Zwischen den Fronten von Kiajira ================================================================================ Die Festung unter dem Berg -------------------------- Kapitel 3: Die Festung im Berg Ginny schnappte nach Luft und stolperte. Doch der Griff an ihrem Arm bewahrte sie davor, Bekanntschaft mit dem steinernen Fußboden zu machen. Sie fing sich wieder und sah sich um. Sie stand in einer kleinen Höhle, die in vollkommene Dunkelheit getaucht war. Sie konnte nicht viel mehr als die Umrisse der Wände und ihres Begleiters erkennen. Das einzige, was hier unten Licht spendete, waren zwei rot glühende Augen. Ginny sah zu ihnen empor. Als Voldemort sich nicht rührte, fragte sie ihn: „Warum haben Sie uns nicht umgebracht und was haben Sie mit mir vor?“ Sie wunderte sich selbst über die Ruhe in ihr. Ihr Herz schlug langsam und gleichmäßig, ihr Atem war ebenfalls ganz ruhig, und sie hatte immer noch keine Angst. Es war, wenn sie darüber nachdachte, eigentlich ziemlich komisch, doch sie begrüßte es. Gefühle waren eine Last, so unvorstellbar groß… Ginny war fast froh, diese Last nicht mehr tragen zu müssen. Auch wenn ihr Herz jetzt stattdessen mit einer seltsamen Kälte angefüllt war. Egal. Voldemorts Augen schienen zu flackern. „Wieso sollte ich euch umbringen? Deine Freunde werden meine Spione sein, und Snape kann weitere Aktionen wie das vorhin mit dem Schwert so immer rechtzeitig verhindern. Und was dich angeht… Das erfährst du noch früh genug.“ Kaum hatte er geendet, vernahm Ginny das schlurfende Geräusch von Schritten, die irgendwo aus der Tiefe des Berges empor hallten und immer lauter wurden. „Wo sind wir?“, wollte Ginny wissen. Voldemort schwieg und umklammerte ihren Arm fester. Ginny verstand und schwieg ebenfalls. Jetzt kamen hinter einem Felsbrocken tanzende Lichtflecken auf den rauen Felswänden in Sicht. Wer auch immer zu ihnen kam, er trug anscheinend eine Fackel. Für einen Lichtzauber flackerte das Licht zu stark. Die Zeit begann sich in die Länge zu ziehen, und noch immer wartete Ginny regungslos an Voldemorts Seite auf den Neuankömmling. Endlich, nach scheinbar einer Ewigkeit, tauchte an einem Ende der Höhle in einem schmalen Durchgang eine gebückte Gestalt mit einer heruntergebrannten Fackel in der Hand auf. Die Gestalt trug einen verschlissenen, ehemals schwarzen Umhang, der jedoch im Lauf der Zeit zu einem schmutzigen grau ausgeblichen war. Die Kapuze hatte sie tief ins Gesicht gezogen. Voldemort trat auf die Gestalt zu und zog Ginny mit sich. „Ah, Wurmschwanz. Bist du neuerdings zum Empfangskomittee degradiert worden? Ich dachte, das wäre Macnairs Aufgabe?“ Leiser Tadel schwang in seiner Stimme mit und gab ihr einen bedrohlichen Anstrich. Ginny schauderte. Wurmschwanz fiel vor Voldemort auf die Knie, küsste seinen Umhang und begann dann zu stammeln. „M - Mein Herr, I-Ich… Macnair h - hat mich ge - gezwungen.“ Voldemorts Augenbrauen wanderten in die Höhe. „Wie?“, fragte er mit falschem Interesse. „M - Mit dem Cr - Cruciatus.“ Wurmschwanz wagte nicht, seinem Herrn ins Gesicht zu blicken und starrte den kalten Höhlenboden an. Voldemorts Stimme klang noch schärfer, als er erwiderte: „Und ein einziger Cruciatus reicht schon, dass du anderen gehorchst als mir? Jämmerlicher Wurm!“ Wurmschwanz zuckte zusammen und trat schuldbewusst einen Schritt zurück, stolperte und landete unsanft auf dem Boden. Voldemort blickte verächtlich auf ihn hinab. „Sieht fast so aus, als bräuchtest du mal wieder eine Lektion, und zwar von mir persönlich. Ich werde mich später um dich kümmern, Wurmschwanz. Solange bleibst du hier allerdings liegen.