Step Into My World von RallyVincento ================================================================================ Kapitel 4: Step Four... Prejudice I ----------------------------------- Danke für die netten Kommis, die ich bis jetzt erhalten habe. @Draco: ja das mit der Hemdgröße war wohl etwas verschätzt. Aber ich habe es geändert, wie du es mir geraten hast. Danke! @Nadi: Ja, ich versteh dich. ich mag ihn auch. Obwohl er so mies ist... ^^ -------------------------------------------------------- Es ist schwieriger ein Vorurteil zu zertrümmern, als ein Atom! Albert Einstein Mamoru Chiba Die nächsten Tage verliefen recht normal, wenn man das Herummeckern meines Chefs und sein ewiges zynisches Gerede denn als normal bezeichnen wollte. Diese eine Woche ging recht schnell herum und ich war mir sicher, dass ich noch nicht alles wusste. Aber Ayame hatte mir gesagt, dass alles okay wäre und ich mir keine Sorgen machen sollte. Na, wenn sie das sagte. Aber ich war da doch etwas am zweifeln. Nun war jedenfalls Samstagabend, ich war um kurz vor 20 Uhr nach Hause gekommen und wollte, bevor Yosuke und May bei mir aufschlugen, noch duschen gehen. Gerade als ins Bad gehen wollte, klingelte es an der Tür. Ich sah auf die Uhr und stellte fest, dass die beiden mal wieder überpünktlich waren. Wie immer eben. Ich öffnete die Tür und eine fröhliche May flog mir um den Hals. „Yuhu! Du bist wirklich da, ich hatte schon Angst, du würdest uns versetzen.“ Sie drückte mir schnell einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verschwand im Wohnzimmer. Yosuke grinste nur. „Sie hatte echt Panik, dass du nicht da wärst. Ich finde es aber auch toll, dass du mal wieder Zeit hast.“ Wir sahen uns an und ich musste zugeben, dass ich nach dieser Woche froh war, mal wieder nette Menschen um mich herum zu haben. „Komm rein, Yosuke. Ihr wisst ja, wo alles ist, ich geh kurz duschen.“ Yosuke nickte und ich verschwand im Badezimmer. Yosuke Murakami „Siehste! Du hast dir mal wieder total umsonst Sorgen gemacht.“ Ich tippte May auf ihr blondes Haupt und grinste sie frech an. Ich ließ mich in den bequemen Sessel fallen und streckte mich erst mal ausgiebig. Eigentlich war es schade, dass ich dieses Wochenende Minako nicht sehen konnte. Aber sie hatte ja schließlich auch noch andere Freunde und die wollte sie heute Abend treffen. Außerdem war sie ja noch nicht meine Freundin, aber ich hoffte sehr, dass sich dieser Zustand bald ändern würde. Sie war so süß. So ein Mädchen lief einem nicht alle Tage über den Weg und vielleicht gab es so was ja wirklich. Liebe auf den ersten Blick. Früher war das so lachhaft gewesen und jetzt dachte ich selber darüber nach. Aber sie war – einfach was Besonderes. Dieses Lachen, traumhaft. Ich schwebte wirklich auf Wolke sieben. „Was hältst du von ner Cola?“ „Das heißt ‚einer’ Cola.“ May hatte diesen schrecklichen Komplex, mich immer wieder verbessern zu müssen. „Ja, ja. Also, willste ne Cola?“ Ich grinste sie an und duckte mich vor dem Kissen, welches mir entgegen kam. „Das deute ich als ein Ja.“ Lachend ging ich die Küche und bediente mich an Mamorus Kühlschrank, welcher nun nicht mehr einen Hungertod sterben würde. Anscheinend lief sein neuer Job gut. Aber ich würde einen Scheißdreck tun und ihn danach fragen, schließlich wollte ich einen netten Abend verbringen. Mit drei Dosen Cola betrat ich wieder das Wohnzimmer, May hatte es sich schon auf der Couch bequem gemacht und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Es war toll, wie schnell sie glücklich war. Schmunzelnd gab ihr eine Dose und schmiss mich in den Sessel. Ich beneidete Mamoru um diese Wohnung. Zwei Zimmer, Küche, Bad und ein kleiner Balkon. Mir war nur ein Appartement vergönnt, in dem sich Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer einen Raum teilten. Aber auch das würde sich nach dem Studium ändern, dass wusste ich. Während May die vier Filme aus der Tüte hervor holte und sich eine Reihenfolge überlegte, machte ich es mir bequem und starrte an die Decke. Oder besser, wollte an die Decke starren, aber da fand ich etwas Interessanteres. „Sag mal – seit wann kann Mamoru sich Dior-Hemden leisten?