Shiomari von abgemeldet (Waffen, Brüder und andere Probleme) ================================================================================ Kapitel 21: Auf eigene Faust ---------------------------- Es war früh am Morgen, die Sonne erhob sich langsam und majestätisch über den Horizont und die Berge, einen neuen Tag ankündend, als Haru bereits vollständig angekleidet und fertig zum Aufbruch in der winzigen Kammer stand, die ihm in den vergangenen Wochen und Monaten als Unterkunft und Schlafplatz gedient hatte. Vor ihm auf einem schmalen Tisch lagen Katana und Wakazashi, die er seit seinem Eintritt in die Palastwache getragen hatte, daneben stapelte sich ein kleiner Berg Münzen, den er im Austausch für einen Teil des als Sold gezahlten Reises erhalten hatte. Die Schwerter würde Haru nicht mehr brauchen, er hatte nun ein besseres. Das Geld war Bezahlung für die Kleidung, die er trug. Da er über keine andere verfügte, würde er vorerst die Uniform der Palastwache behalten und beglich mit den Münzen die entstehenden Kosten, da er nichts davon hielt, Anderen in irgendeiner Form etwas schuldig zu bleiben. Kurze Zeit später verließ er zum letzten Mal die Soldatenunterkünfte und das Palastgelände, begab sich zu dem Ausgang des Dorfes, der durch den Wald hinab ins Tal führte, dort auf InuYasha und Jaken treffend, der wieder Ah-Un am Zügel führte. Nach dem Bündel zu urteilen, das InuYasha trug, hatten Ayako und ihre Enkelin die halbe Nacht damit zugebracht, für die Reisenden Proviant vorzubereiten, damit sie unterwegs zumindest nicht Hunger leiden mussten. Allerdings waren weder Ayako noch Inochiyume gekommen, um sich zu verabschieden, noch hielt Haru es für notwenig etwas Derartiges zu tun. Schweigend, ohne Bedauern oder noch einmal zurückzublicken, verließ Haru begleitet von InuYasha und gefolgt von Jaken mit Ah-Un das Dorf, mit dem Ziel seine Erinnerungen, seine Macht und sein Eigentum zurückzuerlangen. Inochiyume war wie jeden Morgen hinauf in die Berge gestiegen, um Schnee für das Bad der Fürstentochter zu sammeln. Am Tag zuvor hatte sie von der Haushofmeisterin die Erlaubnis erhalten, sich einen Tag frei zu nehmen, da Inochiyume zum ersten Mal eine solche Bitte vorbrachte und sich bisher bei ihrer Arbeit nie hatte etwas zu schulden kommen lassen. Als das Mädchen an diesem Tag wieder der ersten ihrer Pflichten nachging, kam sie auch an der Stelle vorbei, an der sie vor Monaten Haru im Schnee liegend gefunden hatte. Für einen Moment blieb sie stehen und sah still auf die Stelle am Fuß des alten, verkrüppelten Baumes hinab, drehte sich schließlich herum und wandte ihren Blick Richtung Dorf. Wo er jetzt wohl war? Ob sie gerade den Wald durchquerten oder hatten sie diesen schon hinter sich gelassen? Ob sie sich wohl wiedersehen würden? Vermutlich nicht, weder hatte Haru einen Grund in das Dorf in den Bergen zurückzukehren, noch würde sie das Dorf je verlassen. Und obwohl sie wusste, wie unvernünftig, falsch und selbstsüchtig es war, wünschte sie sich doch, er wäre noch da, wäre nicht auf dem Weg zurück in seine Welt, sondern würde noch immer gelassen schweigend seinen Platz in der winzigen Hütte zwischen ihr und ihrer Großmutter einnehmen. Dabei war sie seit dem vergangenen Tag, genauer seitdem Moment, als sie sich nackt und schmutzig in der Höhle der Schwärzlinge wiedergefunden hatte, nicht mehr in der Lage gewesen ihm ins Gesicht zu blicken oder mit ihm zu sprechen. Obwohl sich Inochiyume seit diesem Vorfall mehr als einmal gründlich gewaschen hatte, fühlte sie sich noch immer schmutzig, als wäre ihr das abgestandene, dreckige Wasser