About Riots & Mavericks von abgemeldet (chapter 3 up) ================================================================================ Kapitel 1: About a new Life --------------------------- About Riots & Mavericks Chapter 1 – About a new Life Die großen Schiebetüren waren weit geöffnet und lauwarme Mailuft wehte aus dem Garten herein. Die beiden Brüder saßen im Zimmer des Älteren auf dem Fußboden, umgeben von unausgepackten Umzugskartons. Am Kleiderschrank hing eine nagelneue Schuluniform, von seinem Besitzer misstrauisch betrachtet. Seufzend drehte er sich schließlich weg und setzte sich neben seinen Bruder an die geöffnete Tür. „Hast du Angst?“, fragte er nach einer Weile leise. Ruizas Blick, starr auf den Nachthimmel geheftet, flackerte einen kurzen Moment, bevor er Toshiya langsam den Kopf zuwandte und erst jetzt in die Wirklichkeit zurückfand. „Ich weiß nicht…“, antwortete er lächelnd und mit einem leichten Schulterzucken. „Es ist schon seltsam, oder? Nach fast 8 Jahren…“ Der Ältere nickte wissend und rückte ein Stückchen näher, legte den Arm schützend um seinen Bruder. Vor 8 Jahren waren die Geschwister mit ihren Eltern nach Amerika gezogen, aus beruflichem Anlass des Vaters. Jetzt waren sie zurück in Japan und hatten ein altes japanisches Haus in Tokyo bezogen. Das Haus war wunderschön, der gepflegte Garten noch viel schöner, die Zimmer der Beiden äußerst groß und geräumig… doch das alles täuschte nicht über das Heimweh nach New York und ihren Freunden dort und die Angst vor dem neuen Leben in dem mittlerweile so fremd gewordenen Heimatland hinweg. Toshiya war 10, Ruiza 8 Jahre alt gewesen, als sie damals umgezogen waren. In New York hatten sie sich sehr schnell eingelebt und im Laufe der Zeit langsam die alten Sitten, Bräuche und Gewohnheiten völlig vergessen. Umso seltsamer fühlte es sich an, plötzlich wieder auf diesem Boden zu stehen, in dieser Stadt, diese Luft zu atmen. Großstadtluft, ja. Aber gänzlich anders als die Luft in den Straßen von New York. Und sie hatten weder Zeit zum Einleben noch zum Kartons auspacken gefunden, bevor ihr Vater mit den Unterlagen der neuen Schule auf sie zugekommen war, wenigstens eine Sache um die er sich kümmerte… Toshiya und Ruiza fehlte es an nichts, außer vermutlich an elterlicher Zuwendung… Beide Elternteile waren nur selten zu Hause, dass würde auch in Tokyo wohl kaum anders werden. Allerdings würde hier im neuen Haus die Haushälterin fehlen, die die letzten Jahre über die beiden Brüder gewacht hatte… Nicht, dass sie sich groß daran stören würden, ohne den alten Drachen auskommen zu müssen. Trotzdem konnte es manchmal wirklich hart sein, so ganz ohne die Hilfe der Eltern dazustehen, besonders in diesem alten neuen Land. Wenigstens hatten sie ihrem Vater dieses Mal ausreden können, sie auf eine Privatschule zu schicken, stattdessen würden sie eine öffentliche Schule in der Nähe besuchen. Gleich morgen war ihr erster Schultag. Morgen… ja, morgen. So bald… Es fühlte sich wirklich merkwürdig an… „Wenigstens sprechen wir die Sprache hier noch…“, riss Toshiya seinen Bruder plötzlich wieder aus dessen Gedanken. Daraufhin musste auch Ruiza grinsen. „Du tust ständig so, als wären wir nach Sibirien oder so ausgewandert. Dabei ist es doch gar nicht so übel hier, oder? Hast du denn nur negative Erinnerungen an früher? Irgendetwas schönes muss doch auch dabei gewesen sein? Ich finde jedenfalls, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können. Wir hocken nicht in der Pampa fest. Und deinen Shopping-Wahn kannst du hier mindestens genauso gut ausleben, das weißt du genau. Toshiya, find dich damit ab… die nächsten paar Jahre wird uns wohl kein Weg zurück nach Manhattan führen. Lass uns das Beste draus machen.“ Seufzend ließ Toshiya ihn los uns sank langsam auf den Rücken. Lachend schüttelte er das dunkle Haar. „Rui, Rui, Rui… Machst du deinem großen Bruder Vorschriften?“ Neckisch zwinkerte er zu ihm auf. „Noch so jung und schon so klug… ja, du hast vermutlich Recht... wir sollten das Beste draus machen. Mal sehen, vielleicht ist die neue Schule ja gar nicht so übel. Nur der Mist mit den Uniformen geht mir jetzt schon gewaltig auf die Nerven…“ „Ha! Wir haben uns noch ne Schule ausgesucht, wo's wenigstens etwas lockerer zugeht… oder möchtest du dir etwa die Haare streichholzkurz schneiden müssen…?“ Mit einem Seitenblick auf Toshiya fasste Ruiza ihm sanft ins fast schulterlange, schwarze Haar. Er selbst trug es noch länger, zumindest im Nacken fielen einige Strähnen ihm weich über den Rücken. Auf diese Aussage konnte der Ältere nur grinsen und zupfte eine Fluse aus Ruizas Mähne. „Meine sind schwarz. Deine sind karottenorange. Das würde wahrscheinlich noch mehr ins Gewicht fallen.“ „Es ist teebraun…!“, zischte es sofort zurück. Doch bevor das flink herbeigeangelte Kissen Toshiyas Gesicht treffen konnte, war dieser schon aufgesprungen und in den Garten geflohen. Als Ruiza ihn einholte, hockte er vor dem kleinen Teich, verborgen zwischen Gräsern und Schilf, und starrte geistesabwesend ins dunkle Wasser. Sein Bruder blieb dicht bei ihm stehen und blickte zum hell erleuchteten Nachthimmel auf. „Sogar hier hört man noch das Rattern der Bahn… Dabei stehen wir mitten in einer kleinen Oase… fühlt sich das nicht irgendwie seltsam an?“ Grinsend sah Toshiya auf. „Stört dich das? Willst du behaupten, dass es in NY nicht laut war und die Nacht hell erleuchtet?“ „Nein, das meine ich damit doch gar nicht!“ Er stieß seinem Bruder wenig sanft das Knie in den Rücken. „Aber es fühlt sich trotzdem so anders an und das hier… dieser Garten, irgendwie wie ein Traum. Oder so…“ „Du spinnst ja total rum heute…“ Er rieb sich mit verzogenem Gesicht den Rücken. „Das gibt nen blauen Fleck, vielen Dank…“ Träge stand er auf und drehte seinen Bruder am Arm zu sich um. Einen Augenblick lang betrachtete er dessen Gesicht ganz genau, dann legte er ihm sanft die Hand an die Wange. „Besser als das kleinen Stück Rasen vorher, oder? Ruiza… du hast Angst, ich sehs in deinen Augen. Wen wundert es, alles ist so lange her. Ich weiß auch nicht mehr sehr viel von damals… Aber du schaffst das schon, ich bin ja bei dir…“ Der Junge seufzte und wandte sich ab, aber Toshiya ließ ihn nicht los, sondern zog ihn nur noch dichter zu sich. „Sprich mit mir, Rui… haben wir nicht immer alles zusammen gepackt?“ Ein kurzes Zögern noch, bevor der Angesprochene leicht nickte und die Lippen öffnete. „Natürlich, aber… hier ist alles so anders… Die Geräusche, die Gerüche, die Menschen… ich vermisse NY, ich vermisse meine Freunde, ich hab Angst vor all diesen komischen Regeln und dem ganzen Kram… und gleichzeitig komm ich mir auch noch so dumm und fremd vor, wenn ich die einfachsten Sachen nicht mehr kenne und alles… Das nervt mich total an…“ „Ich versteh ganz gut, was du meinst, aber den Kopf einziehen und so, das hilft doch auch nicht Baby… Komm wieder rein, lass uns pennen gehen, okay? Es ist schon spät…“ Wieder im Haus war Ruiza schon an der Tür, bevor Toshiya ihn zurückrief. „Hey, wo willst du denn hin? Ich dachte, du pennst bei mir, so wie früher.“ „Eh?“ Ruiza blieb überrascht stehen. „Meinst du das Ernst…?“ In seinen Augen leuchtete ein kleiner Funken Hoffnung, in dieser ersten Nacht nicht alleine sein zu müssen. Toshiya sah es und schlug lächelnd seine Bettdecke zurück. „Komm her. So wie früher. Genau so wie früher…“ Und so lagen sie schließlich gemeinsam unter der warmen Decke, im dunklen Zimmer. Ihr Flüstern drang gedämpft durch den Raum, leise, gedämpft… obwohl keine Ohren da waren, die die Worte hätten hören und sie bestrafen können… Wie damals in New York, als sie noch klein gewesen waren und doch schon auf sich allein gestellt. Ruiza blieb nicht mehr lange wach, aber Toshiya lag noch lange still neben ihm und betrachtete seinen kleinen Bruder. Ruiza… Der Sanftmütige von ihnen, der Zarte, der Sensiblere…. Der Empfindlichere. Der ganze Umzug hatte ihm mehr zu schaffen gemacht, als er zugeben würde. Als sie damals nach Amerika gegangen waren, hatte er schlimm geweint, Toshiya erinnerte sich noch ganz genau daran. Er hatte noch stärker als sonst die direkte Nähe seines älteren Bruders gesucht, hatte Schutz und Geborgenheit von ihm verlangt. Toshiya hatte es ihm geben können und er hatte es gern getan, fühlte er sich bei Ruiza doch selbst gleich viel sicherer. Aufgewachsen bei reichen Eltern, zwischen Kindermädchen, Haushälterinnen und manchmal sogar Hauslehrern waren die Brüder stets allein gewesen und hatten nur einander gehabt. Bei dem Gedanken an seine Familie, fiel dem Schwarzhaarigen nur sein Bruder ein, einzig Ruiza verdiente es, als seine Familie bezeichnet zu werden. Ihre Eltern waren stets Fremde gewesen und je älter sie wurden, desto größer wurde die Distanz. Aber sie hatten gelernt damit umzugehen und konnten gemeinsam einfach alles bewältigen. Trotzdem hatte Toshiya Ruizas Angst gespürt, wie ein Prickeln in seinem Inneren. Die Angst vor der ganzen Veränderung. Er selbst fühlte sie auch, aber wahrscheinlich nicht so ausgeprägt, wie sein jüngerer Bruder, der ohnehin schüchterner war und sich schnell fürchtete… Ach Mann….! Brummend schob er sich dichter an seinen Bruder und hoffte, dass sein friedlicher Schlaf bald auf ihn übergreifen würde. Wach liegen und nachdenken führte zu nichts. Ruiza drehte sich im Schlaf und er kuschelte sich an seine Seite und schloss die Augen. Endlich schlafen… ~*~ „Toshiya! Beeil dich endlich!! Wir sind schon echt spät dran! Wozu brauchst du denn so lange?“ Ruiza stand bereits in voller Montur an der Tür, die Schultasche in der Hand, und wartete auf seinen älteren Bruder, der noch immer wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das Haus rannte. Eine Reaktion oder gar Antwort auf seine Frage, bekam der Junge nicht und langsam wurde es ihm wirklich zu bunt. Er stellte seine Tasche ab und stapfte energischen Schrittes ins Badezimmer, dessen Tür gerade erst ins Schloss gefallen war. „Toshiya!!“ Er verstummte, als er sah, womit sein Bruder gerade beschäftigt war und riss ihm mit wütender Miene die Wimperntusche aus der Hand. „Bist du verrückt?! So kannst du da doch nicht gleich am ersten Tag auftauchen! Nachdem es dir sowieso misslungen ist, einen guten Eindruck zu hinterlassen, wie ich stark annehme, denn ich kenne dich… danach kannst du auch geschminkt hingehen, aber heute doch nicht gleich! Und die Haare hast du dir auch gemacht, kämm das sofort wieder raus!“ „Aber~!!“ Mit einem Aufschrei langte Toshiya nach Ruizas Hand und versuchte ihm sein Schminkutensil wieder zu entreißen, aber der Jüngere kannte seinen Bruder zur genüge und drehte sich schnell genug weg. Toshiyas Mitleid heischender Gesichtsausdruck sprach Bände. „Wie kannst du nur? Willst du deinen geliebten Bruder hässlich zur Schule schicken?! Das kannst du doch nicht machen! Bitte bitte gib ihn mir zurück~~~!“ „Dein Jammern hilft dir jetzt auch nicht mehr und du wirst das abwaschen und das ganze Spray aus deinen Haaren kämmen, wir gehen zur Schule und nicht auf eine Party. Und wir gehen auf eine neue Schule, von der wir so gut wie nichts wissen. Vor allem nicht wissen wie die Lehrer das alles finden und so weiter! Ich geb dir jetzt genau 3 Minuten (Zeit), danach will ich einen braven unschuldigen Schuljungen sehen, ansonsten geh ich ohne dich!“ In der Tür drehte er sich noch einmal um und warf einen spitzen Blick in die Schublade, die Toshiya in diesem Moment begehrlich angesehen hatte. „Ah. Und das hier nehme ich auch mit. Ich warne dich, ich meins echt ernst. 3 Minuten.