Schall und Rauch von Ryu-Stoepsel (Which path will you choose?) ================================================================================ Kapitel 39: ------------ WICHTIG: Zum Verständnis vorher diese Textstelle vom Originalbuch 'WICKED' by Gregory Maguire lesen! In der Kutsche hatte Glinda zwei der begehrten Sitze in Fahrtrichtung ergattert und verteidigte Elphabas Platz gegen drei andere Passagiere. [… ] Wie ich mich doch, dachte sie, in noch nicht einmal zwei Jahren verändert habe. […] Womöglich bin ich die einzige Person im Perther Bergland, die jemals unseren Zauberer persönlich kennengelernt hat. […] Und wir sind noch am Leben. […] Endlich sah sie Elphaba angerannt kommen, den dünnen, knochigen Körper wie üblich mit einem Cape vor möglicher Nässe geschützt. […] Glinda stieß die Tür auf. „Dem Himmel sei dank, ich dachte schon, du schaffst es nicht mehr.“, sagte sie. „Der Fahrer will unbedingt los. […]“ „[…] Unsere Wege trennen sich hier. Ich werde nicht mit dir […] zurückfahren. Ich werde selbstständig irgendwo weiterstudieren. Ich werde nie wieder Madame Akabers…. Anstalt besuchen.“ „ Nein, Nein“, schrie Glinda. „Das lasse ich nicht zu! […] Nessarose wird es nicht überleben! Madame Akaber wird… Elphie, nein. Nein!“ „Sag ihnen, ich hätte dich entführt und gezwungen mitzukommen, das werden sie mir zutrauen“, sagte Elphaba. Sie stand auf dem Trittbrett. […] „Sie brauchen nicht nach mir zu suchen, Glinda, denn sie werden mich nicht finden. Hiermit mache ich einen Abgang.“ […] „Elphie, red keinen Quatsch, steig jetzt in diese Kutsche!“, rief Glinda. Der Fahrer griff sich die Zügel und schrie Elphaba zu, sie solle zur Seite gehen. „Du machst das schon“, sagte Elphaba. […] Sie schmiegte ihr Gesicht an Glindas und küsste sie. „Halte durch, wenn du kannst“, murmelte sie und küsste sie noch einmal. „ Halte durch.“ Der Fahrer schnalzte mit den Zügeln und schrie eine letzte Aufforderung. Glinda reckte den Kopf und sah, wie Elphaba wieder in die Menge eintauchte. Es war erstaunlich, wie rasch sie bei ihrer auffälligen Hautfarbe im allgemeinen Gewimmel auf den Straßen der Smaragdstadt verschwand. Oder vielleicht lag es auch an den dummen Tränen, die Glindas Blick verschleierten. Elphaba hatte natürlich nicht geweint. Sie hatte hastig den Kopf abgewandt, als sie absprang, nicht um ihre Tränen, sondern um ihre Tränenlosigkeit zu verbergen. Aber der Schmerz, den Glinda fühlte, war echt. Die Stelle 'Defying Gravity' vom Musical haben wir gegen diese Buchstelle getauscht. Sie passt logisch besser zu dieser FanFiktion. Londaro: http://gillian-leigh.deviantart.com/art/Schall-und-Rauch-Londaro-1-97799357 Penelope: http://gillian-leigh.deviantart.com/art/Schall-und-Rauch-Penelope-1-98448488 ______________________ Kapitel 39 Ohne eine Wort führte Kwen den genauso schweigsamen Orez wieder auf seinen Platz an der hinteren Wand des dunklen Raumes. Er konnte die Blicke auf seinem Rücken spüren, als er die Fesseln an Orez’ Handgelenken wieder befestigte. Doch niemand sagte etwas. Elanora und Gideon wechselten warme Blicke, die sie dringend brauchten, um nicht die Nerven zu verlieren. Elaine starrte den Mann mit den violetten Haaren böse an und versuchte damit, sein Herz zu durchbohren. Sie war zwar auch sehr besorgt um Glinda, aber noch mehr war sie sauer auf diese ganze Situation. Auch Meredith schaute dem Szenario zu, welches sich rechts von ihr abspielte, bis sie ihren Blick auf Reseda richtete. Die hübsche Brünette war schweißgebadet und hatte den Kopf auf ihren Brustkorb sinken lassen, sodass das braune Haar an den Seiten herabfiel. Erst da merkte Meredith, dass sie schlief. „Kwen!“, sagte sie panisch. „Du musst Resi helfen! Ihr geht es nicht gut!“ Der Angesprochene drehte sich erst um, als er fertig war. „So, muss ich das, ja?“, fragte er provozierend, doch Meredith starrte ihn nur an. Elanora wandte nun ihren Kopf nach links, damit sie Reseda besser betrachten konnte. Die Hitze der jungen Dame konnte sie spüren und sagte ernsthaft: „Kwen, so unmenschlich kannst selbst du nicht sein! Sie ist krank!“ Kwen sah immer wieder von der einen zur anderen Frau und erst nach kurzer Zeit lächelte er böse: „Oh doch, das kann ich!“ Mit diesen Worten ging er langsam hinaus und schloss die Tür hinter sich. Meredith wusste, es wäre sinnlos gewesen, noch weiter zu betteln, denn das hätte Kwen wahrscheinlich noch mehr gefallen. „Resi!“, sagte sie mit lauter Stimme, als kein Geräusch mehr von draußen zu hören war. „Resi, bitte wach auf.“ „Reseda, Kind…“, Elanora stupste die dünne Frau mit der Schulter an. Langsam hob Resi den Kopf und starrte mit fiebrigem Blick in die Dunkelheit: „Was?“ „Resi, oh Oz, Resi, wie geht es dir?“ In Meredith’ Stimme lag nichts als Besorgtheit. „Es geht schon, Mer. Wirklich. Aber lass mich jetzt bitte etwas schlafen, ja? Vielleicht geht es mir danach wieder besser…“ Der letzte Teil ihres Satzes war mehr ein Nuscheln gewesen. Die rothaarige Frau schluckte ihre Tränen runter: „Ist gut, Resi.“ Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Ich liebe dich!“ „Ich dich auch – mit meinem ganzen Herzen.“, kam es schwach von der anderen Seite. Nun war auch Elanora zu Tränen gerührt. Diese ganze Situation machte sowieso alle in diesem Verlies sehr emotional und sensibel. „Ich würde vorschlagen…“, begann Gideon nun mit klarer Stimme, sodass sie für alle in diesem Raum vernehmbar war, „… dass wir nun allesamt versuchen, ein bisschen zu schlafen! Wer weiß, wie lange wir schon wach sind. Hier gibt es ja nicht mal ein Fenster!“ „Entschuldigung!“, räusperte Orez sich nun. In der ganzen Aufregung um ihre Frau hatte Meredith ihn völlig vergessen. „Es tut mir leid, wenn ich eure Ausruhphase unterbrechen muss, aber ich glaube, ich habe euch etwas wichtiges zu sagen.“ Orez war fest davon überzeugt, dass er das richtige tat. „Das da wäre?“, kam es schnippisch von der gegenüberliegenden Seite der Dunkelheit. „Elaine, ich habe dein Misstrauen verdient genauso wie das der anderen. Darüber bin ich mir im Klaren. Und jetzt würde ich euch gerne aufklären, in wie weit ich in das ganze Geschehen hier verwickelt bin.“ „Wir hören!“, sagte Gideon diplomatisch. „Zu allererst möchte ich sagen, dass ich nichts von diesem Regierungsumsturz wusste und außerdem wusste ich auch nicht im Entferntesten etwas davon, was diese Schweine mit Glinda vorhatten oder haben. Das mal vorab. Ich bin in die ganze Sache schon vor einiger Zeit reingerutscht und zwar als Ramón Heidenbrunn in den Palast kam – das ist natürlich nicht sein richtiger Name. Zu dieser Zeit war ich schon lange in Glinda verliebt und das unsterblich. Mit meiner Hilfe bekam er Zugang zu dem, was in meiner Macht stand und zwar durch ein Versprechen, das er mir gab. Er sagte, er würde das mit Glinda schon für mich regeln und wenn das soweit wäre, dann würde ich auch bald schon etwas zu sagen haben in der ozianischen Politik. Ich nahm natürlich an, er meinte das in Bezug auf eine Beziehung mit Glinda, doch wie ihr nun alle seht, habe ich mich getäuscht. Ich weiß, dass ich sehr naiv und auch dumm war… Vielleicht auch noch bin, aber Liebe macht bekanntlich blind. Das ist lange noch keine Entschuldigung für meinen – wenn auch unfreiwilligen – Verrat. Wie dem auch sei… Ich war an diesem Abend des Feiertagsballs Ramóns Gehilfe, auch, wenn er mir kaum verraten hatte, worum es ging. Irgendwann am Abend, kurz vor Glindas Rede, wisperte er mir den Befehl zu, ich solle zu einem der Kellner gehen und ihm ein Paket von ihm überreichen. Er drückte mir eine winzigkleine Tüte in die Hand. Ich fragte nicht nach und tat das, was ich sollte. Der gleiche Kellner hat dann Wein verteilt, von dem ihr getrunken habt.