Western Spirits von collie ================================================================================ Kapitel 1: To my hometown. To my country. To the place, where I was born. ------------------------------------------------------------------------- „…Wenn es Nacht wird in Old Tucson, werden Geister wieder wach, alle Helden aus dem Westen, treffen sich in dieser Nacht. … mmm mmm mmm … Durch die menschenleeren Straßen, weht ein kalter Abendwind, durch den Staub sieht er sie kommen, wenn sie durch Old Tucson zieh'n. …mmm mmm mmm … echte Helden sind unsterblich, wenn man nur von ihnen träumt. Wenn es Nacht wird in Old Tucson, werden Geister wieder wach, alle Helden aus dem Westen, treffen sich in dieser Nacht…“ Tucson-City dehnte sich vor ihm aus. Die breite Hauptstraße erinnerte ihn immer an die staubigen Straßen der Westernfilm-Städte, in denen das Finale Duell ausgetragen wurde, gesäumt von Häusern und Geschäften. Tucson-City … man würde eine Großstadt dahinter vermuten. Doch es war nur ein kleines Städtchen in der Weite des Landes und unter dem nachtdämrigen Himmel. Hier war es schon herrlich friedlich und lebendig. Er war Jahre nicht mehr hier gewesen. Er hatte es vermisst. Und sie. Sie war immerhin seine Number 1. Die beste Freundin, die man haben konnte. Aber er hatte auch noch andere gute Freunde. Allein war er nie gewesen. Dafür schätzte er sich glücklich. In schweren Zeiten hatte immer mindestens einer zu ihm gestanden. Wenn er so auf sein Leben zurückblickte, konnte er zu frieden sein. Er hatte viel erreicht und das Glück war ihm noch immer hold. Bald wollte er einen weiteren, wichtigen Schritt gehen. Auch da wollte er seine Freunde um sich haben. Morgen würden sie hier eintreffen. Nach einem Jahr, auf den Tag genau, und in der Stadt, in der für ihn alles begonnen hatte. War das zu glauben? Für ihn nur schwer. Tränen glitzerten in seinen Augen. „Is okay zu weinen, Bullet.“ Er lächelte leicht. Hoffentlich konnte sie sich überhaupt noch an ihn erinnern. Manchmal hatte er das Gefühl, er würde ewig Single bleiben. Er war nicht der Mann, der Gefühle gut zeigen, über seine Gedanken reden und ohne weiteres sein Herz öffnen konnte. Oft genug wirkte er kühl, sachlich und distanziert. Keine guten Voraussetzungen für eine dauerhafte Beziehung. Die letzte war genau aus diesen Gründen zerbrochen. Obwohl er bereit war eben doch sein Herz zu öffnen. Sincia. Er hatte ihr sein Tagebuch anvertraut und sie so tief in seine Seele schauen lassen, wie niemand zuvor. Doch sie hatte es augenscheinlich nicht verstanden. Während des Waffenstillstandes hatte sie ihn nicht bei seinen Eltern besucht. Das Thema hatte er dreimal angesprochen, dann nicht mehr um nicht aufdringlich zu sein. Als der Sieg über Nemesis errungen war, war sie auch nicht zum Bankett erschienen. Daraufhin hatte er sie besucht und wäre beinah tot umgefallen. Ein anderer Mann, seinem Verhalten nach zu urteilen, schon länger dort wohnhaft, hatte ihm geöffnet. Gleich darauf war Sincia in der Tür erschienen. Verlegen, nach Worten suchend und ihm kaum in die Augen sehen könnend hatte sie ihm schließlich noch sein Tagebuch zurückgegeben. Das war die verständlichste aller Erklärungen. Das war deutlich. Das war das Ende. Inzwischen