Conventions und was wir dafür halten von Maza_e_Keqe ================================================================================ Kapitel 1: Connichi 2008 ------------------------ Der Ruhebereich ist auch nach drei Jahren mein bevorzugter Aufenthaltsort. Ich genieße zwar den Trubel und die vielen Menschen in den Hallen; ich beobachte sie oder lasse mich beobachten, fotografieren und beantworte geduldig jede Frage; trotzdem ziehe ich mich immer wieder einmal zurück um zur Ruhe zu kommen und mich nicht mehr schreiend verständigen zu müssen. Der Raum ist hell, aber es gibt auch Ecken, in die ich mich setzen kann ohne gestört zu werden und das Alleinsein in Mitten einer Menschenmenge zu fühlen. Neben mir stehen zwei Cosplayerinnen, vermutlich Schwestern. Die eine trägt ein schwarzes Minikleid, Strumpfhosen und hat Katzenöhrchen in ihrem blonden Haar. Von der zweiten kann ich nur einen langen weißen Rock sehen, da sie direkt neben mir steht. Sie unterhalten sich über eine Musikgruppe, die ich nicht kenne, aber deren neues Album bald veröffentlicht wird. An dem langen Esstisch sitzen paarweise ein paar Leute, die sich leise unterhalten. Sie sind zu weit entfernt als dass ich ihre Kostüme erkennen kann. Ein Mädchen, unterbricht die Stille ab und zu mit ihrem schrillen Lachen. Am Geländer mir gegenüber, etwa zehn Meter entfernt, sehe ich eine Gruppe Inu Yasha- Cosplayer, welche mir vorher nicht aufgefallen ist. Erst als sich der Hauptcharakter daraus gelöst und Getränke für sich und seine Kagome geholt hatte, bemerke ich sie. Das Rot des Inu Yasha- Kostüms leuchtet wie ein Feuermelder. Eine Rin redet auf Sesshoumaru ein, was mich zum Grinsen bringt. Weil sie hier nicht ihre zugewiesene Charakterrolle spielen müssen, gehe ich davon aus, dass das Mädchen ihr Kostüm nicht zufällig ausgesucht hat, sondern weil es wirklich zu ihr passt. Die Kagura sitzt zwischen den beiden Paaren auf dem Geländer und schaut teilnahmslos in den Raum. Schnell tippe ich eine SMS an meine Freundin mit dieser Information. Ich hoffe, dass sie in der Nähe ist. Ich erschrecke, als plötzlich eine wütende Sailor Mars an mir vorbei stapft. Ein ebenso ärgerlicher Kakashi folgt ihr und versucht sie am Arm festzuhalten. Sie wirbelt herum und baut sich wütend vor ihm auf. „Das kannst du mit mir nicht machen!“ schreit sie. „Was habe ich denn getan?“ Kakashis Ärger scheint eher Verzweiflung zu sein. Er versucht sie zu beruhigen. Sailor Mars hat Tränen in den Augen und kann nur noch leise sprechen. Da es seit ihrem ersten Satz absolut still im Raum geworden ist, verstehen trotzdem alle deutlich jedes Wort. „Was hast du mit dieser Tussi zu schaffen?“ Auch Sailor Mars beherrscht ihren Charakter außerhalb des Cosplays sehr gut. Oder sie wird von ihm beherrscht. „Ich kenne sie schon seit ein paar Jahren. Sie ist eine gute Bekannte.“ Kakashi spricht langsam, aber ich sehe ihm an, dass er um seine Selbstbeherrschung ringt. „Und was bin ich dann für dich?“ faucht Sailor Mars ihn an. „Schatz“, sagt er seufzend, „Du bist meine Freundin und ich liebe dich.“ Inzwischen scheint zumindest Kakashi gemerkt zu haben, dass sie beide im Mittelpunkt des Interesses stehen. Behutsam tastet er nach Sailor Mars’ Hand. Sie wehrt sich nicht, sieht aber immernoch misstrauisch aus. Ihre schwarzen Haare sind echt. Bei dieser Länge ist das beeindruckend. „Warum bist du nur so eifersüchtig? Ich habe dir nie einen Grund dafür gegeben.