“ Es war klar für alle, dass er damit Meredith, Reseda und Elaine ansprach. „Der Wein…“, murmelte Elaine geschockt vor sich hin. „Ramón hatte mir vorher eine klare Zeit gesagt, wann ich wo sein sollte und was ich zu tun hatte. Erst sollte ich dich, Elaine in eine der bereitstehenden Kutschen bringen, während Ramón mit Glinda tanzte. Londaro hat sich um dich und deine Frau gekümmert, Meredith. Als ich zurückkam, war Glinda total benebelt und ich vermutete, der Grund dafür wäre der ganze Alkohol gewesen. Also half ich Ramón, sie rauszuschaffen und dann sollte ich an der Kutsche warten. Das tat ich dann auch und kurz vor ein Uhr kam er mit Glinda und noch einer Frau zur Kutsche. Nachdem was ich weiß, ist ihr Name ‚Aylin’ und sie ist seine Schwester. Ich fuhr die drei dann zum Palast, wo Madame Akaber uns schon erwartete...“ Er hielt kurz inne, denn nach den Worten ‚Madame Akaber’ war lautes Gemurmel ausgebrochen und die Fragen häuften sich. „Bitte, lasst mich erst aussprechen!“, sagte er laut und wartete, bis es wieder ruhig war. Erst dann redete er weiter: „Ich war genauso verblüfft und geschockt. Jedenfalls sollten wir Glinda dann in ihrem Befehl auf das Zimmer bringen. Als wir hochgingen, lies sich Akaber von Londaro berichten, was alles geschehen war. Ich hörte, wie er sagte, dass alle Frauen, Glinda ausgenommen, wie gewünscht in das smaragdische Gefängnis gebracht worden waren. Dann war ich außer Hörweite und irgendwann kam Akaber hoch und schloss sich in Glindas Zimmer ein. Mit Ramón wartete ich vor der Tür und erst da fand ich heraus, dass er Glinda umbringen wollte. Ich bin sofort auf ihn losgegangen. Wir haben einen riesen Krach gemacht und Akaber kam raus. Sie zog uns auseinander und drohte uns. Das nächste, was wir dann hörten war ein dumpfer Knall, nachdem sich die Madame wieder in das Zimmer eingeschlossen hatte. Wir brachen die Türe auf. Glinda war fort und Akaber lag am Boden mit blutendem Hinterkopf!“ Im Moment musste Meredith ehrlich zugeben, dass dieser eintönige Sprachgebrauch ihr lieber war, denn sie fühlte sich mehr als erschöpft. Doch Elanora war für einen kurzen Augenblick wieder voller Energie und rief: „Was? Glinda ist also in Sicherheit?“ Auch Gideon verkrampfte sich bei dieser Information. „Ich weiß es nicht, aber ich glaube ja…“, gab Orez zu und sprach schnell weiter, bevor er abermals unterbrochen werden konnte: „Sie war nicht mehr in ihrem Zimmer und die Balkontür stand offen. Das bedeutet, jemand hat sie vor Akaber gerettet. Nur ICH weiß nicht wer und ich habe auch ehrlich gesagt keine Ahnung, ob die anderen es wissen….“ Nach einer Reihe von Stoßgebeten, die aus Elanora und Gideon nur so heraussprudelten, erzählte Orez noch, dass Ramón und somit auch Aylin Akabers Kinder waren. Es hatte etwas gedauert, bis er das kombiniert hatte… Erneut waren die Gefangenen geschockt. Dann berichtete er, wie Ramón ihn hatte festnehmen und durchprügeln lassen – bis hin zur Bewusstlosigkeit. „Das ist auch der Grund, warum ich selber keine Ahnung habe, wann und wie ich hierhin gekommen bin. Ich weiß nicht einmal, ob ihr schon alle da wart. Aber nach Londaros Aussage muss das ja der Fall gewesen sein.“ „Da wir jedes Zeitgefühl verloren haben, werden wir wohl die Antwort auf diese Frage nie erfahren…“, kommentierte Gideon Orez’ Ausführung. „Und was wollte Kwen jetzt genau von dir?“, fragte Meredith misstrauisch, die nicht wusste, ob sie dem Mann glauben sollte. Als Orez den anderen Menschen im Raum auch das Gespräch mit Kwen wiedergegeben hatte, brach erneutes Gefrage und Gemurmel aus. „Warum sind sie so interessiert an der Beziehung von meiner Tochter und der Hexe?“, Elanora war verwirrt. „Und was denken die bitte, welche Art von Beziehung ich zu Glinda habe?“, schnaubte Meredith, die sich anhand der Fragen denken konnte, worauf es die Dreckskerle abgesehen hatten. „Ist die… Ist Elphaba nicht gestorben?“ Es war mehr eine rhetorische Frage von Gideon, der mit Absicht den richtigen Namen der Hexe benutzt hatte. Nach Glindas erstem Brief hatte seine Tochter sich sehr verändert und sie hatte nur noch gut über ‚ihre Elphie’ gesprochen. Seine Vermutungen, dass es Elphaba gewesen war, durch die sich sein Lindalieschen so zum Positiven entwickelt hatte, sah er nun auf irgendeine Art und Weise bestätigt. „Für Glinda nicht…“, kam es nun aus der Dunkelheit. Es war Elaines ruhige Stimme. „Was soll das bedeuten?“, fragte Elanora, deren Verwirrung stetig zunahm. Elaine erzählte ihnen den kurzen Ausschnitt, als Glinda sie ‚Elphie’ genannt hatte. „Und außerdem…“, führte Elaine weiter aus, „… habe ich einmal beim Aufräumen von Glindas Schreibtisch ein sehr altes Bild von ihr und der Hexe gefunden. Es war noch aus der Zeit, als die beiden studiert haben. So, wie es aussah, hat Glinda es sehr oft angesehen.“ „Was zeigte das Bild?“ Meredith war neugierig. Glinda hatte ihr zwar erzählt, dass sie und die Hexe sich gekannt hatten, aber dann war nie mehr ein Wort über diese Sache gesprochen worden. Elaine beschrieb die Details, an welche sie sich noch erinnern konnte, nachdem Orez beteuert hatte, er wäre auf ihrer Seite. „Aber eines verstehe ich an der ganzen Sache nicht…“, begann Orez, nachdem alle in eine Art von grübelndem Schweigen verfallen waren. „Wenn die Hexe tot ist, wieso brauchen die da draußen dann Informationen über sie und Glinda?“ „Sie wollen ‚Glinda die Gute’ zu ‚Glinda die Sappho’ machen…“, murmelte Meredith in dem Wissen, dass sie recht hatte. „Nanu? Wo ist denn die Sonne hin?“, fragte Glinda enttäuscht, als Madame Akabers Wetterumschwung seinen Lauf nahm. Die blauen Augen blickten besorgt zum Himmel: „Großer Oz, Elphie! Sieh dir das mal an! Du ziehst die Kette auf keinen Fall aus!“ Elphaba, noch immer mit den Beinen im Wasser sitzend, blickte gen Himmel: „Ohje, das sieht nicht besonders gut aus!“ „Wird das ein Gewitter?“ „Irgendwie sieht es nicht danach aus… Aber ich habe das ungute Gefühl, dass diese Wolken nicht der Natur entsprungen sind…“ „Was? Du meinst…“, setzte Glinda erschrocken an, „… dass das Akaber war?“ „Der Wetterzyklus in Oz läuft in einem stetigen Kreis und das bedeutet, meistens bleiben all die großen und schweren Wolken in Quadlingen hängen. Deswegen ist dort ja auch das Sumpfgebiet. Der Rest von Oz ist meist sonnig. Erinnere dich mal, was wir in der Schule über die große Dürre gelernt haben…“ Glinda musste lachen: „Na klar, als wenn ich das noch wüsste!