Shiomari von abgemeldet (Waffen, Brüder und andere Probleme) ================================================================================ Kapitel 6: Probe aufs Exempel ----------------------------- Als Sesshōmaru langsam erwachte, fühlte er sich als wäre er ein kranker, schwacher und äußerst ungepflegter Mensch – ein Gefühl, das er alles andere als erquicklich fand. Noch bevor er die Augen öffnete, hatte ihm sein Geruchssinn bereits mitgeteilt, dass er sich noch immer in der winzigen Hütte befand, die er zusammen mit Tomoki betreten hatte. Ebenso wusste er bereits, dass das Feuer inzwischen gelöscht worden war und er sich vollkommen allein in dem Raum befand, in dem es nach Schweiß, Blut, verbrannter Haut und einer Vielzahl anderer Dinge stank. Als er die Augen öffnete, fand er bestätigt, was ihn seine Nase hatte wissen lassen, stützte sich mit den Händen ab und setzte sich auf. – In diesem Moment mehr als nur froh darüber, dass niemand da war, um seine unverzeihliche Schwäche mit anzusehen. Während er seine Gedanken sortierte, um die vergangenen Ereignisse in eine logisch nachvollziehbare Reihenfolge zu bekommen, stellte er fest, dass er nur sehr bruchstückhafte Erinnerungen an die Ereignisse hatte die zwischen seinem Erwachen und dem Beginn der Prozedur lagen, ihm einen zweiten Arm anzupassen. Bei dem Gedanken an die Prothese wanderte sein Blick zu seiner linken Körperseite und entdeckte dort das linke Pendant zu seinem rechten Arm, an dem nichts darauf hinwies, dass es jemals nicht zu ihm gehört haben könnte. Neugierig hob er seinen neuen Arm, um zu prüfen, wie tauglich er war und stellte fest, dass er ihn völlig problemlos beugen, strecken, heben und senken konnte. Auch die Finger ließen sich ohne Schwierigkeiten bewegen und noch besser, auch zur Giftklaue versteifen. So, wie es aussah, war dieser Arm eine hervorragende Arbeit. Nachdem er seinen Arm ausgiebig und gründlich geprüft hatte, ließ er seinen Blick zu seiner rechten Seite wandern, von der ihm seit geraumer Weile ein unterschwelliger, zarter Geruch in die Nase stieg. Er hatte ihn zunächst nicht bewusst wahrgenommen, abgelenkt durch die anderen, wesentlich stärkeren Gerüche. Aber je länger er ihn einatmete, umso Aufmerksamkeit heischender wurde er – und umso verlockender. Es war das erste Mal, dass ein Duft Sesshōmaru das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ und er konnte noch nicht einmal sagen, um was für einen Geruch es sich handelte. Während er den Blick von einer Seite zur anderen wandte, bemerkte er dass seine ehemals weiße Hakama nun völlig durch Lehm und Blut verdreckt war und das, was einmal seine Uwagi gewesen war, in einzelnen Fetzen an ihm herabhing. Während er mit einer gewissen Verblüffung auf seine derangierte Kleidung starrte, fragte er sich, in was für einen Kampf er verwickelt worden sein mochte, um so auszusehen und sich nicht daran erinnern zu können. Gleich darauf glitt sein Blick suchend in die Ecke des Raumes, in der Mitsuki zuvor seine Rüstung und Tōkejin abgestellt hatte und stellte fest, dass sich nicht nur Rüstung und Tōkejin nach wie vor dort befanden, sondern auch Tenseiga an der Wand lehnte. Schließlich setzte er sein ursprüngliches Vorhaben, herauszufinden was diesen verlockenden Duft verursachte, in die Tat um und blickte rechts von sich auf den Boden. Dort stand unmittelbar in seiner Reichweite ein flacher Teller auf dem zum wiederholten Mal eine der ungewöhnlichen Heterizüchtungen lag. Dieses Mal handelte es sich um Früchte von der Größe einer Kinderfaust, mit unregelmäßiger Form und einer eisblauen Schale, die aus sich selbst heraus zu leuchten schien. Je länger er diese Früchte betrachtete, umso größer wurde