Demonic Possession von Kiru ================================================================================ Indivisible Demons. ------------------- Kapitelrating: R (oder NC-17?) ~*~ Wie konnte das passieren? Einfach unvorstellbar. Er hätte nie damit gerechnet, dass es einmal derart weit mit ihnen kommen würde. Er hatte gewusst, dass es sehr unschön werden würde, schon als Daisuke nicht zu ihrem einen Treffen gekommen war – hinterher hatte sich ja herausgestellt, dass er auf übelste Weise misshandelt worden war. Von Mako. Von dem Abtrünnigen, der alles daran setzte, ihnen das Leben schlecht zu machen. Nein, mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Er war wie gelähmt, er starrte regungslos auf den Boden vor sich. Erleuchtet vom schimmernden Licht der Kerzen huschten Schatten umher, schemenhafte Gestalten ließen sich auf dem kalten Steinboden erkennen, der nach und nach mit Blut getränkt, besprenkelt und benetzt wurde. Mit Dämonenblut. Die Geräuschkulisse war ebenfalls unendlich vielschichtig, man hörte Metall aufeinander klirren, Schreie, Rufe, Röcheln, Stöhnen, Keuchen, rasselnden, schnaufenden und abgehackten Atem, Wimmern, Jammern, Lachen, Knacken, Knirschen, Poltern, Schlurfen, Rascheln. Nachdem er all dies aufgenommen, wahrgenommen, verarbeitet und verstanden hatte, gab es nur noch eine Art von Sinneseindrücken, die sich in sein Bewusstsein drängte: Der Schmerz. Er breitete sich von seinem Gesicht her aus, wanderte immer wieder in pulsierenden Wellen bis hin in seine Finger- und Zehenspitzen, durchfuhr seinen gesamten Körper wie Stromschläge. Er zitterte, er konnte nichts dagegen unternehmen, zu stark brannte sich diese Erkenntnis in sein Bewusstsein, zu erschreckend war die Feststellung, die er langsam zu begreifen begann. Noch immer drückte er seine zitternde Hand vor sein linkes Auge, so fest er konnte, als könnte er damit seine Wunde heilen. Das Blut lief ihm das Gesicht herunter, zwischen seinen Fingern hindurch, tropfte zähflüssig auf den Boden und vermischte sich dort mit dem unzähliger anderer. Noch immer war er vollkommen fassungslos, hilflos, ratlos. Noch immer konnte er nur auf den Boden starren, wagte es nicht, den Blick zu heben. Er wusste, was er sehen würde. Seinen Alptraum. Eine Abfolge von Bildern, die sich in seiner inneren Netzhaut einbrennen würden, die er niemals vergessen könnte. Krieg. Er würde Krieg sehen, eine Schlacht, bei der keine Seite überwog, ein Gemetzel, so skrupel-, rücksichts- und gewissenlos wie es kein Gegenstück in der Menschengeschichte gab. Es war eine Schlacht, bei der nicht das Gewinnen im Vordergrund stand, es ging nicht darum, hinterher Friedensverhandlungen aufzunehmen, es ging einzig und allein darum, so viele wie möglich von seinen Feinden abzuschlachten, hinzuopfern, niederzumetzeln. Sie gehörten alle derselben Rasse an. Sie waren völlig gleich entstanden, sie benötigten dieselbe Nahrung, hatten die gleichen Bedürfnisse und Wünsche und hatten seit Jahrtausenden versteckt, aber in Harmonie miteinander gelebt. Natürlich hatte es kleinere Kämpfe gegeben, aber niemals, nicht ein einziges Mal, hatten derart viele Dämonen die Waffen gegeneinander erhoben. Es war ein einziger Alptraum. Aber das war nicht alles, was er sehen würde. Die Kämpfenden hatten einen respektvollen