“ Ich nahm das schwarze Hemd, welches über der Lehne des Sessels gelegen hatte und schaute es beeindruckt an. May stand auf und nahm mir das Hemd ab. „Das gehört nicht Mamoru, das ist viel zu groß.“ „Stimmt, er ist eher so der schmächtige Typ“, flachste ich lächelnd. „Witzig. Ich denke, das gehört einem Mann. Also einem anderen.“ Sie sah sich das Hemd näher an. „Aber die Qualität ist echt super. Ich kenne keinen, der sich so ein Hemd leisten kann. Kosten die nicht so um die 40.000 Yen?“ Wir sahen uns ungläubig an, als wir plötzlich die Badezimmertür hörten. Mamoru betrat den Raum und sah uns etwas überrascht an. „Was ist los?“ Er senkte das Handtuch, mit dem er sich die Haare trocknete und zupfte sein Shirt zurecht. Als er das Hemd in unsren Händen sah, verdrehte er die Augen. „Das muss ich noch zurück geben.“ „Mann, Maru-chan, was kennst du denn für Bonzen?“ „Der Bonze, wie du ihn nennst, ist mein Chef. Und das ist sein Hemd.“ Er setzte sich in den anderen Sessel und öffnete sich die Coladose. May schien nicht wirklich richtig zu ticken, denn sie hatte anscheinend aus Mamorus Worten mehr heraus gehört als ich. Frauen eben. „Oh, mein Gott. Mamoru, mir kannst du es sagen, brauchst du so dringend Geld?“ Ich wurde blass um die Nase und Mamoru spuckte die Cola wieder aus, so geschockt war er. „NEIN! Was denkst du denn? Denkst du etwa – du bist doch blöde!“ Wir sahen uns alle drei schweigend an. „Er hat mir seinen scheiß Kaffee über mein Hemd gegossen und dann habe ich ein Ersatzhemd von ihm bekommen. Geht’s dir noch gut? Du liest zuviel von diesem Shonen-Ai- und Yaoi-Kram!“ „Oh.“ „Oh?“ Mamoru und ich hatten gleichzeitig gesprochen und sahen uns entsetzt an. „Das klingt fast, als wärst du enttäuscht“, kommentierte ich ihr ‚Oh’. „Ach was. Außerdem hätte es gut sein können. Schließlich ist Mamoru sehr gut aussehend und du hast selber gesagt, dass er für einen Mann recht schmächtig ist. Das sind nun mal gute Uke...“ „Kannst du mal still sein? Was soll denn das jetzt werden? Hallo? Was heißt das, ich bin schmächtig? Und was soll dieses Uke-Gequatsche?“ Mamoru sah uns beide an und war voll durch den Wind. Ich sah die beiden abwechselnd an und musste einfach lachen. „Das ist zu gut – ich krieg mich nicht mehr ein.“ Zuerst sahen mich beide nur an, begannen dann aber auch laut los zu lachen. Es dauerte eine Weile, bis wir uns wieder beruhigt hatten. „Ich fände es nicht schlimm.“ Mamoru schüttelte auf Mays Aussage hin nur den Kopf. „Selbst wenn - und ich sage, dass das wohl nie passieren wird - dann sicherlich nicht mit diesem Kotzbrocken. Eher würde ich einen glitschigen Frosch küssen. Glaube mir, ich bin überhaupt nicht an Männern interessiert, egal wie sehr du darauf stehst.“ Wir redeten noch eine Weile widerwillig über Mays Lieblingsthema und schauten dann die Filme. Im Großen und Ganzen konnte man sagen, dass dies der beste Abend seit langem war. Massanorie Lenjier Ein Scheißabend. Ja, so konnte man diesen Abend wohl im Großen und Ganzen bezeichnen. Ich stieg aus meinem Wagen, stieg in den Fahrstuhl und betrat wenige Minuten später meine Penthouse-Wohnung. Der Einzige, der mich hier begrüßte, war mein Hund Sparky. Freudig sprang er um mich herum und gab erst Ruhe, als ich mich zu ihm hinunterbeugte und ihn einige Minuten streichelte. Tasche und Mantel flogen achtlos auf die Couch, als ich an ihr vorbei ging. Aus der Küche hörte ich ein leises Klappern von Geschirr und mir fiel ein, dass meine Hundesitterin ja noch da war. Doch das war mir egal. Obwohl geschäftlich gesehen meine Woche ein voller Erfolg war, hatte sich sonst nichts Positives ereignet. Ich betrat mein Schlafzimmer und sah mir die beleuchtete Stadt an. Das leise Winseln meines Freundes ließ mich hinuntersehen, ich lächelte sanft und kraulte ihm hinter dem Ohr. „Massanorie?