das Verlangen in eine hinein zu beißen. Da er davon ausging, dass die Früchte mit Bedacht so dicht neben ihn gestellt worden waren und in Anbetracht dessen, dass er allein war, gab er dem Verlangen schließlich nach, ergriff eine der Früchte und biss hinein. Blutrot war das Fruchtfleisch, blutrot der Saft, der sofort begann über Kinn und Finger zu laufen. So widerwärtig die Fusoji gewesen, so köstlich waren nun diese Früchte. Je mehr er von ihnen aß, umso besser fühlte er sich und im Stillen bedauerte er es tief, als er schließlich die letzte Frucht gegessen hatte. Mit neu erlangter Energie erhob er sich letztendlich und verließ die winzige Hütte. Vor dieser traf er Rin und Jaken an, die geduldig auf ihn gewartet hatten. Rin strahlte vor Freude, als sie ihn endlich aus der Hütte treten sah und auch Jaken wirkte ungemein erleichtert seinen Herrn unversehrt wieder zu sehen. Nachdem er von den Beiden erfahren hatte, dass er beinahe zwei Tage in dieser Hütte gewesen war und in dieser Zeit äußerst besorgniserregende Geräusche zu hören gewesen waren, befahl Sesshōmaru Jaken, er solle sich um Rüstung und Schwerter kümmern, und ging anschließend auf direktem Weg zur Badestube. Sobald er sich von Schmutz und Schweiß gereinigt hatte und die, wie erwartet, daliegenden neuen Kleider sowie Rüstung und Schwerter wieder angelegt hatte, machte er sich auf den Weg zu der Lichtung, auf der sich Shiomari befand. Er war sich sicher dort auch mindestens einen der beiden Gastgeber zu finden. Tatsächlich stand Mitsuki gelassen wartend mitten auf der Lichtung, als Sesshōmaru diese betrat. Von Tomoki fehlte jede Spur, was jedoch nicht viel heißen mochte, dieses Wesen hatte bisher ein erstaunliches Talent bewiesen aus dem Nichts aufzutauchen und zu verschwinden. Während Sesshōmaru auf Mitsuki zu lief, fragte diese: „Kannst du deinen Arm gebrauchen?“ Als Antwort hob der Dämon lediglich ein wenig seinen linken Arm und ließ die Finger bedrohlich knacken. Er konnte sich nicht genau genug an die vergangenen zwei Tage erinnern, aber sein Instinkt sagte ihm, dass es mehr als unangenehm und entwürdigend für ihn gewesen war und dass die Frau vor ihm einen Gutteil der Verantwortung dafür trug. Noch beherrschte er seinen Unmut und erkundigte sich mit kühler Neugier: „Was für eine Art Magie hast du für dieses Ritual verwendet?“ „Mak Ba’el. Sie ist vor knapp zweitausend Jahren in Vergessenheit geraten, weil sie zu gefährlich ist“, erwiderte Mitsuki gelassen. „Warum hast du sie dann angewendet?“, Sesshōmarus Unmut wuchs weiter und wurde auch nicht durch den verwunderten Blick Mitsukis gemildert, der zu besagen schien, dass er die Antwort auf diese Frage eigentlich wissen müsste, dennoch erwiderte sie: „Es war der einzige Weg.“ Bevor die beiden ihre Unterhaltung fortsetzen konnten, rannte auf einmal Tomoki mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf sie zu, riss im Laufen Tōkejin und Tenseiga aus ihren Scheiden und war im nächsten Moment auch schon wieder hinter Mitsuki im Wald verschwunden. Die ohnehin schon in Sesshōmaru schwelende Wut, nahm nun überhand, das Weiß seiner Augen verfärbte sich rot, während er bereits die Verfolgung Tomokis aufnahm. Im gleichen Augenblick wurde er jedoch von Mitsuki aufgehalten, die sich ihm in den Weg stellte. Ohne zu zögern, setzte Sesshōmaru die Giftklaue ein, um den Weg frei zu bekommen. Statt jedoch die Schulter Mitsukis zu verwunden, löste sich nur der Yukata an der Stelle auf, bevor Sesshōmaru das Gefühl hatte auf undurchdringlichen Stahl zu treffen. Mitsuki sah ihn unterdessen völlig ungerührt an und äußerte: „Benutz deine linke.