What happened 30 years ago von Peacer (The story of a young Turk) ================================================================================ Kapitel 2: Alltag ----------------- @elcah: Vielen Dank für deinen Kommi. Das Kapi widme ich dir ;) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Lautes Klopfen weckte sie und sie setzte sich benommen auf. Schlaftrunken kroch sie aus dem Bett und schlich zur Tür, um dem frühen Besucher zu öffnen. „Guten Morgen“, grüßte sie Vincent. Er trug wieder seinen Anzug und seine Haare schienen auch schon gekämmt. Im Großen und Ganzen sah er aus, als wäre er bereit für einen neuen Tag. Im Gegensatz zu Aireen. Diese stand mit verquollenen Augen und zerzaustem Haar vor ihm, in ihren Klamotten, mit denen sie auch gestern ins Bett gefallen war. „Es ist schon Morgen?“, nuschelte Aireen. Sie hatte das Gefühl, keine drei Stunden geschlafen zu haben. Außerdem war es noch stockfinster draußen, wie sie feststellte, als sie einen Blick aus dem Fenster warf. „Es ist genau 6 Uhr. In einer Stunde sollen Sie unten im Arbeitszimmer sein,“ meinte Vincent ernst. Aireen starrte ihn einen Moment lang mürrisch an, bevor sie sich mit einem gemurmelten „Ich komme gleich“ umdrehte und im anliegenden Bad verschwand, um sich so gut es ging frisch zu machen. Fünf Minuten später begleitete sie Vincent ins Erdgeschoss, wo die Küche lag. Sie hatte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt und war nun wach genug, um ihre Augen mehr als nur einen Spalt breit zu öffnen und somit ihre Umgebung zu erkennen. Aireen war eine überzeugte Langschläferin und hatte schon früher oft Probleme gehabt, aufzustehen um zur Schule zu gehen. Seit sie studierte, war es etwas besser geworden, was wohl auch daran lag, dass ihre Lesungen meist nicht vor zehn Uhr anfingen, wofür sie immer sehr dankbar gewesen war. Aber vor acht Uhr war sie normalerweise nicht aus dem Bett zu kriegen – außer natürlich, Hojo steckte dahinter. Auch wenn sie nicht wusste, wie lange sie hier bleiben würde, war Aireen doch äußerst darauf bedacht, es sich nicht mit dem besessenen Wissenschaftler zu verscherzen. Sie wollte auf gar keinen Fall als eines seiner Subjekte enden. Als die zwei in den Gang einbogen, in der die Küche lag, wehte ihnen schon der verlockende Duft von frischen Pfannkuchen entgegen. Aireen's Laune stieg augenblicklich und sie beschleunigte ihre Schritte etwas, was Vincent ein leichtes Schmunzeln entlockte. Sie betraten die Küche und wurden von einer heiteren Lucrecia empfangen, die ihnen lächelnd entgegen kam. „Guten Morgen ihr beiden! Die Pfannkuchen sind fast fertig, bitte setzt euch“, grüßte sie, bevor sie weiter durch die Küche wuselte und begann, den Tisch zu decken. Beide murmelten ein „Guten Morgen, Dr. Crescent“ und wollten sich setzten, wurden aber von Lucrecia gestoppt. „Einfach Lucrecia, nicht Dr. Crescent. Das solltest du inzwischen wissen, Vincent,“ meinte sie gespielt ärgerlich, bevor sie sich Aireen zuwandte. „Für dich gilt das selbe. Einfach Lucrecia, ja?“ Aireen nickte lächelnd und Lucrecia zwinkerte ihr heiter zu, bevor sie sich wieder dem Geschirr zuwandte, das sie nun auf dem Tisch verteilte. Dabei fiel Aireen auf, dass sie nur für drei deckte. „Hat Prof. Hojo schon gefrühstückt?“, fragte sie, während sie sich gegenüber von Vincent niederließ. Lucrecia schüttelte den Kopf. „Nein. Er meinte, er hätte noch wichtige Berechnungen zu machen und keine Zeit, sich mit „irrelevanten Beschäftigungen“ aufzuhalten, wie er es nannte.