war es nur noch eine unangenehme Erinnerung. Die Enttäuschung und der Schmerz waren verblasst. Erst hatte er sich in die Arbeit als Ausbilder beim KOK gestürzt, dann, vor drei oder vier Monaten, auch wieder angefangen auszugehen. Doch neu verliebt hatte er sich seit her noch nicht. Dass Colt angerufen hatte, war eine sehr erfreuliche Überraschung gewesen. Das Team Ramrod hatte sich jetzt im Frieden aus den Augen verloren. Nun tat der Scharfschütze auch noch geheimnisvoll und wichtig, was der Grund war, weshalb der Recke nun hier in einem Cafe in Tucson-City saß und auf das Eintreffen des ehemaligen Kollegen wartete. Während er an seinem Kaffee nippte und seinen Gedanken nachhing, blieb sein Blick an ihr hängen. Ihre Ponysträhnen waren rotbraun gefärbt und mit feinen Lederbändern geflochten. Das Haar an sich war blond, von der Sonne gebleicht und wallte mit jedem ihrer schwungvollen Schritte. Er stutzte kurz. Sie war barfuß unterwegs. In der Stadt? Normalerweise sah man höchstens kleine Kinder barfuß durch die Straßen laufen. Die Hose war bis zu den Knien hin aufgekrempelt. Das Oberteil war ein Streitpunkt, denn es war entweder ein zu kurz geratenes Minikleid oder ein zu langes Shirt. Der schmale Schnitt verriet jedoch ihre zierliche Gestalt. Um den linken Fußknöchel waren mehrere Lederbänder gewickelt und ihrer Umhängetasche diente ein aufgenähter Traumfänger als Knopf. Er hatte ihre Erscheinung gerade erst erfasst, da war sie auch schon an dem Fenster des Cafés vorbei gelaufen. Ehe er sich vorbeugen und ihr nachsehen konnte, rief jemand: „Hey Säbelschwinger.“ Der Angesprochene wand sich in die Richtung, aus der der Ruf kam und hatte noch genug Zeit aufzustehen, ehe Colt ihn schwungvoll und brüderlich zur Begrüßung umarmte. Er erwiderte den Gruß und klopfte dem Freund auf die Schulter. „Na, du. Wie geht es dir?“ Sie setzten sich. Colt hatte sich kaum verändert. Seiner Vorliebe für Jeans, weiße, lässig geknöpfte Hemden und den Cowboyhut war er treu geblieben. Das Jahr in Frieden hatte ihm offensichtlich gut getan. Er lachte munter, war noch etwas lockerer als früher und seine blauen Augen blitzten gut gelaunt. „Gut, Boss. Alles bestens, “ antwortete er. Der Recke schmunzelte über die Tatsache, dass er eben wieder mit „Boss“ angesprochen worden war. Seit Nemesis besiegt worden war, waren sowohl der Scharfschütze als auch Fireball in ihr ziviles Leben zurückgekehrt. Während der Rennfahrer an alte Erfolge auf der Bahn an knüpfte, hatte der Cowboy angefangen, sich beim Rodeo einen Namen zu machen. Saber war nicht länger ihr Vorgesetzter und doch sprach ihn Colt noch so an. „Und was treibst du so?“ wollte der Blonde wissen. „Erzähl ich dir, wenn unser Traumpaar da ist. Sie müssten bald hier sein, also warten wir noch kurz, “ meinte der Gefragte heiter. Saber warf einen kurzen Blick zur Tür und dann einen bedeutungsvollen zum Kuhhirten. „Oder auch länger.