Götter, Engel, Dämonen und das Meer von Diracdet (Teil 5 des Detektiv Conan-Noir Crossovoers) ================================================================================ Kapitel 12: Das große Theater ----------------------------- Hallo an alle Lesenden, erstmal wieder vielen Dank für die Kommis zum letzten Kapitel, ich habe mich wie immer sehr über die Anregungen gefreut. Zur Frage mit dem Leiden, die Kogoro unter Wasser diskutierte, ich bezog mich auf den Unterschied zwischen Mord und Folter, wobei in der Folter der Tod immer auch einen erlösenden Aspekt hat. Deshalb halte ich - und auch Kogoro - das für das schlimmere eigentlich, das unvorstellbarere. Es passiert ja bekanntermaßen trotzdem. So, dann entschuldige ich mich zutiefst für die Verzögerung beim neuen Kapitel, mit dem Anhängsel, es könnte nochmal im Februar passieren, ich hoffe jedoch, dass nicht. *Entschuldigungskuchen bereitstellt* Viel Spaß mit dem Kapitel und bis nächste Woche. lG, Diracdet _______________________________________________________________________ Kapitel 12: Das große Theater „WAS? Sie ist seit sieben Stunden verschwunden?“ Der Schrei der Kommissare und Kogoros gleichzeitig schreckte alle in der Krankenstation hoch, ausgenommen Dr. Coldwell, was aber auch schon einem Wunder glich, da die Lautstärke dem sprichwörtlichen 'Tote wecken' sehr nah gekommen sein musste. Alle riefen sich, angetrieben durch die bösen, wenn auch furchtsamen Blicke des Arztes, zur Raison, und Jugo Yokomizo übernahm es, den eben zusammen gefalteten Vizekapitän möglichst ruhig wieder zu einer Antwort zu bewegen. Er packte ihn an den Schultern und sah dem großen, kräftigen und doch im Moment so schwächlich verstörten Mann tief in die Augen, bevor er sachlich anfing. „Sie ist... nicht seit der Abfahrt, gestern Abend gegen achtzehn Uhr verschwunden, sondern Sie haben sie nur seitdem nicht mehr gesehen. Ist das richtig?“ Es dauerte eine Weile, bis Herr Yamonaga sich von der Sprechweise des Polizisten zu einer Reaktion bewegen ließ. Ein leichtes Nicken, begleitet von einem kräftigen Schlucken, mehr war es letztlich nicht. Bis es langsam wieder von ihm kam „Ja, wie gesagt, sie verzog sich nach der Abfahrt, sagte sie wolle wie immer aufs Deck, und sich dann bis Mitternacht in ihrer Kajüte ausruhen.“ „Und seitdem haben Sie sie einfach nicht mehr gesehen. Jetzt wollten Sie ihr Bescheid geben, dass wir angekommen sind am Zielort und fanden die Kapitänskajüte leer vor, richtig?“ „Äh, falsch, zunächst fand ich sie verschlossen vor, bekam auch keine Antwort auf anklopfen und rufen. Da dachte ich, sie sei irgendwo anders, und hab mich kurz umgesehen, war nochmal auf der Brücke, ob sie schon da war, war sie jedoch nicht. Als ich etwa zwanzig Minuten später nochmal bei der Kapitänskajüte war und diese immer noch abgeschlossen vorfand, machte ich mir doch Sorgen und hab den Zimmerservice gebeten, mir den Zweitschlüssel zu bringen, vielleicht sei ihr etwas passiert.“ „Und... was war in der Kapitäns-Kajüte?“ „Sie... sie war unberührt. Kapitän Karasuma war scheinbar gar nicht da gewesen, oder zumindest hat sie nichts gemacht, was im Nachhinein ihre Anwesenheit zeigte. Und da bin ich dann wieder auf Anfrage bei der Rezeption hier her gekommen.“ Er war jetzt so weit wieder ruhig, dass er nun auch genauer den Blick hinein wagte in das Krankenzimmer, die beiden besetzten Betten von Yoko und Doktor Coldwell bemerkte und ihm die Worte des Rezeptionisten in den Sinn kamen. 