tief unter die Haut gedrungen und ließe sich auch mit noch so viel Eifer und schrubben nicht mehr entfernen. Dazu kam, dass ihr geradezu schmerzhaft bewusst war, dass sie vollkommen unbekleidet und völlig hilflos gewesen war. Sie wünschte, der letzte Eindruck, den er von ihr erhalten hatte, wäre weniger erbärmlich gewesen, wünschte, dass er ihr so gleichgültig wäre, wie sie ihm und konnte nur hoffen, dass es ihr irgendwann gelang, das was geschehen war, wenn nicht zu vergessen, so doch mit ruhiger Distanz zu betrachten. Entschlossen sich nicht von ihren widersprüchlichen Gefühlen überwältigen zu lassen und ihr Leben auf die bestmögliche Weise zu leben, wandte Inochiyume sich schließlich von ihren Gedanken und dem Blick in Richtung Dorf ab und machte sich wieder an die Erledigung ihrer Aufgabe. Als Inochiyume später am Tag wie üblich ihren Dienst im Schloss versehen wollte, wurde ihr stattdessen von der Karei der Befehl erteilt, sie solle sich bei der Zofe der Prinzessin melden. Verwundert und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, folgte das Mädchen dieser Anweisung und kniete bald darauf mit ehrerbietig gebeugtem Kopf und Oberkörper vor einem kostbaren, mit Shōjipapier bespannten Wandschirm, auf dem sich der schattenhafte Umriss Hinagiku-himes abzeichnete. Neben dem Shōheiga kniete die ältliche Zofe der Prinzessin, diese aufmerksam beobachtend, um bei der kleinsten Regung zu Diensten sein zu können. Eine lange Weile schwieg die Prinzessin, während sie gelassen Tee trank und eine Schriftrolle studierte. Schließlich schien ihr die noch immer vor dem Wandschirm auf den Knien liegende Dienerin in den Sinn zu kommen und sie erkundigte sich mit kühler Herablassung und Ruhe: „Du bist diejenige, die Haru-san gefunden hat und die er immer wieder im Dorf aufgesucht hat?“ „Hai, Hime-sama“, erwiderte Inochiyume nur leise, sich keinen Moment über das erstaunliche Wissen der Prinzessin wundernd, sondern noch immer besorgt darauf wartend, zu erfahren, warum sie diesen ungewöhnlichen Befehl erhalten hatte. Unterdessen setzte Hinagiku ihr Verhör ruhig und zielstrebig fort: „Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?“ „Gestern, Hime-sama“, antwortete Inochiyume wenn möglich noch leiser als zuvor, während sich ihre Wangen bei der Erinnerung vor Verlegenheit röteten. Offenbar war der Prinzessin auch diese Tatsache bereits bekannt gewesen, denn ohne auch nur das geringste Anzeichen von zögern erkennen zu lassen, fragte sie im nächsten Augenblick: „Wer waren die Wesen, in deren Begleitung ihre gesehen worden seid?“ Inochiyume fand diese Frage unerwartet schwierig zu beantworten, da sie die Prinzessin jedoch nicht verärgern wollte, indem sie zu lange schwieg, erklärte sie schließlich ausweichend: „Angehörige seiner Familie, die auf der Suche nach ihm waren, Hime-sama.“ Trotz ihres gegenteiligen Bestrebens schien Inochiyume die Prinzessin mit ihrer Antwort gereizt zu haben, denn die nächsten Worte wurden mit weit größerer Kälte hervorgebracht als zuvor. „Wann und wohin sind sie aufgebrochen? - Und wage nicht zu sagen, du wüsstest es nicht!“ Inochiyume schluckte bei dieser leisen Drohung verunsichert, bevor sie erwiderte: „Sie sind heute Morgen in Richtung Kinai aufgebrochen, Hime-sama.“ „Weißt du, was sie dort wollen?