“ Verwundert drehte sich der nun um. Just in diesem Moment betraten Fireball und April das Lokal. Turtelnd, als hätten sie die Welt um sich vergessen. Colt und Saber beobachteten, wie Fire seinen Arm um Aprils Hüfte gelegt hatte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Die Blondine kicherte, umschlang seinen Nacken und gab ihm einen innigen Kuss. Jetzt legte der ehemalige Rennfahrer seinen anderen Arm um sie. „Nehmt euch ein Zimmer dafür“, krähte Colt gewohnt kess durch das Cafe. Die beiden wanden sich überrascht zu ihnen um. „Hey, du Rodeoclown, “ grinste Fireball und durchquerte mit April noch immer im Arm den Raum. „Das sagt die richtige Turobopfeife, “ lachte Colt zurück und drückte seinen Hombre überschwänglich an sich. „Lass ihn ganz, “ mahnte April, nachdem sie Saber begrüßt hatte. „Jaja, ich kann mir schon denken, dass du ihn noch brauchst.“ Er ließ Fireball los und streckte ihr die Arme entgegen. „Aber nur, wenn ich jetzt auch mal richtig begrüßt werde“, erklärte er fröhlich. Die Wiedersehensfreude stand ihm klar ins Gesicht geschrieben. Sie setzten sich wieder, bestellten sich was zu trinken und überrissen kurz, was sie in den vergangen Monaten so alles erlebt hatten. Es schien, als hätten sie sich nie getrennt. Sie fanden aufbauende Neckereien für Saber, zweideutige Kommentare für Fire und April und freundschaftliche Sticheleien für den Cowboy, der Robin zu liebe seither kein Schießeisen mehr angerührt hatte. „Jetzt sag schon, Colt“, forderte Fireball schließlich auf. „Wo ist deine Robin? Und warum sollten wir eigentlich herkommen?“ Theatralisch schmachtete der Cowboy ihn an und klimperte mit den Augen. „Ich hatte Sehnsucht nach euch.“ Grinsend schob Fire ihm daraufhin den Hut vor die Augen. „Das hält ja keiner aus.“ Belustigt rückte Colt die Kopfbedeckung wieder zurück. „Robin hat noch keine Zeit. Sie kommt nach, sobald die Ferien angefangen haben, “ antwortete er dann und ließ die Bombe platzen. „Ihr seid hier, weil Robin und ich in ein paar Wochen heiraten.“ Sie brauchten eine Weile um das Gehörte zu verdauen. Die Kinnladen hatten sie synchron aufgerissen. Dann stammelte Fireball: „Das ist ein Witz, oder?“ Colt runzelte unzufrieden die Stirn. Das war nicht ganz die Reaktion, die er sich vorgestellt hatte. War es denn so unwahrscheinlich, dass er als erster aus der Truppe vor den Altar trat? „Wenn ich einen Witz machen wollte, würde ich April fragen, ob sie meine Frau werden will“, gab Colt zurück. „Sehr charmant.“ Die Blondine fuhr sich durchs Haar. „Du meinst das echt ernst“, stellte sie dann noch immer überrascht fest. Colt nickte. „Das ist ein sehr wichtiger Tag und ich möchte die, für mich, wichtigsten Menschen dabei haben.“ Erneut schwiegen seine Freunde. Das war ja ein Geständnis. Und dann auch noch ein ernsthaftes. Diese Ernsthaftigkeit behagte dem Kuhhirten nicht so recht, zumal grad niemand wusste, was er sagen sollte. Die fröhliche Begrüßung hatte ihm besser gefallen. „Ihr solltet erstmal Quartier beziehen“, schlug Colt deshalb vor. Etwa fünfzehn Kilometer von der Stadt entfernt, lag in der grünen Ebene die Ranch. Weitläufig mit einem Holzzaun umgeben, war zu vermuten, dass hinter dem Haupthaus, der Scheune und dem Stall noch mehr Grundstücksfläche lag. Alles war recht schlicht und ländlich. Das Wohnhaus hatte zwei Stockwerke und eine kleine, überdachte Veranda auf deren Holzbank ein Schäferhund vor der Mittagssonne Schatten gesucht hatte. Die Eingangstür daneben stand weit offen. Darüber hing eine mittelgroße, gusseiserne Glocke mit einem Glockenstab. Colt machte sich damit lautstark bemerkbar. Der Hund hob seinen Kopf und blickte den Cowboy vorwurfsvoll a. „Sagt mal, wann sind wir in einem Filmstudio gelandet. Ich hab das Gefühl mitten in einer Wild-West-Film-Kulisse zu stehen, “ meinte Fireball und sprach aus, was alle anderen dachten. „Danke, genau so wollte ich das auch haben, “ erklärte eine weibliche Stimme aus dem Haus. Dann trat eine junge Frau mit kastanienbraunem Haar heraus. „Hi“, grüßte sie. „Ich bin Donna Joe.