Zuckersüß von weniger_suess (Kurzgeschichten Sammlung aus dem Hause weniger süß) ================================================================================ Kapitel 4: Weihnachten, die Erste --------------------------------- Hallo, Das hier ist so eine Art vorweihnachtliche Weihnachstgeschichte als Anhang zu SofL, ich hoffe sie gefällt. Hab sie neulich beim Aufräumen wiedergefunden ist uuuralt. Ich wollte sie nicht veröffentlichen wenn es alle wieder tun deshalb ist sie hier, bitteschön. Grüße Weniger süß Weihnachten die Erste Es ist Weihnachten und die Heizung ist ausgefallen. Gegen 6 Uhr abends als die Gläubigen Christen und der ganze Nichtsogläubige Rest sich vom großen grauen Mietshaustrakt in den dunklen Lemmingszug Richtung Kirche eingereiht haben, ist ganz still und heimlich die Heizung ausgefallen. Kein Klonk, nichts, es wurde einfach immer kälter und kälter und kälter. So kalt dass wenn man sich die Finger in den Mund steckt man spontan an angefrohrenes Würstcheneis denken muss, oder zumindest muss das Bela. Die alten, klobigen, grässlich grünen Heizkörper sind inzwischen ziemlich kalt und der Rest der Wärme verschwindet durch die schlecht isolierten Wände, das schlechter isolierte Dach, durch die billigen Fenster und durch die billigen Ritzen und Spalten, die wahrscheinlich den Flair dieses Betonklotzes ausmachen sollen. Aber das stört kaum jemanden, da ja wie gesagt alle in das Haus Gottes ausgewandert waren, um dort zu frieren und sich Gedanken um das bevorstehende, unausweichliche Festfressen zu machen. Die einzigen denen es vergönnt war vor allen anderen in weihnachtliche Kältestarre zu verfallen waren Bela und Farin in der kleinsten, schäbigsten aber auch billigsten Wohnung im ganzen Block. Die Wohnung ist tatsächlich noch schlechter isoliert als der unbewohnte Dachboden darüber. Aber das alles wird durch den unbezahlbare Panorama ersetzt, was sich einem bietet, wenn man durch das Küchenfenster sieht: Kitsch, ein riesiger Haufen augenkrebserzeugender, blinkender funkelnder amerikanischdeutscher Kitsch vom Wohnhaus gegenüber. Tag und Nacht hopsen Rentiere, flattern verfettete Engel und tanzen Weihnachtsmänner für jeden der sich dank eines defekten Rollos ihrer nicht erwehren kann. Immerhin es war eine wenn auch nicht sonderlich angenehme Abwechslung zu dem ständig flimmern des Sperrmüllfernsehers und so fanden sich die beiden in der Küche wieder mit viel zu schnell erkaltendem Tee in den Händen und hypnotisiertem Blick auf die eben beschriebene Ansammlung vorweihnachtlichen Atommülls wieder. „Ich frag mich grade ob die Hirten auch so blöd geguckt haben als sie die Sternschnuppe gesehen haben wie du jetzt.“ Sagt Bela nur um des vorhersehbaren Monologs über Weihnachtsunsinns willen. Er bekommt ihn, wie erwartet. Die Küche riecht nach Nasigoreng und Spülmittel, kein allzu weihnachtlicher Geruch, aber nach den letzten Wochen Dauerbombardement mit Weihnachtsliedern, Weihnachtsmärkten und singenden Cocacolaweihnachtsmännern, hätten sie sich wahrscheinlich bei dem Geruch von Plätzchen synchron übergeben. Die Kirche ist aus, durch die ungewohnte Stille des Hauses hörten sie ein Dutzend Menschen zu ihren Wohnungen zurückwatscheln, damit man endlich, endlich pünktlich um 6 dem neuen Kochtopf oder das neue zweihundertneunzigste Sockenpaar auspacken kann. Neben ihnen dreht ihr schwerhöriger Nachbar die obligatorischen Weihnachtsfriedefreudeeierkuchenlieder auf. Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten lauert auch noch in dem altersschwachen Erinnerungsvermögen auf sie. Farin fischt ein letztes vereinsamtes Plätzchen aus dem rosa Plastikkörbchen, es ist geringelt und steinhart. Bela steckt sich symbolisch den Finger in den Hals und tut so als müsse er kotzen. Farin öffnet das Fenster und schießt einen allzu fröhlichen Weihnachtsmann mit ihm ab. Jetzt hängt er schief auf seinen Rentieren drauf, fast als würde er ihren Arsch küssen. Bela grinst breit bei diesem idyllischen Bild, dann verzieht er sich auf die fleckige Eckbank mit einer Decke. Farin setzt sich neben ihn und zittert. „Das ist echt das beschissen kälteste Weihnachten aller Zeiten.