Die Legende von Karon Eisenhand von Schilly ================================================================================ Kapitel 5: Der alte Mann ------------------------ Der alte Mann Karon genoss die warmen Sonnenstrahlen sehr. Es war einige Wochen her gewesen, dass er den runden Lichtkörper am Himmel beobachten konnte, denn in den kalten Schneegebieten des Nordens hingen immer graue Wolken wie ein deprimierender Vorhang vor ihm. Seit einem Tag befand er sich nun wieder in wärmeren Gefilden. Er durchstapfte gerade ein kleines Wäldchen, sog grinsend die frische Luft ein und genoss die Atmosphäre, die der des Schwarzen Waldes sehr ähnelte. So entspannt hatte sich der Nornelf lange Zeit nicht mehr gefühlt. Nach einer Weile stieß der Hüne auf einen Trampelweg, der noch weiter in den Wald führte. Kurzerhand entschloss er sich ihm zu folgen und es dauerte nicht lange, da kamen kleine Häuser in sein Blickfeld. Eine kleine Waldsiedlung erstreckte sich vor ihm. Es war völlig ruhig. Der kleine Marktplatz war leer, kein einziger Stand oder Einwohner wuselte um den kleinen Brunnen herum, der die Mitte dieses Dorfes zierte. Karon stapfte unbeirrt weiter und erst nun fiel ihm auf, dass drei der wenigen Häuser stark beschädigt waren. Die Mauern waren eingerissen und die matten Fensterscheiben eingeschlagen. Und dann bemerkte der Hüne noch etwas. Dutzende Augen, die aus den heilen Fenstern auf ihm lagen. Also war dieses Dorf doch bewohnt. Karon zuckte mit seinen massigen Schultern, stapfte zum Brunnen und lies den Eimer, der an einem Seil und einer Winde befestigt war, hinunter. Als er mit frischem Wasser gefüllt war, zog der Nornelf den Eimer mühelos nach oben und setzte den hölzernen Behälter direkt an seinen Mund. Das kühle Wasser verschwand mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit in seinem Magen. Erst als er Anstalten machte den Eimer erneut mit Wasser zu füllen, öffnete sich eine der Türen und ein alter Mann trat heraus. Er war nicht einmal halb so groß wie der Nornelf und trug in seinem faltigen, zusammengesackten Gesicht einen großen, buschigen, weißen Bart. Er hatte Ähnlichkeit mit einem Zwerg, doch Karon war sich ziemlich sicher, das er es hier mit einem Menschen zu tun hatte. Der alte Mann wurde von einem großen, menschlichen Hünen begleitet, der zwar für normale Verhältnisse unglaublich groß und kräftig war, gegen Karon aber immer noch wie ein Schwächling aussah. Er hatte eine Glatze und einen grimmigen, sehr entschlossenen Gesichtsausdruck. Das einzige Kleidungsstück an ihm war eine lederne Hose und schwarze Sandalen. In der rechten Hand hielt er eine mächtige Axt, die schon viele Kämpfe überstanden hatten. „Nornelf, was fällt dir ein ungefragt unser Wasser zu saufen?“ ,röchelte der alte Mann los und kam langsam auf ihn zu. Er schien nicht wirklich sauer zu sein, doch vorsichtig war er allemal. Karon, der immer Respekt vor dem Alter gehabt hatte, drehte sich vom Brunnen weg und neigte seinen Kopf. „Verzeiht mir, Ältester. Es war gewiss nicht meine Absicht euer Wasser zu stehlen. Doch da mich niemand in eurem Dorf empfang, wie es die Regeln der Gastfreundschaft festlegen, dachte ich mir, ich dürfte mich selbst bedienen.“ ,antwortete Karon höflich. Hätte ihn der menschliche Hüne gefragt, der anscheinend die Leibwache des Zwerges darstellte, wäre er weniger höflich gewesen. Viel mehr hätte er ihm eine verpasst. Der alte Mann musste nun krächzend lachen. „Gute Antwort, mein Junge.“ ,sagte er dann und winkte den Nornelfen zu sich heran. „Lass mich dich ansehen. Du bist recht ungewöhnlich will ich meinen.“ Karon kam näher und ging vor dem Alten auf die Knie, denn sonst hätten sie sich bei dem Höhenunterschied unmöglich unterhalten können. Die dürren Schrumpelfinger tasteten nun Karons Brust ab und nickten anerkennend. „Entschuldige die unhöfliche Belästigung, aber würdest du gegen meinen Leibwächter Kuno im Kampf antreten? Es wäre für uns alle sehr wichtig.“ ,sagte er plötzlich. Der Nornelf runzelte die Stirn und überlegte einen Moment. Er wusste nicht was dies bedeutete, doch ihm fiel auch kein Grund ein, dem Alten diese Bitte auszuschlagen. Also nickte er schließlich den Kopf, erhob sich wieder und blickte Kuno direkt in seine falkenähnlichen, stechenden Augen. Dann drehte der Nornelf sich um, ging ein paar Schritte zurück um den Abstand zwischen ihm und den Leibwächter zu vergrößern und legte dann seinen übergroßen Sack ab, in dem er all seine Habseligkeiten aufbewahrte. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Er freute sich auf den Kampf, auch wenn Kuno in seinen Augen kein ernstzunehmender Gegner zu sein schien. Der alte Mann wankte langsam zur Seite und als er dies tat, öffneten sich die anderen Türen und drei dutzend neugierige Dorfbewohner schoben sich an den Rand des Markplatzes. Kinder, Männer, Frauen und alte Menschen blickten die beiden Kämpfer neugierig zu und das ein oder andere erstaunte Gesicht fiel dem Nornelfen auch auf. Anscheinend hatten sie noch nie ein solches Kraftpaket gesehen. Einige Kinder fingen grinsend an zu tuscheln, Frauen erröteten leicht und Männer nickten anerkennend, während die alten Menschen beteuerten, so ein Wesen noch nie in ihrem langen Leben gesehen zu haben. Er war zwar leise, doch seine Stimme konnte man überraschend klar verstehen, als der alte, Zwergen ähnliche Mann sprach: „Bitte beginnt den Kampf.