“ Sie reichte jedem die Hand. Ihr kräftiger Händedruck passte zu ihrer Erscheinung. Sie war eine Vollblutrancherin, gewohnt fest zu packen. Auf den Weg in den oberen Stock erklärte sie ihren Gästen, dass der Hof in erster Linie eine Pferderanch war, Ausritte anbot und einige Zimmer vermietet. Außerdem wies ein Türschild auf die Praxis einer Hebamme hin. „Was tut man nicht alles, um sich über Wasser zu halten“, grinste sie. Die Zimmer unterstrichen den Eindruck der erwähnten Western-Romantik, was zu den Nobelhotels der Großstädte ein perfekter Gegensatz war. DJ ließ den Anblick in Ruhe auf die Angekommenen wirken, ehe sie fragte: „Soll ich euch noch den Rest zeigen?“ Wie sie schon vermutet hatten, dehnte sich hinter dem Haupthaus eine große Koppel aus, auf der sechs Pferde grasten. „Wow, sind die schön“, ließ sich April vernehmen. Dabei blieb ihr Blick an einem Rappen und einem Schimmel hängen, die etwas abseits weideten. „Das sind wirklich zwei besondere Tiere“, bestätigte DJ. „Allerdings ich muss euch warnen. Unsere gute Angel“ Dabei wies sie auf das weiße Pferd. „ist ja wirklich lammfromm und brav. Vor Demon müsst ihr euch in Acht nehmen. Der trägt seinen Namen nicht umsonst. Er lässt sich nur von seiner Besitzerin reiten. Jeden anderen, der es unbedingt drauf angelegt hat, hat er abgeworfen. Er ist sehr eigen.“ – „Bist du seine Besitzerin?“ fragte Saber. DJ schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist meine Freundin die Hebamme.“ Sie hatte bis eben am Gatter gelehnt, jetzt stieß sie sich davon ab. „Wenn ihr nichts dagegen habt, lass ich euch jetzt allein. Ich hab noch zu tun.“ Damit machte sie sich auf den Weg. Sie hatten sich in Ruhe auf der Ranch umgesehen und waren anschließend in die Stadt gefahren. Nach einer kleinen Führung von Colt und einer langen Shoppingtour dank April, saßen sie völlig fertig und mit Eindrücken vollgestopft in einem Steakhaus zusammen. Sich nach einem Jahr wiederzusehen, weckte Erinnerungen und sie schwelgten ausgiebig und ausgelassen darin. Die einbrechende Nacht vertrieb die Hitze des Tages und kühlte erfrischend, als sie wieder auf die Straße traten. Sie schlenderten zum Parkhaus im Stadtzentrum zurück, wo ihr Auto stand. Fireball und April liefen voraus. Arm in Arm und ungeniert turtelnd. Während sie noch auf Ramrod gedient hatten, hatten sie sich noch zurückhalten müssen. Beziehungen dieser Art innerhalb eines Teams waren nicht erwünscht. Das dürfte dem Rennfahrer, der in diesem Punkt doch recht schüchtern war, ganz recht gewesen sein, stellte Colt für sich schmunzelnd fest. Aber schon da waren sie für den Kuhhirten das perfekte Paar gewesen und es freute ihn, die beiden so glücklich zusammen zu sehen. Genauso bedauerte er Saber für sein Singledasein. Die Trennung von Sincia dürfte ihm