“ Sie seufzte, bevor sie hinzufügte: „Er wäre schon längst über seiner Arbeit verhungert, wenn ich ihm nicht manchmal eine Mahlzeit nach unten brächte.“ Danach warteten sie schweigend darauf, dass die Pfannkuchen fertig wurden und ließen sie sich anschließend schmecken. Als alle drei gesättigt waren, stellte Lucrecia das Geschirr ins Spülbecken, wo sich schon ein beachtlicher Berg Teller und Tassen stapelte. „Das räumen wir später auf. Erstmal müssen wir ins Labor, wir wollen schließlich nicht zu spät kommen und Hojo verärgern,“ meinte sie vergnügt und machte sich voller Elan auf den Weg, dicht gefolgt von Vincent und Aireen. °Lucrecia scheint ein echter Morgenmensch zu sein,° dachte Aireen und unterdrückte ein Gähnen, während sie die schmale Treppe hinunter gingen. °Ich frag' mich, welche Gemeinheiten sich Hojo wohl für mich ausgedacht hat°. Sie betraten das Arbeitszimmer und trafen auf einen äußerst schlecht gelaunten Hojo, der tief über seine Papiere gebeugt am Schreibtisch saß und leise fluchte. Er schien gar nicht gemerkt zu haben, dass er nicht mehr allein war, sondern starrte weiterhin stirnrunzelnd die verschiedenen Akten und Skizzen an, die über den ganzen Schreibtisch verstreut lagen. Lucrecia trat leise an den Schreibtisch und räusperte sich. Daraufhin hob Hojo den Kopf und bemerkte erst jetzt, dass er Gesellschaft hatte. „Was?! Sehen Sie nicht, dass ich versuche, zu arbeiten?“, schnauzte er und funkelte Lucrecia böse an. „Das ist mir durchaus bewusst, Professor, allerdings wollte ich Sie daran erinnern, dass Sie Aireen eine Arbeit zuteilen wollten,“ antwortete Lucrecia freundlich. Ihr war wohl, genau wie Vincent, der barsche Umgangston Hojo's vertraut. Aireen hingegen musste sich erst noch daran gewöhnen und hatte vorsichtshalber den Kopf eingezogen. Das lag vielleicht auch daran, dass sie als einzige wusste, wie boshaft Hojo sein konnte. Als sie dann Hojo's Blick auf sich spürte, hob sie langsam den Kopf, um dann von kalten, schwarzen Augen durchdringend gemustert zu werden. Aireen schluckte schwer. „Mmh...eine Arbeit für unseren Gast. Dr. Crescent, kümmern Sie sich um die Zusammenstellung einer Liste, die alle Hausarbeiten umfasst, die noch getan werden müssen!“, befahl er, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte. Aireen stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Obwohl sie Hausarbeiten nicht sonderlich mochte, war es auf jeden besser, als Hojo als Subjekt zu dienen. Möglicherweise konnte sie sogar weitere Zusammentreffen mit dem Wissenschaftler vermeiden, der wohl eher selten seinen Arbeitsplatz verließ. Und da Lucrecia die Liste zusammenstellen würde, konnte sie auf nicht allzu gemeine Aufgaben hoffen. „Und Dr. Crescent, geben Sie mir die fertige Liste, ich werde Sie dann noch ergänzen.“ Soviel dazu. Lucrecia schenkte ihr ein mitleidiges Lächeln als sie Aireen's niedergeschlagenen Gesichtsausdruck sah, bevor sie in ihrem Arbeitszimmer verschwand, dicht gefolgt von Vincent. Nach kurzem Zögern folgte sie den beiden. Hojo schien eh keinen Wert auf ihre Gesellschaft zu legen. Lucrecia's Arbeitszimmer war klein, aber gemütlich. Neben einem Schreibtisch und mehreren Bücherregalen stand auch noch ein Sessel in der Ecke der, wie Aireen vermutete, zur Zeit wohl am meisten von Vincent benutzt wurde. Schließlich musste er die Wissenschaftlerin rund um die Uhr bewachen. Zudem hingen mehrere