“ Sailor Mars schien sich einen Moment lang beruhigt zu haben, jetzt explodiert sie förmlich. Sie reißt ihre Hand heftig an sich. „Du hast-“ schreit sie ihn an, weiter kommt sie nicht, weil sie das Gleichgewicht verliert, taumelt und nach hinten fällt. Bisher dachte wahrscheinlich jeder Zuschauer, das wäre eine amüsante Vorstellung und grinste offen oder versteckt. Aber an dem erschrockenen Gesichtsausdruck des Mädchens im Matrosenkleid kann nichts mehr gespielt sein, das wird in diesem Moment allen klar. Einige springen von ihren Stühlen auf, und stürzen in Richtung der Szene. Sailor Mars prallt mit dem Rücken gegen das Geländer, genau in die Mitte der Inu Yasha- Gruppe. Die Wucht des Aufpralls bringt das Gerüst aus Holz und Metall zum Schwanken. Während sich die Furie ihren schmerzenden Rücken hält, bekommt Kagura deren Sturz nicht so gut. Sie fällt durch den plötzlichen Stoß sehr unelegant rückwärts vom Geländer. Niemand kann schnell genug reagieren um sie festzuhalten, am wenigsten ihr Partner. Der steht wie festgenagelt über das Geländer gebeugt. Einen Arm hat er nach unten gestreckt, aber sie ist schon mit einem dumpfen Geräusch aufgeschlagen. Sogar ich konnte hier hinten noch deutlich das Knacken ihrer Knochen hören. Das Sarkastische an dieser Szene entlockt mir ein schiefes Grinsen: Sesshoumaru sieht Kagura sterben, wenn auch auf tragischere und unvorhersehbarere Art und Weise als in der Manga- Serie. In dem Chaos, das entsteht, als die Besucher in die untere Etage laufen um zu helfen, wo es nichts mehr zu retten gibt, Kinder schreien und alle durcheinander rufen, greife ich nach Sailor Mars' Hand und ziehe sie mit mir aus dem Raum. Wir verschwinden in der Menge und kaum jemand wird merken, dass wir weg sind. Bis alle Sailor Kriegerinnen auf dem Gelände gefunden und befragt worden sind, wird Silvy längst ihr Kostüm gewechselt haben. ~Ende~ Kapitel 2: Leipziger Buchmesse 2009 ----------------------------------- „Na, hast du deiner Familie etwas von der Messe mitgebracht?“ Beate Ahlfeld grinste ihre Tochter an, die nur entgeistert zurückstarrte. Mit dem rechten Fuß schob Jenni ihren Koffer vor sich her, mit dem linken drückte sie die Tür zu. Die Reisetasche ließ sie erleichtert neben den Koffer fallen und sich selbst in den rot gepolsterten Telefonsessel. Das Möbel knarrte verdächtig unter der plötzlichen Belastung, hielt aber Stand. Jenni schloss für einen Moment die Augen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die fünf Stockwerke nach oben zu laufen hatte sie mehr angestrengt als der Fußmarsch vom Bahnhof zu ihrem Elternhaus. Sie war die Treppen zwei Mal nach oben gestiegen, erst mit der Reisetasche, dann mit dem Koffer. Dass sie diese Strapaze auf sich genommen hatte, sollte nur niemand erfahren. Ihre Familie würde sich ausschütten vor Lachen. Im Gegensatz zu Frau Bertram aus dem Erdgeschoss hätte ihr hier keiner geglaubt, dass der Flur zu eng für beide Gepäckstücke ist. Die gehässigen Sprüche ihrer Schwester verletzten Jenni zwar nicht mehr so tief, stimmten sie aber immer wieder traurig. Zu gern würde sie ein paar Kilo abnehmen, noch lieber gleich zehn auf ein Mal, aber das war leichter gesagt als getan. Ganz besonders schwierig war es, weil Jenni selbst ihren Freundinnen glaubte, wenn diese sagten, das käme von der Pubertät. Es stimmte, dass Jennis Körper seit ihrem vierzehnten Lebensjahr weibliche Rundungen bekommen hatte. Allerdings hörte das nicht plötzlich auf wie bei ihren Klassenkameradinnen und hinterließ eine annährend frauliche Figur. Jenni bekam unschöne Polster an Hüften und Bauch. „Was ist denn nun, willst du uns nicht von deinem Wochenende erzählen?