Die Legende von Karon Eisenhand von Schilly ================================================================================ Kapitel 1: Tiriel al Rhouyan - eine starke Gegnerin --------------------------------------------------- Das Eichhörnchen starrte verwirrt auf den Baumstamm, in dem es sich sein Nest gebaut hatte. Der kleine Nager konnte sich nicht daran erinnern, dass seine Behausung jemals so seltsam gesprungen war. Es war sich sogar ziemlich sicher, dass es noch nie einen Baum gesehen hatte, der im Wald herumhüpft wie einer dieser Karotten fressenden Hasen. Und doch tat sein Heim, sein eigener Baumstamm, den es gewöhnlich vor Vögeln und Schlangen verteidigte, genau dies. Natürlich war der Schwarze Wald für seine magischen Geschöpfe bekannt. Hier trieben sich Feen und Kobolde und andere magische Wesen rum, aber hüpfende Bäume waren noch nie gesehen. Und natürlich irrte sich das Eichhörnchen mit seiner Sichtung. Dicke Schweißtropfen perlten von Karons Stirn, landeten auf seinem gewaltigen Brustkorb und bahnten sich ihren Weg über seine angespannten Bauchmuskeln gen Boden. Die Adern auf seinem Bizeps pulsierten und drohten unter dem großen Gewicht, das auf ihnen lastete, zu platzen. Der Nornelf hatte den Baumstamm aus der Erde gerissen und benutzte ihn als Gewicht, um seinen rechten Arm zu trainieren. Dazu stemmte er den Baum hoch und lies ihn langsam wieder runter. Das erklärte natürlich auch den hüpfenden Baum. Diese Prozedur wiederholte er noch einige Male, bis stechender Schmerz durch seinen Oberarm fuhr. Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er den schweren Baumstamm ein letztes Mal in die Höhe, lies ihn langsam wieder runter und dann fallen. Mit einem leisen Krachen donnerte das Holz in den weichen Moosboden des Waldes. Karon atmete tief ein und füllte seine brennenden Lungen mit der kühlen Waldluft, was unheimlich gut tat. Seine Arme und Beine schmerzten. Doch für Karon war es ein süßer Schmerz. Er genoss es, wenn sein Training beendet war und seine Muskeln anfingen, sich zu regenerieren und zu wachsen. Seit ungefähr drei Stunden stemmte der muskelbepackte Elf tonnenschwere Steine und Baumstämme und hatte damit ein normales, tägliches Training hinter sich gebracht. Er stand einfach ein paar Minuten an der gleichen Stelle. Die Augen geschlossen konzentrierte er sich auf seinen Körper. Er genoss das Gefühl, wie der stechende Schmerz einer süßen Taubheit wich und die Erschöpfung langsam seinen Körper übermannte. Das quiekende Eichhörnchen, das aufgebracht auf seiner Hantel herum sprang, beachtete er dabei gar nicht. Der Nager hörte auf zu fiepen, als das seltsame Geschöpf, das sein Haus zerstört hatte, ein unheimliches Geräusch von sich gab. Ein tiefes Knurren war von dem Nornelfen zu vernehmen, als sei unter seinen gewaltigen Bauchmuskeln ein Ungeheuer erwacht. „Ich habe Hunger.“ ,stellte Karon fest und legte seine starke Hand auf seinen Magen, der sich anhörte, als verende darin gerade irgendein großes Tier. Der Nornelf drehte sich um, hob mit Leichtigkeit einen anderen Baumstamm hoch und zog mit der freien Hand einen riesigen Sack hervor, in dem er all seine Sachen verwahrte. Den Baumstamm schmiss er hinter seinen Rücken, als sei es ein Stück Müll. Nicht beachtend, dass er mit dieser Aktion drei weiter Bäume ungewollt fällte, setzte Karon seinen Weg durch den Wald fort. Eigentlich hatte er keine Ahnung, wo genau er sich befand. Vor einigen Tagen hatte er sein Dorf Kunade verlassen und seitdem irrte er durch den gigantischen Schwarzen Wald. In seiner Gemeinschaft hatte es einfach niemanden mehr gegeben, der an seine Kampfkraft herankam. Und wo keine potentiellen Gegner waren, wollte Karon auch nicht verweilen. Also hatte er sich kurzerhand entschlossen seine wenigen Sachen in einen Sack zu packen und sich auf die Suche nach starken Gegnern zu machen. Er trampelte eine geschlagene Stunde mit knurrenden Magen durch den Wald, bis er endlich eine Spur gefunden hatte, die seinen Hunger stillen konnte. Mit Kleintieren wie Eichhörnchen, Ratten oder Vögeln konnte er nichts anfangen. Sie waren zwar schmackhaft, aber sie ernährten ihn nicht. Sein imposanter Körper war im Kampf zwar sehr nützlich, hatte aber einen großen Nachteil: Enorme Muskelmasse bedeutete enormen Energieumsatz. Allein ein Spaziergang durch den Wald verbrannte bei Karon so viel Energie, wie ein normaler Mensch an einem ganzen Tag gebraucht hätte. Doch jetzt hatte er die Spur eines Graubären gefunden. Diese Viecher stellten das perfekte Mahl dar und das Fleisch dieses Ungetüms sollte für den Rest des Tages reichen. Außerdem waren sie unheimlich leicht zu jagen. Zumindest für Karon. Der Nornelf schulterte nun seinen Sack und preschte los. Seine Muskeln waren schon wieder so weit erholt, das er eine unmenschliche Geschwindigkeit erreichte. Seine kräftigen Beine hatten keine Mühe den Waldboden zu überqueren. Glitschiges Moos wurde zermalmt, Äste und Baumstämme in Sekundenschnelle zu Kleinholz verarbeitet, ohne das sie den Elfen bremsten und im Weg stehende Bäume knickten an der muskulösen Brust ab, als seien sie Streichhölzer. Dort ging sein Opfer, nur noch wenige Meter von Karon entfernt. Ein besonders wohlgenährtes Exemplar eines Graubären stapfte gemütlich durch den kühlen Wald und grunzte zufrieden vor sich hin. Der Nornelf packte beim Rennen einen Baumstamm, riss ihn ohne Probleme aus dem Boden, überholte den Bären und lies das tonnenschwere Holz auf den Schädel fliegen. Der Graubär wusste nicht, was mit ihm geschah. Vor zwei Minuten hatte er noch ein paar leckere Beeren verschlungen und nun fühlte er für einen Bruchteil einer Sekunde einen irren Schmerz, gefolgt von totaler Schwärze. Und dann verflogen seine Gedanken im Nichts. Blut, Schädelsplitter und Gehirn des Bären waren im Umkreis von zwei Metern verspritzt. Das meiste dieser breiigen Masse klebte an Karons improvisierter Waffe, dem Baumstamm und an der Brust des Nornelfen, wo sich die Überreste des Bärenkopfes mit seinem Schweiß vermischten. Der kopflose Bärenkörper stand wie eine bizarre Figur noch einige Sekunden vor Karon, bis er leblos zusammenbrach. Der Nornelf wischte sich das Blut von der Brust, so gut es ging. Aber durch den Schweiß verwischte der Brei nur noch mehr. „Lecker.“ ,kommentierte er sein Werk aufrichtig. Er lies seine imposante Schlagwaffe nun fallen und warf sich stattdessen den warmen Bärenkörper über seine massive Schulter. Schnell hatte er ein geeignetes Plätzchen für sein Mahl gefunden. Er lies sich an einer kleinen Quelle nieder, an der er erstmal einige Liter Wasser trank. Erst jetzt spürte er seinen Brand. Kaum hatte das kühle Nass seinen Magen erreicht, schien es als hätte der Körper es schon verwertet. Es dauerte eine ganze Weile, bis die massige Gestalt ihren Durst völlig gestillt hatte. Zufrieden pfeifend machte sich Karon dann daran, seine Beute zu häuten. Er packte das Fell am Ansatz und zog es einfach mit roher Kraft vom Körper. Das noch relativ frische Blut ergoss sich vor ihm auf dem kühlen Moos und tauchte es in ein knalliges Rot. Der metallische Geruch, der von der Blutlache ausging, gefiel dem Elfen. Es erinnerte ihn ans Kämpfen. Als das Fell entfernt war lies er den Körper des Bären so gut es ging ausbluten und machte währenddessen mit einem schnell zerschmetterten Holzstamm und den Feuersteinen aus seinem Sack ein Feuer neben der Quelle. Auf einen sehr dicken Stock spießte er schließlich das riesige Stück Fleisch auf und rammte es über dem Feuer in den Boden. Zufrieden lies Karon sich nach hinten fallen, nicht wissend, das er damit ein halbes Dutzend Insektenzivilisationen dem Erdboden gleichmachte. Mit seinen starken Fingern kratzte er seinen Bauch, der wegen dem ganzen Schweiß und dem inzwischen angetrockneten Blut ziemlich juckte. Hätte ihn jemand so im Wald entdeckt, hätte derjenige ihn für ein blutrünstiges Monster gehalten. Nicht nur die imposanten Muskeln, sondern auch Karons hygienischer Zustand hätte jedem normalen Wanderer ein Trauma beschert. Seine kurzen Haare waren so schmutzig, das sie nicht mehr blau schimmerten, sondern schwarz wie Kohle waren. Seine Muskeln waren mit Blut, Schweiß und Dreck geradezu verkrustet und der Nornelf stank wie eine Leiche, die drei Tage zu lange in der Sonne gelegen hatte. Doch das alles war ihm herzlich egal. Zufrieden kratzte er die juckenden Stellen und genoss den Geruch des gebratenen Fleisches. Es verging eine weitere Stunde, bis der Bär so weit gebraten war, dass man ihn essen konnte. Es verging nicht einmal eine weitere Viertelstunde, bis nur noch die riesigen Knochen des Bären übrig waren. Genau wie das Wasser schienen die ersten paar Kilo Fleisch in Karons Bauch einfach zu verbrennen und erst nach der ersten Hälfte seines primitiven Bratens setzte langsam das Sättigungsgefühl ein. Das Knurren des elfischen Magens war endlich verschwunden und Karon rieb sich seinen Bauch, der nun ein seltsames Bild abgab. Seine steinharten Bauchmuskeln wölbten sich stark nach vorne, weil der gefüllte Magen von innen nach außen drückte. Ein Rülpser, der fast die Erde zum Beben brachte, zeigte an, dass Karon satt war. Zufrieden lehnte er sich an einen nahen Baumstamm, der sich unter seinem gewaltigen Gewicht bedrohlich neigte, und schloss die Augen. Karon liebte es, in Ruhe seinen Körper arbeiten zu spüren. Durch das viele Krafttraining hatte er ein unglaublich gutes Gefühl für jeden einzelnen seiner Körperteile bekommen. Im Moment beobachtete er im Geiste zufrieden, wie das leckere Fleisch in seinem Bauch zu reiner Energie umgewandelt wurde, diese seine Muskeln erfüllten und ihm die unheimliche Kraft zurückgaben, die er im Training verbraucht hatte. Und dann überkam ihn die Müdigkeit, die sich hinter all diesen herrlichen Körperprozessen versteckt hatte. Er entschloss, ein Nickerchen zu machen. Dazu stand er auf und löste die Schnallen seines Kakku, dem stählernen Lendenschurz, den die Nornelfen traditionsgemäß trugen, legte diesen neben sich ins Moos und lies sich dann völlig nackt selbst in das weiche Moos nieder. Das Kakku wurde während des Schlafens aus verschiedenen Gründen immer ausgezogen. Zum einen war es traditionsgemäß die „Kampfkleidung“ für die Nornelfen, und nicht das Nachthemd, zum anderen war es störend, wenn man mit seiner Geliebten im Schlafgemach ein paar Zärtlichkeiten austauschen wollte. Karon legte es aber auch gerne nur deshalb ab, weil seine besten Teile unter diesem stählernen Ding fürchterlich juckten und auch mal Frischluft vertragen konnten. Hier in den Tiefen des Waldes sah ihn ja eh niemand. So freizügig und ruhig er dort lag, so gut konnte die Waldluft seinen hitzigen Körper kühlen. Sein Körper entspannte sich, seine Muskeln erschlafften und es dauerte keine zwei Minuten, bis der Hüne in einen tiefen Schlaf versunken war. Schmerzen zuckten durch seine Brustmuskeln, die sich sofort zusammenzogen und ein Gebilde der reinen Kraft erzeugten. Mit einem vor Schmerz verzogenem Gesicht und einem Grunzen sprang Karon auf und war sofort hellwach. Die Stelle an seiner Brust, die geschmerzt hatte, war versengt. Seine Brustmuskeln zuckten wie zwei wild gewordene Stiere und vertrieben somit den Schmerz so schnell, wie er gekommen war. Sein Körper war vollends angespannt. Kein Schwert der Welt hätte jetzt auch nur einen winzigen Kratzer auf seiner braunen gespannten Haut hinterlassen, so stark waren seine Muskeln. „Zeig dich.“ ,forderte Karon. Ein Grinsen legte sich in sein Gesicht. Jemand hatte ihn gerade offiziell zum Kampf gefordert. Bei dem Gedanken daran, zuckten seine Muskeln vor Erregung auf. Der Nornelf war etwas überrascht, als ein Graubär aus dem Schatten eines Baumes trat. Er war nicht sonderlich groß und kräftig. Für einen Bären war dieses Exemplar sogar ungewöhnlich schmal und bewegte sich sehr geschmeidig. „Willst du Rache nehmen, weil dein Bruder mein Mittagessen geworden ist?“ ,fragte Karon grinsend und breitete seine Arme aus, so dass man seinen Körper in all seiner Pracht sehen konnte. In wirklich jeder Hinsicht, denn er war immer noch splitternackt. „Komm her und versuch es.“ ,forderte er den Bären dann auf. „Du bist so widerlich…“ ,gab die pelzige Kreatur des Waldes mit der Stimme einer jungen Frau als Antwort. Karon staunte nicht schlecht und für einen Moment entspannte er seine Muskeln, was ihn gleich um die Hälfte seiner Breite schrumpfen lies. Doch dann spannte er seinen natürlichen Panzer wieder an und funkelte den Bären grimmig zu. Ein passendes Kommentar fiel ihm auf diese Feststellung nicht ein, also glotzte er nur möglichst böse. Doch seine Kinnlade neigte sich erneut Richtung Erdboden, als sich der Bär in eine recht ansehnliche, rothaarige Frau verwandelte. In ihrem Gesicht spiegelte sich Wut wider. Hätte sie nicht eine Binde um ihre Augen gehabt, hätte ihr Blick den Nornelfen vermutlich niedergestreckt. „Was fällt dir eigentlich ein?“ ,motzte die junge Frau auf einmal los. „Erst bewirfst du mich mit Baumstämmen und jetzt nötigst du mich mit einem derart widerlichen Anblick! Schau dich mal an! Auf deinem Körper fühlen sich die Maden ja schon heimisch und das obwohl du noch nicht einmal tot bist! Auch als Mann kann man sich manchmal waschen! Haben dir deine Muskeln das Hirn zerfressen?“ Obwohl sie mit der Augenbinde eigentlich hätte blind sein müssen, wusste sie erstaunlich gut um Karons Zustand. „Ich hab dich nie mit Baumstämmen beworfen!“ ,unterbrach Karon, der seine Stimme anscheinend wiedergefunden hatte. Er dachte nicht an die vielen unachtsam weggeschmissenen Baumstämme, die in seinen Händen nicht viel wogen. Die Frau wurde rot im Gesicht. „Sag mal, bist du etwa nackt?!“ ,stellte sie empört fest und ballte ihre Fäuste, das der Stab, der nach ihrer Verwandlung in eine Frau auf wundersame Weise in ihrer Hand erschienen war, knackende Geräusche von sich gab. Tatsächlich baumelte Karons Stück noch fröhlich frei herum, anstatt im Kakku zu stecken. Doch peinlich fand der Nornelf das nicht. Bisher hatte sich noch jede Frau gefreut, wenn er sich nackt vor sie gestellt hatte. Ohne ein weiteres Wort zielte die Frau mit ihrem Stab auf Karon. Eine Art greller Blitz löste sich von der Spitze und schoss auf den nackten Elf zu. Doch dieser war bereit für jede Art von Angriff. Seine Muskeln waren aufs Äußerste auf den Kampf eingestellt und diesmal war alles, was diese Attacke in seinem Körper erzeugte, ein angenehmes Kribbeln, dass Karon zum Grinsen brachte. Er war leicht erregbar, wenn er merkte, dass er einem Gegner überlegen war und seine Muskeln fingen wieder an zu zucken, ohne das er das kontrollieren konnte. Die junge Frau schleuderte währenddessen ohne Unterlass diese grellen Blitze auf den Nornelfen, die fast wirkungslos an seinem Panzerkörper verpufften. Die Frau kreischte auf und unterbrach die Salve ihrer magischen Angriffe, als sie merkte, was mit Karon passierte. Sie musste blind sein, wie der Nornelf schon vermutet hatte, das es ihr erst jetzt aufgefallen war. Feine Rauchfäden zierten noch die Stellen an Karons Körper, an denen die Blitze wirkungslos getroffen hatten. Seine Muskeln zuckten immer noch unkontrolliert und boten ein beeindruckendes Schauspiel. Doch was die junge Frau aufkreischen lies war die eine spezielle Körperstelle, die sich bei Karon vor lauter Kampfeslust auch verhärtet hatte. Und genau das war der Grund warum Nornelfen niemals nackt kämpften, sondern immer das Kakku trugen. Der folgende Blitz zeigte sehr wohl eine Wirkung an Karons Körper. Die Wut der Magierin über seine nicht vorhandenen Blöße hatte die Magie dieses Angriffs wohl verstärkt. Auf jeden Fall war der Nornelf so überrascht von der plötzlichen Wucht des Angriffs, dass sein Körper für einen Moment wankte und er drohte, nach hinten zu fallen. Zwei kräftige Hände packten Karons Arme und zwei starke Arme versuchten ihn vollends niederzuringen. Die wütende Frau hatte sich in ein großes, haariges, menschenähnliches Wesen verwandelt, dass wie die muskulöse und schwarzhaarige Version der heimischen Waldaffen aussah. In dieser Gestalt mochte die Frau zwar einen unheimlich kräftigen Körper haben, doch die Muskelkraft reichte lange nicht, um Karon zum Sturz zu bringen. Für einen Sekundenbruchteil sah es tatsächlich aus, als konnte der Riesenaffe den Elfen niederringen. Doch Karons Körper stoppte den Angriff schließlich mühelos. Die starken Hände des Nornelfen umfassten die Hüfte der verwandelten Frau und drückten zu. Ächzend lockerte sich der Griff des Riesenaffen. Karon nutzte den Moment und schleuderte seinen Angreifer von sich. Der schwere, haarige Körper prallte krachend gegen einen Baum und fiel dann als zurückverwandelter Frauenkörper in das weiche Moos. Wieder durchglitt ein schöner Schauer Karons Körper. Dafür war er geboren, dafür lebte er. Der Kampf war seine große Liebe. Sein Gegner war eine Frau, schön und gut, aber sie war relativ stark und dem Nornelfen war es dann egal, welches Geschlecht sein Gegner hatte. Die Frau hustete, stand dann aber schwer atmend wieder auf. „Dein Körper ist unmenschlich.“ ,raunte sie, aber in ihrem Gesicht stand keine Bewunderung sondern unendlicher Ekel. „Nicht mal ein Gorilla kann dich niederringen. Aber wie wäre es damit?“ Ihr Körper verformte sich abermals und sie wurde wieder zu einem Geschöpf, dass Karon nicht kannte. Sie war nun groß, grau und nackt, ging auf vier, stumpfen und sehr dicken Beinen und an ihrem Kopf waren zwei riesige Ohren, Hauer und ein langer Rüssel. Sie überragte sogar Karon an Größe. Der Nornelf gestand sich ein, ein bisschen beeindruckt zu sein. „Diese Gestalt nehme ich nicht gerne an, aber gegen dich muss man schon harte Geschütze auffahren.“ ,knurrte das seltsame Tier und preschte dann los. Diesmal war Karon auf einen starken Angriff gefasst. Doch die Wucht und Kraft des grauen Riesen überraschte ihn im ersten Moment doch. Er hatte sich ein wenig verkalkuliert, was die Kraft dieses Ungetüms anging. Doch trotzdem konnte er locker mithalten. Karons starke Arme schlossen sich um den Schädel des Tieres und nahm ihm mit etwas Anstrengung die Wucht. Seine Muskeln spannten sich an und mit einem Ruck stemmte er das Tier über seinen Kopf. Am liebsten wäre er jetzt so stehen geblieben. Selten genug fand er ein Gewicht, das seine Muskeln dermaßen forderte. Das Gefühl, wie seine Muskeln der Erdanziehungskraft und dem enormen Gewicht strotzten, war für ihn erhabend. Doch in einem Kampf durfte man nicht ruhen. Also holte er aus und schleuderte seinen Gegner wieder von sich davon. Der massige, graue Körper walzte ein halbes Dutzend Bäume nieder, stand aber erstaunlich schnell wieder auf seinen vier dicken Beinen. „Das kann doch nicht sein…“ ,raunte das Biest erschöpft mit der Stimme der jungen Frau. Fassungslosigkeit machte sich in ihr breit. Dieser Perverse, der ihr gegenüber stand, der seinen eigenen Körper so sehr liebte, dass jedes Schamgefühl von ihm abfiel, war ihr tatsächlich überlegen. Selbst in der mächtigen Gestalt eines Elefanten hatte sie keine Chance diesen Mann niederzuringen. Dann musste sie halt noch andere Geschütze auffahren. Karon war in einem Rauschzustand, nachdem er das Tier weggeschleudert hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass es keine menschliche Kreatur gab, die gegen ein solches Ungetüm mit bloßer Hand eine Chance gehabt hätte. Und er selbst hatte sie ohne große Mühe von sich geschleudert. Das Adrenalin schoss durch seinen Körper und erregte ihn immer mehr. Als er an sich herunterblickte sah er nur seine geschwollenen Brustmuskeln, die in einem bizarren Rhythmus zu seinem Herzschlag zuckten. Doch sein Herzschlag setzte auf einmal aus. Die Muskeln in seinem Oberkörper verkrampften und versteiften sich zu stahlharten Gebilden. Seine Augen weiteten sich, als er verzweifelt nach Luft rang, denn seine Lunge arbeitete nicht mehr. Das graue Tier stand immer noch da, wo es gelandet war und sah sehr erschöpft aus. Karon wusste genau, das der faule Zauber von dieser jungen Frau kam. Seine Hände glitten fast automatisch über seine Brust und versuchten irgendwie, seinen Tod zu verhindern. Doch wie sollte der Nornelf das anstellen, wo die Ursache doch in seinem Körper lag. Schwarze Flecken tauchten in seinem Blickfeld auf. Karon spürte, dass er die Kontrolle über seinen Körper verlor und das ihn sein Bewusstsein verlies. Gerade als er in völlige Schwärze versinken wollte, wurde er mit einem heftigen Schlag wieder in die Realität gerissen. Das graue Ungetüm hatte ihn erneut mit voller Kraft gerammt und diesmal war er schlicht und ergreifend nicht imstande gewesen, sich zu verteidigen. Er spürte einen unangenehmen Schmerz, den er schon seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte und diesmal war er derjenige, der hilflos durch die Luft flog und gegen einen Baum geschleudert wurde. Keuchend stellte Karon fest, dass er wieder atmen konnte. Seine Sicht kam in dem Moment zurück, in dem er getroffen worden war. Nun lag er im Moos. Sein Körper war nicht ernsthaft verwundet, das merkte er sofort. Die Stelle, an der der Schädel ihn getroffen hatte, war allerhöchstens geprellt. Karon grinste zufrieden. Sein Körper war so unglaublich stark, dass so ein Tier ihn nicht einmal ernsthaft verletzten konnte, selbst wenn es mit voller Wucht traf. Er wusste jetzt, dass diese Frau höchstens mit faulen Tricks und Zaubern gewinnen würde. Also wollte er die Sache schnell zu Ende bringen. Der Nornelf atmete tief ein, sprang blitzartig auf, riss den Baumstamm, der ihn im Flug aufgefangen hatte, aus der Erde, sprintete los und rammte ihn seitlich gegen den Schädel des grauen Riesen. Die Wucht zermalmte zwar nicht den Schädel, so wie es bei dem Graubären der Fall gewesen war, doch war der Hieb stark genug gewesen, den schweren Körper in die Luft zu befördern und ihn zwei Meter weiter aufschlagen zu lassen. Kaum war er gelandet, verwandelte sich das Tier in die junge Frau zurück. Karon lies den Baumstamm fallen und blickte grinsend auf den leblosen Körper. Seine Muskeln zuckten immer noch vor Erregung. Wieder hatte er einen Kampf gewonnen, diesmal gegen eine wahrlich starke Gegnerin. Er drehte sich seinem Sack und dem Kakku zu, um sich auf den Weg zu machen. Als er seine Sachen aufhob, packte ihn das kalte Grauen. Es fühlte sich an, als würden sich zwei eiskalte Hände um seinen dicken Hals legen. Und dann drückten sie zu, ohne das er was unternehmen konnte. Es dauerte ein paar Sekunden bis er realisierte, dass es seine eigenen Hände waren, die ein Eigenleben entwickelt hatten und nun ihre volle Kraft ausnutzten um ihren Meister zu erwürgen. Sicherlich, Karons Nacken war widerstandfähiger als jedes Stahlschild, doch seine Hände waren auch viel kräftiger als jedes Schwert oder jeder Pfeil. Dann plötzlich erlangte er die Macht über seine Hände zurück. Sofort senkte er sie und atmete keuchend ein und aus. Dann drehte er sich zu seiner Gegnerin um. Sie stand da, ihre Binde von den blinden Augen genommen, die aber geschlossen waren. Dann kippte sie ins weiche Moos, völlig erledigt von dem Kampf. Karon bewunderte eine solche Willenskraft mit einem staunenden Gesicht. Er stand zwei geschlagene Minuten da, dann riss ein ihm bekanntes Geräusch ihn aus seinem Erstaunen. Sein Magen knurrte wieder wie ein wilder Wolf. „Ein oder zwei Rehe kann ich mir wohl noch gönnen.“ ,sagte er zu sich selbst, schulterte seine Sachen und lies das bewusstlose Mädchen allein im Wald zurück. Das Karon fast gestorben wäre, hatte er bei dem Gedanken an Essen schon längst wieder vergessen… Kapitel 2: Die Donnerkeilechse ------------------------------ Karon fühlte sich sehr müde. Er hatte seine Augen geschlossen und keine Ahnung, wo genau er lag. Genau genommen wusste er gar nicht, warum er überhaupt schlief. In seinem Kopf drehte sich alles. Es dauerte einige Minuten, bis er seine Gedanken geordnet hatte. Er erinnerte sich nun, dass er seine Heimat, den Schwarzen Wald, verlassen hatte und dann von ein paar seltsamen Typen aufgeschnappt worden war, die ihn zu einem gewissen König von Rhouyan gebracht hatten. Dieser hatte ihm einen starken Gegner versprochen und ihn auf die Suche nach einer gewissen Tiriel geschickt, die Karon schließlich auch gefunden hatte. Und dann hatte dieses Biest ihn tatsächlich besiegt, da sie nicht einfach mitkommen wollte. Und das obwohl Karon diese idiotischen Höflichkeitsfloskeln benutzt hatte, die man einer so hochwohlgeborenen Göre entgegenbringen sollte, so hatte man es ihm zumindest gesagt. Karon überlegte, wie Tiriel gegen ihn gewinnen konnte, wo er sich immer so sicher war, so ziemlich das stärkste Wesen der Welt zu sein. Eigentlich hätte sie keine Chance gehabt, wären da nicht diese grausamen Augen gewesen. Karon hatte nie im Leben Angst gehabt, egal was ihm passiert war, doch diese Augen hatten ihm Schauer über den Rücken gejagt. Automatisch entfuhr ihm ein leises Knurren, doch für einen waschechten Wutanfall war er zu erschöpft. Stattdessen öffnete er langsam die Augen. Es kam ihm vor, als hätte er ewig lange geschlafen. Der Nornelf blinzelte die Müdigkeit aus seinen Augen und blickte an sich herunter, obwohl das wegen seiner gigantischen Brustmuskeln kaum möglich war. Er lag auf einer Art Holzbank, die sich bei der kleinsten Bewegung des Muskelpakets knarrend beschwerte. Karon bemerkte, dass seine Hände und Füße mit schweren Ketten gefesselt waren. Er zeriss sie ohne große Anstrengung und setzte sich auf. Ein Schrei lies den massigen Nornelfen zusammenzucken. Und obwohl der Schrei hoch und spitz war, kam er von einem Mann. Er saß in der Ecke auf einem Stuhl an einem alten Schreibtisch und schien gerade etwas auf ein Stück Pergament zu schreiben. Er war sehr klein und beleibt, trug in seinem Gesicht einen buschigen Schnauzer und war ansonsten völlig kahl. Als der Mann bemerkt hatte, dass sich sein Gefangener bewegte und sich ohne Mühe von den eisernen Fesseln befreit hatte, die einen ausgewachsenen Zuchtbullen zurückgehalten hätten, konnte er nicht anders als zu schreien wie eine Frau. „B…Bleib stehen!“ ,fiepte der Mann mit einer hohen, nervösen Stimme, obwohl Karon gar nicht stand, sondern immer noch gähnend auf der breiten Holzbank saß. „Wenn du mir etwas antust, wird dir das Leid tun!“ ,fügte er schnell hinzu. Karon musterte den kleinen Schwächling und seufzte tief. „Keine Angst, ich greife dich nicht an, Kleiner.“ ,sagte er Nornelf dann mit seiner beeindruckenden, männlichen Stimme, die einen starken Kontrast zur Fiepstimme des Mannes bildete. „Aber sag mir, warum bin ich dein Gefangener?“ ,fragte Karon dann, hob die Reste der Kette auf und zermalmte sie mit dem Druck seiner breiten, starken Hand erneut. Der Mann stand nun zitternd auf. Er hatte sich etwas gefasst, nachdem Karon ihn versichert hatte, ihn nicht in zwei Stücke zu reißen. Seine Stimme war zwar immer noch hoch, doch klang er nicht mehr ganz so jämmerlich. „Du bist nicht mein Gefangener, sondern der Gefangene des Dorfes Kren. Wir…wir haben kein Verlies oder einen Käfig, in das wir dich hätten stecken können, deswegen bist du in meinem Zimmer untergebracht. Wir…wir dachten diese Ketten würden erstmal reichen…aber…“ Der Mann glotzte ungläubig auf die Reste der Kette, die jetzt völlig zerstört und verbogen am Boden lag. „Mein Name ist Heinz. Ich bin der Assistent von Bürgermeister Horaz.“ ,stellte er sich vor und hielt dem Nornelfen reflexartig die Hand zu Begrüßung hin. In der selben Sekunde bereute er es auch und als Karon die Geste erwiderte, dachte Heinz, das er seine Hand nie wieder benutzen konnte. Tatsächlich legten sich die starken Finger wie ein Schraubstock um seine Hand und Karon schüttelte ihn kräftiger durch, als er es gewohnt war, doch Heinz Hand überstand auch das. „Karon Eisenhand, freut mich.“ ,erwiderte Karon knapp. Dieser Mann war völlig uninteressant für ihn, deshalb wollte er keine weitere Zeit mit ihm verschwenden. „Also Dickerchen, ist ja schön und gut, dass ich euer Gefangener bin, aber ich geh jetzt mal.“ Ohne ein weiteres Wort und ohne ein weiteren Blick auf Heinz, der ihn fassungslos anblickte, drehte Karon sich zur Tür und öffnete sie. Vor ihm lag eine gewundene Treppe, die nach unten führte. „Halt!“ ,schrie Heinz aufgebracht, wagte es aber nicht, sich dem Muskelprotz in irgendeiner Weise entgegenzustellen. „Bleib stehen, im Namen des Dorfes Kren!“ Karon seufzte wieder tief und ging gebückt die Treppe hinunter, denn der Flur war ziemlich eng. Er fragte sich, wie die Dorfbewohner es geschafft hatten, ihn hier hoch zu schleppen. Unten angekommen durchquerte er noch einen weiteren Raum, bis er nach draußen auf den kleinen Dorfplatz treten konnte. Und jetzt wusste er auch, warum er der Gefangene dieses Dorfes war. Der Brunnen in der Mitte des Platzes war schon halb wieder aufgebaut, aber das Haus, das Tiriel und er während ihres Kampfes in Schutt und Asche gelegt hatten, war immer noch ein einziger Trümmerhaufen. Karon betrachtete sein Werk und versuchte das schlechte Gewissen zu ignorieren, das ihn auf einmal quälte. „Bleib stehen!