“ Genervt drehte ich mich um und sah der Nervensäge meines Lebens in die Augen. „Wie du siehst, bin ich zuhause, also kannst du gehen.“ Chrissy sah mich an und lächelte. „Sparky und ich waren heute viel unterwegs. Nicht wahr, mein Junge?“ Ich wusste nicht, was Sparky an ihr fand, aber er mochte sie. Freudig lief er auf sie zu und ließ sich von ihr kraulen. „Willst du den Abend wirklich alleine verbringen? Wir könnten...“ „Wiedersehen.“ Ich wandte mich um und ging an ihr vorbei ins Bad. Ich hatte nicht das Verlangen nach Gesellschaft und wenn doch, dann wusste ich, wo ich sie herbekam. Es dauerte nicht lange, da hörte ich, wie die Haustür ins Schloss fiel. Ich sah in den Spiegel und schmunzelte. Endlich Ruhe. Endlich etwas Frieden. Es war still in der Wohnung, nur das Rauschen des Wassers, welches ich in die Wanne laufen ließ, war zu hören. Meine Schritte führten mich in die Küche, wo ein zugedeckter Teller stand, auf dem ein Zettel lag. ‚Auch, wenn du ein Miesepeter bist, verhungern sollst du nicht. Lass es dir schmecken! Liebe Grüße, Chrissy!’ Ich hob das Tuch hoch und fand einige Sandwichs darunter, ich nahm mir eins und biss hinein. Es war mir egal, was drauf war, oder wie es schmeckte. Man aß, um nicht zu verhungern, einen anderen Grund hatte Essen nicht, ein anderer Grund interessierte mich nicht. Nachdem ich wieder ins Wohnzimmer trat, nahm ich die Fernbedienung für die Anlage und schon wenig später ertönte die Stimme von ‚Frank Sinatra’ durch mein großes Penthouse in Shinjuku. Ich sah mich um und irgendwie gingen mir die Worte dieses blöden Kerls nicht mehr aus dem Kopf. „Wer wird sich an mich erinnern?“ Ich sah mich um und hier war niemand außer mir. Meine kleine Welt. Für mich allein. Allein. Ich schloss die Augen, schüttelte den Kopf und lachte laut. „Plötzlich so sentimental, Massanorie? Das passt gar nicht zu dir!“ Mein Blick schweifte aus dem Fenster. „Sieh dich an, du hast alles und trotzdem lässt du dich von so einem Bengel bequatschen. Was will man mehr, mein Penthouse ist 225 Quadratmeter groß, ich habe vier Schlafzimmer, eine fast 30 Quadratmeter große Küche, mein Wohnzimmer ist knapp 70 Quadratmeter groß, dazu noch drei Badezimmer und noch einen riesigen Balkon. Außerdem noch so viel Geld, dass ich eigentlich nie wieder arbeiten müsste und er quatscht mich voll.“ Ich fasste mir an die Stirn und lehnte mich gegen die Scheibe. „Scheiße!“ Solche Gedanken konnten einem echt den Abend verderben. Sparkys Gebell ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken, ich hatte das Bad vergessen. Schnell ging ich in das Badezimmer und stellte gerade noch rechtzeitig das Wasser ab. „Na, da bin ich aber froh, dass ich dich habe.“ Ich lächelte meinen Hund an und kraulte ihn liebevoll. Dieser Hund war mir einfach das Liebste, auf ihn konnte man sich verlassen. Vielleicht war ich auch einfach nur überarbeitet. Das musste es sein! Zu viel Arbeit. Die Leute erzählten doch immer, das man sich dann zu viele Gedanken machte. Also hieß die Lösung etwas entspannen und das konnte man am besten mit einem heißen Bad. Diese Idee setzte ich gleich in die Tat um und ich hatte Recht, kaum hatte ich mich entspannt, waren auch diese Gedanken verschwunden und alles war wieder in Ordnung. Mamoru Chiba „Wie ist dein Chef eigentlich so drauf?