“ Kuno veränderte schlagartig seine Kampfposition. Er verankerte seine Füße so gut es ging im steinigen Boden und ergriff die mächtige Axt mit beiden Händen. Karon erkannte, dass er ein erfahrener Krieger war und dass er schon längst analysiert hatte, mit was für einem Kaliber er es diesmal zu tun hatte. Der Nornelf grinste und lies seine Armmuskeln spielen, um Kuno eventuell noch ein wenig einzuschüchtern, doch der Krieger zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Das wird lustig.“ ,gab Karon dann zu und stieß sich vom Boden ab. Mit hoher Geschwindigkeit schoss sein massiger Körper auf den Menschen zu. Dieser war von der unmenschliche Schnelligkeit doch ein wenig überrascht, fasste sich aber sehr schnell wieder und blockte die riesige Faust mit dem eisernen Stiel seiner Axt ab. Kuno hatte mit einer solch unwahrscheinlichen Wucht nie im Leben gerechnet. Die blanke Faust schlug auf seine Waffe wie eine Kanonenkugel und im ersten Moment dachte der Krieger, dass seine Arme zerbersten würden. Tatsächlich hatte der Angriff den standhaften Krieger einige Meter nach hinten geschoben, doch immerhin stand er noch. Ein Raunen ging durch die Menge der Dorfbewohner, einige beginnen heftig zu flüstern, andere jubelten freudig, was den Nornelfen ein wenig verwirrte. Warum jubelten sie ihm zu? Kuno selbst blickte seinen Gegner fassungslos an. Karon grinste ihn zu und nickte anerkennend. „Nicht schlecht, einem Menschen ist es noch nie gelungen, nach einem solche Hieb noch zu stehen.“ ,erklärte er, nur um dann erneut seine rechte Faust zu einem todbringenden Gebilde zu ballen. „Mal schauen, ob du diesem Angriff auch noch widerstehst.“ „Das reicht.“ ,sagte der alte Mann ruhig und Kuno sackte sichtlich erleichtert zusammen. Er lies die Schultern hängen und legte die Axt langsam auf den Boden. Karon blickte auf und lies seine Muskeln wieder erschlaffen. Er wollte widersprechen, doch der Alte war schon zwischen die beiden Kämpfer betreten und verhinderte so einen weiteren Kampfverlauf. „Wie heißt du, Nornelf?“ ,krächzte er dann. Karon stellte sich mit seinem Namen vor und von wo er kam und der alte Mann nickte. Höflicherweise stellte er sich dann auch vor: „Mein Name ist Kauz Bruno und ich bin der Dorfälteste und Bürgermeister von Waldbrünnlein, also diesem Dorf. Und du fragst dich sicherlich, warum wird dich so seltsam begrüßt haben, richtig?“ Der Nornelf nickte. Tatsächlich war er sehr verwirrt und konnte die Absicht der Menschen nicht einordnen. Kauz Bruno winkte ihn abermals heran und drehte sich dann dem Haus zu, aus dem er zuvor gekommen war. „Meine Tochter Sara wird uns ein leckeres Essen kochen, bei dem ich dir alles erklären möchte.“ ,lud er Karon dann ein. Der Hüne war einem Essen niemals abgeneigt und er hatte schon seit Wochen keine richtige Hausmannskost mehr zu sich genommen. Mia wusste zwar immer sehr gut, wie man Mammutfleisch zubereitete, doch war dieses Mahl immer recht eintönig und obwohl es gut schmeckte, irgendwann langweilig. Und Karons eigene Kochkünste beschränkten sich darauf irgendwelchen Tieren das Fell über die Ohren zu ziehen und sie über ein Feuer zu hängen. Also folgte er dem alten Mann grinsend. Karon musste sich durch die kleine Tür zwängen und demolierte dabei aus Versehen den Rahmen. Im Haus selbst musste er gebückt gehen, denn sein Kopf hätte sonst einfach die Decke durchstoßen. Der alte Mann amüsierte sich nicht schlecht darüber und als unter Karons gewaltiger Muskelmasse auch noch einer der kleinen Holzstühle einfach zerbrach, als wäre er aus Feuerhölzern gemacht, lachte Kauz Bruno lauthals los. Kuno, der ihnen wortlos gefolgt war, schluckte angesichts der massigen Gestalt und bei der Vorstellung daran, welche monströsen Kräfte in ihr lagen. Doch er stellte sich trotzdem brav neben den Bürgermeister um als Leibwache zu fungieren, während Karon sich vorsichtig einem zweiten Stuhl näherte, der schließlich knirschend hielt. Kauz Bruno fing an zu erzählen, doch mit dem Grund des Kampfes rückte er immer noch nicht raus. Viel mehr erzählte er etwas über die Geschichte des kleinen Dorfes, über seinen Vater, der vor ihm Bürgermeister gewesen war, und über gewisse Helden, die irgendwelche seltsamen Kreaturen besiegt hatten, die das Dorf vor ewigen Zeiten heimgesucht hatten. Karon hörte nicht wirklich zu, doch aus Höflichkeit tat er wenigstens so, als fände er jede einzelne Erzählung unheimlich spannend. Viel mehr interessierte ihn der Geruch, der aus einem der Nebenräume kam. Anscheinend hatte die Tochter des Bürgermeister schon angefangen zu kochen. Und tatsächlich lies die erste Portion nicht all zu lange auf sich warten. Eine Tür öffnete sich und eine rundliche Frau in ihren besten Jahren betrat lächelnd das Zimmer. In ihren Händen trug sie einen großen Topf mit einem dampfenden, wohlriechenden Kartoffelbrei darin. Kuno half der Tochter inzwischen, holte Schüsseln und Besteck aus einem Schrank und deckte damit die Tafel. „Den Braten werde ich euch auch gleich noch bringen. Ich hoffe du hast einen gesunden Appetit, Schätzchen, damit der Topf auch leer wird.