“ ,schrie Heinz hinter ihm, obwohl Karon sich keinen Millimeter weit bewegte. Karon drehte seinen Kopf zu ihm hin, dass seine Nackenmuskeln bizarre Falten warfen. „Das tut mir Leid.“ ,bemerkte er knapp und deutete auf das Haus. „Wenn ich im Kampfrausch bin, dann fällt mir so was nicht auf. Ich habe euer Dorf nicht absichtlich zerstört. Außerdem war da noch diese Tiriel und die…“ Heinz bekam bei dem Namen der Adeligen große Augen. „Ihr habt hier mit Tiriel al Rhouyan gekämpft? Diesem Monster? Und ihr seid nicht gestorben? Erstaunlich!“ Karon verstand nicht, warum der Mann so schlecht von dem Weib sprach, aber es war ihm letztendlich auch egal. Außerdem wollte er nicht über den Kampf reden, in dem er kläglich verloren hatte. „Sag mir Dicker, wie kann ich das wieder gut machen?“ „Töte die Echse!“ ,mischte sich eine dritte Stimme ein. Sie gehörte einem stämmigen Mann im mittleren Alter, der nicht gerade gut gelaunt schien. Er sah aus, als sei er Arbeit gewohnt, denn er hatte große, kräftige Hände. Im Vergleich zu Karons Händen glichen sie zwar eher denen eines Neugeborenen, aber für einen normalen Menschen waren sie erstaunlich. Er trug außerdem einen buschigen schwarzen Bart und hatte eine Halbglatze. Seine Stoffklamotten waren von der Feldarbeit abgenutzt und verdreckt. „Bauer Krenz…“ ,stammelte Heinz nervös. „Das Biest hat meine Ernte wieder zerstört!“ ,grunzte der vermeintliche Bauer und packte Heinz am Kragen. „Lass den Muskelprotz losziehen und die Echse töten! Dann haben wir Bauern unsere Ruhe und er kann seiner Wege ziehen! Die Dorfbewohner wären sich einverstanden mit dieser Lösung. Und wenn sie es nicht sind, dann werde ich dafür schon sorgen.“ ,knurrte er den Vertreter des Dorfes an. „Hört sich gut an.“ ,willigte Karon sofort ein. Ein wildes Vieh jagen konnte ja nicht so schwer sein und wenn er dann auch noch seine Schuld begleichen konnte, umso besser. Heinz war erst nicht damit einverstanden, doch unter Bauer Krenz bösem Blick, willigte er dann doch ein. Und so zog Karon Eisenhand los, um die so genannte Donnerkeilechse zu töten. Angeblich war sie mehrere Meter groß und mit einem Schuppenpanzer bedeckt, so hatte Bauer Kranz es ihm zumindest erzählt. Doch das war dem Nornelfen gerade ziemlich egal. Er war frei, durchstreifte wieder einen Wald und konnte seinen Körper strecken. Angeblich hatte er zwei ganze Tage geschlafen. Seine Muskeln tauten langsam auf, je länger der Elf durch den Wald stapfte. Und bald schon zuckten sie vor Aufregung auf die Aussicht auf einen Kampf gegen das Ungetüm. Karon folgte dem Weg, den die Dorfbewohner durch den Wald nahmen, eine ganze Stunde, bis er auf etwas traf, mit dem er nicht gerechnet hatte. Am Wegesrand lagen zwei Menschen, eine steinalte Dame und ein kleines, blondes Mädchen. Er bückte sich zu ihnen herunter und drehte die leblosen Körper um. Ihre Kehlen waren sauber durchgeschnitten und bei genauerer Betrachtung sah man, dass sie durchsucht worden waren. „Welcher Mistkerl…“ ,knurrte Karon. Die Adern, die über seinen Muskeln verteilt waren, fingen an zu pulsieren, als heißes Blut durch seinen Körper gepumpt wurde. Die reine Wut hatte ihn gepackt. Mit geschärftem Blick betrachtete er die Umgebung und es dauerte nicht lange, bis er die Spur der Mistkerle gefunden hatte. Mit größter Sorgfalt belegte er die geschundenen Leichen mit Laub. Als er die improvisierten Gräber bereitet hatte, drehte er sich der Richtung zu, in die er gehen musste, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Seine Muskeln waren durch die erhöhte Blutzufuhr auf ihr Maximum angeschwollen, so dass er aussah wie ein zuckender Fleischberg auf zwei Beinen. Die Adern, die inzwischen auf seinem ganzen Körper pulsieren, drohten unter seiner Wut zu platzen. Mit aller Kraft stieß er sich vom Boden ab und preschte los. Bäume und andere schwere Hindernisse, die dem Nornelfen im Weg standen, wurden mit einem Schups zur Seite geschleudert. Ein Hirsch musste sein Leben lassen, als Karon ihm mit einem gezielten Schlag das Genick brach und zehn Meter durch den Wald schleuderte, weil er im Weg stand. Und es dauerte keine fünf Minuten, bis er die Mörder sehen konnte. Es waren sogar drei Stück gewesen, die der alten Frau und dem Kind aufgelauert hatten. Karon lies einen Wutschrei ab, der die drei Gestalten zusammenzucken lies. Der Nornelf packte sich eine der drei Gestalten am Kopf. Seine starken Finger umfassten den Schädel des Menschen komplett und als Karon leicht zudrückte, konnte der Mann nicht schreien, weil Handmuskeln und Knochen sein Gesicht völlig zusammendrückten. Die anderen Räuber sprangen mit einem erstaunten Geräusch zurück. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie die Lage eingeschätzt hatten. „Lass ihn los!“ ,brüllte einer der beiden und zog dabei ein Schwert. Karon erkannte erst jetzt, dass es sich bei ihm nicht um einen Menschen, wie bei den anderen beiden, sondern um einen Ork handelte. Auch der dritte Räuber zog ein Schwert und versuchte damit, Karon zu drohen. Der Nornelf drückte noch ein bisschen mehr zu. Der Körper, der in seiner Hand hing, zuckte verzweifelt auf, versuchte sich von der Hand zu lösen, die wie ein Schraubstock um seinem Kopf lag. Doch alle Kraft des Menschen reichte nicht aus, den Arm des Nornelfen auch nur ein bisschen zu bewegen. „Habt ihr die Alte und das Mädchen getötet?“ ,knurrte Karon und glotzte dem Ork dabei in die Augen. Dieser war von der Gestalt, die vor ihm stand, völlig eingeschüchtert. Trotzdem spielte er den Mutigen. „Lass ihn los, oder wir töten dich!“ Karon ignorierte die Drohung und stellte stattdessen erneut seine Frage. „Was geht dich das an? Die beiden hatten halt Pech, uns zu begegnen!“ ,brüllte nun der Dritte, der schon Tränen in den Augen hatte, als er sah, das sein Kamerad im Griff dieses Monsters nur noch leicht zuckte. Ohne weiteres Erbarmen drückte Karon nun zu. Der Schädel zwischen seiner rechten Hand bot gegen seine pure Kraft nicht den geringsten Widerstand. Wie eine überreife Frucht konnte der Nornelf den Kopf des Räubers zerdrücken. Der restliche Körper fiel leblos auf den Waldboden, während Karon den Brei aus Blut, Schädelknochen und Hirn an seiner Brust abwischte. Der andere Mensch fing an zu schreien und warf sein Schwert weg. Dann rannte er um sein Leben. Der Ork stieß einen nicht jugendfreien Fluch aus, umfasste sein Schwert mit aller Kraft und stieß zu. Die Klinge glitt an Karons Bauchmuskeln ab, als trüge er eine Stahlrüstung. Der Nornelf packte das Schwert, zerbrach die Klinge ohne Mühe und ohne einen Schnitt davon zu tragen und schmiss die Überreste weg. Der Ork stolperte nun rückwärts nach hinten und fiel auf seinen Rücken. „Halt! Warte!“ ,flehte er. „Wir können das doch anders regeln! Wie wäre es, wenn…!“ Er konnte nicht mehr weitersprechen, denn Karon hatte seinen Fuß im Brustkorb des Räubers versenkt. Langsam, fast so als genieße er es, Rache zu nehmen, zog er seinen breiten Fuß dann wieder aus den warmen Gedärmen der Leiche. „Bleibt nur noch einer…“ ,knurrte er. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit zog Karon einen nahestehenden Baumstamm aus der Erde und rannte los, ohne dass das zusätzliche Gewicht seine Geschwindigkeit verminderte. Sein Opfer war schnell eingeholt. Der Nornelf spannte seine Muskeln so stark an, dass das Holz unter seinen Händen splitterte und seine Finger sich in das Holz gruben. Er holte mit dem Baum aus und traf den rennenden Menschenkörper. Die Wucht dieses Schlages lies den schwachen Körper regelrecht zerplatzen. Blut, Gedärme, Knochen und Körperteile lösten sich voneinander und verteilten sich mehrere Meter weit an den Bäumen der näheren Umgebung. „Ihr hattet halt Pech, mir zu begegnen…“ ,sagte er und spuckte angewidert auf den Boden. Den Baumstamm schleuderte er von sich, dann lies er sich nieder und betrachtete sein Werk. Langsam beruhigte sich sein Puls wieder, das Blut hörte auf zu rauschen und seine Muskeln nahmen wieder ihre normale Größe an. Ein langer, tiefer Seufzer kam aus seinem Mund, nachdem er einige Minuten einfach da gesessen hatte. Als er den roten Brei auf den umliegenden Bäumen betrachtete, kam ihm der Gedanke, dass er hier wohl etwas übertrieben hatte. Sicherlich hätte es gereicht, die Räuber im Dorf abzuliefern. Die Todesstrafe hätte sie so oder so erwartet, aber sie derart hinzurichten kam selbst Karon ein wenig übertrieben vor. Aber die Wut hatte ihn übermannt. Nicht nur die Wut, dass diese Kerle die unschuldige Frau und das Kind eiskalt ermordet hatten, auch die Wut darüber, dass Karon gegen diese adelige Göre verloren hatte. Beides hatte ihn zu dieser Tat hinreißen lassen. Ein schlechtes Gewissen hatte er aber wegen dieser Mistkerle nicht. Den Tod hatten sie verdient, ob nun so oder durch die Hand eines Henkers. Dem Nornelfen überkam auf einmal die Gleichgültigkeit. Er wandte sich von den blutigen Bäumen ab und ging in die entgegen gesetzte Richtung tiefer in den Wald hinein. Der Vorfall mit den Räubern war schnell aus seinen Gedanken verschwunden. Vielmehr kreisten sie nun wieder um Tiriel und darum, wie er so einfach verlieren konnte. Nach einer Weile entschloss er sich härter zu trainieren als sonst um stark genug zu sein, der faulen Magie dieses Weibs mit purer Körperkraft widerstehen zu können. Sobald er soweit war, wollte er Tiriel erneut aufsuchen und eine Revanche fordern, obwohl er ihr versprochen hatte, sie nicht weiter zu belästigen. Aber das war ein Versprechen aus Angst gewesen. Und das zählte in Karons Augen nicht. Mehr in Gedanken versunken als sonst üblich bemerkte Karon nicht, das er sich einem widerlich stinkenden, braunen Haufen näherte, in den er schließlich seinen breiten, sehnigen Fuß versenkte. Erst jetzt, als der noch warme Haufen seinen Fuß umschloss, wagte der Nornelf einen Blick auf den Boden. Der Kothaufen war riesig, so groß, dass sogar die massige Wade des Nornelfen darin versunken lag. Karon zog sein Bein ohne große Mühe aus der Scheiße, was ein seltsames Schmatzgeräusch verursachte. Er bückte sich hinunter und untersuchte den Kot aus der Nähe. „Das könnte von diesem Echsenvieh stammen.“ ,stellte er für sich fest und blickte sich um. Tatsächlich musste dieser überaus große Haufen einem überaus großem Tier gehören. Und auch die Spuren, die das Wesen hinterlassen hatte, deuteten auf einen massigen Körper hin. Dort, wo das Vieh lang gestapft war, hatte es eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Bäume waren umgeknickt, der Boden geradezu umgepflügt und Büsche und Sträucher platt gewalzt. Die Donnerkeilechse machte Karon die Verfolgung dadurch ziemlich leicht. Ohne Eile schlenderte den Nornelf dem Ungetüm hinterher. All zu weit konnte das Vieh noch nicht sein, der Haufen war noch ziemlich frisch gewesen. Karon wanderte einige Minuten, bis er Geräusche vernahm, die nicht in einen friedlichen Wald gehörten. Eine recht schrille Stimme schrie um Hilfe und dann war da noch dieses tiefe, grollende Brüllen, dass die Erde zum Beben brachte. Karon beschleunigte seine Schritte nun etwas und bekam den ungleichen Kampf schnell zu Gesicht. In einem sehr breiten Graben unter ihm kämpfte David gegen Goliath. Es handelte sich hier tatsächlich um die Donnerkeilechse. Das Vieh sah nicht wirklich aus wie eine Echse, eher wie ein zu groß geratenes Rind mit dicken, muskulösen Beinen und einem bizarren, breiten Schädel, der aussah wie der eines zu fetten Drachens. Das einzig echsenähnliche war der lange, kräftige Schwanz und die braungelben Schuppen. Das Ungetüm war tatsächlich an die drei Meter hoch und mindestens genau so lang und breit. Der Gegner der Donnerkeilechse gehörte dem Volk der Kobolde an. Er war nicht einmal halb so groß wie Karon und hatte dünne Ärmchen. In seinem frechen Gesicht hatte er große Augen und spitze Zähne. Außerdem kennzeichneten ihn spitze Ohren, kurzes schwarzes Haar, das ziemlich ungepflegt aussah, und die für Kobolde übliche dunkelgrüne Haut. Mit einem lächerlich kleinem Dolch stand er der Donnerkeilechse gegenüber, die immer wieder mit ihrem breiten, unförmigen Schädel zustieß. Der Kobold wusste zwar geschickt auszuweichen, doch früher oder später würde ihn das Vieh erwischen. Karon stieß sich vom Boden ab und landete so knapp vor dem Wicht, das dieser erschrocken zurückwich und einen spitzen Schrei ausstieß. Die Donnerkeilechse war für einen kurzen Moment verwirrt, doch dann griff sie sofort ihren neuen Gegner an. Ihr massiger Kopf stieß hervor und rammte den Nornelfen mit aller Kraft in den Bauch. Doch dieser hatte schon längst seinen muskulösen Körper angespannt. Die Kraft der Donnerkeilechse verpuffte angesichts der überwältigenden Muskelmassen, die der Nornelf aufzubringen vermochte. Karon packte das Vieh im Nacken und verhakte sich mit seinen kräftigen Fingern hinter den Schuppen. Mit viel Kraft drehte er den Kopf der Donnerkeilechse nun ruckartig in eine Richtung. Das Genick der Bestie brach wie ein Streichholz. Der massige Körper sank leblos zu Boden. „Alles in Ordnung?“ ,fragte Karon den Kobold, der ihn nur mit großen Augen anstarrte. Er gab keine Antwort, sondern saß einfach nur da. Der Nornelf zuckte mit den Schultern und drehte sich seiner Beute zu. Ihm war immer noch alles ziemlich gleichgültig. Die Ereignisse der letzten Tage gefielen ihm gar nicht. Er machte sich daran, die Donnerkeilechse ins Dorf zu transportieren, denn das war Teil seiner Aufgabe. Die Dorfbewohner wollten das Fleisch dieses Ungetüms als Nahrung und die Knochen und anderen Bestandteile als Materialien behalten und als Entschädigung für die Zerstörung ihres Dorfes anerkennen. Erst als der massige, tonnenschwere Körper auf Karons Schultern lag und der Nornelf den Graben hochsprang, fand der Kobold seine Stimme wieder. „Wahnsinn…“ ,flüsterte er und kletterte seinem neuen Helden schnell hinterher. Karon beachtete ihn nicht, aber der Kleine schaute ihn bewundernd an. Zwar sah der Muskelprotz mit seinen stinkenden Scheißfüßen und dem angetrockneten Blut auf Brust und Händen nicht wie der typische Märchenheld aus, doch die Muskeln, die eine ausgewachsene Donnerkeilechse ohne Mühe durch die Gegend schleppen konnten, übten auf den Kobold eine gewisse Faszination aus. Sie gingen eine ganze Weile so, bis der Kobold wagte, seinen Mund aufzumachen. „Äh, danke, dass du mir geholfen hast.“ ,sagte er kleinlaut und rannte dabei auf gleicher Höhe wie Karon. Der Kleine musste fast laufen um mit den langen Schritten des Nornelfen mithalten zu können. Als sein neuer Held nichts erwiderte, sagte der Kobold: „Mein Name ist Cid. Und wie heißt du?“ Karon blickte über seine massigen Schultern auf den Knirps herunter. „Karon Eisenhand“ ,gab er knapp zur Antwort. Er hatte keine Lust sich zu unterhalten. Er wollte nur diese Echse abliefern und dann trainieren, um Tiriel irgendwann besiegen zu können. „Und du bist Jäger? Oder so was?“ ,fragte Cid nun weiter und blickte erwartend hoch, ohne das er Karons Gesicht sehen konnte, das aus seinem Blickwinkel hinter all den Muskeln verschwunden war. Der Nornelf gab wieder keine Antwort. „Komm schon, irgend so was musst du ja machen, oder? Woher sonst das Blut an deinen Händen und der Brust? Und warum sonst solltest du die Donnerkeilechse jagen? Das war übrigens sehr beeindruckend, wie du sie gepackt…“ „Seit still!“ ,unterbrach ihn Karon genervt. „Ich bin kein Jäger. Das ist menschliches Blut. Das Blut von Mördern. Eine Bande von drei Räubern hat eine alte Frau und ein Mädchen am Wegesrand ermordet und ich habe Rache genommen.“ ,erklärte der Nornelf mit einer grimmigen Miene. Cid war schlagartig bleich geworden. Der Mund stand ihm offen und er blickte die Brustmuskeln des Nornelfen entsetzt an, denn dahinter vermutete er dessen Gesicht. „Waren es zwei Menschen und ein Ork?“ ,fragte er nach einer kurzen Schweigeminute. „Ja, wieso? Woher kennst du sie?“ ,knurrte Karon zurück. „Ach…die haben mich auch verfolgt, deswegen bin ich in den Wald geflohen, wo mich dann die Echse überrascht hat.“ ,antwortete Cid nervös. Die Wahrheit war, dass diese drei Räuber bis vor ein paar Stunden seine Partner gewesen waren. Der Kobold musste schlucken bei dem Gedanken daran, was der Nornelf mit ihnen angestellt hatte. Die drei Räuber taten Cid nicht Leid, ganz im Gegenteil. Er hatte seine Partner nie wirklich gemocht und sie hatten den Tod verdient, waren sie zu den Menschen, die ihre Bande immer überfallen hatte, doch immer so brutal gewesen und hatten sie selten am Leben gelassen. Schließlich waren sie sogar so weit gegangen eine alte Frau und ein Kind zu töten. Wut machte sich nun auch in Cid breit. Er selbst wäre nie so weit gegangen. Doch diese Sache verschwieg er dem Nornelfen lieber, denn er wollte nicht so enden wie seine Partner. Außerdem brauchte er jetzt einen neuen Beschützer, denn das war der einzige Grund gewesen, bei dem Ork und seinen Komplizen zu bleiben. Und wer eignete sich nicht besser als persönliche Leibwache als ein Zwei-Meter-Muskelberg? Cid beschloss kurzerhand bei Karon zu bleiben, verschwieg diesem sein neues Glück allerdings noch. Die beiden wanderten eine ganze Weile so weiter. Die Donnerkeilechse war nicht leicht durch den Wald zu transportieren, auch wenn ihr Gewicht für den Nornelfen kein Problem darstellte. Doch durch die Größe dieses Biestes musste er seinen Nacken gekrümmt halten und langsam fing dieser an zu schmerzen. Außerdem hatte Karon lange nichts mehr zwischen die Zähne bekommen, so dass sein Magen immer wieder ein Knurren verlauten lies, das genau so gut von einem Rudel Wölfe stammen konnte. Cid war ruhig, seitdem er die Sache mit den Räubern erzählt hatte. Eigentlich hatte er gehofft, der Kobold würde schreiend davon laufen, doch er war nur für einige Minuten leichenblass gewesen und ihm trotzdem weiter gefolgt. Das neugefundene Duo bemerkte nicht, wie der Wald sich um sie herum veränderte. Die Temperatur stieg auf eine wohlige Wärme an und in der Luft hingen wunderbare Düfte, die von den vielen Blumen stammen mussten, die auf einmal zwischen dem weichen grünen Moos aufgetaucht waren. Cid blickte sich plötzlich nervös um und tippte den Nornelfen schließlich auf den dicken Oberschenkel. „Ähm, Karon?“ ,versuchte er ihn anzusprechen. „Was ist?“ ,knurrte Karon zurück. „Wir…wir sollten uns vielleicht beeilen. Dieser Teil des Waldes ist nicht sicher für uns.“ ,erklärte der Kobold, wobei er sich immer wieder verunsichert umschaute. Der Nornelf machte sich nun auch die Mühe, seine Umgebung etwas näher zu betrachten und erst jetzt fiel ihm auf, dass sie anscheinend das Paradies betreten hatten. Die Bäume und Pflanzen sahen sehr gesund aus, die vielen bunten Blumen hüllten seine Nase in die himmlischsten Gerüche ein und überall waren kleine Teiche, in denen das saubere Wasser wie Feenstaub glitzerte. Der Wald war hier so schön, dass sich Karons Gleichgültigkeit langsam in Wohlgefallen auflöste. Alle schlechten Gedanken verschwammen langsam und schienen dann völlig zu verschwinden. Ein zufriedenes Lächeln legte sich in sein Gesicht. „Du redest Unsinn, Knirps. Was soll uns hier schon passieren?“ Karon stemmte die Donnerkeilechse in die Höhe und legte sie dann so sanft in das weiche Moos, als handele es sich dabei um einen übergroßen Säugling. Eine solche Vorsicht war sonst nicht seine Art, doch er wollte in dieser wunderschönen Gegend nichts zerstören. Cid schaute ihn fragend an. „Wir machen hier eine Pause, an diesem wunderbaren Ort.“ ,sagte Karon mit einem verträumten Blick. Der Kobold rief entsetzt: „Genau deshalb ist dieser Ort nicht gut für uns! Weil dann genau das mit uns passiert! Karon, hör mir zu, dieses Gebiet gehört Nymphen und wenn sie mitbekommen, das hier Männer sind, dann wirst du diesen Teil des Waldes nicht mehr lebend verlassen!“ Karon hörte Cid nicht einmal wirklich zu. Zu sehr hatte ihn diese Traumwelt schon in ihrem Bann gezogen. Wie in Trance blickte er sich um und erfreute sich an dieser Idylle. Einige Meter von ihnen entfernt war eine Gestalt erschienen. Cid schrie auf, während Karon keine Reaktion zeigte. Vor ihnen stand eine junge Frau, die so schön war, dass dem Kobold das Herz wie wild klopfte. Lange schwarze Haare umrahmten ihr Gesicht und gingen ihr bis zur Hüfte. Ihr perfekter Körper war völlig nackt, das einzige, was man als Kleidungsstück erkennen konnte, war ein Blumenkranz, der in ihren Haaren lag. Von ihr ging eine unheimliche Faszination aus. Cid war kein Lustmolch, doch bei diesem Anblick lief er rot an und das Wasser lief in seinem Mund zusammen. Er wunderte sich gleichzeitig, dass Karon so ruhig da stand und keine Reaktion zeigte. „Willkommen, Fremde.“ ,sagte die Nymphe mit dem Lächeln eines Engels und einer süßen Stimme, die im Kopf der zwei Männer wie ein wunderschönes Lied klang. Sie kam nun näher, so langsam und graziös, dass es aussah, als würde sie über das weiche Moos gleiten. „Ihr seit gern gesehene Gäste in diesem Waldgebiet.“ ,führte sie dann fort. Sie stand direkt vor Karon. Ihre glatten Hände strichen nun über seine Brust und streichelten seine Oberschenkel, doch der Nornelf zeigte immer noch keine Reaktion. Cid selbst wurde fast verrückt, als noch zwei weitere von diesen perfekten Wesen wie aus dem nichts auftauchten und auf sie zugingen. Leider ignorierten sie den Kobold völlig und gesellten sich dafür zu der Schwarzhaarigen und streichelten Karons Körper. „Wie ist euer Name?“ ,sagte die Blonde, die sich bewundernd an Karons Oberarm zu schaffen machte. „Karon Eisenhand.“ ,sagte der Nornelf knapp. Cid war fassungslos, das der Muskelprotz der betörenden Magie anscheinend standhielt. Er selbst war schweißgebadet und kurz davor eine dieser Frauen anzufallen. Der Kobold wusste genau, dass er und Karon verloren waren. Die Nymphen waren zwar wunderschön und in ihrer Gegenwart verspürte man nichts anderes als Glück, doch im tiefsten inneren waren diese Wesen nur eines: mannstoll. Für gewöhnlich verfiel ein Mann ihnen völlig und lebte dann ein kurzes Leben, denn er verbrauchte all seine Energie für den Liebesakt. Doch die Nymphen nahmen nicht jeden Mann dazu. Sie bevorzugten schöne Männer, was auch erklärte, warum sie Cid einfach links liegen ließen und sich Karon widmeten, der zwar nach getrocknetem Blut und Donnerkeilechsenkacke stank, dafür aber einen gewaltigen Körper vorzuweisen hatte. Die Männer jedoch, die für die Nymphen zu hässlich waren, verschwanden meist spurlos. Und obwohl Cid wusste, das diese Wesen ihn vermutlich töten würden, wagte er es nicht, davonzulaufen. Wie die Nymphen sich über den Körper des Nornelfen hermachten faszinierte ihn so sehr, dass seine Beine sich nicht rühren wollten. Drei weitere Nymphen waren aufgetaucht und nun fingen sie an den Nornelfen mit dem Wasser aus den glitzernden Teichen zu waschen. Das getrocknete Blut und der Kot an seinem Bein löste sich unter den Berührungen der Nymphen und dem Wasser einfach auf. Karon sagte immer noch nichts. Er war es gewohnt, dass nackte Frauen um ihn herumwuselten und ihn pflegten. Auch in seinem Heimatdorf war er schließlich bei den weiblichen Elfen nicht gerade unbeliebt gewesen und ähnliche Situationen kamen fast täglich vor. Für gewöhnlich standen abends mindestens zwei der attraktiven Frauen seines Volkes vor der Tür seiner Hütte, wuschen ihm nach dem Training den Schweiß von den Muskeln und genossen dann die Nacht mit ihm. Und so wunderte sich Karon auch nicht, als eine der wunderschönen Nymphen die Schnallen seines Kakku öffnete und das Kleidungsstück ins Moos fielen lies. Die Lippen dieses wunderschönen Wesens mit dunkelblauen Haaren und violetten Augen senkten sich nun auf die seinen und wie es der Nornelf schon dutzende Male mit den Frauen seiner Art gemacht hatte, vollzog er auch mit der Nymphe den Akt. Die anderen Nymphen ließen erst einmal von ihrem neuen Spielzeug ab, so dass die Blauhaarige in Ruhe ihren Spaß mit Karon haben konnte. Zwei der wunderschönen Wesen, unter anderem die Schwarzhaarige, die die beiden Männer begrüßt hatte, wandten sich nun dem Kobold zu, der gebannt auf die Szene schaute, die sein neuer Leibwächter stöhnend vor seinen Augen vollzog. Erst als die sanften Hände der Schwarzhaarigen seine Wange berührte, konnte er seinen gierigen Blick abwenden. Schweiß glitt über seine grünliche Haut und er zitterte vor zurückhaltender Erregung. „Es tut mir Leid, dass wir dich haben warten lassen.“ ,sagte die Nymphe mit einem entschuldigenden Lächeln, wobei sie Cids Gesicht zwischen ihren Händen hielt und ganz nah an ihn herankam. Er konnte ihren süßen Atem auf seiner Haut spüren und die Begierde nach ihren Körper schien sein Inneres aufzufressen. Er wollte diesen wunderbaren Körper jetzt anfassen, doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er fragte sich, ob das die Magie der Nymphen war, die ihn damit quälen wollten. „Wir möchten dir einen schöneren Ort als diesen hier zeigen, damit wir dir die gleiche Aufmerksamkeit schenken können, wie deinem starken Freund.“ ,erklärte sie weiter. Cid wusste, dass sie ihn nur los werden wollten, damit sie sich in Ruhe dem Nornelfen widmen konnten, und trotzdem nahm er die Hand der schwarzhaarigen Nymphe und ihrer blonden Freundin und folgte ihnen weg von dem Platz, an dem Karon schon eine zweite Nymphe liebte. Cid war wie hypnotisiert und er nahm die Umgebung um sich herum überhaupt nicht mehr wahr. Auch als der Wald um ihn herum seine Schönheit verlor und zu dem wurde, was jeder Mensch als einen stinknormalen Wald bezeichnen würde, bemerkte er es nicht. Die zwei sanften, grazilen Hände, die sich in seinen eigenen, rauen Koboldhänden wie Samt anfühlten, zogen ihn immer weiter vom Platz der Nymphen weg. Der Kobold bemerke nicht einmal, wie die Nymphen ihn kichernd durch einige Dornenbüsche zogen und sich an den hässlichen, blutigen Kratzern ergötzten, die seine grüne Haut nach dieser Prozedur überzogen. Er fühlte nicht einmal den Schmerz, den die zahlreichen Wunden ihm hätte zufügen müssen, so berauscht war er von den engelsgleichen Gesichtern, die ihn immer wieder verführerisch anlächelten, und von den Stimmen, die ihm einen wunderbaren, paradiesischen Ort versprachen. Schließlich wurden die Nymphen langsamer. Sie gingen nur noch ein paar Schritte, bevor sie dann stehen blieben. Ihre glatten Hände lagen noch in den seinen, als die Schwarzhaarige nah an ihn herankam und ihre verführerischen Lippen knapp vor seine hielt. Cid fühlte sich, als würde er schweben, so leicht schien sein Körper, als er sich in den dunklen Augen des wunderschönen Wesens verlor. „Du Narr.“ ,flüsterte sie dann und ein boshaftes Glitzern durchzog auf einmal ihre Augen. „Ich Narr…“ ,säuselte Cid ihr verliebt nach. Die Blonde fing an zu kichern und ein Grinsen huschte über das Gesicht der Schwarzhaarigen, so hinterhältig, das es nicht zum Rest ihres Äußeren passte. „Du wusstest von uns und trotzdem konntest du uns nicht widerstehen. Ihr Männer seid wirklich nur für das eine zugänglich. Dein Freund hat das Glück, das auch wir den Akt lieben. Du hast das Pech, dass du als hässliche Kreatur auf diese Welt gekommen bist.“ ,zischte sie. Ihre Stimme war nun alles andere als angenehm. Sie klang angewidert. Und dann ließen die beiden Nymphen los. Das schöne Gefühl ihrer sanften, warmen Hände verschwand von Cids Haut. Und ohne diese Berührung verschwand auch diese Leichtigkeit, die seinen Körper durchflutet hatte. Sein Blick wurde mit einem Schlag wieder klarer, im Bruchteil einer Sekunde, bevor die Gravitation seinen Körper erfasste und ihn in die Schlucht riss, über die die Nymphen ihn geführt hatten. Im Fall sah er, wie seine zwei Begleiterinnen mit einer Art Ranke mit dem Rand der Schlucht verbunden waren und so in der Luft stehen konnten. Beide lachten höhnisch, was in seinen Ohren nicht mehr wie ein Lied klang. Es war bereits die siebte oder achte Schönheit, die befriedigt von Karons Oberkörper rollte und ihn begeistert und laut atmend lobte. Der Nornelf selbst hatte langsam genug. Nicht, dass er keine Ausdauer mehr gehabt hätte, aber das Spielchen wurde ihm langsam langweilig. Eine weitere der Nymphen fing nun an seine Brustmuskeln zu massieren. Auch sie war wieder wunderschön, rote, lockige Haare, braune Augen und ein wunderbarer Körper. Doch als sie ihn küssen wollte, drehte Karon seine Lippen weg. Ehrliches Erstaunen legte sich in das Gesicht der perfekten Frau. „Was ist, mein Liebling?