schwer getroffen haben, auch wenn der Recke recht sachlich darüber gesprochen hatte. Sachlichkeit war dessen Schutzschild. Colt wusste, dass Ramrods ehemaliger kommandierender Offizier nie schlecht über eine gescheiterte Beziehung reden würde. Das verbot ihm sein Anstand. Aber insgeheim war Colt ganz froh, dass es so gekommen war. Er hatte das Ganze nie als eine Kiste von Dauer gesehen. Zwar war Sincia ein nettes Mädel, doch gehörte sie ganz einfach zu der Sorte Frauen, die sowohl die tägliche Anwesenheit ihres Partner brauchten, als auch ständige Kitschroman-Romantik. Dafür war der Highlander jedoch nicht der Richtige. Nicht nur, weil er damals nicht anwesend sein konnte, sondern auch, weil seine Liebesbekenntnisse nicht dieser Art von Sentimentalität entsprachen. Die Frau, die ihn wirklich glücklich machen konnte, musste in der Lage sein, ihn intuitiv zu verstehen. Colt fiel auf Anhieb eine ein und grinste wieder vor sich hin. „Ich möchte wirklich wissen, was du denkst, wenn dauernd so grinsen kannst.“ Mit diesen Worten holte Saber ihn aus seinen Gedanken. „Alles und nichts“, erwiderte der Scharfschütze mit Unschuldsmiene. Der Blonde hob die Brauen und machte deutlich, dass er die Aussage nicht glaubte. Inzwischen hatten sie das Parkdeck erreicht. Nur noch wenige Autos und ein Motorrad standen dort. „Ab Richtung Quartier“, schlug Fireball vor und öffnete die Fahrertür. Ehe er jedoch einsteigen konnte, hörte er jemanden rufen. „Colt ‚Bullet‘ Willcox?“ Alle wanden sich überrascht in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. „Bei den Satteltaschen meines Großvaters.“ Colt erkannte die Frau, zu der die Stimme gehörte. Sie stand am anderen Ende des Parkdecks auf dem Parkplatz neben dem Motorrad, der nicht von der kargen Beleuchtung erhellt wurde. „Jolene ‚Chily‘ Adams, “ rief er erfreut. Im nächsten Moment sprang die ihn an und umschlang ihn mit Armen und Beinen. Barfuß. Lederbänder am linken Fußknöchel. Die Hose bis zu den Knien hinauf gekrempelt. An Colts Schulter schmiegte sich ein blonder Schopf. Ein rotbrauner mit feinem Lederband geflochtener Zopf fiel schwungvoll auf den Rücken des Kuhhirten. „Du hier?“ Er hob sie in die Höhe, hielt die zierliche Gestalt auf Armes länge über sich und drehte sich mit ihr einmal um die eigene Achse. „Seit gestern“, lachte er. „Ich bin seit gestern in der Stadt.“ Er setzte sie behutsam ab. Na, wenn die nicht eindeutig Colts Beuteschema war. Fireball schüttelte leicht den Kopf. „Crazy Chily.“ Der Scharfschütze pfiff anerkennend durch die Zähne. „Man, was aus einer dürren Spinatwachtel so werden kann.“ Sie lachte munter. Ihre blaugrünen Augen blitzten heiter. „Charmant wie ein Haifisch. So typisch. Du hast dich kein bisschen verändert. Man, Colt, ehrlich. Du hättest dich ja ruhig früher melden können, “ meinte sie dann. „Hab ich doch, “ entgegnete der. „Ich hab mit allen aus der Gegend noch Kontakt.“ – „Ach ehrlich.“ Das freudige Gesicht verwandelte sich in eine düstere Miene. Ohne Vorwarnung und völlig unvermittelt holte diese Chily aus und verpasste Colt einen wohl gezielten Kinnhaken. Der Überraschte landete mit seinem Hintern auf dem Boden. Von dort aus protestierte er: „He, wofür war das?