“ Ich warf Yosuke einen skeptischen Blick zu und sah an die Decke. Es war schon fast 3 Uhr morgens, wir hatten gerade den letzten Film zu Ende geschaut, als Yosuke wohl unbedingt über was Unbedeutendes reden wollte. Aber anscheinend war May auch neugierig, denn sie richtete sich auf und sah mich auffordernd an. Ich schüttelte den Kopf und seufzte. „Er ist ein Kotzbrocken. Ich meine, dieser Mann denkt nur an sich, ihm sind Andere egal. Er wirkt auf seine Umwelt so, als würde ihn nichts wirklich interessieren, als gäbe es nur Geld für ihn. Außerdem scheint seine größte Freude darin zu bestehen, andere niederzumachen.“ Ich setzte mich aufrecht hin und sah May an, welche sich neben mir ins Bett gelegt hatte. Yosuke saß am Fußende und nickte nur. „Also, ein richtiger Sympathieträger?“ Ich lächelte. „Ja, du hast es erfasst“, gab ich spöttisch zurück. „Wie sieht er aus?“ May drehte sich auf den Bauch und sah zum Fenster. „Warum willst du das wissen? Glaube mir, an so was hast du kein Interesse.“ Doch sie drehte den Kopf und sah mich auffordernd an. Ich verdrehte nur die Augen und versuchte ihn so gut es ging zu beschreiben. „Er ist so um die 1,90 Meter groß, muskulös, braun-blonde Haare, grüne Augen – ich muss zugeben, so intensiv habe ich ihn mir angesehen.“ Wir schwiegen und hingen unseren eigenen Gedanken nach. „Aber er hat dir sein Hemd gegeben, das war doch nett.“ Ich lachte leise auf und schüttelte den Kopf. „Sagen wir es mal so, er hatte keine andere Wahl. Das hatte nichts mit nett zu tun.“ „Hmmm...“ „Ich finde, schlafen wäre besser als über Menschen zu reden, die mich aufregen.“ Ich drückte Mays Kopf ins Kissen und strubbelte ihr durchs Haar. Sie protestierte laut, aber sie war die Erste, die einschlief. Yosuke hatte es sich auf einem Futon bequem gemacht, während ich mit May das Bett teilte. Yosuke war schon immer ein Futonkind gewesen, für ihn waren Betten nur für eine Sache wichtig, das hatte er selbst gesagt. Der Sonntag verlief eher ruhig und am Montagmorgen saß ich pünktlich um 8 Uhr an diesem Schreibtisch und sortierte die bereits abgelegte Post. „Gibt es dort, wo du wohnst, keinen Friseur?“ Welche engelhafte Stimme mir doch da wieder entgegengeschmettert wurde. „Dass Ihnen ein ‚Guten Morgen’ so schwer fällt, ist wirklich faszinierend.“ Ich hob den Kopf und reichte meinem Chef die an ihn adressierte Post. „Wo ist eigentlich mein Hemd? Hast du es versetzt?“ Er schaute sich die Briefe an und schmiss die Hälfte davon einfach ungeöffnet in die Mülltonne. „Nein, ich habe es in Streifen geschnitten und dann daraus eine Voodoo-Puppe von Ihnen gebastelt, demnächst sollten Ihnen also alle Haare ausfallen!“ Ich drehte ihm den Rücken zu und begann damit, einige Notizen abzutippen, ohne ihn weiterhin zu beachten. Es kam nichts zurück, ich hörte nur, wie er in sein Büro ging, jedoch hörte ich nicht die Tür ins Schloss fallen. Also sah ich langsam über meine Schulter und sah ihn verwirrt an, als er wieder zu mir kam und einen Karton auf dem Schreibtisch abstellte. „Da du ja Zeit hast um Puppen zu basteln, hier eine weitaus lukrativere Aufgabe für dich. In dem Karton sind Dokumente, die ich ‚leider’ in den Schredder geworfen habe. Ich sollte wirklich schauen, was drauf steht, bevor ich das mache. Aber egal, dafür habe ich ja meinen Bürojungen. Setze sie wieder zusammen. Ich brauche sie für Mittwoch.“ Damit lächelte er mich mit einem boshaften Grinsen an. Ich musste schlucken und glaubte zuerst an einen schlechten Scherz, doch als ich ihn dann grinsen sah, wusste ich, dass er es ernst meinte. Sprachlos öffnete ich den Karton und sah mir die Papierfäden an. „Das dauert Jahre. Das ist doch nicht Ihr Ernst?“ „Ich weiß, dass du das kannst, mein kleiner Lakai!“ Im nächsten Moment legte er seine Hand auf meinen Kopf und wuschelte mir durch die Haare. Ich kam mir so verarscht vor. „Lassen Sie das!