Kreis um sie gebildet, das Kampfgeschehen spielte sich in einigen Metern Entfernung überall um sie herum ab, aber das war es nicht, worum es ihm ging. Ihm ging es einzig und allein um die Person, die vor ihm stand, ein blutiges Messer in der rechten Hand, einen emotionslosen Ausdruck im Gesicht und die Gewissheit des Siegs im Herzen. In seinem kalten, versteinerten Herzen. Gab es so etwas wie grausame Dämonen? Dämonen waren von Natur aus grausam, aber manche übertrafen ihre Natur bei Weitem. Eins dieser Exemplare stand vor ihm und verzog seine Mundwinkel langsam, ganz langsam, wie in Zeitlupe, zu einem Lächeln. Langsam, ganz langsam, wie in Zeitlupe, hob er seinen Kopf und erwiderte den Blick seines Gegenübers. Sein ausgestochenes Auge hörte einfach nicht auf zu bluten, und mit dem anderen sah er nur verschwommen. Sein Auge. Es war das Symbol des Vertrauens aller Dämonen in ihn – er hatte es vor Jahrzehnten bekommen, kurz nachdem er Vorsitzender der Anführer aller Dämonen geworden war. Natürlich hatte er, um in diesen Kreis aufgenommen zu werden, erst einmal das Vertrauen der Dämonen in seiner Himmelsrichtung gewinnen müssen, aber danach hatte er sich ganz klar als die Führungsperson herausgestellt, die benötigt wurde. Hakuei und Mako erkannten ihn auf der Stelle als ihren einzigen Vorgesetzten an, bei Daisuke hatte es eine Zeitlang gedauert, aber auch er hatte ihn letztendlich akzeptiert. So wie alle anderen Dämonen auch. Und als Resultat hatte er das Auge bekommen. Es besaß geballte dämonische Kraft und wenn er keine Augenbinde trug, konnte er damit töten, bis zu einem gewissen Grad heilen, durch bestimmte Dinge hindurch sehen und die anderen Anführer zu ihrer vierteljährlichen Sitzung rufen – indem er nicht nach außen, sondern in sich selbst hinein sah. Der Preis dieses besonderen Auges war nur gewesen, dass er eins seiner normalen Augen hatte opfern müssen und versprechen, dass er das Auge nur in äußersten Notsituationen einsetzte – es konnte ganz leicht zu einem Machtmissbrauch kommen. Aber er setzte es weise und wohlüberlegt ein und trug ansonsten konstant seine Augenbinde. Das Auge besaß noch eine Eigenschaft – es konnte ihm nicht genommen werden, zumindest nicht mit Gewalt. Solange die Mehrheit der Dämonen in ihn vertrauten, gehörte es fest ihm. Und deshalb hatte er es nicht glauben können, als sein Gegenüber einfach ein Messer genommen und es ihm ausgestochen hatte. Denn das bedeutete, dass die Dämonen ihren Glauben in ihn verloren hatten. „Du bist am Ende, Mana“, sagte Mako leise. „Du bist erledigt.“ Und er wusste, dass er recht hatte. Der Dunkle zerrte ihn auf die Füße. „Gibst du auf?“ „Ja, ich gebe auf. Wenn du versprichst, diesen Krieg nicht weiter zu führen. Es ist unwirklich, es ist unglaublich. Es ist schrecklich. Du musst ihn beenden, Mako, es ist der reinste Wahnsinn.“ Langsam entfernte er die Hand von seiner leeren Augenhöhle und betrachtete seine blutverschmierten Finger. Es war sein Blut, aber es war blau, tiefblau, wie Tinte. Sein Herzblut. Mako hatte auf sein Auge gezielt und sein Herz getroffen. „Habt ihr gehört?!“, rief Mako nun laut, so ohrenbetäubend, dass nach und nach alle anderen Geräusche verstummten. „Seid ruhig! Habt ihr das gehört??