“ Auch Elphaba musste grinsen, doch sie sagte nichts. „Elphie? Mir ist kalt, lass uns mal zurück zur Decke gehen, bitte.“ Die beiden Frauen trugen noch immer die sommerlich-schwarzen Hängerchen und spazierten langsam zur Decke. Es war wirklich kühler geworden, obwohl die Sonne noch nicht untergegangen war. „Brrr…“, zitterte die blonde Schönheit und rubbelte sich die Oberarme. „Kannst du mir nicht Socken, Schuhe und eine Jacke hexen?“, sie grinste Elphaba an. „Beim besten Willen, Glinda, ich weiß nicht, wie ich das machen muss!“, lachte die Hexe. „Aber dir fällt mal eben so ein Frühstückszauber ein?“, Glinda war neugierig und dass es kein Vorwurf sein sollte, konnte Elphie an der Tonlage ausmachen. Amüsiert antwortete sie, als sich die beiden Frauen wieder auf die Decke setzten: „Wenn du wüsstest, wie oft ich schon im Bett gefrühstückt habe! Fiyero ist nicht besonders zuverlässig, was solche Dienste angeht!“ Sie hatte nicht aufgepasst und jetzt war der Name gefallen. Auch Glinda merkte sofort, wie sie sich unabsichtlich anspannte. „Wo ist er eigentlich?“, brach sie nach einigen Minuten das unangenehme Schweigen, in welchem beide Frauen auf den See gestarrt hatten. Es wurde immer kälter, doch das schien die beiden nun nicht mehr zu interessieren. „Er wartet auf Kiamo Ko.“ Elphaba war sehr kurz angebunden. Sie hatte gewusst, dass dieses Thema zwischen Glinda und ihr noch geklärt werden musste, aber dabei war ihr die ganze Zeit nicht besonders wohl gewesen. Fiyero war ein wunder Punkt bei Elphaba, aber auch bei Glinda. „Meinst du nicht, er sorgt sich fürchterlich?“, fragte Glinda leise und starrte dabei noch immer auf den See. „Ich weiß es nicht… Vermutlich ja…“, gab Elphaba zu, „… aber er hat auch gesagt, ich solle dir hinterher gehen und dich finden.“ „Hat er das, ja?“, schnaubte Glinda verächtlich, ohne es zu wollen. Elphabas linke Augenbraue schob sich verwundert in die Höhe und sie sah die Freundin an: „Wieso bist du eigentlich weggelaufen, Glinda?“ Die Angesprochene biss sich auf die Unterlippe. Sie war wütend und versuchte, so ruhig wie es ging zu antworten: „Ich bin in deinem Bett… Ich vermute einfach mal, es war deines…“ Elphaba nickte leicht. „Gut, ich bin in deinem Bett aufgewacht und wusste erstmal überhaupt nicht, wo ich war. Erst ging es mir auch gut, die Sonne hatte mich geweckt, doch dann kamen Erinnerungen an den Ball und an Ramóns Grobheit. Ich hatte totale Angst, er würde neben mir liegen und war sehr erleichtert, als es nicht so war. Also saß ich da in deinem Bett und versuchte mich an irgendetwas zu erinnern. Und dann hörte ich auf einmal Stimmen, die von dem anderen Raum her kamen. Die Tür war ja geschlossen.“ „Ja…“, unterbrach Elphaba ihre Freundin, „Fiyero und ich waren im Badezimmer. Er war ohne Ankündigung hochgekommen und ist ausgerastet, als er dich gesehen hat. Ich habe versucht, ihm alles zu erklären…“ In Glindas Augen formten sich wässrig die Tränen, die sie seit Beginn der Unterhaltung über Fiyero versucht hatte, runterzuschlucken. Beide Frauen hatten sich immer nur auf das eine Thema, über welches sie sprachen, fokussiert und somit alle anderen Geschehnisse fürs erste ausgeblendet. Ansonsten hätte es ein emotionales Chaos gegeben, in welchem es Vorwürfe und Anschuldigungen gehagelt hätte. Die Worte von Elphaba und Fiyero hallten in ihrem Kopf wieder… Verärgert blickte Glinda in den Himmel, ohne wirklich wahrzunehmen, was sich dort abspielte. Sie versuchte nur, ihre Tränen in den Griff zu bekommen. Als sie ihren Kopf wieder senkte, sprach sie durch zusammengebissene Zähne weiter: „Ja, das habe ich gehört. Durch die Tür konnte ich zwar nicht viel verstehen, aber das, was ich gehört habe, hat mir wirklich gereicht!“ Diese Diskussion war schon einmal aufgekommen und zwar, als Elphaba die fortgelaufene Glinda endlich gefunden hatte. Doch dann hatte es angefangen zu regnen und die Diskussion war nicht zu ende geführt worden. Glinda wollte die Vorwürfe nicht schon wieder so kalt formulieren, wie zu jener Zeit auf der Straße: „Eigentlich habe ich zum Großteil nur Fiyero gehört. Er war anscheinend wirklich sauer und auch sehr laut. Er hat dir vorgeworfen, du hättest dich nur zu ihm herabgelassen und solche Sachen. Doch dann hat er dich auch angeschrien, warum du mich wohl sonst immer durch dein Glas – oder was es auch immer war – beobachtet hast. Und da ist mir klar geworden: Du hast die ganze Zeit gelebt und zwar mit Fiyero zusammen. Du hast mich mit Absicht in dem Glauben gelassen, dass du tot bist und WENN du mich wirklich beobachtet hast, dann wusstest du auch, wie sehr ich leide. Dein Tod, Elphie…“, dabei sah Glinda der Hexe in die Augen und die Tränen rannen über ihre Wangen, „… hat mir damals das Herz gebrochen. Ich habe den Menschen verloren, der mir neben meinen Eltern am meisten bedeutet hat und DU wusstest das! Du wusstest das ganz genau und nicht ein einziges Mal hast du versucht, mir mal auch nur am Rande mitzuteilen, dass es dir gut geht? Du hast ein Leben mit Fiyero vorgezogen. Das ist ja auch nicht das, worüber ich mich so furchtbar aufrege, denn es ist ja legitim. Ich habe ja schon vor Jahren begriffen, dass ihr euch liebt. Aber du hast mich so sehr verletzt damit, dass du mir nichts gesagt hast. Ich habe immer gedacht, ich würde dir auch etwas bedeuten, nur fühlte es sich in diesem Moment, als ich in deinem Bett saß und gelauscht habe, eben gar nicht so an! Und darum musste ich da raus. Ich wollte weg von dir und von ihm!“ Als Glinda geendet hatte, starrte sie Elphaba an. In ihrem Blick lag neben der Wut auch sehr viel Verletztheit und was Elphaba am meisten berührte: Enttäuschung. „Glinda…“, setzte Elphaba zögernd an. Sie wusste, dass sie nun ihre Worte bedacht wählen musste, denn ihre Freundin hatte wirklich allen Grund, sich verletzt und betrogen zu fühlen. „Du hast mir immer sehr viel bedeutet und das weißt du auch!“ Elphaba erkannte im Moment des Aussprechens, das sie falsch begonnen hatte, denn Glinda unterbrach sie fauchend: „Und wieso hast du mich dann leiden lassen?!“ „Glinda, bitte. Lass mich ausreden, ja? Ich will dir das alles erklären…“ Die blonden Locken wippten leicht, als Glinda nickte. Sie wandte ihren Blick von der Hexe ab und starrte wieder auf das Wasser des Sees. Sie fror ungemein, aber diese Diskussion durfte nicht noch einmal unterbrochen werden. Zitternd lauschte sie Elphabas Erzählungen, wie sie und Fiyero ganz Oz mit dem Rauchzauber an der Nase herumgeführt hatten und dann gemeinsam geflohen waren, mit der Absicht, auf Kiamo Ko ein neues Leben zu beginnen. „Ich habe ihm gesagt, dass ich dir das alles erzählen will. Dass ich noch lebe und es mir gut geht. Ich wusste, dass es dir nicht gut ging, aber das war nicht der Grund für meinen Wunsch. ICH selber wollte es dir sagen. Ich wollte dich nicht verlieren. Aber Fiyero beteuerte immer wieder, dass es zu gefährlich wäre. Also gab ich nach und hoffte, es dir irgendwann sagen zu können. Ehrlich gesagt war das auch alles nicht so geplant gewesen….