betrachtete die Blume in seiner Hand, machte eine winzige Bewegung mit seinem Handgelenk und bleckte zufrieden die Zähne, als die Lilie urplötzlich in Flammen aufging. ~*~ „Mann, ist das ätzend, nicht mitkämpfen zu dürfen“, stöhnte Daisuke und streckte sich auf dem Sofa aus. „Und noch ätzender ist es, wenn man nicht weiß, wie’s ausgeht, ob alles gut läuft und wenn man einen AUFPASSER hat.“ Er sah vielsagend zu ebenjenem hin und schnitt eine Grimasse, als dieser nicht reagierte. „Und dabei wäre ich so gerne bei dem finalen Kampf dabei gewesen... so wie Hakuei. Der darf Gara natürlich helfen. Aber wundert mich nicht, er ist schon seit Wochen hinter seinem hübschen Arsch her. Und glaubt, ich würde es nicht bemerken. Auf jeden Fall stellt sich höchstwahrscheinlich gerade heraus, ob die Dämonen eine Zukunft haben oder nicht. Was hältst du von dem Ganzen, hm?“ Der Angesprochene zögerte einige Augenblicke. „Ich... weiß nicht. Natürlich bin ich dafür, dass... Gara gewinnt. Aber...“ „Aber? Warum aber?“ Daisuke horchte auf. „Ich... sollte nicht darüber sprechen.“ „Wenn du’s mir verrätst, blas ich dir einen.“ Der Dämon starrte ihn etliche Sekunden entgeistert an. „...was?“ „Ernsthaft. Ich kann ja schon mal anfangen, und du erzählst mir dabei von dem, was du sagen wolltest.“ Zufrieden, endlich eine Beschäftigung gefunden zu haben, stand Daisuke auf und ließ sich vor seinem Aufseher zwischen dessen Beinen nieder. Damit kriegt man sie immer, dachte er, Sex und Fressen. Das zieht. „Na ja, ich... denke, einige wären froh, wenn sie Gara los wären. Vor allem die ‚Gesetzlosen’, wie ihr uns nennt“, antwortete der andere Dämon, merklich abgelenkt. „Ach ja? Warum?“ „Ihr behauptet, dass wir gesetzlos wären, aber da irrt ihr euch gewaltig. Wir haben Gesetze. Garas Gesetze.“ „Ist er so hochgestellt bei euch?“ Daisuke machte sich daran, die Hose des anderen zu öffnen. „Wir haben uns das nicht ausgesucht. Nachdem er erst einmal bei uns aufgetaucht war, hat er uns alle gezwungen, unter seiner Fuchtel zu stehen – diejenigen, die sich geweigert haben, hat er ... ‚überzeugt’.“ „Ah. Und wie?“ „Das... willst du nicht wissen.“ Daisuke zuckte mit den Schultern. „Dann eben nicht.“ „Aber das ist noch nicht alles. Er hat nicht nur diesen Drang, über alles zu herrschen, was unter ihm steht... er ist auch noch ein Pyromane.“ Das wird ja immer lustiger, dachte Daisuke, Ein Feuerdämon, der es liebt, Sachen anzufackeln. „Er zündet gerne mal ein paar Dämonen an, wenn die ihm blöd kommen... und er ist stark. Er ist so stark, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich glaube, er ist auch schon keine Ahnung wie alt. Und ... aber nein, das sollte ich wahrscheinlich wirklich nicht sagen.“ Daisuke bleckte sein Gebiss für einen Moment. „Ich habe scharfe Zähne“, merkte er freundlich an. „Und ich scheue nicht, sie zu benutzen.“ Der andere Dämon zögerte noch immer. „Es... sind Gerüchte aufgekommen, dass er zwar keine Menschen frisst... aber dafür Dämonen.“ Es passierte am gleichen Ort, wo Mana gestorben war. An dem Ort, wo bereits viele wichtige Entscheidungen getroffen worden waren: Im Runden Saal. Vom Tisch in der Mitte war von der Tür aus nichts zu sehen, dafür war der Raum zu vollgestopft mit Dämonen jeglicher Art; denen, die Mana, Hakuei, Daisuke und Mako unterstellt gewesen waren, und dazu noch die Gesetzlosen. Dafür stand jemand auf dem Tisch in der Mitte, die Haarspitzen genauso feuerrot wie die Augen und ein irres Grinsen im Gesicht. Sämtliche Dämonen johlten, brüllten und riefen seinen Namen. Er wirkte wie ein Gott, das musste Daisuke zugeben. Und eigentlich war er auch erleichtert, Mako los zu sein, er erinnerte sich nur noch allzu deutlich an das, was dieser ihm angetan hatte, aber es gefiel ihm trotzdem nicht, was er sah und hörte. Selbst seine Leute hatten keinen einzigen Blick für ihn übrig. Sämtliche Aufmerksamkeit galt Gara, ihrem Befreier, wie sie ihn nannten. „Seid ruhig!“, rief er und hob seine blutverschmierten Hände – Daisuke bemerkte einige tiefblaue Spritzer in dem ganzen rot. „Ruhe!“ Es dauerte eine Weile, bis alle gewillt waren, ihm zuzuhören, aber dann herrschte fast absolute Stille. Gara drehte sich einmal um die eigene Achse, sichtlich zufrieden mit sich und der Welt. „Mako ist tot!!“, schrie er dann und riss einen Arm in die Höhe. Begeistertes Gegröle von allen anderen Dämonen. „Eine neue Ära von Dämonen beginnt!!“ Erneut Gejohle. „Ihr habt mich als euren zukünftigen Herrscher gewählt, auf dass ich ALLE Dämonenvölker vereine – die des Nordens, des Südens, des Westens und des Ostens sowie die Gesetzlosen!!!“ Dieses Mal war das Getöse ohrenbetäubend. Daisuke schüttelte kaum merklich den Kopf. Was sollte das? Was sollte das hier? Er kam hierhin, in Erwartung von erleichterten Dämonen, die endlich Frieden haben wollten, und traf auf mordlüsterne Jasager, die die Köpfe ihrer Feinde rollen sehen und Gara als ihren Anführer wollten. Da konnte doch irgendetwas nicht richtig sein. Und wo zur Hölle war Hakuei? „Und das werde ich tun! Ich werde uns vereinen und ein neues Zeitalter beginnen, eines, in dem es nicht darum geht, dass wir die Menschen umbringen, sondern sie zu unserem Nutzen einsetzen!“, fuhr Gara laut fort und grinste breit, wodurch er seine spitzen Zähne entblößte. „Wir werden aktiv auf die Menschen zugehen, ihr Leben zerstören, sie vereinsamen und verwahrlosen, sie einen riesigen Hass auf ihr Leben und alle anderen Mitmenschen sammeln lassen – und sie dann töten! Wisst ihr, was dann passieren wird? Wir werden eine schier unbeschreibliche Anzahl erreichen! Wir werden immer mächtiger und immer mehr werden!! Selbst wenn jeder von euch nur einen Menschen ‚bekehrt’ und ihn zu uns stoßen lässt, verdoppelt sich unsere Zahl dadurch – wisst ihr, was wir mit so einer Macht ausrichten können?“, schrie er gegen das immer lauter werdende Gejubel an. „Irgendwann werden wir genug sein, um die Menschen zu UNTERWERFEN! Wir werden sie nicht ausrotten, aber wir werden über sie herrschen! Dann werden sie sehen, welche Rasse die stärkere ist!!“ Zur Unterstreichung seiner Worte ließ er noch eine meterhohe Stichflamme zur Decke jagen und schnipste einmal, sodass die schwebenden Kerzen sich entzündeten. Aber so, wie er das Feuer kontrollieren konnte, schien er auch auf das daraus resultierende Licht Einfluss nehmen zu können – es bündelte sich und floss stetig auf ihn herab, sodass er beinahe wie eine Erscheinung wirkte. Die Dämonen jubelten, klatschten und lärmten völlig hingerissen und selbstvergessen vor sich hin, es war ein Wunder, dass niemand anfing zu randalieren. „Seht her! Seht alle her!!“ Mit viel Trara lieh Gara sich ein Messer von einem der umstehenden Dämonen, hielt es sich vor das Gesicht und lächelte. „Rot oder blau?