Zwischen den Fronten von Kiajira ================================================================================ Eine Diagnose ------------- Kapitel 17: Eine Diagnose Snape blickte Ginny einen Moment durchdringend an. Sie nickte und ging langsam zu der Tür in Voldemorts Büro und öffnete sie. Dann wandte sie sich um und sah Bellatrix mit Voldemort in den Armen auf sie zukommen. Bellatrix' Gesicht glühte förmlich. Auf der einen Seite konnte Ginny überwältigende Schmerzen erkennen, auf der anderen Seite jedoch etwas wie... Freude? Stolz? Zuneigung? Dann fiel ihr Blick auf Voldemorts schlaffen Körper, den Bellatrix so vorsichtig trug, als wäre er aus Porzellan, und sie musste unwillkürlich lächeln. Die Todesserin schien für Voldemort mehr als nur Respekt und Verehrung aufzubringen. Doch ein einziger Blick in Voldemorts Gesicht - Toms Gesicht - und das Lächeln war wie weggewischt. Ginny musste schlucken. Fast sofort schüttelte sie energisch den Kopf und lotste Bellatrix in das kleine Büro, dass sie vor Wochen einmal auseinander genommen hatten. Snape und Malfoy senior redeten draußen lautstark auf die Todesser ein, die jetzt teilweise schon panisch wurden. Sie trat zur Wand, legte ihre Hand darauf und wartete, bis die Steine geschmolzen waren. Dann trat sie in den kurzen Flur, gefolgt von Bellatrix, die die ganze Zeit über stumm geblieben war. Ungewöhnlich. Doch vielleicht brachte sie ihr Herr, leblos in ihren Armen, schon so durcheinander, dass sie es nicht mehr fertig brachte, Ginny anzufauchen. Ginny trat zu der Tür, hinter der Voldemorts Zimmer liegen musste. Sie hatte, immer bedacht auf seine Warnung, dieses Zimmer nie betreten, geschweige denn einen Blick hineingeworfen. Bellatrix blieb ungeduldig stehen und fuhr Ginny an, die nachdenklich die Tür musterte. "Was ist los? Mach auf, Weasley! Er gehört ins Bett, und zwar jetzt!" Ginny schluckte erneut, dann wandte sie sich kleinlaut zu der Todesserin um und meinte leise: "Er hat gesagt, wenn ich in dieses Zimmer gehen will, wird es schmerzhaft werden." Bellatrix schnaubte nur. "Schlimmer als sein Cruciatus kann es nicht sein. Jetzt mach schon! Oder... hat er dich nie von seinem süßen Schmerz kosten lassen?" Ihre Augen blickten verträumt auf das Antlitz ihres Gebieters. Sie schien es immer noch nicht fassen zu können, ihn tragen zu dürfen. Ginny erwiderte das Schnauben. "Oh doch, er hat. Und ich habe keine Lust, das nochmal zu erleben!" Bellatrix hob den Blick und feixte. "Feigling!", zischte sie. Ginny schnappte nach Luft. Und legte eine Hand auf die Türklinge. Sofort zischte ein brennender Schmerz ihren Arm entlang und fraß sich durch ihren ganzen Körper. Sie schrie auf. Es war nicht so schlimm wie ein Cruciatus von Voldemort persönlich, doch an einen Bellas reichte es durchaus heran. Ginny kniff die Augen zusammen, während sie mühsam ihre Tränen herunter zu schlucken versuchte. Bellatrix sollte sie nicht weinen sehen. Doch die Tränen kamen - unaufhaltsam. Ginny kniff die Augen noch fester zusammen und keuchte auf; dann war es plötzlich vorbei. Blinzelnd sah sie auf. Bellatrix steckte gerade ihren Zauberstab wieder ein. "Ein einfacher Fluchumkehreffekt. Wie langweilig." Ginny holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Noch immer schmerzte ihr ganzer Körper. "Einer alleine hätte es nicht geschafft. Er hat wohl damit gerechnet, dass außer mir hier niemand herkommen würde." "Wahrscheinlich." Die beiden sahen sich einen Moment lang an, dann zuckten sie zusammen und sahen rasch woanders hin. Waren sie gerade etwa einer Meinung gewesen? Ginny öffnete die Tür und trat ein. Bellatrix folgte ihr kopfschüttelnd. Sie standen in einem gemütlichen Schlafzimmer, dem Ginnys sehr ähnlich. Der Boden war mit grünen Teppichen ausgelegt, in einer Ecke brannte in einem grün gekachelten Kamin ein warmes Feuer. Einen Großteil des restlichen Platzes nahm ein gewaltigen Himmelbett aus Ebenholz ein, mit silbernen Intarsien und grünen Seidenvohängen. Bellatrix drängte sich an ihre vorbei und legte Voldemort sanft in die ebenfalls grünen Kissen. Dann richtete sie sich auf. "Wir brauchen Snape. Wir müssen wissen, was ihm fehlt. Hol ihn!" Ginny nickte ohne nachzudenken und lief zurück in die Halle. Snape und Lucius Malfoy saßen zusammen in der Mitte des langen Tisches, um sie herum eine wild schnatternde Traube schwarz gekleideter Gestalten. Ginny blieb am Eingang des Büros stehen. Sie hatte absolut keine Lust, dorthin zu gehen. Rasch schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Ein wirrer Haufen fremder, wilder, kühner und entsetzter Gedanken schien auf sie zuzustürmen, doch sie ignorierte ihn, so interessant der eine oder andere Fetzen auch sein mochte. Sie suchte nach einer Person ohne Gedanken. Sie brauchte eine Weile, um Snape zu finden. Die ungestümen Gedanken der anderen schoben sich immer wieder vor ihn, so dass er perfekt in der Menge untertauchte. Doch schließlich schaffte sie es, ihm eine kurze Botschaft zukommen zu lassen. 