“, Hinagikus Stimme klang noch immer kalt und fordernd. „Der Sitz ihrer Ahnen befindet sich in diesem Gebiet, Hime-sama“, gab Inochiyume erneut ausweichend Auskunft, während sie die Augen schloss und innig hoffte, dass dieses Verhör bald vorbei wäre. Die seltsam angespannte Atmosphäre in dem Raum gab ihr das Gefühl für ein Verbrechen angeklagt zu werden, von dem sie noch nicht einmal wusste, was für eines es sein mochte. Im nächsten Moment zuckte das Mädchen erschrocken zusammen, als die Prinzessin plötzlich in unerwartetem Zorn die Stimme erhob und mit schneidender Härte äußerte: „Ich soll dir also tatsächlich glauben, dass Haru-san sich einfach unehrenhaft und ohne Erlaubnis von der Palastwache entfernt hat, um mit seinen Angehörigen nach Hause zurückzukehren, ohne dass sie meinem Vater die gebührende Höflichkeit und Respekt erweisen? Dass Haru-san ohne angemessene Bekleidung, sondern in der Uniform des Hauses Nagasawa in seine Heimat zurückgekehrt ist?“ Inochiyume schwieg auf diese Fragen, da ihr jede Antwort ausschließlich Schwierigkeiten eingebracht hätte. Auch Hinagiku schwieg für einen Moment, bemüht ihre Fassung zurückzugewinnen, bevor sie wieder mit kühler Ruhe der vor dem Byōbu knienden Kahi ihre Entscheidung mitteilte: „Ich habe beschlossen, meinem Kyokon nach zu reisen, um selbst herauszufinden, warum er ohne ein Wort verschwunden ist. Da ich überzeugt bin, dass du mehr weißt, als du zugibst, wirst du mich begleiten und mich zu ihm bringen.“ Hatte Inochiyume ungläubig die beiläufige Erklärung, Haru wäre mit Hinagiku verlobt, zur Kenntnis genommen und sich zwingen müssen, nicht überrascht aufzusehen, gelang ihr das bei den letzten Worten der Prinzessin nicht mehr. Ruckartig hatte sie sich aufgerichtet, jede Form der Etikette vollkommen außer Acht lassend, fassungslos auf den Wandschirm vor sich gestarrt und versucht der Prinzessin zu widersprechen. Diese jedoch schnitt ihr entschlossen das Wort ab, indem sie befahl: „Schweig! Du hast kein Recht dich mir zu widersetzen. Tust du es dennoch oder versuchst mich auf unserer Reise in die Irre zu führen, werde ich dafür sorgen, dass du entsprechend bestraft wirst.“ In stummer Verzweiflung schloss Inochiyume ihre bereits zum Protest geöffneten Lippen wieder und senkte ergeben den Kopf, während ihr Hinagiku hinter dem Wandschirm sitzend weitere Anweisungen erteilte: „Wir werden bei Einbruch der Dunkelheit aufbrechen, sieh zu, dass du bis dahin alles vorbereitet hast. Fuse wird dir dabei helfen, damit du nichts vergisst. – Und sorge dafür, dass niemand davon erfährt, ich will nicht aufgehalten oder gestört werden. Sollte das dennoch passieren, wirst du dafür ebenfalls zur Verantwortung gezogen. Hast du alles verstanden?“ „Hai, Hime-sama“, war alles was Inochiyume erstickt hervorbrachte, während sich das Mädchen im Stillen fragte, womit sie die Götter so erzürnt haben mochte, dass sie sie nun auf diese Art bestraften. Denn selbst wenn sie Haru-dono und dessen Begleiter fanden, ihnen unterwegs nichts zustieß und sie schließlich wieder heil und gesund zurückkehren sollten, würde Inochiyume dafür zur Verantwortung gezogen werden, dass sie die Prinzessin allen möglichen Gefahren ausgesetzt und nebenbei auch noch ihre Pflichten im Schloss vernachlässigt hatte. Egal wie man es drehte, Inochiyume konnte nur verlieren und was sollte aus ihrer Großmutter werden, wenn sie nicht mehr in der Lage war das Geld für Nahrung und Kleidung zu beschaffen? Hinagiku jedoch schien keinen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden, die ihr Vorhaben für das Dienstmädchen haben würde, sondern verlangte lediglich zu wissen: „Eines noch: Kannst du reiten?“ Als Inochiyume diese Frage verneinte, klang die Stimme der Prinzessin für einen Moment ungehalten, bevor sie sich mit der Tatsache abzufinden schien: „Was lernt ihr eigentlich von euren Eltern? – Nun gut, es war wohl nicht anders zu erwarten, dann wird es so gehen müssen. Du darfst dich entfernen.