What happened 30 years ago von Peacer (The story of a young Turk) ================================================================================ Kapitel 5: Experimente ---------------------- Lächelnd wanderte Aireen durch ihre Heimatstadt, ihr Ziel klar vor Augen: ihr Elternhaus. Ihr kam es vor, als hätte sie ihre Familie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, weshalb sie sich auch sehr auf den Besuch freute. Sie klingelte. Kurz darauf wurde auch schon die Tür geöffnet und ihre Mutter schloss sie in eine warme Umarmung, bevor sie sie hereinbat. Im Wohnzimmer warteten ihr Vater und Bruder auf sie, der sich ebenfalls die Zeit genommen hatte, ihre Eltern zu besuchen. Weitere herzliche Umarmungen folgten bevor sie sich endlich setzen und über dies und jenes sprachen. Die Stimmung war heiter und Aireen fühlte sich ganz und gar wohl und geborgen. Dann durchzuckte ein starker Schmerz ihren rechten Arm und die Szene vor ihr verschwamm. Dunkelheit umhüllte sie und ein verrücktes Lachen war zu hören. Kurz glaubte sie ein Gesicht zu erkennen, doch bevor sie sich sicher sein konnte, verschwamm auch diese Szene und sie fand sich auf einer Wiese wieder. Verwundert sah sie sich um und bemerkte, dass die Wiese sich in beinahe alle Richtungen unendlich weit ausstreckte. Nur im Norden erkannte sie einen dichten Wald und dahinter den Umriss von hohen Bergen. Da Aireen keine Ahnung hatte, wo sie sich befand und ein Wald verlockender war als eine endlos lange Wiese, begab sie sich Richtung Norden. Nach einiger Zeit bemerkte sie kleine Rauchsäulen, die hinter dem Wald aufzusteigen schienen und schlussfolgerte, dass dort wohl ein Dorf lag. Als sie schließlich am Rande des Waldes angekommen war und der Weg bis ins Dorf nicht mehr weit schien kam ihr ein kleiner Junge entgegen gelaufen. „Da bist du ja endlich!“, rief er und umarmte sie stürmisch. Verdutzt ließ Aireen dies geschehen. Dann ließ der Junge auch schon von ihr ab, nahm sie an der Hand und zog sie Richtung Dorf, die ganze Zeit munter sinnloses Zeug plappernd. Plötzlich ließ der Junge ihre Hand los. Oder zumindest glaubte Aireen das als der Druck der kleinen Hand sie verließ. Als sie sich dann umsah entdeckte sie den Junge wie er, dicht gefolgt von einem Mädchen, ungestört weiterlief. Stirnrunzelnd folgte die Medizinstudentin den beiden ins Dorf. Dann wurde ihr bewusst, dass alles nur ein Traum war und ein solcher „Perspektivenwechsel“ nichts ungewöhnliches darstellte. Beruhigt sah sie sich nun in Ruhe um und stellte fest, dass sie sich wieder einmal in Nibelheim befand. Allerdings war das Dorf wohl noch in der Entstehungsphase. Nur eine handvoll Häuser schienen fertig, während an vielen anderen noch immer fleißig gebaut wurde. Und von der Shinra-Villa war weit und breit nichts zu sehen. Nach der Besichtigung des Dorfes wandte sich Aireen wieder dem kleinen Jungen zu, der inzwischen zusammen mit dem Mädchen vor einem fertigen Haus stand und wohl darauf wartete, dass jemand ihm die Tür öffnete. Sie nutzte die Zeit und nahm die beiden genauer unter die Lupe. Der Junge war etwa sieben Jahre alt, hatte kurzes, schwarzes Haar und eben so dunkle Augen, die von einer dicken Brille etwas vergrößert wurden. Eigentlich sah er genau so aus, wie die jüngere Version von... „Hojo“, flüsterte Aireen erstaunt. Keinen Zweifel, er musste es sein. Auf solche pechschwarzen Augen traf man nicht überall. Kurz wunderte sie sich, warum ihr das nicht früher aufgefallen war. Dann wurde ihr klar, dass sie den erwachsenen Hojo bisher nur mürrisch und zornig gesehen hatte, während der Junge hier fröhlich lachte. Nachdenklich wandte sie sich nun dem Mädchen zu, das sie