'Sie können den Lord jetzt untersuchen. Bitte kommen Sie, Professor.' Snape hob den Kopf und blickte Ginny durch den Trubel aus schwarzen Umhängen fragend an. Sie nickte leicht. Er stand sofort auf, wimmelte ein paar hartnäckige Todesser ab und folgte Ginny durch das Büro in Voldemorts Zimmer. Er untersuchte seinen Meister oberflächlich, fühlte den Puls und die Atmung, prüfte seine Temperatur, blickte in seinen Hals. Dann richtete er sich stirnrunzelnd auf und wandte sich Ginny und Bellatrix zu, die sich auf der anderen Seite des Bettes feindselig anschwiegen. "Bis jetzt ist alles in Ordnung mit ihm. Ich habe noch nichts gefunden, was die Ohnmacht erklärt. Miss Weasley, darf ich den Brautisch drüben im Arbeitszimmer benutzen? Ich muss sein Blut untersuchen. Vielleicht finde ich da die Lösung." Ginny nickte rasch. Snape wirbelte auf dem Absatz herum und marschierte ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Kurz darauf kam er wieder, eine große Spritze in der Hand. Ohne viel Federlesen entnahm er seinem Meister an einer Vene am Handgelenk soviel Blut, bis die Spritze gefüllt war. Es schimmerte stellenweise silbern, war ansonsten jedoch dunkelrot und flüssig, wie es sein sollte. Er runzelte die Stirn, begutachtete das Blut einen Moment und verließ das Zimmer dann ohne ein weiteres Wort. Bellatrix wanderte um das Bett herum, von Ginny weg, und ließ sich auf der anderen Seite auf dem Bettrand nieder. Als sie Voldemorts bleiches Gesicht betrachtete, schlich sich wieder der träumerische Ausdruck auf ihr Gesicht, und sie fuhr sachte mit einem Finger über die langfingrige, dünne Hand. Ginny ließ sich misstrauisch auf der anderen Bettseite nieder und musterte die Todesserin. Und plötzlich wusste sie, was das alles zu bedeuten hatte. Ihre bedingunslose Verehrung Voldemorts, ihre Hingabe an den dunklen Orden, ihre offenkundliche Feindseligkeit Ginny gegenüber, immer stärker werdend, je mehr Voldemort Ginny schützte, ihre Intrigen, Ginny aus dem Weg zu schaffen... jetzt verstand Ginny, warum Bellatrix das alles tat. Sie liebte ihn! Ein unerwartetes Stechen durchzuckte Ginnys Körper. Ihr wurde heiß. Irgendwie gefiel ihr die Vorstellung von Bellatrix mit Voldemort nicht. Wieso Bellatrix? Wieso nicht...? Sie blickte verwirrt zu Bellatrix hinüber. Sie wurde doch nicht etwa eifersüchtig? Rasch schüttelte sie den Kopf und blickte auf Voldemort hinunter. Tom, verbesserte sie sich in Gedanken. Das klang viel netter, fand sie. Er sah aus, als wäre er gerade erst eingeschlafen. Doch sein Gesicht war so leichenblass... Er würde doch nicht etwa...? Vorsichtig griff Ginny nach seinem Handgelenk und fühlte den Puls. Erleichtert atmete sie aus. Regelmäßig. Langsam zog sie die Hand zurück und betrachtete sein Gesicht. Eigentlich war er schon immer so blass gewesen, dachte sie. Aber warum fiel es ihr dann so auf? Hatte er vielleicht in den letzten Wochen ein wenig Farbe bekommen, so langsam, dass sie es nicht bemerkt hatte? Bevor sie lange darüber rätseln konnte, ging die Tür auf und Snape trat ein. Er schüttelte verwirrt den Kopf, als Ginny und Bellatrix erwartungsvoll zu ihm aufblickten. Ein mulmiges Gefühl machte sich in Ginny breit. Es war doch hoffentlich nichts ernstes? Snape holte tief Luft, dann meinte er unbewegt: "Mit seinem Blut ist alles in Ordnung. Es ist, mal abgesehen davon, dass er im Koma liegt, körperlich kerngesund." Ginny und Bellatrix tauschten verwirrte Blicke, und Bellatrix fragte gepresst: "Aber warum liegt er dann im Koma?" Snape zuckte die Schultern. "Vielleicht ist seine Seele angegriffen worden, oder sein Gedächtnis. Jedenfalls nichts, was man von außen sehen könnte." "Aber", erwiderte Ginny. "Was können wir dann tun?" Snape schüttelte müde den Kopf. "Gar nichts. Wir müssen warten, bis er von selbst wieder zu uns kommt." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)