“, wollte er feixend wissen. Natürlich bekam er unzählige Rufe aus seinem Publikum, aber die meisten waren sich einig. Also wanderte die Spitze der Klinge vor Garas linkes Auge, das hellblaue, verharrte dort einen Moment und stach dann zu. Das Blut spritzte bis auf die vorderen Reihen, als er es mit einem Ruck wieder herauszog, aber er verzog keine Miene, sondern lächelte die ganze Zeit, als wäre das Ganze lediglich eine Vorstellung und nur Illusion. Und mit einem Mal begann sein linkes Auge zu leuchten, heller als alles Licht um ihn herum, so strahlend hell, dass alle ihren Blick abwenden mussten. Das Auge. Mir wird schlecht, dachte Daisuke, Ich kotz gleich jemanden an. Er drehte sich um und verließ fast fluchtartig den zum Bersten gefüllten Raum. Eine Weile irrte er durch die Gänge, bis er sich dazu entschloss, sich seinen Trieben hinzugeben. Er spürte, wie sein Blut in Wallung geriet, seine Zähne spitzer und seine Fingernägel länger wurden, und musste dem Drang widerstehen, an der nächstbesten Wand hochzuklettern. Trotzdem erreichte er sein Ziel: Er nahm Hakueis Spur auf, konnte ihn selbst in diesem unheimlich dominanten Geruch von Mana ausmachen. Wie viele sind bis jetzt gestorben?, fragte er sich, während er durch das große Gebäude eilte, Mana, Mako, all die Dämonen... nur ich bin noch am Leben. Keine gute Ausgangssituation. Er stieß die Tür auf und wurde mit einem etwas befremdlichen Anblick konfrontiert: Hakuei saß auf dem kalten, nackten Steinboden und wirkte fast schon resigniert. Als er den Blick hob, zeigte sich eine seltene Emotion in seinem Gesicht: Angst. „Daisuke, verschwinde“, zischte er leise. „Warum? Hast du grad keine Lust auf meine Gesellschaft?“, erwiderte Daisuke schulterzuckend. „Nicht mein Problem.“ Er ging auf den anderen zu und bemerkte erst dann, dass Hakueis eine Hand an die Wand gekettet war. Mit einer ziemlich dicken Kette. „Hey, hat er sich dich für später aufgehoben? Wir haben übrigens-“ „Ich hab gesagt, du sollst abhauen!“ „Er hat Mako umgebracht. Selbst mit seiner Monsterklaue hat er keine Chance gegen ihn gehabt. Und wie’s aussieht, hat er sich jetzt zum Diktator ernannt.“ „Ich mein’s ernst!!!“ „Zeig doch mal ein bisschen Freude, Hakuei. Wir sind Mako los.“ „Ja, und zu welchem Preis?“, fauchte der größere Dämon und blickte zu seiner anderen Hand. Oder vielmehr, was davon übrig war. Daisukes Herz blieb für einen Moment stehen. Statt einer normalen Hand hatte Hakuei fast nur noch abgenagte Knochen, einige waren bereits zu Boden gefallen, um sein Handgelenk herum war sein Fleisch sorgfältig abgeknabbert worden, sodass es wirkte wie ein Armstumpf, aus dem noch eine Skeletthand herausragte. „Was zur...“ Mit einem Knall fiel die Tür hinter ihm zu. Jemand schnipste einmal und schlagartig erhellte der kleine Raum sich. Daisuke drehte sich langsam um und brauchte einige Sekunden, um Garas Gesicht hinter der Flamme in seiner Handfläche zu erkennen. Er trug eine Augenbinde über seinem linken Auge. „Die Vorspeise war vorzüglich“, schnurrte der Feuerdämon und lächelte. „Gut, dass sich keiner wundert, was mit seiner Leiche passiert ist. Hast du schon meine Sammlung gesehen?“ Er drehte sich um und hob die Hand, um die Wand hinter sich zu erleuchten. Daisuke traute seinen Augen kaum. Insgesamt zwei Augen starrten ihn an, leblos, kalt. Das eine Auge gehörte zu Mako, dessen Kopf – wie der andere auch – in Formalin eingelegt war. Er hatte noch immer einige blaue Blutspritzer auf der Wange und wirkte, als sei er noch nicht tot, sondern habe lediglich seinen Körper verloren. Mit dem anderen war es das gleiche. Das zweite Auge gehörte zu Mana. „Eure Köpfe werden sich wundervoll neben diesen beiden hier machen“, seufzte Gara schwärmerisch. „Eigentlich wollte ich ja nur Hakueis, aber wo du schon einmal hier bist, kann ich auch gleich noch etwas mit euch spielen.“ ~*~ Ruthless Demons. ---------------- Kapitelrating: NC-17 ~*~ „Was? Wie, er ist weg?“ „Na ja, er ist-“ „ER IST WEG???“ „Wir wissen auch nicht, wie-“ „Das ist völlig unmöglich!! Er war nicht nur ausgehungert, sondern auch geschwächt, das ist völlig-“ „Er muss sich wohl selbst befreit haben, er-“ „Halt die Fresse, Loki, dich hat keiner gefragt! Sei froh, dass du überhaupt noch an meiner Seite sein darfst und ich dich nicht umgebracht habe, wie deinen vorherigen Anführer!“ „...“ „Findet ihn! ICH SAGTE, FINDET IHN!! DURCHKÄMMT JEDEN EINZELNEN ORT, AN DEM ER SEIN KANN! WENN ER NICHT INNERHALB VON EINER WOCHE GEFUNDEN IST, GIBT ES TOTE!!!“ „Warum bist du so versessen darauf, ihn-“ „UND JETZT HALTET ALLE DIE FRESSE!“ ~*~ Ob man vergessen konnte? Natürlich konnte man vergessen – was für eine Frage. Man vergaß ständig Dinge, manchmal bemerkte man, dass man sie vergessen hatte, manchmal nicht. Wobei man das nicht so genau sagen konnte – man erinnerte sich ja nicht. Nein, die Frage war nicht, ob, sondern: Was? Ob man verdrängen konnte? Natürlich konnte man verdrängen. Man zwang sich, nicht daran zu denken, aber je länger man nicht daran dachte, desto mehr geriet es in Vergessenheit, und dann konnte es zu zwei unschönen Ereignissen kommen: Man vergaß es. Oder man erinnerte sich ganz plötzlich wieder, durch ein winziges Detail, durch irgendein Wort, das man hörte... durch eine Kleinigkeit. Oder es war einfach die ganze Zeit präsent, obwohl man sich zwang, immer wieder an etwas anderes zu denken, wenn man sich erneut erinnerte. Man war abgelenkt, aber es war trotzdem immer DA, immer anwesend, wie ein bedrohlicher dunkler Schatten im Hintergrund, der einfach nicht verschwinden wollte, aber das Licht war zu schwach, um ihn zu verjagen. Ob man vergeben konnte? Natürlich konnte man vergeben. Ohne Probleme. Irgendwann sagte man sich selbst, dass es einen ohnehin länger nicht beschäftigt hatte, und man tat es ab, man nahm vielleicht eine Entschuldigung an oder vergaß es einfach wieder. Konnte er vergessen? Nein, konnte er nicht. Würde er nicht. DURFTE er nicht. Er musste es in seinem Herzen tragen, in seinem Herzen, das vor Narben kaum noch schlagen konnte. In seinem malträtierten, verkrüppelten, verhärteten, tauben Herzen. Er würde nicht vergessen. Konnte er verdrängen? Zeitweilig. Wenn er abgelenkt war – und das war nicht oft. Wenn er sich darauf konzentrierte, was er als nächstes tun wollte, was er essen würde. Wenn er sich auf Bücher oder Filme oder Menschen oder Natur konzentrierte. Aber das ging nicht oft. Er konnte nicht dauerhaft verdrängen, es kam immer wieder, alles, einzelne Teile, besondere Worte, bestimmte Szenen. Manchmal brach das Ganze einfach so über ihm ein und er fühlte sich hilflos, konnte nichts tun. Konnte er vergeben? Niemals. Niemals, niemals, niemals, niemals, niemals. Niemals in seinem ganzen Leben, niemals, selbst wenn er noch tausend Jahre leben würde. Er trug eine Wut mit sich herum, eine unauslöschbare Wut, einen unendlichen Zorn, eine fast lähmende Rage, eine überwältigende Rachsucht. Er hatte aufgehört, sich um Gefühle wie Zuneigung, Stolz, Selbstzufriedenheit und Genügsamkeit zu scheren. An dessen Stelle war beißender Spott getreten, Verachtung für das Leben, Verbitterung, Enttäuschung. Und Hass. Brennender, glühender, lodernder Hass. Er würde niemals vergeben können. Niemals vergessen. Niemals verdrängen. Höchstens, wenn diese Wut in ihm endlich gestillt worden war. ~*~ Er schritt die Straße entlang, ohne ein bestimmtes Ziel, ohne einen bestimmten Ausgangspunkt, ohne eine bestimmte Intention. Er war verloren, und so fühlte er sich auch. Er hatte keine festen Größen mehr in seinem Leben, fast keine Grenzen, keine Hemmungen. Und dennoch wusste er nichts mit sich anzufangen. „Hey, warte mal!“ Er reagierte nicht. Er kannte die Stimme nicht, und es war ihm auch egal. „Du bist doch Daisuke, oder?