Life & Dead von Engelchen_Fynn (Zwischen Leben und Tod) ================================================================================ Kapitel 1: Mick --------------- Mick Es ist viel verlangt, ich weiß das. Doch ich habe keine andere Wahl. „Er hat Beth.“ Ich sehe den Unwillen in seinen Augen, sehe auch irgendwie das Verlangen es zu tun, aber der Unwille ist größer, das Verlangen egoistisch, dass wissen wir beide. „Er hat meine Beth.“ Es fällt mir schwer - so unglaublich schwer -, und wenn er tatsächlich meint, diese Entscheidung fällt mir leicht, ist er im Irrtum. Es fällt mir nicht leicht. Ganz im Gegenteil. Doch wie ich ihm schon sagte, es geht hier um Beth. Und Beth … Ich liebe sie. Ich würde alles für sie tun, auch wenn das bedeutet, ihr keine Zukunft mit mir geben zu können und wieder das Leben zu führen, dass ich so sehr verabscheue. „Also bitte....“ Er scheint etwas sagen zu wollen, lässt es aber bleiben. Ich weiß, dass er das eigentlich nicht tun will. Zum einen, weil er genau weiß, wie sehr ich dieses Leben hasse. Er weiß es, seit ich damals von Coraline verwandelt wurde. Er war es, der mich einigermaßen auf die Füße geholt hat. Etwas, wozu Coraline, nachdem was sie mir angetan hat, nicht mehr in der Lage war. Ich hab Nahrung verweigert, wäre auf diese Art und Weise beinahe gestorben. Josef war der einzige den ich an mich rangelassen habe. Eigenartig, zu diesem Zeitpunkt mochten wir uns nicht mal besonders. Doch er wurde mein Mentor. Und wir … wurden Freunde. Stärker verbunden, als ich es als Mensch je erlebt habe. Bis dahin hatte ich keine Ahnung wie tief die Bindung zwischen zwei Menschen … Vampiren … was auch immer, gehen kann. „Bitte, Bruder.“ Ein unfairer Versuch, weil ich weiß, dass er ihn überzeugen wird. Der andere Grund, weshalb er es nicht tun will, ist Sara. Seit damals hat er kein einziges Mal versucht - ja, auch nur in Erwägung gezogen - jemanden zu verwandeln. Ich will ihn nicht dazu zwingen, will ihm das nicht antun, aber hier geht es um Beth, die Frau die ich liebe. „Mick…“ Ein kurzes Flehen, dass ich es mir anders überlege, flackert in seinen Augen auch. Doch ich werde mich jetzt nicht mehr um entscheiden. Er weiß das. „Verzeih mir.“ Ich nicke nur einmal kurz. Es gibt nichts, was ich ihm verzeihen müsste. Es ist allein meine Entscheidung. Ich lege meinen Kopf leicht zur Seite, um ihm mehr Platz zu bieten, dennoch erschrecke ich, als er mich plötzlich packt und seine Fangzähne in meinen Hals schlägt. Schmerz durchzuckt mich, und doch ist es anders als bei Coraline. Damals hatte ich Angst. Angst vor dem was aus mir wird, Angst vor ihr, vielleicht Angst vor dem Tod. Das Gefühl jetzt ist anders. Ich fühle wie ich schwächer werde, fühle wie ich sterbe und trotzdem fühle ich keine Angst. Ich habe keine Angst vor Josef, weiß, dass er mir niemals schaden würde. Keine Angst vor dem Tod, denn auch wenn bei Sara damals etwas schief gelaufen ist, bin ich mir völlig sicher, dass mir nicht dasselbe passiert. Und Angst vor dem was aus mir wird … Nun, ích weiß, zu was ich werde. Ich verabscheue es, aber ich habe keine Angst davor. Der Rhythmus meines Herzschlages verändert sich, pocht langsam und dumpf in meinen Ohren wieder. Aber ich spüre noch etwas anderes. Ihn. Spüre wie er mich beinahe sanft hält und auf … - ich weiß nicht - vielleicht dem Tisch ablegt. Sekundenlang geschieht gar nichts. Keine weiteren Berührungen, auch wenn ich weiß - spüren kann -, dass Josef bei mir ist. Kein Schmerz und auch mein Herzschlag verklingt langsam. Ich fühle eine Träne über meine Wange laufen, weiß aber nicht genau wofür ich sie vergieße. Für das, was ich aufgebe? Ein normales, sterbliches Leben? Eine glückliche Zukunft mit Beth? Vielleicht für das was ich Josef hier antue? Den