“ Er fischte das Schminketui aus der Schublade und ging, Toshiya sah ihm schmollend nach. Ruiza konnte ganz schön streng sein, wenn er wollte. Außerdem… brav? Unschuldig? Das dachte er wohl nicht wirklich, oder? ~*~ Kurz vor Schulbeginn hatten es die Brüder tatsächlich noch geschafft, ihre Schule überhaupt zu finden und nicht direkt als erstes zu spät zu kommen. Abgehetzt blieben sie vor dem großen Gebäude stehen und nahmen sich einen Moment Zeit, es genauer zu betrachten. „Sieht aus wie ne ganz normale Schule.“, meinte der Schwarzhaarige schließlich maulend. Er nahm es Ruiza noch immer übel, dass dieser ihn ohne Make-up aus dem Haus geschickt hatte, ihn gezwungen hatte, seine Haare wieder zu plätten und ihm sogar noch die Sonnenbrille abgenommen hatte, mit der er seine ungeschminkten Augen vor der Öffentlichkeit zu verstecken gedacht hatte. Ruiza begegnete seinem Unmut mit stoischer Ruhe und ignorierte seine Laune einfach! Sogar jetzt gerade ignorierte er seinen Tonfall einfach. War das zu fassen? „Schau mal.“ Ruiza wies mit der Hand auf das Gebäude rechts neben ihrer Schule. „Es hieß doch, dass die zugehörige Uni direkt nebenan ist. Das scheint sie zu sein. Sieht ja gar nicht mal schlecht aus…“ Unwillig kickte der Andere nach einem Stein und starrte demonstrativ auf den Boden, bis er plötzlich einen heftigen Schlag gegen den Arm bekam. Verdutzt hob er den Kopf und sah Ruiza an, der den Blick verärgert erwiderte. „Hör endlich auf zu schmollen, nur wegen dem bisschen Schminke. Du bist doch kein hübscher Kerl, nur weil du die Augen angemalt hast! Du siehst auch so sehr gut aus! Jetzt krieg dich bitte wieder ein und sei nicht so zickig. Du hast doch gestern Abend noch gesagt, dass wir das hier zusammen durchstehen und jetzt bist du sauer auf mich, nur weil ich verhindern möchte, dass dir sofort ein Stempel aufgedrückt wird? Das finde ich ehrlich gesagt ziemlich gemein…“ Etwas überrascht dachte der Angesprochene kurz über die Worte nach und lächelte mit einem Mal verlegen… Ja… Du hast Recht, Rui. Tut mir leid, das war echt ziemlich albern von mir. Vermutlich war ich nur geschockt, weil du so mit mir gemeckert hast. Das tust du ja sonst nur äußerst selten.“ Er lachte und auch Ruiza konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. „Du hast mir halt allen Grund zum meckern gegeben. Und jetzt bitte… lass uns gehen. Ich will wirklich nicht zu spät kommen…“ Ruizas Stimme hatte diesen klagenden Unterton angenommen, dem sein Bruder einfach nicht standhalten konnte, daher nickte er nur hastig und durchschritt schnell das Eingangsportal. Während die Beiden über den Schulhof gingen, hatten sie genug Zeit sich weiter umzusehen, die Gebäude und ihre neuen Mitschüler zu betrachten. Sie waren noch nicht einmal bis zum Eingang gekommen, als Ruiza sich etwas dichter an seinen Bruder schob. „Ich wusste gar nicht, dass das hier ne reine Jungenschule ist… Du?“, flüsterte er ihm leise zu. Toshiya warf einen schnellen Blick durch die Runde, bevor er leicht den Kopf schüttelte. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. „Nein, das hab ich nicht gewusst, aber es scheint so zu sein, hm…? Hoho, also… damit hab ich wirklich kein Problem. Sein breites Grinsen brachte ihm einen bösen Blick seines Bruders ein. Toshiya wiederum stieß ihm sanft den Ellenbogen in die Seite. „Verklemmt wie immer, hm? Warten wir einfach mal, bis du etwas älter bist. Manche brauchen eben länger…“ „Entschuldigung?!“ Die Stimme des Brünetten klang aufgebracht. „Ich bin nicht verklemmt und das hat auch gar nichts damit zu tun, ich schmeiß mich nur nicht gleich jedem x-beliebigen vor die Füße, wie gewisse Leute, die sich zufällig neben mir befinden!“ Toshiya sah an Ruiza vorbei und betrachtete eine Gruppe von Schülern, die zusammenstanden und die neuesten Neuigkeiten austauschten. Er hob verwundert die Augenbrauen. „Also… ich weiß ja nicht, was du immer denkst, aber die Jungs da sehen nicht grad aus, als würden sie gleich jeden anmachen und so…“ „Toshiya!!!“ So ging das noch eine ganze Weile weiter, doch als sie das Lehrerzimmer erreicht hatten, verstummten die Brüder wie auf ein geheimes Zeichen. Hier trennten sich ihre Wege und bevor sie den jeweiligen Lehrern zum neuen Klassenzimmer folgte, warf Toshiya seinem Bruder noch einen aufmunternden Blick zu, obwohl ihm selbst die Knie zitterten… ~*~ Ruiza fühlte sich allein und irgendwie verlassen, als er diesem Lehrer nachtrottete, der nicht einmal sein Klassenlehrer war und außerdem kaum ein Wort mit ihm sprach. Dieser eher betagte Herr schien viel eher Probleme zu haben, überhaupt das Klassenzimmer zu finden… Was den Jungen nicht sonderlich störte, in diesem Moment wollte er eigentlich nur noch weg. Vor allem, wenn er daran dachte, dass er gleich vor seiner Klasse stehen und sich vorstellen musste. Er hasste es, sich auf dem Präsentierteller zu befinden. Eine Sache, die seinen Bruder überhaupt nicht störte…Für ihn selbst jedoch… Neue Schule, neue Klasse, alles halb so schlimm, aber vorne stehen? Schrecklicher Gedanke. Ruiza fühlte sich richtig elend, dachte aber voller Erleichterung daran, dass sie auch in Amerika weiterhin von einem Privatlehrer Japanischunterricht bekommen hatten. Er wäre sich sonst nicht einmal sicher gewesen, ob er seinen Namen noch vernünftig schreiben konnte… Da! Jetzt war es auch schon so weit, leider hatte diese Mumie den richtigen Raum doch noch gefunden und ehe Ruiza sich versah, stand er vorne vor allen anderen und fühlte ihre neugierigen Blicke auf sich gerichtet. Hastig kritzelte er seinen Namen an die Tafel, stammelte ein paar Floskeln zur Begrüßung und verbeugte sich. Die Sekunden vergingen wie in Zeitlupe, während dieser Lehrer noch ein paar Worte sagte, um ihn an ihrer Schule willkommen zu heißen und sich dabei selbst ständig wieder unterbrach. Er schien ewig zu brauchen und Ruizas Augen blickten währenddessen die ganze Zeit unter den hellen Haaren hindurch nur begehrlich zu dem einzig freien Platz ganz hinten, die zweite Reihe vom Fenster aus… und ignorierte die Blicke der Anderen. Er hoffte inständig, nicht allzu rot geworden zu sein… Endlich sein Stichwort, er durfte sich setzen! Seine Finger schlossen sich fest um den Griff seiner Mappe, während er versuchte mit ruhigen Schritten an seinen Platz zu gehen. Als er sich setzte und auch die letzten Schüler ihre Köpfe wieder zum Pult drehten oder ihre Privatgespräche fortführten, spürte er endlich die Anspannung von sich abfallen und atmete einmal tief durch. Ganz leise natürlich. Erst jetzt wagte er es, sich vorsichtig umzuschauen und seine Mitschüler zu betrachten, die er vorher einfach nicht hatte ansehen können. Ihr Lehrer kramte in seinen Unterlagen… Ruiza wunderte sich, dass er noch nicht eingeschlafen war und fragte sich gleichzeitig, ob es möglich war, Schnecken als Vorfahren zu haben… Bei seinen Mitschülern stutzte er nach kurzer Zeit. Offensichtlich hätte er sich um Toshiyas Look heute Morgen keinerlei Sorgen machen brauchen… Einige sahen ganz normal aus in ihren Schuluniformen, aber andere wiederum… Ruiza sah Piercings, gefärbte Haare und das nicht nur in Blond- oder Brauntönen, Schuluniformen die mit Patches benäht oder bemalt waren, Schuluniformen die irgendwo auf halb acht hingen, Schuluniformen die nicht einmal mehr als solche zu erkennen waren, weil ihre Besitzer Teile ihrer Privatkleidung vorgezogen hatten und normale T-Shirt zu den Hosen der Uniform trugen… Und anscheinend störte das hier niemanden. Den Mann da vorne schon mal gar nicht. Je länger er ihn beobachtete, desto langsamer schien er sich zu bewegen. Faszinierend. Aber Ruiza freute sich für seinen Bruder, das würde ihm sicher gefallen. War nur zu hoffen, dass die ganze Schule so locker war… „Kinder…“ Der Lehrer meldete sich erstmals nach Ruizas Vorstellung zu Wort. Er hatte eine wirklich sehr schleppende und einschläfernde Art zu sprechen. „Ich habe meine Unterlagen im Lehrerzimmer vergessen. Ich werde sie schnell holen gehen. Seid solange bitte still und benehmt euch…“ Er eierte nach draußen und Ruiza schnappte einen Kommentar eines Mitschülers auf. „Schnell? Ich schätze in frühestens 15 Minuten ist er zurück…“ Diese Aussage wurde von Gelächter begleitet, aber Ruiza wandte sich seufzend ab und sah aus dem Fenster. Erst als ein Schatten auf ihn fiel sah er erneut auf. Vor ihm stand einer seiner neuen Kameraden, der Junge der direkt vor ihm seinen Platz hatte. Schwarzes Haar, ein Lippenpiercing… und diesen Blick in den Augen… Der Junge streckte ihm die Hand hin und lächelte. Auch dieses Lächeln war Rui nur zu vertraut. „Willkommen an unserer Schule. Ruiza war dein Name…? Hi… Ich bin Miyavi. Freut mich“, schnurrte der Junge ihm zu. „Ah… danke… Freut mich auch…“ Und dann auch noch diese Art mit jemandem zu reden… das war ihm alles wirklich nur allzu gut vertraut. Toshiya konnte das nämlich ganz genauso. So sprach sein großer Bruder mit Leuten, die ihn interessierten… und die sich später in Toshiyas Bett wieder fanden… Er mochte diese Art nicht besonders und errötete, als sein Blick Miyavis traf. Dessen Lächeln wuchs nur noch weiter in die Breite. Doch Rettung schien in Sicht zu sein. Der Junge rechts neben Ruiza hatte sich ihnen zugewandt und betrachtete Ruizas Gesprächspartner mit ganz offensichtlichem Misstrauen. Er hatte blondes Haar, das ziemlich gut gefärbt war und so wirkte, als sei es seine natürliche Haarfarbe. Seine Schuljacke war mit bunten Buttons gespickt und statt des üblichen weißen Hemds trug er ein bunt bedrucktes Shirt. „Miyavi!“, knurrte der Blonde laut. Der Angesprochene sah auf und rollte mit den Augen. „Takeru…“ Er klang enttäuscht. Takeru hingegen stand auf, stellte sich direkt neben Ruiza und legte diesem den Arm um die Schultern. „Kannst du das nicht lassen?“, fuhr er Miyavi empört an. „Er ist keine 5 Minuten bei uns und du musst ihn direkt anmachen! Such dir doch jemand anderen aus! Was soll er denn denken? Setz dich wieder hin und lass ihn in Ruhe!“ Mit beleidigter Miene ließ der Schwarzhaarige sich wieder auf seinen Stuhl plumpsen, drehte sich aber zu ihnen um und ließ Ruiza nicht aus den Augen. Takeru redete derweil weiter auf Ruiza ein und schien die erstaunliche Fähigkeit zu haben, völlig ohne Sauerstoff auszukommen. „So das hätten wir erstmal, jetzt bist du fürs erste sicher. Aber entschuldige meine Unverschämtheit, ich hab mich ja selber noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Takeru. Dein Name war Ruiza? Ist das dein richtiger Name? Ein schöner Name auf jeden Fall. Aus New York kommst du? Das ist echt ziemlich cool. Hast du lange da gelebt? Dass du Japaner bist sieht man dir ja an. Naja, wie auch immer, ich weiß es ist ätzend der Neue zu sein, aber du musst keine Angst haben. Ich bin ja auch noch da und ich würd dir gerne helfen, dich hier zurechtzufinden. Ist gar nicht so übel hier. Du lebst dich bestimmt sehr schnell ein, aber nimm dich bloss vor Miyavi in Acht, der ist echt gefährlich! Der legt alles flach was nicht bei drei auf dem Baum ist und du siehst wirklich nicht schlecht aus, wahrscheinlich bist du genau sein Typ. Aber auch das ist kein Problem, wie gesagt ich bin ja da und werde dich vor diesem sex-besessenen Irren beschützen- “ „Wie hast du mich genannt?!