'Irgendetwas ist mit dem Aquarium passiert. Scheinbar ist da jemand rein gesprungen oder so. Auf jeden Fall ist der Chef jetzt mitsamt der Polizei auf der Krankenstation, Herr Yamonaga.' „I-ist etwa... sie ins Wasser gesprungen?“ Er deutete mit dem Zeigefinger auf die schlafende Biologin, deren Miene eine unschöne Verkrampfung, einen Spiegel ihrer Erlebnisse, in sich barg und das Bild eines lächelnd schlafenden Schneewittchens, welches den vergifteten Apfel in der Traumwelt vergaß, in die Welt der Märchen, aus der es entstammte, verbannte. „N-Nein..., dieser Frau ist nur schlecht geworden.“ Alle starrten verwirrt zu Mori, der sich unverholen vom kleinen Beistelltisch neben seinem Platz eine frische, trockene Schachtel Zigaretten nahm, dann aber doch inne hielt, als er die ihm zuteil gewordene Aufmerksamkeit registrierte. Er hatte den Vizekapitän einfach so angelogen. Stumm lastete die Frage nach dem Warum in den Köpfen derjenigen, die offenbar schon auf dem Sprung waren, eine Suchmannschaft an Polizisten zusammen zu stellen, um nach der Verschwunden zu fahnden, wenn überhaupt noch Hoffnung bestünde. „Herr Yamonaga.“, begann der Detektiv wieder ruhig, ohne seinen Kopf zu bewegen oder überhaupt die Augen zu öffnen. Eine bedrohlich ernste Art lag in seiner Stimme, die keinen Widerspruch duldete, ein Ruhepol, dem man sich nicht entgegen stellen wollte, schon gar nicht, wenn man selbst in der Position des ratlosen war wie der Vizekapitän der Ocean Goddess in diesem Moment. „Äh... j-ja?“ „Würden Sie bitte kurz raus gehen und die Tür von außen schließen? Es wird nicht lange dauern. Und danach werden wir gemeinsam Kapitän Karasuma suchen. Mit gemeinsam meine ich die hier anwesenden und Sie, Sie ganz allein, ist das klar?“ „K-Klar, Verstanden, Sir!“ Als wäre es ein Kommando von oben, salutierte der im Moment eigentlich ranghöchste Offizier im Amt vor dem Zivilisten, drehte sich, zögerlich, auf dem Schritt um und schloss leise und behutsam die Tür. Erleichtert über das Entkommen der Aura dieser Person, die er irgendwoher zu kennen glaubte, lehnte er sich gelöst an die Tür und seufzte tief. „Puuh... was war das denn für einer?“ „Mein Onkel, ein berühmter Detektiv!“, kam es prompt zur Antwort von unten, so dass der gestandene Mann aufschreckte und einen Schritt zur Seite fuhr. Da stand doch tatsächlich so ein kleiner Knirps mit großer Brille und grinste ihn frech an. „Du... du hast mich erschreckt, Kleiner, so was macht man nicht, ja?“ „Ja, Okay, ich merks mir!“ „Äh... dein Onkel? Warst du eben auch in dem Zimmer hier?“ „Ja, ganz in der Ecke, aber mir wurds langweilig, da bin ich Ihnen hinterher. Sagen Sie, wie meinten Sie das vorhin?“ „Was meinte ich wie?“ Wäre Herr Yamonaga nicht von Kogoro zum Bleiben aufgerufen wurden, hätte er dem Jungen sicher nicht geantwortet, er war überhaupt nicht in der Stimmung für so was, aber so blieb ihm keine Wahl. „Sie sagten, Kapitän Karasuma sei wie immer aufs Deck gegangen. Wie meinten Sie dieses wie immer?“ „Ach das, ja... weißt du, jeder Mensch hat so seine Angewohnheiten und Natsuke Karasuma, immerhin einer der besten Kapitäne Japans, hat diesen... Tick, sie geht immer bei Jungfernfahrten nach der Abfahrt kurz an Deck, um wie sie meint, diese Mischung der Meeresluft mit dem Geruch des frischen Schiffs einzusaugen. Sie sagt immer, dass sie danach aus unerfindlichen Gründen verrückt sei. Sie ist für diese Eigenart echt bekannt unter den Kapitänen dieses Landes, das kann ich dir sagen.