“ Er zog seinen Zauberstab und schwang ihn. Sofort erstarrte Wurmschwanz zu einem Brett, das in der denkbar ungemütlichsten Position auf den spitzen Steinen zum Liegen kam. „Tja, das nächste Mal würde ich an deiner Stelle nicht auf Macnair hören. Weasley, nimm die Fackel und komm mit.“ Ginny bückte sich rasch und griff nach der Fackel. Wurmschwanz’ Augen folgten ihr, doch sie versuchte, es zu ignorieren. Voldemort packte sie wieder am Arm und schubste sie unsanft vor sich her. Sie betraten den schmalen Weg, auf dem Wurmschwanz hergekommen war und drangen immer tiefer in den Berg ein. Ginny verlor nach einer Weile jedes Zeitgefühl. Hier sah alles gleich aus. Nach einer Weile neigte sich der Gang nach unten, und Voldemort schwang während dem Gehen kurz seinen Zauberstab. Ginny spürte, dass er irgendeinen Zauber löste. Als sie ein Stück weitergegangen waren, schnippte er erneut mit seinem Stab und eine Art magischer Mantel legte sich über alles. Voldemort ließ Ginnys Arm los. „So, ab jetzt kannst du nirgendwo mehr hin. Du kannst nicht mehr zurück.“ Ginny rieb sich die Stelle, wo er ihr das Blut abgedrückt hatte. „Und Wurmschwanz?“, wollte sie ruhig wissen. „Der soll ruhig eine Weile draußen bleiben. Er hat schon lange keine Lektion mehr bekommen.“ Ginny schwieg und lief weiter, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Sie wusste nicht, wie lange sie ihm hinterherlief. Hier unten machte es keinen Unterschied. Irgendwann blieb sie stehen. Voldemort ging noch ein paar Schritte weiter, dann wandte er sich um. „Hab ich mich nicht klar ausgedrückt? Du kannst mir nicht entkommen.“ Seine Stimme war ein Hauch schärfer als das letzte Mal, da er sie angesprochen hatte. Sie starrte ihn einen Moment an, dann drehte sie sich um und ging in die entgegen gesetzte Richtung. Sie wusste nicht, was sie sich davon versprach, ihn zornig zu machen. Vielleicht würde er sie dann ja endlich umbringen. Es hatte sie irritiert, dass er noch nichts dergleichen unternommen hatte. Sie hatte fest mit ihrem Tod gerechnet. Warum hatte er ihn ihr nicht gewährt? Wozu brauchte er sie? Sie hatte kaum zwei Schritte gemacht, da traf sein Fluch sie in den Rücken. Sie ließ die Fackel fallen und schrie. Doch der Schmerz ging genauso schnell, wie er gekommen war. „Das war nur eine Kostprobe, Weasley. Sei ein braves Mädchen und komm mit, dann geschieht dir nichts.“ Ginny schüttelte sich, hob die Fackel auf und trottete ihm wieder hinterher. Verdammt, was versprach er sich davon, sie hierher zu schleppen? Noch bevor sie zu Ende gedacht hatte, brach der Boden unter ihren Füßen weg und sie stürzte ein paar Meter tief auf einen glatten Steinboden, der in rotes Licht getaucht war. Sie rechnete fest damit, dass sie sich alle Knochen brechen würde, doch nichts dergleichen geschah. Kurz vor dem Aufprall bremste etwas ihren Flug und sie landete fast sanft auf allen vieren. Sofort sprang sie wieder auf ihre Füße und sah sich um. Der Raum, in dem sie stand, war rechteckig und zog sich auf einer Seite in die Länge. Überall an den Wänden hingen Fackeln mit magischem, rotem Feuer. Der Boden, die Wände und die Decke waren glatt und eben, der Boden und die Decke glänzten in einem hellen Grau, in das Muster von grünen Schlangen mit silbernen Zungen eingelassen waren, die sich