“ Fauchte ich nur sauer und schlug seine Hand weg, doch ihn interessierte das gar nicht. Er sah mich mit einem selbstgefälligen Blick an und verschwand dann in seinem Büro. Massanorie Lenjier Zufrieden sah ich ihn noch einmal an, bevor ich die Bürotür schloss. Dieses Spiel gefiel mir, auch, wenn er erst seit einer Woche für mich arbeitete, befand ich, dass seine Anwesenheit amüsant war. Die Akten, die ich ihm gegeben hatte, waren ganz und gar nicht wichtig. Es handelte sich um alte Papiere, die keinerlei Wert hatten. Aber das wusste er ja nicht. Ich war gespannt, ob er bis Mittwoch wohl fertig werden würde, oder ob er mir die Sachen vor die Füße schmiss und kündigte. Zufrieden steckte ich mir eine Zigarette an und schlug meinen Terminkalender auf. Der heutige Tag war gespickt mit zwei Konferenzen, einem Mittagessen und einem Abendessen. Seufzend schloss ich den Kalender wieder. Solche Tage waren eher lästig. Aber es war egal, einer musste es erledigen und das war eben ich. Es war schon nach ein Uhr als ich das Firmengebäude wieder betrat. Das Abendessen war zufriedenstellend gewesen und nun musste ich nur noch einige Unterlagen für Zuhause abholen. Man wollte es sich kaum vorstellen, aber solche Essen war anstrengender als Stunden in einem Büro zu sitzen. Ich drückte meine Zigarette aus und betrat einen der Fahrstühle. Die Tür wollte sich gerade schließen, als ich sie daran hinderte. „Guten Abend, Herr Lenjier. So spät noch hier?“ Vor mir stand Nakai Wataru, einer der Wachmänner, welche hier allabendlich ihre Runden drehten. „Guten Abend. Die Arbeit schläft eben nicht. Alles ruhig bis jetzt?“ Mit einer knappen Handbewegung strich ich einige Falten aus meinem Mantel weg und wartete auf die Antwort. „Natürlich. Wie immer. Machen Sie sich keine Sorgen.“ „Ich mache mir nie Sorgen. Fürs Sorgenmachen werden Sie bezahlt, nicht ich.“ Mit dieser ruppigen Antwort ließ ich die Fahrstuhltür los, welche sich langsam schloss. „Sie haben Recht – aber einen fleißigen Sekretär haben Sie.“ Das war alles, was ich noch verstand, bevor die Tür geschlossen war. Ich dachte kurz nach, wusste mir aber keinen Reim darauf zu machen, also vergaß ich es wieder. Diese endlosen Minuten waren einfach schrecklich, wie viel Zeit ich schon in Fahrstühlen verbracht hatte, lästig, einfach nur lästig. Endlich öffnete sich diese Tür und ich war gedanklich schon zu Hause bei Sparky, als ich Licht unter der Tür, welche ins Vorzimmer führte, sah. Ich öffnete die Tür leise und sah in das kleine Büro meines Botenjungens. Was ich dort sah, erklärte die Worte des Wachmannes. Auf dem Boden befanden sich kleine Haufen mit Papierstreifen, welche ich als die identifizierte, die ich Mamoru am Morgen gegeben hatte. Ich sah mich um und suchte eben diesen Jungen, ich fand ihn schnell. Er saß auf dem Boden und hatte mich nicht bemerkt. Ich klopfte leise, keine Reaktion. Ich runzelte die Stirn, ich hatte gerade keine Lust auf diese Spiele, ich war müde. Als ich jedoch hinter ihm stand sah ich, warum er mich nicht hörte, die kleinen Stöpsel in seinen Ohren waren anscheinend der Grund. Mit diesem Gedanken griff ich nach dem Kabel der Kopfhörer und zog daran, was jetzt passierte, war zu göttlich. Mamoru sprang fast schon auf und schrie kurz auf. Anscheinend hatte er sich wirklich zu Tode erschrocken, so sah jedenfalls sein Gesicht aus. Noch nie hatte ich einen Menschen so schnell kreidebleich werden sehen. Er atmete schnell und sah mich entsetzt an. „Machen Sie das nie wieder!“ Er fasste sich an die Brust und atmete tief durch. „Ich hätte nicht gedacht, dass du wirklich das machst, was ich dir sage!“ Ich steckte mir eine Zigarette an und schaute Mamoru belustigt an. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, ich wusste, dass er mir am liebsten an die Kehle gehen würde. Anscheinend hatte er verstanden. „Sie blöder Arsch! Ich sitze hier und reiße mir den Arsch auf und das für nichts. Ich hätte wissen müssen, dass das wieder nur ein blöder Scherz ist!