“ Dann erklärte Elphaba ihr, dass sie nie die Absicht hatte, mit Fiyero ein gemeinsames Leben zu beginnen und sie schilderte Glinda, wie Fiyero überraschender Weise auf Kiamo Ko aufgetaucht war, um mit Elphie einen Plan gegen die Hexenjäger auszuhecken. „Aber das mit euch beiden hat doch schon damals in Shiz angefangen!“, murmelte Glinda und zog ihre Beine an den Körper. Die Hexe seufzte. Eigentlich hatte sie geahnt, dass sie Glinda die Geschichte von Anfang an erklären musste, wenn sie wollte, dass die blonde Schönheit es auch wirklich begriff. Es war für sie, Elphaba, auch nicht leicht zu verstehen. „Ich meine, als du damals in die Smaragdstadt gefahren bist und er an den Bahnhof kam, da müsste doch für dich schon offensichtlich gewesen sein, was er für dich fühlt…“ Glindas Stimme klang monoton, was Elphaba nicht entging. „Das kann schon sein…“, gab die Hexe zögernd zu, „… aber du warst doch mit ihm zusammen und wolltest ihn sogar heiraten!?“ „Ach, so ein Kinderquatsch!“, meinte Glinda trocken und starrte noch immer auf den See. „Ich fand Fiyero einfach nur toll, weil er so anders war, als die braven Shiz Studenten. Dazu hatte er noch einen Titel, der bei den meisten Menschen hoch angesehen war und ich dachte mir, er würde meinen sozialen Status noch um einiges höher pushen. Natürlich war ich am Anfang total in ihn verliebt, aber das war nur, weil ich ihn so angehimmelt habe. Mit wahrer Liebe hatte das wenig zu tun.“ Jetzt war Elphaba verwirrt: „Aber ihr wart doch auch verlobt?“ „Natürlich. Nachdem du dich aus dem Staub gemacht hast, blieb mir nur noch Fiyero. Ich habe dir ja schon in der Smaragdstadt gebeichtet, dass ich ihn nur noch um des Besitzwillens haben möchte und nicht, weil ich ihn liebe. Doch als du dann fort warst, hat Akaber mich auf ihre Seite gezogen und ich konnte dem ganzen Brimborium damals nicht widerstehen. Ich war damals so wütend und traurig darüber, dass du einfach ohne mich gegangen bist. Und ich wusste, dass ich nur mit dir an meiner Seite so stark sein konnte. Aber du warst nicht mehr da, also bin ich wieder in meine alten Verhaltensmuster zurückgefallen. Sie waren sicher, da ich wusste, wie ich mich verhalten musste. Niemand konnte mich so verletzen, weil ich Meisterin in diesem Schauspiel war. Fiyero machte sich mit der Armee dann auf die Suche nach dir und das war auch ein Grund, warum ich ihn nicht gehen lassen wollte. Denn wenn er dich finden würde, so wusste ich, würde ich dich auch wieder finden. Ich habe mich nur mit ihm verlobt, weil meine Rolle als ‚Glinda die Gute’ das von mir verlangt hat. Ich war nicht mehr ich selber, zumindest war ich nicht DIE Glinda, die ich bei dir war. Ich war wieder Galinda.“ Elphaba hatte die ganze Zeit geschwiegen, doch nachdem Glinda die Smaragdtstadt erwähnt hatte, brannte ihr eine Frage auf der Zunge: „Glinda, ich HABE dich doch gefragt, ob du mit mir kommen willst?!“ Plötzlich drehte Glinda den Kopf und sah Elphie wütend an: „Nein! Hast du nicht! Du hast mich in diese dumme Kutsche gesetzt, mir dann einen Kuss gegeben und gesagt, ich solle den Leuten in Shiz erzählen, du hättest mich gezwungen, mit dir zu gehen! ICH war es, die protestiert hat, nicht du! Du wolltest darüber nicht sprechen. Du hast mich einfach in diese Kutsche gesetzt und mich fort geschickt!“ Erst jetzt stiegen in Elphaba so langsam wieder die Erinnerungen an diesen Tag auf: Der Besuch beim Zauberer, die Flucht aus dem Palast und ihre Entscheidung für ein Leben, in welches Glinda einfach nicht reingepasst hatte. So gerne sie damals auch die Freundin mitgenommen hätte. Sie konnte wieder Glindas zarte Lippen auf den ihren spüren und sah die blonde Freundin, die damals unter Tränen mit der Kutsche davongefahren war. „Warum hast du das gemacht, Elphie?“, riss Glindas Stimme die Hexe aus der Vergangenheit. Elphaba brauchte einige Sekunden, um sich zu sammeln. Erst dann sagte sie: „Damals, nach der Flucht aus dem Palast, habe ich mich für ein Leben entschieden, in welches du nicht reingepasst hättest. Natürlich, ich wollte nichts mehr, als dich mitnehmen, aber ich konnte einfach nicht. Es war nicht möglich!“ Glindas Gesichtsausdruck wandelte sich von Wut in Ratlosigkeit: „Was redest du da? Meinst du, ich hätte nicht selber für mich entscheiden können?“ „Glinda, du hast in Shiz ein Leben gehabt. Mit Freunden, mit Partys, mit allem sozialen Geplänkel. Du hattest Fiyero! Und ich habe mich damals dem Untergrund angeschlossen…“ Elphaba hatte das eigentlich verschweigen wollen, aber nur so konnte Glinda den Grund verstehen, warum Elphaba sie hatte unmöglich mitnehmen können. „Du hast was?“, fragte Glinda entgeistert, die sich immer schon gefragt hatte, wo Elphaba all die Jahre gesteckt hatte. „Du hast mich schon verstanden! Mein Deckname war damals ‚Fae’ und unter diesem Namen bekam ich immer kleinere Aufträge. Unser Verband hat für die Rechte der TIERE gekämpft. Doch dann, nach einigen Jahren, bekam ich diesen großen Auftrag: Ich sollte die fliegenden Affen befreien. Der Zauberer hat mich erwischt und mich eingewickelt. Erst dachte ich wirklich, er hätte sich geändert, doch dann … dann musste ich mit ansehen, wie unser alter Doktor Dillamond auch aus diesem Gefängnis gekrabbelt kam und da bin ich ausgerastet. Fiyero hat mich damals gerettet. Und bitte, Glinda, glaube mir, es war das erste Mal nach all den Jahren, dass ich dich und ihn wieder gesehen habe. Was er damals gesagt hat zu dir, das stimmt nicht!“ Elphaba machte ein verzweifeltes Gesicht, als sie sich an Yeros Worte erinnerte. „Du meinst, als er gesagt hat, das mit euch beiden würde schon die ganze Zeit so gehen?“ „Ja…“, nickte die Hexe. „Ich hatte in dieser Zeit zu niemandem Kontakt, außer zu meiner Organisation. Ich wurde ja überall gesucht und das ist mir natürlich nicht entgangen. Ich lebte zu der Zeit auch in der Smaragdstadt und war an dem Tag eurer Verlobung auch dort… Ich hörte dich sagen, es wäre der glücklichste Tag in deinem Leben, oder so etwas ähnliches… Und das hat mich davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, dich in die Kutsche zu setzen!“ „Oh Oz…“, stöhnte Glinda, die gerade verstand, dass sie Elphaba all die Jahre so nah und doch so fern gewesen war. „Während deiner jahrelangen Abwesenheit habe ich mich so furchtbar gefühlt. Ich war die erste Zeit am Boden zerstört… Und dieses ganze gesellschaftliche Geplänkel und Getue hat mir wieder Halt gegeben. Es war etwas, was ich konnte und wo ich wusste, was mich erwartete. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du nie weiter weg warst als eine Armlänge….“ Resigniert blickte Glinda auf den Boden. Sie konnte ihre Freundin nicht ansehen. Elphaba musterte die schöne Frau ihr gegenüber. Die blonden Locken waren über ihre Wange gefallen und die Hexe konnte Glindas Augen nicht sehen. „… und ich habe dich verraten…“, schluchzte Glinda nun. „Womit?