Missbrauch unserer Freundschaft? Die schmerzhafte Erinnerung an Sara, die er unweigerlich fühlen muss? Oder für das Monster, dass gleich in mir erwachen wird, wissend, das es niemals vollkommen glücklich sein wird? Vielleicht ein bisschen von allem. Warme Flüssigkeit berührt meine Lippen. Reflexartig bewegt sich meine Zunge, sucht nach mehr. Ich schmecke das Metall, den Kupfer, doch auch das ist vollkommen anders als bei Coraline. Ich schmecke nicht nur das, was sich jeder vorstellt, wenn er an den Geschmack von Blut denkt. Ich schmecke Leben, Kraft, schmecke … Josef. „Na komm, Mick.“ Ein Kribbeln durchläuft meinen Körper. Leben kehrt darin zurück. Ich kann es spüren und das, nach nur wenigen Tropfen Blut. Ich stehe an der Schwelle zwischen Leben und Tod, dass ist mir durchaus klar. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, werden mir manche Dinge erschreckend klar. Diese Klarheit ... So war es auch damals, bei meiner ersten Verwandlung, bei der mir klar wurde, dass ich Coraline liebte, aber nicht genug um mit ihr die Ewigkeit zu verbringen, selbst wenn ich dafür nicht zu einem blutgierigen Monster mutieren müsste. Auch jetzt sind es Dinge, die ich bisher nicht mal geahnt hätte. Ich liebe Beth, ich werde Beth immer lieben, und dennoch … Dennoch werde ich sie nie verwandeln. Nicht, weil ich nicht die Ewigkeit mit ihr verbringen würde, sondern weil ich weiß, das, auch wenn sie vielleicht etwas anderes glaubt, sie dieses Leben niemals führen wollen würde. Und mir wird noch etwas klar. Auch wenn ich Beth liebe, für sie sterben oder ewig leben würde … Es gibt in meinem Leben, vielleicht gerade weil es ewig ist, eine Bindung die tiefer geht, stärker ist. Und das ist die Bindung zu Josef. Über die Frage ob ich auch für ihn sterben oder ewig lieben würde, muss ich gar nicht erst nachdenken. Ich würde, auf der Stelle. Tot, ewiges Leben und alles was dazwischen liegen mag. Und was mir ebenfalls klar wird - was ich schon wusste, auch wenn ich es nie wirklich realisiert habe -, er würde das Selbe für mich tun. Ich weiß das, weil uns mehr verbindet, als mich und Beth je verbinden könnte. Wie für … die Ewigkeit geschaffen. „Komm, steh schon auf.“ Wie in Trance bewegt sich meine Hand, umfasst etwas, von dem ich denke dass es sein Arm ist. Er kommt mir entgegen, bis seine noch blutende Wunde meine Lippen berührt. Und es fühlt sich an wie eine flüssige Droge. Leben, Kraft, Josef, Erinnerungen, die nicht meine sind, zu kurz um sie zu fassen, schießen durch mich hindurch. Blut, besser als jedes, das ich bisher gekostet habe, fließt heiß meinen Hals hinab, flüssiges Feuer das mich zu verbrennen scheint, ohne Schmerz, dafür beinahe erregend. Und ich kann ... seinen Herzschlag spüren. Ich öffne die Augen, lasse von ihm ab. Noch immer bin ich vollkommen berauscht, setzte mich aber dennoch auf. Ich habe immer noch seinen Geschmack auf meiner Zunge, seinen Herzschlag in meinen Ohren. Ich kann ihn spüren und weiß, dass ein Teil davon niemals verschwinden wird. Und zum ersten Mal, empfinde ich so etwas wie Dankbarkeit, Coraline gegenüber. Denn sie hat mich zu demjenigen geführt, mit dem ich die Ewigkeit teilen will ... und werde. Nicht sie selbst, wie sie es eigentlich gehofft hatte. Nicht Beth, der immer mein Herz gehören wird, egal wie lange ich leben werde, die aber nie die Unsterblichkeit erlangen wird. Sondern Josef. Meine Bindung für die Ewigkeit, mein bester Freund, mein Bruder. So, das wars. Ich hoffe es hat euch gefallen. ^^ Kapitel 2: Josef ---------------- So, dann folgt jetzt (endlich) das zweite und letzte Kapitel. Aus der Sicht von Josef zu schreiben war übrigens sehr viel schwieriger, als aus der von Mick. Na ja, ich hoffe euch gefällt es und ich danke meinen beiden Kommischreibern vom letzten Kapitel. ^^ Josef Es ist mehr als nur ein Gefallen, worum er mich da bittet. „Er hat Beth.