“ Bei den letzten Worten war Miyavi erneut aufgesprungen und baute sich nun drohend vor Takeru auf. Dieser sah ihn nur wütend an und überschüttete ihn mit einem neuen Wortschwall. Schneller als Ruiza begreifen konnte, was eigentlich los war, waren die beiden in einem heftigen Streit verwickelt. Irritiert schüttelte Ruiza den Kopf und sah ihnen seltsam fasziniert zu, als er eine andere Stimme an seinem Ohr hörte. „Mach dir keine Sorgen, das ist völlig normal mit den beiden…“ Neben ihm stand ein weiterer Junge, diesmal mit hellbraunem Haar. Auch er war am Mund gepierct, trug einen Stecker im linken Mundwinkel und einen weiteren in der Mitte unter der Unterlippe. Seine Schuluniform trug er ganz normal, abgesehen davon, dass die beiden obersten Hemdknöpfe geöffnet waren, aber zusätzlich hatte er viele Ketten um und mehrere Ringe an den Fingern. Er streckte ihm die Hand hin, Ruiza schüttelte sie schnell. „Ich bin Jin. Schön, dass du bei uns bist. Wie gesagt, mach dir keine Gedanken deswegen. Die beiden können keine zwei Minuten im selben Raum sein, ohne einen Streit anzufangen. Ich glaube, sie brauchen das irgendwie…“ Er lachte leise. Seine Stimme klang angenehm und sein Blick ruhte sanft auf Ruiza. „Und ganz so schlimm wie Takeru gesagt hat, ist Miyavi auch nicht. Mach ihm einfach klar, dass du nicht interessiert bist und er wird dich in Ruhe lassen. Auch wenn es mich nicht wundert, dass er direkt ein Auge auf dich geworfen hat. Du bist sehr hübsch. Und du hast sehr schöne Haare. Eigentlich siehst du wirklich eher wie ein Mädchen aus…“ Zum ersten Mal seit er den Raum betreten hatte, rang Ruiza sich ein Lächeln ab, wenn auch ein schwaches. „Ich bin nicht sicher, ob ich mich dafür bedanken sollte…“ Damit brachte er Jin erneut zum Lachen. „Das kannst du allein entscheiden. Die ganze Sache mit den Frauen und Mädchen wird meiner Meinung nach ohnehin völlig überschätzt und ich fürchte die halbe Schule ist schwul, da ist ein weiblich aussehender Junge doch auch mal was Nettes. Meinst du nicht? Schau mich nicht so an, das mit den Mädchen war nur Spaß. Mir sind Jungen trotzdem lieber und wie gesagt, das geht hier bei uns einigen so. Daran musst du dich wohl gewöhnen. Oder stört dich sowas?“ Ruiza schüttelte nur den Kopf. „Nein… eigentlich nicht. Ist nichts Neues für mich, mein großer Bruder ist genauso. Ihm wird’s hier ganz bestimmt gefallen.“ „Ach, dein Bruder geht hier auch zur Schule? Den musst du mir unbedingt mal vorstellen… Und was ist mit dir? Sind die Jungen oder Mädchen lieber?“ „Ähm… ehrlich gesagt hab ich da noch nie ernsthaft drüber nachgedacht… aber ich schätze Jungen…“ Ruiza wunderte sich ein wenig über die Wendung der Unterhaltung. Jin redete wirklich nicht lange um den heißen Brei herum, er fragte direkt nach den Dingen, die ihn interessierten. Es überraschte ihn, wie wenig es ihm ausmachte, mit Jin über diese Themen zu sprechen. Vermutlich lag es an der Ernsthaftigkeit mit der er ihn angesprochen hatte, es wirkte absolut nicht so, als wolle der Fremde sich über ihn lustig machen. Eine konkrete Antwort konnte Ruiza trotzdem nicht geben, aber vermutlich war er wirklich mehr an Jungen interessiert, durch seinen Bruder kannte er es gar nicht anders. Erst als das Streitgespräch hinter ihm plötzlich verstummte, sah er wieder auf und bemerkte, dass der Lehrer wieder aufgetaucht war, woraufhin sie alle wieder auf ihren Stühlen Platz nahmen und der Unterricht begann. ~*~ Im Gegensatz zu seinem Bruder störte es Toshiya wirklich nicht im Geringsten, sich vor der ganzen Klasse vorzustellen oder sich auf dem Präsentierteller zu befinden. Ganz im Gegenteil. Bereits auf dem Weg zum Klassenzimmer sah er sich offen um und betrachtete alles und jeden mit augenscheinlicher Neugier. Ihm waren bereits einige sehr interessante Personen über den Weg gelaufen, die letzte hatte ihm ganz besonders gut gefallen. Mit einer unglaublichen Selbstsicherheit war er durch die Gänge gewandert, hatte den Lehrer in Toshiyas Begleitung gegrüßt und Toshiya offen angelächelt. Er hatte keine Uniform getragen und auch älter ausgesehen als die anderen Schüler, Toshiya schätze das er auf die angrenzende Universität ging… Denn so langes Haar und vor allem die komplett tattowierten Arme wurden vermutlich nicht einmal hier geduldet. Wie dem auch sei, Toshiya hatte sein Lächeln mit einem unmissverständlichen Blick erwidert und sich dafür ein breites Grinsen eingehandelt. Dann war der Fremde mit einem leisen geflüsterten „Oh Verzeihung…“ ganz nah an ihm vorbeigegangen und hatte seine Hüfte gestreift. Toshiya schnurrte innerlich auf, als er daran dachte. Später musste er unbedingt irgendwie mehr über diesen Mann in Erfahrung bringen und er konnte gar nicht abwarten, später Ruiza davon zu erzählen. Auch wenn er sich dessen Reaktion nur zu gut vorstellen konnte… Vor dem Klassenraum blieb seine Begleitung stehen und wies auf die Tür. „Hier ist deine neue Klasse. Ihr habt gerade eine Freistunde, aber du kannst ja trotzdem schon mal reingehen und dich vorstellen. Ich wünsch dir viel Spaß an unserer neuen Schule.“ Damit ließ er ihn stehen und der Schwarzhaarige atmete einmal tief ein, bevor er die Tür aufschob. Niemand bemerkte ihn, alle waren zu sehr damit beschäftigt ihr Wochenende zu erörtern oder die Tafel vollzuschmieren, also hatte er genügend Zeit, sich in aller Ruhe umzusehen. Ob wohl da hinten noch Plätze frei waren, wo zwei weitere Schwarzhaarige nebeneinander standen und sich unterhielten…? Er ging einfach herüber, legte seine Tasche auf einen freien Tisch und lächelte die Beiden an. „Entschuldigung, ist hier vielleicht noch frei?“ Sie unterbrachen ihr Gespräch und warfen sich einen überraschten Blick zu. „Der Platz da ist frei…“, antwortete einer von ihnen, sein Haar war nicht komplett schwarz, sondern mit violetten Strähnen durchzogen, vielleicht waren es auch Extensions. „Dankeschön~“ Toshiya lächelte ihnen süß zu und ließ sich auf dem angewiesenen Platz nieder. Seine Tasche stellte er neben sich und kramte direkt ein Buch und einen Stift heraus, indem er kurz darauf zu schreiben begann und seine Umgebung scheinbar zu vergessen schien. Schritte direkt vor ihm ließen ihn innerlich lächeln, der Junge den er gerade angesprochen hatte, ließ seine Stimme erneut ertönen. „Hey, verschwind doch nicht einfach direkt wieder! Bist du neu hier? Wir haben gar nichts von nem neuen Schüler gehört. Wie heißt du?“ „Normalerweise ist es üblich, dass man sich zuerst vorstellt, bevor man fragt…“ In seinen Augen blitze der Schalk. Auch der andere Junge musste grinsen und warf seinem Nebenmann einen neuen Blick zu. Ihre Blicke sprachen wirklich Bände. „Ich bin Kaoru und das hier ist Aoi. Soviel zur Formalität. Wie ist dein Name?“ „Toshiya heiß ich.“ „Toshiya, huh? Und woher kommst du?“ Er erzählte es und musterte sie beiden dabei ganz genau. Kaorus Blicke waren freundlich und neugierig, während dieser Aoi ihn eher etwas von oben herab anschaute und dabei mit seinem Piercing herumspielte... Der Blick störte ihn noch nicht besonders, sowas konnte er selber auch… Noch bevor er fertig erzählt hatte, ließ ihn ein Geräusch den Kopf drehen. Am Pult links neben seinem saß jemand, hatte den Kopf tief in den Armen vergraben und schnarchte nicht gerade leise. Seine Haare waren so blond, dass sie schon beinahe gelb waren. Toshiya blinzelte irritiert, unterbrach sich mitten im Satz und wies fragend auf seinen Sitznachbarn. „Ach er.“ Kaoru winkte ab. „Das ist Kyo-chan. Sein liebstes Hobby ist schlafen. Nicht weiter schlimm, solange man nicht der arme Tropf ist, der ihn wecken muss. Und wecken müssen wir ihn, bevor der Unterricht losgeht. Das kann manchmal ganz schön gefährlich werden. Sonst ist er manchmal auch so ziemlich cholerisch… aber man kommt mit ihm klar. Du wirst sehen.“ „Ihn Kyo-chan zu nennen, kann aber auch ziemlich gefährlich sein, Kaoru…“, ward Aoi leise und mit dunkler Stimme ein. Der Angesprochene grinste nur und winkte ab. „Ach was, ach was. Und jetzt lass Toshiya weiter erzählen, ich find das grad echt interessant…“ Die ganze Stunde über fragte Kaoru ihn über New York und Amerika aus, während Kyo neben ihnen weiter schnarchte und Aoi nur ab und zu mal einen Kommentar einwarf und sich sonst darauf beschränkte, Toshiya so eingehend wie möglich zu mustern und ihn mit den Augen schon fast auszuziehen. Als die erste Unterrichtsstunde begann und Toshiya wieder einen Moment Ruhe hatte, dachte er nur daran, dass dieser Anfang wirklich gar nicht so schlecht gelaufen war. Das konnte noch interessant werden… ~*~ Ziemlich schnell hatte Ruiza festgestellt, dass der Unterricht genauso langweilig war, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Für seine Klasse war das wohl kaum etwas neues, kaum jemand hörte zu, ganz zu schweigen von Unterrichtsbeteiligung. Anfangs hatte er sich wirklich bemüht zuzuhören, aber bereits nach 5 Minuten war seine Aufmerksamkeit komplett erschöpft und er gähnte verstohlen in die vorgehaltene Hand. Miyavi, der sich ohnehin ständig zu ihm umdrehte, bemerkte es und lächelte ihm verschmitzt zu. Er warf einen prüfenden Blick nach vorne und rückte mit seinem Stuhl etwas näher an Ruizas Tisch. „Verdammt langweilig, hm? Das war bei dem Kerl schon immer so… selbst wenn man versucht aufzupassen, der macht es selber echt unmöglich. Entschuldige bitte wie ich mich vorhin benommen habe. Ich war echt ziemlich forsch. Takeru hatte schon recht.“ Er senkte die Stimme. „Aber sag ihm das bloss nicht, das könnt ich nicht ertragen…“ Ruiza musste kichern und nickte. „Versprochen. Ich werd's nicht sagen und ich geb dir noch mal ne Chance.“ „Ja?“ Miyavi grinste. „Das ist nett. Kannst mich Mi nennen.“ „Hm… mein Bruder sagt Rui, also wenn du möchtest…“ „Gerne. Wie gefällt's dir denn bisher hier?“ „Naja. Viel vom Schulgelände hab ich bisher noch nicht gesehen. Aber mir ist aufgefallen, dass die ganzen Regeln, vor denen mein Bruder und ich uns schon gefürchtet haben, hier wohl eher ziemlich locker gesehen werden… Da haben wir uns wohl die richtige Schule ausgesucht.“ „Die Schule kann ich dir nachher gerne zeigen, wenn du möchtest. Und über die Schule an sich, ja da habt ihr wohl wirklich Glück gehabt. Das hier war früher mal eine Schule eher für so Sonderfälle, die sich nicht eingliedern konnten oder wollten. Da war man damals schon etwas vorsichtiger mit den Regeln und hat eher versucht diese Kids überhaupt dazu zu bringen, zur Schule zu kommen. Hier war es immer egal, wie sie ausgesehen haben, solange sie etwas Leistung oder wenigstens Leistungsbereitschaft gezeigt haben. Man hat auch nach besonderen Talenten und Interessen Ausschau gehalten, dadurch ist irgendwann die Uni nebenan entstanden. Da kann man hauptsächlich Musik, Kunst, Mode und all so ein Zeug studieren, auch anderes, aber das sind die Schwerpunkte. Die Anfänge sind schon ziemlich lange her, mittlerweile haben Schule und Uni einen ziemlich guten Ruf und sind recht beliebt geworden. Manche Schüler kommen von weiter her, nur um hier hingehen zu können. Ich bin auch ziemlich froh, dass sie’s nicht so eng sehen mit den ganzen Regeln über die Klamotten oder die Haare oder gar mein Piercing… An für sich ist es echt eine gute Schule mit guten Lehrern. Mal abgesehen von dem Dösi da vorne.“ „Das hört sich ziemlich cool an… aber mit der Kleidungsordnung nehmt ihr es wirklich nicht genau, oder? Das wär ja sicher sonst nirgendwo drin…“ Er betrachtete Miyavis schwarz lackierte Fingernägel. „Was, der Nagellack? Willst du auch?“ Er fischte ein Fläschchen aus seinem Etui. „Ist doch egal. Takeru hat auch die Nägel lackiert und er ist nicht der einzige. Obwohl seine Pink sind… Ich find die Farbe steht ihm überhaupt nicht. Miyavi rümpfte die Nase und griff nach Ruizas Hand. Dieser wollte sie überrascht zurückziehen, aber Miyavis Griff war erstaunlich fest für seine schmale Gestalt. „Wow, hast du zierliche Hände… Hast du schon mal Nagellack versucht? Was? Noch nie? Das müssen wir aber ändern. Halt einfach still. Wenn's dir nicht gefällt, dann machen wir es einfach wieder ab.