“ Ich sah ihn nur an und folgte seinem Wutausbruch. Mamoru rappelte sich auf und wollte an mir vorbei zur Tür. Doch ich packte ihn, riss ihn nach hinten und drückte ihn auf die Couch. „Was für ein schrecklich loses Mundwerk du doch hast. Eigentlich müsste ich es dir stopfen...“ Ich hatte mich über ihn gebeugt und hielt seine Handgelenke fest. Sein Blick wirkte zuerst verwirrt doch dann sah ich die auflodernde Wut darin. Anscheinend überspannte ich den Bogen gerade sehr in seinen Augen, er versuchte mich von sich zu stoßen, doch das entlockte mir nur ein kühles Lächeln. „Ich an deiner Stelle würde meine Kraft aufsparen, du wirst sie noch brauchen.“ Meine Zigarette war auf den Boden gefallen und glomm langsam aus. „Lassen Sie mich los...“ Er stemmte sich gegen mich und versuchte meine Hand von seinen Handgelenken zu lösen. Seufzend beugte ich mich zu ihm und sah ihm in die Augen. Plötzlich hielt er inne und sah mich erschrocken an, anscheinend konnte er sich denken, was ich tun wollte. „Herr Lenjier? Alles in Ordnung?“ Ich sah auf und hörte, wie es an der Tür klopfte. Diese Wachmänner waren einfach zu lästig. Somit ließ ich Mamoru wieder los und hob meine Zigarette vom Boden auf. „Es ist alles in Ordnung“, entgegnete ich gelangweilt, als ich die Tür öffnete. Ich wandte mich um und sah Mamoru an, welcher sich aufrappelte und meinem Blick auswich. „Es gibt zwei Möglichkeiten. Du bleibst hier oder du bist in fünf Minuten unten in der Tiefgarage. Liegt bei dir. Aber hier schlafen würde ich an deiner Stelle nicht, wer weiß, wer hier vorbeikommt.“ Mit diesen Worten verließ ich das Büro und fuhr mit dem Wachmann wieder hinunter. Ich wusste, dass er kommen würde. Nur fünf Minuten später bestätigte sich meine Annahme. Ich saß in meinem Aston Martin, als sich die Beifahrertür öffnete und mein neues Spielzeug einstieg. Er sagte nichts, sondern ignorierte mich gekonnt. „Ich zwinge dich nicht, hier zu sitzen, ich wollte nur nett sein. Wenn du meinst, rumzicken zu müssen wie ein Kleinkind, dann steig wieder aus.“ Mit einem ernsten Gesichtsausdruck sah ich ihn an. „Danke, dass Sie mich mitnehmen.“ Es klang hervorgewürgt, aber es reichte mir. Ohne noch ein Wort miteinander zu wechseln fuhr ich los. Ich fand diesen Jungen echt interessant, er war so schrecklich naiv auf der einen und so temperamentvoll auf der anderen Seite. Eine, in meinen Augen, interessante Kombination. Ich wollte testen, wie weit ich gehen konnte, doch als ich einen Blick zur Seite warf, musste ich schmunzeln. So wie er dort saß und fast einschlief wirkte er schrecklich – süß. Schnell schüttelte ich den Kopf und lachte innerlich über mich selber. Noch einmal sah ich ihn an. Er war eingeschlafen?! Mein Blick fiel auf meine Armbanduhr und ich beschloss, ihn nicht nach Hause zu fahren. Mir war egal, was für einen Aufstand er machen würde, ich hatte beschlossen, morgen von zu Hause aus zu arbeiten und da war es sicherlich nützlich, wenn auch Mamoru anwesend wäre. Nach zehn Minuten parkte ich in der Tiefgarage meines Wohnhauses. Ich schnallte mich ab und sah zu meiner Rechten, dass Mamoru anscheinend fest am schlafen war. Langsam beugte ich mich zu ihm herüber und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Mamoru Chiba Ich öffnete meine Augen und richtete mich langsam auf. Dies – war nicht meine Wohnung, das erkannte ich, obwohl es dunkel war. Nur ein blasses Licht fiel durch die Vorhänge des Fensters. Mit einem verwunderten Blick sah ich mich um und überlegte. Jetzt fiel mir wieder ein, was dieser Kerl im Büro für eine Show abgezogen hatte. Zwanghaft überlegte ich, warum ich eigentlich mit ihm mitgefahren war. Aber der Gedanke im Büro zu schlafen, nur weil keine Bahn mehr fuhr, war ebenso 'prickelnd' gewesen, wie der Gedanke, dass dieser Mann mich nach Hause fuhr. Schoss es mir durch