“ „Ich gebe auf“, wiederholte er etwas lauter. „Ihr habt das Vertrauen in mich verloren, und daher sehe ich mich nicht mehr in der Lage, diese Verantwortung zu tragen. Solange Mako keine-“ Weiter kam er nicht. Es gab ein schmatzendes Geräusch, als Mako seine Metallklaue gespreizt bis zu seinem unechten Ellbogen durch Manas Oberkörper rammte. Ohne ein einziges Mal mit der Wimper zu zucken. Mana verkrampfte sich, krümmte sich etwas zusammen, gab ein röchelndes Geräusch von sich und musste husten, spuckte dabei noch mehr blaues Blut auf den Boden. Er legte seine zittrigen Finger auf Makos Klaue und den Kopf in den Nacken. „Begeh keine weiteren Morde“, wisperte er mit brüchiger Stimme. „Nicht an deiner Rasse, Mako, nicht an deiner... Rasse...“ Er biss die Zähne zusammen und zuckte, als Mako ihm den einzigen Halt nahm, den er noch gehabt hatte. Der einstige Dämonenanführer spuckte noch etwas Blut, hielt seine Hände auf das faustgroße Loch in seinem Oberkörper gedrückt und sank erst auf die Knie, anschließend auf den Boden. Mako betrachtete angewidert seine mit königsblauem Blut verschmierte Klaue und wandte sich an einen der wie gelähmt herumstehenden Dämonen. „Gib mir deine Axt.“ Ein, zwei Schläge, und wenige Sekunden später hielt der finstere Dämon Manas Kopf an den Haaren hoch. „Er ist tot!“, rief er triumphierend. „Nun beginnt eine neue Ära! Wer sich uns nicht anschließt, wird augenblicklich getötet. Nun, wer ist dabei?“ ~*~ Daisuke stand an einem der hohen und schmalen Fenster und blickte hinaus. Nein, er sah nicht wirklich nach draußen, es wirkte nur so, in Wirklichkeit nahm er nichts wahr, was er von der Außenwelt hätte sehen können. Er stand nur da und versuchte nicht, sich zu beherrschen – es hätte ohnehin nichts gebracht. Er überraschte sich oft selbst mit seinen Perversionen, seiner Gleichgültigkeit oder seiner Stärke, aber in dieser Weise hatte er sich noch nie selbst erstaunt. Er hörte Schritte hinter sich, drehte sich aber nicht um, sondern schloss lediglich die Augen, als sich eine Hand vor ebendiese legte. „Glückwunsch“, flüsterte Daisuke. „Du bist wahrscheinlich der erste und letzte, der mich je weinend erlebt.“ „Ich bezweifle, dass ich mich darüber freuen sollte“, wisperte Hakuei zurück und schlang seinen anderen Arm um Daisukes Bauch, ehe er anfing, dessen Tränen wegzuwischen. „Wir haben verloren. Wir haben dadurch verloren, dass wir geglaubt haben, wir würden verlieren...“ „Nein, das ist es nicht alleine. Makos Leute sind um einiges besser als unsere. Jetzt wissen wir wenigstens, was er in den Jahren getan hat, in denen wir einfach nur unser Leben genossen haben. Wir hatten ohnehin keine Chance, und jetzt, wo Mana...“ Daisuke legte den Kopf in den Nacken und damit auf Hakueis Schulter. „Wir beide sind als nächstes dran. Nicht nur, weil wir von allen anderen noch die meiste Macht besitzen, sondern weil ich nicht nachgegeben und mich ihm nicht angeschlossen habe und du... weil du ihm seinen linken Arm geraubt hast, als ihr mich gerettet habt.