“ ,sagte sie vergnügt und zwinkerte Karon verspielt zu. Dieser hatte gar keine Sorge, dass er den riesigen Topf, der eine zehnköpfige Familie ernährt hätte, leeren konnte. Er griff auch gleich herzhaft zu und füllte seine Schüssel. Fast hätte er vergessen den Löffel zum Essen zu benutzen, doch im letzten Moment griff er nach dem Besteck und schaufelte den ersten Kartoffelbrei in seinen gierigen Mund. Auch Kuno, der sich ebenfalls an den Tisch gesetzt hatte, und der Bürgermeister taten sich etwas auf, nachdem der Nornelf seine Portion schon wieder halb verschlungen hatte. Kauz Bruno war sichtlich amüsiert über die Tischmanieren seines Gastes. „Nun Karon, möchte ich dir erzählen, warum du gegen meinen guten Kuno kämpfen musstest.“ Karon hielt in seinem Essrausch nur kurz inne, um zu signalisieren, dass er zuhörte. „Es ist nämlich so, dass unser Dorf wieder von Kreaturen bedroht werden, derer wir nicht Herr werden können.“ ,erzählte der Bürgermeister weiter, „Seit Wochen bedrohen sie uns, plündern unsere Vorräte und zerstören unsere Häuser und töten unsere Liebsten, wenn wir ihren Befehlen nicht Folge leisten können. Die Rede hier…ist von Schwarzorks.“ Die letzten Worte betonte er dramatisch, doch hatten sie nicht den erhofften Effekt. „Aha.“ ,sagte Karon nur und runzelte die Stirn. Kauz Bruno war von dieser Reaktion sichtlich überrascht. Doch der Nornelf konnte gar nicht anders reagieren, denn er hatte noch nie etwas von Schwarzorks gehört. „Weißt du denn nicht, was das bedeutet?“ ,grollte Kuno mit einer tiefen, männlichen Stimme, die Karon erst jetzt zu hören bekam. Er schien wütend und ballte die Fäuste. Karon zuckte ahnungslos mit den Schultern, was ein beeindruckendes Muskelspiel zur Folge hatte. Doch mit dem Kartoffelbrei, der überall in seinem Gesicht klebte, wirkte dieses Muskelspiel eher albern. „Ich habe keine Ahnung, was Schwarzorks sind. Ich kenne Orks wohl. Das sind diese kleinen, putzigen Kerle mit der grünen Haut, dem Überbiss und der großen Klappe. Die habe ich schon als kleines Kind immer verprügelt, wenn die unser Dorf angegriffen haben.“ ,stellte der Nornelf dann fest. Sara kam herein und stellte den großen Schweinebraten mit einem Zwinkern auf den Tisch. Karon vergas sofort die Orks, schnappte sich seine Gabel und spießte gleich den ganzen Braten auf, nur um sich dann daran zu machen, dass leckere Essen in seinem Mund verschwinden zu lassen. Doch der Bürgermeister, so amüsiert er über diesen Anblick auch war, lenkte das Thema sofort wieder auf die Bedrohung. „Karon, die Schwarzorks sind keine gewöhnlichen Orks, mit denen wir sicher selbst fertig werden würden. Schwarzorks sind ihre größeren, gemeineren und vor allem sehr viel stärkeren Vettern. Sie sind normalerweise niemals unter zwei Meter groß und selbst sechs Mann gleichzeitig können gegen einen Schwarzork nichts anrichten. Und es sind insgesamt sechs Schwarzorks, die uns bedrohen. Karon, auch wenn du sogar noch größer und stärker als ein Schwarzork zu sein scheinst, wirst du große Probleme haben, gleich gegen sechs Stück von ihnen anzutreten. Trotzdem möchten wir dich darum bitten uns im Kampf gegen diese Ungetüme zu helfen.“ Karon schluckte das Stück Fleisch herunter, das noch ziemlich unzerkaut in seinem Mund lag. „Klar helfe ich euch.“ ,sagte er nur und biss dann erneut von dem schon ziemlich geschrumpften Stück Fleisch ab. Kuno knirschte mit den Zähnen und knallte seine blanke Faust auf den Tisch. „Du weißt nicht, auf was du dich da einlässt. Wie kannst du da so ruhig bleiben und einfach einwilligen uns zu helfen?“ ,schnauzte er dann los. „Das sind wahre Monster! Selbst ein Riese wie du kann sie unmöglich einfach so besiegen!“ Kuno regte sich so sehr auf, das eine blaue Ader auf seiner Stirn heraustrat und er war so erregt, das er sich hinstellen musste. Karon blickte ihm ganz entlassen entgegen. Langsam verzog er seine Lippen zu einem Grinsen. „Ob ich sie besiegen kann, weiß ich doch jetzt noch nicht. Erstmal muss ich diese Schwarzorks mal kennenlernen und dann sehen wir ja, wer stärker ist. Was regst du dich so auf? Vermutlich weil du frustriert bist, dass du selbst nicht das Geringste ausrichten kannst, oder?“ Kunos Blick wurde immer zorniger und nach einem erneuten Faustschlag auf den Tisch verlies er fluchtartig das Haus. Er war so zornig, dass er selbst seine Pflicht den Bürgermeister zu beschützen, völlig vergaß. „War das nötig?“ ,fragte Kauz Bruno mit hochgezogener Augenbraue. Karon stopfte sich ohne zu antworten das letzt Stück Fleisch in den Mund und stand dann auf. „Ich danke euch für das leckere Essen, Bürgermeister. Natürlich werde ich euch helfen. Wann kann ich diese Schwarzorks erwarten?“ Auch der kleine, alte Mann erhob sich und ging langsam Richtung Ausgangstür. Er öffnete sie, trat auf den Marktplatz und wartete, bis Karon sich nach draußen gezwängt hatte. „Sie werden heute Abend kommen, wie sie es jeden Abend machen. Sie werden dann etwas einfordern und wenn wir ihren Wunsch nicht erfüllen können, dann nehmen sie sich einen Dorfbewohner oder verwüsten alles.