Was ist dein größter Traum? von Haruka-Fan (Frühlingsanfang) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Tokio, vielleicht nicht der Nabel der Welt aber definitiv der Knotenpunkt Japans. Und diese Stadt sollte mein neues Zuhause werden. Ein sehr leises Piepen kämpfte sich permanent in meine Träume, wurde langsam immer lauter und ich erkannte es schließlich als den Signalruf meines Weckers. 6:47 zeigte die erbarmungslose Digitalanzeige an. Was wohl hieß, dass ich an meinem ersten Tag am neuen College zu spät kommen würde. Klasse… Stöhnend richtete ich mich aus dem Bett auf und torkelte zur Küche dabei einen Fuß vor den anderen setzend. Ohne meinen morgigen Koffeinschub ging nichts, also wollte ich noch schnell den Heißlaufknopf der Kaffeemaschine betätigen. Um dann jäh festzustellen, dass ich die Kaffeemaschine am Vorabend noch gar nicht ausgepackt hatte und sie wahrscheinlich immer noch in einem der ungeöffneten Umzugskartons steckte. Gott….mein schöner Kaffee. „Dann muss ich mir wohl einen irgendwo unterwegs mitnehmen.“ Ja auch morgendliche Selbstgespräche gehörten bei mir zur Tagesordnung. Ich kramte meine schwarze Lieblingsjeans und ein weißes, nicht von Falten überzogenes Hemd heraus, griff im vorbeigehen nach meiner Tasche und verließ die Wohnung. Gut sie war noch nicht fertig eingerichtet und sie war auch recht klein aber einen Vorteil hatte sie doch. Der Fußweg zur Uni beschränkte sich auf lächerliche 15 Minuten. Und es war ein Segen in Tokio nicht mit der Bahn fahren zu müssen, geschweige denn sich dem Stadtverkehr zu stellen. Und außerdem war sie für die Lage mit zwei Zimmern und Bad extrem günstig. Nach 10 Minuten kam mir der 15 Minuten Weg doch recht lang vor wo ich doch noch immer nicht meinen morgendlichen Kaffee genießen konnte. Und wie aus dem Nichts tauchte auch schon einer dieser beliebten “ Coffee to Go“ Läden vor mir auf. Nichts wie rein und einen Kaffee zum Mitnehmen bestellen, dachte ich mir. Nur war die Schlange leider extrem lang. „Scheint ja echt guter Kaffee zu sein…“ murmelte ich mürrisch vor mich hin und reihte mich ein. Zwischen zu spät und sehr zu spät bestand für mich eh kein großer Unterschied. Während der Wartezeit hatte ich schließlich genug Gelegenheit die Angebotsvielfalt zu studieren und entschied mich an der Kasse für einen Kaffee mit Karamellaroma. Na hoffentlich schmeckte der auch, die Bedienung war jedenfalls schon sehr nach meinem Geschmack. Nein Haruka! Lass es…vor dem Kaffee kommst du nicht auf deine allgemeine Höchstleistung, schelte ich mich selbst, bezahlte und brachte schließlich das letzte Stückchen Weg bis zur University of Tokio hinter mich. Ein gewaltiger Glaskomplex baute sich vor mir auf mit einem riesigen weitläufigen Campus. Ich hatte viel auf den Fotos gesehen aber das schlug alles. Ebenfalls hatte die Uni sehr viel geldliche Mittel und somit auch ein großes Auswahlangebot an Kursen, aber letztendlich gefiel es mir am besten, dass sie ein großes Sportangebot im Nachmittagsbereich besaß. Dinge wie Kanupolo und Windsurfen waren hier nichts Besonderes mehr. Am Anfang noch etwas verwirrt steuerte ich doch dann zielgerecht zum Aushang für meine Semesterwochenstunden und die Vorlesungen. Und ich stellte fest, dass dieser Aushang riesig war. Nach einer Viertelstunde nahezu vergeblicher Suche fand ich meine Kurse dann doch und stellte fest, dass ich zwar die Eröffnung aber sonst nichts weiter wichtiges verpasst hatte. Ein wohliger Seufzer entfuhr meinen Lippen. Jemand klopfte mir auf die Schulter und ich drehte mich überrascht um. „Hey Mann, da schau ich mir hier ne halbe Stunde die Augen wund und dann kommst du hier an und findest den Aushang ganz prompt und locker!