unaufhörlich durch den kalten Stein schlängelten. An einer Seite gingen viele Türen von der Halle ab, die anscheinend noch tiefer in den Berg führten. Auf der anderen Seite des Raumes stand entlang der Längsseite eine lange Tafel mit vielen auf Hochglanz polierten Stühlen. Der Stuhl am Kopfende hatte Armlehnen, die wie Schlangen geformt waren und besaß eine gepolsterte Lehne und ein grünes Sitzkissen. Überall in der Halle hatten schwarz gekleidete Gestalten sich unterhalten, manche im Stehen, andere hatten sich an der Tafel niedergelassen. Doch in dem Moment, als sie durch die Decke gekracht war, hatten sich alle Köpfe ihr zugewandt. Ginny sah sich erschrocken um. Voldemort war nicht zu sehen. Als sie einen Blick zur Decke warf, stellte sie fest, dass diese sich wieder geschlossen hatte. Sie war allein. Allein in einer Horde Todesser. Einen langen Moment starrten sie sich schweigend an, dann schrie eine schwarzhaarige Frau: „Eindringling! Auf sie, Leute!“ Ginny fuhr zusammen. Sie kannte diese Stimme. Es war Bellatrix. Sie sah sich rasch um. Nein, die würden sie nicht töten. Nicht ohne den Befehl ihres Meisters. Doch sie verspürte nicht die geringste Lust, sich foltern zu lassen. Als die ersten Flüche auf sie zuflogen, wirbelte sie mehrmals um die eigene Achse, um ihnen auszuweichen und schrie: „Accio Zauberstab!“ Einen Moment später kam ein Zauberstab aus einer dunklen Ecke geflogen. Ginny fing ihn auf. Sie wusste sofort, dass es ihr eigener war. Rasch schoss sie ein paar Schildzauber ab, um den Crucios von Dolohow, Bellatrix und Avery zu entgehen, dann schoss sie einen Flederwichtfluch auf Bellatrix ab. Bellatrix sah es zu spät, und schon wirbelten die geflügelten Biester wild um ihren Kopf. Sie kreischte auf. Ginny wehrte noch ein paar weitere Flüche ab und hätte um ein Haar einen Imperio übersehen, als eine kalte Stimme donnerte: „Finite incantatem!“ Sie wirbelte herum. Hinter ihr stand Voldemort und sah äußerst amüsiert aus. Er schnippte einmal mit den Fingern und entzog Ginny damit ihren Zauberstab. „Nicht schlecht, Weasley“, meinte er. „Ich glaub, Bellatrix wird dich jetzt auf ewig hassen. Nicht wahr, Bella?“ Die Hexe warf Ginny einen tödlichen Blick zu. „Allerdings“, zischte sie aufgebracht. „Flederwichte! So ein gemeines Biest!“ Ginny konnte nicht anders. Sie grinste. „Hör auf, mich so anzugrinsen!“, schnappte Bellatrix. „Hast du keine Angst?“ Ginny schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte keine Angst. Hier würde sie niemals wieder lebend herauskommen, warum sollte sie also noch um ihr Leben fürchten? Es war sowieso zu spät. Bellatrix verlor die Fassung. „WAS? Sag mal, spinnst du eigentlich? Du wirst hier sterben! Du musst Angst haben, du elende Griffindor!!“ Ginny schüttelte erneut den Kopf. Als Voldemort keine Anstalten machte, das Wort zu ergreifen, erwiderte sie: „Genau deswegen hab ich keine Angst. Ich hab mich mit dem Tod abgefunden. Wovor sollte ich mich sonst fürchten? Vor euch?“ Bellatrix nickte heftig, doch Voldemort ergriff das Wort, bevor sie Ginny erneut anschreien konnte. „Lass gut sein, Bella. Darf ich euch allen Ginny Weasley vorstellen? Sie wird für eine Weile unser Gast sein. Und nur damit ihr es wisst: Der einzige, der ihr ein Haar krümmt, bin ich, verstanden?“ Seine Stimme wurde immer schärfer und kälter, während er sprach. Die Todesser senkten allesamt den Blick und murmelten: „Ja, Herr.