“, fragte Elphaba ruhig und wusste aber, worum es ging. „Als Fiyero beteuerte, das mit euch beiden würde schon all die Jahre so gehen, da … ich weiß nicht, ich glaube, in dem Moment ist mein Herz gebrochen. Nicht wegen Fiyero… Ich liebte ihn ja nicht. Sondern erstens, weil ich dachte, du hättest ihn mir vorgezogen und zweitens, weil du ihn dann mitgenommen hast in dein Leben, das du mir damals nicht geöffnet hast!“ „Wie meinst du das? Ich hätte ihn dir vorgezogen?“, fragte Elphaba leicht verwirrt. „Naja, niemand hatte etwas von dir gehört und du hast auch niemanden in dein Leben eingeweiht. Und als Fiyero dann meinte, es wäre schon all die Jahre so gewesen, da nahm ich an, du hättest ihm direkt nach deinem Abgang von der Shizzer Akademie alles erzählt.“ „Nein! Nein, das habe ich nicht! Ich habe weder ihm noch irgendwem anders von meinem Leben erzählt. Denn es war schrecklich genug. Es wäre kein Leben für dich gewesen… Und ich konnte dir nichts sagen, weil du das Vorzeigepüppchen des Zauberers warst! Ich wusste nicht, welchen Einfluss er nach all den Jahren auf dich hatte… Darum konnte ich dich weder mitnehmen, noch es dir später sagen…“ „Das verstehe ich auch, Elphie, wirklich… Aber hätte ich das alles damals gewusst, hätte ich Akaber bestimmt nicht den Tipp mit Nessa gegeben…“ „Das warst du?“ Elphaba war nicht wirklich überrascht. Sie hatte sich das schon immer gedacht, aber sie hatte sich auch immer und immer wieder gewünscht, es wäre in Wahrheit anders. Diese Worte nun aus Glindas Mund zu hören, verletzten sie sehr. „Ich weiß, dafür gibt es keine Entschuldigung! Das war eine absolute Kurzschlussreaktion auf euer gemeinsames Verschwinden und darauf, dass ich mich so ungemein betrogen und hintergangen gefühlt habe….“ Bei diesen Worten bettete Glinda ihren Kopf auf ihre Arme, die sie um die kalten Beine gelegt hatte. Elphaba war nach all den Jahren nicht mehr wütend über diese Sache. Sie hatte das alles von dem Zeitpunkt an geahnt, als sie Glinda an Nessas Todesstelle begegnet war. Ihre Worten waren ruhig und warm, als sie anfing zu sprechen: „Glinda, es war nicht nur deine Schuld und das wissen wir beide. Du konntest nicht ahnen, was deine Äußerung für Konsequenzen haben würde. Es war Akabers Schuld und wahrscheinlich auch die des Zauberers. Und wir haben uns das beide schon damals verziehen…“ „Aber du hättest sterben können und dann sind wir auch noch aufeinander losgegangen!“ Nun blickte Glinda mit tränenerfüllten Augen ihre Freundin verzweifelt an. „Komm her…“ Elphaba streckte den Arm aus und zog Glinda sanft zu sich heran. Sie spreizte die Beine und Glinda kuschelte sich an Elphabas warmen Oberkörper, so, wie sie eben gesessen hatten. Nur jetzt war es Elphaba, die hinten saß und ihre Arme um die zitierenden Schultern legte. „Aber ich bin nicht gestorben…“, setzte die Hexe dann leise wieder an und strich mit ihrer anderen Hand über die blonden Locken, in dem Wissen, dass Glinda jetzt ihre Nähe brauchte. „Aber das ist auch etwas, was ich nicht verstehe!“ Glinda löste sich schon wieder aus Elphabas Umarmung, drehte sich um, stützte sich dabei auf ihren Händen ab und sah Elphaba verärgert an: „Fiyero hat dich damals schon wieder gerettet! Und vorher hast du mir noch unter die Nase gerieben, dass ihr euch liebt und er mich nie geliebt hat! Das hast du doch alles selber gesagt!“ „Ich weiß! Ich weiß..“, Elphaba machte ein zerknirschtes Gesicht, „Nachdem er mich vor dem Zauberer gerettet hat, war ich erstmal total verwirrt. Ich hatte nie im Leben damit gerechnet, dass er noch Gefühle für mich hat. Natürlich war ich in meiner Jugendzeit auch ein bisschen in ihn verliebt gewesen – aber das waren doch alle. Wenn das überhaupt Verliebtheit war! Ich verstehe ja nicht viel davon…“, Elphaba machte ein verzweifeltes Gesicht. „Er war halt nur der erste Mann in meinem Leben, der sich nicht nur wegen meines Aussehens für mich interessiert hat. Damals dachte ich dann immer: Das muss Liebe sein, aber erstens habe ich bis heute noch keine Ahnung von wahrer Liebe und zweitens war er schließlich mit dir zusammen! Darum habe ich auch nie etwas versucht. Als ich dann verschwand, wurde mir auch klar, dass das alles nur so eine jugendliche Phase gewesen war… Ich glaube, Fiyero wollte sich damals nur an mir hochziehen…“ „Wie meinst du das?“ „Nun, er war ja nicht ganz so oberflächlich, wie er sich gab und das habe ich ihm damals auch gesagt. Danach begann er, sich zu verändern und das hast du ja auch gemerkt. Ich glaube einfach, er hat begriffen, genau wie du damals, dass es im Leben nicht nur um diese oberflächlichen Geschichten geht. Und ich war die einzige, der er folgen konnte. Mein Leben war hart genug gewesen und ich bin zu einem Mensch geworden, der Ehrlichkeit vorzieht und sich für die Rechte anderer einsetzt. Das fand er, glaube ich, immer bewundernswert. Nachdem ich dann jedoch verschwand, nahm auch er wieder seinen alten Platz in diesem Gesellschaftsspiel ein. Ich habe das ja auch alles mitbekommen und da habe ich verstanden, dass Fiyero nie mich, sondern meine Ziele und Ansichten geliebt hat. Er suchte mich, weil er meine führende Hand brauchte. Denn wenn er mich wirklich geliebt hätte, dann wäre er nicht auf den Zauberer eingegangen und auch nicht auf diese Verlobungsgeschichte! Sein Ziel war nicht meine Liebe, sondern einfach nur… Ich weiß nicht wie ich das sagen soll…“, Elphaba hielt kurz inne. „Er wollte in meiner Nähe sein, damit er sich weiterentwickeln konnte. Er war zu feige, das alleine durchzustehen. Hätte er mich geliebt, dann wäre ihm das alles egal gewesen.“, schloss sie dann zufrieden. Glinda kuschelte sich wieder in Elphabas Arme und meinte dann: „Aber wenn du ihn doch nicht geliebt hast und wenn du dir sicher warst, dass er dich auch nicht liebt, warum hast du mir das dann damals gesagt?“ „Glinda, ICH war auch sehr verletzt! Meinst du, mich hätte diese ganze Sache mit Nessa kalt gelassen? Als ich dich an ihrem mehr oder weniger Grab gesehen und mit dir gesprochen habe, da wusste ich sofort, dass es dein Tipp an Akaber gewesen war! Und da wollte ich dich so verletzten, wie du mich verletzt hattest! Ich wollte dir das alles zurückwerfen und deswegen habe ich das gesagt! Und dann hast du dieser Göre auch noch die Schuhe gegeben. Heute weiß ich natürlich, dass ich damals total überreagiert habe… aber dennoch: Ich habe meine ganze Wut an dir ausgelassen, die sich über die Jahre angestaut hatte… Und du deine an mir offensichtlich auch… Es war auch einfach alles zu viel…. Als Yero mich vor dem Zauberer gerettet hat, sind wir nach Kiamo Ko geflogen und er hat mir beteuert, er würde mich lieben und das alles, was vorher war, ihm nun ganz egal schien… Ach, und so was alles…“, seufzte Elphie. Glinda hörte aufmerksam zu und obwohl es schon so lange her war, verletzte sie der Gedanke an Elphie und Fiyero noch immer ein bisschen. „Und das kam alles so plötzlich, dass ich mich auf einmal wieder mitten in einem Leben befand, dass