“ „Aber dafür hat er ja einen schönen Ersatz gefunden“, knurrte der andere. „Meine Herren, wir wollen doch nicht gleich pessimistisch werden“, meldete sich da eine beinahe fröhlich klingende Stimme aus dem Hintergrund. Die beiden wandten sich alarmiert um, aber anstatt eines finsteren Handlangers von Mako erblickten sie einen Dämon, der ihnen beiden unbekannt vorkam. Er war ganz in schwarz gekleidet, aber in ein samtiges Schwarz, das eher an Seide erinnerte als an den matten Stoff, den Mako trug. Seine Haare waren ebenfalls schwarz, allerdings an den Spitzen leuchtend rot gefärbt und seine Augen unterschiedlich – eins gelbrot, das andere hellblau. Er machte einen irren Eindruck, wie er ohne Schuhe und freundlich lächelnd in der Tür stand und eine weiße Lilie in der Hand hielt. „Ich habe die Ehre mit ... wie war das noch gleich? Hakuei und Daisuke, nicht wahr?“, fuhr der Fremde fort und deutete eine offenbar spöttische Verbeugung an. „Du bist ein Gesetzloser“, stellte Hakuei fest. „Ach, in Zeiten wie diesen sollte man sich keine Gedanken mehr um dieses Problem machen, oder?“, winkte der Angesprochene ab. „Was gestern war, war gestern, und was heute ist, das zählt. Ich habe mich mein Leben lang geweigert, mich einem von euch zu unterwerfen, gut, aber dass ich jetzt bereit bin, euch zu helfen, zeigt doch mein eigentlich nobles Wesen, oder etwa nicht?“ Forschend musterte er sie, die Augenbrauen auffordernd gehoben. „Du willst uns helfen?“, wiederholte Hakuei skeptisch. „Und wie willst du das anstellen? Wer bist du überhaupt?“ „Ich heiße Gara. Ich war mein Leben lang für eine mehr oder weniger friedliche bis zweckmäßige Koexistenz von Dämonen und Menschen, daher kann ich die Geschehnisse in der letzten Woche nicht einfach ignorieren. Ein Krieg unter Dämonen lässt selbst uns Gesetzlose nicht kalt, und wir sind gezwungen, uns für eine Seite zu entscheiden – diejenige, bei der wir geschlachtet werden, oder diejenige, bei der wir mal so richtig die Sau rauslassen können. Und was meint ihr, welche wohl die meisten gewählt haben?“ Garas Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln. „Pff“, machte Daisuke. „Wie glaubwürdig. Du entscheidest dich als einziger anders als alle deine Kollegen. Das zieht nicht.“ „Nein, ihr versteht nicht“, widersprach Gara ihm sanft und trat einige Schritte auf sie zu. „Wir haben uns nicht diesem größenwahnsinnigen Spinner untergeordnet. Denkt darüber nach, weshalb wir wohl Gesetzlose sind, trotz des Risikos, jeden Tag von euren Leuten umgebracht zu werden. Weil wir uns keiner höheren Macht unterordnen wollen. Auch und vor allem nicht Mako. Wenn wir Anarchie wollen, dann richtig.“ „Und deswegen helft ihr uns, die euch seit jeher töten wollen“, bemerkte Hakuei spöttisch. „Genau. Weil wir natürlich eine Forderung haben: Sollten wir euch von Makos Herrschaft befreien, müsst ihr unseren Wunsch akzeptieren, ohne einen Repräsentanten zu leben. Mehr Bedingungen haben wir nicht – ihr dürftet eigentlich keine Einwände haben.“ Gara fuhr liebevoll mit den Fingerspitzen an einem Blütenblatt der Lilie entlang. Hakuei und Daisuke blickten sich an. In ihren beiden Gesichtern spiegelte sich Zweifel wider. „Ich glaub irgendwie nicht, dass es so einfach ist“, merkte Daisuke schulterzuckend an. „Wie wollt ihr das überhaupt anstellen?“, verlangte Hakuei zu wissen. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine kleine Gruppe von Vogelfreien...