Landschaftsbilder an den Wänden, die eine beruhigende Wirkung auf den Betrachter zu haben schienen, denn Aireen fühlte sich sofort wohl. Lucrecia saß schon hinter ihrem Schreibtisch und schien an der Liste zu arbeiten, während Vincent noch bei der Tür stand. Wahrscheinlich wollte er sich nicht setzen, solange Aireen noch im Zimmer war und keine weitere Sitzgelegenheit bestand. Beide schauten Dr. Crescent zu, wie sie über der Liste brütete die, zu Aireen's Entsetzten, immer länger wurde und schließlich eine Seite umfasste, bevor Lucrecia zufrieden nickte und ihren Stift niederlegte. „Es tut mir wirklich Leid, Aireen, aber seit wir hier sind, haben wir uns kaum um den Haushalt gekümmert und es ist demnach viel Arbeit liegen geblieben“, meinte sie und lächelte entschuldigend, als sie Aireen die Liste übergab. „Bring sie zu Hojo, ja? Die Haushaltsgeräte findest du im ersten Raum links, von der Eingangstür aus betrachtet.“ Vincent nickte ihr zu, als sie sich umdrehte und das Büro verließ. Sie trat leise an Hojo's Schreibtisch heran, darauf bedacht, ihn nicht zu stören. Dieser ließ sich wie üblich nicht bei seiner Arbeit stören und las seine Seite zu Ende, bevor er auf sah und seine Hand ausstreckte. Aireen überreichte ihm die Liste, die er schnell, aber aufmerksam durchlas. Dann nickte er und gab somit sein Einverständnis, dass er die Arbeiten in Ordnung fand. Erleichtert nahm sie das Papier wieder an sich und war schon auf dem Weg zur Tür, als Hojo sie doch noch ansprach. „Denken Sie daran, dass sich die Aufgaben auf das ganze Haus beziehen. Einen schönen Tag noch“, meinte der Wissenschaftler gehässig, bevor er sich wieder auf seine Arbeit konzentriere. Aireen war bei seinen Worten erstarrt. Das ganze Haus?! Das Anwesen war riesig, und sie nutzten nur einen winzig kleinen Teil davon. Sie seufzte. Es war wohl nichts anderes von Hojo zu erwarten gewesen. Also schlurfte sie lustlos die Treppe hoch und versuchte zu entscheiden, womit sie anfangen sollte. Sie entschied sich für den Abwasch. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Nachdem Aireen den Raum verlassen hatte, trat Vincent an den Schreibtisch Lucrecia's. Diese sah von ihren Papieren auf und warf ihm einen fragenden Blick zu. „Es geht um Ms. Ceylan“, begann er bedächtig. Die Wissenschaftlerin bedeutete ihm, fortzufahren. „Glauben Sie, es ist wirklich so eine gute Idee, sie einfach bei uns aufzunehmen, obwohl wir nicht wissen, wer sie ist? Im schlimmsten Fall ist sie eine Spionin und sucht nach Informationen über Ihr Projekt, Dr. Crescent.“ Lucrecia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und betrachtete nachdenklich das Bild, das an der gegenüberliegenden Wand hing, bevor sie sich stirnrunzelnd wieder dem Turk zuwandte. „Mir ist klar, dass du dir Sorgen machst, Vincent. Und mir ist auch bewusst, dass die Möglichkeit besteht, dass sie uns nur etwas vorspielt“, sagte sie ernst. Vincent nickt. „Allerdings glaube ich das nicht. Wahrscheinlich hältst du mich für naiv, aber ich hab' das Gefühl, dass wir Aireen vertrauen können. Und im Notfall kann ich mich ja auf meinen Leibwächter verlassen, der mich vor jeglicher Gefahr schützt“, meinte sie und zwinkerte Vincent fröhlich zu. Einen Moment fassungslos über die Gutgläubigkeit Lucrecias, fing er sich schnell wieder und nickte nur, bevor er sich in seinen Stammsessel fallen ließ. Er würde Aireen weiter im Auge behalten, egal wie viel Vertrauen Lucrecia ihr schenkte. Das war schließlich seine Aufgabe. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Geschlagene zwei Stunden später sah die Küche blitzblank aus. Aireen hatte nicht nur sämtliches Geschirr gespült und ordentlich eingeräumt, sie hatte auch den vorhandenen Schmutz erfolgreich bekämpft. Nun lag sie erschöpft in einem Stuhl und gönnte ihrem schmerzenden Rücken eine kleine Verschnaufpause. Sie mochte gar nicht an ihre anderen Arbeiten denken. Sie würde Tage benötigen, um das ganze Haus auf Vordermann zu bringen. Und wenn sie irgendwann das letzte Zimmer gesäubert hatte, hatte der Staub die anderen Räume wohl schon wieder zurückerobert... °Na los, Aireen! Trübsal blasen bringt dich nicht weiter. An die Arbeit!° Entschlossen sprang Aireen auf und holte sich aus dem Abstellraum, was sie für den Kampf gegen den Schmutz brauchte. Mit Staubwedel, Staubsauger und Wischmopp bewaffnet, machte sie sich wieder an die Arbeit. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent saß in seinem Sessel und starrte aus dem Fenster. Er musste ausnahmsweise keinen Papierkram erledigen und hatte demnach nichts tun, außer natürlich auf Lucrecia aufzupassen. Aber solange sie die Villa nicht verließ, drohte ihr auch kaum Gefahr. Um es auf den Punkt zu bringen: Mr. Valentine langweilte sich. °Was unsere neue Mitbewohnerin wohl gerade macht? Die Liste, die Luc- Dr. Crescent ihr gab war alles andere als kurz°, überlegte er und konnte ein Gähnen nicht ganz unterdrücken. Welches Lucrecia natürlich sofort bemerkte. „Noch müde, Vincent?“, meinte sie neckisch und musste sich ein Kichern verkneifen, als sie den ertappten Gesichtsausdruck des Turks sah. Dieser setzte auch sofort zu einer Entschuldigung an, die die Wissenschaftlerin aber unterbrach. „Schon in Ordnung. Es ist schon fade genug, den Papierkram zu erledigen. Dabei zu zu sehen sprengt wohl das Maß an Langweile, die ein normaler Mensch aushalten kann.“ Lucrecia grübelte einen Moment über eine Lösung des Problems. Dann erhellte sich ihr Gesichtsausdruck. „Wieso schaust du nicht nach Aireen? Es ist schon ein paar Stunden her, dass ich sie mit der Liste zu Hojo geschickt habe.“ Vincent wollte schon protestieren, als sie ihn schon wieder unterbrach. „Und nein, es ist schon In Ordnung wenn du gehst. Das schlimmste, was mir hier passieren kann ist, dass ein Buch aus dem Regal fällt und mir auf dem Kopf landet. Geh schon“, meinte sie und winkte ihm zum Abschied. Der Turk wusste, dass die Wissenschaftlerin keinen Widerspruch duldete und verließ den Raum. °Sie kennt mich eindeutig zu gut, wenn sie schon weiß, was ich sagen will, bevor ich überhaupt den Mund geöffnet habe“, dachte er düster und machte sich auf die Suche nach ihrer neu ernannten Haushälterin. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent fand Aireen wie sie, Arme und Beine von sich gestreckt, auf dem Boden der Einganghalle lag und die Decke anstarrte. Mit hochgezogener Augenbraue kam er näher, bis er genau über ihr stand. Als Aireen ihn bemerkte, hob sie müde die Hand und winkte schwach, bevor sie ihren Arm wieder fallen ließ und weiter wie tot da lag. Der Turk starrte sie noch einen Augenblick ungläubig an, bevor er seine Umgebung einer genauen Untersuchung unterzog. Um sie herum lagen diverse Putzmittel verstreut, und erst jetzt fiel Vincent auf, dass der Boden stellenweise noch feucht war. Verwirrt sah er sich genauer um – und zog überrascht die Luft ein. Die gesamte Eingangshalle