“ Ein großgewachsener, schlanker junger Kerl mit kurzen schwarzen Haaren lachte mich an und streckte mir seine Hand entgegen. „ Ryo Tetsuda, 3. Semester “ verkündete er laut. „Ha…Haruka Tenoh, ebenfalls 3. Semester. Nett dich kennen zu lernen.“ Antwortete ich. „Ich brauch jetzt erst mal n` Frühstück, kommst du mit in die Kantine? War heute Morgen n bisschen spät dran und hatte keine Zeit was zu Futtern, weißt du?“ Irgendwie war er mir sofort sympathisch und neue Freunde konnte ich gebrauchen. Er schleifte mich mehr oder weniger durch die riesigen Korridore und erläuterte noch nebenbei die verschiedenen Fakultäten bis wir schließlich bei einem appetitlichen Bento unsere gemeinsame Leidenschaft für Motorräder entdeckten. „Und ich sag dir die neue Kawasaki 310 S ist viel besser!“ er war so aufgebracht, dass ihm kleine Reiskörner aus dem Mund flogen und schließlich weniger ansehnlich auf dem Tisch kleben blieben. Oder vielleicht noch im Gesicht eines Kommilitonen…wenn ich es recht bedenke. „Sag mal du bist doch im 2. Jahr.“ Mampfte er vor sich hin. „Wieso hast du gewechselt? Gefiel dir deine andere Uni nicht?“ Jetzt kam schon die erste unangenehme Frage auf die ich nicht gern antworten wollte. „Ja genau. Provinzuni das kennst du ja! War echt nichts für mich. Wenn ich Möglichkeiten wie diese Exzellenzuniversität hier habe, bleib´ ich doch nicht da.“ Ich hatte einen leicht nervösen Tonfall, hoffentlich bemerkte er ihn nicht. Ehrlich gesagt mochte ich meine Uni. Aber nach meinem Coming Out war an ein Leben mit meinen Eltern gar nicht mehr zu denken also entschloss ich mich wegzuziehen und keinen Gedanken mehr an sie zu verschwenden. Wir waren nicht reich, ich hatte es allein meiner Leistung zu verdanken angenommen zu werden und ein Stipendium zu bekommen. Nicht reich, aber unbeschreiblich konservativ…ich sollte diese Gedanken bei Seite schieben, sie machten mich eh nur unglücklich. „Wo ist „da“?“ Ich schaute irritiert da ich nicht gleich verstand was er meinte. „Na ich komme von Hokkaido, Sapporo, ist ja auch relativ groß. Wollte aber auch lieber weit weg. Also, wo kommst du her?“ „Mivazaki…du weißt schon ganz im Süden.“ Er hatte sein Bento komplett verspeist und sogar mein eigenes noch um den Rest den ich übrig gelassen hatte erleichtert. „Sag mal heute steht doch nichts mehr an oder?“ Er prustete leicht. „Na hör mal- Wie wäre es denn wenn du dir endlich mal die Collegekleidung besorgst…“ Ich schaute ihn entgeistert an. „Es gibt Klamottenzwang an eurer Uni? Davon haben sie mir aber bei meiner Bewerbung nichts erzählt!“ Er fuchtelte undefinierbar mit der Hand. „Ne lass mal. Ist nur ne Jacke mit Unilogo und eben schwarze Hose ordentliches Hemd Zwang du weißt schon. Krawatte wird auch gern gesehen weißt du. Und deswegen bekommst du da auch eine schicke schwarze mit Logo drauf.“ Zwinkerte er mir zu. „Übrigens, dass du zum Motorradkurs kommst steht ja wohl außer Frage ,oder?“ Ich schaute ihn verdutzt an. „Motorradkurs, was meinst du?“ Er lehnte sich im Stuhl zurück. „Na hör mal, ist ja der einzige Grund warum ich hier bin. Die University of Tokio hat ein Abkommen mit der nahegelegenen 3. Liga Rennstrecke der Tourenwagen. Die Strecke lässt sich allerdings auch super mit dem Motorrad abfahren und da unser Rektor wohl ein Fan von Zweirädern ist, gibt’s einen Kurs. Meistens am Wochenende, aber wenn du beim Anfangsrennen gut abschneidest kommen weitere und vielleicht wird irgendwann jemand wirklich wichtiges auf dich aufmerksam. Jedenfalls ist es auch für die Uni immer sehr unterhaltsam. Und außerdem….