“ „Gut. Macnair, mit dir will ich später noch kurz sprechen. Komm in einer Stunde in mein Zimmer, und wag es nicht, zu spät zu kommen!“ Macnair nickte rasch und mit gesenktem Kopf und wiederholte: „Ja, Herr.“ „Gut. Weasley, komm mit.“ Er packte Ginny am Arm und zog sie zu einer der vielen Türen, öffnete sie, schubste sie unsanft hindurch und schloss sie hinter ihm wieder. Das Schloss klickte. Ginny sah sich um. Hier sah es aus wie in einem Arbeitszimmer. In diesem Raum waren die Fackeln in grünes Licht getaucht. Ein großer, schwarzer Schreibtisch nahm den Großteil des Platzes ein. Auf einem Regalbord an der Wand standen einige sehr alt aussehende Bücher. Hinter dem Schreibtisch stand ein gemütlicher Ohrensessel. Ginny drehte sich zu Voldemort um. Er sah sie auffordernd an. „Setz dich.“ Sie ging zögernd um den Schreibtisch herum und ließ sich in den Sessel sinken. „Warum bringen Sie mich nicht um?“, wollte sie plötzlich erneut wissen. „Das wirst du schon noch erfahren“, meinte er ausdruckslos, trat vor den Sessel und stützte sich auf die Armlehnen. Ginny wich so weit wie möglich vor seinen roten Augen und seiner schlitzartigen Nase zurück. „Schau mir in die Augen“, zischte Voldemort leise. „Zeig mir deinen Geist.“ Zuerst versuchte Ginny es noch mit wegdrehen oder Augen zukneifen, doch schon nach Sekunden durchzuckte sie ein furchtbarer Schmerz. Er floss durch ihre Adern und drang in jede Zelle ihres Körpers ein. Sie schrie auf. „An deiner Stelle würde ich tun, was mir befohlen wurde, Ginny.“ „Nennen Sie mich nicht Ginny!“, fauchte sie, als der Schmerz nachließ. Voldemort lächelte kalt. „Jaja, der Stolz der Griffindors. Er wird dir hier nichts nützen, Ginny. Und jetzt zeig mir deinen Geist!“ Eine unsichtbare Hand griff ihr unters Kinn, hob ihren Kopf an und zog erbarmungslos die Lider von ihren rehbraunen Augen. Sobald die roten Augen die ihren gefunden hatten, brach ihr Widerstand, und sie ließ sich mitreißen, in den Strudel ihrer eigenen Erinnerungen und Gefühle. Plötzlich drängte sich ein Bild vor Ginnys Augen, das ihr unbekannt vorkam. Harry, mit Blutschmierern im Gesicht, in einem rotschwarzen Umhang, auf dem das Hogwarts - Wappen prangte, auf einem nächtlichen Friedhof, den Zauberstab wachsam erhoben. Neben ihr stand Voldemort, ebenfalls den Zauberstab erhoben, und schrie: „Crucio!“ Harry brüllte und ging zu Boden. Ginny konnte sich nicht rühren, konnte nicht eingreifen. Eine Seite von ihr schmerzte fürchterlich, als ob Voldemort sie selbst folterte, die andere Seite blickte verächtlich auf Harry herab, ohne einen Hauch Mitleid. Dann brachen plötzlich Bilder aus ihrer eigenen Erinnerung auf. Harry, Wut, Trauer, Freude, Harry, Liebe, Hass, Enttäuschung, Harry… Ginny fühlte sich, als würde sie von ihren Erinnerungen erstickt. Mit einem Mal waren auch ihre eigenen Gefühle wieder mit aller Macht zurückgekehrt. Verzweiflung, Angst und Wut wogten durch ihren Körper und ihren Geist, immer stärker, bis – „NEIN!!!“ Plötzlich war sie wieder sie selbst, verpasste Voldemort einen Kinnhaken, sprang aus dem Sessel und rannte zur Tür. Sie schlug dagegen, während Tränen ihre Wangen hinunterliefen. Nach einer Weile sank sie verzweifelt am Fuß der Tür zusammen und begann, hemmungslos zu weinen. „Nein, nein, nein, das darf nicht wahr sein… nein, nein, nein …“ Voldemort stand wie vom Donner gerührt daneben. Sie hatte ihn geschlagen. Sie hatte ihn geschlagen. So etwas war ihm noch nie passiert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)