glänzte, als wäre sie frisch poliert. Nichts erinnerte mehr an die dicke Staubschicht, die heute Morgen noch sämtliche Flächen bedeckt hatte. Durch die frisch geputzten Fenster fiel Licht in die Eingangshalle und erleuchtete sie hell. Der hölzerne Boden glänzte wie frisch gewienert, und die weiße Marmortreppe schien geradezu zu leuchten. Aireen hatte ganze Arbeit geleistet. Vincent, der die Erschöpfung der jungen Frau nun nachvollziehen konnte, wandte ihr seine Aufmerksamkeit wieder zu. Sie hatte sich eine kurze Pause verdient, beschloss er, als er sie mühelos hoch hob und mit ihr in Richtung der Schlafzimmer ging. „Was...?“, fragte sie entgeistert, als Vincent sie vom Boden aufsammelte und, ohne ein Wort zu verlieren, los ging. Ihr fehlten einfach die Worte. Sein Benehmen entsprach in keinster Weise dem, was sie von ihrem Lieblingscharakter kannte. „Der Boden ist wohl kaum ein geeigneter Platz, um sich auszuruhen, Ms. Ceylan“, meinte dieser nur ruhig, während er die Treppe hochstieg. „Aber... Also... Ich wollte-“, stotterte Aireen, bevor sie einsah, dass sie eh nicht wusste, was sie sagen wollte, und lieber schwieg. Vincent brachte sie in ihr Zimmer und legte sie dort auf's Bett. Dann verschwand er im Bad, um kurze Zeit später mit einem Fieber-Thermometer wieder aufzutauchen. Als Aireen sein Vorhaben bemerkte, rollte sie genervt die Augen und wollte sich aufsetzten. Dies verhinderte Vincent aber, indem er sie zurück in die Kissen drückte. Als sie dann den Mund öffnete, um zu protestieren, schob er ihr schnell den Thermometer zwischen die Lippen. Aireen starrte ihn nur ungläubig an. „Sie haben den ganzen Morgen gearbeitet, obwohl Sie gestern Abend noch Fieber hatten. Damit sollte man nicht leichtfertig umgehen“, erklärte er bedächtig. Aireen runzelte die Stirn und sah ihn skeptisch an. Das wäre ihr doch aufgefallen, wenn sie wirklich Fieber hatte. Sie fühlte sich großartig, wenn man mal von ihrer Erschöpfung aufgrund des Marathon-Putzens absah. Ein kurzer Blick auf die Uhr und der Turk entnahm ihr den Thermometer auch schon wieder.. Er studierte ihn kritisch, bevor er den Kopf schüttelte und seufzte. Aireen nahm dies als Bestätigung, dass sie völlig gesund war, und startete einen neuen Versuch, sich auf zu rappeln. Der wiederum von Vincent verhindert wurde. „Aber ich -“, begann sie, wurde aber sofort von Vincent unterbrochen. „Sie haben 39 Grad Fieber und bleiben bis auf weiteres im Bett“, erwiderte er herrisch. „Ich werde Luc- Dr. Crescent informieren.“ Aireen sah ihm ungläubig nach wie er, nachdem er ihr einen letzten, strengen Blick zugeworfen hatte, den Raum verließ und die Tür leise hinter sich schloss. Sie zerbrach sich eine Zeit lang den Kopf, wie man krank sein konnte, ohne es zu merken, kam aber zu keiner zufriedenstellenden Antwort. Wahrscheinlich war sie so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie die Schlappheit, die mit dem Fieber kam, schlicht und einfach verdrängt hatte. Jetzt, wo sie wusste, dass sie krank war, spürte sie es auch. Auf einmal fühlte sie sich ausgelaugt, ihr taten Beine und Rücken weh und ihr war etwas schwindlig, wenn sie den Kopf drehte. °Hojo wird es nicht gefallen, dass ich am meinen ersten Arbeitstag sofort krank feiere°, dachte Aireen. °Zumindest hab ich den bewohnten Teil der Villa noch auf Vordermann gebracht, bevor ich zusammen geklappt bin...