“ Damit war Inochiyume entlassen und die Zofe erhielt zugleich einen Wink das Mädchen zu begleiten und dafür zu sorgen, dass Hinagiku auf der Reise möglichst wenig beeinträchtigt wurde. Sobald die junge Dienerin und die ältliche Zofe die Räumlichkeiten der Prinzessin verlassen hatten, atmete das Mädchen tief durch, bemüht wieder einen klaren Kopf zu bekommen und einen Weg zu finden, bei der ganzen Sache doch noch glimpflich davon zu kommen. Gleichzeitig wurde sie von Fuse darüber instruiert, was alles für die Bequemlichkeit der Prinzessin zu erledigen war und woran Inochiyume unbedingt zu denken hatte. Während einer kurzen Pause in der scheinbar endlos langen Liste, stellte das Mädchen vorsichtig die Frage, was Nagasawa-sama von dem Vorhaben seiner Tochter hielt und bekam darauf die Antwort, dass dieser nichts davon wissen und wenn alles gut ging auch nie erfahren würde, da Hinagiku Fuse angewiesen hatte, während der Abwesenheit der Prinzessin eine Krankheit vorzutäuschen und niemanden zu ihr vorzulassen, abgesehen von dem Heiler, der von der Prinzessin bestochen worden war. Nachdem Fuse ihre Erklärung beendet hatte, offenbar stolz darauf, das uneingeschränkte Vertrauen der Prinzessin zu genießen, fragte Inochiyume zaghaft: „Aber wäre es nicht einfacher Hime-sama würde ihrem Verlobten offiziell zu dessen Wohnsitz folgen?“ Fuse winkte wegwerfend ab: „Die Verlobung ist noch nicht offiziell. Hinagiku-hime hatte ihrem Vater zwar das Einverständnis dafür abgerungen, nachdem Haru-san die Bestie aus dem Wald getötet hatte, aber das sollte erst bei der Zeremonie bekannt gegeben werden und nachdem er vom ersten Berater adoptiert worden wäre, damit Nagasawa-sama nicht das Gesicht verliert, weil er einen einfachen Soldaten als Schwiegersohn hat.“ „Und Haru-dono hat in die Verlobung eingewilligt?“, erkundigte Inochiyume sich neugierig und biss sich gleich darauf auf die Lippen, besorgt dass sie zu dreist gewesen oder die Zofe bemerken würde, dass diese Frage aus persönlichem Interesse heraus gestellt worden war. Doch Fuse schien nichts dergleichen zu ahnen oder die Frage des Mädchens seltsam zu finden, sondern erwiderte lediglich: „Ich nehme an, sie hätten ihn vor der Zeremonie der Form halber gefragt, wer wäre schließlich so dumm die Hand einer Fürstentochter und damit auch die Nachfolge von Nagasawa-sama auszuschlagen?“ Inochiyume war seltsam erleichtert, dass Haru-dono eine so gravierende Tatsache, wie seine bevorstehende Hochzeit, ihr und ihrer Großmutter nicht einfach vorenthalten hatte, sondern offenbar selbst noch nichts von seinem Glück wusste. Es hatte erstaunlich weh getan, als sie annehmen musste, dass er offenbar keinen von ihnen Beiden für vertrauenswürdig genug gehalten hatte, ihnen diese Tatsache mitzuteilen, mochte diese für ihn auch noch so nebensächlich gewesen sein. Andererseits bedeutete die Tatsache, dass die Prinzessin trotz der nichtoffiziellen Verlobung Haru-dono nachreisen wollte, dass diesem nichts andere übrig bleiben würde, als Hinagiku-hime zu heiraten, um die Ehre beider wieder herzustellen, falls je herauskäme, dass die Prinzessin ihm ohne angemessene Eskorte und Begleitung aus eigenem Antrieb nachgereist war. Es sei denn, er fand rechtzeitig einen zufriedenstellenden Ersatz, der sowohl den Stolz Nagasawa-samas genügte, als auch dem Schönheitssinn seiner Tochter – und deren Temperament gewachsen war. Nachdem Fuse alle Anweisungen, die sie für notwenig hielt, erteilt und Inochiyume es gewagt hatte, hin und wieder Einwände vorzubringen, wenn ihr etwas gar