“ „Pass auf. Wir haben alle zwei Fähigkeiten, die unentbehrlich sind: Wir sind hinterhältig. Und wir sind anpassungsfähig. Es ist für uns ein Leichtes, uns in die Reihen der Dämonen zu schleusen, die Mako unterstützen. Genauso einfach wird es ein, Zweifel an ihm zu säen, das stellt überhaupt kein Problem dar. Ich bezweifle, dass er ein Heiliger, geschweige denn ein vorbildlicher Dämon ist. Wenn er davon Wind bekommt – umso besser! Dann werden die Dämonen anfangen, sich alle gegenseitig zu verdächtigen – Pech, wenn dabei auch mal einer von uns draufgeht, aber hauptsächlich werden dabei Unschuldige getötet werden. Und spätestens dann wird das Vertrauen in Mako verschwunden sein.“ Gara neigte den Kopf zur Seite, einen provokanten überlegenen Ausdruck im Gesicht. „Kurz: Ihr macht ihn bei seinen Leuten schlecht, die mögen ihn nicht mehr und wir können ihm das Auge nehmen“, fasste Daisuke zusammen. „Klingt eigentlich ganz logisch.“ „Ich kann ihm sein Auge auch selbst nehmen, wenn ihr das Risiko nicht eingehen wollt“, bot Gara an. „Aber ja, das ungefähr ist mein Plan. Und aufgrund unserer Forderungen haben wir uns direkt an euch gewandt – und weil wir wissen, dass ihr uns zustimmen werdet, da ihr selbst um euer Leben fürchtet. Ist es nicht so? Dieser Größenwahnsinnige ist hinter euch her. An eurer Stelle würde ich mich an jeden Strohhalm klammern, der mir hingehalten wird.“ „Du bist mir ziemlich unsympathisch“, warf Daisuke ein und sah aus den Augenwinkeln, dass Hakuei wirkte, als hätte er ihm am liebsten den Mund zugehalten. „Du kommst hier hin, erzählst uns, dass wir arme Würstchen sind, und zauberst TA-DA! die perfekte Lösung aus dem Ärmel. Für mich scheint das verdammt berechnend, aber ich geh eh nicht davon aus, dass ihr bescheuert seid. Im Gegenteil. Meinetwegen versuch, uns zu retten, und wenn es nicht klappt, haben wir auch nichts verloren, was nicht eh schon verloren gewesen wäre.“ Er zuckte fast gleichgültig mit den Schultern. Gara hob vielsagend die Augenbrauen. „Ich habe schon viel von dir gehört, und ich muss zugeben, dass keine Erzählung übertrieben war.“ „Ich fasse das als Kompliment auf“, erwiderte Daisuke pikiert. „Kannst du uns denn irgendwo verstecken?“, wechselte Hakuei elegant das Thema. „Natürlich. Wir haben an alles gedacht. Wir haben nur auf eure Zustimmung gewartet. Ach, da fällt mir ein – eine einzige Forderung habe ich noch.“ Nun schienen Garas Augen zu funkeln, und es sah nicht sehr vertrauenserweckend aus. „Wenn wir Erfolg haben und Mako töten können... will ich dich haben.“ Hakuei blinzelte einmal. „Mich?“ „Genau.“ Gara lächelte wieder. „Klar, du kannst ihn haben, ist ja nicht so, als hätten wir irgendeine Wahl“, winkte Daisuke schnell ab. „Können wir dann jetzt mal langsam gehen?“ „Gerne.“ Der Dämon betrachtete die Blume in seiner Hand, machte eine winzige Bewegung mit seinem Handgelenk und bleckte zufrieden die Zähne, als die Lilie urplötzlich in Flammen aufging. ~*~ „Mann, ist das ätzend, nicht mitkämpfen zu dürfen“, stöhnte Daisuke und streckte sich auf dem Sofa aus. „Und noch ätzender ist es, wenn man nicht weiß, wie’s ausgeht, ob alles gut läuft und wenn man einen AUFPASSER hat.“ Er sah vielsagend zu ebenjenem hin und schnitt eine Grimasse, als dieser nicht reagierte. „Und dabei wäre ich so gerne bei dem finalen Kampf dabei gewesen... so wie Hakuei. Der darf Gara natürlich helfen. Aber wundert mich nicht, er ist schon seit Wochen hinter seinem hübschen Arsch her. Und glaubt, ich würde es nicht bemerken. Auf jeden Fall stellt sich höchstwahrscheinlich gerade heraus, ob die Dämonen eine Zukunft haben oder nicht. Was hältst du von dem Ganzen, hm?