° Schließlich betrat Lucrecia ihr Zimmer, mit Vincent im Schlepptau, der einen kleinen Erste-Hilfe-Koffer trug. Sie musterte Aireen besorgt, bevor sie sie untersuchte: noch einmal Fieber messen, Lymphknoten kontrollieren, Puls und Blutdruck prüfen... die übliche Prozedur eben. Aireen war überrascht, dass Lucrecia soviel von Untersuchungen verstand. Immerhin war sie Wissenschaftlerin, und keine Ärztin. Nach den üblichen Fragen, ob sie irgendwelche Schmerzen hatte und wie sie sich fühlte, ließ sich Lucrecia seufzend auf einen Stuhl in der Nähe des Bettes fallen. „Es sieht ganz nach einer Virusinfektion aus. Die nächsten paar Tage wirst du das Bett also nicht mehr verlassen.“ „Aber ich muss mich doch um den Haushalt kümmern! Außerdem fühl' ich mich gar nicht so schlecht – mir war bis jetzt nicht mal klar, dass ich krank bin!“, protestierte Aireen „Keine Widerrede! Ich kann es nicht verantworten, dass du uns zusammenklappst, nur weil du zu stur bist, um einzusehen, wie schlecht es dir geht“, meinte Lucrecia entschieden. Aireen öffnete den Mund, um zu widersprechen, besann sich dann aber eines Besseren und beschränkte sich auf einen trotzigen Blick. Lucrecia's Tonfall hatte klar gemacht, dass sie nicht nachgeben würde. „Und sobald du dich besser fühlst, gehen wir ins Dorf und kaufen dir ein paar wärmere Sachen. Deine sind viel zu dünn. Außerdem kannst du schlecht die ganze Zeit die gleichen Kleider tragen. Bis dahin leih' ich dir ein paar von meinen“, beschloss Lucrecia und war schon auf dem Weg zur Tür. „Vincent, könntest du Aireen vielleicht ihr Mittagessen hochbringen? Es steht noch in der Küche. Ich mach mich in der Zwischenzeit auf die Suche nach geeigneten Medikamenten und passenden Kleidern.“ Der Turk nickte nur knapp und folgte der Wissenschaftlerin aus dem Raum. Wieder allein schwang sich Aireen aus dem Bett und schlurfte ins Bad. Dort spritzte sie sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie sah wirklich schrecklich aus. Dunkle Ringe umrahmten ihre Augen und standen im starken Kontrast zu ihrer nun sehr bleichen Haut. Müde Augen starrten ihr entgegen und ein paar nasse Strähnen klebten auf ihrer Stirn. Als sie diese aus dem Gesicht wischte, bemerkte sie, dass ihre sonst so ruhigen Hände nun leicht zitterten. Die Stirn in tiefe Falten gelegt wanderte sie zurück ins Zimmer und ließ sich wieder auf ihrem Bett nieder. Ihr Zustand hatte sich in kurzer Zeit drastisch verschlechtert. Zwar war es auch bei ihrer letzten Krankheit so gewesen, dass sie sich mittags deutlich schlechter fühlte als am Morgen, doch nie war der Unterschied so gravierend gewesen. °Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich in einer anderen Dimension befinde°, dachte sie sarkastisch, und kuschelte sich unter ihre Decke. Ihr war auf einmal sehr kalt. Sie lag zitternd im Bett und wünschte sich nichts sehnlicher als einen erholsamen Schlaf, der sich aufgrund ihrer schmerzenden Glieder allerdings nicht einstellen wollte. Ein leises Klopfen kündigte die Rückkehr ihrer selbst ernannten Pfleger an. Vincent brachte ihr ein Tablett, auf dem ein Teller mit Spaghetti, ein Glas Orangensaft und eine Tasse Tee standen. Aireen bedankte sich und probierte die Nudeln, und obwohl sie alles andere als schlecht schmeckten, musste sie sich dazu zwingen, ein paar davon zu essen. Sie hatte einfach keinen Hunger. °Das beweist endgültig, dass es mir schlecht geht. Ich habe immer Hunger°, dachte Aireen und starrte ihr Essen an. Dann kam Lucrecia zurück, die Arme voll gepackt mir