“ Waren sie nun endlich gekommen, um ihn zu holen? „Der Anführer der Dämonen des Südens?“ Das war’s. Er blieb stehen und drehte sich um, fixierte seinen Verfolger finster. „Erstens: So hat mich keiner seit über zehn Jahren mehr genannt. Zweitens: Das hat auch seinen Grund!“ Sein Gegenüber zögerte. Es war ebenfalls ein Dämon, und er war komplett in schwarz gekleidet. Seine Augen hatten unterschiedliche Farben: Das eine schwarz und das andere weiß, mit einem breiten dunklen Rand um die Iris. Wenn es auf der Welt so wäre, dann könnte man ganz leicht die ‚Guten’ von den ‚Bösen’ unterscheiden – und die Guten wären trotzdem von den Bösen umzingelt, dachte Daisuke, Ich sollte mit dem Interpretieren aufhören, vielleicht wär die Welt dann schöner. „Mir wurde vor über zehn Jahren prophezeit, dass der nächste, der mich bei diesem Titel nennt, mein Mörder sein wird“, fuhr Daisuke fort und merkte, wie sich der Adrenalinpegel in seinem Blut langsam erhöhte. Seine Zähne wurden bereits spitzer. „Derjenige, den ich umbringen will, bist du nicht“, entgegnete der Dämon vor ihm. „Ach?“ Daisuke zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Und was willst du dann von mir?“ „Du musst mir helfen. Du bist der einzige, der das kann und der es auch tun wird.“ „Was macht dich so sicher?“ „Ich will Gara umbringen.“ Daisuke bleckte die Zähne, als er diesen Namen hörte, und musste sich beherrschen, den anderen nicht anzuspringen. „Warum? Irgendwie ist das nicht sonderlich glaubwürdig.“ „Reicht es nicht, dass ich es will? Musst du unbedingt wissen, warum-“ „Hör zu. Weißt du, wie dieser Dreck an die Macht gekommen ist? Er hat erzählt, er würde Mako töten und dann weiter als Gesetzloser leben wollen. Und du siehst, was daraus geworden ist – ein Diktator, wie es ihn bei den Menschen niemals geben könnte. Und die Dämonen lieben ihn. Es werden ja auch immer mehr, immer mehr, immer mehr, du kannst gar nicht so schnell schauen, da sind es schon wieder hundert mehr... Es ist widerlich. Kannst du verstehen, dass ich nicht einfach auf ‚ich will ihn schlachten’ mit ‚au ja, lass uns gleich anfangen’ reagiere!?“ Daisuke fauchte inzwischen, und er wusste, dass er mal anders gewesen war. Aber er wusste genauso sehr, dass er nun allen Grund dazu hatte, so zu sein, wie er war. Trotzdem verabscheute er das, was aus ihm gemacht worden war. „Natürlich. Ich... bin nur froh, dass ich dich endlich gefunden habe. Ich bin Kirito, und du wirst mich wahrscheinlich genauso wenig kennen wie Gara, bevor er an jenem Tag bei dir auftauchte...“ „An deiner Stelle würde ich aufpassen, mit wem ich mich vergleiche.“ „Aber man kann Gara und mich vergleichen. Sogar ziemlich gut. Wir waren beide Gesetzlose. Er war mein großes Vorbild. Ich wollte so werden wie er damals.“ Daisuke seufzte einmal tief und legte den Kopf in den Nacken, blickte zu den Sternen hoch. Das Weltall war etwas, das er niemals verstanden hatte. Und er war sich nicht sicher, ob irgendwer es verstand. „Mit jedem Satz, den du sagst, wirst du mir unsympathischer. Das ist dir bewusst?“ Kirito senkte den Blick. „Menschen können sich ändern, Daisuke. Weshalb nicht auch Dämonen?“ „Menschen ändern sich nur oberflächlich. Obwohl sie anders handeln, tief in ihrem Innern denken sie genauso wie vorher. Dämonen ändern sich nicht einmal oberflächlich. Sie werden zu Dämonen gemacht, und das bleiben sie ihr Leben lang.“ Der andere betrachtete ihn fest. „Du hast dich doch auch verändert, nicht wahr? Du willst mir nicht erzählen, dass du jetzt genauso bist wie vor hundert Jahren. Man verändert sich stetig, ohne dass man es merkt – dadurch, dass man immer neue Erfahrungen macht, entwickelt man sich doch weiter.“ „Aber bei mir waren es einige... einschneidende Erlebnisse. Das war eine Ausnahme“, bemerkte Daisuke und betastete unwillkürlich die Narbe quer über seinem rechten Auge. Inzwischen konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie es war, mit zwei Augen sehen zu können. „Ach ja? Dann sieh mal.“ Kirito strich sich die Haare hinter das... nein, nicht hinter das Ohr. Er strich die Haare einfach nur zurück, denn da war kein Ohr mehr. Nur noch eine genauso hässliche Narbe wie in Daisukes Gesicht. „Und schau.“ Er hielt seine linke Hand hoch, und da erst bemerkte Daisuke, dass dort zwei Finger fehlten. „Und jetzt sag mir ins Gesicht, dass das nicht zählt und ich mich demnach nicht habe ändern können.“ Daisuke war eine Weile still. Sein Herz pochte, nicht schnell, aber dafür kräftig, er konnte das Blut in seinen Adern rauschen spüren. Hier war jemand, der ihn nicht tot sehen wollte. Der ebenfalls misshandelt worden war. Der das gleiche Ziel hatte wie er selbst. Er schwieg, und irgendwann setzte er sich auf den Boden, sagte ein einziges Wort: „Erzähl.“ „Es ist lange, sehr lange her. Mana war zwar bereits Vorsitzender, aber es ist trotzdem eine ziemliche Zeit her. Wie lange, weiß ich nicht genau, aber es werden wohl so... warte mal...“ „Komm zum Punkt!“ „Na ja, jedenfalls war ich jung. Sehr jung. Blutjung, sozusagen. Ich war noch rebellisch und wollte mich niemandem unterwerfen, von daher entschied ich, mich einigen Ungesetzlichen anzuschließen. Eine Gruppe von jungen Meuterern, die sich die meiste Zeit gegenseitig verprügelten, um ihre Kräfte auszutesten. Ich fühlte mich wohl. Einer davon fiel mir gleich zu Anfang auf. Er ließ sich nie auf Schlägereien ein, saß immer-“ „Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit.“ „Ja. Auf jeden Fall... Gara hat nie mitgemacht. Ich hab ihn einmal gefragt, warum, und er meinte, dass er ohnehin gewinnen würde. Ich glaubte ihm nicht, und alle anderen auch nicht, und eines Tages forderte ihn jemand heraus. Ich glaube, ich muss nicht viel erklären, hinterher war er jedenfalls geröstet und Gara in unserem Respekt gestiegen. Ich beschäftigte mich immer mehr mit ihm, und ich kann sagen, dass wir befreundet waren, bis zu dem Punkt, an dem er mir sein Geheimnis anvertraute: Manchmal konnte er Stimmen hören. Stimmen, die ihm sagten, was er machen sollte, was er zu sagen, zu tun, zu denken und zu fühlen hatte. Und, meinte er, seit Längerem sagten ihm diese Stimmen, dass er mich töten sollte. Weil er mich liebte. Das war seine Begründung – er würde diejenigen töten, die er liebte.“ „Nett.“ „Von diesem Tag stammt diese Narbe.“ Kirito schob sein Oberteil so weit hoch, dass eine sehr große Narbe neben seinem Bauchnabel sichtbar wurde. „Später versuchte er noch einmal, mich umzubringen...“ Er zog seinen Kragen tiefer; die dazugehörige Narbe zog sich einmal über seine ganze Kehle und war relativ dünn. „...und danach ist er Hakuei begegnet. Mehr durch Zufall. Es dauerte nur Sekunden, da hatte Hakuei ihn bereits in seiner Gewalt – hauptsächlich durch den Überraschungsmoment. Gara fragte ihn, ob er jetzt getötet würde und dass er darüber froh wäre, da dies bedeutete, dass Hakuei ihn liebte. Hakuei aber meinte, dass er diejenigen respektiert, die er tötet – und genau deshalb würde er Gara am Leben lassen. Von diesem Tag an liebte Gara ihn.“ „Was für ein kranker Wichser.