“ Er tauschte einen vielsagenden Blick mit einem blonden Mädchen das in diesem Moment vorbeikam. „…ist es super praktisch um Bräute aufzugabeln.“ Er grinste. Ich nahm einen Schluck von meinem zweiten morgendlichen Kaffee und meinte trocken: „Wenn du willst dass sie auf deiner Federgabel landen, solltest du lieber zum Radsport wechseln.“ Er fing ein wenig an zu lachen. „Man, an dir ist wohl ein Komiker verloren gegangen?“ Tetsu-kun stand auf und klopfte mir auf die Schulter. „Also, ich muss dann mal. Wir sehen uns dann morgen. Denk dran, 9 Uhr erster Kurs, Raum 410. Bis dann!“ er war wohl so schnell verschwunden wie er vorhin aufgetaucht war. Nachdem ich endlich den Raum gefunden hatte, den Tetsu-kun mir beschrieben hatte bevor er unverrichteter Dinge einem Mädchen nachgestellt war, klopfte ich vorsichtig an. Eine junge Frau bat mich herein, fragte mich nach meinem Namen und holte daraufhin ein Informationsblatt hervor. „Gut ich nehm mal an Größe M für dich und-“ sie stockte, denn sie hatte wohl meinen Namen auf der Liste entdeckt. Ich grinste schelmisch und harrte der Dinge die da kamen. „ Du bist ja ein Mädchen,äh….also ich meine Frau…“ sie quiekte etwas zu hoch für meinen Geschmack aber noch recht passabel. „Ob ich da überhaupt was in deiner Größe finde…“ murmelte sie Gedankenverloren. „Das ist kein Problem, ich nehm gern die Jungenuniform!“ griff ich schnell ein. Sie schaute mich etwas zweifelnd an: „Ja aber, das…wir können das doch nachbestellen und ich weiß gar nicht ob sowas überhaupt möglich ist.“ Ich lächelte mein verführerischstes Lächeln und meinte: „Komm jetzt gib mir schon das Jackett oder was immer es ist.“ „Jackett und Krawatte!“ beharrte sie. Wenn der Sprung den sie jetzt machte dem Hüpfen ihres Herzens nahekam stand sie wohl kurz vor einem Schlaganfall. Ich griff nach dem schwarzen Stoff. „Jetzt mach dich aber raus hier bevor das noch wer mitbekommt!“ Ich salutierte zum Spaß, was sie auch zum Lachen brachte und verabschiedete mich dann. „Na nette Mädels gibt’s hier ja auf jeden Fall da wird mir wohl nicht langweilig.“ Ich beeilte mich noch zum Schaukasten mit den Einschreibungen für die Sportkurse zu kommen und erwischte gerade noch so einen Platz beim Motorradfahren. Ich überlegte ob ich noch weitere Kurse wie Leichtathletik anwählen sollte, aber ich würde wohl einen Nebenjob nötig haben um ein wenig Geld übrig zu haben und da war nicht wirklich viel Zeit. Also legte ich den Stift zur Seite und begab mich Richtung Ausgang. Zumindest hätte ich das gern getan. Leider verlief ich mich in diesem riesigen Komplex so arg, dass ich nach geschlagenen 20 Minuten immer noch nicht weiter wusste. Und zum Fragen war ich zu stolz. Ich hörte Musik aus der oberen Etage. Ich war wohl in der Fakultät für Musik gelandet. Naja das hätte ich mir bei den diversen Notenschlüsseln auf den Fliesen ja auch denken können. Es war ein sehr diffuser Klang, wahrscheinlich übte in jedem Raum jemand anders. Ich war bei weitem nicht so bewandert jetzt den Unterschied der Instrumente auszumachen aber ein Klang drang völlig klar und rein an mein Ohr. Den erkannte sogar ich. Es war Violinenmusik…nur von wo? Irritiert schaute ich mich um. Der Raum war hochgebaut und der Hall ging sicher nach oben weg, aber aus dem 2. Stock kam diese Melodie nicht. Ich drehte mich mehrmals im Kreis um irgendeinen Hinweis zu erhalten, was bestimmt mega dämlich aussehen musste. Und dann sah ich sie. Durch die großen gläsernen Scheiben der Fakultät. Draußen, auf dem Parkgelände des Campus, neben einem Kirschblütenbaum, erleuchtet