Kleidern, die sie vorerst auf einen Sessel in der Nähe ablegte. Dann zückte sie eine Packung Paracetamol, die sie in ihrer Tasche verstaut hatte, entnahm eine Pille und legte sie Aireen auf ihr Tablett. „Mehr als die Symptome können wir bei einer Virusinfektion leider nicht behandeln. Das sollte“ – „das Fieber senken und die Schmerzen erträglich machen. Nicht mehr als zwei Pillen pro Tag“, ergänzte Aireen. Als sie den erstaunten Blick Lucrecia's bemerkte, fügte sie noch hinzu: „Ich bin nicht das erste Mal krank. Zudem haben wir und das ganze letzte Jahr fast ausschließlich mit Krankheiten, deren Symptomen und möglichen Behandlungen beschäftigt.“ „Sie studieren Medizin?“, fragte Vincent überrascht. Aireen nickte nur. Ihr wurde gerade bewusst, dass sie womöglich nie wieder in ihre Welt zurückkehren konnte, und das stimmte sie traurig. Obwohl sie in letzter Zeit mehr Auseinandersetzungen mit ihrer Familie gehabt hatte, als freundliche Zusammentreffen, würde sie sie doch vermissen. Ihre betrübte Stimmung war ihr wohl anzusehen, denn Lucrecia's nächste Worte waren der eindeutige Versuch, sie irgendwie aufzuheitern. „Ich bin mir sicher, dass du irgendwann dorthin zurückkehren kannst, von wo du kommst“, meinte sie freundlich. Dann wandte sie sich an Vincent. „Kannst du nicht vielleicht ein bisschen recherchieren? Als Turk hast du doch Zugriff auf große Datenbänke. Möglicherweise ist sie auf einer Universität eingeschrieben.“ Dieser überlegte kurz, bevor er nickte. „Einen Versuch ist es wert. Ich werde mich sofort darum kümmern“, meinte er, bevor er das Zimmer verließ. Als sich Lucrecia wieder Aireen zuwandte und sah, dass sie ihre Mahlzeit kaum angerührt hatte, wurde ihr hoffnungsvolles Lächeln durch ein Stirnrunzeln ersetzt. „Versuch wenigstens, noch ein bisschen zu essen. Und vor allem, viel zu trinken“, bemerkte sie, bevor sie sich den mitgebrachtem Kleider zuwandte und begann, sie in den Kleiderschrank zu räumen. „Normalerweise müssten sie dir passen. Wir dürften eigentlich die gleiche Größe haben“, plauderte sie munter, während sie durch das Zimmer wuselte. Aireen musste lächeln. Lucrecia war die wohl netteste Person, die ihr je begegnet war, und sie hatte die junge Wissenschaftlerin sofort ins Herz geschlossen. Obwohl sie sich noch nicht einmal einen Tag kannten, kümmerte sie sich liebevoll um die kranke Aireen und versuchte alles, um ihr in der ihr fremden Umgebung weiter zu helfen. Seufzend konzentrierte sie sich wieder auf ihre Nudeln und würgte, Lucrecia zu liebe, noch ein paar Gabel voll runter, bevor sie es endgültig aufgab und ihren Saft zur Hand nahm. Nach dem ersten Schluck stellte sie fest, dass ihr das Trinken weitaus leichter fiel, und so trank sie das Glas in einem Zug aus. Der Tee folgte sogleich. Jetzt blieb nur noch ihre Arznei. Aireen verzog das Gesicht. Sie mochte keine Medikamente. Da sie ihr Fieber aber noch weniger mochte, blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als die Tablette zu schlucken. Als Lucrecia fertig mit dem Einräumen der Kleider war, nahm sie Aireen das Tablett ab und nickte zufrieden, als sie sah, dass sie doch noch eine Kleinigkeit gegessen hatte. Nachdem die Wissenschaftlerin das Zimmer verlassen hatte, nicht ohne Aireen noch einmal zu sagen, dass sie sich gut ausruhen sollte, schloss diese erschöpft die Augen und war kurze Zeit später auch schon in einen unruhigen Schlaf gefallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)