“ Jennis Mutter schaute ungeduldig um die Ecke des Wohnzimmers. „Ich würde gern erstmal etwas essen“ sagte Jenni kleinlaut. „Wen wundert das jetzt?“ hörte sie die Stimme ihrer Schwester. Jenni seufzte, schleppte Koffer und Taschen in ihr Zimmer. Dann setzte sie sich an den Küchentisch und biss herzaft in eines der bereit gestellten belegten Brote. Wehmütig dachte sie an die Ereignisse der vergangenen Tage und wie es dazu gekommen war. *** Im Internet hatte Jenni Ulrike kennen gelernt. Das gelangweilte Klicken durch Profile, Zeichnungen und Fotogalerien bekam seinen Sinn an dem Tag, als sie ein Mädchen im Katzenkostüm sah. Uli-chan_18 bedankte sich für Jennis Komplimente und es begann ein regelmäßiger Nachrichtenaustausch. Jenni war fasziniert von diesem Cosplay, traute sich aber erst nach einem halben Jahr ihrer neuen Freundin ihr Figurproblem zu beichten. Uli wischte alle Bedenken fort: „Wenn du es wirklich machen willst, näh ich das Kostüm für dich und wir machen ein Partner-Cosplay.“ Eine Woche vor der Leipziger Buchmesse kam Ulrike zu Besuch. Da sie schon 19 war und ein eigenes Auto hatte, brachte sie ihre Nähsachen inklusive Nähmaschine mit nach Düsseldorf. Gemeinsam kauften die Mädchen Stoff und innerhalb von fünf Tagen entstand ein buntes und leichtes Elfenkostüm für Jenni. „Glaubst du wirklich, ich sollte bauchfrei tragen?“ „Warum denn nicht? Gelb und Grün sind deine Farben und so schwitzt du wenigstens nicht so schnell.“ Jennis Eltern waren anfangs sehr besorgt ihre älteste Tochter mit ihrer Freundin quer durch Deutschland fahren zu lassen. Nachdem sie Ulrike als zuverlässige und sichere Autofahrerin erlebt hatten, stimmten sie schließlich doch zu. Am Freitag, dem 13. holte Uli Jenni von der Schule ab und sie stürzten sich in den Wochenend-Reiseverkehr. Sie standen eine Weile im Stau und erreichten Ulis Wohnung am Leipziger Stadtrand um halb zehn Uhr abends. Zeit zum Auspacken nahmen sie sich nicht mehr. Dafür war am Samstagmorgen noch Zeit. Zum Frühstück holten sie frische Croissants vom Bäcker, der sich im Erdgeschoss des Hauses befand. Danach schminkten sie sich und Jenni bewunderte ihre Freundin erstmalig in deren Kostüm. Es hatte den gleichen Schnitt wie ihr eigenes, war aber aus rotem und fliederfarbenen Organza gearbeitet. Und Uli war auch nicht gerade schlank. Wenn das Cos bei mir auch ein paar Kilo von Beinen und Po weg schummelt, kann ich mich ja tatsächlich zeigen. Wie Uli es schaffte in dem Chaos am Messegelände einen Parkplatz zu finden, blieb Jenni ein Rätsel, aber sie mussten nur wenige Schritte durch den Regen zum Westeingang gehen. Im Kassenbereich herrschte das Gedränge der Besucher, die sich vor der Nässe von oben schützen wollten. Jenny war tatsächlich froh so leicht bekleidet zu sein. Sie starrte eine Gruppe Personen in Ganzkörper-Tierkostümen an. „Aus welchem Vergnügungspark sind die denn entlaufen?“ Uli sah in die Richtung, in die Jenni mit dem Kopf gedeutet hatte. „Nix Vergnügungspark“, lachte sie, „das sind Fursuiter.“ Eine nähere Erklärung blieb aus, denn Uli wurde plötzlich von allen Seiten begrüßt und umarmt. Jenni konnte sich die Namen zu den Gesichtern gar nicht so schnell merken, wie neue dazu kamen. „Du bist also Ulis Partnerin? Freut mich, ich bin Keta.“ „Das Cos ist echt toll geworden. Du kannst Tenten zu mir sagen.“ „Hi, ich bin Bine.“ „Und ich Sue.“ „Das sind Dela und Maho-chan.“ „Habt ihr schon Karten?“ „Nein, wir wollten uns gerade...“ „Da bist du ja! Ich hab dir vorsorglich zwei Eintrittskarten mitgebracht.“ „Herc! Du bist der Beste!