“ ,flüsterte sie sanft, wobei sie ihre Fassung schnell wiedergefunden hatte. Ihre Hand glitt nun langsam in den unteren Bereich seines Körpers, doch bevor sie richtig anfangen konnte, schob Karon sie einfach zur Seite und legte den schönen Körper in das weiche Moos. Langsam stand er auf, hob sein Kakku auf und fing an, es sich umzuschnallen. Dabei bemerkte er nicht, dass dutzende fassungslose, dennoch wunderschöne Gesichter ihn anglotzten. Die Rothaarige stand auf und fiel ihm an die Brust. „Karon, was ist los? Wir haben doch noch nicht einmal angefangen!“ ,sagte sie enttäuscht und ungeduldig. „Ihr seit gute Gastgeber.“ ,stellte Karon stumpf fest, „Seit Tagen konnte ich mich mit keiner Frau mehr vergnügen und ihr wart gut zu mir, dafür möchte ich euch danken. Doch nun möchte ich meinen Weg fortsetzen, denn ich habe noch etwas zu erledigen.“ Karon deutete eine Verneigung an, wie es zum Abschied vor guten Gastgebern nornelfischer Brauch war, und drehte sich dann der Donnerkeilechse zu, die ein paar Meter weiter im Wald lag. Er wollte gerade ein Schritt gehen, als eine Art Ranke sich um seine dicken Waden wickelte und ihn zurückhielt. Überrascht drehte er sich um. Die Arme einer der Nymphen hatte sich in diese Ranke verwandelt. „Was bedeutet das?“ ,fragte Karon unschuldig. Die wunderschönen Gesichter waren verschwunden. Die Köpfe der Frauen glichen eher wild gewordenen Furien. Ihre Augen hatten sich zu bösartigen Schlitzen verengt und ihr Mund war nun breit und mit spitzen Zähnen besetzt. „Du glaubst doch nicht, dass wir dich einfach gehen lassen, du dummer Mann!“ ,krächzte die Nymphe, die ihn gefesselt hatte. „Wir werden dich töten!“ Karon verstand gar nichts mehr. Warum griffen diese Frauen ihn auf einmal an? Eine andere Ranke zischte von der Seite heran und peitschte über seine Brust. Doch der Angriff zeigte nicht die geringste Wirkung, da seine Muskeln sich automatisch zu steinharten Gebilden formten. Karon seufzte. Eigentlich wollte er nicht zu solchen Mitteln greifen, aber anscheinend hatte er keine andere Wahl. Der Nornelf packte die Ranke, die um sein Bein gewickelt war, und zog. Seine unglaubliche Kraft riss die mit der Ranke verbundene Nymphe schlicht vom Boden weg und direkt in seine freie Hand, die sich jetzt um ihren grazilen Hals legte. Bevor sie überhaupt wusste, was mit ihr geschah, lies Karon die Ranke los, ballte eine Faust und schlug in ihr von Wut verzerrtes Gesicht. Es knackte, Blut spritzte und das magische Wesen in seiner Hand verlor das Bewusstsein, bevor es überhaupt reagieren konnte. Karon lies die Nymphe ins Moos fallen, wo sie reglos liegen blieb. „Du hast sie getötet!“ ,kreischten nun dutzende von schrillen Stimmen. Fauchen durchzog die schöne Atmosphäre des Waldes, doch die Nymphen wagten sich nicht mehr an ihren ehemaligen Liebhaber heran. „Sie ist nicht tot, aber wenn ihr mich nicht ziehen lasst, dann endet ihr alle wie sie.“ ,brummte Karon mit einem zufriedenen Grinsen. Es war kein richtiger Kampf gewesen, doch trotzdem hatte ihn dieser kleine Kraftakt leicht erregt. Die Nymphen kreischten eine Weile weiter und schienen über das Angebot nachzudenken. Es wäre das erste Mal, dass sie einen Mann einfach ziehen lassen würden. Doch sie hatten auch noch nie jemanden getroffen, der ihrem Charme widerstehen konnte und im Kampf schier unbezwingbar war. „Geh!“ ,schnatterte eine Nymphe beleidigt. Und so schnell wie sie erschienen waren, verschwanden die wunderschönen Gestalten mit der dunklen Seele wieder. Karon schulterte die Echse mit einem schnellen Ruck und wanderte weiter. Er fragte sich, wo der kleine, grüne Kerl geblieben war, zuckte dann aber mit den Schultern. Vermutlich hatte er das Weite gesucht, als Karon seine Zeit mit den schönen Nymphen verbracht hatte. Sein nächster Gedanke war, dass die Liebeskunst der Nymphen nichts im Gegensatz zu der der Nornelfen war. Und das brachte ihn zum Grinsen. Er erreichte das Dorf erst nach Einbruch der Dunkelheit. Die wenigen Dorfbewohner, die sich im Gasthaus nach einem harten Tag die Kante gaben, staunten nicht schlecht, als sie den muskelbepackten Karon mit der Donnerkeilechse geschultert auf dem Dorfplatz sahen, hatten sie doch vor wenigen Minuten noch Witze über den Mann gemacht, der ganz alleine ein solches Monster töten wollte. Heinz musste erst geweckt werden, denn der Dorfverwalter war schon zu Bett gegangen. Doch Karon verlangte sofort nach ihm, wollte er das Dorf doch so schnell wie möglich wieder verlassen um zu trainieren. Heinz konnte seinen Augen beim Anblick der Donnerkeilechse erst nicht recht trauen, doch dann gab er Karon anerkennend die Hand und entließ ihn aus dem Dorf. Der Nornelf führte noch ein kurzes Gespräch mit dem kleinen, dicken Mann, in dem es unter anderem um die Leichen der Frau und des Mädchens und den Überfall ging, doch dann drehte er sich dem Wald zu und war nie wieder in diesem Dorf gesehen… Kapitel 3: Kampf im Schnee -------------------------- Es waren einige Tage vergangen, seitdem Karon das Dorf Kren verlassen hatte um sich dem Training zu widmen, das dazu führen sollte, seine Muskeln so stark zu machen, dass sie sogar Magie abwehren konnten. Der Nornelf war immer weiter gen Norden gezogen und nun peitschte ihm ein unbarmherziger Wind entgegen, der die Kälte sogar in seine mächtigen Muskeln peitschte. Der grün gefärbte Bärenmantel, den Karon immer in seinem Reisesack mit sich trug, umhüllte seinen breiten Körper nur dürftig, so dass sein nackter Körper dem Wind und dem Schnee, der ihn umgab, ausgesetzt war. Er ließ den Blick über die Landschaft gleiten und versuchte etwas in dem dichten Stöbern zu erkennen. Eigentlich musste es Tag sein, doch die schwarzen Wolken am Himmel, aus denen unaufhörlich dicke Schneeflocken fielen, sperrten die Sonne aus dieser Landschaft völlig aus. Karon konnte keine Armlänge weit gucken und wenn er es doch versuchte, dann schossen ihm die Schneeflocken ins Auge und ließen ihn für Sekunden völlig erblinden. Seufzend neigte er den Kopf nach unten, so dass der Sturm sein Gesicht verschonte. Sein Blick ruhte auf seinen Brustmuskeln, die von einer Gänsehaut überzogen waren, die seinen ganzen Körper befallen hatte. Langsam aber sicher wurde sein Körper steif und seine Muskeln so starr, dass sie ihre Kraft verloren. Karon überlegte, wann er in diese Situation gekommen war, die seinen Tod bedeuten könnte. Vor einigen Stunden war das Gebiet, in dem der Schneesturm tobte, wunderschön gewesen. Eine lange, schneebedeckte Ebene hatte sich vor dem Nornelfen ausgebreitet, als er ein verschneites Wäldchen verlassen hatte, in dem er zwei oder drei Tage lang trainiert hatte. Der weiße Boden hatte geglitzert und obwohl Schnee lag, waren die kalten Temperaturen mit dem Bärenmantel gut auszuhalten gewesen, denn die Sonne stand hinter den wenigen Wolken am Himmel vor. Karon beschloss dieses Gebiet schnell zu überqueren um einen Ort zu erreichen, an dem er trainieren konnte. Denn so wunderschön diese Ebene auch war, so gab es nichts weiter als weißen Puderschnee weit und breit und keine großen, schweren Objekte, die Karon als Gewichte hätte benutzen können. Also schulterte er seinen Reisesack, den er nach dem Vorfall mit der Donnerkeilechse aus dem Versteck geholt hatte, in den er ihn vor dem Kampf mit Tiriel gesteckt hatte, und preschte los. Der Puderschnee war zwar rutschig gewesen, doch Karons Füße waren so breit und sein Körper so schwer, dass er ohne großartige Probleme durch die Ebene rennen konnte. Eine weiße Puderschneewolke bildete sich hinter ihm, als seine gewaltigen Füße den Boden aufwirbelten. Dann irgendwann zog sich der Himmel zu und die Sonne verschwand hinter pechschwarzen Wolken. Die Temperatur war schlagartig gesunken und ein Wind kam auf, der sogar Karon ausbremste und ihn langsamer machte. Dann war es angefangen zu schneien. Karon stöhnte. Die Kälte war inzwischen in seinen Körper gekrochen und jedem Schritt, den er in den tiefen Schnee machte, folgte ein brennender Schmerz. Seine Muskeln waren steif, seine kräftigen Arme, die sonst jeder Herausforderung strotzen konnten, waren um seinen Oberkörper geschlungen. Seine Hände zogen den Bärenmantel krampfhaft über so viel Haut, wie er nur bedecken konnte. Doch der Nornelf wusste, dass wenn er nicht jeden Moment auf ein wärmendes Feuer stoßen würde, er in diesem Schneesturm elendig verrecken würde. Zwei Schritte tat er noch, dann war seine Kraft schlagartig weg. Sein schwerer Körper fiel geräuschlos in den Schnee und war binnen Sekunden von dicken Schneeflocken verdeckt. Dunkelheit überkam ihn. Der Schnee hatte ihn verschluckt. Japsend öffnete er die Augen und fuhr auf. Er glotzte auf seine gewaltige Brust, die mit Schweiß bedeckt war und geradezu bebte, weil Karon so schnell und tief atmete. Ein Alptraum hatte ihn heimgesucht, an den er sich aber jetzt schon nicht mehr erinnern konnte. Mit trübem Blick schaute er sich um. Sollte er nicht eigentlich tot sein? Stattdessen lag er auf dicken, grauhaarigen Fellen auf einem steinigen Höhlenboden. Ein warmes Feuer prasselte keine zwei Meter weit von ihm entfernt. In der Ferne konnte man den Höhlenausgang sehen. Draußen tobte der weiße Sturm, der den Nornelfen in die Knie gezwungen hatte. Ein lautes, bedrohliches Knurren lies Karon herumfahren und als er sah, woher es stammte, machte er einen überraschten Laut. Ein Ungeheuer lag direkt neben ihm. Es war ein gigantischer Wolf mit dichtem, schwarzem Pelz. Und obwohl die Haare lang und zottelig waren, erkannte man auf dem ersten Blick die gigantischen Muskeln, die darunter lagen. Fingerlange, messerscharfe Zähne bleckten Karon entgegen und das Knurren dieses Ungetüms hörte sich an, als könnte es damit die Höhle zum Einsturz bringen. Der Nornelf hatte keine Angst, doch einen gewissen Respekt flößte ihm das Biest doch ein. Immerhin war dieser Wolf fast so groß wie eine ausgewachsene Donnerkeilechse. „Sei ruhig, Thor.“ Die Stimme war schneidend und streng und der Wolf hörte sofort auf zu knurren, wandte sich dem Nornelfen ab und legte seinen massigen Schädel zum Schlafen auf seine Vorderpfoten. Karon drehte sich wieder dem Höhlenausgang zu und bemerkte die große Gestalt, die eingetreten war. Sie war nur etwas kleiner als er selbst und war völlig in dicke, graue Felle gehüllt, wie die, auf denen der Nornelf lag. Die Stimme hatte einer Frau gehört, doch wenn Karon sich diese Gestalt anschaute, konnte er kaum glauben, es sich um ein weibliches Wesen handeln konnte. Die Gestalt war fast genau so stämmig wie er selbst. Eine kräftige Hand wickelte nun das Fell um den Kopf der Gestalt ab und tatsächlich kam darunter ein Frauengesicht zum Vorschein. Karon hielt die Luft an, als er sie erblickte. „Eine Nornelfin?!“ ,entfuhr es ihm, während sich die Frau weiter entkleidete. Und nach und nach erkannte man auch, warum sie so breit war. Sie hatte tatsächlich ähnlich große Muskeln wie Karon selbst. Auf jeden Fall hatte er noch nie eine solch kräftige Nornelfin gesehen, so dass sein Mund offen stand. „So ähnlich habe ich auch geschaut, als Thor dich im Schnee gefunden hat.“ ,gestand sie mit einem Lächeln. Sie hatte sich nun alle Felle abgestreift. Lediglich ein improvisierter Rock und ein Lederfetzen bedeckten ihren Schambereich und ihre sehr üppigen Brüste. Karon konnte sich an der Nornelfin gar nicht satt sehen. Sie hatte einen unglaublichen Körper. Ihr schmaler Kopf mit dem schönen Gesicht lag auf einem dicken Hals, der in einen muskelbepackten Körper weiterführte, der jeden nornelfischen Krieger in den puren Neid getrieben hätte. Außer Karon natürlich, der noch etwas muskulöser als sie war. Obwohl ihr Körper durch die Muskeln sehr maskulin wirkte, hatte sie die Vorzüge einer Frau nicht völlig verloren, wie man an ihrer breiten Hüfte und den sehr großen Brüsten gut erkennen konnte. Ihr blauschwarzes Haar hatte sie zu einem strammen Zopf geflochten. Für die meisten Männer war diese Frau Angst einflössend und einschüchternd, für Karon war sie das höchste aller Gefühle. Er hatte nie eine schönere Artgenossin getroffen. „Mein Name ist Mia.“ ,sagte sie schließlich und setzte sich dabei neben den staunenden Karon an das Feuer. „Wie heißt du?“ ,fragte sie einige Augenblicke später. Karon starrte sie immer noch mit offenem Mund an, fing sich dann aber und gab ihr eine Antwort. „Ich bin Karon Eisenhand aus dem Dorf Kunade.“ ,stellte er sich vor. Sie lächelte ihn an. „Und, Karon Eisenhand, was treibt dich in den ungemütlichen Norden?“ Der Nornelf wusste sich warum, aber als er seine Antwort gab spannte er seinen rechten Bizeps zu seiner vollen Größe an. „Um meinen Körper zu trainieren.“ ,sagte er aufreißerisch und grinste Mia dabei selbstsicher an. Sie musste kichern und Karon wurde rot im Gesicht. Was war das denn gewesen? Diese Pose hatte er automatisch angenommen, um sie zu beeindrucken. Doch das war sie anscheinend nicht wirklich. „Darf ich?“ ,sagte sie schließlich und beugte sich zu ihm rüber. Ihre Hand legte sich auf seine Brust. Karons Herz fing an stark zu klopfen. Hatten seine Muskeln ihm wider aller Hoffnung doch wieder eine Liebhaberin beschert? Die kräftigen Hände der Nornelfin fingen tatsächlich an, seinen gesamten Körper abzutasten. Doch sie waren dabei nicht halb so zärtlich, wie Karon es sich gewünscht hätte. Tatsächlich schien Mia ihn nicht verführen sondern viel mehr untersuchen zu wollen. Nach einigen Minuten setzte sie sich, anscheinend zufrieden mit dem, was sie da gefühlt hatte, wieder in ihre Ausgangsposition, ohne auch nur Anstalten gemacht zu haben, Karons Kakku zu entfernen. Der Nornelf war etwas enttäuscht, blickte sie dennoch fragend an. Als keine Antwort kam, fragte er: „Was sollte das?“ Mia starrte in das Feuer, als ob darin irgendetwas Interessantes verborgen lag. „Du trainierst deine Muskeln sehr hart, nicht wahr?“ Karon nickte nur. „Ja, das fühlt man. Du hast einen prächtigen Körper und ich vermute mal, du bist ein sehr starker Krieger. Ich würde sogar sagen, dein Körper ist das, was man perfekt nennt.“ Der Nornelf starrte sie verwirrt an. Was wollte sie ihm sagen? „Du willst deine Muskeln weiter vergrößern, richtig?“ ,vermutete sie, ohne den Blick vom Feuer zu nehmen. Karon bestätigte das. „Unmöglich.“ ,stellte sie dann mit einem Lächeln fest. Der Nornelf blickte sie fragend an. „Warum?“ ,fragte er schließlich. „Wie gesagt, dein Körper ist perfekt. Jeder einzelne deiner Muskeln in deinem gesamten Körper ist perfekt ausgebildet. Du bist an deine Grenzen gestoßen. Vermutlich trainierst du schon seit Wochen mit Gewichten, ohne das deine Muskeln weiter wachsen.“ Jetzt wo Mia es sagte, fiel es ihm auch auf. Er hatte jeden Tag sein Training durchgezogen, tonnenschwere Gewichte gestemmt und sein Leben lang konnte er beobachten, wie sein Körper wuchs und seine Kraft sich steigerte. Doch in letzter Zeit schien dieser Wachstum verschwunden zu sein, und das obwohl er genau so hart trainierte wie vorher, wenn nicht sogar noch härter. War er also tatsächlich auf seine Grenzen gestoßen? „Woher willst du das wissen?“ ,fragte er schließlich, denn der Gedanke gefiel ihm gar nicht. Wie sollte er stärker werden, wenn sein Körper nicht weiter wuchs? Wie sollte er Magie mit seinem Körper abwehren können, wenn er ihn gar nicht mehr verändern konnte? Wie sollte er so jemals Tiriel besiegen? „Ich kenne die Anatomie der Nornelfen gut. Ich habe mich schließlich selbst lange genug studiert. Und mein Körper hat seine Grenzen auch erreicht, genau wie deiner.“ ,antwortete sie und ihr Blicke wandte sich nun dem Feuer ab, damit sie Karon ein aufmunterndes Lächeln zuwerfen konnte. Karon betrachtete ihre mächtigen Muskeln und glaubte ihr sofort. „Wie alt bist du, Karon?“ ,fragte sie plötzlich. „Ich weiß es nicht genau.“ ,gestand der Nornelf, „An die zwanzig Jahre sind es sicherlich schon.“ Bei dieser Antwort musste die Nornelfin lauthals loslachen. Erst als sie sich wieder beruhigt hatte und Karons beleidigten Blick sah, konnte sie etwas dazu sagen. „Sei mir nicht böse. Die Gerüchte stimmen also, die Nornelfen in den milderen Gebieten sind von ihrem ursprünglichen Leben abgekommen. Ich bin mehrere tausend Jahre alt.“ Nun musste Karon lachen, denn er dachte, sie machte Witze. Der älteste Nornelf, den er kannte, war der Bürgermeister seines Dorfes gewesen und der war gerade mal 112 Jahre alt gewesen und somit schon ein alter Greis unter den Nornelfen. Doch als er Mias selbstsicheres Lächeln sah, verstumme sein Lachen. „Ernsthaft?“ ,fragte er entsetzt und bekam nur ein Nicken zur Antwort. Sein Mund klappte auf und blieb erstmal in dieser Stellung. „Wir gehören dem Volk der Elfen an, auch wenn wir nicht danach aussehen. Wenn wir also bestimme Lebensweisen verfolgen, können wir wie alle anderen Elfenvölker ewig leben.“ ,fing sie an zu erklären, wobei ihr Blick wieder dem Feuer galt. „Es ist ein paar tausend Jahre her, da lebten alle Nornelfen, wie ihr unser Volk nennt, in diesem Gebiet und nicht verstreut in den Wäldern der ganzen Welt. Damals war hier keine schneebedeckte Ebene sondern ein immergrüner Wald.“ Ihr Blick wurde trübsinnig, als sie von der Vergangenheit erzählte. Karon wollte es immer noch nicht so recht glauben, doch anscheinend war Mia wirklich schon steinalt, denn ihre Geschichte klang überzeugend. „Die Nornelfen waren schon immer der kriegerische und kräftige Stamm gewesen und die anderen Elfen verließen sich auf uns, wenn es darum ging, den Wald zu verteidigen. Auch die Magie kam bei den Nornelfen nicht zu kurz. Ja, im Kampf waren wir unbesiegbar. Unsere starken Körper und unsere Magie schlugen jeden Eindringling nieder. Nur ein Volk gab es, das sogar uns Schwierigkeiten bereitet hatte. Wesen, deren Körper mächtiger waren als unsere und deren Magie endlos stark schien.“ Nun verzog sich ihr Gesicht vor Hass, als könne sie diese Wesen im Feuer sehen. „Wer waren sie?“ ,fragte Karon aufrichtig interessiert. Noch nie hatte er von der Lebensweise der antiken Nornelfen gehört. Vor allem nicht aus erster Hand. Die Gelehrten seines Dorfes hätten vermutlich einen Arm geopfert um jetzt hier an seiner Stelle zu sitzen. Wenn nicht sogar zwei Arme. „Walddrachen“ Mia spie das Wort geradezu aus. „Sie kamen aus dem Süden und wollten unseren Wald als ihr Territorium einnehmen. Erst versuchten sie mit uns zu verhandeln, aber nachdem wir nicht bereit waren, unsere Heimat aufzugeben, griffen sie unsere Dörfer an. Es dauerte nicht lange, bis die Drachen die anderen Elfenvölker vertrieben hatten, denn ihre Angriffe waren stark und die Verluste enorm. Nur wir Nornelfen blieben hier und versuchten unsere Heimat zu verteidigen. Die Walddrachen schlugen uns jedoch mit Leichtigkeit zurück. Wir versteckten uns in unserer eigenen Heimat, während wir zusahen, wie die Drachen dem Wald mit ihrer Lebensweise die Lebenskraft entzogen. Jahrhunderte lebten wir versteckt und unsere Versuche, die Heimat zurückzuerobern, schlugen jedes Mal fehl. Doch schließlich fanden die Nornelfen die Kraft, um die Drachen zurückzuschlagen. Ein Weg, der sie mächtig genug gemacht hatte, um den Eindringlingen wirksam entgegenzutreten. Und tatsächlich vertrieben sie diese schuppigen Biester.“ In Karons Brust staute sich eine Menge Wut an. Seine Zähne lagen knirschend aufeinander. Er hatte die Ereignisse, die sein Volk in der Vergangenheit ertragen mussten, nicht persönlich miterlebt, doch Mias wutverzerrtes Gesicht und die Art, mit der sie diese Geschichte erzählt hatte, hatten auch in ihm einen Hass auf diese Drachen geweckt. „Die Nornelfen hatten ihre Heimat zwar wieder.“ ,erzählte Mia dann weiter, „Aber sie war nicht mehr das, was sie früher einmal war. Die Walddrachen hatten den Wald getötet, ihm die Lebenskraft völlig entzogen. Die Pflanzen starben ab, die Tiere verließen den Wald und zogen davon und mit ihnen schließlich die Nornelfen, die in einem toten Wald nicht länger leben konnten. Jahrhunderte lang hatte das tapfere Volk gekämpft, für nichts. Die Nornelfen trennten sich, zogen Richtung Süden und freundeten sich dort mit dem jungen Volk der Menschen an. Sie gründeten neue Dörfer in neuen Wäldern und lebten ihr neues Leben. Doch je länger sie von ihrer Heimat getrennt lebten, desto mehr änderten sich auch ihre Sitten. Die Nornelfen orientierten sich nicht mehr an den anderen Elfenvölkern sondern an den Menschen. Sie spalteten sich ab und wurden immer menschlicher. Sie verloren ihre Magie und sie verloren die Erinnerung daran, dass sie unsterblich waren. Nur ganz wenige Sitten waren übrig geblieben.“ ,endete sie und blickte dabei auf Karons Kakku, dass anscheinend einer solchen Sitte entsprach. Der junge Nornelf wusste nicht, was er sagen sollte. Zu überwältigt war er von den Erzählungen von Mia. Es dauerte eine Zeit, bis er fragte: „Und du bist geblieben?“ Mia lächelte ihn an. Alle Bitterkeit und aller Hass auf die Drachen waren mit einem Schlag aus ihrem Gesicht verschwunden. „Allerdings. Ich bin mit einem halben dutzend anderer Nornelfen hier geblieben. Wir wollten unsere Heimat nicht verlassen, weil wir sie zu sehr liebten. Doch irgendwann brach auch diese kleine Gemeinschaft auseinander. Die anderen Nornelfen, die eine Weile mit mir in diesem Gebiet gelebt hatten, zogen in verschiedene Richtungen davon. Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Vielleicht sitzen sie wie ich in einer einsamen Höhle und leben ihr karges Leben. Vielleicht sind sie auch tot.“ Sie blickte ihn von oben bis unten an, wobei sie ihr zufriedenes Lächeln nicht verlor. Karon hatte sich schon die ganze Zeit gefragt, warum Mia so gut gelaunt war, wo sie doch in einer Höhle mitten in einem Schneesturm in einer anscheinend toten Landschaft hauste. „Du fragst dich, warum ich dich anlächeln kann?“ Hatte sie seine Gedanken gelesen? Karon nickte. „Ich hab einige der heutigen nornelfischen Dörfer besucht und nie habe ich einen Mann wie dich getroffen. Du bist der einzige Nornelf seit tausenden von Jahren, der den Körper der früheren Nornelfen hat. Du bist den Kriegern aus alten Zeiten sehr ähnlich und das freut mich. Sag mir, kannst du Magie wirken?“ Karon spie nun seinerseits aus. Er hielt von Magie so viel wie Mia von den Walddrachen. „Bist du verrückt?“ ,schnauzte er sie an, was er aber sofort bereute, denn nun schaute Mia ihn traurig und enttäuscht an. Sie stellte sich langsam auf, wobei Karon noch einmal bewundernd ihren Körper begutachtete. Für eine tausendjährige Oma hatte sie sich wirklich gut gehalten. „Ich sehe, du bist kein Nornelf von früher.“ ,sagte sie traurig. Es war wahrhaftige und ehrliche Enttäuschung, die sich in ihren Zügen widerspiegelte, so dass Karon sich entschuldigte. „Dazu hast du keinen Grund.“ ,meinte Mia und lächelte ihn nun wieder an. „Du könntest enorme Macht entwickeln, würdest du dein magisches Erbe annehmen. Aber da du die Magie hasst und dich nur auf deinen Körper verlässt, musst du deine Macht halt anders erhöhen. Ich möchte dir gerne einen Weg zeigen, wie du deinen Körper noch stärker machen kannst.“ Karon blickte sie verwirrt an. Hatte sie nicht vorhin gesagt, er hätte seine körperlichen Grenzen schon längst erreicht? Trotzdem war er neugierig. Also stand er auf und grinste Mia an. „Allerdings bin ich müde. Eine alte Frau muss viel schlafen.“ ,scherzte sie dann, obwohl sie gesünder aussah, als jede andere Frau. „Wir werden morgen darüber reden.“ Karon wollte protestieren, doch die Nornelfin streifte sich nun die restlichen Felle ab und entblößte den Rest ihres Körpers. Die Worte blieben ihm bei diesem wunderbaren Anblick im Halse stecken und Karon hatte sich erst wieder gefasst, als Mia hinter ihrem gigantischen Schoßhündchen verschwunden war. Karon schüttelte die Erregung von sich, zog sich ebenfalls aus und legte sich auf die Felle, auf denen er vorher aufgewacht war. Obwohl er nackt war und draußen ein Schneesturm tobte, sonderten Thor und das Lagerfeuer so viel Wärme ab, dass er sofort in den Schlaf glitt. Als Karon aufwachte, ging es ihm erstaunlich gut. Die Felle waren zwar sehr dick, doch den steinernen Boden konnte man trotzdem spüren, wenn man darauf lag. Und obwohl sein Lager hart gewesen war, waren seine Muskeln völlig entspannt. „Hast du gut geschlafen?“ ,fragte ihn Mia, die das Feuer mit einem langen Stock schürte. Während sie geschlafen hatten, waren die Flammen etwas kleiner geworden, doch die Nornelfin kümmerte sich anscheinend immer darum, dass das Lagerfeuer nicht ausging. Thor, der gigantische Wolf, lag nicht mehr neben Karon und war auch sonst nirgends in der Höhle zu sehen. Der Nornelf fragte sich, wie es diesem wuchtigen Ungetüm gelungen war, seinen Platz so geräuschlos zu verlassen, dass er nicht davon aufgewacht war. Mia warf ihm das Kakku und ein paar der grauen, schweren Felle zu. „Mach dich fertig. Jetzt, da wir eine Weile zu zweit sein werden, müssen wir auf die Jagd gehen.“ Karon lief rot an, als er merkte, dass er völlig nackt vor der ehrwürdigen Nornelfin lag. Normalerweise hätte es ihm nichts ausgemacht, doch vor Mia war es irgendwie etwas anderes. Ungeschickter als sonst legte er sein Kakku um und wickelte sich in mehrere Schichten des Felles ein, das erstaunlich schnell und gut wärmte. Er stand nur wenige Sekunden damit in der warmen Höhle und schon brach er in Schweiß aus. „Was sind das für Felle? Sie wärmen unglaublich gut.“ ,stellte er fest und betrachtete seinen massigen Körper, der über und über mit grauen Haaren bedeckt war. „Das werde ich dir zeigen.“ Mia lächelte ihm vergnügt zu und winkte ihn heran. Langsam gingen sie dem Ausgang und damit dem Schneesturm entgegen, der draußen immer noch tobte. „Das Wetter ist unbarmherzig und in den letzten Stunden sogar noch stürmischer als sonst.“ ,erklärte sie vergnügt. „Du darfst die Felle auf keinen Fall abnehmen, denn hier ist es noch eisiger, als an der Stelle, an der ich dich gefunden habe. Wickel auch deinen Kopf ein, sobald du aus der Höhle trittst.“ Karon nickte nur, dann machte er sich schon daran die dicken Felle um seinen Kopf zu wickeln, gerade so, dass er noch einen schmalen Schlitz hatte, durch den er sehen konnte. Mia machte es ihm nach und dann traten sie in die Schneehölle hinaus. Der Wind trieb die Wärme sofort aus Karon heraus. Wie Peitschenschläge jagte die Kälte durch die dicken Felle und seine Haut kribbelte. Der Nornelf war überrascht, dass er trotzdem so fror, obwohl er in mehrere Schichten Fell gehüllt war. Mia legte einen schnellen Schritt vor und verschmolz langsam mit dem Schnee, so dass Karon sich beeilte, ihr zu folgen. Es kam ihm wie Stunden vor, in denen er wortlos der großen, grauen Gestalt folgte, die anscheinend eine feste Route kannte. Er selbst hatte keine Ahnung, wo sie waren und er würde auch niemals alleine zur Höhle zurückfinden. Ohne Mia war er hoffnungslos verloren. An die Kälte hatte er sich inzwischen gewöhnt. Sie war zwar unangenehm, doch man konnte es aushalten. Seit einer Weile gingen sie eine schwache Steigung auf und Karon erschrak fast, als Mia einfach mitten im Gestöber stehenblieb. „Da sind wir.“ ,sagte sie, wobei Karon sich wunderte, das er sie so gut verstehen konnte, obwohl sie nicht schrie. Er selbst musste durch die Felle gegen das Sausen des Sturmes brüllen. „Was ist hier?“ Mia hob einen Arm und deutete in die Schneewehen. Karon trat einen Schritt neben seine Gefährtin und blinzelte. Anscheinend standen die beiden auf einer Art Hügel, denn er konnte relativ klar in ein weißes Tal hinunterschauen. Und erst auf dem zweiten Blick erkannte er, dass riesige Kreaturen durch die eisigen Lande unter ihnen stapften. Sie waren noch etwas größer als die Donnerkeilechse, die er getötet hatte. Ihre Beine waren dicke Stümpfe und an ihren großen Schädeln waren große Ohren, zwei riesige Hauer und ein langer Rüssel gewachsen. Ihre massigen Körper waren von dickem, grauhaarigem Fell bedeckt. „Diesen Wesen haben wir es also zu verdanken, dass wir jetzt durch den Sturm gehen können.“ ,rief er gegen den Wind. Die graue Fellkreatur, die eigentlich Mia war, nickte. Zumindest sah es so aus. „Wie nennt man sie?“ ,fragte Karon brüllend. „Mammuts.“ ,hörte Karon ihre Stimme so klar, als wäre der Sturm gar nicht um sie herum. „Eine von wenigen Kreaturen, die in dieser Landschaft überleben können. Sie sind groß, stark und sehr widerstandsfähig. Und sie geben eine ordentliche Portion Fleisch und Fell ab.“ Karon grinste unter seinen Fellen. Die übliche Erregung packte ihn, wie vor jedem Kampf. Er war drauf und dran den Hügel runterzuspringen, als Mia ihn zurückhielt. „Warte und hör mir zu.“ Karon wandte sich ihr zu. „Ich habe dir gestern gesagt, dass ich dich stärker machen kann und die Jagd auf die Mammuts gehört dazu. Wie gesagt sind deine Muskeln perfekt ausgebildet und können nicht vergrößert werden. Doch gibt es einen Weg, deine momentanen Muskeln zu stärken, ohne sie zu vergrößern. Man muss ihre Dichte erhöhen.“ Karon verstand nur Bahnhof und Mias Kichern zeigte ihm, dass die Nornelfin dies merkte. „Ein Stein wird stärker und härter, wenn man ihn lange und stark presst. Ähnlich geht dies auch mit deinen Muskeln, doch es ist gefährlich. Man muss an seinem ganzen Körper ein unglaubliches Gewicht tragen, damit das auch klappt.