“ „Ach so, also ist das kein großes Geheimnis, wie?“ „Nein, nicht wirklich..., zumindest nicht unter Kapitänen.“ „Was sollte das denn nun wieder, Mori?“, nörgelte Sango Yokomizo von der Seite. Er schrie nicht, der Arzt sah sie sowieso schon wieder schief an. „Wir müssen nach Karasuma suchen, sofort!“ „Beruhigen Sie sich, die Eile hat uns bei Doktor Coldwell nicht geholfen und wird uns auch jetzt nicht helfen. Natsuke Karasuma ist wahrscheinlich tatsächlich schon über sechs Stunden nicht an einem Ort ihrer Wahl, so würde ich das unberührte Zimmer interpretieren. Was immer der Täter vor hat oder hatte, er hat es entweder längst in die Tat umgesetzt oder es muss sehr aufwendig sein. Und es muss wohl beinhalten, dass sie sehr gut versteckt ist. Ersteres würde bedeuten, dass wir mit ziemlicher Sicherheit zu spät sind. Das glaube ich aber nicht mal. Denn, wenn man die anderen Anschläge betrachtet, so ging der Täter doch sehr theatralisch vor, mit viel Show und auf den Effekt abzielend. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass er das bei ihr anders machen will. Und wenn doch, dann können wir wohl wirklich davon ausgehen, dass sie längst tot ist. Was ich sagen will, meine Herren... und Yoko, alles, was der Täter zur Zeit noch wollen kann, ist die angesprochene Panik unter den Gästen, die ihm den Handlungsspielraum für weitere Aktionen geben würde. Und wie gesagt, ich gehe davon aus, dass er genau das von uns will.“ „Aber..., wir haben die Panik doch verhindert, die Leute sind alle auf der Blauen Ebene und glauben an einen Verrückten, der eine Show abziehen wollte. Das haben wir doch alles nach Ihrem Plan gemacht, Herr Mori!“ Der jüngere Yokomizo verstand zwar die Einwände Kogoros, nur nicht ganz den Sinn, weshalb er sie nun aufhielt. Es war doch trotzdem denkbar, dass genau jetzt Natsuke Karasuma die Hilfe der Polizei benötigte, nicht vor drei Stunden und nicht in zwanzig Minuten, sondern gerade jetzt. „Und was würde passieren, Herr Kommissar, wenn wir uns jetzt in Ruhe auf die Suche begeben und die Blaue Ebene so lassen, wie sie ist?“ Er überlegte eine Weile, bis ihm schließlich Brefford zuvor kam. „Sie würden nachfragen, welche Probleme die Polizei damit hat einen einzelnen Verrückten festzusetzen, den sie sogar bereits geschnappt haben und wieder anfangen andere Spekulationen zu verbreiten, insbesondere, da Doktor Coldwell ja nicht aufgetaucht ist zu ihrem Vortrag. Es nützt nichts, wir müssen sie jetzt raus lassen und dann anfangen zu suchen. Sonst können wir nicht mehr kontrollieren, was dort geschieht. Das meinten Sie doch, Herr Mori, oder?“ Dieser nickte nur kurz und sah dann zum kleinen, nervösen Buchhalter, der die Unterredung still verfolgte, informiert durch den Kommissar, aber auch durch zwei plus zwei zusammen zählen bei der Inventur. „Herr Yusuatu?“ Jetzt schaute er doch auf, blickte erschrocken mit glasigen Augen in die Runde. „Wir bräuchten, wenn das möglich wäre, mal ihre Unterstützung...“ „Was wollt ihr machen?“ Ran blieb am Telefon fast die Luft weg und ihr lauter Ausruf brachte ihr viel ungewollte Aufmerksamkeit. Sie fuhr blitzartig zum Fenster rum, immer die Ohren am Hörer, als sie plötzlich zweier weiterer neugierige Ohrenpaare um sich herum gewahr wurde. „Du hast mich schon richtig verstanden, Mausebein. Wir werden die Sache mit dem Verrückten zu Ende durchziehen und dann müssen wir Kapitän Karasuma finden. Du solltest das auch Sonoko und Miss Vineyard sagen, wir können dabei eure Hilfe brauchen.