“ Der Hundeyōkai hörte jedoch nicht darauf, sondern sprang ein Stück zurück und erzeugte an den Fingern seiner rechten Hand die Energiepeitsche. Wieder ließ Mitsuki den Angriff unbeeindruckt über sich ergehen und wiederholte lediglich: „Benutz deine linke Hand.“ Da Mitsuki keinerlei Anstalten machte ihn anzugreifen, entschied Sesshōmaru, dass er sich zunächst seine Schwerter zurückholen würde, bevor er dafür sorgte, dass sowohl Mitsuki als auch Tomoki ihren letzten Atemzug taten. Als der Yōkai sich jedoch mit diesem Entschluss von Mitsuki abwandte, um die Verfolgung Tomokis aufzunehmen, stellte sich ihm die dunkelhaarige Frau erneut in den Weg. Verärgert ließ Sesshōmaru ein weiteres Mal die Energiepeitsche aufleuchten und auf Mitsuki niedersausen. Wieder traf diese erfolglos auf die junge Frau, zerfetzte lediglich ihre Kleidung noch ein wenig mehr, während Mitsuki zum dritten Mal ihre Aufforderung wiederholte. Entschlossen sie für den Moment nicht mehr zu beachten, sprang Sesshōmaru in die Luft und ließ eine kleine Wolke aus Yōki um seine Füße entstehen, um Tomoki auf diese Weise zu folgen. Offenbar hatte er die richtige Entscheidung getroffen. Denn so wie es aussah, war Mitsuki nicht in der Lage es ihm gleich zu tun. Statt nun jedoch einfach zu zusehen, wie er die Verfolgung Tomokis aufnahm, bewegte sich Mitsuki mit einer Geschwindigkeit, die sie für Sekunden verschwinden ließ, über die Lichtung. Erklomm ebenso behände einen Baum und sprang im letzten Moment, bevor der Dämon die Lichtung verlassen hatte, in dessen Richtung. Sie packte seinen rechten Arm und drehte ihm diesen auf den Rücken, während sie durch ihren eigenen Schwung getragen, gleichfalls auf dem Rücken des Dämon landete. Der war von diesem Angriff alles andere als angetan und benutzte nun tatsächlich seine linke Hand, um sie Mitsuki um den Hals zu legen, ihr die Luft abzudrücken und gleichzeitig zu versuchen, sie von seinem Rücken herunter zu bekommen. Da sie jedoch nicht von ihm abließ, kehrte er schließlich wieder auf den Boden der Lichtung zurück und presste sie mit seinem Gewicht gegen einen Baumstamm. Diesem Druck hatte Mitsuki schließlich nichts mehr entgegen zu setzen und so ließ sie los. Nur um erneut anzugreifen, kaum dass der Hundedämon ihr die geringste Möglichkeit dazu bot. Dieses Mal kam Sesshōmaru ihrem Wunsch nach, benutzte nicht nur seine rechte, sondern auch seine linke Klaue, um Mitsuki anzugreifen. Der einsetzende Hagel aus Dämonenenergie und Gift hinterließ nicht mehr nur an dem Yukata seine Spuren, sondern auch auf der darunter befindlichen Haut Mitsukis. Deren Reaktion bestand jedoch nicht etwa darin aufzugeben oder sich zurückzuziehen, sondern in einem anerkennenden Nicken und der Bemerkung: „Gut. Jetzt deine natürliche Gestalt.“ Als Sesshōmaru diese Worte hörte, hielt er abrupt inne und starrte auf das Wesen vor sich. „Was soll das?“, fragte er schließlich in scharfem Tonfall, der jeden anderen um sein Leben hätte fürchten lassen. „Ein durch Mak Ba’el angepasstes Körperteil muss innerhalb von zwölf Stunden nach dem Ende der Verwandlung in all seinen Funktionen und Fähigkeiten angewendet werden, sonst beginnt es sich zu zersetzen. Da wir nicht mehr viel Zeit haben, erschien mir dieser Weg als der kürzeste“, erklang auf einmal die Stimme Tomokis neben ihm, der noch immer die Schwerter des Dämons in der Hand hielt. „Du solltest dich also mit deiner Verwandlung zum Hund beeilen, viel Zeit hast du nicht mehr.