bisher nur von hinten gesehen hatte. Und erstarrte. Gelocktes, braunes Haar rahmte ein lächelndes Gesicht und grüne Augen funkelten amüsiert, als das etwa zehnjährige Mädchen dem kleinem Hojo zuhörte. Nur allzu gut kannte sie dieses Gesicht. Denn es war ihr eigenes. Fassungslos starrte Aireen ihr gut 12 Jahre jüngeres Ich an und war dankbar, dass anscheinend niemand sie sehen konnte. Dann wurde die Tür geöffnet und sie erstarrte erneut. Denn in der Tür stand eine Frau, die wohl als die 20 Jahre ältere Version von Aireen am besten beschrieben war. Nur der etwas kürzere Haarschnitt und einige graue Strähnen sowie etliche Lachfalten unterschieden sie. Aireen löste sich rechtzeitig aus ihrer Starre um durch die Tür zu schlüpfen, die Hojo schon hinter sich zuzog. Hojo und ihre beiden Doppelgänger begaben sich ins Wohnzimmer und Aireen folgte ihnen. Dort nahmen die Kinder Platz während die ältere Frau in der anliegenden Küche verschwand, nur um kurz darauf mit Plätzchen zurückzukehren. Dann plauderten sie und Aireen verlor schnell das Interesse an dem Gespräch. Anstatt weiter zuzuhören sah sich genauer im Wohnzimmer um. Dieses war spärliche, aber behaglich und vor allem liebevoll eingerichtet. Vor allem die vielen Bilder an den Wänden hatten es ihr angetan. Was sie aber wohl am meisten interessierte waren die vielen Fotos, die überall standen. Fasziniert betrachtete sie Fotos von kleinen Hojos und vor allem ihrem jüngeren Ich. Sie hatte noch nie welche von vor ihrem zehnten Lebensjahr gesehen und – Aireen runzelte die Stirn. Wie war es dann möglich, Fotos in ihrem Traum zu sehen, die sie gar nicht kannte? Bevor sie sich allerdings weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte erklang hinter ihr ein spitzer Schrei und sie fuhr herum, um die junge Aireen zusammen gekrümmt und wimmernd auf dem Sofa liegen zu sehen. Besorgt näherte sie sich und legte ihr eine Hand auf die Schulter, wie um sie zu trösten. Dann war sie es plötzlich, die zusammen gekauert da lag und vor Schmerzen wimmern ihren Bauch umklammerte. Der kleine Hojo hockte weinend neben ihr. Ihr älteres Ich hatte den Raum verlassen, kam aber kurze Zeit später schon mit einem schwarzhaarigen Mann im Schlepptau zurück. Trotz ihrer Schmerzen kam Aireen nicht umhin dessen Ähnlichkeit mit Hojo zu bemerken; langes, schwarzes Haar wurde von einem Band zurückgehalten und eine dicke Brille saß auf seiner Nasenspitze. Ein wesentlicher Faktor unterschied ihn allerdings von Hojo: sein besorgter Gesichtsausdruck, mit dem er Aireen nun musterte. Er untersuchte sie kurz, bevor er nach seinem mitgebrachten Koffer griff und eine gefährlich aussehende Spritze hervorholte, die mit einer leuchtend grünen Flüssigkeit gefüllt war. „Tut mir Leid, Kleines“, murmelte er, bevor er die Spritze an ihren Arm setzte. Aireen biss die Zähne zusammen, um sich gegen den Stich zu wappnen. Diesen bemerkte sie allerdings kaum, im Gegensatz zu dem schnell abflauendem Schmerz und der größer werdenden Müdigkeit, die sie einlullte, bis ihr schließlich die Augen zufielen. Schweißgebadet wachte sie auf. In ihrem Zimmer war es noch dunkel und ein Blick auf ihren Wecker verriet Aireen, dass es erst kurz nach 5 Uhr war. Trotzdem vertreib sie jeden Gedanken ans Weiterschlafen sofort wieder und stand stattdessen auf. Ein heftiges Schwindelgefühl erfasste sie daraufhin und zwang sie, sich wieder auf die Bettkante fallen zu lassen. °Mein Kreislauf ist anscheinend noch nicht ganz so wach wie ich°, dachte sie mürrisch und massierte ihre Schläfen, um die langsam auftretenden Kopfschmerzen, die sie verspürte, zu lindern. Dann startete sie einen erneuten Versuch, der auch diesmal