“ „Ähm... keine Sorge, die beiden haben das wohl mitbekommen...“, stellte sie mit einem süffisanten Lächeln fest, als sich die Gehörmuscheln von einer Seite an ihr linkes Ohr, von der anderen an ihre rechte Hand mit dem Hörer drückte. 'Übertreibts nicht! So leise ist das Handy doch gar nicht.' „Ist gut, Paps, wir sind bereit, sobald sich wieder hier alles normalisiert. Die Leute scheinen zwar ungeduldig, aber die Medien berichten nur noch von irgendeinem Straßenkünstler, der sich aufs Schiff geschlichen hätte und einen Stunt zeigen wollte.“ „People hear, what people want to hear, because journalists only give them, what they want to hear. No more, nor less.“ Gekonnt überspitzelt mit einem ironischen Unterton auf den Lippen formulierte Chris ihre Erkenntnis, die sie zur Wahrheitsumdeutung heute in vollen Zügen auskosten konnte. 'Isn't life a pure pack of irony? Die Leute glauben nicht an Wahrheit oder Logik, nur an das, was sie glauben wollen. Und was diesen Glauben bestätigt, das definieren sie dann als Logik, womit der Glauben folglich zur Wahrheit wird, da man ja logisch nicht auf einen Fehler kommen kann... Und so wie die Leute hier nun alle glauben wollen, dass eben niemand einen Anschlag auf Doktor Coldwell verübt hat, so glaubst auch du nur, ich wäre eine gewöhnliche Verbrecherin. Zugegeben, ein Bindeglied zu deinem verwunschenen Prinzen, aber doch nicht mehr als eine kleine, unbedeutende... Mörderin... falls du es mir zutraust. Aber leider, siehst du alles noch viel zu rosa damit... Viel... zu rosa.' Ein leichter Seufzer entglitt ihr, als sie sich gerade wegdrehen wollte. „Warten Sie, Miss Vineyard!“, wurde sie jedoch von Ran zurück gehalten. Die Schauspielerin drehte sich gelassen zu ihr rüber, wurde dann aber von den funkelnden, fordernden, keinen Widerspruch duldenden Augen der Oberschülerin erfasst. Blitzartig schoss die Nervosität in ihr hoch. 'Vielleicht ist es schon zu viel, dass du mich für eine gewöhnliche Verbrecherin hältst...' „Ich... ich muss... etwas mit Ihnen bereden, Miss Vineyard!“ Die Angst war deutlich heraus zu hören, selbst ihre Entschlossenheit schien dem kaum gewachsen zu sein. Umgekehrt konnte aber auch ihre Angst ihre Entschlossenheit nicht bremsen. Es war ein Teufelskreis zwischen diesen beiden Emotionen, der sie antrieb. Wer hätte gedacht, dass die ihr so einfach gefallene Entscheidung vom Sonntag Abend, nun, zwei Tage und ein paar Stunden später, so schwer fallen würde. Unwillkürlich zitterten ihre Hände, wurden aber von ihren Armen langsam zu ihrer Brust geführt, als wolle sie ihr Herz beruhigen. Mitten in dieser Bewegung hielt plötzlich eine Hand ihr rechtes Gelenk fest und stoppte so Rans Arme. Zurückgeworfen in die Realität blickte sie nicht ganz bei sich zur Seite zu ihrer Freundin, der eine unverkennbare Sorge in den Augen lag. Aber nur in den Augen. „Ran, wir sollten uns jetzt lieber für ein paar Minuten von Miss Vineyard fernhalten, damit wir nachher, wenn die Blaue Ebene wieder geöffnet wird, unauffällig verschwinden können.“ „Das würde ich auch sagen.“, stimmte ihr eine innerlich erleichterte Chris zu. 'Wer hätte gedacht, dass ich Sonoko mal für ihre Hilfe danken würde. Als ob sie wüsste, was Ran gerade wollte... Ach Quatsch, das kann nicht sein, Sonoko nicht.' Ran blickte immer noch zu ihrer Freundin, oder besser durch sie durch, als sähe sie sie gar nicht, folgte ihren Gedanken und ließ die Arme schließlich sinken. „Ich dachte nur gerade... ob der Täter womöglich... Kapitän Karasuma... ins Meer...