“ Regungslos hatte Sesshōmaru dieser Erklärung gelauscht. Da er auf Tomokis Worte nicht umgehend reagierte, bestätigte Mitsuki dessen Aussage noch einmal, während Tomoki dem Yōkai dessen Schwerter zurückgab und anschließend zu Mitsuki hinüberging. „Mir scheint, Mak Ba’el macht dir inzwischen mehr zu schaffen als früher. So mitgenommen hast du das letzte Mal nicht ausgesehen“, stellte Tomoki an Mitsuki gewandt fest, während er ihr einen Haori über die Schultern und den kaputten Yukata legte. „Es ist eine Weile her, seit dem letzten Mal und Tarō war bei weitem nicht so stark. Deshalb waren die Nachwirkungen des Mak Ba’els auch nicht so gravierend“, erwiderte diese ruhig, bevor sie an Sesshōmaru gewandt äußerte: „Die zwölf Stunden sind bald um, es wäre wirklich besser du verwandelst dich. Sonst war alles umsonst und einen zweiten Versuch gibt es für diese Dinge nicht.“ Ohne sich die Mühe zu machen darauf zu antworten, stand Sesshōmaru einen Moment später als riesiger, rotäugiger Hund mit silbrig rauchgrauem Fell vor ihnen, der sich gleich darauf auf und davon machte, um seine wiedergewonnene Vierbeinigkeit auszutesten. Als er schließlich auf die Lichtung zurückkehrte, wurde er bereits von Tomoki und Mitsuki erwartet. Sobald Sesshōmaru sich wieder in seine menschenähnliche Form verwandelt hatte, stellte Tomoki sachlich fest: „Du hast es also rechtzeitig geschafft, dann können wir mit dem eigentlichen Training weitermachen.“ Obwohl es Sesshōmaru entschieden gegen den Strich ging, sich einem Anderen unterordnen zu müssen, fügte er sich doch in diesem Fall. Shiomari aus dem Stein zu ziehen, war nach einem Monat Übung unter Tomoki bei weitem keine Anstrengung mehr, auch nicht mit nur einem Arm. Allerdings musste Sesshōmaru seinem Lehrmeister im Stillen Recht geben, dass es um ein Wesentliches einfacher war Shiomari mit zwei Händen führen zu können. Überrascht stellte er fest, dass sein linker Arm seinem rechten an Stärke ebenbürtig war, offenbar eine weitere Zugabe der verwendeten Magie. Es dauerte noch eine weitere Woche bis Tomoki schließlich verkündete, es sei nun Zeit für die letzte Prüfung, die entscheiden sollte, ob Shiomari in den Besitz Sesshōmarus übergehen würde. Ohne sichtbare Regung hatte der Dämon diese Information entgegengenommen und fand sich am folgenden Tag wie üblich auf der Lichtung ein, um zu erfahren welcher Art diese Prüfung war. Zu seinem Erstaunen, das er wohlweislich verbarg, stellte er fest, dass sich erneut lediglich Mitsuki auf der Lichtung befand und ihn zu erwarten schien, dieses Mal mit einem Katana in der Hand, dessen Klinge und Griff ein reines Weiß aufwiesen. Mit äußerster Wachsamkeit schritt der Hundeyōkai auf die in Uwagi, Hakama und Strohsandalen gekleidete Frau zu. Das letzte Mal, als sie allein auf der Lichtung gestanden hatte, hatte er seine beiden Schwerter verloren, etwas derartiges sollte kein zweites Mal geschehen. „Du wirst mit Shiomari gegen mich antreten. Gelingt es dir den Stein auf meiner Brust mit dem Schwert zu berühren, gehört Shiomari dir.“ Mit leicht verengten Augen hatte Sesshōmaru der Erklärung gelauscht, wandte sich schließlich jedoch ab und holte schweigend das Schwert aus dem Stein. Als er zu Mitsuki zurückgekehrt war, befahl diese ruhig: „Greif an!“ Was sich der Yōkai kein zweites Mal sagen ließ und mit blitzartiger Geschwindigkeit auf Mitsuki zuflog, Shiomari so haltend, dass er seine Gegnerin von unten nach oben aufschlitzen würde. Diese jedoch parierte den Schlag völlig gelassen, ebenso wie jeden der darauf folgenden Angriffe. So frustrierend diese ständigen erfolglosen Angriffe für Sesshōmaru waren, so faszinierend war die Kampftechnik Mitsukis, die völlig konträr zu der Tomokis war. Ihre war eindeutig defensiver Natur, Tomokis aggressiver, einzig Geschwindigkeit und Können waren einander gleich. Während sich die Klingen der beiden Kontrahenten immer wieder aufs Neue trafen und wieder trennten, gegeneinander klirrten und von einander abprallten, erkundigte sich Mitsuki gelassen: „Möchtest du wissen, was geschieht, wenn du verlierst?