gelangen, und begab sich ins Badezimmer. Dort spritze sie sich etwas Wasser ins Gesicht und betrachtete anschließend ihr Spiegelbild. „Du siehst echt Scheiße aus“, meinte sie dann und ihr Spiegelbild runzelte die Stirn. Sie war bleich und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Aireen tastete nach ihrer Beule am Hinterkopf und stellte verwundert fest, dass diese beinahe verschwunden war. Dann fiel ihr noch etwas anderes auf und sie trat näher an den Spiegel ran. Leuchtend grüne Augen starrten ihr entgegen. Ungewöhnlich war dabei allerdings nicht die Farbe, sondern das unnatürliche Leuchten. Je länger sie ihre Augen anstarrte desto stärker wurde ihr Verdacht, was der Grund für dieses Leuchten war: Mako. Sie hatte die gleichen Augen wie Cloud. Wie Sephiroth. Sie wandte sich vom Spiegel ab und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. °Bleib ruhig, Aireen. Es gibt sicher eine gute Erklärung dafür.° Rastlos ging sie in dem kleinen Badezimmer auf und ab. °Solche Augen haben nur Soldiers. Wieso also habe ich welche? Ich war in keinster Weise mit Mako in Berührung. Außer...° Sie erstarrte als sie die Erkenntnis traf. °Außer, Hojo hat mir etwas gespritzt...° Aireen verließ das Badezimmer und ließ sich auf das Bett fallen. Dann ließ sie ihren Ärger an einem Kopfkissen aus, während sie ununterbrochen Flüche murmelte und Hojo wenig schöne Spitznamen gab. Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, analysierte sie die Situation gründlich. °Mmh, was hat sich außer meinen Augen verändert? ... Ich fühle mich etwas schlapp.° Dann untersuchte sie ihre gestern zugefügten Verletzungen und sog überrascht die Luft ein. ° Wow, das Zeug hat mich komplett geheilt. Nun verstehe ich auch, weshalb die Soldiers damit behandelt werden.° Sie hielt einen Moment inne. Dann suchte die Medizinstudentin nach ihren Kleidern und zog sich rasch an. Sie verließ ihr Zimmer und ging in die Küche, in der Absicht sich einen heißen Pfefferminztee zu machen und in Ruhe nachzudenken. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent lag mit offenen Augen im Bett. Das Krachen einer sich schließenden Tür hatte ihn geweckt und er wunderte sich kurz, wer so früh am Morgen schon unterwegs war. °Wahrscheinlich Hojo°, dachte er und versuchte wieder einzuschlafen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eben jener Wissenschaftler saß in seinem Labor und betrachtete böse grinsend seinen Monitor. °Sie scheint die Veränderungen bemerkt zu haben°, während er den Punkt, den Aireen darstellte mit dem Auge folgte. °Ich muss mein kostbares Subjekt unbedingt heute Abend untersuchen.° Mit dem Gedanken schaltete er den Monitor aus und machte sich an die Weiterentwicklung seines aktuellen Projektes. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eine Stunde später grübelte Aireen noch immer über die Vor- und Nachteile von Mako. Sie war zum Schluss gekommen, dass dieses eine Mal, das sie mit Mako behandelt wurde, wohl keine schlimmen Konsequenzen haben würde, es jedoch womöglich gefährlich wurde, wenn die Menge und Konzentration zunehmen würde. Sie durfte auf keine Fall zulassen, dass Hojo sie weiterhin für seine Experimente missbrauchte - sonst lief sie womöglich Gefahr, eine Mako Vergiftung zu erleiden. Mit diesem beunruhigendem Gedanken machte sie sich an die Vorbereitung des Frühstücks. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Um Punkt sieben Uhr betrat Vincent die Küche und fand den Tisch fertig gedeckt vor. Verwundert sah er sich nach Aireen um, konnte sie aber nirgends sehen. Ein benutzter Teller im Spülbecken verriet ihm, dass sie schon gefrühstückt hatte und sich wohl schon um den Haushalt kümmerte. Nachdenklich setzte er sich und nahm sich ein Brötchen. Dann betrat auch schon Lucrecia die Küche und begrüßte ihn mit einem fröhlichen „Guten Morgen“. Sie setzte sich Vincent gegenüber und betrachtet stirnrunzelnd den Küchentisch. „Aireen“, beantwortete der Turk ihre unausgesprochene Frage. Die Wissenschaftlerin nickte und sah sich um. Wieder antwortete Vincent: „Sie scheint schon gefrühstückt zu haben.“ Lucrecia nickte wieder und fing an zu kichern, woraufhin Vincent sie überrascht ansah. „Du lässt mich ja gar nicht zu Wort kommen.“ Schuldbewusst senkte er den Kopf. „So war das nicht gemeint. Ich finde es schön, dass wir uns auch ohne Worte verstehen.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Marmelade?“ Von dem plötzlichen Themawechsel total überrumpelt nickte er nur und nahm die angebotene Marmelade entgegen, wobei er kurz Lucrecia's Hand streifte. Schnell zog er die seine zurück, wobei ihm allerdings die Konfitüre entglitt. Klirrend fiel das Glas auf den Tisch und rollte über die Kante. Bevor es allerdings auf den Boden aufschlagen konnte, fing sich Vincent wieder und griff blitzschnell zu. Verlegen murmelte er eine Entschuldigung und konzentrierte sich auf das Öffnen des Glases um die Wissenschaftlerin nicht ansehen zu müssen. Dabei entging ihm auch das leichte Schmunzeln auf Lucrecia's Gesicht. Dieses verschwand auch schon einen Augenblick später und wurde von einem entsetzten Gesichtsausdruck ersetzt.. Die Wissenschaftlerin sprang auf, wobei ihr Stuhl scheppernd umfiel. Der Turk warf ihr einen fragenden Blick zu. „Aireen! Sie wurde gestern verletzt und ist heute schon wieder auf den Beinen!“ Vincent stand nun ebenfalls auf. „Ich werde nah ihr sehen“, erklärte er und wollte schon die Küche verlassen. „Ich komme mit.“ Vincent schüttelte den Kopf. „Hojo wartet sicher schon. Ich komme so schnell wie möglich nach.“ Widerwillig nickte die Wissenschaftlerin und machte sich auf den weg zu den Laboren während Vincent sich auf die Suche nach ihrer Haushälterin machte. Nach einer Weile fand er sie in einem abgelegenem Winkel im rechten Flügel der Villa, wo sie Staub wischte. Das Zimmer war dunkel; die Sonne war noch nicht aufgegangen und eine kleine Glühbirne erhellte den Raum nur spärlich, so dass Vincent nur die Umrisse der Studentin sehen konnte. Er war erst einmal in dem Raum gewesen, denn dieser stand bis auf ein paar altertümliche Schränke komplett leer und erfüllte keinen wesentlichen Zweck. Daher wunderte er sich auch, weshalb sie gerade dieses Zimmer auf Vordermann bringen wollte. Selbst wenn Hojo sie angewiesen hatte, das ganze Haus in stand zu halten, konzentrierte sie sich doch hauptsächlich auf den bewohnten Teil des Anwesens. Um den ganzen Rest kümmerte sie sich erst, wenn sie das Wichtigste erledigt hatte. „Aireen.“ Die Angesprochene fuhr erschrocken zusammen und ließ ihren Staubwedel fallen. „Musst du dich immer so anschleichen, Vincent?“, meinte sie und bückte sich, um ihren Staubwedel wieder aufzuheben. Er ignorierte ihre Antwort. „Wie geht es dir?“ Sie lachte leise. „Danke, gut. Und dir?“ Vincent runzelte die Stirn und meinte warnend: „Lass den Unsinn. Gestern konntest du dich noch kaum bewegen.“ Aireen richtete sich wieder auf, kehrte ihm allerdings noch immer den Rücken zu. „Lucrecia's Salbe scheint wahre Wunder zu bewirken.“ Vincent's Stirnrunzeln vertiefte sich nur noch. „Eine Salbe kann keine gebrochenen Rippen heilen.“ Sie seufzte. „Es ist wirklich alles in Ordnung. Außerdem habe ich keine Lust, mich wieder mit Hojo anzulegen um mir einen Tag frei zu nehmen.“ Obwohl er noch immer skeptisch war, nickte der Turk. „Gut. Aber heute Abend sehe ich es mir noch einmal an.