ich all die Jahre vorher versucht habe, zu vergessen. Und zwar nicht nur, weil es für mich besser gewesen wäre, sondern auch für euch. Ich war überwältigt davon, euch alle wiederzusehen. Du hast dich so sehr gefreut und endlich konnte ich deine Nähe wieder spüren und dich nicht nur auf deinem Podest beobachten. Und dann auch noch Fiyero, der mich erst rettet und mir dann etwas von einem gemeinsamen Leben erzählt. Ich weiß gar nicht, ob ich das alles damals wirklich wollte, aber ich war so durcheinander, dass ich überhaupt nicht argumentieren konnte. Doch als ich ihm gerade erklären wollte, dass das nicht mein Leben ist und ich auch nicht in eine solche Art von Leben zurück kann und er bitte sich besinnen und zurück zu dir gehen sollte, da wurden wir unterbrochen…“ „Nessas Tod…“, murmelte Glinda in Elphabas Schulter hinein. „Ja und ab da ging einfach nur noch alles bergab…“ Glinda hob ihren blonden Lockenkopf leicht an und sah der Freundin in die dunklen Augen, als diese weitersprach: „Yero hat mich dann ja noch einmal gerettet und ich war mir gar nicht mehr so sicher, ob ich die ganze Zeit gerettet werden will. Ich wollte euch doch alle in Frieden lassen und vor allem in Frieden gelassen WERDEN! Dann hat sich alles ins Gegenteil gekehrt. Sie haben Fiyero festgenommen und ihn gehängt… Ich habe versucht, ihn zu retten mit irgendeinem … irgendeinem Zauberspruch aus dem Buch, das ich dir geschenkt habe! Ich fühlte mich so schuldig… Schließlich hatte er alles für mich getan und auch wenn ich ihn nicht liebte, ich mochte ihn trotzdem. Das eine hat ja nichts mit dem anderen zu tun! Er hatte sich so für mich eingesetzt und sein Leben für meines riskiert. Ich war ihm also sehr viel schuldig. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, ob mein Spruch irgendetwas bewirkt hatte… Doch dann erhielt ich diesen Brief, der mir sagte, Fiyero wäre gestorben oder wohl eher hatten sie ihn sterben lassen… Mit dem Brief kamst auch du und du hast mir damals alles verziehen. Ich hatte damit wirklich nicht gerechnet und war dir so dankbar für alles, was du für mich getan hast. Doch ich konnte einfach nicht mehr zurück. Ich konnte nicht…. Es war meine Schuld, dass Fiyero tot war und es war meine Schuld, dass ich dich in diese Lage gebracht hatte. Darum schickte ich dich auch wieder fort. Natürlich wollte ein Teil von mir, dass du bleibst und wir dann sehen, was wir machen. Aber ich wusste, es würde dein ganzes Leben zerstören und ich nahm an, dass es das Beste für dich wäre, wenn du auch gar nicht erst versuchst, meinen Namen rein zu waschen oder sonst was…“ „Du hast mich zwei Mal fortgeschickt und beide Male hätte ich bleiben sollen…“, murmelte Glinda und erneute Tränen stiegen in ihr auf. Als sie Elphaba sagen hörte: „Ich weiß und ich werde den Fehler nicht ein drittes Mal machen…“, wurde ihr trotz der Kälte warm ums Herz. „… und dann, als du fort warst, da war ich wirklich bereit, mich meinem Schicksal zu überlassen. Ich hatte nicht vor, freiwillig aufzugeben, aber ich hatte auch nicht vor, davon zu rennen. Und dann stand Fiyero plötzlich vor mir! Ich hatte ihn in eine Vogelscheuche verhext und erneut kamen diese unglaublichen Schuldgefühle über mich… Natürlich war ich erleichtert, dass er nicht tot war, aber er war immer ein Mann gewesen, der viel auf sein Aussehen gegeben hatte… Und ich wusste, ich hatte das alles zerstört. Er hatte keine anderen Möglichkeiten mehr. Ab diesem Zeitpunkt ließ ich mich auf alles ein, was er vorschlug. Mein schlechtes Gewissen überragte meine innere Stimme. Ich wollte gar nicht weglaufen und noch einmal neu anfangen. Ich habe in meinem ganzen Leben so oft versucht, alles hinter mir zu lassen und neu anzufangen. Doch kein einziges Mal war mir das gelungen und ich wollte nun endlich mit all dem abschließen! Aber Fiyero war da ganz anderer Ansicht. Er wollte unbedingt mit mir fliehen und ich verstand dann auch, was der Grund dafür war: Ich war die einzige, die ihn so akzeptieren würde, wie er durch mich geworden war. Dass er nur noch diese eine Perspektive, nur noch diesen einen Hoffnungsschimmer in seinem Leben hatte, war meine Schuld. Und ich brachte es einfach nicht über mich, ihn dann dort stehen zu lassen und ihm zu sagen, er solle alleine zurecht kommen. Und auch, wenn ich dort bleiben wollte, bin ich letzten Endes doch mit ihm gegangen. Mein Verstand und mein Gewissen sagten mir, es sei das Richtige…“ „Und was sagte deine innere Stimme?“ Glinda erinnerte sich, wie oft Elphaba ihre Seele immer mit diesem Begriff umschrieb. „Sie sagte mir: Elphaba, bleib da und sieh zu, dass du dich endlich wieder für das einsetzt, was du willst. Ich wusste natürlich, dass das alles nichts gebracht hätte, aber ich hätte nicht kampflos aufgegeben. Und das ist der Punkt, der mich am meisten an der Sache stört. Ich gab auf, ohne zu kämpfen… ICH! Und es fühlte sich die ganze Zeit falsch an, obwohl mir jeder noch so kleine Teil meines Körpers versicherte, es wäre eine kluge Entscheidung gewesen.“ „Es war ja auch klug, nur nicht das, was du wolltest…“, kam es flüsternd von Elphabas Schulter her. Die dunklen Augen sahen die blonden Locken bewundernd an: „Ja,… Ja, das stimmt wohl. Nachdem wir es dann geschafft hatten, den Hexenjägern zu entkommen, da schrie wieder ein Teil von mir: „Sag es Glinda! Sag es Glinda!“ Doch der kluge Teil war absolut dagegen, genauso, wie Fiyero. Ich konnte seine Begründung natürlich nachvollziehen und sagte mir immer und immer wieder, dass ich für dich sowieso gestorben sei…“ Erst, als sie das ausgesprochen hatte, bemerkte sie das Wortspiel und musste grinsen. Auch Glinda hatte es bemerkt und lächelte nun: „Gestorben ist hier aber sehr doppeldeutig!“ „Ja, das habe ich auch gerade gedacht! Aber das Ende von dem ganzen Lied war natürlich, dass ich dir nichts gesagt habe. Jedes Mal, wenn ich Yero ansah, wurde ich an meine Fehler und an meine falschen Entscheidungen erinnert. Ich hoffte immerzu, dass sich meine Sichtweise für ihn irgendwann ändern würde, wenn ich wirklich versuchte, mich dem Leben so anzupassen, wie er es sich wünschte. Ich hoffte, irgendwann würde mein schlechtes Gewissen Ruhe geben, nur das Problem bei der ganzen Sache war: Ich hatte nicht nur wegen ihm ein schlechtes Gewissen, sondern auch wegen dir. Ich war so hin und her gerissen zwischen diesen zwei Polen, dass ich immer, wenn es mir möglich war, die Gelegenheit nutzte, um nachzusehen, wie es dir ging! Ich wollte einfach sicher gehen, dass ich damals die richtige Entscheidung getroffen habe.“ „Mir scheint, dass du das immer tust…“ „Was meinst du?