“ „Ich werde nicht verlieren“, lautete die mit entschlossener Ruhe vorgebrachte Erwiderung Sesshōmarus, bevor er ein Stück zurücksprang, die Klingen auf diese Weise erneut trennend und gleich darauf einen weiteren Angriff startend, während er hinzufügte: „Ich werde dich töten.“ Bei diesem Satz blitzte tatsächlich Erheiterung in den Augen der dunkelhaarigen Frau auf, während sie erklärte: „Das hat bisher jeder Krieger gesagt. Versuch es, aber verlier dabei nicht die eigentliche Aufgabe aus den Augen.“ Kaum hatte sie ihren Satz beendet, ging sie zum Angriff über und zerschnitt im nächsten Augenblick mühelos die schützende Rüstung des Hundedämons. Es gelang Sesshōmaru die darauf folgenden Angriffe abzuwehren und seinerseits wieder anzugreifen, Mitsuki erneut in die Verteidigung drängend. Aber er hatte bereits erkannt, dass er auf diese Weise weder in der Lage sein würde seine Drohung wahr zu machen, noch die gestellte Aufgabe zu erfüllen. Er würde es anders versuchen müssen und so ließ er es zu, dass Mitsuki, eine Lücke in seinen Angriffen nutzend, erneut ihrerseits zum Angriff überging. Kurz bevor ihr Schwert seinen ungeschützten Oberkörper mit voller Wucht getroffen hätte, drückte er Shionmaris Klinge dem Angriff entgegen, stoppte ihn und zwischen den beiden Gegnern begann eine Kraftprobe, wer wessen Schwert zur Seite drängen würde. Das war der Moment auf den Sesshōmaru gewartet hatte, es würde riskant sein, wenn er nicht schnell genug war, würde am Ende er derjenige sein, der aufgeschlitzt am Boden lag, dennoch würde er es versuchen. Er schob die Klinge Shiomaris über Mitsukis Schwert, bis dessen Klinge auf das Heft Shiomaris traf, gleichzeitig drückte er sein Schwert weiter auf Mitsuki zu, die darauf ebenfalls mit verstärktem Druck reagierte. Im nächsten Moment wirbelte Shiomari durch die Luft. Mitsuki war es mit einer Drehung ihres Schwertes und einer weiteren Kraftanstrengung gelungen, Sesshōmaru das Schwert aus der Hand zu schlagen, wobei für Sekunden ein hohes, kreischendes Geräusch erklang, das für die empfindlichen Ohren des Hundedämons schon unangenehm schrill war. Mit atemberaubender Geschwindigkeit gelang es Sesshōmaru wieder in den Besitz Shiomaris zu kommen, das ihm mit einem Mal leichter als zuvor erschien. Bevor er jedoch erneut angreifen konnte, hob Mitsuki die Hand, „du hast die Prüfung bestanden, Shiomari hat den Stein auf meiner Brust berührt. Es gehört dir.“ Im nächsten Moment streckte sie ihre linke Hand, in der sie ihr Schwert gehalten hatte, zur Seite und ließ es los. Nur einen Augenblick später stand Tomoki neben Mitsuki, während von dem Schwert nichts mehr zu sehen war. Gleichmütig war Sesshōmaru auf die Beiden zugekommen, Shiomari in der Hand haltend, dessen Spitze jedoch zu Boden wies. „Jetzt gibt es nur noch eines für dich zu tun, um die Macht Shiomaris nutzen zu können: Nenn uns beim Namen“, erklärte Mitsuki dem Yōkai vor ihr ruhig und schien ebenso wie Tomoki auf eine Reaktion zu warten. Sesshōmaru jedoch schwieg. Ihre Namen? Er ging davon aus, dass es sich dabei nicht um die Namen handelte, die Rin ihnen gegeben hatte, das wäre wohl zu einfach. Also versuchte er es zunächst mit dem Namen des Schwertes, „Shiomari.“ Mitsuki schüttelte den Kopf und erklärte gleichmütig: „Nicht was wir sind. Wer wir sind.