zu abwegig und für die Reise als unpassend erschien, teilte ihr Fuse noch die Details für den Aufbruch am Abend mit und entließ Inochiyume dann mit dem Auftrag, sich um die Vorbereitungen zu kümmern und es Fuse zu überlassen sie bei der Karei für unbestimmte Zeit zu entschuldigen. Erleichtert, dass sie sich offenbar zumindest um ihre Anstellung im Schloss vorerst keine Sorgen zu machen brauchte – auch wenn das in ihrer Situation vollkommen belanglos war -, verließ Inochiyume bald darauf das Schloss und wollte sich auf den Weg ins Dorf machen, als ihr ein Gedanke kam, der dafür sorgte, dass sie den kurzen Umweg über die Soldatenunterkünfte nahm, nach einiger Suche schließlich Kaoru-san ausfindig machte und ihn fragte, ob er einen Moment für sie Zeit habe. Kaoru hatte, und so schlenderten die Beiden bald darauf gemeinsam durch das Dorf zur Hütte von Inochiyume und ihrer Großmutter. Ayako wirkte ein wenig erstaunt, als sie diesen seltenen Gast bei sich begrüßte, ließ jedoch keine einzige spöttische Bemerkung hören, sondern lauschte ebenso schweigend und aufmerksam wie Kaoru dem Bericht ihrer Enkelin, der sich auf die tatsächlichen Fakten beschränkte und mit Inochiyumes Bitte um Hilfe an Kaoru endete. „Ich weiß, dass ich viel verlange, Kaoru-san, aber wenn Hinagiku-hime etwas zustößt, dann…“ „Du musst nicht weitersprechen“, unterbrach Kaoru das Mädchen beschwichtigend und lächelte freundlich, „ich werde dir helfen, mach dir keine Sorgen. – Ich werde euch mit einigem Abstand folgen, damit Hime keinen Verdacht schöpft und du Probleme bekommst, weil du dich ihr widersetzt hast, und wenn es Ärger gibt, werde ich nah genug sein, um euch helfen zu können.“ Inochiyume lächelte erleichtert, „Vielen Dank, Kaoru-san, ich hoffe, ich kann das eines Tages wieder gut machen.“ „Oh, ich wüsste da eine Möglichkeit“, Kaoru lächelte vieldeutig, „aber ich denke, darüber reden wir, wenn wir diese Angelegenheit erfolgreich erledigt haben.“ Inochiyume wirkte bei Kaorus Bemerkung verwundert, nickte jedoch lediglich zustimmend, ohne nachzufragen, worauf sich die Andeutung des Vizekommandanten beziehen mochte. Ayako hingegen hatte bei den Worten des Kriegers diesen kritisch und gründlich gemustert, als wäre er ein Stück Fisch, von dem sie überlegte, ob sie es kaufen sollte. Nichts in ihrem Gesicht verriet allerdings zu welchem Ergebnis sie bei dieser Musterung gekommen war und sie verlor kein Wort darüber, stattdessen mahnte sie ihre Enkelin endlich mit den Vorbereitungen für die Reise zu beginnen, wenn sie noch vor Einbruch der Dunkelheit fertig werden wollte. Inochiyume nickte zustimmend, während sie sich gleichzeitig erhob, sich noch einmal bei Kaoru für dessen Hilfe bedankte und sich anschließend daran machte, alles Notwendige zusammen zu packen. Unterdessen verließ der stellvertretende Kommandant die Hütte der beiden Frauen, um seine eigenen Vorbereitungen zu treffen und ging Ayako den üblichen täglichen Verrichtungen nach, als wäre nichts Besonderes vorgefallen. Als Inochiyume schließlich alles beisammen hatte, was sie brauchen würde, setzte sie sich ein letztes Mal mit Ayako an die Feuerstelle, um mit ihr gemeinsam zu essen, auch wenn sie keinen richtigen Appetit verspürte bei dem Gedanken an die bevorstehende Reise. Dennoch nahm sie ihrer Großmutter zuliebe einige Bissen des vorbereiteten Essens zu sich. Keine der beiden Frauen sprach an diesem Abend viel, in stillem Einverständnis verbrachten sie die wenige ihnen noch verbleibende Zeit so, als wäre dies ein vollkommen normaler Tag, auf den ein weiterer gänzlich alltäglicher Tag folgen würde. Kurz