“ Der Angesprochene zögerte einige Augenblicke. „Ich... weiß nicht. Natürlich bin ich dafür, dass... Gara gewinnt. Aber...“ „Aber? Warum aber?“ Daisuke horchte auf. „Ich... sollte nicht darüber sprechen.“ „Wenn du’s mir verrätst, blas ich dir einen.“ Der Dämon starrte ihn etliche Sekunden entgeistert an. „...was?“ „Ernsthaft. Ich kann ja schon mal anfangen, und du erzählst mir dabei von dem, was du sagen wolltest.“ Zufrieden, endlich eine Beschäftigung gefunden zu haben, stand Daisuke auf und ließ sich vor seinem Aufseher zwischen dessen Beinen nieder. Damit kriegt man sie immer, dachte er, Sex und Fressen. Das zieht. „Na ja, ich... denke, einige wären froh, wenn sie Gara los wären. Vor allem die ‚Gesetzlosen’, wie ihr uns nennt“, antwortete der andere Dämon, merklich abgelenkt. „Ach ja? Warum?“ „Ihr behauptet, dass wir gesetzlos wären, aber da irrt ihr euch gewaltig. Wir haben Gesetze. Garas Gesetze.“ „Ist er so hochgestellt bei euch?“ Daisuke machte sich daran, die Hose des anderen zu öffnen. „Wir haben uns das nicht ausgesucht. Nachdem er erst einmal bei uns aufgetaucht war, hat er uns alle gezwungen, unter seiner Fuchtel zu stehen – diejenigen, die sich geweigert haben, hat er ... ‚überzeugt’.“ „Ah. Und wie?“ „Das... willst du nicht wissen.“ Daisuke zuckte mit den Schultern. „Dann eben nicht.“ „Aber das ist noch nicht alles. Er hat nicht nur diesen Drang, über alles zu herrschen, was unter ihm steht... er ist auch noch ein Pyromane.“ Das wird ja immer lustiger, dachte Daisuke, Ein Feuerdämon, der es liebt, Sachen anzufackeln. „Er zündet gerne mal ein paar Dämonen an, wenn die ihm blöd kommen... und er ist stark. Er ist so stark, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich glaube, er ist auch schon keine Ahnung wie alt. Und ... aber nein, das sollte ich wahrscheinlich wirklich nicht sagen.“ Daisuke bleckte sein Gebiss für einen Moment. „Ich habe scharfe Zähne“, merkte er freundlich an. „Und ich scheue nicht, sie zu benutzen.“ Der andere Dämon zögerte noch immer. „Es... sind Gerüchte aufgekommen, dass er zwar keine Menschen frisst... aber dafür Dämonen.“ Es passierte am gleichen Ort, wo Mana gestorben war. An dem Ort, wo bereits viele wichtige Entscheidungen getroffen worden waren: Im Runden Saal. Vom Tisch in der Mitte war von der Tür aus nichts zu sehen, dafür war der Raum zu vollgestopft mit Dämonen jeglicher Art; denen, die Mana, Hakuei, Daisuke und Mako unterstellt gewesen waren, und dazu noch die Gesetzlosen. Dafür stand jemand auf dem Tisch in der Mitte, die Haarspitzen genauso feuerrot wie die Augen und ein irres Grinsen im Gesicht. Sämtliche Dämonen johlten, brüllten und riefen seinen Namen. Er wirkte wie ein Gott, das musste Daisuke zugeben. Und eigentlich war er auch erleichtert, Mako los zu sein, er erinnerte sich nur noch allzu deutlich an das, was dieser ihm angetan hatte, aber es gefiel ihm trotzdem nicht, was er sah und hörte. Selbst seine Leute hatten keinen einzigen Blick für ihn übrig. Sämtliche Aufmerksamkeit galt Gara, ihrem Befreier, wie sie ihn nannten. „Seid ruhig!“, rief er und hob seine blutverschmierten Hände – Daisuke bemerkte einige tiefblaue Spritzer in dem ganzen rot. „Ruhe!