“ Daisukes Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Allein diesen Namen zu hören schmerzte bereits, denn er hatte ein unendliches Echo in seinem Kopf, einen Widerhall, der begleitet wurde durch Bilder und Empfindungen. Hakuei. Hakuei. Hakuei. Hakuei. Hakuei... „Danach hat sich seine Auffassung von Liebe allerdings geändert. Er hat umgeschwenkt vom Töten.... Nein. Anders. Er war der Ansicht, dass er seine Liebe einer Person gegenüber dadurch ausdrücken konnte, dass er sie...“ „Auffrisst“, knurrte Daisuke und merkte, wie seine Finger begannen zu zittern. Ganz ruhig, dachte er sich, Hör einfach weiter zu und denk nicht weiter darüber nach. Kirito betrachtete ihn einen Augenblick milde erstaunt. „Ja... das wusstest du?“ „Was glaubst du, was mit meinem Auge passiert ist? Nein, nicht einfach nur ausgestochen... das wäre ja langweilig.“ Er wandte den Blick ab, bevor er fortfuhr. „Da er... mich noch immer liebte, fraß er ... mein Ohr, meine Finger, einige meiner Zehen und... ein Stück meiner Schulter. Ich habe heute noch eine Bisswunde in der Seite, sie will einfach nicht verschwinden, sie erneuert sich immer wieder von selbst, sodass ich ihn nicht einmal vergessen kann, selbst wenn ich es wollte. Ich kann von Glück sagen, dass ich heute noch lebe. Damals bin ich vor ihm weggelaufen, habe mich versteckt. Später, als er die Macht über die Ungesetzlichen ergriff, musste ich mich sogar doppelt verstecken: Einmal vor euch und dann auch noch vor ihm. Ich hatte echt nichts zu Lachen zu dem Zeitpunkt.“ „Wir wollen jetzt nicht nostalgisch werden.“ „Ja. Auf jeden Fall... habe ich erst zu spät begriffen, was ihr uns Dämonen eigentlich geboten habt. Unter eurer Herrschaft gab es keinen Mord und Totschlag, wir lebten alle in Frieden, das Risiko, von den Menschen entdeckt zu werden, war minimal, und wir konnten trotzdem ein gutes Leben führen. Wir wurden zu nichts gezwungen... was für ein Luxus. Nur leider die Art von Luxus, die man erst richtig zu schätzen weiß, wenn man sie verliert. Erst gab es diesen schrecklichen Dämonenkrieg, und dann kam Gara auch noch an die Macht. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich in dem Moment gefühlt habe? Eine frühere Liebe von mir, ich habe ihn geliebt, jemand, der mich hatte zuerst umbringen und dann auffressen wollen... Und so jemand wurde der alleinige Herrscher aller Dämonenvölker zusammen? UND dann auch noch der Gesetzlosen?“ „Wir hatten keine Wahl. Mako hatte Mana... getötet, und wir wären die nächsten gewesen“, murmelte Daisuke, der auf einmal das unangenehme Gefühl hatte, sich rechtfertigen zu müssen. „Wären wir gestorben, dann wäre Mako der neue Anführer gewesen, und er hätte direkt einen Krieg mit den Menschen angefangen. Das konnten wir nicht riskieren. Und dann tauchte er auf, ein unbekanntes Gesicht, und präsentiert uns einen perfekten Plan... hatten wir eine Wahl?“ „Nein, natürlich nicht“, winkte Kirito gleich ab. „Wie ich es erfahren habe, hat Makos engster Vertrauter, Loki, ohnehin gemeinsame Sache mit Gara gemacht, deshalb ist er auch in dessen Regime gleich auf so hohem Posten eingestiegen – wobei einen das natürlich stutzig machen sollte, wenn ein Handlanger des einen plötzlich komplett die Seite wechselt... Na ja. Ich hatte noch Hoffnung, dass ich es mit euch beiden schaffen könnte, ihn gleich zu Anfang zu stürzen... aber er hat sofort das Auge bekommen. Natürlich, ein scheinbar junger, aufstrebender und heißblütiger Kämpfer ist immer bei den Dämonen beliebt. Und dann ist Hakuei auch noch von ihm umgebracht worden... ich wollte bereits alle Hoffnung aufgeben, aber du konntest fliehen. Ich frage mich heute noch, wie du das geschafft hast.“ „Ich mich auch. Aber ich glaube, ich habe eine Antwort: Ich bin einfach zu dem geworden, was ich war, seit ich aus meinem Grab wieder hervor gekrabbelt bin. Ein Dämon.“ Daisuke lehnte sich etwas nach hinten, um den Mond über einem der hohen Hausränder betrachten zu können. „Die Befürchtung, bei lebendigem Leib... Nein. Das konnte ich nicht ertragen, also bin ich vollkommen durchgedreht. Und dann...“ Er brach ab und bekam unwillkürlich einen Würgereiz. Er betastete erneut seine Narbe im Gesicht und zwang sich, ruhig weiterzuatmen, aber mit einem Mal schossen diese Bilder wieder auf ihn ein, diese schrecklichen, unglaublichen, widerlichen Bilder. Er konnte sich selbst sehen, vollkommen verzweifelt, so verzweifelt, dass er alles getan hätte, um diesem Horror zu entkommen... und er hatte alles getan. Alles. Jeden erdenklichen Scheißrest. Und das Resultat war nun deutlich zu sehen: Er widerte sich selbst an. Er war nicht mehr fähig, sich im Spiegel anzusehen. Kirito betrachtete ihn nachdenklich. „Ich glaube, es wäre besser, wenn ich nicht gefragt hätte. Verzeih mir.“ „Was sagst du? Zeigen wir diesem Bastard, wie sich ein wirklicher Alptraum anfühlt?“ ~*~ Es war schwarz gewesen, schwarz wie die Nacht, schwarz wie die Dunkelheit – aber noch viel schwärzer. Es war das schwärzeste Schwarz, das Daisuke jemals in seinem ganzen Leben gesehen hatte. Es wirkte, als würde es alles Licht um sich herum in sich aufsaugen, das Licht der Kerzen zumindest hatte es angezogen und es war in ihm verschwunden. Daisuke hatte es nur in strahlend weiß gekannt, weißer als alles, weißer als Schnee, weißer als Sonnenlicht. Aber nein, es war schwarz gewesen. Gara hatte schon seit Langem das Vertrauen seiner Dämonen verloren. Vielleicht war sein Auge deshalb schwarz gewesen. Seit einigen Jahren genoss Gara nicht mehr das Ansehen, das ihn einst zum Herrscher gemacht hatte – kein Wunder, er begann auch die Kontrolle zu verlieren. Er konnte die neuen Dämonen nirgendwo unterbringen, es waren viel zu viele, er musste sich um alle gleichzeitig kümmern. Er musste ihnen beibringen, wie sie ihre Fähigkeiten einsetzten, dass die Menschen sie nicht sehen durften, und so weiter und so fort. Langsam, ganz langsam, war ihm die Herrschaft aus den Fingern gerutscht. Oder vielleicht weil seine Seele so tiefschwarz gewesen war. Es hatte niemals einen grausameren, skrupelloseren, gerisseneren, machtgeileren und vor allem brutaleren Herrscher gegeben. Es hätte beinahe harmonisch sein können. Sie standen nebeneinander auf der großen Steintreppe, die in den Empfangssaal führte, und blickten auf das Inferno vor ihnen. Es war eine riesige Feuerwand, und das meiste Feuer loderte rubinrot, ein völlig unnatürliches Phänomen. Unvorstellbar, dass dieses flammende Gebilde vor wenigen Minuten noch ein vollständiger Dämon gewesen war – ein Feuerdämon zwar, aber dennoch war es widernatürlich. Abnormal. Aber sie hatten sich eigentlich auch denken können, dass jemand wie Gara niemals einen normalen Abgang für sein Ende gewählt hätte. „Ist es vorbei?“, fragte Kirito leise und ließ sein Schwert auf den Boden fallen. Von Loki war keine Spur mehr, aber das war an sich nicht verwunderlich – höchstwahrscheinlich hatte er die Schnauze voll von gierigen und größenwahnsinnigen Herrschern, denen er dienen musste. Vielleicht hatte er sie deshalb beide verraten: Mako wie Gara. „Scheint so“, entgegnete Daisuke ruhig, aber er wusste dennoch, dass es niemals vorbei sein würde. Niemals. Die kommenden Generationen würden diese ganzen Erlebnisse berichtet bekommen, sie würden ganz bestimmt aufgeschrieben werden und als Lehre verwendet. Und die jetzige Generation würde voraussichtlich noch einige Jahrzehnte bis –hunderte leben. Nein, es würde niemals vorbei sein. In ihren Herzen nicht, und ganz besonders nicht in Daisukes. Ganz besonders in seinem nicht. „Was glaubst du, werden sie sagen, wenn sie herausfinden, dass du als Ausgestoßener, Flüchtiger und einstiger Anführer des Südens zusammen mit einem Gesetzlosen wie mir... dass wir zusammen eine Plage beseitigt haben?