“ Während Miyavi das Fläschchen aufschraubte und sich über Ruizas Hände beugte, hörte dieser neben sich ein unwilliges Brummen und sah Takeru, der dem Schauspiel fast schon eifersüchtig zusah. Jin auf der anderen Seite sah eher belustigt aus und nickte ihm aufmunternd zu, als er Ruizas unsicheren Blick bemerkte. Seufzend drehte er den Kopf und blickte aus dem Fenster zum blauen Himmel hinauf. An einem so schönen Tag wie heute hatte auch der Himmel in New York nicht anders ausgesehen… Vielleicht hatte Toshiya Recht und alles war nur halb so schlimm… To be continued. Kapitel 2: About new Friends ---------------------------- About Riots & Mavericks Chapter 2 – About new Friends Es war Pause zwischen zwei Lehrerwechseln, Ruiza saß am Pult und war umringt von seinen neuen Kameraden. Er hörte sich Geschichten an und lachte – lachte aus vollem Herzen. Etwas, das recht selten vorkam. Und die Anderen schienen sein Lachen zu mögen, sie strahlten einander an, wenn Ruiza loskicherte und versuchten immer weiter, ihm noch ein Lachen zu entlocken. Sogar Takeru und Miyavi hatten einstweilen ihren Streit beigelegt – vielleicht aber auch nur, weil Jin zwischen ihnen saß und sie scharf im Auge behielt. Als sich die hintere Tür öffnete, blickten sie auf, in Erwartung den Lehrer zu sehen, doch stattdessen betrat ein Junge mit blondbraunem Haar den Raum. Er war zerwuschelt und blinzelte sich verschlafen um. Miyavi stieß einen Schrei aus, sprang auf und stürmte zu ihm. „Nii-chan~~~! Da bist du ja! Ich hab mir schon Sorgen gemacht…“ „Wieso hast du mich nicht geweckt…“, antwortete er mit leiser, schleppender Stimme. „Ich hab nicht zuhause gepennt, tut mir leid! Geht’s dir gut?“ Ruiza wandte sich an Jin. „Nii-chan…?“ „Das ist Kenzo, Mis jüngerer Bruder. Miyavi ist eigentlich ein Jahr älter als wir, aber er war fast ein Jahr krank, deswegen muss er die Klasse noch mal machen. Nach den Umständen fragst du ihn lieber selber, ich weiß nicht ob ich das einfach so erzählen darf.“ Erneut drehte Rui sich dem Neuankömmling zu. Kenzo machte einen sehr sanften Eindruck und ertrug die liebevolle Schwitzkasten-Umarmung seines Bruders mit stoischem Gleichmut. Er schien wirklich noch nicht ganz wach zu sein, auch seine Kleidung wirkte etwas unordentlich, als wäre er sehr in Eile gewesen. Mi zog ihn direkt zu Ruiza herüber und die beiden gaben sich etwa gleich schüchtern die Hand, wobei Ruiza versuchte, ihn aufmunternd anzulächeln. Trotzdem verzog sich Kenzo kurz darauf an seinen Platz und vergrub die Nase in einem Buch. Ein Tisch war noch immer leer und Ruizas Blick ruhte einen Moment darauf. Er hob den Kopf, als Miyavi wieder neben ihn trat und fragte: „Fehlt immer noch jemand?“ „Ah…“ Der Blick des Schwarzhaarigen verdüsterte sich kurz. „Da sitzt sonst Yuichi, mein bester Freund. Er hat ein sehr schwaches Immunsystem und ist oft krank, im Moment ist er im Krankenhaus… Ich werd ihn morgen oder so noch mal besuchen. Hoffentlich geht es ihm bald wieder besser.“ „Das tut mir Leid für dich und für ihn…“ „Ach was!!“ Miyavi schüttelte energisch den Kopf, fuhr Ruiza mit einer Hand durchs Haar und grinste. „Erstens Mal kannst du nichts dafür und zweitens ist er sicher bald wieder gesund und dann lernst du ihn kennen. Ihr werdet euch sicher mögen.“ „Wenn du das sagst. Aber jetzt setz dich besser wieder, ich fürchte es geht weiter.“ ~*~ Als es zur Mittagspause klingelte, öffnete Kyo die Augen so plötzlich, als hätte er nur auf diesen Moment gewartet. Vielleicht hatte er das ja auch. Toshiya, der schon aufgestanden war, blickte interessiert in die dunklen Augen, die sich so müde und verwirrt umblinkten, als sei ihr Besitzer gerade in einer völlig anderen Welt erwacht. So wie er sich langsam erhob und desorientiert umschaute, erinnerte den Schwarzhaarigen an einen frechen Kobold aus einem Märchen oder einer Fantasy-Geschichte. Kyo hatte die Person die neben ihm stand gerade erst bemerkt und starrte auf Toshiyas Brust. Sein Blick wanderte langsam, verwundert, nach oben, aber als er unterdrücktes Kichern hinter sich hörte, drehte er sich ruckartig um und starrte den lachenden Kaoru so drohend an, dass diesem jeder weitere Ton im Halse stecken blieb. Dann wandte der Blonde sich wieder zu Toshiya um, musste erneut den Kopf heben und schaute ihm fragend in die Augen. „Hallo.“ Er schien nach Worten zu suchen. Der Größere unterdrückte gerade noch rechtzeitig ein Grinsen. „Hi.“ „…du bist neu hier.“ „Das bin ich. Ich heiße Toshiya.“ „Kyo. Es ist Mittagspause. Ich hab Hunger. Gehen wir raus und essen etwas.“ Zu Toshiyas Verwunderung und ganz offensichtlich zum Ärger für Kaoru und Aoi, griff Kyo einfach nach seinem Handgelenk und zog ihn hinter sich her nach draußen. Die verbliebenen zwei folgten ihnen murrend, aber in gebührendem Abstand. Er sagte kein Wort, als er ihn die Gänge entlang führte, so hatte Toshiya genügend Zeit, ihn von der Seite her vorsichtig zu betrachten. Er war gelinde gesagt beeindruckt von dem kleineren Jungen. Kaorus Weckaktion am Morgen war gründlich fehlgeschlagen und so hatte Kyo einfach weiter vor sich hingeschlafen. Den Lehrern war das nicht entgangen und mehrmals war Kyo aufgerufen worden und hatte jedes Mal die richtige Antwort gebrummt, bevor er den Kopf wieder auf die Arme hatte sinken lassen. Kaoru hatte Toshiya schließlich zugeraunt, dass der Blonde in den vorherigen Schuljahren in allen Examen Klassenbester gewesen war. Deswegen hatte sein Verhalten im Unterricht wohl auch keine ernsthafteren Folgen. Er fragte sich, wie der Andere das schaffte, ohne jemals wirklich aufzupassen, aber das hatte auch Kaoru ihm nicht beantworten können. Als Kyo seinen Blick bemerkte, lächelte er ihm kurz zu und Toshiya erwiderte das Lächeln etwas schief. Kaoru hatte sich indessen wohl entschlossen, sich ein Stück näher an den Blonden heranzuwagen und trat an Kyos freie Seite. „Kyo, was ist denn auf einmal los? Warum ziehst du einfach ab, ohne einen Ton zu sagen?“ „Mein Lieber, fragst du mich das gerade wirklich? Ich höre alles und das weißt du. Wenn du mich noch einmal Kyo-chan nennst, egal in welcher Situation, dann verabschiede dich am besten direkt von der Fähigkeit, Nachkommen zu zeugen. Obwohl du davon vermutlich ohnehin keinen Gebrauch machen wirst, aber deinem Sexualleben würde es trotzdem nicht zugute kommen. Wenn du gedacht hast, dass du damit davonkommst, hast du dich getäuscht. Noch einmal. Nur ne nett gemeinte Warnung. Und meine Größe verschafft mir bei meinem Vorhaben nur Vorteile, was die richtige Höhe betrifft.“ Der Angesprochene schwieg, vielleicht zu verblüfft von der erhaltenen Antwort, vielleicht wog er auch lediglich seine Chancen ab. Jedenfalls war er klug genug, darauf kein weiteres Wort zu sagen und auch für Kyo schien das Thema damit abgeschlossen zu sein. Sie betraten die Eingangshalle, wo es auch einen Kiosk gab und gingen an der Cafeteria vorbei nach draußen. „Hast du was zu essen dabei?“, fragte Kyo. „Ne…“ Toshiya hüstelte verlegen. „Keine Zeit gehabt heute Morgen.“ „Du kannst was von mir haben. Mein Bruder packt mit permanent zuviel ein, obwohl ich nicht mal die hälfte schaffe. Keine Ahnung wieso er das nicht begreift.“ Sie nahmen unter einem großen Baum Platz. Es war angenehm warm draußen und Toshiya machte es sich bequem, während er auf dem angebotenen Reisbällchen herumkaute. Sogar Aoi war bei ihnen geblieben, auch wenn er und Kyo sich nicht besonders zu mögen schienen… Sie wechselten jedenfalls kein einziges Wort, nur ab und zu einen wenig liebenswürdigen Blick. Dafür redete Kaoru gleich für zwei, er schien darum bemüht, den vorausgegangenen Punktabzug bei Kyo wieder gutzumachen. Toshiya selbst sagte wenig, sondern hörte lieber zu. Er war am Morgen bereits genug ausgefragt worden und genoss für einen Moment den Frieden. Eine lärmende Schülergruppe kam gerade aus dem Hauptgebäude und Toshiya entdeckte Ruiza mitten unter ihnen. Erfreut sprang der Schwarzhaarige auf und winkte seinem Bruder zu, der ihn bemerkte und sofort zurückwinkte. Toshiya lief auf ihn zu, doch bevor er ihn erreicht hatte, trat ihm eine weitere schwarzhaarige Person in den Weg und musterte ihn von oben bis unten. Toshiya bremste auch sofort ab, seine Augen verengten sich zu Schlitzen, er begann seinerseits mit einer intensiven Musterung. Ruizas leises „Oh nein…“ ignorierte er, während er dem Fremden wie ein Kampfhahn gegenüberstand. Die beiden schienen vom gleichen Schlag zu sein und hatten den möglichen Konkurrenten sofort wahrgenommen. Um sie herum fielen alle Anwesenden in verblüfftes Schweigen, nur Ruiza hatte hilflos die Hände vors Gesicht geschlagen. Alle warteten auf eine erste Reaktion. „Hah!“, machte Miyavi in diesem Moment. Sein Tonfall war herablassend, angriffslustig. Toshiya hob lediglich eine Augenbraue und lachte. Es gelang ihm, noch mehr Überheblichkeit in seine Stimme zu legen. „Verzeihung?“, fragte Toshiya ironisch. „Vielleicht solltest du dich erstmal vorstellen, bevor du hier den Dicken markierst. So etwas ist nur höflich, falls dir das noch niemand beigebracht hat.“ „Oh, Entschuldigung! Meines Wissens nach, stellt sich der Neuankömmling als erstes vor, offensichtlich hat man dir die völlig falschen Dinge beigebracht! Und zu deiner Information, ich muss hier keineswegs irgendwas markieren, denn das ist mein Revier. Bild dir bloss nicht ein, dass du irgendwas hier zu melden hättest. Mit jemandem wie dir werd ich schon lange fertig!“ Toshiya setzte gerade zu einer scharfen Erwiderung an, als jemand dazwischenfuhr und seinem Gegner einen harten Stoß in die Seite verpasste. „MIYAVI!“ Ruiza baute sich vor Miyavi auf. Toshiya hatte ihn schon lange nicht mehr so wütend erlebt. „Wie redest du mit meinem Bruder? Was ist denn in dich gefahren?“ „Gut so Rui~ Gibs ihm ordentlich!“, rief Toshiya ihm fröhlich zu. Das hätte er besser nicht gesagt, denn nun drehte sein jüngerer Bruder sich um und fixiert ihn. Er sah nicht weniger wütend aus, im Gegenteil. Ruiza tat einen Schritt auf ihn zu und bohrte ihm den Zeigefinger in die Brust. „Du bist doch auch nicht viel besser! Wir sind gerade mal einen Tag da und du ziehst als erstes deine „Wer-kriegt-mehr-Typen-ab-und-ist-die-besser-Schlampe“-Nummer ab! Wie kannst du mich nur gleich wieder so blamieren?! Ich will gar nicht wissen, wie vielen Leuten du heute schon deinen ach so supercoolen Fick-mich-Blick zugeworfen hast! Du verlierst doch sicher wie immer keine Zeit!“ Ruiza spulte weiter seine Moralpredigt ab, während Toshiya sich redlich Mühe gab, wenigstens ein bisschen zerknirscht auszusehen. Miyavi hinter ihm grinste zufrieden und dachte, er hätte es überstanden, doch zu früh gefreut, denn nun fiel Takeru lautstark über ihn her. „Was hast du wieder angerichtet?! Wegen dir streitet er sich mit seinem Bruder! Du bist ein blöder egoistischer Penner, Miyavi! Und soll ich dir mal was sagen? Wenn ich die Wahl hätte, dann würd ich auf jeden Fall ihn nehmen, denn- CHIYUUUU~~~~!!!“ Takeru unterbrach sich mitten im Meckern und rannte los. So etwas konnte immer nur einen einzigen Grund haben, denn in jedem anderen Fall hätte die Welt untergehen können, Takeru hätte nie eine Gelegenheit ausgelassen, den Schwarzhaarigen mit einer Mecker-Tirade zu überschütten. Doch nun war ein gutaussehender Junge zwischen den Schülern aufgetaucht, den Takeru nun ansteuerte und ihm so heftig um den Hals fiel, dass er fast das Gleichgewicht verlor. Ruiza hielt voller Verblüffung mitten im Wort inne und drehte sich verwirrt um. Sein Gesichtsausdruck zeugte von solcher Fassungslosigkeit, dass Miyavi schallend zu lachen begann und ihm sanft übers Haar strich. „Das ist Takerus Freund Chiyu. Takeru geht immer so ab, wenn er ihn irgendwo sieht.