“ Es dauerte eine Weile, bis alle gewillt waren, ihm zuzuhören, aber dann herrschte fast absolute Stille. Gara drehte sich einmal um die eigene Achse, sichtlich zufrieden mit sich und der Welt. „Mako ist tot!!“, schrie er dann und riss einen Arm in die Höhe. Begeistertes Gegröle von allen anderen Dämonen. „Eine neue Ära von Dämonen beginnt!!“ Erneut Gejohle. „Ihr habt mich als euren zukünftigen Herrscher gewählt, auf dass ich ALLE Dämonenvölker vereine – die des Nordens, des Südens, des Westens und des Ostens sowie die Gesetzlosen!!!“ Dieses Mal war das Getöse ohrenbetäubend. Daisuke schüttelte kaum merklich den Kopf. Was sollte das? Was sollte das hier? Er kam hierhin, in Erwartung von erleichterten Dämonen, die endlich Frieden haben wollten, und traf auf mordlüsterne Jasager, die die Köpfe ihrer Feinde rollen sehen und Gara als ihren Anführer wollten. Da konnte doch irgendetwas nicht richtig sein. Und wo zur Hölle war Hakuei? „Und das werde ich tun! Ich werde uns vereinen und ein neues Zeitalter beginnen, eines, in dem es nicht darum geht, dass wir die Menschen umbringen, sondern sie zu unserem Nutzen einsetzen!“, fuhr Gara laut fort und grinste breit, wodurch er seine spitzen Zähne entblößte. „Wir werden aktiv auf die Menschen zugehen, ihr Leben zerstören, sie vereinsamen und verwahrlosen, sie einen riesigen Hass auf ihr Leben und alle anderen Mitmenschen sammeln lassen – und sie dann töten! Wisst ihr, was dann passieren wird? Wir werden eine schier unbeschreibliche Anzahl erreichen! Wir werden immer mächtiger und immer mehr werden!! Selbst wenn jeder von euch nur einen Menschen ‚bekehrt’ und ihn zu uns stoßen lässt, verdoppelt sich unsere Zahl dadurch – wisst ihr, was wir mit so einer Macht ausrichten können?“, schrie er gegen das immer lauter werdende Gejubel an. „Irgendwann werden wir genug sein, um die Menschen zu UNTERWERFEN! Wir werden sie nicht ausrotten, aber wir werden über sie herrschen! Dann werden sie sehen, welche Rasse die stärkere ist!!“ Zur Unterstreichung seiner Worte ließ er noch eine meterhohe Stichflamme zur Decke jagen und schnipste einmal, sodass die schwebenden Kerzen sich entzündeten. Aber so, wie er das Feuer kontrollieren konnte, schien er auch auf das daraus resultierende Licht Einfluss nehmen zu können – es bündelte sich und floss stetig auf ihn herab, sodass er beinahe wie eine Erscheinung wirkte. Die Dämonen jubelten, klatschten und lärmten völlig hingerissen und selbstvergessen vor sich hin, es war ein Wunder, dass niemand anfing zu randalieren. „Seht her! Seht alle her!!“ Mit viel Trara lieh Gara sich ein Messer von einem der umstehenden Dämonen, hielt es sich vor das Gesicht und lächelte. „Rot oder blau?“, wollte er feixend wissen. Natürlich bekam er unzählige Rufe aus seinem Publikum, aber die meisten waren sich einig. Also wanderte die Spitze der Klinge vor Garas linkes Auge, das hellblaue, verharrte dort einen Moment und stach dann zu. Das Blut spritzte bis auf die vorderen Reihen, als er es mit einem Ruck wieder herauszog, aber er verzog keine Miene, sondern lächelte die ganze Zeit, als wäre das Ganze lediglich eine Vorstellung und nur Illusion. Und mit einem Mal begann sein linkes Auge zu leuchten, heller als alles Licht um ihn herum, so strahlend hell, dass alle ihren Blick abwenden mussten. Das