“ ,erklärte sie weiter. „Und woher soll ich diese Gewichte nehmen?“ ,brüllte Karon zurück. Er konnte sich nicht vorstellen, was Mia mit ihm vorhatte. „Dies kann man nur mit Magie erreichen.“ ,seufzte die Nornelfin. Karon ging entsetzt zwei Schritte zurück. „Niemals!“ ,brüllte er so laut, dass es sogar im Sturm laut klang. Mia nickte wieder und wandte sich dann den Mammuts unter sich zu. „Nun gut, Karon, dann kann ich nichts für dich tun. Einen anderen Weg gibt es nicht.“ Karon biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. Natürlich konnte Mia das nicht sehen, aber er war sich sicher, dass sie wusste, wie sehr es ihn sträubte, Magie einzusetzen. Doch gerade als die Nornelfin zum Angriff auf die Mammuts ansetzen wollte, hielt er sie zurück. „Mach es…“ ,knurrte er. Mia nickte ein drittes Mal und hob ihre Hand. Sie wühlte sich durch seine Felle, um ihre kalte Hand auf seine nackte Brust zu legen. Karon hörte wie sie einige Worte murmelte und ihre Handfläche auf seiner Haut warm wurde. Dann sackte er in sich zusammen. Bildete er es sich ein, oder wogen die Felle um seinen Körper auf einmal Tonnen und drückten ihn zu Boden? Mit ein wenig Anstrengung erhob er sich wieder. Das Gewicht, das auf ihn lag, erfüllte seinen gesamten Körper. Als hätte man an jede kleine Stelle einen gigantischen Stein gehaftet. Doch er stand da wie vorher. Nur die Felle und das Kakku lagen an seinem Leib. „Was hast du gemacht?“ ,fragte er angestrengt. Selbst das Sprechen fiel ihm unheimlich schwer, da sogar seine Lippen mit Gewichten behangen schienen. „Ein Zauber.“ ,sagte Mia, als erkläre das alles. „Du wirst jetzt mit diesem Gewicht leben müssen. Das ist mein Training.“ Karon verstand und wieder huschte ein Grinsen über sein Gesicht. Er hasste jede Magie, aber solange es sich nur um magische Gewichte handelte, die ihm im Training halfen, konnte er sie akzeptieren. „Und jetzt los. Wir brauchen zwei Exemplare.“ ,sagte Mia und sprang den Hügel herunter. Karon wollte es ihr ähnlich elegant nachmachen, doch als er in die Luft springen wollte, erreichte er nicht annähernd die Höhe, die er angestrebt hatte, verfing sich im Wind und kullerte den Hügel ziemlich schmerzhaft hinunter. Es kostete ihn einige Anstrengung sich aus dem dichten Schnee zu erheben, doch irgendwie schaffte er es. Er hatte das Gewicht völlig unterschätzt. Er konnte sich nicht so bewegen, wie er es gewohnt war. So schnell er konnte, und das war ziemlich langsam, schlug er sich zu den Mammuts durch. Zum ersten Mal in seinem Leben überkam ihm das ungute Gefühl, das er einen Kampf von vornherein verloren hatte. Seine Gefährtin hatte er schon längst aus den Augen verloren, doch der Sturm trug tiefes Brüllen aus weiter Entfernung an sein Ohr. Mia schien schon im Kampf verwickelt zu sein. Karon selbst hatte gerade mal die Spitze der Mammutherde erreicht. Das große Tier, das seine Artgenossen anscheinend anführte, stapfte an ihm vorbei, ohne dass es den Nornelfen auch nur beachtete. Der Nornelf wollte nicht den Anführer töten und dadurch die ganze Gruppe in den Tod reiten. Also wartete er, bis das richtige Exemplar an ihm vorbeistapfte. Drei Mammuts später meinte er, sein Opfer gefunden zu haben. Karon hechtete so gut er konnte auf das Ungetüm zu und sprang. Wieder hatte er sich verschätzt. Gute zwei Meter vor seinem Ziel verschwand sein Körper im tiefen Schnee. Der Nornelf fluchte laut und stellte sich wieder auf. Sein Mammut war schon längst weitergegangen und andere Exemplare zogen an ihm vorbei. Karon konnte nicht fassen, wie dumm er sich bei der Jagd nach solch plumpen Tieren anstellte. Diesmal robbte er kontrolliert und langsam auf die Straße der Mammuts und wartete. Sein nächstes Opfer war nicht ausgesucht, es hatte halt einfach das Pech, ihm entgegengekommen zu sein. Das Bein des Mammuts kam Karon direkt entgegen und mit aller Kraft, die der Nornelf aufbringen konnte, stemmte er sich dagegen. Sein Plan war es, das Mammut umzuwerfen. Hätte er seine vollen Kräfte gehabt wäre das auch sicher kein Problem gewesen, doch jetzt trieb ihm die Wucht, mit der das Bein seinen Körper traf, die Luft aus der Lunge. Karon jauchzte und krallte sich in dem Fell des Giganten fest. Das Vieh schleifte ihn einfach mit sich. Wieder fluchte der Nornelf. Er wagte es erst ein paar Schritte weiter, sich fallen zu lassen. So schnell er konnte rollte er sich aus dem Weg, damit er nicht niedergetrampelt wurde. Seufzend lag er in seinen Fellen da und lies die Herde an sich vorüber ziehen. Die Mammuts waren zu stark, zumindest dann, wenn dieser Gewichtszauber auf ihm lastete. Er war völlig erschöpft und wollte er den Weg zurück in die Höhle schaffen, dann musste er sich jetzt kurz ausruhen. Ein Tritt in sein Gesicht störte wenige Augenblicke später seine Pause. „Man sollte niemals ruhen, wenn man in einem Schneesturm ist. Das bedeutet den sicheren Tod.“ ,stellte Mia vergnügt fest. Sie stand als in Fell gehülltes Schneewesen über ihm. Der Zauber lastete immer noch auf Karon und er brauchte zwei Anhiebe um aufzustehen. „Wie war die Jagd?“ ,fragte Mia ein bisschen stichelnd. „Sehr lustig. Ich hatte nicht die geringste Chance.“ ,schnappte Karon zurück. Mia musste lachen. „Ich aber.“ ,freute sie sich. „Ich habe zwei wunderbare Exemplare erwischt. Nimmst du mir eines ab?“ Karon zuckte mit den Schultern, ein unglaublicher Kraftakt, den er eine Sekunde später bereute. „Natürlich nehme ich dir eins ab. Entzaubere mich aber bitte erst.“ Mias Lache war lauter als der Schneesturm und Karon befürchtete fast, sie würden jeden Moment von einer Lawine dahingerafft werden. „Sehr witzig.“ ,sagte sie, als sie sich beruhigt hatte und drehte sich um, damit sie die Mammuts holen konnten. Karon blickte ihr entsetzt hinterher. Er war sich nicht sicher, ob er noch gehen konnte, doch wenn er Mia verlor, dann verlor er auch sein Leben. Unter Ächzen und Stöhnen folgte er seiner Gefährtin. Und dann musste er auch noch ein Mammut tragen. Während Mia ihr Tier auf den Schultern trug, zog Karon es hinter sich her und bei jedem Ruck entfuhr ihm ein Schmerzensschrei, den seine Gefährtin einfach ignorierte. Hätte er seine vollen Kräfte gehabt, wäre das Gewicht des Mammuts kein Problem gewesen. Karon wusste nicht, wie er es bis in die Höhle geschafft hatte, doch er lag wieder auf seinem Lager. Und der Gewichtzauber drückte ihn zu Boden. Nicht einmal seine Augenlider konnte er öffnen, obwohl er noch gar nicht eingeschlafen war. „Anstrengend, was?“ ,meinte Mia. Sie werkelte irgendwie am Feuer herum. Dem Geruch nach kochte sie ein Stück ihrer Beute. „Ja, ich dachte dieses Gewicht muss ich nur eine Weile aushalten. Wie sollen meine Muskeln so wachsen?“ Mia kicherte und Karon hätte ihr einen bösen Blick zugeworfen, hätte er die Energie dazu aufbringen können. „Ich sagte dir doch bereits, dass deine Muskeln nicht weiter wachsen können. Wir können nur die Leistung deiner vorhandenen Muskelmassen verbessern.“ ,erklärte sie und kam dabei näher, genau wie der Geruch des gebratenen Fleisches. „Ich habe dieses Training auch schon hinter mir. Ich weiß wie du dich fühlst, doch du kannst mir vertrauen. Bald wird es dir besser denn je gehen. Und nun iss.“ Sie hielt das Fleisch an seine Lippen und er riss gierig ein Stück heraus um es fast unzerkaut zu schlucken. Schon verschwand der nächste Bissen in seinem Mund. Karon war noch nie so glücklich gewesen, gefüttert werden zu müssen. Nach mehreren Stücken des Mammutfleisches, das überraschend zart und würzig schmeckte, und einigen Bechern geschmolzenen Schnees beendete Mia das Mahl. „Versuch zu schlafen.“ ,sagte sie und Karon war froh, dass die Nornelfin heute nichts mehr von ihm verlangte. Obwohl der unheimliche Druck auf seinen Muskeln lastete, fiel es ihm nicht schwer einzuschlafen. Doch es kam ihm nur wie ein paar Minuten vor, als Mia ihn auch schon wieder weckte. „Es ist Mitternacht. Komm mit.“ ,flüsterte sie. Karon stellte fest, dass er wieder genug Kraft hatte, um langsam aufzustehen. Als er Mia weiter in die Höhle folgte, stieg ihm der Geruch von verbrannten Kräutern in die Nase. Ruhe kehrte in seinem Körper ein. Für einen Moment dachte der Nornelf, er würde unter dem magischen Gewicht zusammenklappen, so einlullend war der Geruch. Bald kamen sie an einer Sackgasse an. Ein zweites, kleineres Lagerfeuer brannte hier: Die Quelle des wunderbaren Geruchs. Mia setzte sich im Schneidersitz an die züngelnden Flammen und bedeutete Karon, sich neben sie zu setzen. Der Nornelf war in eine Art Trance gefallen und tat, wie ihm geheißen. Die Worte, die Mia sprach, kamen von weit weg. Ihre Stimme war so leise, als säße sie gar nicht wirklich neben ihm. „Es gibt noch einen zweiten Weg deine Kraft zu erhöhen. Die Waffe, mit der wir Kakkuri damals die Walddrachen vertreiben konnten. Doch du musst sie alleine finden. Schließe die Augen und gehe deinen Weg.“ Karon gehorchte der leisen Stimme. Er schloss seine schweren Lider und zog den würzigen Rauch in seine Nase ein. Er stieg ihm zu Kopf und holte ihn immer weiter aus der Realität heraus. Schließlich fühlte sich sein schwerer Körper federleicht an und Karon war nicht mehr in der Höhle. Bunter Neben waberte um seine dicken, nackten Waden. Ansonsten umgab ihn völlige Schwärze, die aber ein eigenartiges Leuchten ausmachte, so dass es an diesem wundersamen Ort nicht dunkel war und er alles genau erkennen konnte. „Wo bin ich hier?“ Seine Stimme hallte wieder, als wäre er in einer riesigen Halle. Doch niemand beantwortete seine Frage. Er war anscheinend alleine, nicht einmal Mia hatte es in diese Welt geschafft, dabei saß sie einen Moment vorher doch direkt neben ihm. Karon machte seinen ersten Schritt auf dem schwarzen Boden. Der bunte Nebel veränderte sofort seine Form und umtanzte seinen Fuß in neuen Mustern. Eine ganze Weile ging er einfach nur durch das Nichts und blickte sich um. Schließlich kam eine dunkle Gestalt auf ihn zu. Sie war sehr groß und sie bewegte sich unglaublich schnell, doch machte sie dabei keine Geräusche. Der Nebel wich von dem Wesen zurück, als es ein paar Meter neben dem Nornelfen zum Stehen kam. Und jetzt erkannte Karon sein Gegenüber auch. Thor, Mias Wolf, stand vor ihm, nur das sein Fell noch schwärzer wirkte und ein seltsames Leuchten das Ungetüm umgab. Und auf seinem Rücken saß eine kleinere Gestalt, die Karon angrinste. Zwei gruselige, pechschwarze Augen mit weißer Iris glotzten ihn an. „Tiriel! Du Miststück!“ ,brüllte er los und ballte seine Fäuste, um sie ihr entgegenzustrecken. „Komm her, damit ich dich besiegen kann!“ Die Tiriel, die insgesamt viel boshafter und finsterer wirkte als die Frau, die Karon damals bekämpft hatte, kicherte schrill. Ein Kichern, das nicht zu ihr passte. Dann ritt sie auf Thor so schnell davon, dass Karon ihnen unmöglich folgen konnte. Trotzdem versuchte er es. So schnell er konnte hetzte er den Wolf hinterher, doch dieser verschmolz schnell mit der Dunkelheit und war verschwunden. „Was hat das zu bedeuten?“ ,raunte er, als er die Verfolgung endlich aufgegeben hatte. Dieser Ort war seltsam. Karon schlug die Augen auf, als er eine unbekannte Stimme vernahm. Mit einem Schlag waren seine Sinne wieder in der Realität. Vor ihm prasselte das große Lagerfeuer. Unter ihm lagen die Mammutfelle, die sein Schlafplatz waren. Am Höhleneingang stand Mia, die mit einer Person lauthals diskutierte, die in einen dicken Mantel eingehüllt war. Als der Nornelf aufstehen wollte, merkte er, das der Gewichtszauber immer noch auf seinem Körper lag. Doch der Schlaf hatte ihm genug Kraft gegeben, so dass er das Kakku anlegte und auf die beiden streitenden Weiber zuging. Die fremde Besucherin war ein Mensch. Ihr Gesicht war sehr ansehnlich, große graue Augen zeigten eine wilde Entschlossenheit und viel Erfahrung. Die schwarzen, zu einem Zopf gebundenen Haare hatten einen blauen Schimmer und passten perfekt zu ihrer braunen Haut. Ihr Körper war von einem dicken, ledernen Mantel umhüllt, der mit zahlreichen Verzierungen geschmückt war. Und obwohl sie ein gutes Stück kleiner und schmaler als die Nornelfin war, legte sie sich ohne Respekt und reichlich frech mit dieser an. Karon musste darüber schmunzeln. „Worum geht es?“ ,fragte er, als er endlich neben Mia stand. Die Besucherin warf ihm einen genervten Blick zu. Anscheinend hatte sie keine große Lust sich zu wiederholen, trotzdem erzählte sie dem Nornelfen, warum sie gekommen war. „Ich suche nach einem Biest, das in dieser Gegend hausen soll. Es soll angeblich in etwa die Größe eines Hauses haben und Arme so stark, eine Mauer ohne große Anstrengung zu sprengen. Man hat mich damit beauftragt es zu töten, denn noch kein Krieger sei dagegen angekommen.“ Mias Blick verfinsterte sich deutlich, als die Besucherin gesprochen hatte. „Ich habe ein solches Monster noch nie gesehen. Es sei denn, ihr redet von den sanften Mammuts“ ,sagte Karon wahrheitsgemäß. Mia nickte. „Seht Ihr, werte Jägerin? Auch mein Gefährte bestätigt, dass es in dieser Gegend eine solche Bestie nicht gibt!“ ,sagte die Nornelfin energisch. Die Menschenfrau blickte die beiden für einige Momente scharf an, als ob sie vermutete, dass sie logen. Auch Karon hatte das Gefühl, dass Mia ihnen etwas verheimlichte, doch er lies sich nichts anmerken. „Mammuts suche ich gewiss nicht. Es handelt sich um ein bösartiges Monster, das viel gefährlicher ist.“ ,stellte die Jägerin fest. Sie drehte sich um, zog sich die Kapuze ihres Mantels über und trat aus der Höhle. Erst jetzt bemerkte Karon, dass der Schneesturm verschwunden war und nur noch leichter Schnee fiel. „Wenn euch irgendetwas auffällt, dann gebt bitte im nächsten Dorf Bescheid, sie sollen den Hinweis doch bitte an Nuima Mornedhel weitergeben.“ Karon nickte und die Jägerin pfiff mit ihren Fingern. Einige Momente später kam ein Pferd angelaufen, ein wunderbarer Rappe. Nuima tätschelte kurz seinen Kopf, stieg dann elegant in den Sattel, nickte den beiden Nornelfen noch einmal zu und ritt dann davon. Mia und Karon blickten ihr hinterher, bis sie im endlosen Weiß nur noch ein winziger schwarzer Punkt war. Dann erst ergriff die Nornelfin das Wort: „Ich möchte, dass du sie verfolgst und von hier vertreibst.“ Mias Stimme war ungewöhnlich bitter und ernst. Karon blickte sie verwundert an. „Was?“ ,fragte er, obwohl genau verstanden hatte, was seine Gefährtin von ihm verlangte. Mia schaute ihn mit finsterer Miene an. „Karon, es mag für dich seltsam klingen, aber diese Frau kann eine ernsthafte Bedrohung für mich werden. Und für dich, wenn du länger bei mir bleiben willst. Wenn du das Training mit mir beenden willst, dann beschwöre ich dich: Vertreibe Nuima Mornedhel.“ Karon rannte so schnell er konnte durch den Schnee. Der Gewichtszauber lag immer noch auf ihm und deshalb erreichte er bei weitem nicht die Schnelligkeit, die Nuimas Rappe auszeichnete. Hätte er seine normale Kraft, hätte er die beiden vermutlich schon längst überholt. Doch hatte er auch das Gefühl, dass das Gewicht nicht mehr ganz so sehr an seinen Kräften zehrte wie am Tag zuvor. Da der Sturm vorbei war trug der Nornelf nur noch einen dicken Mantel aus dem Mammutfell, was immerhin seine Bewegungsfreiheit nicht mehr so sehr einschränkte. Und auch die Fußspuren, die er hinterließ, verschwanden nicht, so dass er auch allein zur Höhle zurückfinden würde. Die Hufspuren der Jägerin waren schließlich auch noch zu sehen. Er lief eine ganze Stunde, bis er Nuima und ihr Pferd gefunden hatte. Sie lagerten an einem kleinen Feuer mitten in der Schneewüste um Essen zu sich zu nehmen. Karon verlangsamte seinen Schritt und kam auf sie zu. Er würde es erstmal auf diplomatischen Wege versuchen, auch wenn das überhaupt nicht seine Stärke war. Nuima sah ihn schon von weitem, erhob sich von ihrem Lager und kam ihm ein Stück entgegen, bis sie nur ein paar Meter voneinander entfernt waren. Ein Sicherheitsabstand, schoss es dem Nornelfen sofort durch den Kopf. „Was willst du, Nornelf?“ ,fragte sie harsch und betrachtete ihn argwöhnisch. „Hast du die Bestie jetzt etwa doch gesehen?“ Karon schüttelte verneinend den Kopf. „Nein, aber ich habe eine Bitte an dich. Verlasse diesen Ort sofort und komme nicht wieder. Dies ist die Heimat von Mia. Dies ist ihr Gebiet und sie möchte nicht, dass du hier herumstreunst.“ Ein Grinsen legte sich in Nuimas Gesicht und sie reagierte ganz so, wie Karon es sich gedacht hatte. „Das kann sich deine Mia an den Hut stecken. Ich werde hier nicht eher verschwinden, bis ich dieses Monster gefangen habe. So lautet mein Auftrag. Und wenn ich ihn nicht durchführe habe ich nichts zu Beißen, du verstehst?“ Mit einem arroganten Lächeln und zuckenden Schultern drehte sie sich um. „Und nun verschwinde, du übergroßer Affe.“ Karon war nicht der Typ, der Beleidigungen gut auffasste. Und so fiel es ihm nicht schwer, diese Frau anzugreifen. Seine Verhandlungen waren gescheitert, nun musste die Gewalt das Problem lösen. Obwohl Karon nur halb so schnell wie normal war, kam sein Angriff für das menschliche Niveau sehr schnell. Trotzdem war Nuima darauf vorbereitet gewesen und wich seiner mächtigen Faust mit einer eleganten Seitwärtsbewegung aus. Im gleichen Moment zog sie ein Schwert unter ihrem Mantel hervor und lies es auf den ungeschützten Arm niederfahren. Doch die Klinge prallte wirkungslos an den angespannten Muskeln ab. Karon befestige seinen Stand im Schnee und lies nun seine zweite Faust mit alle Kraft auf Nuima niedersausen. Doch diese bewies ein zweites Mal eine ungeheure Geschicklichkeit. Ihre Klinge sauste auf die Faust nieder, glitt an ihr vorbei und gab Nuima so die Möglichkeit genug Schwung aufzubauen, ihren Körper vor dem Schlag zu verschonen, indem seit seitlich auswich. Einen Moment später sprang die Frau nach hinten und vergrößerte den Abstand zwischen ihnen. Ein breites Grinsen zierte immer noch ihr Gesicht. „Du bist ziemlich durchschaubar.“ ,lachte sie vergnügt. „Okay, wieso lösen wir die Sache nicht auf deine Weise? Wenn du mich besiegst, dann verschwinde ich von hier. Aber wenn ich dich besiege, dann überlässt du mir deine Mia.“ Karon runzelte die Stirn. Was meinte sie damit? Er wollte es wahrscheinlich gar nicht wissen und immerhin bot sich so die Chance, dass sich Nuima tatsächlich aus diesem Gebiet verschwinden würde. „Einverstanden!“ ,knurrte er schließlich, was Nuimas Grinsen noch breiter werden ließ. Elegant lies sie ihr Schwert durch die Luft schneiden. Dann rannte sie ohne weitere Vorwarnung los. Doch anstatt Karon direkt anzugreifen, wirbelte sie die Klinge erneut durch die Luft. Der Nornelf verstand diese Aktion erst, als der Schnee auf dem Boden vor ihm herumwirbelte, als ob das Schwert hindurch fahren würde. Schnell bückte er sich etwas und kreuzte die Arme vor seinem Kopf. Und keine Sekunde später schnitt die unsichtbare Attacke in sein Fleisch. Blut spritzte in den weißen Schnee und färbte ihn rosa. Karon blickte auf, als schon der zweite unsichtbare Schwerstreich seine Haut aufschnitt, während Nuima ihm immer näher kam. Zwei weitere tiefe Schnitte später war sie endlich nah genug, um zuzuschlagen. Karon ballte die Faust und lies sie in den Schnee fliegen. Eine weiße Wolke bildete sich vor ihm, vor der Nuima wie erhofft mit einem überraschten Laut abbremste. Der Nornelf spannte seinen rechten Arm an. Seine braune Haut nahm die Form der Muskeln an, die darunter lagen, so viel Kraft legte er in diesen Angriff. Seine stahlharte Faust fegte durch die Schneewolke vor ihm und erwischte Nuima mit voller Wucht. Die Jägerin gab nur ein krächzendes Geräusch von sich und flog dann meterweit über den Boden bis sie unsanft im Schnee aufkam, nur um noch ein paar Meter weiterzurollen. Karons Muskeln entspannten sich wieder und er betrachtete die Schnitte, die seinen Unterarm zierten. Diese Nuima war stark, sonst hätte ihr Schwertangriff keine Wirkung gezeigt. Als er sein eigenes Blut aus den Wunden rinnen sah, huschte ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht. Jetzt war er in seinem Element. Den Gewichtszauber anscheinend völlig vergessen, fingen seine Muskeln an zu pulsieren. Sein Blut war heiß und rauschte durch seine Adern. Die Erregung hatte ihn gepackt und sein Atem ging schwer. Er genoss die Situation. Nuima hingegen stand keuchend auf und spuckte Blut. Der Schlag war zerreißend gewesen. Mehrere Rippen waren gebrochen und sie war sich nicht sicher, ob ihre inneren Organe in Ordnung waren. Sie untersuchte sich so schnell sie konnte selber, um dann festzustellen, dass sie keine andere Wahl hatte als weiterzukämpfen, egal wie es um sie stand. Sie griff ihr Schwert, das zwei Meter neben ihr gelandet war und betrachtete ihren Gegner. Der Nornelf blickte ihr gierig entgegen, während die gewaltigen Muskeln an seinem Körper verrückt spielten. Er schien die Kontrolle über sie verloren zu haben, denn sie bewegten sich unabhängig voneinander, als ob sich Tiere hindurch graben würden. Nuima schwang das Schwert erneut, um ihr Gramp il Nuru einzusetzen und ignorierte dabei die Schmerzen. Der unsichtbare Angriff bahnte sich ohne Probleme ihren Weg durch den Schnee und riss schließlich Karons Brust auf, der keine Anstalten gemacht hatte, auszuweichen. Erst der Schmerz dieses Angriffs und das rote Blut, das in sein Sichtfeld kam, bewegten den Nornelfen dazu, den nächsten beiden Angriffen auszuweichen. Schließlich stürmte er einfach auf die Jägerin zu, um sie mit einem weiteren Schlag außer Gefecht zu setzen. Den unsichtbaren Schlägen, die Nuima gnadenlos auf ihn abfeuerte, ausweichend kam er der jungen Frau immer näher. Schließlich war er nah genug um einen gezielten Faustschlag zu landen. Er ballte die rechte Faust und lies sie auf ihr Gesicht zu schnellen. Nuima hob ihre Hand schnell genug und schaffte es auf wundersame Art und Weise damit die massige Faust des Nornelfen so umzuleiten, dass er knapp an ihrem Kopf vorbei schlug. Sie war extrem geschickt und schien bestimmte Techniken zu benutzen, um die Schläge ihres Gegners zu kontern oder ihnen auszuweichen. Auch Karons zweite Faust verfehlte ihr Ziel, als Nuima sich schnell wegdrehte. Der Nornelf fluchte und sprang ein Stück nach hinten um einen guten Stand für seine nächsten Schläge einzunehmen. Doch auch die Jägerin nutzte diesen Moment und holte erneut mit ihrem Schwert aus. Sie murmelte etwas, was Karon entweder als Fluch oder als Zauberspruch identifizierte, und auf einmal war die Klinge ihrer Waffe von brodelnden Flammen umhüllt. „Verdammte Zauberei!“ ,brüllte Karon wütend und nutzte seine Standhaftigkeit jetzt lieber zum Ausweichen als zum Angriff. Denn schon kam ihm das flammende Schwert entgegen und obwohl ihm das Feuer nicht traf als er schnell nach hinten auswich, fügte nur die Nähe der Flammen ihm Schmerzen zu, dass er aufschreien musste. Nuima schien diese Hitze nichts auszumachen, denn sie holte wieder gnadenlos aus um erneut zuzuschlagen. Irgendwie gelang es dem Nornelf den tödlichen Attacken auszuweichen. Er bewegte seinen massigen Körper so geschickt wie er nur konnte und vermutlich verschafften ihm die Verletzungen, die Nuima durch seinen Schlag erlitten hatten, einen kleinen Vorteil. Trotzdem machte ihm die Hitze zu schaffen. Sein Körper war schon in Schweiß gebadet und kam die Klinge ihm doch einmal zu nahe, dann schmerzte die erhitzte Luft an seiner Haut. Doch Karon musste etwas unternehmen, denn früher oder später würde Nuima ihn treffen und er war sich nicht sicher, ob er das überleben würde. Normalerweise war seine Muskeln stark genug um einem Schwert zu widerstehen, doch ob dies auch galt, wenn das Schwert die Hitze eines Vulkanes versprühte, wusste er nicht. Also wurde er etwas kreativ und versuchte ein kleines Experiment. Kurz nachdem er erneut einem Schwertstreich ausgewichen war, stampfte er mit seinem massigen Beinen so stark er konnte auf den Boden. Der Pulverschnee stob auf und hüllte die beiden Kämpfenden ein. Und das Schwert war tatsächlich so extrem heiß, dass sich der Schnee noch in der Luft in zischenden Wasserdampf verwandelte. Nuima schrie überrascht auf und stolperte ein paar Schritte zurück um den plötzlichen Nebel zu entkommen. Karon hatte sich so eine ähnliche Situation erhofft und nutzte die Gelegenheit. Seine massige Hand schnellte hervor und umhüllte den Unterarm der Jägerin, in der sie ihr Schwert hielt. Die unglaubliche Hitze der Feuerschwertes lies den Nornelfen fast zurückzucken, doch er riss sich zusammen und drückte zu. Seine kräftige Hand brach den Unterarm, als ob er nur ein dünner Zweig war. Nuima schrie auf, als sie die höllischen Schmerzen spürte. Die Kraft verließ ihre Hand, das Schwert fiel zu Boden und die Flammen um die Klinge erloschen. Nuima sprang mit zusammengebissenen Zähnen in Sicherheit. Ihr Arm baumelte nutzlos herum und ein leiser Fluch entkam ihrem Mund. Ihr sonst ansehnliches Gesicht war vor Wut völlig verzerrt. Karon hob das nun harmlose Schwert auf, holte aus und schmiss es davon. Die Klinge erreichte eine unheimliche Geschwindigkeit und verschwand mit einem Blitzen irgendwo hinter dem Horizont. „Damit hätten wir dieses Mistding aus dem Spiel und du kannst deine kleinen Tricks nicht mehr einsetzen.“ ,stellte er nüchtern fest und grinste seine Gegnerin an. Nuima schien von der Aktion nicht gerade begeistert zu sein, denn sie schien geradezu zu kochen. Für einen Moment dachte Karon, sie würde jetzt ihren Körper in Flammen hüllen, so zornig schien sie zu sein. Der Nornelf war davon ausgegangen, dass die Jägerin spätestens jetzt aufgeben würde, doch dann rannte sie plötzlich auf ihn zu. Karon zuckte mit den Schultern. Ihm war es egal, wenn sie bis zum bitteren Ende kämpfen wollte. Ihr gesunder Arm traf dem Nornelfen auf seinen stahlharten Bauchmuskeln und zeigte keinerlei Wirkung. Der Schlag von Karon war dafür umso wirksamer. Seine rechte Faust traf den Körper wie ein Donnerschlag und Nuima hob wieder ab um dann ein paar Meter weiter abermals im Schnee zu landen. Karon nickte. Der Kampf war vorbei, er hatte gewonnen. Sie war eine gute Gegnerin gewesen. Sehr stark obendrein, denn sie hatte es geschafft, in seinen Muskelpanzer zu schneiden. Die Wunden bluteten immer noch. Er drehte sich um, damit er in die Höhle zurückkehren konnte, als er im Augenwinkel sah, wie Nuima sich langsam wieder aufrappelte. „Der Kampf ist noch nicht vorbei!“ ,zischte sie wütend. Sie stand da, den Oberkörper mit ihrem gesunden Arm auf die Knie gestützt. Anscheinend konnte sie sich gar nicht mehr bewegen. Karon ging auf sie zu. „Bist du dir sicher? Wenn du weiterkämpfen willst, kenne ich keine Gnade.“ ,sagte er ehrlich. Nuima schaute ihn böse funkelnd an. „Ich gebe doch nicht auf!“ ,brüllte sie ihn an. Karon stand jetzt direkt vor ihr und sie starrte an seinen Muskeln entlang auf das bärtige Gesicht. Sie machte Anstalten ihn anzugreifen, doch wenn sie sich zu sehr bewegte, würde sie einfach zusammenklappen. „Dein Kampfgeist ist bewundernswert.“ ,sagte Karon und ballte seine Faust. Der Schlag traf sie direkt ins Gesicht, doch der Nornelf hatte seine ungeheuerlichen Kräfte gezügelt und auf einem menschlichen Niveau gehalten. Nuima klappte vor ihm zusammen. Sie hatte das Bewusstsein verloren. Der Nornelf seufzte und jetzt, wo er tatsächlich gewonnen hatte, drückte auch der Gewichtszauber wieder auf seinen Körper. Er tat der Jägerin noch den Gefallen, sie auf ihr Pferd zu heben und dem Rappen den Befehl zu geben, sie sicher ins nächste Dorf zu transportieren. Er war sich sicher, dass das Tier intelligent genug war und seine Freundin nicht im Stich lassen würde. Dann drehte er sich um und ging langsam zurück zur Höhle, denn die pure Erschöpfung hatte ihn schließlich gepackt und seine Wunden brannten… Kapitel 4: Bärengeist --------------------- Karon hatte die Tage, die er in der Höhle im eisigen Norden mit Mia verbracht hatte, nicht gezählt, doch er war schon eine ganze Weile in ihrem Training. Und jeder Tag war dem anderen ähnlich. Die kräftige Nornelfin weckte ihn relativ früh am Morgen und nach einem großen Frühstück, das meistens aus Mammutfleisch oder einer scharfen, wärmenden Kräutersuppe bestand, gingen die beiden aus der Höhle um zu kämpfen. Karon hatte bisher jeden Tag kämpfen müssen, denn Mia erklärte, das sei die beste Art, die Muskeln zu stärken. Der Nornelf musste dabei abwechselnd gegen Mia oder gegen ihren übermächtigen Wolf Thor antreten und jedes Mal war er es, der am Ende erschöpft im Schnee lag. Denn Mia hatte den Gewichtszauber, der mehrere Tonnen imaginären Gewichts auf Karons Körper lasten lies, nicht eine einzige Sekunde von ihm genommen. Nach einem kräftigen Abendessen ging Karon dann schlafen, nur um mitten in der Nacht geweckt zu werden, in die hintere Höhle zu gehen und die würzigen Kräuter einzuatmen, die ihn in diese seltsame Welt mit regenbogenfarbigen Nebel schickten. Dort traf er alle möglichen Gestalten. Tiriel erschien ihm sehr oft, aber auch andere Gestalten aus seiner Vergangenheit waren aufgetaucht. Einmal sogar dieser Kobold namens Cid, der ihn böse angefunkelt hatte, um dann wieder im Nebel zu verschwinden. Auch ihm völlig unbekannte Wesen tauchten auf, doch waren sie meist nur schemenhaft zu erkennen. Dann irgendwann wachte er auf seinem Lager auf, als wäre er niemals in dieser seltsamen Welt gewesen. Karon hatte sich schnell an diesen Tagesablauf gewöhnt und inzwischen spürte er das Zaubergewicht nicht mehr auf seinem Körper lasten. Er konnte sich frei bewegen und sogar Mia hatte inzwischen ihre Mühen, gegen den Koloss anzukommen. Oft benutzte sie im Trainingskampf irgendwelche Magie, damit sie den Kampf doch noch zu ihren Gunsten entscheiden konnte, was Karon natürlich mehr als ärgerte. Eines Abends saßen die beiden noch ein Weilchen vor dem Lagerfeuer, bevor sie sich auf ihr Lager zum Schlafen zurückzogen. Mia hatte ein besonders schönes Stück aus einem Mammut geschnitten und gebraten und nur noch der riesige Knochen zeugte jetzt von dem ehemaligen Abendessen. Karon tätschelte zufrieden seinen Bauch, der hervorstand, und lies einen tiefen, röhrenden Rülpser ertönen. „Dir scheint es geschmeckt zu haben, Großer.