“ und rieb sich die getroffene Stelle. „Dafür, dass du mich nie angerufen hast“, fauchte sie und rauschte zurück zu dem Motorrad. „Du behandelst also alle Frauen so liebevoll“, stellte April sachlich fest. „Und was hat sie mit mir gemacht?“ Verstimmt wies Colt auf seine Wange. Ungerührt erklärte Fireball: „Du hast endlich mal das gekriegt, was du verdienst.“ Noch immer am Boden sitzend und reichlich geplättet, rollte der Scharfschütze die Augen. „Dein Mitleid ist unglaublich. Du weißt ja gar nicht, wie das ist, “ knurrte er. „Ich benehm mich schließlich auch nicht so, wie du, “ meinte der Rennfahrer unbeeindruckt. „Jaja.“ Jetzt stand der Cowboy endlich auf. Sein Blick haftete an Chily, die gerade ihre Bikerstiefel anzog. „Außerdem hat sie unrecht. Ich hab angerufen. Ganze zweimal. Ist nur keiner hingegangen, “ versuchte er sich zu rechtfertigen. „Wie lange hast du läuten lassen? Einmal oder hast du zweimal geschafft?“ fragte Saber trocken und hob eine Augenbraue. „Dreimal“, parierte der Gefragte sofort. So ein Feigling war er dann doch nicht. „Das war wesentlich länger, als ich dir zugetraut hatte“, gab der Recke zu. Der Rennfahrer konnte sich eine Stichelei nicht verkneifen. „Keine Frage, deswegen ist deine Telefonrechnung so niedrig. Traust dich ja bei keiner so lange zu warten, bis sie abhebt, “ grinste er. Jetzt war die Kleine am Bike dabei, ihre Tasche zu verstauen und sich den Helm aufzusetzen. „Ihr wisst ja gar nicht, wie das ist. Von einem Mädchen wie ihr verschwindet man nicht bei Nacht und Nebel. Von ihr verabschiedet man sich, “ erläuterte Colt. „Warum hast du es nicht getan?“ hakte Saber nach. Der Cowboy senkte den Kopf, zog den Hut tief ins Gesicht und murmelte kleinlaut. „Weil sie mir einfach zu wichtig war ... ist.“ Vorsichtig hob der Rennfahrer die Kopfbedeckung ab und klopfte sacht auf den Kopf des Kuhhirten. „Hallo? Jemand zuhause? Grade dann sagt man Auf Wiedersehen, du Wüstenhopser, “ informierte er. Etwas unwirsch nahm der ihm den Hut wieder ab. „Was weißt du schon?“ Im nächsten Augenblick stand Chily wieder vor ihm. „Die Dunstkiepe ist ja immer noch meine.“ Damit hatte sie Colt das Ding auch schon abgenommen und kehrte wieder zu ihrem Bike zurück. Dass Colt nicht mal zu Protest ansetzte, war verwunderlich. Immerhin stand auf unerlaubtes Berühren seiner heißgeliebten Kopfbedeckung die Todesstrafe. „Warte Number 1.“ Er lief ihr nach und sie war tatsächlich stehen geblieben. Er legte ihr den Arm um die Schulter und raunte ihr ins Ohr. „Du weißt doch, wer ich bin.“ Der Dackelblick aus seinen blauen Augen genügte jedoch gerade noch nicht. „Ja“, schnaubte sie, „der Feigling, der sich nicht mal von seiner besten Freundin verabschieden kann, oder mal anruft. Das war nur fies. Ich hab aus der Zeitung erfahren, wo du gelandet bist.“ Sie machte sich heftig von ihm los und die nächsten Worte verstanden auch seine Freunde am Auto, so schrie sie. „Aus der Zeitung! Ich! Du mistige, kleine Kanalratte.“ Der Faustschlag auf seinen Oberarm tat ihr allerdings mehr weh als ihm. „Hast du auch nur im Ansatz eine Ahnung, was ich mir für Sorgen um dich gemacht hab?“ Bei diesen Worten hatte Chily ihr Motorrad erreicht. Als er zu ihr in den Schatten trat, boxte sie ihn wieder. Ungeachtet dessen zog er sie in seine Arme und flüsterte in ihr Ohr. „Ich weiß. Crazy Chily, ich weiß. Aber ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte.“ Dass er sie jetzt so fest hielt, besänftigte sie wieder. „Kenn dich doch, Bullet. Ich kenn dich doch.“ Verdattert folgten Saber, Fireball und April dem Motorrad zurück zur Ranch. Da hatte der Kuhhirte doch glatt eine Alte Flamme hier. Ob Robin begeistert war, wenn sie davon erfuhr? Wohl kaum. Besonders nicht so kurz vor der Hochzeit. Für den Rennfahrer und seine Freundin war klar, dass zwischen „Bullet“ und „Chily“ die Gefühle noch nicht abgekühlt waren. Saber jedoch hielt die beiden für gute Freunde. Keine verflossene Liebschaft hätte sich so gefreut Colt zu sehen und der Disput über den Abschied und die Trennung hätte wesentlich länger gedauert. Doch so leicht wie Chily sich hatte beruhigen lassen, erhob sie keine ernsthaften Ansprüche auf den Cowboy. Für den Recken wies alles auf eine gute Freundschaft hin und so viel stand auch fest: Chily war definitiv nicht wie andere Frauen. Von dieser etwas anderen Frau gab es an diesem Abend jedoch nicht mehr viel zu sehen oder zu hören. Kaum näherte sie sich der Eingangstür, stürmte der Schäferhund freudig bellend auf sie zu. „BooYeah.“ Chily ließ es zu, dass er sie umwarf und ihr zur Begrüßung das Gesicht ableckte. „Ja, ich hab dich auch vermisst, mein Süßer“, erklärte sie, knuddelte den Hund und erhob sich wieder. Mit einem „Gute Nacht“ war sie auch schon im Haus verschwunden. Offenbar hielt sie es genauso wenig für nötig irgendetwas zu erklären, wie Colt selbst. Der trollte sich gleich darauf ebenfalls und schien nicht die Absicht zu haben alsbald neugierige Fragen zu beantworten. Denn zumindest für den heutigen Abend war er ganz einfach nur müde und hatte keinen Bedarf mehr an Spötteleien, die seinen Erklärungen unweigerlich folgen würden. War das ein Nachthemd, das sie da noch trug? Es konnte auch ein langes Shirt sein. Auf jeden Fall endete es recht knapp unter ihrem Hinterteil. Mit einem Korb unter dem Arm tapste sie barfuß über den Hof in den kleinen Hühnerstall. „Petjuschka, du beklopptes Hahnenvieh, wenn du mich wieder hakst, landest du im Topf. Klar?“ Als hätte der Gockel sie verstanden, hielt er Abstand und wartete, bis sie das frische Gras aus dem Korb auf den Boden geleert hatte. Dann beäugte er abwechselnd das Grünzeug und seine Überbringerin um dem Futter den Vorzug zu geben. Chily verließ den Stall zufrieden. „Deine Tierliebe war schon immer ungewöhnlich.“ Die Stimme gehörte Colt. Seit wann konnte der denn so früh auf den Beinen sein? Der schlief doch sonst wie ein Murmeltier und war kaum aus dem Bett zu bringen. Jetzt war er rasch in eine Jeans gesprungen und stand neben Chily auf dem Hof. Was er ihr sagte, konnte Saber von seinem Beobachtungsposten aus nicht verstehen. Die beiden standen nah bei einander und sprachen recht leise. Sehr vertraut. Er strich ihr übers Haar und zog neckend an einem ihrer Zöpfe. Sie fuhr zurück und lachte. Dann verschwanden beide im Haus. Die Bewohner der Ranch pflegten für gewöhnlich gemeinsam mit ihren Gästen zu essen. Das ersparte zusätzlichen Aufwand, für den bei der Arbeit auf der Ranch keine Zeit blieb. Außerdem verlieh es dem Aufenthalt eine familiäre Note. Grundsätzlich, so erklärte Donna Joe beim Frühstück, kam es gut an. Einfach, weil man sich so auch etwas kennen lernen konnte. „Na, da frag ich doch glatt mal, woher du unseren Colt kennst und warum er dich Chily nennt“, richtete Fireball seine Neugierde prompt auf die rotbraun gesträhnte Blondine. Die Gefragte grinste, als hatte sie das erwartet. „Colt und ich haben schon zusammen in die Windeln gemacht.