“, fragte Kirito weiter und warf dem anderen einen Seitenblick zu. Sie werden überhaupt nichts sagen, dachte Daisuke, Und wenn doch, will ich es nicht erleben. Mit der Schuld, die ich auf mich geladen habe... „Ich bin mir sicher, dass die Dämonen von nun an etwas vernünftiger sein werden und für ein demokratischeres System plädieren.“ Ja und?, dachte er und schüttelte leicht den Kopf, Was interessiert’s mich? „Und ich denke, ich kenne mindestens einen, der kräftig mitmischen werden kann.“ Kirito berührte seine Hand für einen Augenblick. Daisuke senkte den Blick und befühlte die Narbe über seinem Auge. „Ich auch“, entgegnete er und sah den anderen mit seinem verbliebenen Auge an. „Und ich werde es ganz bestimmt nicht sein.“ In Kiritos vorher von Endgültigkeit sprechenden Gesichtsausdruck mischte sich Verwirrung. „Was... warum nicht?“ Der andere Dämon legte ihm eine Hand auf die Wange, eine sanfte Geste, die er früher niemals getan hätte, aber er fühlte, dass genau das in diesem Moment benötigt wurde. „Vergiss mich einfach. Vergiss, dass du mich getroffen hast. Vergiss, dass du dich in mich verliebt hast, genau wie in Gara. Das kann nicht gut gehen. Vor allem bei dem nicht, was ich schon hinter mir habe. Also... vergiss mich bitte.“ Und während Kirito noch immer versuchte, diese Worte zu verstehen, setzte Daisuke sich in Bewegung, stieg die erste Treppenstufe hinab, dann die zweite. Die dritte. Die vierte. Eine Bilderflut überspülte ihn und schwemmte ihn hinweg. Mit einem Mal befand er sich wieder in Garas Gefangenschaft, zusammen mit Hakuei. Er wusste wieder ganz genau, mit welchem Organ Gara angefangen hatte: Einer Niere. Die konnte man ohne Probleme entbehren. Er konnte sich an Hakueis Gesichtsausdruck erinnern, an dessen flatternde Augenlider, als er gegen den Schmerz ankämpfte – das musste man ihm lassen: Er schrie kein einziges Mal. Nicht, als Gara ihm die Zunge abbiss, nicht, als er das Fleisch von seinen Oberarmen nagte, nicht, als er vor Hakueis Augen dessen Leber verspeiste. Das einzige Mal, an dem Hakuei am Rand des wirklichen Zusammenbruchs stand, war, als Gara sich über Daisukes Auge hermachte – quasi als Kostprobe. Daisuke spürte erneut die Ohnmacht, die Leere, den Horror, den Schock, die Wut. Alles zusammen. Alles verband er mit Garas Gesicht, seinem Grinsen, seiner dunklen Augenklappe und seinem roten Augen, und das wiederum verband er mit Feuer. Gara war ein einziges Feuer, das alles aus seiner Umgebung verbrannte. Aber er hatte nicht verbrannt werden wollen. Er hatte sich gegen dieses Feuer aufgelehnt. Am Tag, an dem Hakueis Kopf zu Makos und Manas in die Reihe neben der Tür gestellt wurde, fasste Daisuke den Beschluss zu fliehen. Er würde es tun, er würde es schaffen, und er würde irgendwann zurückkehren und dafür sorgen, dass Gara an seinem eigenen Feuer qualvoll krepierte. Die Ketten waren überhaupt kein Problem – die hatte er schnell abgelöst bekommen. Aber dann war da die Tür. Die Mauern waren viel zu dick, selbst für Daisuke. Die Tür hätte eigentlich ebenfalls kein Hindernis sein dürfen – aber Daisuke hatte seit Langem nichts mehr gegessen. Und ihm war der Appetit auch gehörig vergangen. Aber er musste raus. Er musste weg. Daisuke war inzwischen am roten Feuer angekommen, er spürte dessen Hitze und wunderte sich, dass er nun fast wie von selbst ging. Seine Beine schritten alleine weiter, und sein Kopf drehte sich unwillkürlich zurück. Kirito stand noch immer da, wo er ihn zurückgelassen hatte. Er hatte offenbar Daisukes Entscheidung akzeptiert, oder zumindest tolerierte er sie – er achtete noch die Würde des einzelnen. Was für ein Dämon – mehr Mensch als grausame Kreatur. Genauso emotional, genauso unsicher, genauso verletzlich. Vier Augen blickten Daisuke an. Vier Augen, eines von Mako, eines von Mana und zwei von Hakuei. Seine Finger zitterten, als er das erste große Glas vom Holzbrett nahm und öffnete. Der Formalingeruch löste bereits Abscheu bei ihm aus, aber er wusste, dass er entkommen musste. MUSSTE. Er musste sie rächen, sie alle rächen, und dafür... Mako reichte nicht. Mana reichte nicht. Hakuei..... reichte schlussendlich. Hätte Daisuke in diesem Moment nicht gespürt, wie die Flammen anfingen, seine Haut anzusengen und an seiner Kleidung zu züngeln, er hätte sich eigenhändig das Herz aus der Brust gerissen. ~*~ über Kommentare freue ich mich unheimlich, ich hoffe, es war... unterhaltsam ^^; bei Fragen auch einfach nur melden. Danke fürs Lesen! Epilog: Unorganized Demons -------------------------- A/N: Das hier spielt weit vor allem Geschehen der eigentlichen FF, es hilft allerdings, Daisuke zu verstehen. Kapitelrating: R ~*~ „Hazuki, hör mal zu. Ich hab keine Lust darauf! Da muss ich alle drei Monate in so ’n beschissenes Schloss zu so drei anderen beschissenen Leuten und über den beschissenen Scheiß reden, den ich mache. Außerdem bin ich dann für euch Scheißer verantwortlich und muss für die Scheiße gerade stehen, die ihr macht. Nee, mal echt, das ist mir wirklich zu viel Arbeit!“ Daisuke verschränkte die Arme und lehnte sich beleidigt etwas nach hinten. Hazuki hob eine Augenbraue. „Natürlich. Stattdessen wartest du lieber, bis ein neuer Anführer gewählt ist, damit du ihm das Leben schwer machen und dich über ihn beschweren kannst.“ „Klar! Das ist doch viel angenehmer!“ „Wenn man die letzten vierzig Jahre, die ich mit dir zusammen verbracht habe, in einem halben Satz zusammenfassen muss, dann wäre das folgender: ‚Wenn ICH Anführer wäre, würde ich ja....’. Bitte. Jetzt hast du die Gelegenheit dazu.“ „Als ob irgendwer wollen würde, dass ausgerechnet ICH...“ Daisuke brachte seinen Satz nicht zuende, da der andere plötzlich lächelte. „Was?“, fragte er skeptisch. „Sieh dich doch mal um. Wie viele Dämonen kennst du, die dich absolut NICHT als Anführer sehen wollen?“ „Ziemlich viele.“ „Und wie viele WOLLEN dich als ihren Anführer? Mehr, nicht wahr?“ „Was für eine beschissene Scheiße...“, murmelte Daisuke kopfschüttelnd und ließ sich frustriert neben den anderen fallen. „Ich kann das nicht, Hazuki. Ich meine, guck dir an, was mein Vorgänger gemacht hat. Er war ein Mitbegründer dieser ganzen Scheiße, er hat diesen ganzen Mist hier mit möglich gemacht...“ „Und ist dann am stärksten davon abgewichen, das stimmt, das ist überhaupt nicht dein Ding, dich Regeln nicht anzupassen...“, bemerkte Hazuki amüsiert und legte einen Arm um Daisuke, zupfte an dessen Haaren herum. „Das meine ich doch gar nicht! Pass auf. Und lass meine Haare in Ruhe! Wenn ich wirklich dieser beschissene Anführer wäre, dann müsste ich mich doch voll gestelzt ausdrücken und so formell rumrennen...“ „Du solltest dir etwas zum Anziehen besorgen, das stimmt schon“, grinste Hazuki. „Kannst du mich nicht wenigstens ein Scheißbisschen ernst nehmen??“ „Nicht, wenn jedes zweite Wort, das du sagst, ‚Scheiße’ ist. Solche Leute kann ich nicht ernst nehmen.“ Daisuke stöhnte gequält auf und biss den anderen leicht in den Handrücken. „Du machst es mir aber echt nicht leicht.