“ ,sagte Mia vergnügt und lächelte ihn an. Karon liebte dieses Lächeln und wie sie ihn Großer nannte. Also schenkte auch er ihr ein aufrichtiges Grinsen. „Das war der beste Mammutbraten, den du bisher gemacht hast.“ ,gab er ehrlich zu und wünschte sich dabei, noch etwas von diesem großartigen Essen in den Händen halten zu können. Mammutfleisch war sehr zart und schon deshalb sehr lecker, doch Mia wusste es zudem noch sehr gut mit bestimmten Kräutern zu würzen, die sie sammelte, wenn im kurzen Sommer dieser Gegend das Grünzeug wucherte. „Nun, wir haben auch einen Grund zu feiern.“ ,sagte sie dann und ihr Blick wanderte in die Flammen des Lagerfeuers, eine Eigenart, die Karon in den letzten Tagen immer wieder aufgefallen war. „Was denn?“ ,fragte er, als sie nicht weiter redete. Sie nickte zufrieden, auch wenn etwas Trauer in ihrem Gesicht lag. „Das Training ist beendet. Dein Körper ist jetzt in jeder Hinsicht perfekt. Deine Muskeln können nicht weiter ausgebildet werden. Morgen werde ich den Zauber von dir nehmen.“ ,erklärte sie. „Und das heißt, dass du mich bald verlassen wirst.“ ,fügte sie traurig hinzu. Sie klang sehr frustriert und Karon verstand, warum. Sie sah in ihm etwas mehr als nur ihren Schüler. Sie sah in ihm das, was die Nornelfen vor tausenden von Jahren ausgemacht hatten, einen stolzen Krieger ihres Volkes. Einen ihr ebenbürtigen Krieger der Kakkuri. Doch Karon wusste, dass das nicht stimmte. Er war kein Nornelf aus der Vergangenheit, sondern gehörte dem Volk der gegenwärtigen Nornelfen an. Es war in seinen Augen reiner Zufall, dass ihm sein Körper und der Kampf so wichtig waren. Und deswegen wollte er auch nicht in dieser Gegend bleiben, selbst wenn das bedeutete, dass er seine antike Heimat hinter sich lassen musste. Er wollte nach dem Training weiterziehen um sich starken Gegner zu stellen. Und das wusste Mia. „Mia, hör zu…du kannst mich begleiten, wenn du willst.“ ,bot er ihr nicht zum ersten Mal an, doch die Nornelfin lehnte mit einem bitteren Lächeln ab. „Nein, ich werde meine Heimat niemals verlassen.“ ,begründete sie ihre Entscheidung. Dann stand sie auf, wünschte ihrem Lehrling eine gute Nacht und legte sich zum Schlafen auf ihr Lager nieder. Karon machte es ihr nach und wachte am nächsten Morgen auf, ohne dass Mia ihn zur nächtlichen Reise in die Nebelwelt abgeholt hatte. Er war deshalb etwas betrübt, doch nachdem er sich gestreckt und seine Muskeln gelockert hatte und den Braten roch, den Mia zubereitete, war der Gedanke schon wieder verflogen. Er gesellte sich zur ihr und Thor, der diesen Morgen knurrend am Feuer saß und den großen Mammutknochen zerkaute, der vom Abendessen übrig geblieben war. Karon verstand den gigantischen Wolf nicht ganz. Mal war er da, mal war er weg, doch immer wenn Mia ihn brauchte, erschien der massige Thor auf der Stelle vor ihnen. Thor war ein stolzes Tier und konnte Karon nicht sonderlich gut leiden. Im Kampf mit dem Monster war der Nornelf immer jämmerlich unterlegen gewesen und es war nicht nur einmal vorgekommen, dass Mia den Wolf im letzten Moment zurückrufen musste, damit er Karons Kopf nicht zerfleischte. „Guten Morgen.“ ,sagte Mia in ihrer alltäglichen, vergnügten Art. Anscheinend war die Trauer vom Vorabend schon wieder verschwunden. Zum Frühstück gab es mal wieder Mammutfleisch und dazu eine heiße Brühe, die Mia aus Kräutern und geschmolzenem Schnee in einem bearbeiteten Hüftknochen eines Mammuts kochte. Karon grüßte zurück und wollte sich gerade setzen, als Mia ihn zurückhielt. „Warte, ich werde erst den Zauber von dir nehmen. Du sollst deine neue Kraft völlig spüren und das geht nach dem Aufstehen wenn du völlig regeneriert bist am besten.“ Karon nickte gespannt und freute sich, dass das Zaubergewicht endlich von ihm genommen wurde. Es hatte ihm schon genug Ärger bereitet. Mia legte ihre Hand auf seine Brust, schloss die Augen und murmelte ein paar Wörter, die Karon noch nie vernommen hatte. Und dann jagte ein Gefühl durch seinen Körper, dass er noch nie gespürt hatte. Als das tonnenschwere, magische Gewicht verschwand, durchflutete pure Energie jede einzelne seiner Zellen, als wäre ein Staudamm gebrochen. Seine Muskeln schwollen ganz von alleine an und Karon stöhnte auf, als er seine neue Macht spürte. Sein Atem ging schnell und er war sich nicht sicher, ob er nicht jeden Moment das Bewusstsein verlor. Ein derartig gutes Gefühl hatte er noch nie verspürt und ein zufriedenes Grinsen legte sich in sein Gesicht. Völlig gebannt von seiner Kraft starrte er an seinen beeindruckenden Körper herunter. „Sogar ich bin beeindruckt.“ ,sagte Mia irgendwann und strich über seinen gewaltigen Oberarm, der sich für sie stahlhart anfühlte, obwohl Karon diese Muskeln nicht einmal anspannte. „Dein Körper ist noch mächtiger als die der früheren Kakkuri.“ ,erklärte sie sehnsüchtig. Karon atmete schwer aus. Die Energie, die seinen Körper durchflutete, erregte ihn sehr und obwohl es ein schönes Gefühl war, hatte er auch ein wenig das Gefühl, jeden Moment zu platzen. Er schloss die Augen, versuchte sich zu beruhigen. Doch er war wie im Rausch. Eine Energiewelle jagte nach der anderen durch seine Zellen, ließ seinen übermächtigen Körper wild zucken und machten es dem Nornelfen unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. „Ich…dieses Gefühl…“ ,brachte er nur hervor und fasste sich an seinen Kopf, merkte dabei, das seine Finger wie im Krampf zuckten. Mia schaute ihn ernst an und legte dann ihre Hand beruhigend auf seinen Brustkorb. Die stahlharten Muskeln schienen die Berührung der kräftigen Hand gar nicht zu registrieren. „Beruhige dich…“ ,sagte sie sanft und Karon musste lächeln. „Wenn das so einfach wäre…“ ,stöhnte er und versuchte erneut, seine neuen Kräfte unter Kontrolle zu kriegen. Doch die pure Energie jagte wie ein Wirbelsturm durch seine Organe und Zellen. „Ich helfe dir…“ ,sagte die Nornelfin dann, zog das bärtige Gesicht ihres Freunds zu sich herunter und drückte ihre warmen Lippen auf seine. Schlagartig schien der Sturm in Karons Körper zu verschwinden. Seine neue Energie wurde greifbar. Er konnte sie kontrollieren und sie in die richtigen Bahnen lenken. Der Nornelf konnte sie auf einmal perfekt nutzen und sie floss so durch seinen Körper, das seine Muskeln sich beruhigen konnten und Karon die Kontrolle über seinen Körper zurückbekam. Seine großen Hände waren jetzt ganz ruhig und glitten über den muskulösen Rücken von Mia, während sich die beiden Nornelfen mit Küssen eindeckten. Karon hatte die Mammutfelle schnell von ihrem Körper geschält. Er selbst löste die Schnallen von seinem Kakku und dann vollzogen die beiden den Akt, auf den es der Nornelf seit er auf Mia getroffen war abgesehen hatte. In diesem Moment war ihm das Alter seiner Partnerin egal, denn er hatte vorher noch nie eine solche Frau geliebt. Sie vergaßen das Frühstück völlig und wälzten sich einen halben Tag am Boden, nur um dann glücklich wie seit langem nicht mehr einzuschlafen. Karon wurde von lauten Stimmen geweckt, die mitten in einen Kampf verwickelt schienen. Er schlug die Augen auf und blickte sich sofort nach Mia um. Sie lag nicht mehr neben ihm. Thor war auch verschwunden und das Feuer war ausgemacht worden. Seit Karon in dieser Höhle lebte, war dieses Lagerfeuer noch nie gelöscht gewesen. Da konnte etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Er erhob sich schnell und war im ersten Augenblick überrascht, weil die Gewichte verschwunden waren und er sich federleicht anfühlte. Er war zwar ein schwerer Brocken, doch seine Muskeln waren so stark, dass er den Eindruck hatte, er würde allerhöchstens so viel wie ein Kleinkind wiegen. Doch nun hatte er keine Zeit seine neuen Kräfte zu bewundern. Er schnallte sich sein Kakku um und schnappte sich ein breites Stück Mammutfell, das er sich als Umhang über die Schultern warf. Dann stürme er zum Höhlenausgang hinaus. Es tobte erneut der Schneesturm. Doch als Karon seinen breiten Fuß in den tiefen Schnee setzte, bemerkt er etwas Erstaunliches. Das gefrorene Wasser verwandelte sich um seiner Haut herum in warmen Dampf. Die wilden Schneeflocken, die gegen seine Brust peitschten, wurden zu warmen Regentropfen. Die schneidend kalte Luft wurde zu einem warmen Sommerlüftchen auf Karons Haut. Die pure Energie, die durch seinen Körper floss, strömte durch seine Poren hinaus und erwärmte die nahegelegene Umgebung soweit, dass der Nornelf in dieser lebensfeindlichen, eiskalten Umgebung ohne ein kleines Problem überleben konnte. Immer noch erstaunt über seine neuen Fähigkeiten legte Karon den Mantel ab, unter dem es paradoxerweise ungemütlich warm wurde und wandte sich dann wieder den Stimmen zu, die aus der Ferne kamen und im Rauschen des Schneesturms fast verschluckt wurden. Karon preschte los und hüllte sich dabei in eine Wolke aus Wasserdampf und warmen Wassertropfen, die sich ohne Probleme durch die schneeweise Landschaft schob. Und es dauerte nicht lange, da kam er endlich an den Ort des Geschehens. Mia und Thor sahen sich einer Meute von Menschen gegenüber. Es waren mindestens zwei dutzend Männer, die teilweise mit schweren Waffen und Rüstungen oder weiten Gewändern und langen Stäben bewaffnet waren. Sie schimpften auf die Nornelfin, die schwer atmend und schon angeschlagen da stand und mit bitterer Miene die Angreifer anstarrte. Einige der Männer lagen bereits tot im Schnee. Entweder von Thor gerissen oder von Mia erschlagen. „Da ist noch so ein Monster!“ ,rief auf einmal ein junger Mann, der in einer roten, schweren Robe im Schnee stand. Eine feurige Aura umgab ihn und hielt, ähnlich wie bei Karon, den Schneesturm von seinem Körper ab. Dutzende Stimmen erhoben sich und verfluchten nun auch Karon, der die ganze Situation nicht verstand. Er wusste aber, dass er Mia helfen musste, wenn sie nicht sterben sollte. Also ging er auf die Angreifer zu, knurrte ihnen mit einer boshaften Miene entgegen und spannte seine Muskeln auf eine beeindruckende Größe an. Er bemerkte in seiner Wut gar nicht, wie pure Energie aus seinen Poren schoss und den Schnee in einem Radius von zwei Metern um ihn herum in Wasserdampf verwandelte. Dieser Anblick reichte, dass einige der Krieger zurückwichen und in eine Verteidigungsposition gingen. Doch bevor er zum Angriff ansetzen konnte, legte sich eine kräftige Hand auf seine Brust. „Karon, das ist mein Kampf.“ ,sagte Mia entschieden. Ihre Berührung lies den Nornelfen schlagartig beruhigen. Seine Muskeln schrumpften auf ihre normale Größe zurück und es wich auch keine Energie mehr aus seinem Körper. „Aber…“ ,setzte er an, doch Mia schüttelte den Kopf und blickte ihm ernst entgegen. Karon verstand und nickte. Auch Mia war eine Kriegerin und hatte ihren Stolz. „Trete ein paar Schritte zurück, ich möchte dich nicht verletzen. Ich zeige dir jetzt die letzte Waffe der Nornelfen.“ ,sagte sie dann. Der Nornelf trat zurück, wie ihm geheißen und seine geliebte Mia drehte sich der Meute zu, die inzwischen wieder kampfbereit war und Anstalten machte, jeden Moment anzugreifen. Dann fing die Nornelfin mit einem Mal an zu zittern. Sie krümmte sich und fiel in den Schnee. „Mia?“ ,rief Karon ängstlich. Er wollte nicht, dass ihr etwas geschieht, doch etwas hielt ihm davon ab, jetzt zu ihr zu gehen. Er hatte mit einem Mal Angst vor seiner Geliebten. Zitternd ging er immer weiter zurück, bis er neben Thor stand. Die Muskeln der Nornelfin zuckten wild. Ihre Knochen knackten so laut, dass man es sogar durch den Schnee gut vernehmen konnte. Die Menschen schienen mit einem Mal sehr aufgebracht zu sein. „Sie verwandelt sich!“ ,rief einer laut und alle anderen verankerten sich im Schnee, zum Angriff bereit. Äxte und Schwerter wurden in Position gebracht. Feuerbälle und Lichtkugeln erschienen in den Händen der Magier. Blaue Blitze und tosende Winde versammelten sich zu ihren Füßen. Und dann begann ihr gnadenloser Angriff. Als erstes sandten die Magier ihre Angriffe aus. Auf die Nornelfin regnete es Feuerbälle, helle Lichtstrahlen hüllten ihren Körper ein und sollten sie verbrennen. Heftige Luftstöße zerschnitten wir unsichtbare Klingen ihre Haut und energiegeladene Blitze durchzogen ihre Nerven. Und als alle magischen Angriffe verschossen waren und Mia in einer weißen Schneewolke verschwunden war, stürmten die Krieger los. Mit Gebrüll stürzten sie sich auf ihr wehrloses Opfer. „Mia!“ ,rief Karon verzweifelt, doch noch immer hielt ihn dieses bedrohliche Gefühl davon ab, seiner Geliebten zur Hilfe zu eilen. Er hörte das Brüllen der Krieger und das Klirren von Stahl, doch er sah nichts von dem Kampf. Inzwischen bereiteten die Magier erneut ihre Angriffe vor, fast so, als wäre Mia nach der ersten Welle noch nicht zerstört. Karon wusste, das Nornelfen viel aushalten konnten und Mia war eine starke Kriegerin, doch einen solchen Ansturm konnte sie alleine niemals überlebt haben. Zumal es sich bei den Angreifern ebenfalls um mächtige Krieger und Magier handelte. Dann geschah etwas, mit dem Karon niemals gerechnet hatte. Zwei der Krieger flogen im hohen Bogen aus dem Kampfgestöber und landeten stark blutend weit weg im Schnee. Ein paar Sekunden später folgten drei weitere Kämpfer und alle blieben sie reglos liegen. Das Schneegestöber um den Kampf herum hatte sich derweil etwas gelegt und Karon konnte erkennen, was den Kriegern diesen unfreiwilligen Freiflug spendiert hatte. Ein drei Meter großes, über und über mit Muskeln und blauschwarzem Fell bedecktes Ungetüm wütete in der Mitte von den verbliebenen sechs Kriegern, die sich mit Müh und Not zur Wehr setzten, wenn die gigantischen Pranken erd erschütternde Schläge austeilten. Das Monster hatte das Fell, die Klauen und den Kopf eines riesigen Bären, doch der Körper war eher menschlich. Es ging auf zwei Beinen, hatte lange, kräftige Arme und die großen, üppigen Brüste einer Menschenfrau. Karon schluckte, als er ahnte, wer dieses Ungetüm wirklich war. Seine geliebte Mia hatte sich in eine Bestie verwandelt, gegen die nicht einmal er den Hauch einer Chance gehabt hätte. Das war also die letzte Waffe der Nornelfen. Erstaunlicherweise schienen die Menschen die Oberhand zu gewinnen, obwohl Mia eine übermächtige Bestie war. Die Verletzungen, die sie sich aus den vorherigen Kampf in ihrer normalen Form zugezogen hatte, waren nicht verschwunden. Zahlreiche, teils sehr tiefe Wunden zierten den imposanten Monsterkörper. Teilweise war das Fell weg gebrannt und darunter nur feuerrote, mit Blasen überzogene Haut. Die menschlichen Krieger nutzten diese Schwäche geschickt aus, zielten mit Absicht auf die schon vorhandenen Wunden und rissen diese damit noch mehr auf. Mia schickte zwei weitere Krieger durch die Luft. Einer der beiden Körper wurde durch die Wucht zerfetzt, so dass er als roter Fleischregen den Schnee färbte. Dann zogen sich die letzten vier verbliebenen Krieger zurück und machten Platz für die Magier, die ihre mächtigen Attacken vorbereitet hatten. Karon konnte bisher nur zuschauen, so geschockt war er von dem Szenario. Doch jetzt wurde ihm schlagartig klar, dass diese Bestie trotzdem noch seine Mia war. Und Mia kniete nun geschwächt im Schnee, Blut floss in Strömen aus ihrem monströsen Schlund wie aus zahlreichen, schweren Wunden. Und als die Magier ihren todbringenden Sturm aus Feuer, knisternden Blitzen und leuchtenden Energiestrahlen auf Mia losließen, konnte Karon nur noch einen verzweifelten Schrei verlauten lassen. Noch während das geliebte Biest in dem verhängnisvollen Magiesturm gefangen war, lief Karon los, um ihr so schnell wie möglich zu helfen. Wind und aufgestobener Schnee schlugen ihm entgegen, doch sein Körper bahnte sich ohne Probleme einen Weg. Schließlich verstummte die Magie der Menschen, es gab einen lauten Knall und ein Feuerball hüllte die Stelle ein, an der Mia zuvor gekniet hatte. Für ein paar schreckliche Sekunden konnte Karon gar nichts sehen. Blind stolperte er weiter, bis sich der dunkle Schneesturm vor ihm klarer wurde und er vor seinen Füßen einen leblosen Körper entdeckte. Mia hatte sich wieder in ihre normale Gestalt verwandelt. Schwer verletzt und völlig nackt dem Treiben des Sturms, der nun wieder um sie herum rauschte, ausgesetzt. Sie blutete sehr stark aus zahlreichen Wunden, mehr als die Hälfte ihres Körpers war schwer verbrannt und ihr linker Arm fehlte völlig. Karon kniete vor ihr nieder und betrachtete sie. Völlige Gleichgültigkeit erfüllte ihn im ersten Moment. Sein Körper war völlig ruhig. Doch dann kroch etwas in seinem Inneren hervor. In seiner Brust fühlte es sich an, als würge sein Inneres etwas Grauenhaftes hervor, dass vorher nicht da war. Unbändige Wut wuchs in seinem inneren heran und seine unglaubliche Energie fing an, sie zu nähren. Seine Muskeln schwollen langsam an, Adern bildeten sich auf seinem ganzen Körper. Langsam stand er auf, trat ein paar Schritte von seiner Geliebten weg und drehte sich den Menschen zu, die das Schauspiel still und kritisch beobachtet hatten. Er wollte etwas zu ihnen sagen. Er wollte ihnen drohen. Sie warnen, dass ihr Leben verwirkt sei. Doch er brachte kein Wort heraus. Die ihm völlig neue Wut schnürte ihm die Kehle zu, so dass nur ein unverständliches Gurgeln aus seinem Mund kam. Er war schon oft zornig gewesen, doch das, was er in dem Moment fühlte, war weitaus mehr als nur normaler Zorn. Vor seine Augen legte sich langsam ein roter Schleier und er spürte, wie sein Körper sich langsam veränderte. Seine Sehkraft wurde mit einem Mal viel besser. Es war, als konnte er die Angst der Menschen vor ihm auf einmal wirklich sehen. Seine Ohren wurden ebenfalls besser. Die Angstschreie der Menschen waren Musik in seinen Ohren. Sein Körper wurde größer und noch stärker. Seine Kraft schien in das Unendliche zu steigen. Er hätte wegen diesem Umstand gerne gegrinst, doch eine Reihe scharfer, dolchartiger Reißzähne in seinem Mund hinderte ihn daran. Der Wind fegte durch sein blaues Fell, bevor er einen unheilvollen Schrei abließ, der ohrenbetäubend klang. Wieder fegte seine Energie den Schnee und den Sturm zur Seite, doch diesmal so stark, dass Karon schon seinen eigenen Sturm erzeugte. Das Gefühl war erhabend. Er hörte das Wort Angriff, doch sein neues Monstergehirn verarbeitete diese Information nicht richtig. Wozu brauchte er auch die menschliche Sprache? Das war inzwischen völlig unwichtig geworden. Erst als die vier restlichen Krieger auf ihn zugelaufen kamen, wobei sie auf einmal lächerlich klein und schwach wirkten, schaltete der neue Karon. Seine gigantische Pranke schoss blitzschnell hervor, griff den ersten Krieger und umhüllte dessen Oberkörper gänzlich. Karon drückte zu, bevor der Mann irgendwie reagieren konnte. Es kostete ihn keine Mühe die schwere Rüstung zu knacken und den weichen Körper darunter in Matsch zu verwandeln. Dann holte er mit dem anderen Arm weit aus und lies ihn einen weiten Bogen den letzten Kriegern entgegenfliegen. Die Kraftwelle erfasste sie und verwandelte alle drei in Sekundenschnelle in rote, weit gefächerte Blutflecken im aufgewühlten Schnee. Die Magier, die selbstverständlich neue Angriffe vorbereiteten, schrien angesichts dieses Terrors laut auf, einige brachen vor Schreck sogar ihren Zauber ab. Karon deutete dieses hysterische Gebrüll als Einladung, auch diese Menschen zu töten. Die Energie, die in seinem Körper unendlich stark herumwirbelte und permanent aus seinen Poren wich, damit er nicht von innen explodierte, sammelte sich nun in seinem Brustkorb. Karon hatte diesen Angriff vorher nie genutzt, er wusste aber instinktiv, wie er ihn nutzen konnte. Es vergingen einige Sekunden, dann öffnete er seinen neuen, grauenhaften Schlund und die gebündelte Energie entfloh seinem Brustkorb, um als gebündelter, gleißender Energiestrahl aus seinem Maul zu schießen. Er traf den ersten Magier, der sofort vernichtet wurde. Dann bewegte er leicht seinen monströsen Kopf, so dass der Strahl nach und nach die gesamte Reihe der letzten Menschen geradezu ausradierte. Überall, wo der Strahl auf Widerstand traf, explodierte die Umgebung, bis die gebündelte Energie schließlich versiegte. So schnell wie dieses wunderbare Gefühl gekommen war, verschwand es nun auch. Die Verwandlung in die Bestie hatte nur einige Sekunden gedauert, in denen er die restlichen Menschen aber mit Leichtigkeit besiegen konnte. Jetzt verwandelte er sich wieder zurück. Sein Gehirn füllte sich wieder mit Gedanken, die vor einer Sekunde noch nutzlos waren und sein Körper wurde kleiner und schwächer. Und er war sehr erschöpft. Dieses Biest hatte seine letzten Kraftreserven ausgeschöpft. Er war für Sekunden wie im Rausch gewesen. Karon musste sich zusammenreißen, dass er nicht in Ohnmacht fiel. Doch jetzt musste er erst einmal Mia helfen. Er drehte sich um, ohne die Verwüstung anzusehen, die er angerichtet hatte. Vorsichtig kniete er sich vor die Nornelfin und prüfte mit wenigen Handgriffen, ob sie noch lebte. Tatsächlich vernahm er leichte Lebenszeichen, die aber bald verschwinden würde, wenn Mia weiter nackt im Schneesturm liegen würde. Immerhin waren die Blutungen nicht mehr so stark, da die Wunden schon eingefroren waren. In seiner Erschöpfung stellte Karon nicht einmal mehr fest, dass die wärmende Energieaura von vorhin um ihn auch verschwunden war und seine Gelenke immer steifer wurden. Verzweifelt versuchte er den schweren Körper zu stemmen, doch es sollte ihm nicht gelingen. „Verdammt…“ ,flüsterte er und Tränen rollten seine Wange herunter, froren ein, bevor sie sein Kinnbart erreichten. Auch diese Gefühle waren neu für ihn. Noch nie wollte er jemanden so retten wie Mia. Thor kam angerannt. Er hatte Felle im Maul, die er vor Karon in den Schnee legte. Der Nornelf nickte anerkennend. Erst band er mit einem Stück Fell den Stumpf an Mias linker Körperseite so kräftig ab, wie er konnte. Dann hüllte er den leblosen Körper der Nornelfin in die restlichen Felle, zog sich dann selbst eines über und schleppte sie dann mit Hilfe von Thor zur Hölle. Wie genau er das alles noch geschafft hatte, wusste er nicht, als er am nächsten Morgen aufstand. Auch das er Mias Wunden noch mit dünnen Mammutsehnen verbunden hatte war ihm neu. Doch die Nornelfin lag dort, so gut wie möglich versorgt und sie lebte. Karon war zwar noch nicht völlig bei Kräften, doch konnte er das Feuer neu entzünden und sich weiter um seine Geliebte kümmern. Thor hatte er aufgetragen die Umgebung abzulaufen und bei Gefahr zu warnen. Und ausnahmsweise arbeitete der mächtige Wolf mit ihm zusammen. Es dauerte zwei Tage bis die Nornelfin endlich ihre Augen öffnete. Sie konnte sich nicht bewegen und nur leise flüsternd reden. „Karon. Was ist passiert?“ ,war das erste, was sie fragte. Karon war überglücklich. Er lächelte sie an und unterdrückte die Träne, die sich doch tatsächlich vor lauter Freude in sein Auge verirrt hatte. Zärtlich strich er ihr über das fahle Gesicht. „Du…du hast dich in dieses riesige Monster verwandelt. Aber sie haben dich trotzdem besiegt und dich schwer verletzt.“ ,erklärte er leise. Sie blickte zur Seite, wo einst ihr linker Arm gewesen war. Dann betrachtete sie wieder ihn. „Wieso lebe ich?“ ,fragte sie dann. „Ich habe sie getötet. Nachdem sie dich besiegt hatten und ich deinen geschändeten Körper gesehen habe, wuchs irgendein seltsames Gefühl in mir. Und dann erinnere ich mich nur verschleiert an die Ereignisse. Irgendwie habe ich sie alle besiegt und dich hierher gebracht.“ Ein leichtes Lächeln erschien in Mias Gesicht. „Ich glaube, ich habe mich auch in dieses Wesen verwandelt. In diesen…riesigen Bären.“ ,fügte Karon dann hinzu. „Ja, das stimmt vermutlich. Du hast das in dir gefunden, was wir damals Kakuron genannt haben. Der Geist des Bären, der in jedem von uns Nornelfen steckt…“ Mia wurde still, als ihr Körper schmerzte. „Ruhe dich aus, du kannst mir später alles erklären.“ ,sagte Karon und deckte sie zu. Es vergingen weitere zwei Wochen. Mias Wunden heilten erstaunlich schnell und auch der Stumpf war wieder zusammengewachsen. Karon hatte das leise Gefühl, dass seine Geliebte Magie nutzte, um den Heilungsprozess etwas zu beschleunigen, doch ausnahmsweise hatte er nichts dagegen. Mia war zwar noch etwas schwach auf den Beinen, doch inzwischen half sie dem Nornelfen bei den alltäglichen Dingen wieder so gut sie konnte. Die beiden waren in diesen zwei Wochen außerdem zu einem Paar geworden und genossen die Zeit. Wenn Karon eine freie Minute fand, dann trainierte er seinen neuen Körper. Zwar konnte er seine Muskeln kaum noch stärken, doch nun hatte er andere Kräfte, die es zu optimieren galt. Zum Beispiel die unbändigen Energien, die seinen Körper nach Mias Training innewohnten und die so mächtig waren, dass sie unaufhörlich aus seiner Haut strömten und eine warme Aura um ihn legten, die besonders Mia genoss. Nach der ersten Woche hatte Karon schon entdeckt, dass er diese Energien bündeln und als Energiestrahlen aus jeder Stelle seines Körpers schießen lassen konnte. Doch diese Technik steckte noch in den Kinderschuhen und Karon war davon sehr schnell erschöpft. Mia selbst war diese Kraft auch neu und sie war über diese Entdeckung genau so überrascht gewesen wie er selbst. Mia hatte ihm inzwischen auch erklärt, was es mit dem Kakuron auf sich hatte. Sie hatte erzählt, dass die Nornelfen in damaliger Zeit eine besondere Verbindung mit einem Bärengeist pflegten, der ihnen damals die Macht verliehen hatte, gegen die Walddrachen zu bestehen, die ihre Heimat vernichteten. Und das war diese unheimliche, tierartige Körper, dessen Kraftpotential geradezu erschreckend war. Mia konnte diese Form nach Belieben annehmen und beherrschen, aber Karon war es bislang noch nicht wieder gelungen, sich zu verwandeln, was er zutiefst bedauerte. Nach einer weiteren Woche verkündete Karon abends, dass er sich endlich wieder auf den Weg machen wollte, um noch stärker zu werden und mächtige Krieger zu finden, denen er eins überbraten konnte. Mia war über diese Entscheidung todtraurig. Am Morgen des Abschieds liebten sich die beiden ein letztes Mal und gegen Mittag standen sie vor der Höhle. Mia war still und blickte traurig zu Boden. Karon drückte sie ein letztes Mal an seine Brust, gab ihr einen letzten, zärtlichen Kuss. „Ich werde wiederkommen.“ ,sagte er dann leise und lächelte seiner Frau traurig zu. „Ich weiß. Karon?“ Sie sah ihn an und lächelte. „Ich kann hier nicht mehr leben, das habe ich jetzt erkannt. Ich warte in deiner Heimat auf dich. Thor und ich werde in den nächsten Tagen aufbrechen, denn hier werden uns immer wieder Leute wie Nuima Mornedhel oder diese Söldner auflauern. Also suche mich nie wieder an diesem trostlosen Ort auf.“ Karon lächelte ihr zu und nickte. „Das ist eine gute Entscheidung. Sage, du wärest Karon Eisenhands Frau, dann wirst du in meinem Dorf ein gutes Leben führen können.“ Sie legte ihren verbliebenen Arm um seine Hüfte und stützte ihren Kopf auf seine gewaltige Brust. „Und Karon, ich weiß, dass ich nicht erwarten kann, das du mir auf deiner Reise immer treu bleibst, denn die Welt ist groß und es gibt viele schöne Frauen, die es sich zu verführen lohnt, doch versprich mir, dass ich die einzige Frau bin, die du wirklich liebst.“ „Versprochen.