“ Damit drehte er sich um und verließ das Zimmer. Aireen atmete auf. Für's erste war ihr Geheimnis noch sicher. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent begab sich nach unten zu Lucrecia's Arbeitszimmer, wo die Wissenschaftlerin ihn schon erwartete. „Und? Wie geht es ihr?“, fragte sie, kaum dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Anscheinend gut.“ Lucrecia runzelte die Stirn. „Was genau soll das heißen?“ Vincent sah sie ernst an. „Sie behauptet, keine Schmerzen mehr zu haben.“ „Aber?“, hakte die Wissenschaftlerin nach. Der Turk schüttelte nur den Kopf. „Sie war irgendwie komisch. Anders als sonst.“ Ungeduldig tappte Lucrecia mit dem Fuß auf den Boden und sah ihn weiterhin fragend an. Vincent zögerte kurz, bevor er meinte: „Sie verheimlicht etwas.“ Überrascht sah die Wissenschaftlerin ihn an. „Und worauf begründest du diese Annahme?“ „Ich habe sieh in einem wenig beleuchteten, leerstehendem Zimmer gefunden und sie vermied es, mich anzusehen.“ Lucrecia ließ sich in ihren Arbeitssessel fallen und dachte nach, während Vincent zum Fenster rausstarrte, ebenfalls in Gedanken versunken. „Schon irgendwelche Ideen?“, fragte die Wissenschaftlerin und beendete so das minutenlange Schweigen. Der Turk ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Schließlich meinte er langsam: „Als wir sie gestern das letzte Mal gesehen haben, war noch alles den Umständen entsprechend in Ordnung. Daraus können wir schließen, dass...“ „...etwas während unserer Abwesenheit geschehen sein muss“, beendete Lucrecia den Satz. Vincent wandte sich vom Fenster ab und drehte sich zu ihr um. Er nickte. „Jetzt bleibt nur noch die Frage, was genau passiert ist. Auf diese Frage kannte jedoch keiner der beiden die Antwort. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Der Rest des Tages verging wie im Flug. Aireen kümmerte sich wie üblich um die anstehenden Hausarbeiten. Dabei vermied sie jeglichen menschlichen Kontakt und bevorzugte, sich ihr Essen erst zu machen, wenn Vincent und Lucrecia fertig waren. Die beiden hatten es schließlich aufgegeben, eine Erklärung für Aireen's Verhalten zu finden und beschlossen, sie später einfach danach zu fragen. Lucrecia kümmerte sich also wie üblich um ihre Projekte und Vincent ging seinen Aufgaben als Turk nach. Hojo verschanzte sich wieder einmal in seinem Labor und führte diverse Experimente durch. Später am Abend, als jeder schon wieder in seinem Zimmer war und sich die Zeit auf diverse Art und Weise vertrieb, klopfte es an Aireen's Tür. Diese erschrak, legte dann aber ihr Buch auf den Nachttisch und schaltete die Lampe aus, bevor sie zur Tür ging. °Das wird wohl Vincent sein. Wenn der Gang jetzt nicht gerade hell beleuchtet ist, wird er meine Augen hoffentlich nicht erkennen.° Sie öffnete die Tür – und wich augenblicklich einen Schritt zurück. Vor ihr stand nicht der Turk, sondern niemand anderes als Hojo, der sie ernst musterte. „Mitkommen.“ Damit drehte er sich um und ging wieder. Aireen sah ihm verdutzt nach, aber ihr blieb wohl nichts anderes übrig als ihm zu folgen, weshalb sie ein paar Schritte lief, um wieder zu ihm aufzuschließen. Als sie aber sah, dass sie Richtung Labore ging, verlangsamte sie ihre Schritte und blieb schließlich ganz stehen. °Was hat er vor? Ist ihm ein Experiment nicht genug?° Bei dem Gedanken lief ihr ein Schauer über den Rücken. Gleichzeitig steig Wut in ihr auf. °Wofür hält er mich eigentlich? Ich bin nicht sein gottverdammtes Subjekt!° Hojo's Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Kommen sie bald? Ich habe nicht ewig Zeit!“ Aireen suchte verzweifelt nach einer geeigneten Ausrede. „Professor, äähm, Vincent wollte eigentlich nachher noch vorbei kommen...