“ „Naja, sieh doch mal… Nachdem du mich das erste Mal fortgeschickt hast, da hast du ja auch anscheinend immer gewusst, was ich mache… Und dann beim zweiten Mal war es auch nicht anders…“, Glinda hatte zwar aufmerksam zugehört, aber verstand die Logik in Elphabas Handeln noch nicht so ganz. „So habe ich das noch nicht gesehen…“, gab Elphaba zu, „Aber ich nehme mal an, dass es stimmt. Ich merkte, dass ich in diesem Zustand nie mit dir abschließen würde, was ich auch eigentlich gar nicht wollte… Aber ich wusste, wenn ich wirklich ein Leben mit Fiyero führen würde, dann musste ich irgendwie von dir loskommen… Also habe ich dann versucht, alles schwarz zu malen, was du jemals für mich getan hast und ich habe Fiyero alles versprochen, was er hören wollte. Das waren zwei riesen Schritte für mich und ich wusste, dass ich sie gehen musste, um endlich mit irgendetwas in meinem Leben abschließen zu können… Ich meine, das war ja nicht das erste Mal gewesen, dass ich das mit dem schwarz Malen versuchte…“ Glinda erinnerte sich an den Anfang ihrer Diskussion: „Ach, du meinst nachdem wir uns in der Smaragdtstadt getrennt haben?“ „Ja…“, nickte Elphie. „Oder wohl eher: Nachdem du mich fortgeschickt hast…“, Glinda war auch nach all den Jahren darüber noch sauer. „Glinda, du weißt, warum ich das getan habe!“ „Ja, weil du glaubtest, es wäre das Beste für mich und weil du mir nicht genug Selbsteinschätzung zugeschrieben hast! Sonst hätte ich die Entscheidung auch selber treffen können!“ „Was hätte ich denn machen sollen?“, fragte Elphaba etwas hilflos. „Ach, ich weiß, dass du recht hast, Elphie…“, seufzte die blonde Schönheit, „Aber jetzt bin ich eine erwachsene Frau und versprich mir, dass du nie wieder eine Entscheidung solcher Art für mich triffst!“ „Das hatte ich auch nicht vor!“ „Versprich es!“, beharrte Glinda auf den genauen Wortlaut. „Ich verspreche es!“ Mit leisem Seufzen kuschelte sich Glinda noch etwas fester in die hautfarbenen Arme und schloss die Augen. „Elphie, mir ist kalt…“, nuschelte sie nach einem kurzen Schweigen. Als die Freundin nicht antwortete, richtete sie sich auf und sah Elphaba in die Augen. Diese starrte verblüfft an dem Blondschopf vorbei. Glinda folgte ihrem Blick und drehte sich um. „Glinda?“, setzte Elphaba perplex an, „Ist das… SCHNEE?“ „Ich glaube, ja…“, hauchte Glinda nun auch sehr verwundert. Ramón rannte in großer Eile zu dem hohen Eingangstor und bremste sich gerade noch rechtzeitig, bevor er in den Hof trat. Er atmete einmal tief durch und öffnete dann die Tür. Enttäuscht stellte er fest, dass auf dem Hof nebst ein paar Wachleuten niemand zu sehen war. Er ging auf einen der Wachleute zu und wäre dabei fast auf dem schneebedeckten Boden ausgerutscht. Erst da merkte er, dass es schneite. Dicke, große Flocken sanken sanft auf den Hofboden nieder. „Wann kommt das Fräulein Griek an?“, sprach er einen Mann in Uniform an. Der Mann deutete auf die lange Einfahrt, auf welcher schon die Kutsche zu sehen war und meinte: „Ich würde sagen, in einer Minute?“ Sehr langsam ging Ramón zum üblichen Halteplatz der Kutschen. Drei dunkelbraune Pferde zogen das Gefährt, deren Fell glänzte und der warme Atem verursachte mit jedem Schnauben eine kleine Dunstwolke. Als die Kutsche vor ihm zum Halten kam, versuchte er, etwas hinter den violetten Gardinen zu erspähen, die vor neugierigen Passanten schützen sollten. Die Kutsche selber war aus sehr dunklem, glänzenden Holz. Ramón hielt es für gillikinesische Eiche und die Türen links und rechts trugen jeweils Penelopes Emblem: ‚PG’. Der obere Bogen des Gs verschmolz in geschwungener Pracht mit dem Bogen des Ps und Ramón erblickte unter dem hinteren Fenster die Buchstaben: G.R.I.E.K. Sie waren in dem gleichen Goldton, jedoch viel, viel kleiner und ohne jeden Schnickschnack. Der Kutscher stieg ab und machte Anstalten, die Tür zu öffnen. Ramón machte mit einer Gestikulierung deutlich, dass er sich darum kümmern würde. Angespannt griff er nach der goldenen Türklinke und zog sie auf. Lächelnd nahm die Frau in der Kutsche seine dargebotene Hand an und stieg die Stufen hinab. Dann schaute sie sich erst um, bevor sie den blonden Mann ansah. Dieser verbeugte sich leicht und flüsterte nickend: „Meine Königin.“ Penelope wusste sofort, was er damit meinte und verbeugte sich nun ihrerseits leicht. Dann lächelte sie: „Mein König.“ Sie trug ein schulterfreies Kleid, ohne Träger. Stattdessen war ihr Hals mit einer uralten, kostbaren Kette geschmückt, die vom Farbton sehr gut zu dem violetten Kleid mit der gelben Schärpe passte. Ramón stellte fest, dass er noch immer das junge, hübsche Mädchen in ihr erkennen konnte. Sie war lediglich älter geworden und ihre Haare waren wahrscheinlich dreifach so lang, wie damals. Diese trug sie offen und sie glänzten im Kontrast zum Schnee. „Du bereitest mir einen ganz schön kühlen Empfang!“, meinte sie trocken. Ramón lächelte. Er hatte vor ihr noch nie eine solche Frau getroffen, bei der man nicht wusste, was als nächstes passierte. ‚Ja…’, gestand sich Ramón still ein, ‚Sie ist unberechenbar!’ Dann sagte er laut: „Nun, in Anbetracht unserer ersten Begegnung dachte ich mir, es wäre vielleicht ganz passend! Und das Gänseblümchen habe ich brav in der Erde gelassen!“ Als Penelope laut auflachte, musste auch Ramón lachen und er bot ihr seinen Arm an. Gemeinsam gingen sie in Richtung Eingangstor, an welchem Fokko schon auf seine zugeteilte Dame wartete. Er verbeugte sich tief und nickte dann anerkennend: „Fräulein Griek, Willkommen in der Smaragdstadt!“ Penelope schenkte ihm ein kurzes Lächeln, als Ramón erklärte: „Penelope, das hier ist Fokko. Er wird dir die nächsten drei Tage zu Diensten stehen und damit ist er ganz dein.“ „Ganz mein? Soso…“ Penelope zwinkerte dem Diener amüsiert zu, der feuerrot im Gesicht wurde und stammelte: „Ich… Ich kümmere mich dann mal um das Gepäck!“ Als sie das große Eingangstor hinter sich geschlossen hatte, lachte Penelope lauthals: „Den hast du extra für mich ausgesucht, gib es ruhig zu!“ Ramón lächelte: „Für meine distanzlose Königin wähle ich nur das Beste!“ Plötzlich wurde die hübsche Frau ruhig. Ramón war ihren raschen Stimmungswechsel gewohnt. „Es ist lange her, Ramón…“, flüsterte sie, als der blonde Mann sie auf ihr Zimmer brachte. Sie schwieg, bis er mit ihr in dem dunklen Raum stand. Dann ließ sie seinen Arm los und schloss die Tür. Er stand unbeholfen da und wusste nicht, was er sagen sollte. Langsam drehte sie sich zu ihm um und lehnte sich gegen die Tür. Mit beiden Händen griff sie nach der gelben Schärpe, die um ihren Busen gewickelt war und begann, den Knoten zu lösen. „Zu lange…“, flüsterte sie, als Ramón langsam auf sie zu schritt. Mit festem Griff wickelte er den unteren Teil des gelben Bandes um seine Hand und zog einmal kräftig daran, sodass Penelope in seine Arme fiel. Sie stöhnte leicht auf, als ihr Körper gegen seinen prallte. Nun nahm er auch das andere Ende der Schärpe, wickelte es einmal um ihren Oberkörper und zog sie so noch näher an sich heran. Dann beugte er sich vor, während Penelope ihre Hände an seine Wangen legte. Sie blickten sich tief in die Augen und erst dann pressten sie lustvoll ihre Münder aufeinander. Penelope ließ ihre Hände unter sein Hemd wandern und erforschte seinen nackten Rücken unter ihren Fingern. Als der blonde Mann begann, ihren Hals zu küssen, warf Penelope ihren Kopf in den Nacken und presste ihre Fingernägel in sein Fleisch. Bei jedem Besuch, den Ramón seiner Schwester abgestattet hatte, hatten die beiden sich geliebt, bis auf das erste Mal. Ramón ließ die Schärpe fallen und mit einem gekonnten Griff hob er Penelope hoch, sodass diese ihre Beine um seinen Körper schlang. Dann drückte er ihren Rücken gegen die geschlossene Tür und küsste sie mit unsagbarer Leidenschaft. Plötzlich klopfte es an der Tür und die beiden Liebenden hielten inne. „Wie passend!