bevor es für Inochiyume Zeit wurde sich an dem vereinbarten Treffpunkt einzufinden, regte sich plötzlich der Rabe in seinem Krankennest, den das Mädchen an dem Tag, als Haru den Mantikor getötet, im Wald gefunden hatte. Der Rabe hüpfte etwas unbeholfen zu dem verschnürten Bündel, in das Inochiyume die wenigen Sachen für ihren eigenen Bedarf gepackt hatte, und ließ sich darauf nieder, als wollte er damit sagen, dass er beabsichtigte mitzukommen. Verblüfft hatten die beiden Frauen dieses Verhalten beobachtet, bevor Inochiyume den Raben schließlich von dem Bündel hob, ihn vorsichtig wieder in sein Nest setzte und ihm erklärte: „Du bleibst, besser hier, bis du auskuriert bist. Bā-chan kann sich hier viel besser um dich kümmern.“ Doch entweder verstand der Rabe diese Worte nicht oder er hielt nichts von ihnen, denn kaum hatte Inochiyume sich abgewandt, war er auch schon erneut aus dem Nest gesprungen und ließ sich gleich darauf wieder auf dem Bündel nieder. Ungläubig schüttelte Inochiyume den Kopf, machte sich aber dennoch die Mühe den Raben wieder zurück in sein Nest zu tragen, nur damit dieser kurze Zeit später wieder auf dem Bündel saß. Nachdem sie dieses Spiel eine zeitlang erfolglos betrieben hatten, ohne dass eine Seite gewillt war nachzugeben, erklärte Ayako, die das Ganze amüsiert beobachtet hatte, schließlich: „Lass es gut sein, Yume-chan, und nimm ihn mit, wer weiß wofür es noch gut sein mag.“ „Aber wie soll ich mich denn unterwegs richtig um seine Verletzungen kümmern, ich werde auch so schon alles Hände voll zu tun haben“, widersprach das Mädchen mit gerunzelter Stirn und einem ungehaltenen Blick auf den störrischen Raben. „Du wirst das schon irgendwie schaffen“, erklärte Ayako unbesorgt und fügte hinzu: „Du solltest dich allmählich sputen, wenn du Hime nicht durch langes Warten verärgern willst.“ Inochiyume biss sich auf die Lippe, nickte knapp und seufzte schließlich, den Raben auf dem Bündel sitzen lassend. Anschließend verabschiedete sie sich von ihrer Großmutter, schnürte sich ein vollgepacktes Tragegestell auf den Rücken, das den Großteil der Dinge enthielt, die für das Wohlbefinden der Prinzessin notwenig waren, nahm dann das schmale Bündel mit ihren eigenen Sachen und dem darauf sitzenden Raben in die Hand, verließ die Hütte und machte sich auf den Weg zum Dorfausgang. Dort erwartete sie bereits ungeduldig, auf dem Rücken ihres Pferdes, die Prinzessin, nicht wie üblich in einen kostbaren mehrlagigen Kimono gehüllt, sondern in wesentlich praktischere und schlichtere Kleidung, die dennoch kostbar genug war, um Aufmerksamkeit zu erregen. Auch das Pferd trug noch einige weitere unbedingt notwendige Dinge für den täglichen Bedarf einer Prinzessin. Bei diesem Anblick seufzte Inochiyume gleich noch einmal, diese Reise würde mit Sicherheit kein Zuckerlecken werden. Sie konnte nur hoffen, dass es Kaoru gelang sie vor dem Großteil möglicher Gefahren zu beschützen, Hinagiku-hime in ihren Forderungen nicht allzu überzogen sein und Haru-dono sie nicht in der Luft zerreißen würde, wenn sie ihn schließlich gefunden hatten. Jede Menge Hoffnung also, ohne dass es eine Absicherung für den guten Ausgang des Unternehmens geben würde. Blieb nur noch zu hoffen, dass die Götter es sich vielleicht doch noch anders überlegten und ihnen nicht allzu übel mitspielen würden. Bei diesem Gedanken verzog Inochiyume ihr Gesicht zu einer Grimasse, schüttelte dann seufzend über sich selbst und ihre verdrehten Gedanken den Kopf und beschloss sich nicht weiter mit fruchtlosen Hoffnungen aufzuhalten, sondern sich darauf zu konzentrieren, was es