“ Sie vollendete den Satz nicht, der Gedanke war ihr zu abscheulich. Ihr Vater hatte ihr tatsächlich am Telefon von dem verschwundenen Klebeband erzählt und damit bewirkt, dass ihr ein entsprechendes Bild nicht mehr aus dem Kopf ging. „Das glaube ich nicht, Ran.“, versuchte Sonoko zu beruhigen, ohne einen rechten Grund zu haben. Etwas geschickter machte es die Schauspielerin. „Das wäre sehr unlogisch für den Täter.“ „Was? Wie meinen Sie das?“ „Die Sängerin Yoko Okino wurde auf der Bühne von einem Säureschauer erfasst. Die Biologin Doktor Alexandra Coldwell wurde in einem riesigen Aquarium versenkt. In beiden Fällen hat der Täter... wie soll man das sagen... Stil... im Sinne seines Briefes bewiesen. Er hat die Göttin auf ihrem Thron versucht zu ermorden. Sehr extravagant, wohl gemerkt, aber so, dass es wirklich... dieses Bild widerspiegelt, dass uns die Nachricht gibt. Ich würde nun behaupten, der Thron des Kapitäns ist das Schiff an sich, vielleicht die Brücke da rauf, oder ein entsprechender Raum, aber definitiv nicht das Meer an sich, das ist nur sein Königreich. Hätte er sie einfach ins Meer geworfen, wäre er sich selbst sehr untreu geworden, wonach es doch eigentlich nicht aussieht.“ „... Stil... der Brief... sind-sind Sie sicher?“ Ein leichtes Schniefen unterbrach Ran in ihrer Frage mehrfach, aber es wirkte offenbar beruhigend. „Yes, thats, what I think...“ Damit schritt sie dann von dannen, ein warmes Lächeln auf den Lippen. 'Engel sollten nicht weinen, denn dann trauert die Menschheit mit ihnen.' „Da sehen Sie es meine Damen und Herren, dort kommt der unbekannte Akteur, der Gäste, Personal und Polizei auf der Jungfernfahrt der Ocean Goddess so in Aufruhr versetzte...“ Die junge Reporterin verwies mit drohender Mimik auf das Szenario hinter sich, auf den Ausgang der Blauen Ebene. Genau davor postierten sich eine ganze Reihe an Wachmännern, sperrten die Schaulustigen aus, und gaben doch gleichzeitig die Blicke frei auf das Treiben dahinter. Die beiden Kommissare, mit grimmig aufgesetzter Miene, wie sie einen Mann aus einer bestimmten Richtung – der des Krankenzimmers – an einen unbekannten Ort verfrachteten. Ein Mann, mehr war nicht zu erkennen aus der Gestalt, in leicht durchnässten Klamotten, mit übergezogener Jacke, die den Großteil des Kopfes verdeckte. Ein Paar Handschellen war noch an den Armen zu erkennen, die die Polizisten sich zwischen die ihren geklemmt hatten, dass der Übeltäter auch ja nicht entkommen möge. Dieser schlurfte nur mit herab hängendem Kopf mit seinen Bewachern mit. Vor den dreien zwei weitere Polizisten, hinter ihnen ein leicht verschnupfter Kogoro, ein nachdenklicher Brefford und ein unruhig dreinschauender Tanahi. Ein Bild als ganzes, wie gemalt, eine Überführung des Verbrechers, wie es in jedem Hollywood Thriller am Ende im Drehbuch stünde. Und genau das sollte es sein, das Ende. Das Ende... für die Zuschauer, wie es eben in Hollywood üblich war. Niemand merkte es, niemand schien es zu ahnen. Oder eben wahr haben zu wollen. Dass die Tür überhaupt aufging, dass die Polizei überhaupt es zuließ, dass die Gäste wie durch ein Guckloch Einsicht in die Festnahme des Täters erhielten, dass sie alles sehen konnten, was sie wollten, außer das Gesicht des Täters, das ihnen sowieso nichts sagen würde... Dass ihnen förmlich der Vorhang im Kino – die Tür zur Blauen Ebene – aufgeschoben wurde und sie die Vorstellung von Anfang an, quasi mit Popkorn vom Buffet genießen konnten, das alles schienen sie nicht wahrzunehmen, weil sie es offenbar nicht wollten. 