von den warmen Strahlen der Frühjahrssonne. Wohl ein Anblick für die Götter wie sie dort stand, den Geigenbogen sanft über die Saiten führte in dieser idyllisch wirkenden Szene. Ich trat durch die automatische Schwebetür nach draußen und das Sonnenlicht stach mir sofort ins Auge. Ein angenehmer Wind streifte mein Gesicht, war das Meeresluft? Ich hielt mir die Hand über die Augen um wieder etwas sehen zu können und entgegen meiner Befürchtung stand sie noch immer da und spielte. Ich näherte mich vorsichtig, sie hatte die Augen geschlossen und war vollkommen in ihr Spiel vertieft. Dennoch zweifelte ich nicht daran, dass sie meine Anwesenheit bereits bemerkt hatte. Ich lies mich in gebürtigem Abstand auf einer Bank nieder und lauschte ihrer Musik. Ihr türkises Haar wurde vom Wind spielerisch umher geweht, was auch zu dem Thema passte das sie spielte. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht sprach von Konzentration, wobei ihr ein leichtes Lächeln über die Lippen huschte. Eine Kirschblüte löste sich vom Baum und fand ihren Weg über die Strömung des Windes bis hin zu meinem rechten Schuh. Und plötzlich hörte sie auf zu spielen. „Wie lange willst du mich denn noch beobachten?“ Kapitel 1: Vielleicht sollte ich häufiger Zeitung lesen? -------------------------------------------------------- ´Mir ist erstmal ein riesen Fehler aufgefallen! Ich Perspektive schreibt man doch in der Gegenwart. Kann man auch in der Vergangenheit machen aber ich hab den 2. Teil des 2. teils XD jetzt mal im Präsens geschrieben und ich denke dann ist da auch mehr Fluss drin. Schreibt mir doch einfach ob euch das jetzt besser gefällt ^^ dann schreib ich auch schnell weiter muss das nur erstmal klären ^^ viel spaß Solange ich darf, rutschte es mir fast heraus. Ich hielt mich jedoch lieber zurück. Ich wusste nicht mit wem ich es zu tun hatte, würde es aber wohl bald erfahren. „Du bist wohl eher der wortkarge Typ, mh?“ sie schaute selbstbewusst zu mir herüber und kniete sich hin um die Violine in den Geigenkasten zu betten. „Entschuldigung…“ meinte ich vorsichtig. „Ich…hatte nicht vor vermessen zu sein. Dein Spiel…ich hörte es von drinnen und wollte einfach herausfinden woher diese wundervolle Musik kommt.“ Sie zog eine Augenbraue hoch und klappte den Geigenkasten zu. „Du…bist neu hier oder?“ brachte sie plötzlich hervor. Ich stutzte leicht. „Nun…ja bin ich, mh ist das so auffällig?“ Sie lächelte vielsagend und kam ein paar Schritte auf mich zu. „Du bist wirklich noch neu hier, aber danke für das versteckte Kompliment. Vielleicht sieht man sich ja mal.“ sagte sie leise und spazierte an mir vorbei ins Innere des Gebäudes. Und eine weitere Meeresbrise schien sie zu verabschieden. Ich weiß nicht warum ich ihr an diesem Tag nicht folgte aber irgendwie war es ein Instinkt ihr lieber nicht gleich zu nahe zu treten. Wahrscheinlich mochte sie es nicht wenn man ihrer Musik unerlaubt lauschte, dabei spielte sie so…, Gut Haruka hör auf zu träumen! Ihr Bild verfolgte mich dennoch den ganzen Nachmittag bis ich nach Hause kam und den Stapel an Chaos sah. Ich seufzte tief. „Und das muss ich heute alles noch einräumen…“ Viele Einrichtungsgegenstände hatte ich eigentlich gar nicht die sich darum drängten einen guten Platz in meiner Wohnung zu bekommen, aber leider viel kleinen Krimskrams wie Bücher und kleine Fahrzeugmodelle. Die neue Kawasaki thronte nun in dem Regal über dem Fernseher. Die Kaffemaschine war auch an ihrem Platz und mein neues tolles Sofa sah auch sehr einladend aus. Irgendwie sogar einladender als mein eigentliches Bett. Vielleicht sollte ich in Zukunft einfach auf der ausziehbaren Couch schlafen. Nachdem ich mich in den weichen Kissen niedergelassen hatte fiel mein Blick auf das neue Playstation-Rennspiel, das ich mir erst kürzlich gekauft hatte. Irgendwie war das jetzt genau das richtige um auf andere Gedanken zu kommen. Leider verlor ich die ersten zwei Rennen woran ich überhaupt nicht gewöhnt war. „ich geh wohl besser zu den normalen Arcadegames in der Spielhalle zurück.