“ Karon nickte. Er rieb sich dann den Nacken und streckte seinen breiten Körper, denn das enge Haus war nicht gerade gemütlich gewesen. Dann ging er weiter auf den kleinen Marktplatz hinaus, der wieder völlig leer war. Die Menschen hatten sich wieder zurückgezogen und warteten ängstlich in ihren Häusern. Die Sonne war schon hinter den Bäumen des Waldes verschwunden. Nur noch einzelne Sonnenstrahlen hüllten den Platz in ein dämmriges Licht. Irgendjemand hatte aber schon einige Fackeln angezündet, die den Marktplatz teilweise in einen bedrohlichen, roten Schein hüllten. Karon stand einfach nur da. Im Kopf versuchte er sich einen Schwarzork vorzustellen, doch es gelang ihm nicht, aus seiner Vorstellung eines Orks eine blutrünstige, übergroße Bestie zusammenzustellen. Orks waren kleiner als Menschen und obwohl sie stärkere Muskeln und härtere Haut besaßen, waren sie nicht viel stärker als eben diese. Außerdem waren Orks so zivilisiert, dass sie mit anderen humanoiden Wesen zusammenleben konnten. Der Anblick, der sich ihm wenig später bot, verschlug ihm die Sprache. Noch nie vorher hatte er solch widerliche Geschöpfe erblickt. Sechs Kreaturen stapften aus den Schatten des Waldes auf den Markplatz. Sie waren groß, einer von ihnen reichte sogar an Karons Größe heran. Und sie waren fast ebenso breit. Kräftige, baumstammähnliche Arme, in deren Hände riesige Schwerter lagen und kurze, aber dicke Beine zeichneten sie aus. Ihre Köpfe erinnerten wirklich sehr stark an Orks. Sie hatten extrem breite Münder, in die sie ein Kind in einem Stück hätten stecken können. Armlange, gelbe Hauer ragten über ihre wulstigen Lippen und rot glühende Augen funkelten Karon in der Dunkelheit gefährlich entgegen. Schwarzbraune Haut spannte sich über ihre mächtigen Muskeln, die an einigen Stellen seltsame, überdimensionale Pickel zierten. Sie trugen lediglich ein paar Felle, zwei von ihnen waren sogar gänzlich nackt. Der Größte von ihnen trug einen Mantel, der mehr schlecht als recht aus verschiedenen Tierfellen zusammengenäht worden war. Karon wurde schlecht, denn diese grunzenden, überaus hässlichen Wesen stanken obendrein wie die Pest. Er hatte so etwas Widerliches noch nie gerochen. Er selbst war manchmal selbst auch sehr unhygienisch, aber einen solchen Gestank zu erzeugen, hatte er noch nicht geschafft. Auf den zweiten Blick fiel ihm noch etwas auf. Die Orks waren nicht alleine gekommen. Zwischen ihnen standen vier schmale Gestalten. Ein älterer Mann, zwei Frauen und ein kleiner, blonder Elfenjunge. Sie trugen schwere Säcke auf ihren Schultern, schienen aber ansonsten völlig teilnahmslos zu sein. Sie wirkten wie in Trance. Der Bürgermeister, der nicht in sein Haus gegangen war, stellte sich ganz ruhig neben den Nornelfen. Karon bewunderte ihn schlagartig für diesen Mut, denn jeder einzelne der Schwarzorks war fünfmal so groß wie er. „Guten Abend, Gringok.“ ,sagte er mit einer ruhigen, bestimmten Stimme. „Hähä, du has´ dir einän noien Laibwächta angelacht, wa? Wo hasse den klainän Kuno verstäckt?“ ,antwortete der Schwarzork mit dem Flickenmantel. Er schien der Anführer zu sein und als er sein Maul öffnete, schlug Karon eine stinkende Mundgeruchwolke entgegen, die unter anderem nach Tod und Verwesung stank. Der Schwarzork trat ein paar Schritte auf den Nornelfen und den Alten zu. „Kräft´ges Bürschän. Muss ich schon zugäbän.“ ,grunzte der Ork anerkennend und musterte Karon nun von oben bis unten. „Ma guckän, obba wat aushält!“ ,rief er dann und schwang das riesige, unförmige Schwert. Natürlich war Karon darauf gefasst gewesen und der Schlag kam eh viel zu langsam, als das er ihn nicht hätte parieren können. Seine Hand schoss hoch und fing die Klinge auf, bevor sie auf seinen Torso treffen konnte. Doch die Wucht überraschte ihn dann doch. Karons Augen weiteten sich, als der Schwarzork ihn doch tatsächlich in die Knie zwang. „Oh verdammt…!“ ,fluchte er noch, als die freie Hand des Schwarzorks schon eine Faust ballte und den Nornelfen direkt ins Gesicht traf. Karon verlor für einen Moment den Boden unter den Füßen und landete zwei Meter weiter auf dem Dorfplatz und der Anführer der Schwarzorks brach in schallendes Gelächter aus. „Stäh auf!“ ,forderte er dann, „Noch bistä nisch kapott!“ Der Nornelf schüttelte den Kopf und erhob sich dann wieder vom Boden. Es war noch nie vorgekommen, dass ihn jemand so einfach niedergeschlagen hatte. Er hatte die Kraft des Schwarzorks unterschätzt. „Ich weiß jetzt, mit wem ich es zu tun habe.