“, murmelte die Frau, setzte wieder beide Füße auf den Boden und wischte sich ihren Lippenstift von der Wange. Ramón fuhr sich kurz durch sein blondes Haar, bevor er die Tür öffnete: „Ja?“ „Entschuldigen Sie, Monsieur, aber das Gepäck des Fräuleins ist nun hier.“ „Wunderbar, danke!“, kam es vom anderen Ende des Raumes her. Penelope stand am Fenster und beobachtete die Schneeflocken. „Bringen Sie es bitte herein. Ich packe dann selber aus!“ „Wie Sie wünschen.“ Fokko nickte Ramón zu, weil Penelope ihm den Rücken zudrehte. Er ahnte, dass er gerade eine äußerst interessante Situation unterbrochen hatte und räumte alles so schnell in das Zimmer, wie er nur konnte. „Ich wünsche eine gute Nacht!“, sagte er freundlich und Penelope drehte sich lächelnd um. „Die werde ich haben!“ Fokko rannte mit hochrotem Kopf aus dem Zimmer, was die Brünette abermals zum Lachen brachte. Ramón schloss die Tür hinter dem Dienstboten und ging auf seine Geliebte zu, die schon abwartend am Bett stand. Mit einer fließenden Bewegung legte er sie mit dem Rücken auf das große Bett und beugte sich über sie. Seine Lippen suchten die ihren und seine rechte Hand wanderte an ihrem linken Schenkel hoch. Stöhnend bohrten sich nun ihre Nägel in seinen Oberarm. „Ich glaube, heute willst du wohl eher die Katastrophe, was?“, hauchte er in ihr Ohr und sie lächelte nur nickend, bevor sie ihn eindringlich küsste. Kurze Zeit später klopfte es schon wieder an der Tür und gleich darauf hörten die beiden eine Stimme. Ramón erkannte sie. Es war Londaro: „Ramón, ich weiß, dass ich ungelegen komme, aber ich muss dich stören. Es gibt eine Planänderung!“ „Zum Zauberer damit!“, fluchte der blonde Mann und löste sich aus einer sehr intimen Umarmung mit der Frau, die er liebte. „Ich werde dann mal auspacken!“, flötete diese und zupfte ihr Kleid wieder zurecht. „Ich komme wieder!“, sagte Ramón entschuldigend und küsste ihre Wange. „Und das mehr als einmal!“, grinste Penelope und nun war es Ramón, der etwas errötete. Er liebte ihre Distanzlosigkeit manchmal sehr. Als er genervt in den Flur trat, fuhr er Londaro an: „Was gibt es denn?“ Auf dem Weg zu dem Büro-Flügel erklärte der Sekretär, dass die Truppen morgen in aller früh erst ausmarschieren würden, da durch den Wetterwechsel die Bedingungen viel zu schlecht waren. „Was hat Mutter sich nur dabei gedacht?!“, fauchte Ramón wütend. „Nun..“, vermutete Londaro, „Wahrscheinlich treibt sie damit deine blonde Freundin und deren grünes Anhängsel wieder zurück nach Kiamo Ko. Denkbar wäre das doch!“ „Das ist gut möglich!“, musste Ramón nun zugeben. „Liegt dein Bericht auf meinem Schreibtisch?“ „Wie du es dir gewünscht hast! Aber wenn du willst, kann ich dich jetzt auch schnell auf den neusten Stand bringen?“ „Na die Lust zum Lesen ist mir jetzt eh vergangen!“, war die murrende Antwort, was Londaro zum Lachen brachte. Er klopfte seinem alten Freund auf die Schulter, als er zu erzählen begann: „Alles in allem wird der Trupp ungefähr einen Tag hin und einen Tag zurück brauchen. Eigentlich hatten wir ja gehofft, dass wir die beiden bis morgen Abend hier hätten, aber deine Mutter meinte auch, wir sollten das Volk von Oz vielleicht nicht direkt zu sehr überfordern. Darum sollten wir ja auch erst Informationen über Glinda sammeln, die wir gegen sie verwenden können.“ „Du warst bei Mutter?“, fragte Ramón verwundert. „Ja.“ „Wann?“ „Vor einer halben Stunde? Warum?“ „Ach, nur so.“ Als Londaro sah, wie die Stirn seines Freundes sich in Falten legte, erzählte er schnell weiter: „Sie meinte, sie würde dann morgen schon dafür sorgen, dass jeder die beiden tot sehen will. Was genau sie vorhat, weiß ich nicht. Sie wollte es mir auch nicht sagen. Aber wie dem auch sei: Morgen früh, noch vor dem Frühstück unserer fünf Damen wird Fiyero mit dem Trupp in Richtung Kiamo Ko aufbrechen. Er soll dort dann den Lockvogel für die beiden spielen. Wir hoffen natürlich, das sie dann noch dort sind. Fiyero hat irgendwas von Glasschale und Affe gebrabbelt, aber ich habe nicht nachgefragt. Er schien mir am Ende der Unterhaltung doch etwas konfus. Dann fragte er, da sich seine Abreise ja etwas verzögert hat, ob er mal in Glindas Zimmer dürfe. Ich habe es ihm erlaubt.“ Abwartend sah Londaro seinen Freund an. Als Ramón nickte, setzte er erneut an: „Vielleicht findet er ja dort irgendetwas. Auf die Idee, dort mal nachzusehen, sind wir ja gar nicht erst gekommen. In Meredith’ Büro habe ich ja schon nachgeschaut und dort war nichts zu finden. Dorle habe ich gesagt, sie solle bitte mal in Elaines Zimmer nachsehen, doch auch sie konnte nichts finden, was Glinda belasten könnte. Nun können wir nur noch abwarten. Accursia war aber wirklich etwas merkwürdig. Sie meinte zu mir, als ich ging, diese ganze Sache käme ihr sehr gelegen.“ „Was hat sie damit gemeint?“, fragte Ramón neugierig, der noch immer nicht begriff, warum seine Mutter ihn nicht sehen wollte, seinen Freund aber schon. „Ich weiß es nicht!“, hilflos zuckte Londaro mit den Schultern. „Ich werde übrigens auch morgen früh mitgehen. Große Lust habe ich zwar nicht, aber da Kwen sich um die Gefangenen kümmert, fällt die Wahl wohl auf mich. Willst du nicht auch mit?“ „Ich? Was soll ich denn da? Glinda rastet aus, wenn sie mich sieht!“ „Genau deswegen!“ „Oooh, nein!“, wehrte der Blondschopf hektisch ab, „Lass mal lieber. Das hebe ich mir für die Minute auf, in der ich mit ihr alleine bin!“ Nach kurzem Zögern brachte Londaro nun endlich die Frage über seine Lippen, die ihn schon den ganzen Tag beschäftigt hatte: „Ramón? Glaubst du wirklich, Glinda ist… eine Sappho?“ „Darüber habe ich nach Fiyeros Auftauchen auch nachgedacht und je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr glaube ich, dass er recht hat.“ „Aber man sieht es ihr doch gar nicht an…“, meinte Londaro grübelnd. Es war eines der häufigsten Argumente in Oz, wenn es um Sapphos und Urninge ging. „Tze…“, zischte Ramón, „Sieht man es Meredith denn an?“ „Nein…“, gab Londaro zu. „Siehst du… Und weißt du, wie viele Sapphos und Urninge es in Oz gibt? Die schwarzen Statistiken lassen böses ahnen!“ „Das weiß ich auch, aber Sapphismus, sowie Uranismus wird kaum in der Öffentlichkeit … gezeigt!“ „Und genau deswegen…“, begann Ramón, als er die Klinke seiner Bürotür in die Hand nahm, „… wissen wir nicht, wie viele Feinde wir uns mit der heiklen Angelegenheit morgen Abend machen werden….“ Mit den Worten schloss er die Tür und ließ den noch immer grübelnden Londaro draußen stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)