“ Schweigend sah Rui zu, wie Takeru seinen Freund vor Freude nun beinahe niederknutschte und grinsend von diesem abgewehrt wurde und vergass darüber sogar, weiter mit seinem Bruder zu schimpfen. Dafür ergriff Miyavi, wieder völlig besänftigt, die Initiative und nahm einfach Toshiyas Hand. „Ich bin Mi. Tut mir Leid. Ich glaub dein Bruder hat Recht, die Aktion war wohl etwas überzogen. Vielleicht sollten wir das Thema irgendwann mal alleine und in aller Ruhe erörtern.“ In seinen Augen blitze es und ein Grinsen huschte schneller als ein Blitz über Toshiyas Gesicht. Zum Glück hatte Ruiza nichts gesehen. „Ich bin Toshiya oder Totchi. Den Vorschlag find ich gut, darauf werde ich zu gegebener Zeit sicher zurückkommen. Und leider hat mein kleiner Bruder öfter Recht, als es mir lieb ist.“ Er schlang den Arm um die Brust des Jüngeren, zog ihn an sich und drückte ihn liebevoll. „Jetzt hör auf zu spinnen Rui. Tut mir Leid, okay? Erzähl lieber mal, wie geht’s dir? Wie war dein Anfang? Ich hab mir Gedanken um dich gemacht, Baby.“ „Totchi!! Ah, nicht so drücken! Mir geht’s gut, mir geht’s gut! Lass mich los, ich krieg ja schon keine Luft mehr!“ Als Toshiya ihn endlich losließ, begann Rui zu erzählen und stellte ihm seine neuen Freunde vor, mit Hinweis auf Takeru, der mit seinem Freund irgendwohin verschwunden war. Auch sein Bruder stellte ihm seine neuen Bekanntschaften vor und schließlich saßen sie alle gemeinsam unter dem Baum und unterhielten sich. Sie lernten Kyos Bruder hide kennen, der mit ein paar anderen Studenten und seinem Freund Sugizo vorbeikam, und sein Erstaunen kundtat, dass die Lunchbox seines Bruders tatsächlich nicht mehr einen Reisball aufwies. hide war ein lustiger Typ mit lauter frechen Sprüchen und hatte laut Kyo nichts als Flausen im Kopf. Sein Freund, der dicht bei ihm stehen blieb, war da etwas schweigsamerer Natur, strahlte allerdings solche Unmengen sexueller Energie aus, dass Toshiya schon beim Angucken schwindelig wurde und sich hastig Luft zufächelte. Mi dagegen hatte einen der Studenten ziemlich vertraut begrüßt und war ebenfalls verschwunden. hide und Sugizo blieben bei Kyo sitzen und als es Toshiya die Gegenwart des Mannes zuviel wurde, stand er auf und entfernte sich ein Stück von ihrem Platz. Hinter einer Hecke fand er zuflucht und sah dich schnell um, ob er auch wirklich alleine war, bevor er eine Schachtel Zigaretten aus seiner Tasche fischte und sich eine ansteckte. Er hockte sich auf den Boden, seufzte und starrte ein paar Bäume an, während er einen tiefen Zug nahm. „Heimlich Rauchen? Böse böse…“, hauchte ihm eine Stimme in den Nacken. Der Schwarzhaarige erschrak so sehr, dass er die Kippe fallen ließ und das Gleichgewicht verlor. Bestürzt hob er den Kopf und erstarrte. Vor ihm stand der Mann von heute Morgen, dem er auf dem Gang begegnet war. Er grinste breit zu ihm runter und reichte ihm die Hand. Zögernd griff Toshiya danach und wurde mit einem Ruck zurück auf die Füße gezogen. Der Unbekannte klopfte ihm den Staub von Rücken und Po, wobei er letzterem die größere Aufmerksamkeit schenkte und seine Hand schließlich dort liegen ließ. Toshiya sah den Blick in seinen Augen und erschauderte innerlich. „Jemand wie du wäre mir eher aufgefallen, also nehme ich an, dass du neu an der Schule bist.“ Toshiya nickte. Sein Mund war mit einem Mal ganz trocken geworden. Der Fremde betrachtete ihn einen Moment schweigend. „Wie ist dein Name?“, fragte er schließlich, als er feststellte, dass er noch immer keine Antwort bekommen hatte. „To-Toshiya…“ „Nun, Totoshiya.“ Leises Lachen ließ den Jungen noch heftiger erschaudern. „Ich bin Hakuei. Ich studiere Modedesign an der Uni, aber ich bin auch öfters an der Schule drüben und helfe dem Kunstclub ein wenig. Sind ein paar nette Leute da. Vielleicht solltest du auch beitreten.“ Toshiya fand diese Bemerkung ein wenig zweideutig und sah weiterhin schweigend zu, wie der Mann seine runtergefallene Zigarette austrat und ihm eine Neue anbot. Er nahm sie und als Hakuei sich hinsetzte, ließ er sich neben ihn sinken. Stumm teilten sie sich die Zigarette, doch Toshiya konnte die Augen nicht von ihm lassen. Hakueis Lächeln wuchs weiter und weiter in die Breite. Schließlich stand er auf und zog Toshiya ebenfalls hoch. „Komm mit“, flüsterte er ihm zu. „Mit? Wohin?“ Der Älter schlang ihm den Arm um die Hüfte und presste seine Lippen ohne Vorwarnung fest auf Toshiyas. Der Kuss war so intensiv, dass dem Jungen fast die Beine einknickten. „Wohin wohl…?“, wisperte Hakuei ihm ins Ohr und zog ihn mit sich. ~*~ „Wo steckt Toshiya denn nur? Er ist einfach verschwunden!“ Ruiza stand neben Jin und sah sich suchend nach seinem Bruder um. Jin hingegen hockte ruhig auf dem Boden und griff nach seinem Arm um ihn beruhigend zu streicheln. „Der wird schon wieder auftauchen. Takeru und Miyavi haben sich ja auch verzogen.“ Rui öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich darauf wieder, als ihm Miyavis Verhaltensweise einfiel und ihm ein leiser Verdacht kam. Mit schmollend verzogenen Lippen ließ er sich wieder neben seinen Kameraden fallen. „Ah. Natürlich. Ich kann mir beinahe denken, wo Toshiya sich rumtreibt. Betonung auf Treiben bitte.“ „Meinst du nicht du urteilst zu vorschnell?“ „…findest du?“ „…Nein. Ehrlich gesagt nicht.“ Jin sah die Hoffnung in Ruizas Augen erlöschen und klopfte ihm aufmunternd auf den Arm. „Sorry wenn ich deine Illusionen gleich wieder zerstöre, aber… du glaubst doch auch nicht wirklich dran, dass unsere Vermutung nicht stimmen könnte, oder? Ich hab deinen Bruder heute zum ersten Mal gesehen, doch ich er ist vom gleichen Schlag wie Mi, das sieht man sofort. Er ist garantiert irgendwo und flirtet zumindest, wenn nicht sogar noch etwas anderes. Mi macht grad das gleiche und dafür leg ich sogar die Hand ins Feuer. Aber… mach dir halt nichts draus. Kannst du es ihm abgewöhnen?“ „N-nein… du hast ja Recht, aber… er kennt hier doch niemandem, wer weiß mit wem er sich einlässt…“ „Tja… dabei kann ihm aber niemand helfen, du auch nicht. Er wird schon lernen, besser aufzupassen, wenn es erstmal der Falsche war. Meinst du nicht…?“ Er sah Ruiza an und erschrak, als er den Ausdruck in seinen Augen sah. Der Junge wirkte verschreckt und beinahe ängstlich. Schnell strich er ihm ein weiteres Mal über den Arm und lächelte ihn an. „Hey… guck nicht so. Ich hab mich jetzt etwas zu krass ausgedrückt, entschuldige bitte. So schlimm wird es nicht werden, mir fällt jetzt auf Anhieb niemand ein, der wirklich so übel wäre. Ihm passiert schon nichts. Okay? Jetzt lach wieder, Rui.“ „Ah… hai… gomen. Aber… genau davor hab ich immer solche Angst.“ Er seufzte. „Das Totchi mal an den völlig falschen Typen gerät oder so. Er ist viel zu gutgläubig…“ „Also… wie gesagt, ich wollte dich jetzt nicht erschrecken oder so. Ich schätz nicht, dass hier direkt der böse Wolf auf ihn wartet, aber vom Prinzip hab ich ja Recht. Wenn er nicht drauf achtet, mit wem er sich einlässt, dann wird es wahrscheinlich irgendwann mal passieren, dass er auf jemanden trifft, der es nicht so gut mit ihm meint. Davor kannst auch du ihn nicht beschützen, das muss er selber lernen. Ich hoff nur für ihn, dass es nicht zu schlimm wird, wenn es mal so weit ist…“ Jins Augen schienen plötzlich in die Ferne zu blicken, Ruiza beobachtete ihn still von der Seite. „Es klingt so, als würdest du aus Erfahrung sprechen…“ „Hm…? Ah…“ Er lächelte, verlegen und geheimnisvoll zugleich. „Vergiss es einfach, Rui. Vergiss am besten alles, was ich gesagt habe. Ich wollte nicht den Teufel an die Wand malen. Okay?“ Sanft strich er ihm eine Haarsträhne aus der Stirn und blickte ihm in die Augen. Ruiza hielt den Blick, spürte dabei, wie sein Herz einen Schlag lang aussetzte. Wie sanft er ihn ansah… „Hey Jin!“ Plötzlich war Miyavi wieder da. Er ließ sich hinter Ruiza auf den Boden fallen, schlang besitzergreifend die Arme um ihn und sah Jin über seine Schulter hinweg an. „Lass die Finger von ihm, Rui ist viel zu süß für dich!“ „Ach meinst du das wirklich?“ Der Angesprochene grinste. „Für dich ist er aber auch nichts. Ruiza, egal was passiert, lass dich bloss nicht mit dem Kerl ein.“ „Ach so?“ Sie begannen miteinander zu kabbeln, doch Ruiza hörte gar nicht richtig zu. Gedankenverloren lehnte er sich an Mis Brust und drehte den Kopf in eine bequeme Position. Mi kraulte ihm durchs Haar, während er weiter mit Jin diskutierte, doch er achtete nicht darauf. Für einen Moment entspannte er sich völlig, bis ihm plötzlich etwas auffiel. Er hob den Kopf und sah Mi an, sog einmal leicht Luft ein und achtete diesmal genauer auf den Geruch. „…du riechst anders ans vorher…“, stellte er leise fest. „Eeeeh?!“ „Lass mich mal!“ Jin beugte sich sofort vor, packte ihn vorn an der Jacke und roch daran. „Eindeutig! Das ist nicht dein Parfum! Außerdem riechst du verschwitzt und du riechst du nach Sex! Schäm dich! Und dann auch noch Ansprüche auf Rui erheben wollen!!“ „EH?!?“ Sofort begann der Schwarzhaarige sich erneut wortreich zu verteidigen, aber auch jetzt hörte Rui kaum hin. Sein Blick war zu Kenzo gewandert, der ein Stückchen abseits am Baum gelehnt dasaß und die ganze Zeit in einem kleinen Notizbuch geschrieben hatte. Den Stift hatte er mittlerweile weggelegt, seine Augen verharrten auf Mi und Ruiza, sein Gesichtsausdruck war starr. Unsicher löste Ruiza sich von seiner Stütze und suchte nach einer Reaktion oder einer Antwort in Kenzos Augen. Doch der Junge drehte nur wortlos den Kopf zur Seite, nahm seine Sachen und ging zur Schule zurück. Aber außer Ruiza bemerkte niemand, wie er ging. ~*~ „Ahhh!!“ Toshiya riss den Kopf zurück, als er ohne Vorwarnung in Hakueis Mund kam. Doch dieser zuckte nicht einmal mit der Wimper, begierig schluckte er die heiße Flüssigkeit und richtete sich anschließend auf. Der Schwarzhaarige lehnte mit geschlossenen Augen an einem Baumstamm und rang nach Atem. Mit geschickten Fingern ordnete Hakuei sein wirres Haar und küsste ihn sanft auf die Stirn. Er ließ zu, dass Toshiya sich an ihm festhielt und stütze ihn vorsichtig ab. „Dein Körper ist nicht zu verachten, aber deine Stimme gefällt mir am besten…“, raunte er ihm zu. „Wie sieht’s aus, wollen wir das Ganze nachher bei mir fortsetzen?“ „Ich… ich weiß nicht… was mein Bruder nachher vorhat, aber ich schau mal…“ Er rang noch immer nach Luft und seine Augenlider flatterten immer wieder zu. „Hey… nicht einschlafen. Du solltest am ersten Tag nicht gleich den halben Unterricht verpassen. Muss ich dir helfen, oder schaffst du's alleine zurück?“ „Es geht schon… Ich bin nur noch etwas… baff, kann man sagen. Das war ziemlich gut.“ „Nun… ich fand es auch nicht schlecht. Aber da können wir noch was draus machen.“ Hakuei zwinkerte ihm zu, ließ los und gab ihm einen Klaps auf den Hintern. „Jetzt zisch ab. Sonst kommst du zu spät. Ich warte nachher am Tor auf dich. Überleg's dir.“ Toshiya nickte, raffte sich auf und schaffte es wirklich auf den Beinen zu bleiben, bevor er sich auf den Weg zurück zur Schule machte. Allerdings nicht, ohne Hakuei vorher noch einen langen Blick zuzuwerfen. Der Ältere blieb unter den Bäumen zurück, schaute ihm nach und lächelte in sich hinein, bevor er sich eine Zigarette anzündete. ~*~ Sein Bruder wartete bereits auf ihn, als Toshiya zum Schultor gehetzt kam. Wieder war er von seinen neuen Freunden umgeben, die auch noch nichts an Lautstärke eingebüsst hatten. Wie beleidigt er ihn anstarrte… Toshiya fürchtete schon, er würde sich einfach umdrehen und gehen, doch er blieb stehen und wartete. „Wo warst du?!