“ Ich unterdrücke ein Schnauben. Als ob ich das nicht wüsste. Es ist immer Beth. Ja, ein Teil von mir will es tun. Ich sehe ihm nicht gern beim Sterben zu, und das ist nun mal alles, was man bei einem Menschen tun kann. Doch das ist mein Problem, nicht seins. Und ich weiß wie sehr er es genießt, es liebt, ein Mensch zu sein. Und ich weiß was er dafür getan hat. Ich habe ihn noch nie so glücklich gesehen. „Er hat meine Beth.“ Was ich diesmal unterdrücken muss, ist ein Knurren. Dafür hasse ich sie. Ob ihr eigentlich klar ist, was er in diesem Moment bereit ist für sie zu tun? „Also bitte…“ Ich will ihm sagen, dass es ein Fehler ist. Will ihn an seinen Selbsthass erinnern, für den ich ihn so sehr hasse. Will ihn besonders an die Anfangszeit erinnern, in der ich ihn fast zwingen musste Blut zu trinken. Doch ich sage nichts davon. Ich weiß, dass es an seiner Entscheidung nichts ändern würde, sondern dass ihn die Entscheidung nur noch mehr schmerzen würde, obgleich er diese Dinge ohnehin nicht vergessen hat. Ich spiele mit dem Gedanken es nicht zu tun. Ja, es würde Beth wahrscheinlich das Leben kosten, aber Mick könnte ein Mensch bleiben. So wie er es immer wollte. „Bitte, Bruder.“ Und in diesem Moment weiß ich, dass ich verloren habe. Wie könnte ich es ihm abschlagen? Er ist mein bester Freund - nein, es ist mehr als nur das das. Bruder. Dieses Wort trifft ins Schwarze. Ich kann ihm ansehen, dass er es will, wirklich will, auch wenn es ihn schmerzt. Doch es ist nicht nur das. Ich muss an Sara denken. Bei ihr hat es nicht funktioniert. Seither habe ich nicht mehr versucht jemanden zu verwandeln. Und jetzt soll es ausgerechnet Mick sein? Ausgerechnet derjenige, beim dem ich es nicht ertragen würde, wenn wieder das gleiche passiert? „Mick…“ Ich stoppe. Was soll ich ihm sagen? Er weiß das mit Sara, weiß dass ihm vielleicht das selbe Schicksal blüht und dennoch bittet er mich darum. Ich weiß nicht ob es Vertrauen ist, oder ihn die Verzweiflung treibt, aber ich weiß, dass ich dieses Risiko eingehen werde. Eingehen muss. „Verzeih mir.“ In den letzten 400 Jahren habe ich diese Worte selten gesagt, wenn überhaupt. Und auch wenn es unglaubwürdig klingt, aber ich habe auch selten Dinge getan, die es wert waren, diese Worte auszusprechen. Doch hier und jetzt habe ich das Gefühl das diese Worte nicht ausreichen. Er hat es gewollt, ja, und doch bin ich es, der ihm die Menschlichkeit, um die er solange gekämpft hat, wieder nimmt. Ich nehme ihm die Zukunft mit Beth. Ich weiß, dass er mir verzeiht, mir nicht mal die Schuld daran gibt, doch ich tue es. Und ich weiß nicht ob ich mir das je selbst verzeihen kann. Ich kann hören wie sein Herz schneller schlägt, als er nur kurz nickt und mir schließlich seinen Hals darbietet. Ich fühle seinen ganzen Körper zusammenzucken, als ich die paar Zentimeter die uns beide trennen überbrücke und meine Zähne in seinen Hals grabe. Sein Herz schlägt noch schneller, beinahe panisch, auch wenn ich an Mick selbst keine Angst riechen kann. Aber ich habe sie. Angst. Komisch, auch das ist etwas, was ich in den letzten 400 Jahren selten gespürt habe. Aber Mick hat es schon immer verstanden Dinge in mir zu wecken, von denen ich dachte, sie schon lange verloren zu haben. Außer ihm hat das in all der Zeit nur Sara gekonnt. Mitleid, Opferbereitschaft, Liebe. Und jetzt ist es die Angst. Die unfassbare Angst, das falsch zu machen, was ich auch bei Sara falsch gemacht habe, ihn ebenfalls zu verlieren, mit dem Wissen, sie beide verloren zu haben, nicht zurechtzukommen. Doch die Angst währt nur den Bruchteil einer Sekunde, solange bis mir der Geschmack, der von Mick ausgeht, bewusst