im Augenblick zu bewältigen galt. Um alles andere konnte sie sich Sorgen machen, wenn es soweit war. „Du kommst zu spät“, lautete die ungehaltene Begrüßung Hinagikus, kaum das Inochiyume nah genug heran war, dass sie sie hören konnte, ohne dass die Prinzessin schreien musste. „Verzeiht, Hime-sama“, bat Inochiyume devot und verneigte sich höflich. „Schon gut, ich will nicht noch mehr Zeit verlieren, lass uns endlich aufbrechen“, befahl Hinagiku unwirsch und setzte ihr Pferd in Bewegung, davon ausgehend, dass Inochiyume ihr schon folgen würde. Diese warf noch einen letzten, prüfenden Blick in die Runde, konnte jedoch keine Spur von Kaoru entdecken und machte sich schließlich hastig daran Hinagiku zu folgen, nachdem sie das Licht in einer kleinen, mitgebrachten Sturmlaterne entzündet hatte, damit sie sich im Dunkeln nicht zu verirren würden. Haru und seine Begleiter hatten unterdessen bereits einen beachtlichen Teil ihres Weges zurückgelegt. In dem Bestreben sobald wie möglich seine Erinnerungen wieder zu bekommen, hatte Haru entschieden, dass er zusammen mit Jaken auf Ah-Un reiten würde, der sich an das Tempo InuYashas anpasste, der mit großen Sätzen neben dem Reitdrachen her sprang. Gegen Abend legten sie schließlich Rast ein, um dem Hanyō eine Pause zu gönnen, für den diese Art des Reisens vermutlich am anstrengensten gewesen war, auch wenn er nichts dergleichen je erwähnen würde. Sie hatten sich nicht die Mühe gemacht extra ein Feuer zu entzünden, sondern lediglich etwas von dem Proviant gegessen, bevor Jaken an Ah-Un gelehnt allmählich eindöste und die beiden Brüder jeweils sitzend an einen Baum gelehnt vor sich hin schwiegen, bis der Jüngere schließlich das Schweigen brach und erklärte: „Du solltest schlafen, sonst bist du nicht zu gebrauchen, wenn wir auf deinen Doppelgänger oder Sōunga und Ōjidai treffen.“ „InuYasha“, erwiderte Haru darauf nur mit eisiger Beherrschung, machte eine winzige Pause, als wolle er sicher gehen, dass sein Bruder ihm auch seine volle Aufmerksamkeit schenkte, und fügte dann ruhig hinzu: „Sag mir nie wieder was ich zu tun habe.“ Der Halbdämon verdrehte genervt die Augen, „Ja, ja, schon klar, der Herr Bruder ist sich immer noch zu fein dazu, Ratschläge anzunehmen. Aber so lange du ein Mensch bist, wirst du dich auch wie einer verhalten müssen und schlafen, wenn du überleben willst. – Glaub bloß nicht, ich hab mir den ganzen Ärger gemacht dich zu suchen, nur um am Ende zu zusehen, wie du von einer Tonpuppe erledigt wirst.“ „Ich mag es nicht, wenn man sich unnötige Sorgen um mich macht“, Harus Stimme klang noch immer zurechtweisend, aber ihr fehlte die verletzende Kälte, als nähme er die Sorge seines Bruders zur Kenntnis ohne sich davon angegriffen zu fühlen. Kurz schoss InuYasha die Frage durch den Kopf, ob das eine Folge des erzwungenen Menschseins war, verwarf den Gedanken jedoch gleich wieder und antwortete stattdessen auf die letzte Bemerkung seines Bruders: „Bild dir bloß nichts ein. Ich hab einen ganzen Berg von Dingen, die ich dir noch zurückzahlen will, also wag es ja nicht die von so einem dämlichen Spielzeug besiegen zu lassen, wenn dich jemand erledigt, bin ich das.“ „Große Worte, für jemanden wie dich“, erwiderte Haru mit einem Hauch Belustigung in der Stimme, bevor er wieder vollkommen ernst erwiderte: „Es wird sicher befriedigend sein, dich vom Gegenteil zu überzeugen.“ „Keh“, war alles was InuYasha darauf noch erwiderte, ehe erneut Schweigen zwischen den Brüdern herrschte und sie ruhig auf den Morgen warteten, um ihren Weg fortzusetzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)