“ „Weißt du was? Ich glaube, du hast ganz einfach davor Angst, Verantwortung übernehmen zu müssen“, merkte Hazuki an und störte sich nicht daran, dass Daisuke anfing, an seinem Unterarm zu knabbern. „Als ob“, nuschelte der andere Dämon zurück. „Ich kann sehr wohl Scheißverantwortung übernehmen. Aber eben nur für mich selbst. Und nicht auch noch für andere.“ „Es spricht ja schon für dich, dass du dir überhaupt Gedanken darüber machst“, lächelte Hazuki und schloss kurz die Augen, als Daisuke ihm einmal quer über die Wange leckte. „Also ICH weiß, wer morgen gewählt wird.“ „Warum lässt du dich eigentlich nicht wählen? Du bist intelligenter als ich, nicht so vulgär, hast viel mehr Ahnung und so.“ „Nein, ich denke nicht, dass ich ein guter Anführer wäre. Du wirst das schon hinkriegen, wenn’s drauf ankommt.“ ~*~ „Wählt mich bloß nicht, ja?“, knurrte Daisuke einem vorbeilaufenden Dämon zu. Der schenkte ihm ein spöttisches Grinsen. „Als ob ich ausgerechnet DICH wählen würde, du Spatzenhirn.“ „Echt mal!“, stimmte ihm ein anderer zu. „Du würdest bestimmt ein Gesetz erlassen, dass in jedem Satz mindestens einmal Scheiße vorkommen muss!“ „Nee, wenn du Anführer wärst, dann würde es Mord und Totschlag geben, das sag ich dir“, mischte sich ein dritter ein. „Wenn ich schon einen Idioten auf dem Thron sitzen haben muss, dann wenigstens keinen UNFÄHIGEN Idioten!“, fügte ein vierter hinzu, was alle in seinem Umkreis lauthals lachen ließ. Hazuki spitzte lediglich die Lippen. „Siehst du, du hast Scheiße erzählt. Keiner will mich haben“, meinte Daisuke genervt. Am nächsten Tag standen die Wahlergebnisse fest. 10% waren an verschiedene, weitestgehend unbekannte Dämonen gegangen, und 90% hatten für Daisuke gestimmt. Es war mehr als eindeutig. Kaum dass die Ergebnisse vorgelesen wurden, entgleisten Daisuke sämtliche Gesichtszüge. Offen ungläubig starrte er in die Menge, die ihn mindestens genauso entsetzt zurück anstarrte. „Wahlbetrug!“, rief einer. „Schiebung!“, ein anderer. „Das ist völlig unmöglich!“ „Das kann nicht sein!“ „Neuwahlen!!“ „Was um alles...“ Daisuke sah kurz zu Hazuki, ehe er mit einem Satz auf den Tisch sprang und um Ruhe bat. „Hey, ihr Scheißer. Das Scheißergebnis kann nicht stimmen.“ Zustimmender Lärm. „Okay, machen wir’s öffentlich. Jeder, der mich gewählt hat, hebt seine verdammte Hand.“ Fast alle Hände schossen in die Höhe. Höchstwahrscheinlich 90%. „Was zur Hölle?!“, fragte Daisuke laut. „Tja, sieht wohl so aus, als wollten wir dich doch als Anführer!“, meldete sich einer aus der ersten Reihe und grinste breit. „Ja, scheinst nicht der schlechteste Kandidat zu sein“, nickte einer weiter hinten. Und da dämmerte es ihm. „Ihr verdammt Scheißkerle!“, schrie er. „Ihr habt mich verarscht! Ihr habt mich verdammt noch mal... Das zahl ich euch heim!“ „Kannst du nicht, als Anführer – da musst du unsere Interessen vertreten!!“, rief jemand zurück. Sehr viele lachten. „Ich röste euch!“, regte Daisuke sich weiter auf. „Oder liegt das etwa nicht in eurem Scheißinteressensbereich!?“ Er warf Hazuki einen Blick zu. Der andere Dämon schien sich köstlich zu amüsieren. „Ich brate euch auf kleiner Flamme!!“ „JAAA!“, grölte die Menge zurück. „Ich ertränke euch in Menschenblut!“ „JAAAA!!“ „Ich reiße euch die Nieren raus, um damit zu jonglieren!“ „JAAAAAAAA!!!!“ „Ihr Aasgeier! Ihr verrotteten Maden! Ihr hinterhältigen Scheißsatansbraten!!!“ Von diesem Tag an war Daisuke der Anführer der Dämonen des Südens. ~*~ Jedes Mal, wenn ein Neu-Dämon sich seinen Artgenossen anschloss, konnte er zwischen vier Himmelsrichtungen wählen. Jede Himmelsrichtung unterstand einem Anführer, und jeder Anführer vertrat bestimmte Ideale und Interessen. Daher konnte man die jeweiligen Dämonenvölker auch ohne Probleme in bestimmte Raster einordnen. Die Dämonen des Westens beispielsweise waren allesamt sehr düster gekleidet und taten oft geheimnisvoll. Die Dämonen des Südens hatten ein einziges Interesse: Genuss. Und zwar Genuss in jeglicher Art. Und es gab wohl nur wenige, die genau das so gut vertreten konnten wie Daisuke. Das durfte auch Mana ziemlich schnell merken. „Daisuke?“ „Hm?“, machte der Angesprochene schläfrig und hob den Kopf einige Millimeter von Hazukis Bauch. Der andere Dämon hatte eine Hand in seinen Haaren vergraben und kraulte ihm mit der anderen den Nacken, daher hielt er nicht ganz so viel davon, gerade jetzt gestört zu werden. „Da will dich jemand sprechen“, fuhr der neu angekommene Dämon fort und sah hinter sich, in den Gang, aus dem er gerade gekommen war. „Schick ihn wieder weg“, grummelte Daisuke und vergrub sein Gesicht wieder an Hazukis warmer Haut, strich weiter über den Unterarm des anderen. „Ehm, ich glaube, das ist keine so gute Idee.“ „Ach ja? Und warum nicht?“, fragte der Anführer genervt in Hazukis Bauch, woraufhin dieser sich etwas anspannte. „Es ist Mana.“ „Mana wer?“, wollte Daisuke stirnrunzelnd wissen und drehte seinen Kopf so hin, dass er zur geöffneten Tür blicken konnte. „Das ist der Anführer der Anführer, du zurückgebliebenes Stück Brot“, flüsterte Hazuki ihm leise zu. Daisuke starrte ihn einen Augenblick lang an. „Ja und?“ Hazuki verdrehte die Augen. „Wenn du dich mit ihm anlegst, hast du ein großes Problem.“ „Hm. Ich kann ihn mir ja wenigstens mal angucken. Lass ihn rein.“ Er winkte dem Dämon an der Tür unbestimmt zu und begann, an Hazukis Bauchnabel zu knabbern. „Sollte ich mich nicht lieber vorher richtig anziehen?“, fragte dieser leise. „Unsinn. Soll er ruhig sehen, was ihm noch fehlt – nämlich so jemand wie du.“ Hazuki musste lächeln. „Wer wäre denn ‚so jemand’ wie ich?“ „Ein Freund. Ein Berater. Eine Hilfe. Weißt du eigentlich, was ich ohne dich wäre? Ein Nichts. Ein kleines unbedeutendes Nichts. Und das meine ich ernst.“ Daisuke rollte sich auf den Rücken, griff nach einer von Hazukis Händen und verschränkte ihre Finger ineinander. So lagen sie, als Mana den Raum betrat. Auf den ersten Blick wirkte er unheimlich respekteinflößend, vor allem durch seine hochtoupierten Haare und seine tiefschwarz umrandeten Augen und den langen Wimpern. Aber andererseits war das nichts, woran Daisuke nicht gewöhnt war. Und vor allem machte Manas Gesichtsausdruck das Ganze ohnehin zugrunde. Er starrte die beiden Gestalten einen Moment lang an, dann versuchte er sich an einem neutralen Tonfall. „Daisuke?“, fragte er vorsichtig. „Genau der“, nickte der Angesprochene und zupfte Hazukis Hose etwas zurecht. „Ich... bin Mana, du wirst mich kennen.“ „Jaaa, ich hab dich schon ein paar Mal gesehen, glaube ich. Jetzt, wo ich mir dich so ansehe... du bist auch noch nicht so lange im Geschäft, oder?“ „Nein, auch erst seit einem Jahr.“ „Whow. Hoffnungsträger Mana!“, meinte Daisuke theatralisch und merkte, wie Hazukis Bauch sich zusammenkrampfte, als er ein Kichern unterdrückte. Mana wirkte nicht einmal halb so amüsiert. „Ja. Also.. ich wollte dich nur zu deinem neuen Amt beglückwünschen.“ „Hey, du bist der erste, der nicht Sachen sagt wie ‚mach kein Scheiß’!