den Kopf. Wahrscheinlich war ich im Auto eingeschlafen. Ich warf die Decke zurück und stand auf, das Zimmer war groß und innerlich hoffte ich inständig, dass ich mich irrte, was den Aufenthaltsort anging. Leise öffnete ich die Tür und trat hinaus in den Flur. Links gab es noch zwei Türen und geradeaus schimmerte ein schwaches Licht unter einer Tür hervor. Barfuß ging ich auf die geschlossene Tür zu und blickte mich suchend um. Zögerlich klopfte ich an und hoffte, dass ich nicht die Stimme von ihm hören würde. Doch mit dem Hoffen ist es oft so eine Sache. Die Tür wurde geöffnet und ich stand diesem Kerl gegenüber, den ich im Dunkeln nie begegnen wollte. „Schon wieder wach?“ Ich sah ihn an und schwieg. „So wortkarg? Was ist denn los?“ Seine Stimme schwamm so vor Hohn, dass mir übel wurde. „Warum bin ich denn in Ihrer Wohnung?“ Ich sah an ihm vorbei in dieses riesige Wohnzimmer. Der Fernseher lief, auf dem Tisch standen eine Flasche und ein Glas. Nach dem Geruch, der von ihm ausging, war es sicherlich Alkohol. Ich rümpfte die Nase. „Du bist bei mir, weil du in meinem Auto eingeschlafen bist. Ich hatte außerdem keine Lust, für dich den Chauffeur zu spielen. So was liegt mir nicht!“ Das war alles, was er sagte, bevor er sich wieder herumdrehte und sich setzte. „Schließ die Tür...“ Ich überlegte kurz, ob ich einfach gehen sollte, aber als ich einen Blick auf die Uhr an der Wand warf, stellte ich fest, dass es schon fast drei Uhr war. Es fuhr ja sowieso keine Bahn, also was blieb mir über? Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich zu ihm auf die Couch. „Du darfst dich glücklich schätzten!“, kam es plötzlich von ihm. „Morgen arbeite ich von zuhause, das bedeutet, dass du für mich Botengänge erledigen wirst und einkaufen und zur Reinigung gehen. Das wird sicherlich ein witziger Tag – für mich!“ Er nahm das Glas und trank einen Schluck. „Ganz sicher werde ich das nicht. Ich bin nicht Ihr Lakai, sondern Sekretär. Das schließt so was nicht mit ein.“ Er lachte leise. „Was ist daran so lustig?“, zischte ich böse. „Alles.“ Er sah mich nicht einmal an, sondern ignorierte mich während er in den Fernseher starrte. Es war zu spät oder zu früh, um sich zu streiten. Ich hatte keine Lust, mich jetzt darüber aufzuregen und trotzdem war mir diese Situation unbehaglich. Mir kam wieder diese Szene in dem Büro in den Sinn. Hatte ich mich geirrt oder hatte er wirklich versucht, mich zu küssen? Aus den Augenwinkeln heraus sah ich ihn an und war verwundert. Er lächelte. Auf seinem Knie lag ein schwarz-weißer Hundekopf, welchen er hingebungsvoll streichelte. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Mann zu so etwas in der Lage war, ich meinte, ein lebendes Wesen so liebevoll anzusehen. „Wie heißt er oder sie?“ „Sein Name ist Sparky.“ Er sah mich an und fast wollte ich einige Vorurteile, die ich hatte, wegwerfen. Obwohl ich den Namen 'Sparky' für einen Hund wirklich blöde fand. „Wenn du das jemandem erzählst, werde ich dich kopfüber aus dem Fenster hängen, du kleiner Hippie.“ „Wer will schon freiwillig über Sie reden?“, gab ich nur zurück. So saßen wir schweigend nebeneinander und als ich nach einer halben Stunde wieder im Bett lag, dachte ich noch lange über seinen Gesichtsausdruck nach, als er seinen Hund streichelte. Am nächsten Morgen nahm ich mir die Zeit und sah mich in dem Zimmer, in dem ich geschlafen hatte, etwas um. Das Zimmer war schön, schlicht, aber das machte es irgendwie gemütlich. Es war komplett weiß. Der einzige Kontrast waren das helle Bett aus Naturholz und die Bilder an den Wänden. Drei an der Zahl. Das eine zeigte eine gelbe Lilie auf hellblauem Grund, das zweite Seerosen mit einem leichten rosa Schimmer auf einem blassgrünen Hintergrund und auf dem dritten sah man roten Klatschmohn auf weißem Hintergrund. Man konnte über Massanorie Lenjier sagen was man wollte, aber Geschmack, was die Einrichtung betraf, hatte er. Ich seufzte und ließ mich zurück in die Kissen fallen. „Schon klar. Ich vergesse immer wieder, dass er ein Bonze ist!