“, hörte er ihn zischen, kaum dass er in Hörweite war. „Entschuldige Rui…“ Keuchend blieb er bei ihm stehen und schnaufte erstmal hingebungsvoll. „Ich hab ne neue Bekanntschaft gemacht. Aber ich wollte dich echt nicht so lange versetzen. Es hat sich einfach so ergeben…“ Es stimmte, es war nicht seine Absicht gewesen, Ruiza so lange alleine zu lassen, aber als Hakuei ihn endlich freigegeben hatte, war die Pause bereits vorbei gewesen und nur mit Mühe hatte er es vor Stundenbeginn ins Klassenzimmer geschafft. Seine roten Wangen hatten ihm auf direkt erstaunt anzügliche Blicke von Aoi und Kaoru eingehandelt. „Eine… Bekanntschaft…?“ „Ja, ein Student von drüben. Er hat mich für heute Nachmittag eingeladen. Würde es dir sehr viel ausmachen, alleine nach Hause zu gehen? Ich möchte die Einladung nur ungern ausschlagen?“ „Was? Ehrlich jetzt? Ich soll alleine heimgehen?“ „Tut mir schrecklich Leid, Baby… Darf ich?“ Dieser Welpenblick war wirklich schwer zu ertragen und so seufzte Ruiza schweren Herzens und nickte schließlich. „Sicher… als ob ich dir irgendwas abschlagen könnte…“ „Wer ist denn der Glückliche?“, mischte sich Miyavi ein, der neben Ruiza gestanden hatte und sich nun einmischte. Toshiya sah sich einen Moment suchend um und wies dann mit dem Daumen auf Hakuei, der nur wenige Meter entfernt an einem wirklich schicken Sportwagen lehnte und ihnen amüsiert zusah. Mi pfiff durch die Zähne und nickte anerkennend. „Alle Achtung, da hast du ja wirklich nicht lange gewartet. Ich hab dich unterschätzt. Aber geh nur, die Einladung würde ich auch nicht ausschlagen. Ich kümmer mich um deinen lieben Bruder, er ist bei mir in guten Händen.“ „Bitte was?“ Ruiza starrte Miyavi entgeistert an, doch dieser lachte nur. „Wenn dein Bruder keine Zeit hat, dann lass uns doch einfach was zusammen machen. Einkaufen oder so. Ich zeig dir ein wenig die Stadt. Und anschließend bring ich dich nach Hause. Okay?“ „Würdest du das wirklich machen, Miyavi? Oh danke!“ Toshiya ließ Ruiza gar nicht zu Wort kommen, sondern umarmte ihn nur stürmisch, küsste ihn verabschiedend auf die Wange und lief auf das Auto und den wartenden Hakuei zu, der ihm direkt die Tür aufhielt und ihn einsteigen ließ. Der blonde Junge sah dem Wagen sprachlos hinterher. Erst Miyavis Stimme riss ihn in die Realität zurück. „So schlimm?“ „Ehm… nein. Das ging jetzt nur ein wenig sehr schnell, meinst du nicht…? Aber… okay, dann zeig mir mal die Stadt, ich freue mich. Hab ja sowieso nichts Besseres vor.“ „Klasse! Lass uns gehen! Möchte jemand mitkommen? Takeru?“ „CHIIIIYUUUUU~~~~!!!“ „…okay. Takeru wohl nicht. Was ist mit dir, Jin?“ „Ore pass. Ich hab was zu erledigen, geht ihr mal alleine. Aber lass die Finger von ihm, verstanden?“ „Jaja, verstanden und sogar versprochen. Und Kenzo? Eh? Wo ist Kenzo denn hin?“ „Ich glaub, der ist schon nach Hause gegangen…“, murmelte Ruiza und überlegte, ob er Miyavi später erzählen sollte, was er mittags beobachtete hatte. „Echt? Er hat gar nichts gesagt… Naja, wird schon passen. Also, lass uns gehen. Ich zeig dir alles, was meiner Meinung nach sehenswert ist! Es wird dir gefallen, hier in Tokyo!“ Energisch griff er nach Ruizas Hand und zog ihn Richtung Bahnstation. Ruiza ahnte bereits jetzt, dass er am Abend mehr Eindrücke zu verarbeiten hatte, als ein normaler Mensch überhaupt aufnehmen konnte. To be continued. Kapitel 3: About Pain and Tears ------------------------------- About Riots & Mavericks Chapter 3 – About Pain and Tears Was Miyavi unter „sehenswert“ verstand, wurde Ruiza sehr schnell klar, als sie in Harajuku ausstiegen. Takeru und Chiyu hatten sie doch begleitet, obwohl Ruiza den Verdacht nicht loswurde, dass der kleine Blonde ihnen nachgelaufen war, ohne überhaupt zu wissen, wo sie hin wollten. So hatte er aber die Gelegenheit gehabt, Chiyu etwas näher kennen zu lernen und auch mal sein Gesicht zu sehen, ohne dass Takeru ständig davor klebte. Chiyu war ein netter, liebenswerter Kerl, der mit seinem anhänglichen Freund sehr locker umging und ihn des Öfteren sanft in seine Schranken wies, wenn er zu sehr aufdrehte. Er lachte viel und sein Lachen war ansteckend. Ein angenehmer Mensch, den man gerne um sich hatte. Nun stand er neben ihnen und sah auf die belebte Straße hinab, die von Ruiza völlig fasziniert betrachtet wurde. Takeru schmiegte sich an seinen Arm und es schien ihm egal zu sein, wo er sich befand… Hauptsache Chiyu war bei ihm. „Wow… ganz schön voll da unten…“, murmelte Ruiza leise. „Das ist die Takeshita Dori, hier ist immer soviel los. Am Wochenende ist es noch voller. Wir sollten mal sonntags herkommen, oben auf der Brücke sind dann jede Menge Visual Kei Fans, die cosplayen und so. Außerdem geht’s da zum Meiji Schrein, den musst du dir auch anschauen, mir gefällt er echt gut, auch wenn da oft total viele Touristen rumrennen. Da hinten rechts ist Omotesando, da kann man auch sehr cool einkaufen. Du hast doch bestimmt schon mal vom Kiddyland gehört, oder? Nein? Ein super geiler Spielzeugladen, du wirst ihn mögen. Das Laforet ist auch da hinten irgendwo, da kann man ebenfalls cool einkaufen, auch wenn's ziemlich teuer ist. Aber wir fangen heute in der Takeshita Dori an. Da gibt es die verschiedensten Läden, einige meiner Lieblingsläden sind auch dabei. Ich werd nicht zuviel verraten, du wirst es ja sehen. Lass uns gehen.“ Ruiza nickte, musste aber gleichzeitig lachen. Auf Miyavis verwunderten Blick reagierte er mit einem Kopfschütteln. „Ah… es ist nichts. Nur das du sagst du willst mir die Stadt zeigen und mich als erstes zu einer Einkaufsmeile bringst. Das spricht irgendwie für dich und deinen Charakter. Auch wenn ich ein wenig überrascht bin.“ „Du warst noch nie in Tokyo, oder Ruiza?“, fragte Chiyu mit seiner angenehmen Stimme und grinste Ruiza fröhlich an. „Als kleines Kind mit meinen Eltern. Aber nur um Verwandte zu besuchen, von der Stadt hab ich nie wirklich etwas gesehen.“ „Na siehst du. Wenn du noch nie hier warst, ist dieser Ort sehr sehenswert. Vielleicht gefällt es dir hier ja, es gibt eigentlich für jeden was. Gothic Lolita, Visual Kei, Punk… sogar Hip-Hop Zeug gibt es hier und all solchen Kram. Schmuck… öhm… geile Crepes kann man hier kaufen. Krimskramsläden. Fast Food…“ Chiyu lachte. „Wie gesagt, es gibt alles Mögliche da unten. Stürzen wir uns einfach rein ins Gewühle.“ „Nimm meine Hand, dann verlieren wir uns nicht.“ Miyavi smilte und hielt ihm die Hand hin, Ruiza ergriff sie dankbar und als die Ampel auf blau sprang, überquerten sie die Straße und stürzten sich ins Getümmel. ~*~ Hakuei fuhr mit ihm zu einem hübschen Gebäude in einer ziemlich noblen und teuren Gegend und nahm ihn mit in sein Appartement, das in einem ziemlich hohen Stockwerk lag. Sie nahmen den Aufzug nach oben und als Hakuei die Tür aufschloss und ihn eintreten ließ, stockte Toshiya der Atem, als er die teure Einrichtung sah. „Wow… das sind ja alles Designer Stücke… Kannst du dir das echt leisten…?“ „Naja, ich verdien mittlerweile selber nicht allzu schlecht, besonders mit meinen Model Jobs, aber meine Eltern haben ziemlich viel Kohle. Die finanzieren mir das alles. Ich schätze, die sind froh, dass sie mich los sind und wollen mir mein Leben so angenehm wie möglich gestalten, damit ich nicht auf die Idee komme, wieder zu ihnen zu gehen oder so. Ich passe nicht wirklich in ihr Schema, fürchte ich.“ Hakuei lachte, allerdings ziemlich sarkastisch. Toshiya beschloss, erstmal nicht näher drauf einzugehen und gab Hakuei seine Sachen, damit er sie an der Garderobe aufhängen konnte. Im Wohnzimmer nahm er auf einem ziemlich bequemen Sofa Platz und ließ sich etwas zu trinken einschütten. Zu seiner Überraschung servierte Hakuei Sekt, den der Jüngere ein wenig misstrauisch beäugte. „Was denn?“ Hakuei lachte wieder und dieses Mal klang es deutlich freundlicher als zuvor. „Du kannst mir nicht erzählen, dass du noch keinen Alkohol getrunken hast. Na los, trink schon. Dann kommst du erstmal richtig in Stimmung. Keine Angst, ich hab nichts reingetan.“ „Hab ich auch nicht geglaubt und in Stimmung komm ich mit den richtigen Leuten auch ohne Alkohol. Aber danke…“ Er trank einen Schluck und lehnte sich zurück, den forschenden Blicken war er sich ganz genau bewusst. „Du hast sofort gesehen, dass es Designer Stücke sind. Teure noch dazu“, sagte der Ältere mit einem Mal. „Du hast auch ziemlich reiche Eltern, nicht wahr? Erst ist ein reiches Ehepaar mit ihren Kindern aus Amerika nach Japan zurückgekommen um hohe Positionen in der Firma XY einzunehmen. Das sind deine Eltern, nicht wahr?“ „Ah… ja… woher weißt du das…?“ „Och… man hört so einiges, wenn man mit den richtigen Leuten spricht. Mach dir keine Sorgen, es hat mich nur interessiert, ob es wirklich deine Eltern sind. Ich hab deinen Nachnamen heute aufgeschnappt. Ich schätz mal deine Eltern interessieren sich auch nicht sonderlich für dich und deinen Bruder, oder?“ Toshiyas Augen verdunkelten sich, als er leicht den Kopf schüttelte. „Nein. Nicht wirklich… sie haben dieses große, sündhaft teure traditionell japanische Haus gekauft und meinem Bruder und mir fehlt es an nichts. Nur unsere Eltern sehen wir vielleicht einmal in der Woche. Wenn's hoch kommt. Aber mir ist es egal, sollen sie doch machen was sie wollen. Ich mach ja auch was ich will.“ „Das seh' ich und das gefällt mir. Du scheinst auch ein kleiner Rebell zu sein. Mir gefallen Jungs wie du sehr gut. Außerdem siehst du wirklich alles andere als schlecht aus. „Hm… danke…“ Als er Hakueis Hand an seinem Oberschenkel spürte, verkrampfte er sich zu seiner eigenen Überraschung ein wenig. Auch Hakuei hob überrascht eine Augenbraue, zog die Hand aber nicht zurück. „Hey… das sah aber heute Mittag noch ganz anders aus. Du musst keine Angst vor mir haben.“ „Uhm… hab ich auch nicht. Also… glaube ich zumindest. Entschuldige bitte, ich war einen Moment lang etwas irritiert… Über meine Eltern und meinen Background zu sprechen, turnt mich nicht gerade an…“ Zu Toshiyas noch größerer Verwirrung brach der Ältere in schallendes Gelächter aus, zog ihn aber mit einem Ruck in seinen Schoss und legte die Arme sanft um seine Hüfte. „Das kann ich ziemlich gut nachvollziehen. Lassen wir das Thema einfach und konzentrieren uns auf das wesentliche. Toshiya… lass dich einfach fallen. Ich werd dich auffangen…“ Die Art wie Hakuei seinen Namen aussprach, ließ Toshiya tief erschaudern, er tat wie ihm geheißen und ließ sich langsam in einen intensiven Kuss sinken, der ihm den Atem raubte und ihn innerhalb von Sekunden alles um sich herum vergessen ließ… ~*~ Zu viert hatten sie beinahe zwei Stunden mit der Erkundung der Takeshita Dori zugebracht. Wie Chiyu es schon angekündigt hatte, gefiel Ruiza diese Straße mit ihren vielen Geschäften einnehmend gut und Miyavi schleifte sie von einem Laden zum Nächsten, zeigte Ruiza alles, wo er selbst gerne hin ging. Und auch Ruiza wurde sehr schnell schwach angesichts der Fülle an schönen, coolen und stylischen Sachen. Mittlerweile schleppte er bereits mehr als eine Tüte mit sich herum und auch Takeru hatte einige Male ordentlich zugeschlagen. Shoppen war offensichtlich seine Lieblingsbeschäftigung, gleich nach Chiyu natürlich. Seine Tüten musste er auch nicht selber tragen, was Ruiza ein kleines bisschen unfair fand, aber er sagte nichts, da auch Chiyu nichts sagte, als sein Freund ihm die Tüten einfach aufdrängte und in einem Laden zwischen ein paar Ständern verschwand. Auch Miyavi war nirgends zu sehen, so standen die beiden alleine nebeneinander am Rande des Geschehens. „…du magst Takeru sehr, oder…?