“ ,sagte Karon und ballte seine Fäuste. Seine Muskeln schwollen an und Adern traten auf seiner Haut auf. Kaum hatte er sich auf die Kampfkraft seines Gegner eingestellt, da stürzte sich der Schwarzork schon wieder mit grausigem Gebrüll auf ihn. Wieder kam das schwere, stumpfe Schwert entgegen. Karon ballte seine Rechte und schlug zu. Das morsche Material, aus dem die Waffe bestand, zerbrach unter der Wucht des nornelfischen Schlages als sei sie aus Glas. Es regnete spitze Splitter, die aber wirkungslos an Karons und Gringoks harter Haut abprallten und nicht einmal Splitter hinterließen. Trotzdem war der Ork für einen Moment verdutzt, das seine mächtige Waffe auf einmal in Einzelteilen auf dem Boden zerstreut lag. Karon nutzte diesen Moment und lies nun seine Linke hervorschnellen. Die blanke Faust bohrte sich regelrecht in den breiten, stinkenden Schädel und der schwere Orkkörper gab nach, fiel aber nicht. Karon sprang einen Schritt zurück und holte erneut zu einem wuchtigen Schlag aus, doch auch der Schwarzork ging nun in den Faustkampf über. Es hagelte nun Schläge und jedes Mal wenn einer der beiden den anderen traf, schien die Erde zu beben. Karon hatte Mühe dieses Ungetüm niederzustrecken, doch letztendlich war er doch der stärkere, das wusste er. Deswegen gelang es ihm schließlich auch den Boss der Schwarzorks mit einem mächtigen Schlag in den Magen niederzustrecken. Gringok spuckte schwarzrotes Blut und sackte dann zusammen um reglos liegen zu bleiben. Karon nahm nun nach Luft schnappend Abstand von seinem Gegner. Anders als der orkische Boss war der Nornelf kaum verletzt. Der Schwarzork war zwar für normale Verhältnisse stark gewesen, doch für Karon war er letztendlich kein Gegner gewesen. Zum Problem konnte es im Moment nur werden, wenn alle versammelten Schwarzorks auf die Idee kamen, ihn gleichzeitig anzugreifen. Doch diese Gefahr schien im Moment nicht zu bestehen. Gringoks Horde war über den Fall ihres großen Bosses viel zu entsetzt. Sie drängten sich um den reglosen Körper, stupsten und grunzten ihn an und halfen ihrem Boss schließlich hoch, als dieser wieder eine Regung zeigte. „Du bist stark.“ ,grunzte er verächtlich. „Wir kommän wida. Abär ick hab noch´n Geschänk für dich!“ Gringok grunzte etwas in einer orkischen Sprache und dann drehten sich alle Schwarzorks langsam um. Sie stützten ihren Boss, drehten sich um und machten Anstalten, wieder im Wald zu verschwinden. Karon, der immer noch ein wenig aus der Puste war, ließ sie gewähren, denn nun, da er die Kraft eines Schwarzorks kannte, wollte er sich nicht unvorbereitet mit fünf von ihnen gleichzeitig anlegen. Die in Trance stehenden Menschen drehten sich nun ebenfalls um und folgten ihren seltsamen Meistern. Nur einer blieb stehen: Der kleine, blonde Elfenjunge. Karon schaute ihn fragend an, doch in seinen Augen stand nur eines: Absolute Leere. „Was…? Was ist mit dir…?“ ,fragte der Nornelf unsicher und ging langsam auf den Knaben zu. Er war im Vergleich zu Karon winzig. Seine Ärmchen waren dürr und insgesamt sah der Junge sowieso sehr abgewrackt aus. Er trug lediglich ein paar Lumpen. „Ich denke, das ist das Geschenk, das Gringok dir versprochen hat.“ ,schaltete sich der Bürgermeister dazwischen, der nun neben Karon trat. „Er ist ein schwarzorkischer Sklave. Die Schwarzorks entführen oft Menschen in ihre Lager und flößen ihnen eine widerliche Droge ein, die sie zu ihren willenlosen Sklaven macht. Sie nennen diese Droge Mojo, ein Gebräu aus Sumpfwasser, Dreck und der Magie ihres Gottes. Ihre Sklaven müssen dann alle möglichen Drecksarbeiten verrichten, solange bis sie sterben.“ Karon glotzte den alten Mann verstört an. „Das kann nicht sein, so etwas habe ich noch nie gehört. Und dann überlassen sie mir einen von diesen Sklaven? Wie können wir die Wirkung des Mojos aufheben?“ ,fragte er und kniete sich langsam nieder. Der Junge war immer noch kleiner als er. Kauz Bruno seufzte. „Gar nicht, fürchte ich. Ein Tropfen dieser Droge reicht, um einen normalen Menschen für Wochen oder Monate willenlos zu machen. Oft erwachen die Betroffenen nie mehr und selbst die größten Heilmagier haben ihre Schwierigkeiten gegen das Mojo anzukämpfen. Es ist direkt von dem Gott der Schwarzorks berührt und deshalb so mächtig, dieses elende Zeug.“ Als Karon dies hörte, wollte er die Schwarzorks nur noch mehr in den Boden stampfen. Doch im Moment hielt er seine Wut zurück und lehnte sich zu dem Jungen rüber, der ihn aus großen, hellblauen aber nichts sagenden Augen anstarrte. Doch plötzlich rührte er sich. Der Angriff des Elfen kam dermaßen unerwartet, dass Karon fast zu spät reagiert hätte. Der schmale Arm schoss hervor und direkt auf das Gesicht des Nornelfen zu. Ihn der Hand lag ein kleines Gefäß, aus dem eine grünlich, dickliche Flüssigkeit flog. Hätte Karon sein Gesicht nicht in der letzten Sekunde zur Seite gezogen, wäre das Mojo direkt auf seinen Lippen gelandet. Stattdessen landete die klebrige und widerlich stinkende Flüssigkeit irgendwo zwischen den Falten seiner Nackenmuskulatur. Der Nornelf reagierte automatisch, ohne das er es gewollt hatte. Reflexartig schoss seine Faust hervor und erfasste wie eine Kanonenkugel den zerbrechlichen Körper. Der Junge war so leicht, dass er von einer Sekunde auf die andere den Boden unter den Füßen verlor und mit einem verhängnisvollen Zischen weit in den dunklen Wald geschleudert wurde. Erst jetzt sprang der Bürgermeister erschrocken zurück. „Er wollte dich mit dem Mojo vergiften! Dieser verdammte Gringok hat dir eine Falle gestellt, indem er den Knaben benutzt hat!