'As I said. Truth is, what people want to believe in. No less... no more... Funny...', kicherte Chris aus einiger Distanz in sich hinein, während sie die Prozession verfolgte, wie sie ihren Weg in die tiefen Dunkelheiten des Schiffes suchte, denen die Gäste nicht würden folgen können. „Haha, das hat geklappt. Vielen Dank, mein lieber Täter!“ Sango Yokomizo hatte gerade die Tür geschlossen, als er wie Kogoro Mori in ein feierlich triumphales Lächeln ausbrach. Sein Bruder bevorzugte die Ruhe und Gefasstheit, entfernte die Handschellen des 'Täters' und nahm ihm die Jacke langsam ab. „Wir müssen uns wirklich bei Ihnen bedanken, Herr Yusuatu!“, stellte auch er fest, ohne jedoch eine Miene zu verziehen. Der Buchhalter schüttelte kurz den Kopf, sah betrübt auf seine Kleidung. „Schade um den Anzug, dass wir den unbedingt so durchnässen mussten auf der Krankenstation. Aber ich habe Ihnen gerne geholfen, eine drohende Panik zu vermeiden.“ „Machen Sie sich darum mal keine Sorgen, Herr Yusuatu!“, beruhigte Tanahi ihn mit einem sanftem Lächeln und einem Klopfen auf die Schulter. „Ich hab heute schon einige Garderoben von Gästen austauschen lassen, wie Sie an Herrn Mori unschwer erkennen können. Er trägt ja nun seinen dritten Anzug...“ Ein ironisches Lächeln trat auf die meisten Gesichter und auch der Detektiv konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. 'Immerhin sind die beiden neuen Anzüge wesentlich teurer als mein Original...' „Ich hab schon unterwegs jemandem vom Personal Bescheid gegeben, hier einen Anzug her zu bringen.“ Ein Klopfen unterbrach Herrn Yusuatus Antwort und die drei Gerüchteverbreiterinnen par Excellence standen gemeinschaftlich im Eingang. „Wow... was für ein schickes Zimmer?“ „Meine... Kajüte.“, beantwortete Tanahi Sonokos Aussage, die daraufhin kurz zusammen zuckte und etwas hinter Ran trat. „H-Heißt das, Sie meinten das ernst, dass Sie dieses Schiff nie mehr verlassen wollen?“ „Äh... also eigentlich schon, das war so gemeint. Aber unabhängig davon wollte ich eben von Anfang an auf diesem Schiff eine eigene Suite, in die ich mich zurück ziehen kann, sobald ich hier bin. Hier kommt auch niemand rein, außer, wenn ich es will. Nur ich hab hierzu einen Schlüssel, sonst niemand.“ „Ach...“, begann Kogoro funkelnd, sah dem Milliardär tief in die Augen, „Dann haben Sie doch auch sicher nichts gegen eine kleine Durchsuchung, nur um sicher zu gehen, dass hier nichts versteckt ist...“ Den Angesprochenen verließ augenblicklich das Lächeln auf den Lippen, aber auch die drei Frauen wurden plötzlich wieder unruhig. 'Er verdächtigt Herrn Tanahi?', ging es allen drein durch den Kopf. „Was erlauben Sie sich, Herr Mori? Ich dachte, es wäre nun geklärt, dass Ihre Anschuldigungen haltlos sind. Ich bin wirklich erschrocken, so viel Gutes wurde mir über Ihre Fähigkeiten berichtet, Sie könnten Fälle teilweise aufklären, bevor die wahren Beweise überhaupt gefunden worden, aber offenbar beharren Sie nur so lange auf irgendwelchen Fantasien, bis alle sie glauben. Schön, durchsuchen Sie das Zimmer, bitte, holen Sie sich zwei Polizisten und machen Soe hier alles dreckig, aber danach ist es wieder meins, wenn Sie nichts finden, klar?