“ „Er weiß es wohl immer noch nicht oder er erinnert sich nicht“, konstatierte Tomoki mit einer gewissen Resignation in der Stimme und wandte sich anschließend ab, um etwas aus der Felsspalte zu holen, aus der er am ersten Trainingstag auch die Schwerter hervorgeholt hatte. Es handelte sich um eine hölzerne, lackierte Schwertscheide, die er Sesshōmaru anschließend wortlos in die Hand drückte. Anscheinend davon überzeugt, dass dieser sehr wohl wusste, um wessen Hülle es sich handelte. Sesshōmaru hatte zunächst die beiden Wesen vor sich mit leicht verengten Augen taxiert und dann auf das Schwert in seiner rechten Hand herabgesehen. Er wusste, dass er ihre Namen bereits mehr als einmal gehört hatte, warum konnte er sich nicht an sie erinnern? Ein plötzlich einsetzendes, dumpfes Pochen in seinem linken Arm lenkte ihn von seinen intensiven Überlegungen ab. Er starrte auf seinen Arm und runzelte irritiert die Stirn. Mitsuki und Tomoki hatten doch gesagt, er hätte es rechtzeitig geschafft den Arm zu gebrauchen, wieso begann der jetzt anscheinend ein Eigenleben zu entwickeln? Aber diese Frage löste sich augenblicks in Rauch auf, als mit dem stärker werdenden dumpfen Pochen in seinem Arm, eine nebelhafte Erinnerung aus seinem Unterbewusstsein aufstieg. Es handelte sich nicht einmal um eine konkrete, bildhafte Erinnerung, es war nur ein Wort, ausgesprochen ohne weiteren Zusammenhang oder eine Erklärung. Sesshōmaru konzentrierte sich auf diese Erinnerung und schließlich gelang es ihm, das Wort zu verstehen. Er blickte auf die beiden wartenden Gestalten vor ihm und äußerte ruhig: „Shioken.“ Kaum dass die letzte Silbe seinen Mund verlassen hatte, wurde aus der sehnig schlanken Gestalt Tomokis ein Band gleißend weißer Energie, dass auf Sesshōmaru zu zurasen schien und gleich darauf von der Schwertspitze Schiomaris aufgesogen wurde. Nun waren Klinge und Griff Shiomaris in reines Weiß getaucht und auf dem Griff des Schwertes, direkt unter dem Heft, war eine hervorragende Goldschmiedearbeit eingelassen, in deren Mitte sich ein blutroter Schmuckstein befand. Prüfend besah sich Sesshōmaru diese Veränderung und stellte nicht nur fest, dass das Schwert ein weiteres Mal leichter geworden war, sondern dass es nun zu pulsieren schien… Nein, das war nicht das richtige Wort, es pulsierte nicht, es rief jemanden oder etwas. Während er auf dieses Rufen lauschte, blickte er zu Mitsuki, versuchte sich auf sie, statt auf das Rufen zu konzentrieren. Denn offenbar bestand der Trick bei der Findung der Namen darin, sich nicht angestrengt zu bemühen sie in Erfahrung zu bringen. Sobald Mitsuki bemerkte, dass der Hundedämon sie ansah, erklärte sie ruhig: „Wenn du deinen Finger auf den Stein legst und ‚saikō suru’ sagst, wird er wieder als Person vor dir stehen.“ Für einen winzigen Moment war der Dämon versucht, diese Aussage zu überprüfen. Dann jedoch äußerte er lediglich den Namen, den das Schwert rief, seit Shioken sich darin befand. „Marmori.“ Da, wo eben noch die junge Frau in Uwagi und Hakama gestanden hatte, befand sich nun eine Säule so dunkelblauer Energie, dass sie fast schwarz wirkte. Im nächsten Moment wurde auch sie von der Schwertspitze aufgesogen, sodass Griff und Klinge nun eine irritierend komplizierte Maserung aus hell und dunkel besaßen und sich auch auf der anderen Seite des Griffs eine Goldschmiedearbeit befand, deren Zentrum ein bläulich schwarzer Stein bildete. Shiomari schien jetzt nicht mehr als eine Feder zu wiegen, offenbar waren sowohl das irrsinnige Gewicht zu Beginn, als auch die Unverständlichkeit der wirklichen Namen der beiden Hälften Shiomaris Sicherheitsvorkehrungen, um es nicht in falsche Hände gelangen zu lassen. Shiomari in dessen Scheide und anschließend zu seinen anderen Schwertern steckend, kehrte Sesshōmaru zu Rin und Jaken zurück. Er entschied, dass es nach all den Prüfungen, die ihm zugemutet worden waren, nun an der Zeit war, Shiomari auf sein Können zu prüfen. Und er wusste auch schon sehr genau, an wem er es prüfen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)