“, freute Daisuke sich. „Das wollte ich gerade noch anfügen“, bemerkte Mana. Daisuke starrte ihn einige Momente an, und als Hazuki seinen Gesichtsausdruck bemerkte, lachte er nun endlich wirklich los. „Und eigentlich bin ich auch hergekommen, um meine Wünsche darüber auszudrücken, dass das Volk der Dämonen des Südens nun vielleicht ein klein wenig zivilisierter werden würde, aber ich fürchte, diese Hoffnungen waren – wie so viele andere auch – naiv“, fuhr Mana ruhig fort. „Hey, so schlimm bin ich gar nicht!“, protestierte Daisuke vehement. „Ach ja?“ Sein Gesprächspartner hob eine Augenbraue. „Beweis es.“ Und damit verließ er den Raum wieder. Daisuke starrte ihm mit offenem Mund hinterher. „Tja, ich fürchte, dass du dir soeben den ersten Feind geschaffen hast“, bemerkte Hazuki. „Und ich weiß, dass ich das eigentlich nicht lustig finden sollte, aber du hättest dich sehen sollen. Himmel, du solltest dich JETZT sehen!“ ~*~ Ein Name. Egal, was er tat, es war immer ein Name, und immer derselbe. Nein, so viele konnten sich nicht irren. So viele konnten ihn nicht anlügen. So viele würden ihn nicht anlügen. Niemals. Das war ausgeschlossen. Aber dass sie die Wahrheit sagten, war genauso ausgeschlossen. Vielleicht gab es ja noch jemanden mit dem Namen. Aber die Beschreibung passte. Und die Position auch. Und alles andere. Der Charakter. Die Vorgehensweisen. Nein, so viele würden ihn nicht separat voneinander anlügen. Oder? „Soll ich dir deine Zunge rausreißen, damit du nicht mehr weiter lügen kannst?“, fauchte Daisuke leise und grub den Absatz seines Stiefels in die Seite des Dämons, der vor ihm auf den Boden lag. Er erntete ein leises Wimmern. „Ich... lüge nicht“, krächzte dieser und stöhnte unterdrückt auf, als Daisuke ihm zum wiederholten Mal in die Magengrube trat. „DU MUSST LÜGEN!!!“ Der Anführer des Südens betrachtete seine Krallen für einen Moment, ehe er die bemitleidenswerte Gestalt vor sich auf den Rücken drehte und sich neben sie kniete. „Hör mir mal zu. Zwei Dinge kann ich noch weniger ausstehen als Verräter: Lügner und Kakerlaken. Und du fällst in alle drei Kategorien!!“ „Ich...“ Ein Röcheln. „Ich sage die... die Wahrheit! Er ist es!“ „NEIN!“ Daisuke grub seine Krallen so tief wie möglich in das Fleisch des anderen. Das ohrenbetäubende Schreien nahm er schon gar nicht mehr wahr, als er den Dämon langsam quer über der Brust aufschlitzte. „Das glaube ich nicht. Ihr habt Unrecht. Ihr habt alle Unrecht!!“ „Es stimmt!“, heulte die sich windende Gestalt und stöhnte, ächzte, wimmerte auch dann noch weiter, als Daisuke seine Hand längst wieder zurückgezogen hatte. „Soll ich dir erzählen, was ich mit Lügnern mache, die weiterhin auf ihren Lügen beharren?“, flüsterte er leise und hielt das Kinn des anderen Dämons fest. „Soll ich es dir erzählen oder lieber zeigen? Ich glaube, ich lasse es dich selbst fühlen, dann ist es anschaulicher!“ Er zwang den Mund des anderen auf, griff hinein und riss ihm mit einem Ruck die Zunge heraus. Beinahe angewidert warf er sie zur Seite und beobachtete, wie der Dämon sich mit letzter Kraft auf den Bauch drehte und sich erbrach. Dabei spuckte er Blut und machte jämmerliche Laute, wie ein geprügelter Hund. Daisuke packte in seine Haare und riss sie so zurück, dass der Dämon Angst haben musste, dass sein Genick brach. „Erstick an deinen Lügen. Erstick dran, hörst du!?“, zischte er leise und schubste den anderen in dessen eigenes Erbrochene zurück, ehe er aufstand und sich abwandte. Der Dämon, der ihm schweigend zugesehen hatte, rührte sich auch dann nicht, als sein Anführer an ihm vorbei stapfte. „Kümmer dich um ihn. Entsorg ihn – er wäre eh verblutet“, knurrte Daisuke und suchte nach einer Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Das war ja abstoßend. „Hazuki?“ Daisuke wich dem Blick des anderen aus. „Ich muss mit dir reden.“ „Ich weiß“, entgegnete dieser sanft. „Es ist mir nicht entgangen, was du die letzten Tage getrieben hast.“ Daisuke runzelte leicht die Stirn. „Du wusstest es und... trotzdem bist du hier geblieben?“ „Ich wollte herausfinden, ob du mich erledigen lässt oder ob du es schon selbst tust. Ich muss sagen, ich bin beeindruckt – das hätte ich nicht von dir gedacht.“ Hazuki neigte den Kopf zur Seite. Daisuke schwieg sehr lange, sah dabei zu Boden. „Warum, Hazuki?“, wollte er dann wissen. „Weil ich natürlich deinen Posten selbst haben wollte. Und sei es nur aus dem Hintergrund heraus – du warst zu beliebt, als dass ich gegen dich eine Chance gehabt hätte.“ „Und stattdessen bist du in meiner Nähe geblieben, in der Hoffnung, mich manipulieren zu können.“ „Genau das.“ Hazuki nickte und lächelte gütig. „Scheint ja wohl doch etwas anderes als Fressen, Fluchen und Morden in dein Hirn zu passen. Überraschend.“ „Aber es hat nicht geklappt, wie du dir das vorgestellt hast“, fuhr Daisuke fort. „Nein. Leider nicht. Du hattest deine eigenen Vorstellungen – ich habe dich unterschätzt. Du wolltest einfach nicht nach meiner Pfeife tanzen.“ „Und deshalb hast du mich verraten. Deshalb hast du der Gegenseite geholfen. Den Gesetzlosen.“ „Du hast’s erfasst.“ Daisuke starrte ihn eine Weile wieder nur schweigend an und wunderte sich darüber, dass der andere ohne Probleme seinen Blick erwidern konnte. „Ich muss dich töten, Hazuki. Das ist keine Schwierigkeit für mich, ich bin stärker als du, ich bin stärker als alle, aber.... ich kann das nicht.“ „Das ist etwas, was du wirst lernen müssen – ehemalige Freunde aufgeben.“ Hazuki lächelte wieder. „Darin wirst du immer schlecht bleiben, das sehe ich dir jetzt schon an.“ „Aber ich muss es können. Ich muss es lernen. Und an dir werde ich üben.“ Daisuke wog das Schwert in seiner Hand und wandte seinen Blick erneut ab. Ein Schlag, dachte er, Und dann ist es vorbei. Ein Schlag. ~*~ Für Daisuke war eine ganze Welt zusammengebrochen. Er hatte Jahrzehnte an Hazukis Seite verbracht, hatte seine Gesellschaft, seine Ratschläge und seine Zärtlichkeit genossen. Er hatte ihn geliebt. Er hatte ihn intensiver geliebt als er jemals wieder würde lieben können – intensiver geliebt als bei seiner ersten großen Liebe als Mensch. Intensiver als jede Liebe, die er miterlebt hatte oder deren Zeuge er geworden war. Es war für ihn unmöglich gewesen, Hazuki NICHT zu lieben. Er war immer bei ihm gewesen, hatte ihm geholfen, hatte ihn gekrault und gestreichelt, wenn es ihm schlecht ging... Sie hatten sich niemals auch nur geküsst. Und sie hatten nie miteinander Sex gehabt. Aber Körperkontakt war bei ihnen mit der Zeit etwas vollkommen Normales geworden – sie hingen aneinander wie Kletten, sie ließen nicht mehr voneinander ab, sie konnten fast keine Zeit mehr ohne den anderen verbringen. Sie hatten aneinander geknabbert, herumgeleckt und –geknutscht, sich gegenseitig Trost, Wärme, Zuwendung, Hoffnung, Ablenkung und Zärtlichkeit gespendet. Sie gehörten einfach zusammen. Und nun sollte ebenjener Hazuki ihn verraten haben? Er hatte es nicht akzeptieren können, hatte nach Alternativen gesucht, aber er hatte von jedem Informanten dasselbe gehört, selbst unter den größten Schmerzen hatten sie alle denselben Namen, dasselbe Aussehen, dieselbe Wortwahl genannt. Es hätte eigentlich kein Zweifel bestehen dürfen. Aber Daisuke konnte, wollte es nicht akzeptieren. Er war nichts ohne Hazuki. Er war nicht einmal richtig erwachsen. Er war ein Jugendlicher, noch immer auf der Suche nach Zuneigung, nach Nestwärme und Geborgenheit, nach jemandem, an den er sich anlehnen konnte. Nach jemandem, der