“ Die Wut im Gesicht des Mitfünfzigers schien ernsthaft auf sein Herz zu schlagen, er musste sich den Schweiß abwischen und sich hinsetzen. „Ich versuche hier... mein Lebenswerk am Leben zu erhalten, Herr Mori. Dieses Schiff war und ist... MEIN Traum! Wenn diese Überfahrt ein Reinfall wird, wird auch mein Konzern lange dran zu knabbern haben, damit kann ich leben, weil ich alt bin. Aber meinen Lebenstraum so kurz vor dem Ziel scheitern zu sehen, das ertrag ich nicht. Und irgendjemand da draußen will, dass es scheitert, will, dass ich scheitere. Jemand hat mir schon zu viele Steine in den Weg gelegt... Ich bitte Sie um diese Nacht, die mir zu meinem Lebenstraum fehlte. Und Sie... Sie kommen und machen es kaputt... ohne Grund. Ich will nicht mein Schiff zerstören, hören Sie, ich will es nicht!“ „Beruhigen Sie sich, Tanahi!“, fuhr ihn Brefford von der Seite an. „Sie haben schließlich selbst auch noch eine Aufgabe zu erfüllen, bis Ihr Traum in Erfüllung geht.“ Alle sahen verwundert zu dem alten Mann, der seinen Blick aber nicht vom Boden nahm. „Es ist jetzt halb zwei. Es dauert noch vier Stunden bis zum großen Ereignis.“ Jetzt waren die Blicke noch fester bei ihm und die Augen starrten verwirrt zu dem Franzosen, der stoisch verharrte, wenn auch man von der Seite meinte, ein schwaches Lächeln ergründen zu können. „D-Das große Ereignis? Sie wissen, worum es geht?“ Ran stellte stellvertretend eine Frage, die ihrer Meinung nach wohl keiner weiter beantworten konnte. Sie irrte sich in diesem Punkt jedoch gewaltig. „Der Sonnenaufgang, Ran.“ Ihr Vater war es, der die Erklärung übernahm, wurde dann aber von Tanahi abgelöst, der sich in seinen Worten verlor und neuen Lebensmut zu schöpfen schien. „Das reinigende Licht der Dämmerung, welches uns Großstadtbewohnern längst aus dem Sinn verschwunden ist. Wir sehen die Lichter, die ewig scheinen, die jede Farbe als kleines Spektrum in eine Richtung werfen, wir haben taghelle Nächte, aber sehen kaum die Sonne. Im Urlaub ab und zu, aber selbst auf Bergen ist es immer dieses Bild eines unförmigen Reliefs, welches mit der Sonne einen Kampf führt und nur darauf wartet sie Abends wieder unseren Blicken zu entziehen. Nur auf dem offenen Meer ist es anders. Dann, wenn keine Wolke am Himmel herrscht, wenn die See nicht durch Wind in Wellen gepeitscht ist, dann... betritt man diese andere Welt, diese höhere Sphäre, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Die ruhige, stille Welt des scheinbaren Nichts, das sich in göttlicher Pracht aufbaut und die Sonne am Morgen in vollster Schönheit aufgehen lässt. Wenn das Meer von dem tiefen Rot der aufgehenden Sonne ganz erfasst wird. Ich habe dieses Bild mit meinem Vater inmeiner Kindheit oft gesehen und wollte es mit diesem Schiff auch anderen zum Geschenk machen. Das möchte ich den Leuten zeigen, das sollen sie sehen. Das wahre Licht, das jeden Morgen uns erleuchtet, das soll nun auch sie erleuchten.“ Die fast schon pathetische Erhabenheit seiner Worte ließ alle im Raum verstummen. Nur Tanahi selbst fügte in Gedanken noch etwas an. 'Ich danke Ihnen, Fräulein Mori, dass Sie mich wieder an mein Ziel erinnert haben. Das war wirklich... freundlich.' „Herr Tanahi...“, begann Sango Yokomizo nach einer Weile, „...es genügt vorläufig wohl, wenn wir das Zimmer abschließen und einen Wachposten davor stellen, der aufpasst, dass Sie das Zimmer nicht mehr betreten. Sie sollten sich auf die Blaue Ebene begeben und die Gäste weiter im Glauben lassen, es wäre alles in Ordnung. Wir suchen Kapitän Karasuma. Ach ja, Herr Yusuatu, Ihre Hilfe wird wohl auch nicht mehr von Nöten sein. Sie können dann wohl gleich mit den neuen Sachen wieder auf Ihren Platz gehen.