“ Murmelt er und versucht nicht mit den Zähnen zu klappern. „Mir ist auch kalt.“ sagt Bela, wickelt sich bis zur Bewegungsunfähigkeit in die Decke ein und kuschelt sich an Farin. Vor ihnen auf dem Tisch steht ein dürftiger Tannenbaumersatz, bestehend aus dem Zweig einer Tanne, der in ein bisschen Knetgummi gesteckt wurde, um dort den Gedanken an bessere Zeiten nachzuhängen. Bela hat das ganze letzte Nacht total betrunken noch mit Schleifen aus MonCheriPapier dekoriert, jetzt sieht alles noch erbärmlicher aus. „Weißt du, unser Weihnachtsfest tut ja nichts entbehren“; sagt Farin und grinst auf einmal, „Wir haben einen Tannenbaum, ein Festessen, die typischen Familienstreitigkeiten, Geschenke und die Wärme.“ Bela lacht. „Nur die Weihnachtslieder fehlen.“ Sagt Bela spöttisch und hämmert nebenbei mit der Faust gegen die Wand. Von links kommt Tochter Zion von rechts Maria durch den Dornwald ging und von untern ihr Kinderlein kommet, wahrscheinlich hat jeder seine Musik ganz besonders laut gedreht um das Gedudel der Anderen nicht hören zu müssen. Bela und Farin sind auf einmal die leisen Mieter im Haus. „Ab drei Halleluja wird zurückgeschossen.“ Verkündet Farin in bester Naziimitionsstimme. „Und wie willst du zurückschießen?“ Farin lächelt süffisant „Wir könnten ja Proben.“ Letztlich ist es so kalt, dass sie tatsächlich beschließen zu proben. (Es ist wirklich arschkalt). Farin findet nach langem geduldigem Gesuche in der hintersten Ecke von Belas Zimmer eine alte, schrecklich verstimmte Westerngitarre mit zwei Löchern einem gewollten und einem nicht ganz so gewollten. Währenddessen baut Bela kreativ wie eh und jeh einen Schlagzeugersatz aus an Wollfäden aufgeknüpften Kochtopfdeckeln, Kochtöpfen und einem entleerten, umgedrehten Mülleimer auf. Sein Schlagzeug lässt es sich in dem wahrscheinlich geheizten Übungsraum zusammen mit Farins E-Gitarre gutgehen. Egal, Farin hatte die Gitarre halbwegs gestimmt. Sie hatten keinen Bassisten, die Gitarre schepperte, das Schlagzeug noch mehr, mal abgesehen dass es sich nicht wie ein Schlagzeug anhörte sondern wie ein paar sehr vergewaltigte Eisenwaren. Sie klangen noch schlimmer als sonst, auch wenn es Leute gab die das kaum für möglich hielten. Aber es wurde ihnen warm. Dann klingelte es einmal, zweimal, dann die ganze Zeit. Erst als sie mit ihrem Lied fertig waren, hatte Farin die Gnade die Tür zu öffnen und einem puterrotem Nachbarn ins Gesicht zu blicken. Er trug die Alptraumvariante eines Weihnachstpullovers, der tatsächlich so geschmackslos war, dass Bela mit einem Mal Angst bekam Farin, könnte damit irgendwann demnächst aufkreuzen. „Hören Sie gefälligst auf so einen Krach zu machen!“ brüllt er, also der Nachbar nicht der Pullover. Farin lehnt sich betont gelangweilt an die Tür. „Sie machen auf Krach und sehen Sie dass wir uns beschweren?“ „Was?“Es dauert einen Moment bis das Gesagte in dem kahlen Kopf an der Richtigen Stelle ankommt. „Das sind Weihnachtslieder!“ brüllt der Nachbar. Farin zuckt mit den Schultern „Nennen Sie es wie sie es wollen für mich als Atheist ist das nicht mehr als Krach!“ „Gleich ruf ich die Bullen!“ schreit der Nachbar in Ermangelung einer besseren Argumentation. „Das können Sie gerne machen, doch die Polizei zieht es vor erst ab zehn Uhr solche Beschwerden zu verfolgen.“ Farin ist wieder bei seinem Klugscheißerdeutsch angekommen, Bela fragt sich ob der Nachbar im Fall der Fälle auch Handgreiflich werden könnte, wenn es um die Verteidigung von einem friedlichen Weihnachtsfest geht. Von rechts kommentieren „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ und von links „Stille Nacht“ die Szene. „ES IST HEILIGABEND!“ „Ich glaube nicht, dass Ihnen diese Argumentation bei der Polizei weiterhilft.“ Sagt Farin zuckersüß freundlich. Bela spielt auf den Kochtöpfen einen improvisierten Tusch. „HÖREN SIE SOFORT AUF KRACH ZU MACHEN!“ brüllt der Nachbar. Sie könnten ihm jetzt sagen, dass sie so oder so in fünf Minuten gehen werden um ihre Freunde zu treffen, doch das tun sie nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)