Auge. Mir wird schlecht, dachte Daisuke, Ich kotz gleich jemanden an. Er drehte sich um und verließ fast fluchtartig den zum Bersten gefüllten Raum. Eine Weile irrte er durch die Gänge, bis er sich dazu entschloss, sich seinen Trieben hinzugeben. Er spürte, wie sein Blut in Wallung geriet, seine Zähne spitzer und seine Fingernägel länger wurden, und musste dem Drang widerstehen, an der nächstbesten Wand hochzuklettern. Trotzdem erreichte er sein Ziel: Er nahm Hakueis Spur auf, konnte ihn selbst in diesem unheimlich dominanten Geruch von Mana ausmachen. Wie viele sind bis jetzt gestorben?, fragte er sich, während er durch das große Gebäude eilte, Mana, Mako, all die Dämonen... nur ich bin noch am Leben. Keine gute Ausgangssituation. Er stieß die Tür auf und wurde mit einem etwas befremdlichen Anblick konfrontiert: Hakuei saß auf dem kalten, nackten Steinboden und wirkte fast schon resigniert. Als er den Blick hob, zeigte sich eine seltene Emotion in seinem Gesicht: Angst. „Daisuke, verschwinde“, zischte er leise. „Warum? Hast du grad keine Lust auf meine Gesellschaft?“, erwiderte Daisuke schulterzuckend. „Nicht mein Problem.“ Er ging auf den anderen zu und bemerkte erst dann, dass Hakueis eine Hand an die Wand gekettet war. Mit einer ziemlich dicken Kette. „Hey, hat er sich dich für später aufgehoben? Wir haben übrigens-“ „Ich hab gesagt, du sollst abhauen!“ „Er hat Mako umgebracht. Selbst mit seiner Monsterklaue hat er keine Chance gegen ihn gehabt. Und wie’s aussieht, hat er sich jetzt zum Diktator ernannt.“ „Ich mein’s ernst!!!“ „Zeig doch mal ein bisschen Freude, Hakuei. Wir sind Mako los.“ „Ja, und zu welchem Preis?“, fauchte der größere Dämon und blickte zu seiner anderen Hand. Oder vielmehr, was davon übrig war. Daisukes Herz blieb für einen Moment stehen. Statt einer normalen Hand hatte Hakuei fast nur noch abgenagte Knochen, einige waren bereits zu Boden gefallen, um sein Handgelenk herum war sein Fleisch sorgfältig abgeknabbert worden, sodass es wirkte wie ein Armstumpf, aus dem noch eine Skeletthand herausragte. „Was zur...“ Mit einem Knall fiel die Tür hinter ihm zu. Jemand schnipste einmal und schlagartig erhellte der kleine Raum sich. Daisuke drehte sich langsam um und brauchte einige Sekunden, um Garas Gesicht hinter der Flamme in seiner Handfläche zu erkennen. Er trug eine Augenbinde über seinem linken Auge. „Die Vorspeise war vorzüglich“, schnurrte der Feuerdämon und lächelte. „Gut, dass sich keiner wundert, was mit seiner Leiche passiert ist. Hast du schon meine Sammlung gesehen?“ Er drehte sich um und hob die Hand, um die Wand hinter sich zu erleuchten. Daisuke traute seinen Augen kaum. Insgesamt zwei Augen starrten ihn an, leblos, kalt. Das eine Auge gehörte zu Mako, dessen Kopf – wie der andere auch – in Formalin eingelegt war. Er hatte noch immer einige blaue Blutspritzer auf der Wange und wirkte, als sei er noch nicht tot, sondern habe lediglich seinen Körper verloren. Mit dem anderen war es das gleiche. Das zweite Auge gehörte zu Mana. „Eure Köpfe werden sich wundervoll neben diesen beiden hier machen“, seufzte Gara schwärmerisch. „Eigentlich wollte ich ja nur Hakueis, aber wo du schon einmal hier bist, kann ich auch gleich noch etwas mit euch spielen.“ ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)