“ Der Wissenschaftler funkelte sie an. „Und wo ist das Problem?“ Die Studentin trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. „Naja, er wird sich sicher sorgen machen, wenn ich nicht da bin...“ Hojo verharrte einen Augenblick, bevor er mit missmutiger Miene zurück stampfte. „Ich werde ihm Bescheid geben. Warten Sie hier.“ Während Aireen, vollkommen perplex, dass der Wissenschaftler auf ihre Worte eingegangen war, zurückblieb, ging eben dieser zu dem Quartier des Turks. °Absolute Zeitverschwendung... Aber ich kann es mir nicht leisten, dass er mich womöglich auf der Suche nach ihr bei äußerst wichtigen Experimenten stört.° °Er klopfte dreimal laut an und Vincent öffnete Sekunden später auch schon. Perplex über den Besuch des Wissenschaftlers, fing er sich aber sofort wieder und höflich, wie er behilflich sein könnte. „Es geht um die Haushälterin. Da sie gestern verletzt wurde, sehe ich jetzt nach ihren Verletzungen. Sie wird also nicht in ihrem Zimmer anzutreffen sein“, schnarrte Hojo und drehte sich schon um, um zu gehen, als ihm eine Idee kam. Langsam wandte er sich wieder dem Turk zu, der, total überrumpelt, noch immer in der Tür stand. „Mr. Valentine, es wäre wohl eine gute Idee, ihr ein paar Tricks zur Selbstverteidigung beizubringen. Ich habe keine Lust, noch mehr Geld auf ihre medizinische Behandlung zu verschwenden. Kümmern Sie sich bitte umgehend darum.“ Mit diesen Worten ließ er den verdutzten Vincent einfach stehen und kehrte zu Aireen zurück. Ohne sie weiter zu beachten ging er an ihr vorbei und die Studentin setzte sich widerwillig in Bewegung. Eine andere Möglichkeit blieb ihr eh nicht mehr, außer sie wollte riskieren, von dem Wissenschaftler vor die Tür gesetzt zu werden. Da sie in einer ihr komplett fremden Welt gestrandet war, wäre dies womöglich ihr Todesurteil. Schweigend betraten beide die Labore. „Setzen Sie sich“, meinte Hojo ungewöhnlich freundlich und deutete auf einen Stuhl. Dann setzte er sich hinter seinen Schreibtisch, nahm einen Ordner zur Hand und durchblätterte ihn. Aireen nahm währenddessen Platz und betrachtete eingehend ihre Hände, die sie nervös knetete. Nach einer Weile sah der Wissenschaftler von seinen Papieren auf. „Wie fühlen Sie sich?“, fragte er lauernd. Sie nuschelte ein „Gut, danke“, wagte es aber nicht, in anzusehen, sondern fixierte stattdessen ihre Schuhspitzen. „Sehen Sie mich gefälligst an, wenn ich mit ihnen rede!“, fuhr er sie daraufhin an. Eingeschüchtert hob die Studentin den Kopf und blickte in die kalten Augen Hojo's, der sie nun interessiert musterte. „Interessante Augenfarbe“, murmelte er, mehr zu sich als zu seiner Besucherin und kritzelte etwas auf ein Blatt Papier. „Sind Ihnen noch andere Veränderungen aufgefallen?“ Aireen zögerte mit ihrer Antwort und dachte über die Konsequenzen nach. Sie wollte ihn nicht verärgern, was eindeutig für's antworten sprach. Sie wollte ihn allerdings auch nicht in seinen bösen Machenschaften unterstützen... Dann entschied sie sich, doch zu antworten. °Er findet es so oder so raus. Es ist wohl besser, ihm freiwillig alles zu berichten als sich von ihm untersuchen zu lassen.° Ihr schauderte bei dem Gedanken. „Meine Verletzungen von gestern sind so gut wie verheilt und ich fühle mich...stärker?“ Aireen wusste nicht genau, wie sie das Gefühl beschreiben sollte. Heute morgen noch hatte sie Fieber gehabt und sich daher schlapp gefühlt. Aber im Laufe des Tages war ihr Fieber immer mehr gesunken und im gleichen Maße war ihre Kraft gewachsen. Sie fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr: gesund und voll überschüssiger Energie. Das war wohl einer der positiven Effekte von Mako. „Interessant... sehr interessant“, murmelte Hojo und nahm sich weitere Notizen. „Kennen Sie den Grund für diese Veränderungen?