“ Uli lief einem fremden Jungen in die Arme und stellte Jenni noch einmal vor. Unter seinen roten Strähnchen blitzten vergnügt zwei blaue Augen, als er sie begrüßte: „Freut mich sehr. Du kannst mich aber auch Kai nennen.“ Jenni versuchte das Lächeln zu erwidern, aber sie starrte ihren Gegenüber nur an. Dieses Funkeln in den Augen kannte sie von dem Foto, das den Steckbrief ihres Chat-Freundes zierte. „Du bist Hercule007? Ich bin Jenni_in_the_House.“ Für einen Augenblick glaubte sie eine Verlegenheitsrötung in dem Gesicht zu erkennen, bevor Kai sie stürmisch umarmte und ihr auf jede Wange ein Küsschen drückte. „Nachdem du nun alle kennst, lasst uns die Messe aufmischen.“ Zu zehnt machten sie sich auf den Weg zu Halle 2 um sich über die Manga-Neuerscheinungen zu informieren. Immer wieder mussten sie stehen bleiben und für Fans und Fotografen posieren. Kai blieb während des ganzen Tages an Jennis Seite und sie unterhielten sich genauso gut wie im Chat. *** Den Samstagabend verbrachte die Cosplayer- Gruppe in einer Pizzaria. Die Kellner sahen sich zwar verwundert an, als die bunte Truppe einen gemeinsamen Tisch verlangte, freuten sich dann aber vermutlich mehr auf ein üppiges Trinkgeld. Zu zehnt teilten sie sich eine Pizza vom Blech zum Selbstbelegen. Bei angeregten Gesprächen, dem Zeichnen und Schreiben in neun fremde Conhons wurde sie nicht allzu schnell alle. Das letzte Stück war schon kalt, als Sue es sich in den Mund schob. Kurz vor der Sperrstunde beschlossen die Mädchen, sich so bald wie möglich wieder zu treffen. Kai fragten sie nicht, seine Teilnahme an der nächsten Convention wurde vorausgesetzt. *** Erst nachdem sie sich mit zwei Salamibrötchen genug Mut „angefressen“ hatte, traute sich Jenni ihr Handy einzuschalten. Sie erwartete mindestens eine SMS von Kai. Und wenn diese negativ ausfiel, wäre wenigstens ihre Familie in der Nähe um sie zu trösten. Endlos schien ihr die Zeit, bis das Mobiltelefon Kontakt zum Funknetz aufbaute und dann der erlösende Piepton die angespannte Stille durchbrach. Drei Mal folgte das Zeichen direkt nacheinander. „Jen ist wieder wichtig.“ Natürlich war das SMS- Signal bis ins Wohnzimmer gelangt. Katja durfte noch kein eigenes Handy haben und lästerte über ihre Schwester, wann immer es nur ging. Eine SMS war von Uli, die wissen wollte, ob ihre Freundin gut heimgekommen war. Die anderen beiden stammten von Kai, gesendet vor vier Stunden beziehungsweise zwanzig Minuten. Jennis Herz klopfte so stark, dass es ihr den Hals zuschnürte. Zitternd drückte sie auf dem Gerät in ihrer Hand herum. Beinahe hätte sie dabei alle Nachrichten gelöscht. Reiß dich zusammen, du dummes Mädchen, für einen Korb hätte auch eine SMS gereicht. schalt sie sich selbst. „Hey meine Kleine, ich wünsche dir eine gute Fahrt und keine Verspätung. Meine Gedanken begleiten dich. Bussi, Kai“ Jennis Anspannung löste sich. „Hoffe, du bist gut angekommen. Wenn du heut noch mal ins Netz kommst, würde ich mich freuen. Hab dir eine PN geschickt. Küsschen, Kai.“ Die Nachricht in Jennis virtuellem Postfach enthielt Kais Kommentar „Du bist ein Fernsehstar. Hab dich lieb. Küsschen, Kai“ und einen Link. Als sie den anklickte, gelangte sie auf die Homepage eines regionalen Fernsehsenders, auf der ein kurzes Video gezeigt wurde: Jenni saß in der Sonne, die durch das Glasdach der Messehalle fiel und wurde von einem TV- Fritzen interviewt. Auf die Frage, was sie denn darstelle, antwortete das fette Mädchen auf dem Bildschirm sehr souverän: „Ich bin eine Elfe.“ ~Ende~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)