“ „Ich sollte aufhören, mit mir selbst zu reden – das wirkt so – verzweifelt.“ Damit stand ich auf und schlüpfte in meine Hose. Das Hemd hatte in der Nacht ziemlich gelitten, aber da ich nicht vorhatte, auf seinen ‚Vorschlag’ von heute Morgen einzugehen, war es mir egal. Das Klappern von Geschirr ließ mich aufhorchen, also war ich nicht der Einzige, der schon wach war. Es sei denn, dieses Ekel hatte eine Freundin, aber irgendwie bezweifelte ich das sehr. Als ich durch den Flur ging, sah ich mich neugierig um. Die Wohnung war an sich wirklich sehr hell eingerichtet. Ich musste zugeben, dass ich das sehr stilvoll fand. Weniger war manchmal einfach mehr. Die Küche hatte ich schnell gefunden und ich staunte nicht schlecht. So eine Küche hatte ich noch nie gesehen, das wäre für Makoto ein Traum gewesen. Massanorie Lenjier schüttete sich gerade eine Tasse Kaffee ein, doch damit hatte ich weniger ein Problem, als wie mit seiner Aufmachung. Anscheinend hatte er vorher geduscht, denn er trug gerade nur ein Handtuch, welches wirklich tief saß und somit nicht gerade verbarg, dass seine Körperstatur meiner überlegen war. Ich wunderte mich nicht, dass er stärker war als ich. Dies hatte er ja am Vorabend demonstriert. Vorsichtig räusperte ich mich, als ich auch schon etwas Feuchtes an meiner Hand spürte. Mit einem freundlichen Blick sah ich auf Sparky nieder, dieser Hund war wirklich schön. „Guten Morgen.“ Begrüßte ich den Hund, dabei ging ich in die Hocke und streichelte ihn. Anschienend freute er sich über derartige Zuwendung, denn er wedelte freudig mit dem Schwanz und leckte mir über das Gesicht. Als ich jedoch aufsah, schluckte ich nur kurz und stand ruckartig auf. Sparkys Herrchen hatte sich genau vor mir positioniert und ich fand die Aussicht, welche ich in der Hocke gehabt hatte, nicht gerade berauschend. Doch anstatt eines freundlichen ‚Guten Morgen’ wurde ich ausgiebig gemustert. Was hatte ich auch anderes erwartet? „Die Dusche ist den Flur entlang, dann rechts.“ Er griff nach einem Teil meines Hemdes und zupfte daran. „Und das hier will ich gleich nicht mehr sehen. Ich finde es zum Kotzen, dass ich dir schon wieder ein Hemd von mir geben muss.“ „Ich habe eine bessere Idee, ich geh nach Hause. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich nicht Ihr Lakai bin. Also, ‚Auf Wiedersehen’!“ Mit diesen Worten drehte ich mich herum und wollte gehen. Doch ich hatte vergessen, dass ein ‚Nein’ für diesen Mann nicht akzeptabel war. „Aber es steht in deinem Vertragsbedingungen.“ „Sie lügen doch wie gedruckt. Außerdem habe ich bei Ihnen keinen Vertrag unterschrieben.“ „Aber Ayame. Und da du ihre Vertretung bist, musst du all ihre Aufgaben übernehmen und das gehört dazu.“ Ich drehte mich zu ihm herum und sah ihn skeptisch an. Er deutete mit einem Nicken zu dem kleinen Küchentisch an der Fensterfront der Küche. Ich ging langsam hin und nahm das Papier auf, welches auf dem Tisch lag. Es war Ayame Midoris Vertrag, ich las ihn aufmerksam durch und ballte die Faust. Er hatte Recht, hier stand es. Midori war nicht nur seine Sekretärin, sondern auch seine Assistentin und das schloss private Erledigungen mit ein, solange diese in einem vertretbaren Rahmen stattfanden. „Die Dusche ist rechts – ich warte nur ungern.“ Mit einem wütenden Blick sah ich ihn an. „Hätte ich bloß vor einer Woche schon gewusst, was für ein Ekel Sie sind.“ „Tja, die besten Sachen kommen immer zum Schluss.“ Damit hatte sich das Gespräch erledigt und ich nahm mir vor, den ganzen Tag kein einziges Wort mehr mit diesem Mann zu reden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)