“ „Oh, das ist... nett.“, stellte der kleine Mann verlegen fest, als ihn etwas von unten am Ärmel zog. „Äh... was willst du denn, Kleiner?“ „Ich hätte nur eine kleine Frage, ist es denn nun gesichert, dass das Seil auf der Krankenstation das fehlende Fünf-Meter Seil aus den Lagerräumen ist?“ Conan hatte sich bis jetzt mit Worten sehr zurückgehalten und die Aufgabe der Zimmerdurchsuchung für die Polizei übernommen – erfolglos. „Oh... ja, das scheint wohl so zu sein. Die Seile haben alle eine aufgedruckte Fabriknummer, die kann man kaum fälschen und die war auch auf dem langen Stück Seil drauf, exakt die Nummer aus der Inventurliste. Es muss wohl das Seil sein.“ 'Hm... ohne Zweifel, das lange Seil sind die vier Meter, mit denen Doktor Coldwell gefesselt wurde. Ich hab mir das Seil auch angesehen, der Stempel wirkte in Ordnung. Und an einem Ende war er angeschnitten und ein kleines Stück durchgerissen, genau wie bei dem einen Meter, der oben noch den Sack zugebunden hatte. Könnte man so was fälschen? Unwahrscheinlich... aber wie hat der Täter dann nur diesen Trick über dem Aquarium veranstaltet? Ich muss da doch noch mal hoch.' „Also, Herr Vizekapitän Yamonaga.“, begann Kogoro eindringlich, nachdem alle Formalitäten bezüglich Yusuatus Kleidern geklärt und die Suite von Herrn Tanahi verschlossen und von einem Polizisten gesichert worden war, und der Vizekapitän auch die Suite des Schifsseigners aufgesucht hatte. „Herr Tanahi muss sich um die Gäste kümmern, das heißt es bleiben wir... neun, wenn ich richtig zähle, was aber genug sein sollte. Also die beiden Kommissare, Monsieur Brefford, Miss Vineyard, Sie, Sonoko Suzuki, meine Tochter Ran, der kleine Conan und ich. Da Sie einige der wesentlichen Punkte des Schiffes schon abgesucht haben, schlage ich vor, wir trennen uns in kleinere Gruppen. Sonoko und Ran, ihr beide solltet zusammen mit Conan bleiben, die anderen gehen besser einzeln. Ich werde zunächst mich nochmal auf Deck umsehen. Die Kommissare überprüfen die unteren Decks mit den Lagerräumen – die kennen Sie ja schon, nicht wahr?“ Er konnte das gehässige Grinsen nicht unterdrücken, als er die müden Augen von Jugo Yokomizo wahrnahm. „Machen Sie sich ruhig lustig, Mori! Also weiter im Text, die Damen, inklusive Miss Vineyard schauen sich im Bereich der Gästekabinen ein wenig um, sie fallen da am wenigsten auf, dann bleiben für Herrn Yamonaga und Monsieur Brefford noch die Mannschaftsbereiche, wenn ich das richtig sehe.“ „Die und die Maschinenräume.“, korrigierte Yamonaga etwas entnervt, aber gefasster, als noch zu Anfang. „Ach ja, Herr Kommissar. Haben Sie das mit den Polizisten geregelt?“ Kogoro blickte angestrengt zu Jugo Yokomizo und dann zum Vizekapitän und wieder zurück. „Äh...ja ist geregelt.“ „Schön, ich bin mir da relativ sicher...“ '...dass es einer der drei war. Hideki Yuhara, Tadahiko Meahara oder Sinjo Tanahi. Einer von den drein steckt hinter dem Anschlag auf Doktor Coldwell, da bin ich mir sicher. Und über diese Person bekommen wir sicher auch Informationen zu Neptunia. Deshalb sollte jeder der drei von jetzt ab von einem Polizisten bewacht werden, auf Schritt und Tritt.' Der Vizekapitän beobachtete zwar den fast telepathischen Kontakt der beiden, tat aber so, als ignorierte er es. „Dann lassen Sie uns jetzt endlich den Kapitän finden und dann dem Spuk auf diesem Schiff ein Ende machen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)