“ „Mmh, lassen Sie mich nachdenken. Womöglich hat es etwas mit der Spritze zu tun, die Sie mir gestern gegeben haben?“, meinte sie sarkastisch und funkelte ihn wütend an. „Der Wissenschaftler blickte überrascht. „Sie haben es gemerkt?“ „Natürlich merke ich es, wenn man mir eine Spritze in den Arm rammt!“ „Dann waren die Schlafmittel anscheinend nicht stark genug... Nächstes Mal muss ich sie erhöhen“, murmelte er. „Sie haben mir Schlafmittel verabreicht?!“ Der Wissenschaftler blickte sie ernst an. „Nein, ich habe Dr. Crescent welche mitgegeben. Aireen war fassungslos. Lucrecia hatte ihr...? „Zu ihrer Verteidigung sei allerdings zu sagen, dass sie sich der gesteigerten Konzentration der Mittel nicht bewusst war.“ „Dann ist ja alles in Ordnung“, entgegnete Aireen giftig. Daraufhin schlug Hojo verärgert mit der Hand auf den Tisch.. „Achten sie auf ihren Ton, Ms Ceylan!“ Wenig beeindruckt hielt sie dagegen: „Ich soll ruhig bleiben wenn sie an mir herum experimentieren?!“ Der Wissenschaftler verlor daraufhin beinahe sein ohnehin kaum vorhandene Beherrschung. „Seien Sie dankbar, dass ich Ihnen geholfen habe! Oder sehen sie irgendwelche Nachteile in meiner Behandlung?“ Die Studentin öffnete schon den Mund für eine scharfe Antwort, überlegte es sich aber anders und schloss ihn wieder. °Ich kann ihm schlecht widersprechen. Bisher hat noch niemand Mako weiter erforscht und Hojo kennt somit auch die Risiken einer Makovergiftung nicht. Ich kann mich wohl glücklich schätzen, dass ich die Behandlung heil überstanden habe...° Sie schwieg also. Hojo bemerkte dies mit gewisser Genugtuung und meinte: „Da das nun geklärt wäre, kommen wir zum wesentlichen Teil: der Untersuchung.“ Misstrauisch behielt Aireen ihn im Auge, während er sich daran machte, verschiedene Instrumente aus den Schubladen seines Schreibtisches zusammenzusuchen. Dann nahm er eine gefährlich aussehende Spritze zur Hand, umrundete den Tisch und trat zu Aireen. Diese sprang auf, wobei ihr Stuhl krachend umfiel, und wich langsam zurück, die Spritze mit starrem Blick fixierend. „I-ich habe nie zugestimmt, Ihr Versuchskaninchen zu spielen“, stotterte sie. Hojo kam immer näher und ein sadistisches Funkeln war in seinen Augen erschienen. „Seien Sie doch rationell: es ist eindeutig sicherer, ihren gesundheitlichen Zustand im Auge zu behalten, ansonsten werden negative Auswirkungen womöglich zu spät entdeckt.“ Aireen stand nun mit dem Rücken zur Wand und suchte verzweifelt nach einem Fluchtweg, während Hojo sich weiterhin bedrohlich näherte. „Woher wissen Sie, dass sich noch keine negativen Auswirkungen ergeben haben? Sie haben keine Blutprobe, mit der Sie die veränderte vergleichen können“, versuchte sie zu argumentieren. Hojo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wofür halten sie mich? Bevor ich Ihnen das Mako verabreicht habe, habe ich natürlich eine Blutprobe genommen. Das haben Sie anscheinend nicht mitgekriegt.“ °Mist, mir gehen die Ausreden aus...° Der Wissenschaftler stand nun vor ihr und wedelte ungeduldig mit der Spritze. „Nun stellen Sie sich doch nicht so an – es ist nur eine einfache Blutabnahme. Als Medizinstudentin müssten Sie sich doch damit auskennen.“ Bevor sie noch weiter protestieren konnte, hatte Hojo auch schon ihren Ärmel hochgezogen und die Spritze angesetzt. „Sie sehen etwas blass aus, Ms Ceylan“, meinte er spöttisch. „Keine... Spritzen“, meinte sie noch schwach bevor alles schwarz wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)