“ Karon stand auf und knirschte mit den Zähnen. Diesen Schlag konnte der Junge einfach nicht überlebt haben. Mit dieser Wucht hatte er schon ganz andere Körper und Objekte einfach zerschmettert. Er hatte einfach ein unschuldiges Kind getötet. Gewissensbisse erfüllten Karon bereits, als er eine weitere unglaubliche Sache an diesem Tage sah. Aus dem dunklen Wald humpelte der blonde Elfenjunge wieder auf den Marktplatz zu. Karon und Kauz Bruno sogen die Luft vor Erschrecken scharf ein. Der kleine Körper war von dem Schlag sichtlich zerschmettert. Immerhin hingen beide Arme nutzlos in der Luft herum, das rechte Bein zog der Junge hinterher und die Bauchdecke war aufgeplatzt, so dass seine dreckigen Lumpen sich immer schneller rot färbten. Doch der Junge ging ohne vor Schmerz verzogene Miene oder anderen Regungen wieder auf Karon zu. Karon wollte ihm entgegen gehen, doch Kauz Bruno hielt ihn davon ab. Wortlos deutete er in die Richtung des Elfen und erst jetzt bemerkte der Nornelf noch etwas. Der Junge glühte in einem schwachen Licht, dass mit jedem Schritt stärker wurde. Kurz vor dem Marktplatz hatte er sich in eine einzige Lichtgestalt verwandelt, die nun stehen blieb. „Was ist das?“ ,fragte Karon leise. Der Lichtkegel vergrößerte sich kaum merklich und dann verschwand er in einem Blitz. Ein markerschütternder Schrei durchzog plötzlich die Nacht und die neue Person, die aus dem Licht geschlüpft war, fiel kraftlos zu Boden. Karon beobachtete entsetzt, wie sich der kleine Junge in eine ältere Version seiner Selbst verwandelt hatte, die die Schmerzen seines Faustschlages anscheinend sehr wohl spüren konnte. „Verdammter….Mist…scheiße!“ ,fluchte die Gestalt und lies immer wieder einen Schmerzenschrei verlauten. Karon machte gerade Anstalten ihm zu helfen, da brüllte sie: „Bleib zurück!“ Und dann stand sie doch tatsächlich auf. Der ältere Elfenjunge stand nun da, die Schmerzen schienen sich einfach verzogen zu haben. Ein entschlossener, hasserfüllter Blick standen in seinem jungen, sehr ansehnlichen Gesicht. Die himmelblauen Augen waren nicht länger ausdruckslos, sondern funkelten Karon bösartig an. Die Beine konnte der junge Mann auch wieder bewegen, denn kristallblaue Schienen hatten sich darum gelegt. Ebenso um seine Arme und auch unter den Lumpen an der Bauchdecke glitzerte es bläulich. Er hatte seine Wunden nicht geheilt, doch anscheinend mit Magie die Blutungen gestoppt und die Brüche gestützt. Karon fand das Ganze so unglaublich, dass er den jungen Mann nur mit geweiteten Augen und geschlossenem Mund anstarren konnte. „Was für ein Ungetüm.“ ,stellte der Elf dann höhnisch fest. „Hässlich. Du hast einen der hässlichsten Körper der Welt, auch wenn ich zugeben muss, dass dein Faustschlag ganz schön reinhaut. Mein Name ist Janus und ich bin erschienen um denjenigen zu beseitigen, der meinen Wirtskörper derartig zu Grunde gerichtet hat.“ ,erklärte der junge Mann dann mit einem dramatischen Blick auf seinen notdürftig geflickten Körper. Karon, durch die Beleidigung aus seiner Überraschung gerissen, machte sich schon einmal kampfbereit, denn dieser Janus hatte nichts anderes vor. „Was bist du? Der Junge war dein Wirtskörper? Was bedeutet das?“ ,fragte er dann mit geballten Fäusten. „Als ob es dich was angeht. Der Junge ist halt wichtig für mich.“ ,antwortete Janus gereizt und stellte sich seinerseits in Position. „Genug geredet. Zeit zu sterben“ Janus streckte seine Arme gen Himmel und es dauerte nicht lange, bis die dunklen Wolken sich zusammenzogen. Er benutzte Magie, das wusste Karon sofort. Also setzt er sofort zum Angriff an. Der wuchtige Nornelf schnellte hervor und holte aus, doch seine Sicht wurde vorher eingeschränkt. Vor seinen Augen verschwand der Elfenjunge in dichten Schneegestöber, das er heraufbeschworen hatte. Hinter sich hörte Karon den Bürgermeister erschrocken aufschreien, als der tödliche Schneesturm um sie herum anfing zu tosen. Sicherlich war die Temperatur schlagartig gesunken und dem alten Mann drohte ein schrecklicher Tod. Karon selbst spürte die Kälte nicht, denn die ständig ausströmende Körperenergie hüllte ihn in eine wärmende Aura. Der Nornelf kümmerte sich nun nicht mehr um Janus, den er ohnehin nicht sehen konnte. Nun drehte er sich um, lief los, packte den nach Luft schnappenden Bürgermeister und peilte das nächstbeste Haus an. Zum Glück waren alle anderen Dorfbewohner noch in ihren relativ sicheren Häusern. Vor Karon erschien eine hölzerne, kleine Tür im Gestöber, doch als er sie gerade öffnen wollte, hörte er es hinter sich zischen. Schnell drehte er seinen wuchtigen Körper weg, doch er war zu breit. Zwei der drei Sperre, die anscheinend aus purem Eis bestanden, streiften seine stahlharte Haut. Zu seiner Erleichterung waren diese Waffen wohl nicht scharf genug, ernsthaften Schaden anzurichten, denn seinen Oberarm zierten nur zwei winzige Kratzer, was aber sicherlich nur bei ihm der Fall war. „Du bist unglaublich.“ ,kam Janus Stimme von irgendwoher. Karon ignorierte sie, öffnete die Tür und schmiss den Bürgermeister etwas unsanft hinein. Mit einem Knallen schloss er sie wieder, drehte sich um und sprang entschlossen in den Sturm. „Komm heraus du Feigling! Versteckst dich einfach in deinem magischen Schneesturm!