“ Grummelte ich. Und noch etwas meldete sich grummelnd zu Wort. Mein Magen. Ein schneller Blick in den Kühlschrank verriet mir, dass ich nicht sonderlich viel Essbares da hatte bis auf ein wenig O-Saft, Tomaten, Müsli und Joghurt. Das hieß wohl einkaufen. Und alle die mich kannten wussten wie sehr ich Einkaufen „liebe“. Zum Glück gab es einen recht günstig gelegenen Supermarkt mit 24-stündiger Öffnungszeit. Trotzdem dauerte es eine ganze Weile bis ich halbwegs alles zusammen hatte. Meine Lieblingsreiskuchen hatten sie nicht. Die bekam ich nur zu Hause. Also besorgte ich mir notgedrungen eine Kopie. Und so schmeckte sie auch als ich vor lauter Hunger schon mal auf dem Nachhauseweg reinbiss. Ein kalter Regentropfen erwischte fast zeitgleich meine Nase. Jetzt fing es auch noch an zu regnen und ich hatte wie immer keinen Schirm dabei. Wozu auch, man wurde mit und ohne nass. Im gutaussehenden Wetlook kam ich wieder in meiner kleinen Bude an und machte mir gar nicht die Mühe das eingekaufte einzuräumen, sondern lies mich gleich in meinem Bett nieder. Morgen war der Einführungskurs, na hoffentlich lohnte es sich dort aufzukreuzen. Ich suchte mir einen hochgelegenen Platz aus um den gesamten Saal im Überblick zu haben und da der Hörsaal Amphitheater ähnlich aufgebaut war, verstand ich auch da oben, weit weg vom Professor, alles ebenfalls vorzüglich. Tetsu kam diesmal pünktlich, er begrüßte mich kurz und ließ sich dann auf dem Platz neben mir nieder. Die Vorlesung begann und obwohl es mich brennend interessierte was für ein Niveau die Professoren hier an den Tag legten konnte ich doch nicht recht zuhören. Ich lies meinen Blick aufmerksam durch den Raum schweifen. Sicher war die Chance, dass sie denselben Kurs besuchte wie ich schwindend gering, aber ich war noch nie ein Fan von Wahrscheinlichkeitstheorien. Dennoch seufzte ich tief als ich sie unter keinen der Anwesenden erkannte. Sie war sicher in einem Künstler oder Musikzweig. „Hey Tetsu-kun!“ flüsterte ich rüber. „Was is´?“ er war wohl sauer da ich ihn bei seinem kleinen Nickerchen störte, was hatte der schon wieder letzte Nacht getrieben? „Sag mal, kennst du Leute aus der Musikfakultät, oder aus den Künstlerstudiengängen?“ Er prustete hinter vorgehaltener Hand, was dem Professor jedoch trotzdem nicht entging. Er schickte ein paar drohende Blicke nach oben. „Für wen hältst du mich? Nein mal im ernst. Ein paar schon aber die meisten sind da sehr verklemmt. Nicht so wie die Leute von unserem Studiengang.“ Er kritzelte auf seinem karierten Block herum. Wir wahren wohl grobschlächtig oder was? „Warum fragst du?“ „Weißt du es gibt da diese Frau…“ er grinste vielsagend, ich lies mich jedoch nicht von ihm hochnehmen. „Ich hab sie gestern mehr zufällig getroffen, weißt du…“ und so erzählte ich ihm von dem Treffen und versuchte sie zu beschreiben, aber er zuckte nur hilflos mit den Axeln. Dass diese Beschreibung wohl auf eine Menge Mädchen an dieser Uni hindeutete war mir durchaus bewusst. (Klar türkises Haar ist gerade die Trendfarbe in Japan XD) Von der Vorlesung bekam ich doch nicht viel mit. Ich wollte es jedoch in den nächsten Tagen besser machen. Der Motorradkurs am Wochenende