ihm sagte, was er zu tun hatte. Er brauchte so jemanden so dringend wie die Luft zum Atmen. Und nun sollte er ganz alleine sein? Das war einfach unvorstellbar. Natürlich, er hatte vor den anderen Anführern schon einige Interessen zum Ausdruck gebracht, aber das waren nicht einmal kleine Siege gewesen, er war einfach niedergemacht worden. Er konnte nicht präzise ausdrücken, was er meinte, er fand keine passenden Gegenargumente, er fand noch nicht einmal Argumente für das, was er selbst wollte! Er war unfähig, ganz und gar unfähig, so unfähig, dass er bereits überlegt hatte, Hazuki in die Sitzungen mitzunehmen, damit er einen Rückhalt hatte. Er fühlte sich nicht wohl im Rat, nein, ganz und gar nicht wohl. Viel zu wichtig waren die Gesprächsthemen, viel zu wichtig die Dämonen, mit denen er da saß, viel zu wichtig jedes Wort, das er von sich gab, viel zu wichtig die Entscheidungen. Und nun sollte er seine Zeit alleine verbringen? Die Nächte? Die Tage? Wie sollte er das schaffen? Wenn niemand neben ihm saß, ihm zuhörte, ihn unterhielt und ihm durch die Haare strich? Er vermisste diese Berührungen bereits jetzt mit einer Heftigkeit, von der ihm beinahe schlecht wurde. Und nun sollte er ein Nichts sein. Er hatte Hazukis Hand als Trophäe aufbewahrt, hatte sie seinen Dämonen hingeworfen und ihnen gesagt, dass es nun einen Verräter weniger gab. Und damit die Gesetzlosen aus ihm keinen Märtyrer machen konnte, habe er den Rest der Leiche verbrannt. Alle anderen waren zufrieden. Ja, alle anderen. Aber Hazukis letzte Worte hallten dumpf in ihm nach. Vergiss mich, hatte er gesagt, Vergiss mich einfach. Wie bitteschön sollte Daisuke jemanden vergessen, an den er ununterbrochen denken musste? Jedes Mal, wenn er Luft holte, roch er Hazukis ganz eigenen Geruch, wenn er die Augen schloss, sah er dessen Gesicht vor sich, wenn er schlief, träumte er von ihm. Jeder Atemzug, jeder Herzschlag, jedes Wort, alles erinnerte ihn an Hazuki, Hazuki war überall, um ihn herum, in ihm selbst... Daisuke hatte seine Gesellschaft mit einer Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, die ihm erst rückblickend auffiel. Hazuki war immer da gewesen. Hazuki war immer für IHN dagewesen. Aber dass auch das ein Trugschluss gewesen war, das hatte er in der letzten Minute schmerzhaft gemerkt. Er hatte nach einem Abschiedskuss verlangt, egoistisch, wie er war, er hatte Hazuki noch unbedingt einmal küssen wollen. Der Wunsch war ihm gewährt worden. Aber Daisuke würde niemals diesen Ausdruck der Abscheu in Hazukis Gesicht vergessen, sein Lebtag nicht. Hazuki war niemals seins gewesen, keine einzige Minute lang. Eine Sehnsucht hatte ihn ergriffen, eine Sehnsucht nach etwas, das er nicht richtig definieren konnte. Und er zweifelte an sich selbst. Er dachte ununterbrochen über seine Entscheidung nach. Hatte er das richtige getan? Nein, für eine Weile würde er sich wohl nicht mehr in einem Spiegel ansehen können. Nicht, nachdem er Hazuki hatte laufen lassen. Die nächste Zeit versuchte Daisuke, den schier unlöschbaren Durst in seiner Brust zu stillen. Er fraß einmal drei Menschen innerhalb von drei Stunden auf, zwischendurch musste er sich immer wieder übergeben, aber er fraß weiter. Und es half nichts. Dann versuchte er es mit Alkohol. Er wollte herausfinden, weshalb Dämonen nichts trinken konnten – bereits der erste Schluck Wein ließ ihn zwei Tage am Stück schlafen. Und hinterher tat ihm alles so sehr weh, dass es auch nicht besser wurde. Und auch Schmerzen brachten ihm keine Linderung. Er konnte sich verletzen, wie er wollte, es hatte einen kurzweilig befriedigenden Effekt, aber schon, wenn er sein eigenes Blut erblickte, ekelte er sich vor sich selbst. Nein, wenn er sich selbst verletzte, brachte es nichts. Danach probierte er es mit Sex. Er war nie ein großer Befürworter von Dämoneninzest gewesen, aber nachdem er es einige Male ausprobiert hatte, musste er feststellen, dass der Trost länger andauerte als bei Schmerzen. Es half. Es half mehr als alles andere. Und dann kam er auf die Idee, die beiden besten Alternativen miteinander zu kombinieren. ~*~ „Das heißt, ihr seid gegen stärkere Kontrollen, was Neu-Dämonen betrifft?“, wollte Mana wissen und blickte in die Runde. „Ich würde es eher befürworten“, meldete Mako sich mit seiner unheimlich dunklen Stimme zu Wort. „Denn so würden uns die Ungesetzlichen nicht mehr dermaßen viele Schwierigkeiten bereiten.“ „Was für eine gequirlte Scheiße“, warf Daisuke gelassen ein und fuhr damit fort, seine Krallen zu feilen. „Wenn diese Pisser ohnehin Gesetzlose werden wollen, bringt es nichts, wenn wir sie vorher zwingen, zu einem von uns zu gehen. Sie werden ohnehin welche.“ „Ach“, warf Mana unterkühlt ein. „Da hast du Recht. Sie werden sich dir nämlich dann auf der Stelle unterordnen, weil sie bei dir unbemerkt abhauen und sich den Gesetzlosen anschließen können.“ „Willst du jetzt, dass ich jeden Schritt meiner Leute überwache?“, fragte Daisuke gereizt. „Das schlägt auf die Stimmung, du explodierter Föhn.“ „Ich bin willens, die Moral deiner Leute aufs Spiel zu setzen, wenn wir dadurch diese Pest eindämmen können“, gab Mana trocken zurück. „Du übersiehst da eins – es sind MEINE Leute, die pro drei Monate-“ „Quartal“, warf Hakuei freundlich ein. „-pro QUARTAL“, Daisuke warf dem anderen einen finsteren Blick zu, „die meisten Gesetzlosen abmurksen. Meinetwegen, bei mir laufen die meisten über, aber das gleicht sich aus. Wenn nicht sogar 60:40. Oder 65:45.“ „35“, mischte Hakuei sich wieder ein. „Halt doch mal dein großes Maul!“, fuhr Daisuke ihn ungehalten an. „Willst du, dass dich jemand ständig unterbricht, während du redest?“ „Ich habe-“ „Soll ich dir mal zeigen, wie das ist!?“ „Nein, das-“ „Das ist nämlich ziemlich beschissen!“ „Das glaub-“ „Richtiggehend ärgerlich, um es so auszudrücken!“ „Hör doch-“ „Man will nämlich eigentlich was sagen...“ „Ich hab nur-“ „...und wird ständig unterbrochen.“ „Hallo! Ich-“ „Ätzend, oder? Mir würde das auch richtig auf den Sack gehen!“ „Halt die Klappe!!!“ Daisuke grinste breit. „Jaja, und jetzt regst DU dich wieder auf. Das ist mal wieder typisch. Weißt du, ich glaube, wir beiden passen richtig gut zusammen. Wir würden ein tolles Paar abgeben. Ich meine, stell dir doch nur mal vor, wie es mit uns beiden wäre...“ So wie letzte Nacht, dachte er und zog eine Augenbraue hoch. Hakueis Augen verengten sich etwas. „Ich habe keine Intention, mich in irgendeiner Weise auf dich einzulassen“, entgegnete er kühl. „Daisuke. Hakuei“, mahnte Mana die beiden streng. „Könnt ihr mal langsam-“ „Natürlich nicht. Und du würdest mir auch niemals Wunden wie diese hier zufügen, solche Biss- und Kratzwunden, natürlich nicht... aber wer weiß, vielleicht stehst du ja drauf. Vielleicht bist du ja so veranlagt...“ Er grinste wieder. Dir schien es zumindest nicht allzu viel ausgemacht zu haben, dachte er. Klar, wir gehen uns an die Kehle. Aber manchmal greifen wir halt etwas tiefer. „Daisuke!!“, fuhr Mana ihn an. Nein, ein Ersatz für Hazuki war er nicht. Ihn könnte niemand ersetzen, keiner auf der gesamten Erde. Nach einem Ersatz hatte Daisuke auch nicht gesucht. Nur nach jemandem, der seinen Körper bluten ließ. Anstelle seines Herzens. ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)