“, fragte Rui irgendwann leise, weil er das Gefühl hatte, irgendetwas sagen zu müssen. „Entschuldige, dass ich so direkt frage…“ Chiyu lächelte zur Antwort und ließ Takerus blonden Haarschopf nicht aus den Augen. „Das macht nichts. Frag ruhig. Ich mag ihn ziemlich gern. Fast drei Jahre machen ganz schön was her… Er kann unglaublich nervtötend sein, aber er ist auch sehr liebenswert. Er ist freundlich zu allen und kann einen immer zum Lachen bringen. Das kann ich auch ganz gut, aber wenn man sich selber mal nicht besonders fühlt, kann so jemand wirklich ein Segen sein. Aber das ist natürlich nicht alles. Anfangs bin ich nur mit ihm gegangen, weil er nicht aufhören wollte zu fragen und sich durch nichts abbringen ließ… Und mit der Zeit ist er irgendwie zu einem Teil von mir geworden. Wie du sicher auch schon bemerkt hast und wie ichs gesagt habe, bin ich selbst kein Kind von Traurigkeit, aber trotzdem ist Takeru irgendwie noch eine zusätzliche Ergänzung. Ein Teil, das mir vorher gefehlt hat. Ich mag seine warmherzige Art. Ich mag es, wie er sich jedes Mal freut, wenn er mich sieht, auch wenn wir nur kurze Zeit getrennt waren. Oh und im Bett ist er auch nicht zu verachten. … Du musst nicht gleich rot werden, Ruiza.“ Er lachte. „Hast du keinen Freund?“ „Uhm… nein. Nie gehabt.“ „Oh. Dann bist du wohl das Gegenteil deines Bruders, oder? Aber macht doch nichts, du hast noch jede Menge Zeit. Das kann manchmal besser sein. Jedenfalls als so ein nervendes Ding wie Takeru. Seine Eifersucht kann wirklich manchmal unglaublich anstrengend sein…“ „Aber du liebst ihn, oder?“ „….Ja. Ich denke, das tue ich wirklich.“ Ruiza lächelte und sah ihn direkt an, Chiyu erwiderte den Blick aus samtweichen Augen. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch in diesem Moment sprang ihn auch schon Takeru von der Seite an und warf ihn in seiner Begeisterung fast von den Füßen. Der Angesprungene schien es gewöhnt zu sein, verzog er doch kaum eine Miene und gewann das Gleichgewicht schnell wieder. „Und Maus? Wieder zuviel Geld ausgegeben?“ „Ach was!!!“ Der Kleinere strahlte. „Aber schau mal, ich hab was für dich!“ Grinsend legte er seinem Freund eine Kette um, mit einem kleinen Schlüssel als Anhänger. Chiyu sah ihn überrascht an. „Hey danke dir. Womit verdiene ich das denn?“ „Einfach nur so. Weil du da bist und so.“ Takeru strahlte, als sein Freund sich vorbeugte und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte. In der Zwischenzeit war auf Miyavi wieder hinter ihnen aufgetaucht und stupste Ruiza sanft in den Rücken. „Süß, die zwei, oder?“, hauchte er ihm heimlich zu. „Kaum zu glauben, dass Takeru so friedlich sein kann…“ Anschließend gingen sie in ein Restaurant, in dem es Essen auf italienischer Art gab und das nicht ganz so voll wie der Rest war. Leute waren aber auch hier genug, trotzdem fanden sie einen Tisch in einer Ecke, an dem sie es sich gemütlich machen konnten. „Ah…“ Miyavi machte es sich auf direkt bequem und schmiss seine Jacke in eine Sitzecke. „Erstmal was futtern. Shoppen macht hungrig.“ „…ich bin das erste Mal nach 8 Jahren wieder in Japan und werde als erstes in ein Restaurant gebracht, in dem es nur italienisches Futter gibt…?“ Etwas entgeistert sah Ruiza ihn an. „Ja und? Das Essen hier ist ziemlich gut. Japanisches Essen wirst du schon noch genug kriegen, vermutlich hängt es einem Fast Food verwöhnten Ami wie dir nach wenigen Tagen sowieso zum Hals raus.“ „Verzeihung bitte?!“ „Haha, war nur Spaß, nur Spaß. Ehrlich. Wie hat’s dir denn bis jetzt gefallen?“ „Also um ehrlich zu sein… verdammt gut…Ich hatte viel weniger Geld mit, als ich hätte ausgeben können. Ein Jammer.“ Lachend stimmte der Schwarzhaarige ihm mit energischem Kopfnicken zu. „Und dabei hast du schon soviel Zeugs gekauft. Ich freu mich, dass es dir hier gefällt.“ „Ich hab nicht alles für mich gekauft, für Toshiya ist auch einiges dabei. Der würde praktisch ausflippen, wenn er das erste Mal herkommt. Aber er ist selbst Schuld, wenn er etwas Besseres vorhat.“ „Bist du wirklich immer noch sauer auf ihn? Also… wenn ich die Wahl zwischen Shoppen und Hakuei hätte… Ich wüsste, wofür ich mich entscheiden würde…“ Seine Augen wurden für einen Moment glasig, aber Takerus abfälliges Schnauben holte ihn schnell in die Wirklichkeit zurück. Er warf dem Blonden einen wütenden Blick zu, sah aber wieder zurück, als er Ruiza seufzen hörte. „Ich bin doch nicht sauer auf meinen Bruder. Nur völlig irritiert… Sowas hat er noch nie gemacht, einfach so dann abzuziehen, wenn wir in einer neuen Situation waren und er wusste, dass ich total unsicher bin…“ „Hm… vielleicht wusste er einfach, dass du bei mir in guten Händen bist…?“ „…wahrscheinlich. Aber komisch ist es trotzdem. Es fühlt sich jedenfalls ziemlich komisch an. Ich… ich bin bei dem Thema irgendwie einfach so… überempfindlich…“ „Huh? Und wie kommt das?“ „Wahrscheinlich… weil Toshiya der Einzige ist, der immer bei mir war. Meine Eltern waren nie da und mein Bruder so der einzige Bezug und auch der Einzige, dem ich überhaupt vertraut habe. Freunde hatte ich natürlich auch, aber… ich weiß nicht, irgendwie… so wirklich vertraut habe ich denen auch nicht…“ Zu seiner Überraschung legte Miyavi die Hand auf seine und sah ihm in die Augen. „Mir kannst du vertrauen, Ruiza. Du musst das jetzt nicht auf Anhieb glauben, immerhin kennen wir uns auch erst seit heute, aber du wirst sehen. Ich werd dir einfach beweisen, dass es so ist und das du mir trauen kannst. Ich kümmer mich um dich und so, du musst nicht alleine von deinem Bruder abhängig sein, okay? Es gibt immer auch noch andere Leute und ich bin sicher, dass du viele coole Freunde finden wirst… Mich zum Beispiel um nur eine Person zu nennen.“ „Ah… danke Miyavi…“ Seine Wangen waren rot geworden und er zog die Hand nicht zurück. „Das ist sehr nett von dir. Alle anderen sind auch sehr nett zu mir, das freut mich. Wirklich…Ich würde gerne mit dir befreundet sein.“ „Und was ist mit mir?!“ „Mit dir auch Takeru…“ Ruiza grinste schon wieder als er Takeru sah, wie er den blonden Wuschelkopf sanft an Chiyus Schulter lehnen ließ. Wie friedlich er sich benahm, wenn er bei ihm war. Er suchte nicht einmal Streit mit Miyavi, was dieser zu genießen schien. Sie überließen die beiden sich selbst und führten ihre Unterhaltung leise weiter. Ruiza erzählte noch ein wenig mehr von Zuhause und seinen Eltern, während Miyavi von seinem eigenen Elternhaus berichtete. „Also meine Eltern sind eigentlich ziemlich cool. Ich glaube, sie haben sich langsam damit abgefunden, dass ich mache, was ich will und das ich halt manchmal auch dann erst heim komme, wenn ich Lust dazu habe. Sie können mich ja jederzeit anrufen, auch wenn das früher schon mehrmals zu peinlichen Situationen geführt hat. Kenzo ist manchmal etwas enttäuscht, wenn ich nie da bin. Zumindest glaube ich das. Sicher bin ich mir nicht.“ Sofort musste der Blonde wieder an Kenzos starres Gesicht denken. Sollte er Miyavi davon erzählen…? Aber vielleicht missinterpretierte er die Situation auch nur komplett und Kenzo hatte an etwas ganz anderes gedacht und sie gar nicht beachtet. Hatte er ihn wirklich direkt angesehen oder hatte Ruiza sich das nur eingebildet? Andererseits hatte er nach der Schule nicht auf seinen Bruder gewartet, was er nach dessen Aussage immer tat. Ruiza wollte gerade den Mund öffnen und Miyavi von seiner Beobachtung erzählen, als ihn ein empörter Schrei erschrocken zusammenzucken ließ. „AHA! Erwischt!!! Auf frischer Tat ertappt! Du füßelst mit meinem Freund heimlich unter dem Tisch und denkst ich bemerke nichts davon, hm?? Da hast du dich aber geschnitten, mein Lieber!“ Verblüffte Stille folgte diesen Worten, alle starrten Takeru an. Miyavi ergriff als erstes das Wort. „Sag mal… spinnst du jetzt komplett? Ich hab mich ausgestreckt und bin gegen ihn gestoßen. Was anderes war da nicht.“ „Ach was, du lügst doch! Das war volle Absicht und hinter meinem Rücken! Wer weiß, was du noch alles machst, wenn ich nicht hinsehe!“ „SCHLUSS JETZT!“ Bevor er sich noch weiter hochschaukeln konnte, war Chiyu aufgesprungen und hatte mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen. Er beugte sich zu Takeru runter und starrte ihm verärgert in die Augen. Man konnte sehen, die der Blonde unter seinen Blicken immer kleiner wurde und sich praktisch auf seinem Platz einkauerte. „Erstmal hat Miyavi nicht das Geringste getan. Des Weiteren wäre ich dir sehr dankbar, wenn du deine Eifersucht mal ein kleines bisschen zurückschrauben könntest, geht das?! Es KOTZT mich an, es kotzt mich wirklich an, diese permanente und penetrante Eifersucht auf alles und jeden, der sich mir nur auf zwei Meter nähert! Vertraust du mir eigentlich gar nicht? Ich sage dir jeden Tag mindestens einmal, dass ich nur für dich da bin und dich niemals mit irgendwem betrügen würde, aber zu ziehst trotzdem jedes Mal aufs Neue deine Show ab! Ich kann es nicht mehr, Takeru! Es reicht mir langsam! Willst du wirklich, dass wir Schluss machen müssen, nur weil du auch nach drei Jahren immer noch nichts gelernt hast?! Verdammte Scheisse, wir sind doch nicht im Kindergarten!“ Während dieser Standpauke, war der blonde Junge immer blasser geworden und hatte schließlich ganz den Kopf gesenkt. Die Haare fielen ihm schützend ins Gesicht und verbargen seine Augen, aber Ruiza sah die Tränen trotzdem, wie sie auf seine geballten Fäuste tropften. Chiyu stand noch immer in abwartender Haltung über ihm, aber Takeru sprang ganz plötzlich auf, schneller als ihn irgendjemand festhalten konnte, griff nach seiner Jacke und rannte zur Tür. Sein Freund sah ihm schwer atmend hinterher und fiel schließlich mit einem tiefen Seufzen auf die Polster zurück. „Scheiße… das war etwas zu heftig, oder…?“ Miyavi und Ruiza nickten stumm, noch immer geschockt, dass Chiyu so laut werden und eine so bedrohliche Aura ausstrahlen konnte. „Ja, das hab ich mir gedacht… Manchmal passiert das einfach. Er sagt irgendwas und bei mir knallen sämtliche Sicherungen durch.“ „Und was willst du jetzt machen…?“ „Ja was wohl? Ich geh ihm natürlich nach. Er hat sein ganzes Zeug hier liegenlassen, wahrscheinlich sogar seinen Haustürschlüssel. Macht euch keine Sorgen, ich weiß wo ich ihn finden kann und dann beruhige ich ihn wieder. Ihr müsst euch wirklich nicht den Kopf zerbrechen. Hier, zahlt damit unser Essen.“ Chiyu legte etwas Geld auf den Tisch, zog sich die Jacke an, sammelte Takerus komplette Sachen und Tüten ein und verabschiedete sich von ihnen. Ohne ein weiteres Wort verschwand er nach draußen. ~*~ „Hmm…“ Gedankenverloren und schnurrend lag Toshiya in Hakueis Bett und streichelte über den Arm, der sich von hinten sanft um seine Brust schlang. Mit den Fingerspitzen berührte er die Tattoowierungen, strich zärtlich über die Haut und genoss die sanften Küsse, die Hakuei über seinem Rücken verteilte. „Hmmm…“ „…bist du zufrieden…?“ „Sollte ich das nicht fragen…?“ Der Schwarzhaarige lehnte den Kopf entspannt an Hakueis Brust und schloss einen Moment die Augen, hörte Hakueis sanftem Lachen zu. „Wenn du wirklich eine Antwort brauchst, ja ich bin ziemlich zufrieden…“ „Hm… schön…“, nuschelte er leise zurück. Er fühlte sich so angenehm entspannt und schläfrig. Wollte sich fallen lassen und in Hakueis Armen Ruhe finden, als dessen Stimme seine Aufmerksamkeit erneut beanspruchte. „Bleib über Nacht…“, hauchte er fast heiser. „Was…?