“ ,brüllte der Nornelf wütend, wobei sich seine Muskeln gefährlich wölbten. Eine Sekunde später grinste ihn eine Männerfratze an. „Kuckkuck!“ ,sagte Janus nur und umfasste mit seinen schmalen Finger das breite Gesicht des Nornelfen. Karon wollte schreien, doch er konnte nicht. Nach Janus Berührung fühlte sich sein Körper an, als hätten sich tausende kleiner Nadeln in seine Haut gebohrt. Und er war tatsächlich bewegungsunfähig. Seine Muskeln versagten einfach ihren Dienst und der Nornelf spürte, wie eine dicke Eisschicht über ihnen lag. Hilflos starrte er in Janus grinsendes Gesicht. „Tja, da helfen alle tollen Muskeln nichts.“ ,setzte der junge Elf höhnisch an und trat ein paar Schritte zurück, ohne dabei Karons Sichtfeld zu verlassen. „Wusstest du, dass ein derartig eingefrorener Körper sehr zerbrechlich ist, egal wie stark die Muskeln auch ausgebildet sind?“ ,fragte Janus dann und zog sich dabei eines seiner langen, blonden Haare raus. Magisches Eis bildete sich um das feine Haar und so entstand sehr schnell ein sehr scharfes und breites Schwert. „Es wird mir ein Vergnügen sein, dich nach und nach in Stücke zu hauen und du wirst alles bei lebendigem Leibe mitbekommen.“ ,sagte Janus erfreut und holte aus. Die Eisklinge beschrieb einen eleganten, fast schon dramatischen Bogen, bis sie auf Karons Oberschenkel stieß und ein gutes Stück heraus brach. Der Nornelf hätte vor Schmerz geschrien, wenn er dazu in der Lage gewesen war. Ein beträchtliches Stück seines rechten, oberen Beines fehlte und über der Wunde bildete sich sofort neues Eis, so das man direkt hineinschauen konnte. Eine derartig tiefe Wunde hatte Karon bisher noch nie erlitten, auch wenn sie noch lange nicht tödlich war. Janus hatte anscheinend vor, ihn ganz langsam in sehr kleine Stücke zu schlagen. Der Elf lachte vergnügt über seine Folter. Dann holte er erneut aus, hielt aber inne und suchte sich Zeit lassend eine zweite Stelle, die er abschlagen konnte. Karon versuchte inzwischen vergebens einen Weg aus dieser Misslage zu finden. Dann fiel ihm ein, dass er seine Energien lenken konnte. Diese Technik beherrschte er zwar noch nicht gut, doch vielleicht schaffte er es so, genug Wärme zu erzeugen, um das Eis zu brechen. Er konzentrierte sich und suchte in seinem Körper einen Funken Energie, den er entflammen lassen konnte. Und tatsächlich war noch etwas Wärme geblieben. Wie eine schwache Flamme glühte noch diese wunderbare Energie in Höhe seines Solarplexus, so schwach, das er sie ohne Konzentration nie bemerkt hätte. Janus lies das Schwert hervorschnellen und riss ein kleines Stück des nornelfischen Oberarmes weg. Schmerz durchzischte den massigen Körper und für einen kurzen Moment dachte Karon, er hätte den Energiefunken verloren. Doch er war noch da und der Schmerz entzündete die Flamme schließlich so stark, das Karon die Kontrolle über diese Kraft gewann. In seinen Gedanken wuchs sie immer weiter heran und tatsächlich tat sie es dann. Wärme erfüllte sehr schnell den breiten Brustkorb und kroch dann in Arme und Beine. „Was…?“ ,raunte Janus empört, als Karon seinen Kopf und die Finger leicht bewegte und schließlich genug Kraft gefunden hatte, das harte Eis um seinen Körper einfach mit purer Muskelkraft zu sprengen. Eissplitter zischten schneidend durch die Luft, so dass sogar Janus die Arme vor das Gesicht schlagen musste. Der Funken hatte sich nun innerhalb von Karons Körper in glühendes Feuer verwandelt und die Wärme kribbelte aus seiner Haut. Die Energie wurde sogar so stark, dass die leichte Wärmeaura langsam zu einer wahren Hitzewelle wurde, die Karon umgab. Seine unmenschliche Energie war mit einem Mal völlig durcheinander. So hatte sich der Nornelf gefühlt, als Mia das erste Mal den Gewichtszauber von ihm genommen hatte. Und nur ein Kuss seiner Geliebten hatte diesen Energiesturm in seinem Körper zum Stillstand bringen können. Doch nun tobte er ungebremst in seinem Körper. Es wurde immer mehr und es fühlte sich für den Nornelfen an, als würde jeden Moment ein gefährlicher Damm brechen. Mit aller Willenskraft, die er aufbringen konnte, versuchte er dies zu verhindern. Janus blickte dem Treiben seines Gegner entsetzt zu. Die Kraftwellen die von ihm ausgingen machten es dem jungen Elfen unmöglich, den Nornelfen momentan anzugreifen. Das Fleisch des muskelbepackten Hünen pulsierte und schien jeden Moment zu platzen. Er schien nicht mehr bei Sinnen zu sein. Janus beschloss die Flucht zu ergreifen, drehte sich um und rannte. Karon konnte schließlich nichts mehr dagegen machen. Die Dämme in seinem Körper brachen und die Energie bahnte sich ihren Weg. Für einen Bruchteil einer Sekunde glühte sein massiger Körper auf, dann entlud sich die Kraft in einem Sturm aus Hitze und grellem Licht, der den Schneesturm Janus einfach verdrängte und das gesamte Dorf Waldbrünnlein wurde davon eingehüllt. Der Nornelf selbst verlor das Bewusstsein. Karon wachte in einem viel zu kleinen Bett auf, das unter seinem Gewicht schon zerbrochen war. Über ihm war der blaue Himmel durch ein zerstörtes Dach zu sehen. Es war Tag und relativ gutes Wetter, doch anders als sonst, wollte Karon diesmal nicht aufstehen, um sein alltägliches Morgentraining durchzuführen. Er war ernsthaft erschöpft, eine Erschöpfung, die er bisher selten gespürt hatte. Er blieb noch einen Moment liegen und quälte sich dann doch hoch, denn er wollte wissen, was passiert war, nachdem er das Bewusstsein verloren hatte. Er quälte sich durch die kleine Tür des dachfreien Zimmers in den Nebenraum, in dem an einem geflickten Tisch Kauz Bruno saß. In den Wänden waren riesige Löcher und auch sonst lag der Raum in Trümmern. Die Außenwand fehlte fast völlig. Der alte Mann schaute auf und lächelte erleichtert. „Karon, es geht dir gut.