wird. Obwohl er jetzt ein Mensch ist, kann ich die Unsterblichkeit in ihm schmecken, was mir das ungefähre Gefühl von dem Geschmack von Vampirblut gibt. Ich habe schon viel Blut in meinem Leben getrunken, aber das hier ist etwas vollkommen anderes. Der Geschmack vernebelt meinen Verstand und dennoch waren meine Gedanken nie so klar, meine Sinne noch nie so geschärft. Ich kann hören, spüren, wie sein Herz langsamer schlägt und führe ihn zum Tisch. Vorsichtig lasse ich ihn darauf ab und löse meine Zähne von seiner Wunde. Kurz betrachte ich ihn, wie er da vor mir liegt. Hilflos. Mit dem, was ich hier tue, binde ich ihn fester an mich, mich fester an ihn, doch das, ist das Einzige, was mir keine Angst macht. Das Einzige was mir nicht leid tut. Ich ziehe mein Jackett aus, kremple den Ärmel meines Hemdes hoch, bevor ich mir selbst die Wunde zufüge, aus der Mick trinken soll. Ich halte meinen Arm über sein Gesicht, die Wunde direkt über ihn und lasse ein paar Tropfen Blut auf seine Lippen perlen. Ich bin angespannt, hoffe inständig, dass es funktioniert. Seine Zunge bewegt sich, nimmt die ersten Tropfen auf. „Na komm, Mick.“ Wir waren schon immer stark verbunden. Nicht mal die Bindung zu Sara war so tief. Ich liebe sie, damals wie heute, aber trotzdem ist das, was mich mit Mick verbindet stärker. Jetzt mehr den je. Vielleicht liegt das an der Unsterblichkeit. Vielleicht ist diese Art von … Liebe zu einem Menschen nicht möglich. Ich lächle bitter. Wahrscheinlich wäre meine Bindung zu Sara heute eine andere, wenn die Verwandlung geklappt hätte. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Sie wird irgendwann aufwachen, dass weiß ich. Doch im Moment ist Mick alles was zählt. Er muss trinken, richtig trinken, wenn er nicht sterben will. „Komm, steh schon auf.“ Es klingt beinahe flehend und ebenso meine ich es auch. Bitte, füge ich in Gedanken hinzu und spüre nur einen Sekundenbruchteil später, wie seine Hand meinen Arm umfasst. Ich senke ihn tiefer, bis seine Lippen meine Haut berühren, was mir einen heißen Schauer über den Rücken jagt, und er beginnt zu trinken. Erleichterung durchflutet mich. Er wird es schaffen. Erst jetzt wird mir richtig bewusst, wie groß die Angst, die ich hatte, wirklich gewesen war. Ihn tatsächlich zu verlieren … Nein, das hätte ich nicht ertragen. Ich glaube an das Schicksal. Selbstverständlich bin ich jemand, der sein Glück selber schmiedet, doch es gibt einfach Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Auch heute noch bin ich mir völlig sicher, dass es Schicksal ist, dass ich Vampir bin, damit ich Sara begegnen konnte. Doch ebenso war auch die Begegnung mit Mick Schicksal gewesen, nicht möglich, wenn wir nicht beide Vampire gewesen wären. Und vielleicht … ist es für uns beide nicht vorherbestimmt den Partner für die Ewigkeit zu finden. Ich habe es einmal versucht und werde es nie wieder tun, schon allein deshalb, weil ich weiß, dass ich nie wieder eine Frau so lieben könnte wie Sara. Und Mick ist so in seinen grenzenlosen Selbsthass verstrickt, dass er das niemals einer Frau antun würde, auch dann nicht, wenn sie ihn darum bittet. Unsere Geschichten sind andere, aber sie laufen auf das Selbe Ende hinaus. Und das ist es, was uns beide zu denjenigen macht, die die Ewigkeit miteinander verbringen werden. Und eigentlich … ist das nicht schlimm. Mick lässt von mir ab, öffnet die Augen und setzt sich auf. Ich bin noch nie so erleichtert gewesen. Ja, er ist meine Bindung für die Ewigkeit. Und wie auch für Sara, würde ich alles für ihn tun. Ich hoffe er weiß das, denn ich bin nicht der Typ, der ihm sowas unter die Nase reibt. Wir beide sind füreinander geschaffen. Und ich denke wir beide wissen das. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)