“ „Bitte. Bleib über Nacht. Ich koch auch gerne was für dich und ich kann gut kochen. Ich würd mich freuen, wenn du bleiben würdest…“ Langsam drehte sich Toshiya in seinen Armen um, blieb neben ihm liegen und schaute ihn zweifelnd an. „Meinst du wirklich…?“ Er dachte an Ruiza und fragte sich, was er gerade tat und wo er war. Und was er dazu sagen würde, wenn Toshiya ihn anrief und ihm sagte, dass er über Nacht eingeladen war. Wahrscheinlich würde er sich nicht sehr freuen. Ob er noch immer mit Miyavi unterwegs war? War es überhaupt so eine gute Idee, ihn direkt mit einer Person ähnlichen Charakters umherziehen zu lassen? Sie waren sich einfach zu ähnlich und Ruiza war so anders… Besser er fuhr wieder nach Hause… Er sollte ihn wirklich nicht alleine lassen… Obwohl… Hakueis streichelnde Finger an seiner Hüfte zeugten wirklich von außerordentlicher Überredungskunst… „Bleib… bitte…“, flüsterte er noch ein weiteres Mal und Toshiya vergass alles um sich herum. „Okay…“, willigte er ohne einen weiteren Gedanken ein. ~*~ Durch halbdunkle Straßen und Gassen hetzte Chiyu auf der Suche nach Takeru. Wenigstens wusste er, wo er suchen musste, aber es gefiel ihm nicht, dass der Junge ganz allein in dieser Gegend unterwegs war. Er verfluchte sich selbst, dass er so laut geworden war, aber manchmal ließ sich das einfach nicht vermeiden. Takeru musste endlich verstehen lernen… So verscheuchen wollte er ihn aber auch nicht. Das Ziel war fast erreicht, Chiyu lief schneller und erreichte keuchend den alten Spielplatz, der verborgen zwischen den hohen Wohnhäusern lag. Er wirkte so unwirklich und friedlich zugleich in seiner Umgebung… Ein fast phantastischer Ort, mitten in der Stadt. Sogar ein paar Bäume wuchsen hier. Hier waren sie sich zum ersten Mal begegnet. Als sie ihre kleinen Geschwister zum Spielen begleitet hatten. Vor drei Jahren. So lange her… Die Hand auf die schmerzende Seite gepresst sah der Junge sich hektisch um, bis er die Spitzen einiger blonder Haare im Halbdunkeln fast verborgen über einen Balken ragen sah. Leise und voller Erleichterung atmete Chiyu auf, lehnte die Sachen vorsichtig gegen die Stangen einer Schaukel und trat leise auf das Spielhäuschen zu. Neben dem Fenster ging er in die Hocke. „Takeru?“ Stille. „Take. Ich bin’s.“ „…geh weg.“ „Nein.“ Er ließ sich in den Sand sinken und schwieg. Konnte Takerus Wärme sogar durch die Wand zwischen ihnen spüren. Er hatte gehört, wie verweint seine Stimme geklungen hatte. Aber er traute sich nicht, ihn zu berühren. Noch nicht. Er wollte ihm Zeit lassen. Und Takeru sprach kein Wort, nur nach einiger Zeit hörte Chiyu sein leises Schluchzen. Es zerriss ihm fast das Herz, dennoch blieb er an Ort und Stelle sitzen, wartete ab, ob Takeru etwas tun würde. Mittlerweile hatte es fein zu nieseln begonnen. Die Feuchtigkeit kroch bereits in seine Kleidung, seine Schuhe, ließ ihm das Haar an der Stirn kleben, aber er bewegte sich keinen Millimeter. „Take…“, flüsterte er schließlich noch einmal. „Lass uns nach Hause gehen. Es wird kalt und du hast keine Jacke an…“ „Das ist mir egal! Dann werd ich eben krank!!“ „Hör auf, Baby…“ Langsam wurde es Chiyu zuviel und so öffnete er die Türen des Spielhäuschens, kroch auf Takeru zu und nahm ihn einfach in den Arm. Fest, unglaublich fest, versuchte so viel Liebe wie möglich in die Umarmung zu legen. „Es tut mir Leid…“, flüstere er ihm ins Ohr und spürte, wie das blonde Haar seine Wange kitzelte. „Ich hab überreagiert…“ „…nein… mir… mir tut es leid. Es war meine Schuld. Nur meine. Ich bin ein egoistischer Dummkopf, der nur an sich denkt und seinem Freund nicht vertraut. Ich mach noch alles kaputt…“ Takeru weinte noch immer, diesmal noch heftiger. Er bebte in Chiyus Armen und im fahlen Laternenschein erhaschte der Ältere einen Blick in sein Gesicht. Die Augen waren rot und verquollen, die Wimperntusche, die er immer trug, hatte sich über die Wangen verteilt und nur zu deutlich konnte man die neuen Tränenspuren erkennen. Er musste schon sehr viel geweint haben, bevor Chiyu ihn überhaupt gefunden hatte. Jedes Schluchzen fühlte sich wie ein neuer Stich ins Herz an. Seufzend öffnete er seine Jacke und zog Takeru in die trockene, schützende Wärme seiner Brust. „Hör auf damit. Hör auf, dich selber fertig zu machen. Wir haben eben beide Mist gebaut und ich bin nicht gekommen, um auf dir rumzuhacken. Ich habe mich entschuldigt, du hast dich entschuldigt, damit sollte es gut sein, Wir haben schon so verdammt oft über dieses Thema gesprochen. Lass uns einfach versuchen, damit aufzuhören und es nicht immer wieder und wieder passieren zu lassen.“ Sanft wischte er ihm mit dem Ärmel ein paar Tränen von der Wange, gab aber recht schnell auf, da er es nur noch schlimmer machte. „…du siehst aus wie ein Emo…“, bemerkte Chiyu mit einem plötzlichen Kichern, was ihm einen leichten Schlag gegen die Brust einhandelte. „Arschloch!“ „Ich weiß.“ Und plötzlich begann er zu lachen. Lachte immer lauter und befreiter, nach einigen Sekunden stimmte Takeru ein, erst zögernd, doch immer kräftiger. Und bevor er überhaupt reagieren konnte, hatte Chiyu ihn gegen die Rückwand gepresst, die Arme um seinen Kopf geschlungen und küsste ihn, als drohte wie Welt jeden Moment unterzugehen, als würden sie sich niemals wieder sehen, als wären sie sich nach vielen Jahren endlich wieder begegnet. Takeru reagierte. Er krallte die schmalen Finger in Chiyus Rücken und hielt sich an ihm fest. Für einen Moment stand die Zeit um sie herum still. Erst, als sie sich atemlos voneinander lösten, drehte sich die Welt weiter und die Geräusche setzten erneut ein. Das Rauschen des Windes und das Rascheln der Blätter, der Lärm der nahen Bahn und die Schritte vorbeigehender Passanten, das leise Tröpfeln des Regens und die Musik, die aus dem geöffneten Fenster einer Wohnung drang… Doch Chiyu sah nur Takeru an, als er ihn vorsichtig nach draußen zog und seine Hand fest umschlossen hielt. „Lass uns nach Hause gehen.“ ~*~ Sie hatten nur ihre Mahlzeit beendet und waren anschließend nicht mehr lange geblieben, ihre Stimmung hatte sich nach dem Streit ihrer Freunde deutlich verschlechtert. Sie schlenderten durch die noch immer überfüllten Straßen und sprachen über dies und jenes, bis Miyavi plötzlich stehen blieb und sich umsah. „…wo sind wir eigentlich…?“ „…was…?“ Ruiza blieb abrupt neben ihm stehen und sah sich verwirrt um. Straßenschilder waren für ihn immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, viel entnahm er den verschiedenen Schildern und Reklametafeln nicht gerade. „Warst du hier noch nie?“ „Machst du Witze? Weißt du, wie groß diese Stadt ist? Selbst in den Stadtteilen, in denen ich oft bin, kann ich mich gar nicht auskennen! Und diese verdammten Gassen sehen abseits der großen Straßen alle gleich aus! Man verläuft sich so unglaublich schnell, wenn man nicht aufpasst. Ich war so auf unser Gespräch konzentriert, dass ich nicht mal drauf geachtet habe, in welche Richtung wir gegangen sind! Ich habe nicht die geringste Ahnung wo wir sind! Scheiße!!“ Wütend trat der Schwarzhaarige gegen eine Laterne und sah sich weiterhin finster um. „Hey… jetzt werd doch nicht gleich hysterisch… wir finden schon den Weg…“ Es überraschte Ruiza, dass Miyavi gleich so ausflippte. Jeder verlief sich irgendwann mal, oder? Und irgendwann fand man auch den Weg wieder. Vielleicht begegneten sie jemandem, den sie fragen konnten. „Ich glaube, du verstehst nicht…“, murmelte Mi in diesem Moment. „Wenn wir Pech haben, haben wir uns wirklich in eine Gegend verirrt, die alles andere als gut für uns ist. Lass uns weitergehen, aber bleib dicht bei mir…“ „Wovon redest du da eigentlich? Warum machst du gleich so einen Aufstand?“ „Shht. Sei still. Ich befürchte wirklich, dass wir nicht hier sein sollten…“ Ohne eine Erklärung packte er Ruizas Handgelenk und zog ihn energisch hinter sich her. Sie liefen durch mehrere Gassen, die immer enger zu werden schienen. Immer wieder blickte sich Ruiza besorgt über die Schulter. Hatte er sich die Schritte hinter ihnen nur eingebildet? Hatte Miyavi es auch gehört? Er schien es immer eiliger zu haben und sein Gesichtsausdruck wirkte fast verzweifelt. Ein aufreizender Pfiff erschall in der Dunkelheit und ließ den Jungen jäh abstoppen. Eine Silhouette zeichnete sich im Ausgang zur nächsten Straße ab und dem Pfiff folgte eine Stimme. Sie klang nicht sehr nett. „Was haben wir denn da? Zwei kleine Kätzchen, die sich verlaufen haben…?“ Miyavi wirbelte herum und wollte zurücklaufen, aber nur wenige Meter entfernt lösten sich weitere Gestalten aus den Schatten. Sie waren eingekesselt. Nervös begann er an Ruizas Handgelenk zu ziehen, doch der Jüngere war zu Eis erstarrt und blickte in die Augen des Mannes, der sie angesprochen hatte und sich nun langsam näherte. Er wirkte wie ein Raubtier auf der Jagd. „Wow, Leute… seht euch die beiden mal an, da haben sich ja mal zwei richtige Schönheiten zu uns verirrt.“ „W-was wollt ihr von uns?“, piepste Mi und verfluchte sich, dass er seiner Stimme keinen selbstsichereren Klang geben konnte. „Was wollt ihr von uns~?“, äffte eine weitere Stimme ihn sofort nach und begann schallend zu lachen. „Hört euch den an, noch nicht trocken hinter den Ohren, was?“ „Ruiza?!“ Er schob sich dichter an seinen Freund heran, stieß ihm leicht den Ellbogen in die Seite, flüsterte ihm hastig zu. „Ruiza, lass uns versuchen, so schnell wie möglich abzuhauen. Schneller sind wir auf jeden Fall… Ruiza? Rui?!“ Als der Andere nicht reagierte, drehte Mi den Kopf zu ihm um und erbleichte. Der erste Mann war schon ganz nahe und hielt Ruizas Kinn in der Hand, einer groben ungepflegte Pranke, und drehte seinen Kopf von einer Seite auf die andere, um ihn genau betrachten zu können. „Wow… was für ein hübsches kleines Ding. Seht ihn euch an, was für unschuldige Augen!“ Er riss ihn grob zu seinen Begleitern herum, damit sie ihn auch sehen konnten und Miyavi erhaschte einen Blick in die vor Angst geweiteten Augen. „Lass ihn sofort los!!“, schrie er auf und wollte vorstürmen, aber muskulöse Arme packten ihn und drehten ihm die seinen auf den Rücken. Es tat weh, doch er unterdrückte jeglichen Schmerzenslaut. „Der hier sieht aber auch nicht allzu schlecht aus, eine Wildkatze, wies scheint…“, kicherte eine Stimme höhnisch. Er achtete nicht darauf, sah nur Ruiza an. Die verängstigte Miene des Jungen und den widerlichen Kerl, der ihn gepackt hatte und an seinem Haar roch. Entsetzt musste er mit ansehen, wie die Hand des Mannes über Ruizas Oberkörper strich und sich langsam ihren Weg in seine Leistengegend suchte. Als sie über den Gürtel glitt, schrie der Blonde panisch auf und versuchte sich loszumachen. Miyavi sah nur ein plötzliches Aufblitzen und das erneut vor Angst gelähmte Gesicht seines Begleiters. Ruiza spürte nur das kalte Metall an seinem Hals, hörte kaum die leisen Worte seines Peinigers. „Vorsicht Püppchen… Ich würde dich nur ungern verletzen, tot nützt du mir nicht mehr viel. Dann macht es doch nur noch halb so viel Spaß…“ Der Mann schien sich an seiner Angst regelrecht zu weiden, doch ein Aufschrei ließ Ruiza für einen kurzen Moment neu aufleben. „NEIN!!!“ Er sah nach vorne, sah wie in Zeitlupe, wie Miyavi sich befreite und losrannte, sah wie er fiel, sah wie sein Kopf gepackt und gegen eine Wand geschmettert wurde und hörte nicht einmal mehr seinen eigenen Schrei, der durch die Nacht schallte. To be continued. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)