“ Karon drückte sie noch einmal kurz, wandte sich dann Thor zu, der ihm als Führer durch die Schneewüste des Nordens diente und verschwand im ewigen Eis, ohne sich noch einmal nach seiner Geliebten umzusehen. Kapitel 5: Der alte Mann ------------------------ Der alte Mann Karon genoss die warmen Sonnenstrahlen sehr. Es war einige Wochen her gewesen, dass er den runden Lichtkörper am Himmel beobachten konnte, denn in den kalten Schneegebieten des Nordens hingen immer graue Wolken wie ein deprimierender Vorhang vor ihm. Seit einem Tag befand er sich nun wieder in wärmeren Gefilden. Er durchstapfte gerade ein kleines Wäldchen, sog grinsend die frische Luft ein und genoss die Atmosphäre, die der des Schwarzen Waldes sehr ähnelte. So entspannt hatte sich der Nornelf lange Zeit nicht mehr gefühlt. Nach einer Weile stieß der Hüne auf einen Trampelweg, der noch weiter in den Wald führte. Kurzerhand entschloss er sich ihm zu folgen und es dauerte nicht lange, da kamen kleine Häuser in sein Blickfeld. Eine kleine Waldsiedlung erstreckte sich vor ihm. Es war völlig ruhig. Der kleine Marktplatz war leer, kein einziger Stand oder Einwohner wuselte um den kleinen Brunnen herum, der die Mitte dieses Dorfes zierte. Karon stapfte unbeirrt weiter und erst nun fiel ihm auf, dass drei der wenigen Häuser stark beschädigt waren. Die Mauern waren eingerissen und die matten Fensterscheiben eingeschlagen. Und dann bemerkte der Hüne noch etwas. Dutzende Augen, die aus den heilen Fenstern auf ihm lagen. Also war dieses Dorf doch bewohnt. Karon zuckte mit seinen massigen Schultern, stapfte zum Brunnen und lies den Eimer, der an einem Seil und einer Winde befestigt war, hinunter. Als er mit frischem Wasser gefüllt war, zog der Nornelf den Eimer mühelos nach oben und setzte den hölzernen Behälter direkt an seinen Mund. Das kühle Wasser verschwand mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit in seinem Magen. Erst als er Anstalten machte den Eimer erneut mit Wasser zu füllen, öffnete sich eine der Türen und ein alter Mann trat heraus. Er war nicht einmal halb so groß wie der Nornelf und trug in seinem faltigen, zusammengesackten Gesicht einen großen, buschigen, weißen Bart. Er hatte Ähnlichkeit mit einem Zwerg, doch Karon war sich ziemlich sicher, das er es hier mit einem Menschen zu tun hatte. Der alte Mann wurde von einem großen, menschlichen Hünen begleitet, der zwar für normale Verhältnisse unglaublich groß und kräftig war, gegen Karon aber immer noch wie ein Schwächling aussah. Er hatte eine Glatze und einen grimmigen, sehr entschlossenen Gesichtsausdruck. Das einzige Kleidungsstück an ihm war eine lederne Hose und schwarze Sandalen. In der rechten Hand hielt er eine mächtige Axt, die schon viele Kämpfe überstanden hatten. „Nornelf, was fällt dir ein ungefragt unser Wasser zu saufen?“ ,röchelte der alte Mann los und kam langsam auf ihn zu. Er schien nicht wirklich sauer zu sein, doch vorsichtig war er allemal. Karon, der immer Respekt vor dem Alter gehabt hatte, drehte sich vom Brunnen weg und neigte seinen Kopf. „Verzeiht mir, Ältester. Es war gewiss nicht meine Absicht euer Wasser zu stehlen. Doch da mich niemand in eurem Dorf empfang, wie es die Regeln der Gastfreundschaft festlegen, dachte ich mir, ich dürfte mich selbst bedienen.“ ,antwortete Karon höflich. Hätte ihn der menschliche Hüne gefragt, der anscheinend die Leibwache des Zwerges darstellte, wäre er weniger höflich gewesen. Viel mehr hätte er ihm eine verpasst. Der alte Mann musste nun krächzend lachen. „Gute Antwort, mein Junge.“ ,sagte er dann und winkte den Nornelfen zu sich heran. „Lass mich dich ansehen. Du bist recht ungewöhnlich will ich meinen.“ Karon kam näher und ging vor dem Alten auf die Knie, denn sonst hätten sie sich bei dem Höhenunterschied unmöglich unterhalten können. Die dürren Schrumpelfinger tasteten nun Karons Brust ab und nickten anerkennend. „Entschuldige die unhöfliche Belästigung, aber würdest du gegen meinen Leibwächter Kuno im Kampf antreten? Es wäre für uns alle sehr wichtig.“ ,sagte er plötzlich. Der Nornelf runzelte die Stirn und überlegte einen Moment. Er wusste nicht was dies bedeutete, doch ihm fiel auch kein Grund ein, dem Alten diese Bitte auszuschlagen. Also nickte er schließlich den Kopf, erhob sich wieder und blickte Kuno direkt in seine falkenähnlichen, stechenden Augen. Dann drehte der Nornelf sich um, ging ein paar Schritte zurück um den Abstand zwischen ihm und den Leibwächter zu vergrößern und legte dann seinen übergroßen Sack ab, in dem er all seine Habseligkeiten aufbewahrte. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Er freute sich auf den Kampf, auch wenn Kuno in seinen Augen kein ernstzunehmender Gegner zu sein schien. Der alte Mann wankte langsam zur Seite und als er dies tat, öffneten sich die anderen Türen und drei dutzend neugierige Dorfbewohner schoben sich an den Rand des Markplatzes. Kinder, Männer, Frauen und alte Menschen blickten die beiden Kämpfer neugierig zu und das ein oder andere erstaunte Gesicht fiel dem Nornelfen auch auf. Anscheinend hatten sie noch nie ein solches Kraftpaket gesehen. Einige Kinder fingen grinsend an zu tuscheln, Frauen erröteten leicht und Männer nickten anerkennend, während die alten Menschen beteuerten, so ein Wesen noch nie in ihrem langen Leben gesehen zu haben. Er war zwar leise, doch seine Stimme konnte man überraschend klar verstehen, als der alte, Zwergen ähnliche Mann sprach: „Bitte beginnt den Kampf.“ Kuno veränderte schlagartig seine Kampfposition. Er verankerte seine Füße so gut es ging im steinigen Boden und ergriff die mächtige Axt mit beiden Händen. Karon erkannte, dass er ein erfahrener Krieger war und dass er schon längst analysiert hatte, mit was für einem Kaliber er es diesmal zu tun hatte. Der Nornelf grinste und lies seine Armmuskeln spielen, um Kuno eventuell noch ein wenig einzuschüchtern, doch der Krieger zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Das wird lustig.“ ,gab Karon dann zu und stieß sich vom Boden ab. Mit hoher Geschwindigkeit schoss sein massiger Körper auf den Menschen zu. Dieser war von der unmenschliche Schnelligkeit doch ein wenig überrascht, fasste sich aber sehr schnell wieder und blockte die riesige Faust mit dem eisernen Stiel seiner Axt ab. Kuno hatte mit einer solch unwahrscheinlichen Wucht nie im Leben gerechnet. Die blanke Faust schlug auf seine Waffe wie eine Kanonenkugel und im ersten Moment dachte der Krieger, dass seine Arme zerbersten würden. Tatsächlich hatte der Angriff den standhaften Krieger einige Meter nach hinten geschoben, doch immerhin stand er noch. Ein Raunen ging durch die Menge der Dorfbewohner, einige beginnen heftig zu flüstern, andere jubelten freudig, was den Nornelfen ein wenig verwirrte. Warum jubelten sie ihm zu? Kuno selbst blickte seinen Gegner fassungslos an. Karon grinste ihn zu und nickte anerkennend. „Nicht schlecht, einem Menschen ist es noch nie gelungen, nach einem solche Hieb noch zu stehen.“ ,erklärte er, nur um dann erneut seine rechte Faust zu einem todbringenden Gebilde zu ballen. „Mal schauen, ob du diesem Angriff auch noch widerstehst.“ „Das reicht.“ ,sagte der alte Mann ruhig und Kuno sackte sichtlich erleichtert zusammen. Er lies die Schultern hängen und legte die Axt langsam auf den Boden. Karon blickte auf und lies seine Muskeln wieder erschlaffen. Er wollte widersprechen, doch der Alte war schon zwischen die beiden Kämpfer betreten und verhinderte so einen weiteren Kampfverlauf. „Wie heißt du, Nornelf?“ ,krächzte er dann. Karon stellte sich mit seinem Namen vor und von wo er kam und der alte Mann nickte. Höflicherweise stellte er sich dann auch vor: „Mein Name ist Kauz Bruno und ich bin der Dorfälteste und Bürgermeister von Waldbrünnlein, also diesem Dorf. Und du fragst dich sicherlich, warum wird dich so seltsam begrüßt haben, richtig?“ Der Nornelf nickte. Tatsächlich war er sehr verwirrt und konnte die Absicht der Menschen nicht einordnen. Kauz Bruno winkte ihn abermals heran und drehte sich dann dem Haus zu, aus dem er zuvor gekommen war. „Meine Tochter Sara wird uns ein leckeres Essen kochen, bei dem ich dir alles erklären möchte.“ ,lud er Karon dann ein. Der Hüne war einem Essen niemals abgeneigt und er hatte schon seit Wochen keine richtige Hausmannskost mehr zu sich genommen. Mia wusste zwar immer sehr gut, wie man Mammutfleisch zubereitete, doch war dieses Mahl immer recht eintönig und obwohl es gut schmeckte, irgendwann langweilig. Und Karons eigene Kochkünste beschränkten sich darauf irgendwelchen Tieren das Fell über die Ohren zu ziehen und sie über ein Feuer zu hängen. Also folgte er dem alten Mann grinsend. Karon musste sich durch die kleine Tür zwängen und demolierte dabei aus Versehen den Rahmen. Im Haus selbst musste er gebückt gehen, denn sein Kopf hätte sonst einfach die Decke durchstoßen. Der alte Mann amüsierte sich nicht schlecht darüber und als unter Karons gewaltiger Muskelmasse auch noch einer der kleinen Holzstühle einfach zerbrach, als wäre er aus Feuerhölzern gemacht, lachte Kauz Bruno lauthals los. Kuno, der ihnen wortlos gefolgt war, schluckte angesichts der massigen Gestalt und bei der Vorstellung daran, welche monströsen Kräfte in ihr lagen. Doch er stellte sich trotzdem brav neben den Bürgermeister um als Leibwache zu fungieren, während Karon sich vorsichtig einem zweiten Stuhl näherte, der schließlich knirschend hielt. Kauz Bruno fing an zu erzählen, doch mit dem Grund des Kampfes rückte er immer noch nicht raus. Viel mehr erzählte er etwas über die Geschichte des kleinen Dorfes, über seinen Vater, der vor ihm Bürgermeister gewesen war, und über gewisse Helden, die irgendwelche seltsamen Kreaturen besiegt hatten, die das Dorf vor ewigen Zeiten heimgesucht hatten. Karon hörte nicht wirklich zu, doch aus Höflichkeit tat er wenigstens so, als fände er jede einzelne Erzählung unheimlich spannend. Viel mehr interessierte ihn der Geruch, der aus einem der Nebenräume kam. Anscheinend hatte die Tochter des Bürgermeister schon angefangen zu kochen. Und tatsächlich lies die erste Portion nicht all zu lange auf sich warten. Eine Tür öffnete sich und eine rundliche Frau in ihren besten Jahren betrat lächelnd das Zimmer. In ihren Händen trug sie einen großen Topf mit einem dampfenden, wohlriechenden Kartoffelbrei darin. Kuno half der Tochter inzwischen, holte Schüsseln und Besteck aus einem Schrank und deckte damit die Tafel. „Den Braten werde ich euch auch gleich noch bringen. Ich hoffe du hast einen gesunden Appetit, Schätzchen, damit der Topf auch leer wird.“ ,sagte sie vergnügt und zwinkerte Karon verspielt zu. Dieser hatte gar keine Sorge, dass er den riesigen Topf, der eine zehnköpfige Familie ernährt hätte, leeren konnte. Er griff auch gleich herzhaft zu und füllte seine Schüssel. Fast hätte er vergessen den Löffel zum Essen zu benutzen, doch im letzten Moment griff er nach dem Besteck und schaufelte den ersten Kartoffelbrei in seinen gierigen Mund. Auch Kuno, der sich ebenfalls an den Tisch gesetzt hatte, und der Bürgermeister taten sich etwas auf, nachdem der Nornelf seine Portion schon wieder halb verschlungen hatte. Kauz Bruno war sichtlich amüsiert über die Tischmanieren seines Gastes. „Nun Karon, möchte ich dir erzählen, warum du gegen meinen guten Kuno kämpfen musstest.“ Karon hielt in seinem Essrausch nur kurz inne, um zu signalisieren, dass er zuhörte. „Es ist nämlich so, dass unser Dorf wieder von Kreaturen bedroht werden, derer wir nicht Herr werden können.“ ,erzählte der Bürgermeister weiter, „Seit Wochen bedrohen sie uns, plündern unsere Vorräte und zerstören unsere Häuser und töten unsere Liebsten, wenn wir ihren Befehlen nicht Folge leisten können. Die Rede hier…ist von Schwarzorks.“ Die letzten Worte betonte er dramatisch, doch hatten sie nicht den erhofften Effekt. „Aha.“ ,sagte Karon nur und runzelte die Stirn. Kauz Bruno war von dieser Reaktion sichtlich überrascht. Doch der Nornelf konnte gar nicht anders reagieren, denn er hatte noch nie etwas von Schwarzorks gehört. „Weißt du denn nicht, was das bedeutet?“ ,grollte Kuno mit einer tiefen, männlichen Stimme, die Karon erst jetzt zu hören bekam. Er schien wütend und ballte die Fäuste. Karon zuckte ahnungslos mit den Schultern, was ein beeindruckendes Muskelspiel zur Folge hatte. Doch mit dem Kartoffelbrei, der überall in seinem Gesicht klebte, wirkte dieses Muskelspiel eher albern. „Ich habe keine Ahnung, was Schwarzorks sind. Ich kenne Orks wohl. Das sind diese kleinen, putzigen Kerle mit der grünen Haut, dem Überbiss und der großen Klappe. Die habe ich schon als kleines Kind immer verprügelt, wenn die unser Dorf angegriffen haben.“ ,stellte der Nornelf dann fest. Sara kam herein und stellte den großen Schweinebraten mit einem Zwinkern auf den Tisch. Karon vergas sofort die Orks, schnappte sich seine Gabel und spießte gleich den ganzen Braten auf, nur um sich dann daran zu machen, dass leckere Essen in seinem Mund verschwinden zu lassen. Doch der Bürgermeister, so amüsiert er über diesen Anblick auch war, lenkte das Thema sofort wieder auf die Bedrohung. „Karon, die Schwarzorks sind keine gewöhnlichen Orks, mit denen wir sicher selbst fertig werden würden. Schwarzorks sind ihre größeren, gemeineren und vor allem sehr viel stärkeren Vettern. Sie sind normalerweise niemals unter zwei Meter groß und selbst sechs Mann gleichzeitig können gegen einen Schwarzork nichts anrichten. Und es sind insgesamt sechs Schwarzorks, die uns bedrohen. Karon, auch wenn du sogar noch größer und stärker als ein Schwarzork zu sein scheinst, wirst du große Probleme haben, gleich gegen sechs Stück von ihnen anzutreten. Trotzdem möchten wir dich darum bitten uns im Kampf gegen diese Ungetüme zu helfen.“ Karon schluckte das Stück Fleisch herunter, das noch ziemlich unzerkaut in seinem Mund lag. „Klar helfe ich euch.“ ,sagte er nur und biss dann erneut von dem schon ziemlich geschrumpften Stück Fleisch ab. Kuno knirschte mit den Zähnen und knallte seine blanke Faust auf den Tisch. „Du weißt nicht, auf was du dich da einlässt. Wie kannst du da so ruhig bleiben und einfach einwilligen uns zu helfen?“ ,schnauzte er dann los. „Das sind wahre Monster! Selbst ein Riese wie du kann sie unmöglich einfach so besiegen!“ Kuno regte sich so sehr auf, das eine blaue Ader auf seiner Stirn heraustrat und er war so erregt, das er sich hinstellen musste. Karon blickte ihm ganz entlassen entgegen. Langsam verzog er seine Lippen zu einem Grinsen. „Ob ich sie besiegen kann, weiß ich doch jetzt noch nicht. Erstmal muss ich diese Schwarzorks mal kennenlernen und dann sehen wir ja, wer stärker ist. Was regst du dich so auf? Vermutlich weil du frustriert bist, dass du selbst nicht das Geringste ausrichten kannst, oder?“ Kunos Blick wurde immer zorniger und nach einem erneuten Faustschlag auf den Tisch verlies er fluchtartig das Haus. Er war so zornig, dass er selbst seine Pflicht den Bürgermeister zu beschützen, völlig vergaß. „War das nötig?“ ,fragte Kauz Bruno mit hochgezogener Augenbraue. Karon stopfte sich ohne zu antworten das letzt Stück Fleisch in den Mund und stand dann auf. „Ich danke euch für das leckere Essen, Bürgermeister. Natürlich werde ich euch helfen. Wann kann ich diese Schwarzorks erwarten?“ Auch der kleine, alte Mann erhob sich und ging langsam Richtung Ausgangstür. Er öffnete sie, trat auf den Marktplatz und wartete, bis Karon sich nach draußen gezwängt hatte. „Sie werden heute Abend kommen, wie sie es jeden Abend machen. Sie werden dann etwas einfordern und wenn wir ihren Wunsch nicht erfüllen können, dann nehmen sie sich einen Dorfbewohner oder verwüsten alles.“ Karon nickte. Er rieb sich dann den Nacken und streckte seinen breiten Körper, denn das enge Haus war nicht gerade gemütlich gewesen. Dann ging er weiter auf den kleinen Marktplatz hinaus, der wieder völlig leer war. Die Menschen hatten sich wieder zurückgezogen und warteten ängstlich in ihren Häusern. Die Sonne war schon hinter den Bäumen des Waldes verschwunden. Nur noch einzelne Sonnenstrahlen hüllten den Platz in ein dämmriges Licht. Irgendjemand hatte aber schon einige Fackeln angezündet, die den Marktplatz teilweise in einen bedrohlichen, roten Schein hüllten. Karon stand einfach nur da. Im Kopf versuchte er sich einen Schwarzork vorzustellen, doch es gelang ihm nicht, aus seiner Vorstellung eines Orks eine blutrünstige, übergroße Bestie zusammenzustellen. Orks waren kleiner als Menschen und obwohl sie stärkere Muskeln und härtere Haut besaßen, waren sie nicht viel stärker als eben diese. Außerdem waren Orks so zivilisiert, dass sie mit anderen humanoiden Wesen zusammenleben konnten. Der Anblick, der sich ihm wenig später bot, verschlug ihm die Sprache. Noch nie vorher hatte er solch widerliche Geschöpfe erblickt. Sechs Kreaturen stapften aus den Schatten des Waldes auf den Markplatz. Sie waren groß, einer von ihnen reichte sogar an Karons Größe heran. Und sie waren fast ebenso breit. Kräftige, baumstammähnliche Arme, in deren Hände riesige Schwerter lagen und kurze, aber dicke Beine zeichneten sie aus. Ihre Köpfe erinnerten wirklich sehr stark an Orks. Sie hatten extrem breite Münder, in die sie ein Kind in einem Stück hätten stecken können. Armlange, gelbe Hauer ragten über ihre wulstigen Lippen und rot glühende Augen funkelten Karon in der Dunkelheit gefährlich entgegen. Schwarzbraune Haut spannte sich über ihre mächtigen Muskeln, die an einigen Stellen seltsame, überdimensionale Pickel zierten. Sie trugen lediglich ein paar Felle, zwei von ihnen waren sogar gänzlich nackt. Der Größte von ihnen trug einen Mantel, der mehr schlecht als recht aus verschiedenen Tierfellen zusammengenäht worden war. Karon wurde schlecht, denn diese grunzenden, überaus hässlichen Wesen stanken obendrein wie die Pest. Er hatte so etwas Widerliches noch nie gerochen. Er selbst war manchmal selbst auch sehr unhygienisch, aber einen solchen Gestank zu erzeugen, hatte er noch nicht geschafft. Auf den zweiten Blick fiel ihm noch etwas auf. Die Orks waren nicht alleine gekommen. Zwischen ihnen standen vier schmale Gestalten. Ein älterer Mann, zwei Frauen und ein kleiner, blonder Elfenjunge. Sie trugen schwere Säcke auf ihren Schultern, schienen aber ansonsten völlig teilnahmslos zu sein. Sie wirkten wie in Trance. Der Bürgermeister, der nicht in sein Haus gegangen war, stellte sich ganz ruhig neben den Nornelfen. Karon bewunderte ihn schlagartig für diesen Mut, denn jeder einzelne der Schwarzorks war fünfmal so groß wie er. „Guten Abend, Gringok.“ ,sagte er mit einer ruhigen, bestimmten Stimme. „Hähä, du has´ dir einän noien Laibwächta angelacht, wa? Wo hasse den klainän Kuno verstäckt?“ ,antwortete der Schwarzork mit dem Flickenmantel. Er schien der Anführer zu sein und als er sein Maul öffnete, schlug Karon eine stinkende Mundgeruchwolke entgegen, die unter anderem nach Tod und Verwesung stank. Der Schwarzork trat ein paar Schritte auf den Nornelfen und den Alten zu. „Kräft´ges Bürschän. Muss ich schon zugäbän.“ ,grunzte der Ork anerkennend und musterte Karon nun von oben bis unten. „Ma guckän, obba wat aushält!“ ,rief er dann und schwang das riesige, unförmige Schwert. Natürlich war Karon darauf gefasst gewesen und der Schlag kam eh viel zu langsam, als das er ihn nicht hätte parieren können. Seine Hand schoss hoch und fing die Klinge auf, bevor sie auf seinen Torso treffen konnte. Doch die Wucht überraschte ihn dann doch. Karons Augen weiteten sich, als der Schwarzork ihn doch tatsächlich in die Knie zwang. „Oh verdammt…!“ ,fluchte er noch, als die freie Hand des Schwarzorks schon eine Faust ballte und den Nornelfen direkt ins Gesicht traf. Karon verlor für einen Moment den Boden unter den Füßen und landete zwei Meter weiter auf dem Dorfplatz und der Anführer der Schwarzorks brach in schallendes Gelächter aus. „Stäh auf!“ ,forderte er dann, „Noch bistä nisch kapott!“ Der Nornelf schüttelte den Kopf und erhob sich dann wieder vom Boden. Es war noch nie vorgekommen, dass ihn jemand so einfach niedergeschlagen hatte. Er hatte die Kraft des Schwarzorks unterschätzt. „Ich weiß jetzt, mit wem ich es zu tun habe.“ ,sagte Karon und ballte seine Fäuste. Seine Muskeln schwollen an und Adern traten auf seiner Haut auf. Kaum hatte er sich auf die Kampfkraft seines Gegner eingestellt, da stürzte sich der Schwarzork schon wieder mit grausigem Gebrüll auf ihn. Wieder kam das schwere, stumpfe Schwert entgegen. Karon ballte seine Rechte und schlug zu. Das morsche Material, aus dem die Waffe bestand, zerbrach unter der Wucht des nornelfischen Schlages als sei sie aus Glas. Es regnete spitze Splitter, die aber wirkungslos an Karons und Gringoks harter Haut abprallten und nicht einmal Splitter hinterließen. Trotzdem war der Ork für einen Moment verdutzt, das seine mächtige Waffe auf einmal in Einzelteilen auf dem Boden zerstreut lag. Karon nutzte diesen Moment und lies nun seine Linke hervorschnellen. Die blanke Faust bohrte sich regelrecht in den breiten, stinkenden Schädel und der schwere Orkkörper gab nach, fiel aber nicht. Karon sprang einen Schritt zurück und holte erneut zu einem wuchtigen Schlag aus, doch auch der Schwarzork ging nun in den Faustkampf über. Es hagelte nun Schläge und jedes Mal wenn einer der beiden den anderen traf, schien die Erde zu beben. Karon hatte Mühe dieses Ungetüm niederzustrecken, doch letztendlich war er doch der stärkere, das wusste er. Deswegen gelang es ihm schließlich auch den Boss der Schwarzorks mit einem mächtigen Schlag in den Magen niederzustrecken. Gringok spuckte schwarzrotes Blut und sackte dann zusammen um reglos liegen zu bleiben. Karon nahm nun nach Luft schnappend Abstand von seinem Gegner. Anders als der orkische Boss war der Nornelf kaum verletzt. Der Schwarzork war zwar für normale Verhältnisse stark gewesen, doch für Karon war er letztendlich kein Gegner gewesen. Zum Problem konnte es im Moment nur werden, wenn alle versammelten Schwarzorks auf die Idee kamen, ihn gleichzeitig anzugreifen. Doch diese Gefahr schien im Moment nicht zu bestehen. Gringoks Horde war über den Fall ihres großen Bosses viel zu entsetzt. Sie drängten sich um den reglosen Körper, stupsten und grunzten ihn an und halfen ihrem Boss schließlich hoch, als dieser wieder eine Regung zeigte. „Du bist stark.“ ,grunzte er verächtlich. „Wir kommän wida. Abär ick hab noch´n Geschänk für dich!“ Gringok grunzte etwas in einer orkischen Sprache und dann drehten sich alle Schwarzorks langsam um. Sie stützten ihren Boss, drehten sich um und machten Anstalten, wieder im Wald zu verschwinden. Karon, der immer noch ein wenig aus der Puste war, ließ sie gewähren, denn nun, da er die Kraft eines Schwarzorks kannte, wollte er sich nicht unvorbereitet mit fünf von ihnen gleichzeitig anlegen. Die in Trance stehenden Menschen drehten sich nun ebenfalls um und folgten ihren seltsamen Meistern. Nur einer blieb stehen: Der kleine, blonde Elfenjunge. Karon schaute ihn fragend an, doch in seinen Augen stand nur eines: Absolute Leere. „Was…? Was ist mit dir…?“ ,fragte der Nornelf unsicher und ging langsam auf den Knaben zu. Er war im Vergleich zu Karon winzig. Seine Ärmchen waren dürr und insgesamt sah der Junge sowieso sehr abgewrackt aus. Er trug lediglich ein paar Lumpen. „Ich denke, das ist das Geschenk, das Gringok dir versprochen hat.“ ,schaltete sich der Bürgermeister dazwischen, der nun neben Karon trat. „Er ist ein schwarzorkischer Sklave. Die Schwarzorks entführen oft Menschen in ihre Lager und flößen ihnen eine widerliche Droge ein, die sie zu ihren willenlosen Sklaven macht. Sie nennen diese Droge Mojo, ein Gebräu aus Sumpfwasser, Dreck und der Magie ihres Gottes. Ihre Sklaven müssen dann alle möglichen Drecksarbeiten verrichten, solange bis sie sterben.“ Karon glotzte den alten Mann verstört an. „Das kann nicht sein, so etwas habe ich noch nie gehört. Und dann überlassen sie mir einen von diesen Sklaven? Wie können wir die Wirkung des Mojos aufheben?“ ,fragte er und kniete sich langsam nieder. Der Junge war immer noch kleiner als er. Kauz Bruno seufzte. „Gar nicht, fürchte ich. Ein Tropfen dieser Droge reicht, um einen normalen Menschen für Wochen oder Monate willenlos zu machen. Oft erwachen die Betroffenen nie mehr und selbst die größten Heilmagier haben ihre Schwierigkeiten gegen das Mojo anzukämpfen. Es ist direkt von dem Gott der Schwarzorks berührt und deshalb so mächtig, dieses elende Zeug.“ Als Karon dies hörte, wollte er die Schwarzorks nur noch mehr in den Boden stampfen. Doch im Moment hielt er seine Wut zurück und lehnte sich zu dem Jungen rüber, der ihn aus großen, hellblauen aber nichts sagenden Augen anstarrte. Doch plötzlich rührte er sich. Der Angriff des Elfen kam dermaßen unerwartet, dass Karon fast zu spät reagiert hätte. Der schmale Arm schoss hervor und direkt auf das Gesicht des Nornelfen zu. Ihn der Hand lag ein kleines Gefäß, aus dem eine grünlich, dickliche Flüssigkeit flog. Hätte Karon sein Gesicht nicht in der letzten Sekunde zur Seite gezogen, wäre das Mojo direkt auf seinen Lippen gelandet. Stattdessen landete die klebrige und widerlich stinkende Flüssigkeit irgendwo zwischen den Falten seiner Nackenmuskulatur. Der Nornelf reagierte automatisch, ohne das er es gewollt hatte. Reflexartig schoss seine Faust hervor und erfasste wie eine Kanonenkugel den zerbrechlichen Körper. Der Junge war so leicht, dass er von einer Sekunde auf die andere den Boden unter den Füßen verlor und mit einem verhängnisvollen Zischen weit in den dunklen Wald geschleudert wurde. Erst jetzt sprang der Bürgermeister erschrocken zurück. „Er wollte dich mit dem Mojo vergiften! Dieser verdammte Gringok hat dir eine Falle gestellt, indem er den Knaben benutzt hat!“ Karon stand auf und knirschte mit den Zähnen. Diesen Schlag konnte der Junge einfach nicht überlebt haben. Mit dieser Wucht hatte er schon ganz andere Körper und Objekte einfach zerschmettert. Er hatte einfach ein unschuldiges Kind getötet. Gewissensbisse erfüllten Karon bereits, als er eine weitere unglaubliche Sache an diesem Tage sah. Aus dem dunklen Wald humpelte der blonde Elfenjunge wieder auf den Marktplatz zu. Karon und Kauz Bruno sogen die Luft vor Erschrecken scharf ein. Der kleine Körper war von dem Schlag sichtlich zerschmettert. Immerhin hingen beide Arme nutzlos in der Luft herum, das rechte Bein zog der Junge hinterher und die Bauchdecke war aufgeplatzt, so dass seine dreckigen Lumpen sich immer schneller rot färbten. Doch der Junge ging ohne vor Schmerz verzogene Miene oder anderen Regungen wieder auf Karon zu. Karon wollte ihm entgegen gehen, doch Kauz Bruno hielt ihn davon ab. Wortlos deutete er in die Richtung des Elfen und erst jetzt bemerkte der Nornelf noch etwas. Der Junge glühte in einem schwachen Licht, dass mit jedem Schritt stärker wurde. Kurz vor dem Marktplatz hatte er sich in eine einzige Lichtgestalt verwandelt, die nun stehen blieb. „Was ist das?“ ,fragte Karon leise. Der Lichtkegel vergrößerte sich kaum merklich und dann verschwand er in einem Blitz. Ein markerschütternder Schrei durchzog plötzlich die Nacht und die neue Person, die aus dem Licht geschlüpft war, fiel kraftlos zu Boden. Karon beobachtete entsetzt, wie sich der kleine Junge in eine ältere Version seiner Selbst verwandelt hatte, die die Schmerzen seines Faustschlages anscheinend sehr wohl spüren konnte. „Verdammter….Mist…scheiße!“ ,fluchte die Gestalt und lies immer wieder einen Schmerzenschrei verlauten. Karon machte gerade Anstalten ihm zu helfen, da brüllte sie: „Bleib zurück!“ Und dann stand sie doch tatsächlich auf. Der ältere Elfenjunge stand nun da, die Schmerzen schienen sich einfach verzogen zu haben. Ein entschlossener, hasserfüllter Blick standen in seinem jungen, sehr ansehnlichen Gesicht. Die himmelblauen Augen waren nicht länger ausdruckslos, sondern funkelten Karon bösartig an. Die Beine konnte der junge Mann auch wieder bewegen, denn kristallblaue Schienen hatten sich darum gelegt. Ebenso um seine Arme und auch unter den Lumpen an der Bauchdecke glitzerte es bläulich. Er hatte seine Wunden nicht geheilt, doch anscheinend mit Magie die Blutungen gestoppt und die Brüche gestützt. Karon fand das Ganze so unglaublich, dass er den jungen Mann nur mit geweiteten Augen und geschlossenem Mund anstarren konnte. „Was für ein Ungetüm.“ ,stellte der Elf dann höhnisch fest. „Hässlich. Du hast einen der hässlichsten Körper der Welt, auch wenn ich zugeben muss, dass dein Faustschlag ganz schön reinhaut. Mein Name ist Janus und ich bin erschienen um denjenigen zu beseitigen, der meinen Wirtskörper derartig zu Grunde gerichtet hat.“ ,erklärte der junge Mann dann mit einem dramatischen Blick auf seinen notdürftig geflickten Körper. Karon, durch die Beleidigung aus seiner Überraschung gerissen, machte sich schon einmal kampfbereit, denn dieser Janus hatte nichts anderes vor. „Was bist du? Der Junge war dein Wirtskörper? Was bedeutet das?“ ,fragte er dann mit geballten Fäusten. „Als ob es dich was angeht. Der Junge ist halt wichtig für mich.