fiel leider aufgrund von zu schlechtem Wetter buchstäblich ins Wasser. Was kein Wunder war, denn seit Mittwoch regnete es nahezu ununterbrochen. In den nächsten Wochen stellte ich fest, dass Tetsu zwar nicht der Geschickteste im Konstruktionszeichnen war, aber dafür war er unheimlich gut beim Praktischen. In den praktischen Semesterwochenstunden hatte er immer die Nase vorn und ich guckte mir eine Menge von ihm ab. Irgendwie war er wohl der Praktiker und ich eher die Theoretikerin. Er führte mich so langsam in seinen Freundeskreis und den Kurs ein. Er reagierte zwar etwas verwirrt als er feststellte, dass ich eine Frau war legte es aber schnell wieder ab. Nach zwei Semestern kannte er die meisten und ich stellte fest, dass die Leute in meinem Kurs eigentlich alle voll ok waren. Sicher gab es hier und da den reichen Schnösel der sich für ungemein wichtig hielt, aber wir waren eh nur 30 Leute und da konnte man das ignorieren. Yuki, die kleine Brünette mit dem Fabel für Schweine in jeder Form und Größe war mit Abstand die beste wenn es um die Mathematik ging. Deswegen setzten Tetsu und ich uns auch ganz schnell in ihre Nähe um davon zu profitieren. Sie half uns auch sehr gern und nach einer Weile entwickelte sich eine Vierer Gruppe aus uns dreien und Motoki, der uns irgendwie auffiel weil er sich über das ausgefallene Renntraining ärgerte. Ich nannte ihn einfach nur Mo weil er die schwarzen Haare wie einer dieser Emos trug. Es war ein idealer Tag fürs Motorradfahren und ich freute mich riesig auf den kommenden Nachmittag. Mein erstes Rennen stand bevor und ich war ziemlich aufgeregt. „Man jetzt mach dir doch nicht so einen Kopf, im Training machst du das mit Links, also warum nicht auch auf der richtigen Rennstrecke?“ Ryo versuchte mich schon den ganzen Morgen über zu beruhigen aber es wollte nicht so recht funktionieren. Wir saßen draußen auf einer Wiese und er klappte die Campuszeitung neben mir auf. Ich war immer zu faul sie zu lesen, geschweige denn dafür Geld auszugeben, aber er schleppte sie fast jede Woche mit sich herum. Ich wollte einen Blick in den Sportteil riskieren als sich meine Aufmerksamkeit dem Titelblatt richtete. Mir stockte der Atem als ich erkannte wer darauf abgebildet war. Sie war es. Hundertprozentig. „Verdammt das ist sie!“ schrie ich und riss ihm die Zeitung aus der Hand. „Sag mal geht’s noch? Ich wollte gerade…und überhaupt…wer ist..was ist?“ „Na hier schau doch!“ ich zeigte ein paar Mal auf das Foto. „Das ist das Mädchen, dass ich am Anfang des Semesters getroffen habe. Du weißt schon, die Violinistin…“ Ich las aufgeregt den Artikel. Prädikat: Ausgezeichnet, in der Kategorie: Violine. Michiru Kaio ein Ausnahmetalent wie wir es selten zuvor gesehen haben. Dieses Jahr gewinnt sie den Japan-Musik-Wettbewerb mit einem enormen Abstand zu ihren Kontrahenten. Ihr Mentor Futo Kagami meinte auf die Frage was uns als nächstes erwartet: „ Wir arbeiten auf den Paganini-Violin-Wettbewerb hin. In Japan hat sie schließlich keine Konkurrenz mehr.“ Die Preisträgerin selbst antwortete eher bescheiden. Es wäre wohl auch Glück dabei gewesen. Von Glück können wir wohl bei einem 7 punkteschweren Unterschied nicht mehr reden. Nun wird sie erst einmal ihren 20. Geburtstag im engsten Familienkreise feiern, so heißt es. Ich lies die Arme senken und warf mich rücklings ins Gras. „Verdammt…woher sollte ich denn wissen, dass sie so eine Persönlichkeit ist.“ „Man man und in die hast du dich verguckt, lass das lieber ganz schnell bleiben. Und ich weiß etwas, dass nicht in diesem Artikel steht.