“ ,stellte er fest und kam auf den Nornelfen zu. „Schön, mein Junge. Setz dich, setz dich.“ Karon tat wie ihm geheißen und auch Kauz Bruno setzte sich wieder. „Was ist passiert? Wieso sieht es hier so aus?“ ,fragte der Nornelf etwas verwirrt. Wieso lag das Haus des Bürgermeisters in Trümmern? Der alte Mann seufzte. „Das warst du, muss ich wohl leider sagen. Ciyan behauptet auf jeden Fall, dass Janus zu so etwas nicht fähig ist. Erinnerst du dich denn nicht? Irgendwie hast du während des Kampfes mit Janus einen wahren Orkan beschworen.“ Karons Augen weiteten sich, dann errötete er leicht. „Ups…“ ,sagte er und rieb sich verlegen den Hinterkopf, eine Reaktion, die den Bürgermeister angesichts der ernsten Lage doch tatsächlich herzhaft auflachen lies. „Ich kann die Energien die ich durch ein kürzlich gemachtes, sehr spezielles Training erhalten habe noch nicht richtig lenken.“ ,versuchte der Nornelf sich zu verteidigen, auch wenn er wusste, dass das keine richtige Entschuldigung war. „Wie schlimm ist es?“ ,erkundigte er sich dann. „Der Schaden hält sich in Grenzen. Mein Haus hat es am schlimmsten erwischt, da du direkt davor standest, als du den Sturm entfacht hast. Die anderen Häuser sind in Ordnung.“ Karon atmete erleichtert aus und fragte dann: „Was ist mit Janus passiert?“ „Janus wurde durch den Sturm außer Gefecht gesetzt. Er wollte flüchten, doch die Energiewelle hat ihn trotzdem voll erwischt. Als wir ihn gefunden haben, hatte er sich in den kleinen Jungen zurückverwandelt und stand kurz vor dem Tod. Doch wir konnten ihn retten. Als er wieder bei Kräften war erklärte uns der Elfenjunge, dass sein Name Ciyan sei und Janus nur eine andere Persönlichkeit sei, mit der er sich seinen Körper teilen müsse. Unglaubliche Geschichte. Übrigens stand Ciyan nicht mehr unter dem Einfluss des Mojo. Die Verwandlung in Janus hatte die Wirkung voll völlig aufgehoben.“ Karon runzelte seine breite Stirn und brauchte etwas länger, um diese Informationen zu verdauen. „Ich würde gerne mit Ciyan reden. Wo ist er?“ ,fragte er schließlich. Kauz Bruno zuckte mit den Schultern. „Er ist vor drei Tagen verschwunden.“ „Vor drei Tagen? Wie lange war ich denn bewusstlos?“ ,rief Karon erschrocken auf und stand urplötzlich auf, so dass er sich den Kopf an der Decke stieß. „Ganze zwei Wochen müssen es gewesen sein.“ ,erklärte der alte Mann. Karon knirschte daraufhin mit den Zähnen. Warum lag er eigentlich andauernd im Halbkoma? Kauz Bruno erzählte dem Nornelfen noch, dass die letzten Tage ruhig gewesen waren und nicht einmal die Schwarzorks sich bisher wieder im Dorf blicken lassen hatten. Die Dorfbewohner hatten dafür alle Hände voll zu tun den verwüsteten Marktplatz wieder aufzubauen und das Haus des Bürgermeisters notdürftig zu flicken. Nach einer Weile gingen die beiden auch hinaus, damit Karon sich das Dorf anschauen konnte. Zwar lagen hier und dort ein paar kleine Trümmerhaufen und der Brunnen in der Dorfmitte war angeschlagen, doch der Rest stand noch oder war schnell wieder aufgebaut worden, so dass Karon kein all zu schlechtes Gewissen haben musste. „Ach übrigens. Ihr habt einen guten Heiler, dass er sogar den halbtoten Ciyan wiederbeleben konnte und die raus geschlagenen Stellen an meinem Arm und Bein wieder herstellen konnte. Ich würde ihn gerne kennenlernen.“ ,sagte Karon dann. Kauz Bruno lächelte. „Das wirst du. Der Name des Heilers war Geedgak und er ist der Schüler meines Bruders – Karz Rudolf, einem sehr mächtigen Priester der Sechsgötter. Geedgak bat mich dich zu meinen Bruder zu schicken, sobald du wieder zu Kräften gekommen bist. Er lebt in den Bergen etwas weiter südlich und möchte dir zeigen, wie du deine zerstörerischen Energien richtig einsetzen kannst.“ ,erklärte Kauz Bruno zufrieden. Karon musste nun auch grinsen, denn das waren hervorragende Nachrichten. Anscheinend hatte er kurz nach Mia schon einen weiteren, sehr fähigen Trainer gefunden, bei dem er etwas lernen konnte. „Ich werde mich sofort auf den Weg machen. Dann kann ich mich auch bei Geedgak für die Heilung bedanken.“ Und so kam es, dass Karon nach einem weiteren Festessen in Richtung Berge wanderte, um den Priester der Sechsgötter zu suchen, allerdings nicht ohne zu versprechen, zurückzukehren und sich um die Schwarzorks zu kümmern, die mit Sicherheit wieder angreifen würden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)