“ ,antwortete Janus gereizt und stellte sich seinerseits in Position. „Genug geredet. Zeit zu sterben“ Janus streckte seine Arme gen Himmel und es dauerte nicht lange, bis die dunklen Wolken sich zusammenzogen. Er benutzte Magie, das wusste Karon sofort. Also setzt er sofort zum Angriff an. Der wuchtige Nornelf schnellte hervor und holte aus, doch seine Sicht wurde vorher eingeschränkt. Vor seinen Augen verschwand der Elfenjunge in dichten Schneegestöber, das er heraufbeschworen hatte. Hinter sich hörte Karon den Bürgermeister erschrocken aufschreien, als der tödliche Schneesturm um sie herum anfing zu tosen. Sicherlich war die Temperatur schlagartig gesunken und dem alten Mann drohte ein schrecklicher Tod. Karon selbst spürte die Kälte nicht, denn die ständig ausströmende Körperenergie hüllte ihn in eine wärmende Aura. Der Nornelf kümmerte sich nun nicht mehr um Janus, den er ohnehin nicht sehen konnte. Nun drehte er sich um, lief los, packte den nach Luft schnappenden Bürgermeister und peilte das nächstbeste Haus an. Zum Glück waren alle anderen Dorfbewohner noch in ihren relativ sicheren Häusern. Vor Karon erschien eine hölzerne, kleine Tür im Gestöber, doch als er sie gerade öffnen wollte, hörte er es hinter sich zischen. Schnell drehte er seinen wuchtigen Körper weg, doch er war zu breit. Zwei der drei Sperre, die anscheinend aus purem Eis bestanden, streiften seine stahlharte Haut. Zu seiner Erleichterung waren diese Waffen wohl nicht scharf genug, ernsthaften Schaden anzurichten, denn seinen Oberarm zierten nur zwei winzige Kratzer, was aber sicherlich nur bei ihm der Fall war. „Du bist unglaublich.“ ,kam Janus Stimme von irgendwoher. Karon ignorierte sie, öffnete die Tür und schmiss den Bürgermeister etwas unsanft hinein. Mit einem Knallen schloss er sie wieder, drehte sich um und sprang entschlossen in den Sturm. „Komm heraus du Feigling! Versteckst dich einfach in deinem magischen Schneesturm!“ ,brüllte der Nornelf wütend, wobei sich seine Muskeln gefährlich wölbten. Eine Sekunde später grinste ihn eine Männerfratze an. „Kuckkuck!“ ,sagte Janus nur und umfasste mit seinen schmalen Finger das breite Gesicht des Nornelfen. Karon wollte schreien, doch er konnte nicht. Nach Janus Berührung fühlte sich sein Körper an, als hätten sich tausende kleiner Nadeln in seine Haut gebohrt. Und er war tatsächlich bewegungsunfähig. Seine Muskeln versagten einfach ihren Dienst und der Nornelf spürte, wie eine dicke Eisschicht über ihnen lag. Hilflos starrte er in Janus grinsendes Gesicht. „Tja, da helfen alle tollen Muskeln nichts.“ ,setzte der junge Elf höhnisch an und trat ein paar Schritte zurück, ohne dabei Karons Sichtfeld zu verlassen. „Wusstest du, dass ein derartig eingefrorener Körper sehr zerbrechlich ist, egal wie stark die Muskeln auch ausgebildet sind?“ ,fragte Janus dann und zog sich dabei eines seiner langen, blonden Haare raus. Magisches Eis bildete sich um das feine Haar und so entstand sehr schnell ein sehr scharfes und breites Schwert. „Es wird mir ein Vergnügen sein, dich nach und nach in Stücke zu hauen und du wirst alles bei lebendigem Leibe mitbekommen.“ ,sagte Janus erfreut und holte aus. Die Eisklinge beschrieb einen eleganten, fast schon dramatischen Bogen, bis sie auf Karons Oberschenkel stieß und ein gutes Stück heraus brach. Der Nornelf hätte vor Schmerz geschrien, wenn er dazu in der Lage gewesen war. Ein beträchtliches Stück seines rechten, oberen Beines fehlte und über der Wunde bildete sich sofort neues Eis, so das man direkt hineinschauen konnte. Eine derartig tiefe Wunde hatte Karon bisher noch nie erlitten, auch wenn sie noch lange nicht tödlich war. Janus hatte anscheinend vor, ihn ganz langsam in sehr kleine Stücke zu schlagen. Der Elf lachte vergnügt über seine Folter. Dann holte er erneut aus, hielt aber inne und suchte sich Zeit lassend eine zweite Stelle, die er abschlagen konnte. Karon versuchte inzwischen vergebens einen Weg aus dieser Misslage zu finden. Dann fiel ihm ein, dass er seine Energien lenken konnte. Diese Technik beherrschte er zwar noch nicht gut, doch vielleicht schaffte er es so, genug Wärme zu erzeugen, um das Eis zu brechen. Er konzentrierte sich und suchte in seinem Körper einen Funken Energie, den er entflammen lassen konnte. Und tatsächlich war noch etwas Wärme geblieben. Wie eine schwache Flamme glühte noch diese wunderbare Energie in Höhe seines Solarplexus, so schwach, das er sie ohne Konzentration nie bemerkt hätte. Janus lies das Schwert hervorschnellen und riss ein kleines Stück des nornelfischen Oberarmes weg. Schmerz durchzischte den massigen Körper und für einen kurzen Moment dachte Karon, er hätte den Energiefunken verloren. Doch er war noch da und der Schmerz entzündete die Flamme schließlich so stark, das Karon die Kontrolle über diese Kraft gewann. In seinen Gedanken wuchs sie immer weiter heran und tatsächlich tat sie es dann. Wärme erfüllte sehr schnell den breiten Brustkorb und kroch dann in Arme und Beine. „Was…?“ ,raunte Janus empört, als Karon seinen Kopf und die Finger leicht bewegte und schließlich genug Kraft gefunden hatte, das harte Eis um seinen Körper einfach mit purer Muskelkraft zu sprengen. Eissplitter zischten schneidend durch die Luft, so dass sogar Janus die Arme vor das Gesicht schlagen musste. Der Funken hatte sich nun innerhalb von Karons Körper in glühendes Feuer verwandelt und die Wärme kribbelte aus seiner Haut. Die Energie wurde sogar so stark, dass die leichte Wärmeaura langsam zu einer wahren Hitzewelle wurde, die Karon umgab. Seine unmenschliche Energie war mit einem Mal völlig durcheinander. So hatte sich der Nornelf gefühlt, als Mia das erste Mal den Gewichtszauber von ihm genommen hatte. Und nur ein Kuss seiner Geliebten hatte diesen Energiesturm in seinem Körper zum Stillstand bringen können. Doch nun tobte er ungebremst in seinem Körper. Es wurde immer mehr und es fühlte sich für den Nornelfen an, als würde jeden Moment ein gefährlicher Damm brechen. Mit aller Willenskraft, die er aufbringen konnte, versuchte er dies zu verhindern. Janus blickte dem Treiben seines Gegner entsetzt zu. Die Kraftwellen die von ihm ausgingen machten es dem jungen Elfen unmöglich, den Nornelfen momentan anzugreifen. Das Fleisch des muskelbepackten Hünen pulsierte und schien jeden Moment zu platzen. Er schien nicht mehr bei Sinnen zu sein. Janus beschloss die Flucht zu ergreifen, drehte sich um und rannte. Karon konnte schließlich nichts mehr dagegen machen. Die Dämme in seinem Körper brachen und die Energie bahnte sich ihren Weg. Für einen Bruchteil einer Sekunde glühte sein massiger Körper auf, dann entlud sich die Kraft in einem Sturm aus Hitze und grellem Licht, der den Schneesturm Janus einfach verdrängte und das gesamte Dorf Waldbrünnlein wurde davon eingehüllt. Der Nornelf selbst verlor das Bewusstsein. Karon wachte in einem viel zu kleinen Bett auf, das unter seinem Gewicht schon zerbrochen war. Über ihm war der blaue Himmel durch ein zerstörtes Dach zu sehen. Es war Tag und relativ gutes Wetter, doch anders als sonst, wollte Karon diesmal nicht aufstehen, um sein alltägliches Morgentraining durchzuführen. Er war ernsthaft erschöpft, eine Erschöpfung, die er bisher selten gespürt hatte. Er blieb noch einen Moment liegen und quälte sich dann doch hoch, denn er wollte wissen, was passiert war, nachdem er das Bewusstsein verloren hatte. Er quälte sich durch die kleine Tür des dachfreien Zimmers in den Nebenraum, in dem an einem geflickten Tisch Kauz Bruno saß. In den Wänden waren riesige Löcher und auch sonst lag der Raum in Trümmern. Die Außenwand fehlte fast völlig. Der alte Mann schaute auf und lächelte erleichtert. „Karon, es geht dir gut.“ ,stellte er fest und kam auf den Nornelfen zu. „Schön, mein Junge. Setz dich, setz dich.“ Karon tat wie ihm geheißen und auch Kauz Bruno setzte sich wieder. „Was ist passiert? Wieso sieht es hier so aus?“ ,fragte der Nornelf etwas verwirrt. Wieso lag das Haus des Bürgermeisters in Trümmern? Der alte Mann seufzte. „Das warst du, muss ich wohl leider sagen. Ciyan behauptet auf jeden Fall, dass Janus zu so etwas nicht fähig ist. Erinnerst du dich denn nicht? Irgendwie hast du während des Kampfes mit Janus einen wahren Orkan beschworen.“ Karons Augen weiteten sich, dann errötete er leicht. „Ups…“ ,sagte er und rieb sich verlegen den Hinterkopf, eine Reaktion, die den Bürgermeister angesichts der ernsten Lage doch tatsächlich herzhaft auflachen lies. „Ich kann die Energien die ich durch ein kürzlich gemachtes, sehr spezielles Training erhalten habe noch nicht richtig lenken.“ ,versuchte der Nornelf sich zu verteidigen, auch wenn er wusste, dass das keine richtige Entschuldigung war. „Wie schlimm ist es?“ ,erkundigte er sich dann. „Der Schaden hält sich in Grenzen. Mein Haus hat es am schlimmsten erwischt, da du direkt davor standest, als du den Sturm entfacht hast. Die anderen Häuser sind in Ordnung.“ Karon atmete erleichtert aus und fragte dann: „Was ist mit Janus passiert?“ „Janus wurde durch den Sturm außer Gefecht gesetzt. Er wollte flüchten, doch die Energiewelle hat ihn trotzdem voll erwischt. Als wir ihn gefunden haben, hatte er sich in den kleinen Jungen zurückverwandelt und stand kurz vor dem Tod. Doch wir konnten ihn retten. Als er wieder bei Kräften war erklärte uns der Elfenjunge, dass sein Name Ciyan sei und Janus nur eine andere Persönlichkeit sei, mit der er sich seinen Körper teilen müsse. Unglaubliche Geschichte. Übrigens stand Ciyan nicht mehr unter dem Einfluss des Mojo. Die Verwandlung in Janus hatte die Wirkung voll völlig aufgehoben.“ Karon runzelte seine breite Stirn und brauchte etwas länger, um diese Informationen zu verdauen. „Ich würde gerne mit Ciyan reden. Wo ist er?“ ,fragte er schließlich. Kauz Bruno zuckte mit den Schultern. „Er ist vor drei Tagen verschwunden.“ „Vor drei Tagen? Wie lange war ich denn bewusstlos?“ ,rief Karon erschrocken auf und stand urplötzlich auf, so dass er sich den Kopf an der Decke stieß. „Ganze zwei Wochen müssen es gewesen sein.“ ,erklärte der alte Mann. Karon knirschte daraufhin mit den Zähnen. Warum lag er eigentlich andauernd im Halbkoma? Kauz Bruno erzählte dem Nornelfen noch, dass die letzten Tage ruhig gewesen waren und nicht einmal die Schwarzorks sich bisher wieder im Dorf blicken lassen hatten. Die Dorfbewohner hatten dafür alle Hände voll zu tun den verwüsteten Marktplatz wieder aufzubauen und das Haus des Bürgermeisters notdürftig zu flicken. Nach einer Weile gingen die beiden auch hinaus, damit Karon sich das Dorf anschauen konnte. Zwar lagen hier und dort ein paar kleine Trümmerhaufen und der Brunnen in der Dorfmitte war angeschlagen, doch der Rest stand noch oder war schnell wieder aufgebaut worden, so dass Karon kein all zu schlechtes Gewissen haben musste. „Ach übrigens. Ihr habt einen guten Heiler, dass er sogar den halbtoten Ciyan wiederbeleben konnte und die raus geschlagenen Stellen an meinem Arm und Bein wieder herstellen konnte. Ich würde ihn gerne kennenlernen.“ ,sagte Karon dann. Kauz Bruno lächelte. „Das wirst du. Der Name des Heilers war Geedgak und er ist der Schüler meines Bruders – Karz Rudolf, einem sehr mächtigen Priester der Sechsgötter. Geedgak bat mich dich zu meinen Bruder zu schicken, sobald du wieder zu Kräften gekommen bist. Er lebt in den Bergen etwas weiter südlich und möchte dir zeigen, wie du deine zerstörerischen Energien richtig einsetzen kannst.“ ,erklärte Kauz Bruno zufrieden. Karon musste nun auch grinsen, denn das waren hervorragende Nachrichten. Anscheinend hatte er kurz nach Mia schon einen weiteren, sehr fähigen Trainer gefunden, bei dem er etwas lernen konnte. „Ich werde mich sofort auf den Weg machen. Dann kann ich mich auch bei Geedgak für die Heilung bedanken.“ Und so kam es, dass Karon nach einem weiteren Festessen in Richtung Berge wanderte, um den Priester der Sechsgötter zu suchen, allerdings nicht ohne zu versprechen, zurückzukehren und sich um die Schwarzorks zu kümmern, die mit Sicherheit wieder angreifen würden… Kapitel 6: Vaterglück --------------------- Vaterglück Karon wanderte nun schon einen ganzen Tag durch seit er das kleine Dorf Waldbrünnlein, in dem die Ereignisse mit den wilden Schwarzorks geschehen war, verlassen hatte. Vor ein paar Stunden hatte er auch das Wäldchen hinter sich gelassen, in dem der Ort lag. Und nun wanderte er dem Gebirge entgegen, das sich grau und lebendig direkt vor ihm in den hellblauen Himmel erstreckte. Das Wetter war an diesem Tag sehr schön. Kaum ein Wölkchen war am Himmel zu sehen und die Sonne lies warme Strahlen auf die Erde nieder, die auf Karons brauner Haut wohlig prickelten. Der Nornelf hatte einen leichten Trab angenommen. Vorher hatte er sich regelrecht durch den Wald geschlagen und in einer irren Geschwindigkeit eine Schneise der Zerstörung hinter sich gelassen. Hätte er Verfolger auf seiner Spur, hätten sie keine Anstrengungen ihn zu finden. Ausgerissene Bäume und umgepflügte Walderde hätten es ihnen leicht gemacht, den Standort des Hünen herauszufinden. Doch als Karon den Waldrand erreicht hatte, merkte er, dass er tierischen Hunger hatte. Und deshalb hatte er sich kurzerhand noch einmal umgedreht und in einer kleinen Mittagspause zwei erlegte Hirsche bis auf die Knochen abgegessen. Das war auch einer der Gründe, warum er nun nicht mehr so durch die Gegend preschte, denn das Fleisch lag noch schwer unter seinen abnormalen Bauchmuskeln. Doch mit jedem Schritt verwandelte es sich weiter in reine Energie. Der zweite Grund war schlicht, das Karon seine Freiheit genießen wollte. Bevor er die Gebirge erklimmen konnte, musste er nämlich noch eine riesige Steppe überwinden. Mit all seiner Kraft hätte er die Strecke in einer sehr kurzen Zeit geschafft, doch genoss er nun im Trab das weiche, frische Gras unter seinen nackten Füßen, den kühlen Wind, der ihm bei der Geschwindigkeit entgegenkam und die Sonne. Seit er Mia im Norden verlassen hatte, waren diese Situationen einfach viel zu selten gewesen. Er war immerhin ein Nornelf und somit mit der Natur verbunden. Obwohl er seine Geschwindigkeit zügelte, kamen die Gebirge schnell näher und es dauerte nicht lange, da bohrten sich seine breiten Füße nicht mehr in das weiche Gras, sondern in hartes Gestein. Karon bremste nach einer Weile ab, ein Kraftakt, der im Boden ein paar unschöne Risse hinterließ. Der Nornelf blickte sich um und suchte nach einem Anhaltspunkt. Er war hierhergekommen um Karz Rudolf zu finden, ein Priester der Sechsgötter und der Bruder des Kauz Bruno aus Waldbrünnlein. Angeblich konnte dieser ihm nämlich beibringen, wie er die ungeheuren Energien, die in Karons Körper Tag und Nacht wirbelten und unaufhörlich aus seinen Hautporen wichen, kontrollieren konnte. Doch es war nichts zu sehen. Keine Hütte, kein Mensch oder gar ein Lager. Hier war nur völlige Wildnis. Karon drehte sich nun dem Berg zu, der sich einige hundert Meter vor ihm in die Höhe streckte. „Dann muss ich wohl von oben gucken.“ ,murmelte er in seinen Bart. Karon spannte nun seine Beinmuskeln an, die zu beeindruckenden, stahlharten Gebilden wurden und preschte los. Die Distanz zum Fuß des Berges war innerhalb weniger Sekunden überwunden und der Nornelf fing sofort an, zu klettern. Seine Fingerkuppen bohrten sich in den Felsen, als bestünde er nur aus weicher Butter und mit schnellen, kräftigen Bewegungen hievte er seinen kolossalen Körper die steile Felswand hoch, in einer Geschwindigkeit, die die besten Bergsteiger nie im Leben erreichen könnten. Schon nach wenigen Minuten war der Gipfel in greifbare Nähe gekommen. Karons Muskeln trugen den Hünen ohne Anstrengung unermüdlich weiter. Es wurde immer kälter, je weiter er nach oben kam, doch der kalte Wind erreichte seine Haut nicht. Die unaufhörlich ausströmende Körperenergie hüllte Karon in eine wohlig warme Aura, die die Kälte nicht durchließ. Ein letzter Sprung und Karon hatte ein kleines Plateau erreicht, das fast auf Höhe des Gipfels lag. Hier hielt er erneut inne um sich umzublicken. Die Aussicht war fantastisch. Karon war in ein paar Minuten die Strecke geklettert, für die erfahrende Bergsteiger ein paar Tage gebraucht hätten und das ohne jegliche Erschöpfung. Vor ihm erstreckte sich die Steppe, die von dem Gebirge umgeben war wie eine gigantische Klamm. In weiter Ferne, an der gebirgsfreien Seite, sah Karon den Wald, in dessen Mitte sich irgendwo das Dorf Waldbrünnlein befinden musste. Karon hatte in einem Tag eine Strecke abgelaufen, für die ein normaler Mensch eine einwöchige Reise bedeutet hätte. Karon grinste und lobte sich insgeheim selber für diese Leistung. Doch jetzt war nicht die richtige Zeit, sich selbstverliebt zu verhalten. Also schaute er sich nun in den benachbarten Gebirgen um. Und tatsächlich entdeckte er etwas weiter westlich hinter zwei etwas niedriger liegenden Gipfeln eine sehr dünne Rauchfahne, die sich in den blauen Himmel kräuselte und sich dort irgendwann in Nichts auflöste. „Da könnte er sein.“ ,stellte Karon zufrieden fest. Der Nornelf trat ein paar Schritte zurück. Er nahm Anlauf, spannte seine Beine an und legte all seine Kraft in diesen Sprung. Als er sich abdrückte, brach das Plateau unter der Wucht des Sprunges in Stücke und stürzte polternd und Staub aufwirbelnd in die Tiefe. Karon selbst hatte seinen schweren Körper in die Luft erhoben und sein Sprung kam schon eher einem Flug gleich. Der erste Gipfel rauschte einfach unter ihm vorbei, doch um den zweiten Gipfel zu überqueren reichte dieser Sprung nicht. Karon kam der massiven Steinwand mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit entgegen. Der Nornelf zögerte keine Sekunde, ballte die rechte Faust und spannte seine monströsen Armmuskeln an. Als sein Körper auf die Wand traf, gab es eine Explosion, die den Berggipfel erschütterte. Karons Körper bohrte sich wie ein Komet aus Fleisch und Blut in den massiven Stein. Ein ohrenbetäubender Krach entstand und Steinbrocken und eine riesige Staubwolke stoben aus dem Einschussloch. Für viele Sekunden regnete es um Karon herum mannsgroße Steinbrocken, die an seinem Körper abprallten, ohne irgendeinen Schaden zu hinterlassen. Karon lag für einen Moment unter den Trümmern des eingebrochenen Berggipfels, doch er hatte sich auch sehr schnell daraus befreit, indem er die tonnenschweren Steine einfach zur Seite schob. Als er oben auf dem neuen, nun etwas tiefer gelegenen Gipfel des Berges stand, klopfte er sich erst einmal den Staub von seinem Körper und blickte sich um. Tatsächlich konnte er von hier sehen, woher die Rauchfahne gekommen war. In einem winzigen Tal vor ihm brannte ein großes Lagerfeuer vor einer Höhle. An der Steinwand neben der Höhe standen allerlei Werkzeuge, wie sie im Alltag gebraucht wurden. Haken, Hämmer, Sägen und sogar ein kleiner Webrahmen stand etwas weiter ab vom Höhleneingang unter einem selbst gebautem Blätterdach. Etwas weiter entfernt im Tal mähte eine kleine Herde von Schafen und einen bebauten Acker konnte Karon auch erkennen. Vor dem Höhleneingang standen zwei Gestalten, die eindeutig in seine Richtung blickten. „Das könnte er sein.“ ,sagte Karon sich. Karon sprang etwas ungeschickt den Gipfel hinab in das Tal. Als er unten ankam, erbebte kurz die Erde und er hinterließ ein kleines Loch im Gestein. Dann rannte er erneut los und stand ein paar Sekunden später vor den zwei Gestalten. „Guten Tag, Karon.“ ,begrüßte ihn der Größere von den Zweien. Er war ein Mann mittleren Alters und hatte ein ernstes, aber freundliches Gesicht, in dem ein buschiger, brauner Bart und lange, wilde Haare hingen. Er hatte für einen Menschen beeindruckend mächtige Muskeln, über denen sich eine braun gebrannte Haut spannte. Er trug selbstgewebte, weite Kleidung, die entfernt an die eines Geistlichen erinnerten. Der Zweite von den Beiden war kein Mensch. Er war kleiner als ein Kind und hatte einen hässlichen, kahlen Schrumpelkopf in dessen Gesicht eine überdimensionale Hakennase lag. In seinem breiten Mund lagen unzählige kleine nadelspitze Zähne und er hatte lange und spitz zulaufende Ohren. Sein kleiner buckeliger Körper war mit einer dunkelgrünen Haut umspannt. Zwei rotglühende, große Augen starrten Karon grimmig an. Dieser Knabe trug ähnliche Kleidung wie der Große und gehörte dem Volk der Goblins an. In seiner rechten Hand hielt er einen für ihn zu großen Wanderstab aus grauweißen Knochen. „Hallo.“ ,antwortete der Nornelf knapp, nachdem er die beiden gemustert hatte. „Seid Ihr Karz Rudolf?“ ,fragte er dann. Der Mann nickte lächelnd und wies mit einer ausladenden Geste auf den Goblin. „Ganz recht, der bin ich. Und das hier ist mein Schüler Geedgak.“ Karon musste grinsen und beugte sich zu Geedgak dem Goblin herunter, nur um festzustellen, das er selbst so noch drei Köpfe größer war. Er streckte dem grünen Knaben seine riesige Pranke hin. „Dann muss ich dir dafür danken, das du Ciyan und mich so großartig geheilt hast.“ ,stellte Karon freundlich fest. Die großen roten Augen des Goblin verengten sich zu verächtlichen Schlitzen. „Schon gut, ich bin mir noch nicht sicher, ob das ein Fehler war.“ ,krächzte er mit einer ziemlich unangenehmen Stimme, die für Goblins aber üblich war. Dabei nahm er Karons Geste des Händeschüttelns nicht an. Karon zog eine Grimasse und erhob sich wieder. Karz Rudolf war neben ihn getreten und blicke an ihm hinauf. Dann fasste er seine Brust an, tastete sie ab und ging weiter über seinen Körper. Karon lies ihn gewähren, denn das war wohl seine Analyse der Kampfkraft. Mia hatte am Anfang ihres Trainings etwas Ähnliches gemacht. Lachend schlug er dem Nornelfen schließlich auf den Oberschenkel, was tatsächlich einen leichten Schmerz herbeiführte, wie Karon verwundert feststellte. „Du hast für einen Ungläubigen einen sehr imposanten Körper. Geedgak hat nicht übertrieben, als er dich beschrieben hat.“ ,stellte er dann lächelnd fest. „Hör mir zu, Karon, wir haben nicht viel Zeit. Du darfst es dir hier auf keinen Fall gemütlich machen, denn dann ist Waldbrünnlein dem Untergang geweiht. Du hast den Anführer der Schwarzorks schwer verletzt, doch sobald es ihm besser geht, werden sie wiederkehren und sich rächen und dann werden die Dorfbewohner zu Mojo-Sklaven oder müssen sterben. Du hast eine Verantwortung.“ ,erklärte Karz Rudolf ohne weitere Einführungen. „Greif mich an“ ,forderte er dann. Karon war verwirrt. Diese Erklärung und die Aufforderung zum Kampf kam etwas sehr plötzlich, so dass er ein paar Sekunden brauchte, in denen er ein reichlich dummen Gesichtsausdruck aufsetzte. Dann hatte er diese Gedanken aber geordnet und wollte zu einer Frage ansetzen. „Dafür haben wir keine Zeit. Greif an.“ ,unterbrach Karz Rudolf ihn. Karon starrte ihn einen weiteren Moment verdutzt an, doch dann zuckte er mit den Schultern und ballte seine Fäuste. Die ohnehin beeindruckenden Muskeln schwollen zu monströsen Gebilden an, wie üblich. „Sei bereit.“ ,sagte Karon sicherheitshalber, denn Karz Rudolf machte keine Anstalten, zurückzuweichen. Karon zögerte noch kurz, doch dann schlug er zu. Seine Faust durchbohrte blitzschnell und mit der Wucht einer Kanonenkugel die Luft. Karz Rudolf hob in der gleichen Zeit seine Hand, fing den Schlag mit dem Handrücken ab und lenkte die gewaltige Kraft so geschickt um, dass Karons Faust wirkungslos ins Leere traf. Karon war verdutzt und hielt für eine Sekunde inne. Das konnte doch nicht sein? Ein Mensch konnte dieser Wucht doch nicht einfach widerstehen? Doch die nächsten dutzend Schläge von Karon wurden mit der gleichen Technik abgewehrt. Ein Zufall war es also nicht. Karon biss die Zähne zusammen, spannte seine Muskeln noch weiter an und schlug mit noch mehr Geschwindigkeit zu, doch seinem Gegner schien es nicht einmal Mühe zu machen, die Schläge abzuleiten. Der Nornelf hatte eine ähnliche Technik schon einmal erlebt, damals, als er im Norden mit Nuima Mornedhel gekämpft hatte. „Nun greife ich an.“ ,sagte Karz Rudolf auf einmal. Er ballte seine Faust und schlug zu. Er zielte direkt auf Karons Bauch. Der Nornelf machte keine Anstalten auszuweichen oder abzublocken. Sicher, Karz Rudolf hatte einen für Menschen mächtigen Körper, doch ein normaler Fausthieb konnte den übermächtigen nornelfischen Körper doch nichts anhaben. Die Faust des Mannes schien diesen Fakt aber einfach zu ignorieren. Die Faust bohrte sich tief in Karons Magen und ein Schmerz durchzuckte seinen Körper, den der Nornelf noch nie gespürt hatte. Die Wucht dieses Schlages beförderte den massigen Nornelfen in die Luft und lies ihn durch die Gegend fliegen, wie es für gewöhnlich seine Gegner machten. Einige Meter weiter krachte er unsanft auf den steinharten Boden. In Karons Kopf drehte sich alles und es dauerte einige Momente, bis er sich wieder gefangen hatte. Sein Magen schmerzte immer noch höllisch und er musste alle Willenskraft aufbringen um die Reste des Hirschbratens in seinem Inneren zu behalten. Dann stand er langsam wieder auf und hielt sich die Stelle zwischen seinen Bauchmuskeln, die knallrot geworden war und vor Schmerz regelrecht pulsierte. „Du bist ja schwach.“ ,stellte Karz Rudolf höhnisch fest und lachte dabei dreckig auf. „So könntest du nicht einmal meinen Schüler besiegen.“ Nun lachte auch der kleine Goblin schäbig auf. Karon biss die Zähne zusammen. Wie üblich lies er sich nicht gerne verhöhnen oder beleidigen, so das sofort die Wut in seinem Körper die Kontrolle übernahm. Dicke Adern pressten das Blut durch seine mächtigen Muskeln, die sich wölbten und zusammenzogen, als würden sie atmen. „Ihr solltet mich nicht wütend machen.“ ,grunzte er angestrengt. „Warum nicht? Du kannst eh nichts ausrichten, egal wie sehr du dich aufblähst.“ ,lachte Karz Rudolf ihm verächtlich entgegen. Der Schmerz in seinem Magen war völlig vergessen. Sein Körper spielte wieder mal verrückt, wie er es in letzter Zeit öfter tat. Die Energien, die in ihm wohnten, brachen aus und wirbelten wie ein Sturm in seinen Zellen und suchten einen Weg nach draußen. Es sah fast aus, als würden Karons Muskeln dampfen. „Jetzt…habt…ihr…ein…Problem…“, presste Karon aus. Er konnte kaum sprechen, so heftig waren die Energien in seinem Körper. Er fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. „Er kann sie tatsächlich nicht kontrollieren, wie du schon sagtest. Er hat eine beeindruckende Menge an Energie. Mehr noch als ich selbst. Er ist wahrlich von Grum gesegnet.“ ,sagte Karz Rudolf leise zu Geedgak, der alle Mühe hatte bei dem Anblick, der sich ihnen bot, nicht einfach davonzulaufen. „Und, Meister, ist meine Diagnose richtig?“ ,fragte er dann krächzend. „Ich hoffe doch, sonst sind wir vielleicht in wenigen Augenblicken tot.“ Karz Rudolf musste seinen Schüler angrinsen. „Geedgak, ich sagte dir doch, das du nicht zweifeln sollst. Deine Diagnose war richtig und der Zeitpunkt für deine Heilung ist gekommen. Beeile dich, sonst verdampfen wir an seinen Energien.“ Der Goblin seufzte erleichtert und hüpfte los. Trotz seiner krummen, dünnen Beinchen war er sehr flink und Karon merkte in seinem Rausch nicht, wie der Goblin plötzlich vor ihm stand und sich gegen die Energiewellen stemmte. Geedgak holte mit seinem Knochenstock aus und versetzte dem Nornelfen sechs gezielte Schläge auf verschiedene Körperstellen. Ein Ruck ging durch Karons Körper und die Energiewellen versiegten so schnell, wie sie gekommen waren. Der Körper des Nornelfen beruhigte sich langsam. Karons Wut war nicht verschwunden, doch war sie sehr abgeflaut, als ein grandioses Gefühl seinen Körper durchglitt. Die Energien, die seit Wochen seinen Körper in Aufruhr versetzten, verliefen mit einem Mal glatte Bahnen. Er konnte sie kontrollieren, so als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Und nun, da diese Energien seinen Körper ideal versorgten, fühlte er sich ganz anders. Sein Körper, der fast eine halbe Tonne wog, fühlte sich für ihn an wie eine Feder. Der Boden unter seinen Füßen schmiegte sich an seine Haut, als wäre er aus weichen Matratzen und nicht aus hartem Stein. Seine Bewegungen waren völlig mühelos. Und es kam ihm vor, als könnte er jeder einzelne Zelle seines Körpers spüren und kontrollieren. „Das wäre geschafft.“ ,seufzte Geedgak erleichtert und setzte sich auf den Boden vor Karon. „Was…hast du gemacht?“ ,sagte Karon erstaunt und blickte in seine breiten Handflächen, als wären sie nicht seine. Durch seinen Körper strömte die Kraft wie eine berauschende Droge. Karz Rudolf hatte sein falsches, hämisches Grinsen abgelegt und kam nun mit einem gütigen Lächeln auf Karon zu. „Lass mich erklären, mein Freund. Geedgak hat deine Energien in die richtigen Bahnen gelenkt, so dass dein Körper endlich sein volles Potential entfalten kann. Entschuldige, dass wir dich provoziert haben, doch ich musste feststellen, ob die Diagnose meines Schülers richtig war, dass du deine Energien nicht richtig kontrollieren kannst. Das war nur im Zustand möglich, mit dem du auch Waldbrünnlein erschüttert hattest. Nach Geedgaks Behandlung wirst du dieses Problem nicht mehr haben.