“ Ich winkte ab: „Ich will es gar nicht wissen…“ „Sie ist die Tochter vom Rektor der Uni.“ Meine rechte Hand umfasst den Lenker. Ich spiele im Stand mit dem Gas, wohl aus Nervosität. Die Anzeige der roten Ampeln geht an. Nur noch ein paar Sekunden. Mir läuft eine Schweißperle über die rechte Wange. So eine schwere Strecke war ich noch nie gefahren, nur enge Kurven und somit wenig Raum zum überholen. Platz Nummer 7 hatte ich nur durch eine günstige Losung. Ich klappe das Visier runter. Schaue auf die Anzeige. Grün. Ich drehe das rechte Handgelenk und trete von der Fußbremse. In dem Moment in dem der Reifen die Fahrbahn greift bin ich frei. Meine Nervosität ist wie weggeblasen, es gibt nur noch die Strecke und mein Motorrad. Ein guter Start, ich lasse direkt zwei Vordermänner hinter mir. Die Yamaha beschleunigt auf 120 km/h. Die erste Kurve. Ich will sie möglichst eng nehmen gehe aber nicht allzu sehr vom Gas. Mit einer tiefen Lage geht das schon. Und die nächste Kurve. Nach ein paar Runden bekomme ich ein Gefühl der Strecke und fasse mehr Mut. Mehr Gas, weniger Bremsen. Einmal wirft es mich fast aus der Kurve. Leichtsinnig, aber wirkungsvoll. Im Endeffekt komme ich als 3. durchs Ziel. Keine schlechte Platzierung fürs erste Mal. Ich schiebe das Motorrad in die Box. Meine Arme schmerzen dabei leicht, war wohl zu viel des guten. Die Maschine zu halten strengt bei dem Tempo auf der Strecke ganz schön an. Und dann noch über 40 Runden. Es kam mir trotzdem kürzer vor. Erschöpft und zufrieden lasse ich mich auf einem Stuhl nieder. Das Blut pumpt mir durch die Adern, mein Kopf ist heiß. Ich nehme den Helm ab. Mein Haar ist verschwitzt wie immer und mein Mund fühlt sich trocken an. Meine Kommilitonen klopfen mir auf die Schulter und bringen das Motorrad in die Werkstatt zum Check. Auch Ryo und Yuki sind dabei. Ich lehne mich nach vorne und fahre mir durch die Haare. Eine Flasche Wasser wäre jetzt toll. Als ob meine Gebete erhört wurden erscheint eine Wasserflasche vor meinem Gesicht. Ich will sie dankend annehmen, schaue nach oben und halte jedoch inne. Sie lächelt mir freundlich entgegen. „Das ist doch bestimmt das was du jetzt brauchst.“ Sagt sie und kämmt sich eine Strähne hinter`s Ohr. Mund und Hals erscheinen mir mit einem Schlag noch trockener und ich kann nichts erwidern. Ich ergreife lediglich die Wasserflasche und nicke dankend. „Du bist toll gefahren. Ich kenne mich sicherlich nicht so gut aus im Motorsport, aber es war trotzdem sehenswert.“ Ich nahm einen Schluck und setzte die Flasche wieder ab. „Du hast dir das Rennen angesehen?“ ich fragte wohl etwas zu überrascht denn sie verzog das Gesicht. „Ja wieso denn nicht. Du denkst wohl das passt nicht zu mir.“ Sie lächelte wieder. „Irgendwie stimmt das auch. Ich wollte nur sehen, was dir am meisten bedeutet, wovon…du träumst.“ Woher wusste sie denn bitte, dass mir der Motorsport so wichtig war? „Und du träumst davon Profigeigerin zu werden?“ sie verschränkte die Arme. „Anscheinend hast du dich etwas erkundigt?“ Ich zucke mit den Axeln. „Ne hab nur die Campuszeitung gelesen.“ Sie fängt tatsächlich an zu lachen. „Presseklatsch…da würd ich nichts drauf geben.“ „Also wirst du in Wirklichkeit auch 30 und nicht 20!“ meine ich trocken und lache selbst ein wenig. Sie streckt mir eine Art Kondolenzkarte entgegen. „Komm doch zu meiner Gartenparty und überzeug dich selbst davon. Freitag Nachmittag, nichts großes, aber mein Vater ist ein Fan der Inszenierung.“ Sie beugt sich ein wenig zu mir herunter und haucht mir einen Kuss auf die Wange. „Vielleicht vertreibst du mir ja die Langeweile…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)