“ ,erklärte der Mensch. „Heißt das, diese ungewöhnliche Kraft, die ich jetzt spüre, hatte ich schon immer?“ ,fragte Karon verdutzt. Karz Rudolf nickte geduldig, wohl wissend, das Karon nicht der Schnellste war, was solche Dinge anging. „Ja, durch deine wilden Energien war diese Kraft aber deutlich zurückgeschraubt. Deswegen konnte ich dich an Kraft auch übertreffen, obwohl du den mächtigeren Körper hast. Nun hätte ich keine Chance mehr gegen dich. Jetzt solltest du keine Probleme mehr haben deine Energien richtig zu nutzen. Und deshalb bitte ich dich, gehe zurück und helfe meinem Bruder in Waldbrünnlein. Beeile dich, denn die Schwarzorks werden nicht lange auf sich warten lassen.“ Karon kam nicht einmal dazu, sich zu bedanken, so sehr drängte Karz Rudolf ihn, wieder zurück zum Dorf zu gehen. Er war noch keine halbe Stunde hier gewesen und schon sollte er sich wieder auf den Rückweg machen. Und trotzdem hatte das kurze Treffen seine Kraft um einiges erhöht. „Geedgak, du wirst ihn begleiten, sollte es bei dem bevorstehenden Kampf Verletzte geben. Ich muss leider hierbleiben, das hat bestimmte Gründe, die ich euch nicht nennen kann.“ Der Goblin nickte nur. „Setze dich auf Karons Rücken. Wenn ihr jetzt loslauft, erreicht ihr das Dorf gegen Abend. Lauft los.“ Geedgak kletterte geschickt auf Karons Rücken, wobei er die Zwischenräume der Muskeln wie eine Leiter benutzte. Das zusätzliche Gewicht spürte Karon nicht einmal. Der Nornelf wollte gerade zum Sprint ansetzen, als Karz Rudolf ihn doch noch ansprach. „Karon, wenn du im Sinn hast, noch stärker zu werden, dann solltest du den Orden der Erdbrüder aufsuchen, der viele Meilen weiter im Süden liegt. Mit ihren Methoden könntest du vielleicht noch mächtiger werden, denn ich habe erkannt, das in dir noch Potential steckt, auch wenn das eine reichlich gruselige Vorstellung ist angesichts der Kraft, die du ohnehin schon besitzt.“ Der Nornelf starrte ihn ungläubig an. Mia hatte ihm damals gesagt, das was er jetzt hätte, wäre das höchste aller Gefühle, das Optimum an Kraft, das man aus seinem Körperanlagen rauskitzeln konnte. Doch wenn Karz Rudolf Recht hatte, konnte er diese Grenzen vielleicht doch noch sprengen. Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht und eine schöne Vorfreude an das harte Training machte sich in ihm breit. „Ich danke euch für alles, Karz Rudolf“ ,sagte Karon und wandte sich zum zweiten Mal zum Gehen zu. Gerade als er loslaufen wollte, wurde Karon wieder aufgehalten. Eine unbekannte Stimme mischte sich ein und rief: „Stopp! Ich werde euch nicht gehen lassen.“ Karon blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Sie gehörte einem jungen Mann mit schulterlangen, glatten und pechschwarzen Haaren. Sein schmächtiger Körper war in einen schwarzen Fließmantel gehüllt, der im kalten Wind wehte. Sein Gesicht war jugendlich und makellos. Seine schwarzen Augen blickten dem Nornelfen hämisch entgegen. Obwohl er eine etwas düstere Art hatte, schien keine sonderlich große Bedrohung von ihm auszugehen. Doch nur weil er schmächtig war, sollte das nicht heißen, dass man ihn unterschätzen sollte, wie Karon im Kampf gegen Janus festgestellt hatte. Der Kerl stand auf dem zerstörten Gipfel. „Wer bist du?“ ,rief Karon ihm entgegen, „Und was fällt dir ein, uns aufzuhalten?“ Der Knabe verbeugte sich tief und rief ihm dann die gewünschten Informationen zu. „Mein Name ist Fred und ich bin dir seit diesem Zwischenfall in dem Dorf gefolgt. Ich hab dich auf halbem Weg zwar verloren, doch du hinterlässt ja Spuren, die man nicht übersehen kann.“ Dabei deutete er auf die zerstörte Bergspitze, auf der er stand. „Und ich halte dich nur auf, weil ich dich zum Kampf herausfordern möchte. Ich liebe es, mich mit starken Gegnern zu messen und du bist ein angemessener Gegner. Und nach der Schande, von einer Frau besiegt worden und fast getötet worden zu sein, werde ich mich mit deinem Blut wieder reinwaschen!“ Karon packte Geedgak, der sofort anfing zu meckern, und setzte ihn auf den Boden ab. „Ich werde mich erst um diesen Kerl kümmern müssen, sonst bereitet er uns nur zusätzliche Schwierigkeiten.“ ,sagte Karon und Karz Rudolf stimmte ihm zu. „Aber sei vorsichtig. Er konnte relativ gut mit dir Schritt halten und ist kein bisschen erschöpft, obwohl du eine weite Strecke gekommen bist. Er ist nicht so schwach, wie er aussieht.“ ,warnte der Mann mit einem ernsten Funkeln in den Augen. „Ich weiß.“ ,sagte der Nornelf und drehte sich dann seinem Gegner zu. „Du redest wirres Zeug, mein Freund!“ ,rief er Fred entgegen und erhob seine rechte Hand. Mit der Handfläche zielte er direkt auf seinen neuen Gegner. Jetzt, da er seine Energien kontrollieren konnte, war seine Technik nicht mehr schwer zu beherrschen. Er bündelte einen Teil seiner Energie in der Handfläche und entlud sie in einem schmalen Strahl, der blitzschnell auf Fred zuschoss. Geedgak japste vor Überraschung auf und auch Karz Rudolf klappte bei diesem Anblick der Mund auf. Fred schien für einen Bruchteil einer Sekunde auch zu überrascht um auszuweichen, doch dann machte er einen geschickten Schritt zur Seite, so dass sich der Energiestrahl wirkungslos an ihm vorbei in den Himmel bohrte. Fred blickte ihm hinterher. Diesen Moment der Ablenkung nutzte Karon aus. Seine neuen Kräfte trugen ihn so schnell und leichtfüßig, das er innerhalb einer Sekunde neben Fred stand, die Faust ballte und zuschlug. Doch obwohl Karon diese unmenschliche Geschwindigkeit an den Tag legte, bemerkte Fred ihn und versuchte auszuweichen. Tatsächlich streifte der Faustschlag nur die Seite des Knaben, doch die Wucht reichte trotzdem aus, ihn weit weg zu schleudern. Fred lies einen Schmerzensschrei ertönen, während er auf den steinharten Boden zuflog. Im letzten Augenblick machte er einen Rückwärtssalto und landete geschickt auf seinen Füßen. Sein linker Arm baumelte gebrochen und nutzlos von seinem Körper herab. „Verfluchter Nornelf!“ ,presste er durch seine zusammengebissenen Zähne heraus. Doch der verfluchte Nornelf ließ ihm keine Pause um kurz nach Luft zu schnappen. Karon stand auf der zerstörten Spitze, klaubte die tonnenschweren Steine auf, als seien es Säcke voller Federn, und warf mit ihnen nach seinem Gegner. Kaum hatten die Brocken Karons kräftige Hand verlassen, nahmen sie die Energie seiner Muskeln auf und schossen wie Kometen auf den schmalen Jüngling zu. Fred lies allerlei Flüche ertönen, während er den Wurfgeschoßen geschickt auswich. Er war schnell, schnell genug, um Karons Angriffen einfach zu entgehen ohne irgendeinen Schaden zu nehmen. Doch mit bloßer Verteidigung lässt sich bekanntlich kein Kampf gewinnen. Fred griff mit der rechten, unverletzten Hand unter seinen Mantel und zog im Laufen sein blankes Schwert hervor. Nun bremste er ab, wirbelte herum und spaltete den Felsbrocken, der auf ihn zukam, mit einem kraftvollen Schwertschwung. Der Stein teilte sich glatt in zwei Teile, die seitlich an Fred vorbeirauschten und hinter ihm eine Schneise der Verwüstung hinterließen. Zwei weitere Kometen verfehlten den jungen Mann, dann hörte Karon auf zu werfen, denn über diesen Konter war er mehr als erstaunt. In diesem Jungen steckten unheimliche Kräfte. Er war immerhin stark genug die Felsen mit einem Schwert abzuwehren. Ein normaler Mensch war Karons Gegner mit Sicherheit nicht. „Beeindruckend.“ ,gab Karon gelassen zu und grinste Fred an, „Du scheinst wirklich was drauf zu haben.“ „Hör auf zu reden, Fettsack!“ ,brüllte Fred nur hämisch grinsend zurück. Karon lachte laut auf, denn diese Beleidigung konnte er nicht ernst nehmen. Trotzdem setzte er nun wieder zum Angriff an. Karon spannte seine Muskeln an, bückte sich und vergrub die Finger ohne Probleme in den Boden unter sich. „Das sind alles Muskeln!“ ,gab er grinsend zur Antwort und zog. Der Boden unter ihm bekam Risse, während Karons Muskeln sich auf ihr äußerstes anspannten. Zwei große Risse bildeten sich, die jeweils links und rechts von ihm weg verliefen und ein großflächiges Gebiet des Gebirges umrandeten, unter anderem auch die Stelle, auf der Fred stand. „Verdammt!“ ,brüllte dieser nur erschrocken, als Karon den halben Berg wegbrach und mit einem Schnauben in die Luft stemmte. Die gigantische Platte, auf der ein kleineres Dorf Platz gefunden hätte, lag schwankend in den beiden kräftigen Händen des kolossalen Karon. Und Fred stand direkt darauf und versuchte ungläubig sein Gleichgewicht zu halten. Der Nornelf nahm nun all die Kraft, die sein Körper zu bieten hatte, zusammen. Adern traten auf seine Muskeln, die bis auf das äußerte angespannt waren und unter ihrer eigenen Kraft zu platzen drohten. Er nahm so gut Schwung wie er konnte, dann schleuderte er die Platte samt Fred davon in die Richtung, in der die Steppe lag. Für ein paar Sekunden sah es aus, als würde in der Ferne eine fliegende Insel durch den Himmel kreuzen. Doch dann stürzte sie ab, krachte auf den Boden und hinterließ sowohl einen ohrenbetäubenden Krach in der Ferne, als auch ein kleines Erdbeben, das sogar das Gebirge erschütterte. Karon stand in gebückter Haltung da. Sein Atem ging schwer, hatte er doch einen Großteil der Energie in diese Aktion gesteckt. Seine baumstammdicken Arme baumelten kraftlos nach unten und brannten. Dicke Schweißperlen standen auf seinem ganzen Körper. Einer der Eisenriemen seines Kakku war beim Anspannen seiner mächtigen Muskeln doch tatsächlich einfach abgeplatzt. Doch mit jedem Atemzug kam die Kraft wieder zurück und als der Nornelf realisierte, was er gerade geschafft hatte, lief ihm ein wohliger Schauer über den Rücken. Was für eine Macht. Nach einigen Minuten waren seine Kräfte wieder zurückgekehrt. Zwar hatte er eine Menge Energie verbraucht, doch für den Weg nach Waldbrünnlein und den Kampf gegen die Schwarzorks würde es noch reichen. Er wollte Geedgak abholen, als er in der Ferne einen kleinen Schatten sah, der immer näher kam und größer wurde. Mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit schoss ein Ungetüm der schlimmsten Sorte durch die Luft auf ihn zu, bremste kurz vor seinem Ziel ab und landete mit einem dumpfen Geräusch ein paar Meter vor Karon. „Du bist unglaublich!“ ,knurrte die Kreatur, die direkt aus der Hölle entstiegen zu sein schien. Sie war gut zwei Meter groß, mit mächtigen Muskeln bepackt und mit einem harten, rotbraunen Schuppenpanzer bedeckt. Der Kopf ähnelte einem sehr breiten Totenschädel mit zwei mächtigen Hörnern. Auf dem Rücken hatte das Ungetüm zwei große, lederne Dämonenflügel. Der linke Arm baumelte kraftlos herunter, während das Monster in der Rechten Freds Schwert hielt, welches in der Pranke lächerlich klein wirkte. „Bist du etwa…Fred?“ ,fragte Karon ungläubig. Das Monster antwortete nicht, doch der Nornelf kannte die Antwort sowieso. Deshalb hatte der schmale Knabe so große Kraft. In Wirklichkeit gehört er einem Dämonenstamm an und nun hatte er seine wahre Gestalt gezeigt. Karon biss die Zähne zusammen. Ein Dämon war doch noch ein anderes Kaliber. Vielleicht hatte er, wie schon so oft, seinen Gegner einfach unterschätzt. Vielleicht war die Aktion mit dem gigantischen Kraftakt nicht das Klügste gewesen. Vielleicht fehlten ihm jetzt die nötigen Energien um noch zu gewinnen. Aber Fred war auch geschwächt. „Du hast vielleicht die Kraft einen Berg zu spalten, aber glaub deshalb nicht, dass du automatisch gewonnen hast!“ ,knurrte der Dämon mit einer unheilvollen Stimme. Dann stieß er sich vom Boden ab und sauste durch die Luft auf den Nornelfen zu. Fred holte mit der Klinge weit aus und lies sie mit aller Kraft auf Karon niedergehen. Dieser spannte seinen Arm zu einem stahlharten Gebilde an und versuchte damit zur parieren. Der glänzende Stahl schnitt sauber durch Karons harte Haut in den Muskel. Ein stechender Schmerz durchfuhr den Hünen. Er riss sich los und stolperte einige Schritte zurück. Dieser Fred hatte doch tatsächlich seinen Muskelpanzer durchbrochen. Der Dämon gönnte ihm keine Pause und holte erneut aus. Mit einem lauten Brüllen sauste das todbringende Schwert direkt auf Karons Brust zu. Diesmal packte Karon in den Steinboden und riss ein riesiges Stück heraus, um es zwischen sich und die Klinge zu halten. Freds Waffe bohrte sich sauber in den harten Stein und brachte das harte Material zum Platzen. Wieder holte Fred aus und drückte den Nornelfen immer weiter in Bedrängnis. Doch Karon riskierte einen weiteren Teil seiner kostbaren Energie. Er bündelte sie im Mund und bevor der Dämon einen weiteren Schwertstrich ausführen konnte, feuerte Karon den Energiestrahl ab. Fred war zu nah, als dass er hätte ausweichen können. Der Strahl erfasste seinen breiten Oberkörper und schleuderte den Dämon davon. Karon atmete tief durch, denn der Energiestrahl hatte weitere Energiereserven verbraucht und ihn weiter an den Rand der Erschöpfung getrieben. Die unglaublichen Muskeln seines Körpers waren zum einem ein Segen, doch manchmal verfluchte Karon sie auch für ihren immensen Energieverbrauch. Karon wusste nicht, wie er Fred beikommen konnte. Er war schnell und gleichzeitig sehr stark. Sicher war er in beidem dem Nornelfen unterlegen, doch wusste der Dämon exzellent mit seiner Waffe umzugehen, was ihm einen großen Vorteil einbrachte. Karon konnte sich ihm nicht nähern, ohne dass das Schwert in seinem Herz stecken würde. „Verdammt!“ ,brüllte Karon und packte dabei einen der zahlreichen Steinbrocken, die um ihn herum lagen. Mit aller Kraft warf er sie in Freds Richtung, der sich von dem Schlag schon längst erholt hatte und sich für einen neuen Angriff bereit machte. Aus lauter Verzweiflung und weil ihm nichts Besseres einfiel wiederholte Karon einfach den Steinschlagangriff. Doch diesmal zerplatzten die Steine in der Luft wie bizarre Ballons, und das lange bevor sie ihr Ziel erreichten. Als Karon in seinem Angriff anhielt, hörte er ein surrendes Geräusch, das von den Wurfmessern kam, die die Luft zerschnitten und sich einen Bruchteil einer Sekunde später in die Brust und in den Bauch des Nornelfen bohrten. Karon gurgelte vor Schmerz und zog sich die Messer dann mit der bloßen Hand wieder raus, was allerdings nur mehr Schmerzen und Blut zur Folge hatte. Währenddessen erhob sich Fred lachend in die Lüfte. Seine Klinge blitzte im schwachen Licht der Sonne. Der Dämon kreiste eine Weile über dem angeschlagenen Nornelfen, ehe er zum Sturzflug ansetzte. Karon nutzte diese Zeit. Er hatte einen neuen Weg gefunden, wie er gewinnen konnte und Fred selbst hatte ihm die Lösung praktisch entgegen geworfen. Die geflügelte Bestie stieß ein letztes Mal mit ihren kräftigen Flügeln und holte mit ihrem Schwert zu einem tödlichen Hieb aus. Kurz bevor Fred auf Karon traf, startete der Nornelf seinen Überraschungsangriff. Mit aller Kraft wuchtete er die Waffe herum, nicht mehr als eine sporadisch scharfe Eisenstange, die Karon aus den Wurfmessern gebastelt hatte, die in seiner Brust gesteckt hatten. Er hatte das Eisen der vielen kleinen Messer, die in seinen Händen so biegsam wie Wachs waren, zu einer festen Eisenstange verknotet. Freds Schwert und Karons Wurfmessereisenstange klirrten Funken stiebend aufeinander. Jetzt zählte, wer die meiste Kraft in den Schlag gelegt hatte. Und Karon war in Punkto Kraft jedem überlegen. Das Schwert verbog sich und wurde davon geschleudert. Die Wucht erfasste auch Freds rechte Seite. Die Knochen seines Armes brachen und die Sehnen und Muskeln rissen. Fred heulte auf, als er nach diesem Überraschungsangriff kraftlos zu Boden rollte. Karon kam sofort heran, packte den Dämonen im Nacken und hob ihn hoch. „Jämmerliche Kreatur.“ ,spie er aus, ballte seine freie Faust und lies sie mit aller Kraft in den Rücken das Dämonen fahren. Fred verlor sofort das Bewusstsein und sackte zusammen. Langsam verwandelte er sich wieder in den schmalen Jungen zurück und Karon lies ihn auf den Steinboden fallen. Der Nornelf machte sich auf, in das Tal zurückzuklettern, doch Geedgak und Karz Rudolf kamen ihn auf halben Weg entgegen. „Ist es vorbei?“ ,fragte der Mann, obwohl der bewusstlose Fred wohl Antwort genug war. Karon nickte und schaute etwas betrübt drein. Mit dem Rest seiner Kräfte konnte er unmöglich gegen sechs ausgewachsene Schwarzorks kämpfen, sollten sie inzwischen das Dorf erreicht haben. „Meine Kraft ist verschwunden.“ ,gab er schließlich zu, „Wie soll ich jetzt noch das Dorf retten?“ Geedgak versetzte ihm kurzerhand einen Schlag mit seinem Stock. „Jammer nicht rum, ich stelle deine Energie schon wieder her, während du nach Waldbrünnlein läufst.“ ,krächzte der Goblin grob und missbrauchte die Muskeln des Nornelfen abermals als Leiter, um auf seiner breiten Schulter aufzusetzen. „Das kannst du auch?“ ,fragte Karon erstaunt. „Natürlich, eine meiner leichtesten Übungen.“ ,knurrte Geedgak mürrisch. Er legte seine kleine, grüne Hand auf Karons breite Schultern und hielt sich mit der anderen Hand am Haarschopf fest. Dann fing sein kleiner Körper an in einem leicht blauen Licht zu leuchten. Karon merkte sofort, das seine Energiereserven ganz leicht anfingen zu wachsen. Die Magie des kleinen Goblins war wunderbar wohltuend, auch wenn Karon, der jede Magie verabscheute, es ungern zugab. Doch diesmal ließ er es zu. „Nun beeilt euch und Viel Erfolg.“ ,wünschte Karz Rudolf und Karon drehte sich endlich um und preschte los. Mit Leichtigkeit übersprang er die Gebirge in einer Geschwindigkeit, die geradezu berauschend war. Geedgak krallte sich in seine Haare und hatte alle Mühe, dass seine Magie nicht einfach abbrach bei einem solchen Rodeoritt. Karon erreichte den Rand des Gebirges in Windeseile. Unter ihm lag nun der Steilhang, der mehrere hundert Meter nach unten führte. Karon entschloss sich, den kürzesten Weg zu nehmen, ganz zum Leid des Goblins. Wieder nahm er Anlauf und drückte sich schließlich mit aller Kraft vom Boden ab, was eine mittelgroße Steinlawine zur Folge hatte. Doch das war nun nicht mehr Karons Sorge, denn sein Körper entfernte sich mit rasender Geschwindigkeit von der Steilwand. Weit unter ihm rauschte die Steppe an ihm vorbei. Sie sah aus wie ein grünes Meer und Karon war wie eine Möwe, die es überflog. Während der Nornelf den Flug genoss, sich umschaute und dabei unter anderem einen riesigen Krater entdeckte, in den sich ein gigantischer Stein gebohrt hatte, kreischte Geedgak wild umher, da er Angst um sein Leben hatte. Erstaunlicherweise hielt er den Wiederherstellungszauber trotzdem durch. Schließlich sank Karon immer tiefer und schon bald landete er auf dem Rasen, wobei sein schwerer Körper in Kombination mit der Gravitation einen weiteren Krater verursachte. Doch der Nornelf stand aufrecht auf seinen Beinen. Seine Muskeln waren mächtig genug gewesen, diesen Aufprall unbeschadet abzufedern. Geedgak war etwas durchgeschüttelt und fing an sich zu beschweren, doch als der Nornelf schließlich weiterpreschte, verschlug es ihm dank des Fahrtwinds wieder die Sprache. Der Waldrand war schnell erreicht und Karon sprang ohne zu Bremsen hinein. Bäume, Büsche und Steine, die das Unglück hatten ihm im Weg zu stehen, wurden von dem Nornelfen kurzerhand einfach im Laufen zermalmt. Geedgak schluckte und duckte sich hin und wieder, damit er nicht von umher fliegenden Holzsplittern oder Steinstücken getroffen wurde. Obwohl Karon so rasend schnell war, erreichten die beiden Waldbrünnlein zu spät. Der Nornelf bremste auf dem Dorfplatz ab und konnte nicht fassen, was er dort sah. Die Schwarzorks waren tatsächlich eingefallen und noch mitten in ihrem Wutrausch. Die sechs Bestien waren gerade dabei die Häuser auseinanderzunehmen. Zahlreiche Leichen und schwerverletzte Leute lagen in den Trümmern und vor Karon auf dem Dorfplatz. Gringok, der Anführer der Bande, drehte sich um, als er Karons Anwesenheit spürte. „Ah Karon, da bäste ja. Ich hab mich schon gefragt wode bäst!“ ,grummelte er. Der Schwarzork war notdürftig zusammengeflickt. Sein gewaltiger Körper war noch sichtbar beschädigt. Karon hatte damals gut zugeschlagen. Karon antwortete nicht. Er setzte Geedgak ab, bedankte sich für die Energieherstellung, die definitiv für den Sieg über diese Monster reichen würde, und wies den Goblin an, so viele Menschenleben zu retten, wie ihm möglich war. Dann drehte er sich ruckartig um, schoss auf Gringok zu und packte ihn an seiner breiten Kehle. Ein beißender Mundgeruch wehte Karon entgegen, als der Schwarzork, überrascht von Karons übermächtiger Kraft, röchelnd ausatmete. Mit der freien Hand packte Karon einen der langen Hauer in Gringoks Gesicht. Eine ruckartige Bewegung reichte, um das durch Muskeln und Fett eigentlich gut gepanzerte Genick des Schwarzorks zu brechen. Der Nornelf lies den leblosen, überaus hässlichen Körper des Schwarzorks zu Boden sinken. Die anderen Fünf hatten ihn inzwischen auch bemerkt und die ganze Szene mit angesehen. Einer von ihnen heulte auf und rannte auf Karon zu, die anderen folgten ihm. Die fünf Schwarzorks griffen gleichzeitig an. Karon war es unmöglich, allen Schlägen auszuweichen. Zehn starke Fäuste, die sogar Karon durch seine Panzerhaut spürte, drangen auf ihn ein. Trotzdem gelang es ihm, in dem Gerangel gezielte Treffer zu landen. Der erste Schwarzork verlor schnell das Bewusstsein und fiel reglos auf den Boden. Die nächsten Beiden folgten ihm nur einige Augenblicke später. Nun waren nur noch zwei Schwarzorks übrig, die in ihrem Angriff inne hielten und Karon entsetzt anstarrten. Dieser Mann war ihr Tod. Als sie das begriffen, drehten sie sich um und versuchten zu fliehen. Doch Karon lies sie nicht gewähren. Er legte zum Sprint an, packte im Laufen ihre Hinterköpfe und drückte sie mit den Gesichtern voran zu Boden. Die Wucht war erschütternd, einer der beiden Schwarzorks starb auf der Stelle, während der andere lediglich sein Bewusstsein verlor. Karon erhob sich und atmete tief ein. Dann blickte er über die Schulter zurück auf das Desaster, das die Schwarzorks angerichtet hatten. Die ersten Dorfbewohner standen, durch Geedgaks Heilung, wieder auf und irrten weinend und bitter schreiend über den Kampfplatz. Andere versammelten sich um die Schwarzorks. Einer von ihnen erhob gerade seine große Axt und trieb sie in die Kehle eines der bewusstlosen Ungeheuer. Karon erkannte in diesem Mann Kuno, den Leibwächter des Bürgermeisters. Nach und nach lies der Krieger seine Wut an den besiegten Schwarzorks aus und beendete damit endgültig ihre Leben. Karon lies ihn wortlos gewähren. Als Kuno die Schwarzorks auf dem Kampfplatz getötet hatte, kam er auf den Nornelfen zu, vermutlich um sich auch um die letzten beiden hinter dessen Rücken zu kümmern. „Ich gebe es ungern zu, aber du hast gute Arbeit geleistet.“ ,knurrte der Krieger, als er vor Karon stand. „Du bist allerdings auch ein Monster, das du sie so einfach besiegen konntest.“ Der Nornelf musste grinsen, denn so ein Spruch aus Kunos Mund war das höchste Lob, das man erhalten konnte. Auch Kuno gönnte sich ein Lächeln. Die beiden zuckten zusammen, als hinter ihnen der noch lebende Schwarzork jämmerlich anfing zu röcheln. Kuno packte seine Axt und wollte ihn töten, doch Karon hielt ihn zurück. Irgendwie hatte er das Gefühl, das der Schwarzork keinen Ärger mehr machen würde. Das schwarze Ungetüm röchelte fast schon herzerweichend und bäumte sich immer wieder auf. Seine Muskeln zuckten, als durchzögen schlimme Krämpfe seinen gesamten Körper. Der Schwarzork hievte sich auf seine Knie und starrte krächzend den Boden an. Schließlich übergab er sich. Aus seinem Schlund schoss ein Schwall von grüner Galle und Rotz. Ein großer Klumpen prallte dumpf am Boden auf. Dann hauchte der Schwarzork sein Leben aus und fiel tot auf die Seite. „Er ist tot.“ ,stellte Karon trocken fest, als Kuno erneut Anstalten machte, mit seiner Axt zuzuschlagen. Doch der Krieger nickte nur. Die beiden wollten sich gerade dem Dorf zuwenden, als der schwarze Klumpen, den der Schwarzork ausgekotzt hatte, sich regte und glucksende Geräusch von sich gab. „Wa…Was ist das?“ ,fragte Kuno verunsichert. Karon zuckte mit den Schultern und ging ein paar Schritte auf den Schleimklumpen zu. Dieser regte sich immer mehr. Das Lebewesen, das aus dem Schlund des Schwarzorks gekommen war, streckte nun seine langen, kräftigen Arme und die kleinen, viel zu kurzen, aber mindestens genau so kräftigen Beine. Das Schwarzork Junges gähnte herzhaft und fing dann an, den Schleim von seiner schwarzen Haut zu wischen. „Ich glaube es nicht! Die Brut dieser Ungeheuer!“ ,schrie Kuno hysterisch auf und umfasste seine Axt. Mit entschlossenen Schritten ging er auf das Baby zu. Karon hielt ihn aber ab. „Du wirst doch nicht ein unschuldiges Leben töten wollen?“ Kuno starrte den Nornelfen an, als sei dieser wahnsinnig geworden. „Unschuldiges Leben? Wovon redest du da, du verdammter Trottel? Es ist ein Schwarzork! Ein Ungeheuer!“ ,schrie der Krieger los. „Es hat kein Leben auf seinem Gewissen.“ ,stellte Karon trocken fest. Sein Blick sollte Kuno zur Ruhe zwingen, doch dieser war vollkommen blind durch seine Wut auf diese Ungeheuer. Das Schwarzork Baby leckte vergnüglich an dem grünen Schleim, der auf seiner Haut lag. Dann knabberte es quietschend an seinen Zehen. Es war zwar hässlich wie die Nacht, doch gleichzeitig auch herzerweichend süß. „Karon hat Recht, mein lieber Freund. Wir sollten es einfach sich selbst überlassen.“ ,mischte sich nun Kauz Bruno ein, der vom Dorfplatz herübergekommen war. „Ein Glück, Ihr lebt!“ ,entfuhr es den beiden Muskelprotzen mit einem strahlendem Lächeln. Der Bürgermeister lachte wieder, obwohl es die Situation eigentlich nicht erlaubte. Dem Wort des Bürgermeister konnte Kuno nicht widersprechen und so lies er das kleine Baby am Leben. So klein war es gar nicht. Es war schon kurz nach der Geburt so groß wie ein Kleinkind und doppelt so breit. Schon als Baby umspannten die schwarze Haut mächtige Muskeln, die mit Sicherheit so kräftig waren, wie die eines ausgewachsenen Mannes. Noch war die Haut glatt und nicht von den hässlichen Pickeln und Warzen übersäht, die man von den erwachsenen Schwarzorks kannte. Das Kleine war außerdem vollkommen nackt, nur ein schwarzer Büschel Haare schmückten seinen Kopf. In seinem breiten Maul lugten schon zwei dolchartige Hauer heraus. Irgendwie sah es mit seinen überlangen, muskulösen Armen und den viel zu kurzen Beinen aus wie ein haarloser Gorilla. Hätte das Baby gewollt, wäre es für einen normalen Menschen eine ernst zu nehmende Gefahr gewesen. Genau deshalb wollte Kauz Bruno es auch einfach im Wald aussetzen. Das Baby war stark genug schon jetzt alleine in der Wildnis zu überleben. „Und wenn es dann doch stirbt?“ ,wandte Karon ein. „Dann ist es der Lauf der Natur!“ ,warf Kuno energisch ein und Kauz Bruno hatte nichts weiter dazu zu sagen. Karon überlegte einige Augenblick, bis er einen irrwitzigen Entschluss fasste. „Ich werde es einfach mitnehmen. Dann überlebt es sicher und ich kann aufpassen, dass es keinen Blödsinn macht.“ ,schlug er dann vor. Kuno klappte die Kinnlade runter, während Kauz Bruno wieder herzhaft auflachen musste. „Es ist übrigens ein Er.“ ,sagte der alte Mann dann und deutete mit seinem Gehstock auf das Geschlecht des Babys. „Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Sohn.“ ,lachte er dann auf und Karon musste grinsen, nicht ganz sicher, auf was er sich da so spontan eingelassen hatte. Karon blieb noch ein paar Tage im Dorf um die Häuser notdürftig wieder aufzubauen und die Toten aufzubahren. Es waren sieben Männer und ein kleines Kind im Kampf gegen die Schwarzorks gefallen. Die Trauerfeier dauerte einen ganzen Tag. Es verging eine ganze Woche, in der Karon sich neben der Arbeit ausruhte und sich um seinen neuen, kleinen Freund kümmerte. Das Schwarzork Baby hatte seinen Ziehvater schnell akzeptiert und genoss die Aufmerksamkeit, die der kinderliebe Hüne ihm entgegenbrachte. Die Dorfbewohner beobachteten die beiden erst mit Argwohn, doch als sie merkten, wie unschuldig und tollpatschig der kleine Schwarzork war, fingen sie irgendwann sogar an ihn lieben. Die Dorfbewohner gaben ihm den Namen Grumlok und hatten ihre Späßchen mit dem kleinen Schwarzork. Karon verwunderte es ein bisschen, dass die Dorfbewohner keinen Groll gegen seinen Sohn hegten, doch andererseits strahlte das hässliche Kerlchen die pure Unschuld aus und konnte noch keiner Fliege etwas zu Leide tun, obwohl er durch seinen Körper durchaus dazu in der Lage gewesen wäre. Denn obwohl Grumlok kräftig war und sich schon schnell bewegen konnte, war er immer noch ein Baby. Nach dieser Woche verließ Karon das Dorf. Sein Sack war gefüllt mit Proviant, der angesichts seines großen Hungers und der seines Sohnes wohl höchstens zwei Tage ausreichte. Er bedankte sich bei den Bewohnern, wünschte ihnen alles Gute und zog dann weiter, seinen unerwarteten Sohn Grumlok auf den Schultern tragend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)