“ – „Und Chily heißt sie,“ erklärte der Scharfschütze, „weil sie früher auf Knopfdruck heulen konnte. Sie hat dann immer einen roten Kopf gekriegt. Wie eine Chili-Schote.“ Er lächelte sie gut gelaunt an. Gerade wollte sie etwas erwidern, da schellte das Telefon im Nebenzimmer. Donna Joe und sie lauschten auf den Klingelton. „ Für mich.“ Chily verschwand im angrenzenden Raum. „Okay, Mist. Die seht ihr heute nicht mehr, “ stellte Donna fest. Damit mussten sie den Ausritt, den sie zuvor geplant hatten, auf den nächsten Tag verschieben und ihre Zeit auf der Ranch und in der Stadt totschlagen. April nutzte ihre Chance und schleifte sie auf eine Shoppingtour durch die wenigen Geschäfte mit, die sie am Vortag nicht mehr abgeklappert hatten, weil die Jungs sie vehement und energisch bestreikt hatten. Am späten Abend fanden sie dann eine völlig fertige Chily auf der Bank vor dem Haus vor. Sie lümmelte halb liegend, halb sitzend darauf. Der Schäferhund hatte seinen Kopf auf ihren Schoss gelegt und ließ sich ausgiebig kraulen. „Man, du siehst ja fit aus“, stellte Colt fest und schüttelte leicht grinsend den Kopf. „Versuch du mal was so groß wie eine Melone aus einer Öffnung so groß wie eine Zitrone rauszuholen – im Doppelpack. Ich möchte ehrlich wissen, wie fit du dann noch aussiehst, “ gab sie müde zurück. Der Scharfschütze hockte sich zu ihr und dem Hund. „Na, BooYeah. Alles klar?“ Er strich dem Tier ebenfalls über den Rücken. In Fireballs Ohren klang das seltsam. „Großer Gott, sag nicht, dass der Hund echt ‚BooYeah‘ heißt.“ – „Großer Gott, sag nicht, dass du echt ‚Fireball‘ heißt“, versetzt Chily träge. „Jeder hat einen Namen auf, den er hört.“ Damit richtete sie sich ein wenig auf, gab dem Hund ein demonstrativen Kuss auf die Stirn und streckte Colt dann die Arme entgegen. „Bringst du mich ins Bett?“ bat sie mit Dackelblick. Er nahm sie auf die Arme. „Okay, Number 1.“ Das war dann richtig seltsam. Kein dummer Spruch, kein verlegenes Getue, nur aufrichtige Fürsorge, mit der der Kuhhirte seine kleine Freundin in ihr Zimmer hinauftrug. BooYeah folgte den Beiden. Ungläubige Blicke flogen zwischen Saber, Fireball und April hin und her. So kannten sie den Cowboy gar nicht. Sie konnten sich nicht daran erinnern, dass er Robin in Gegenwart seiner Kollegen so behandelt hatte. So ohne Scheu. Eindeutig verband ihn und Chily etwas Besonderes. „Ich hoffe, er kann es Robin besser erklären, als uns. Sonst ist er tot, “ meinte Fireball. „Er hat es uns gar nicht erklärt, “ gab April zurück. „Besorgen wir ihm einen bequemen Sarg, “ schlug Saber nüchtern vor. „ Und was meißeln wir ihm in den Stein?“ wollte der Rennfahrer wissen. „Na ja, über Tote nur Gutes, “ überlegte der Recke laut, „also am besten, gar nichts.“ Am Vormittag des folgenden Tages nahmen sie den aufgeschobenen Ausritt vor. Chily sollte sie als Führerin begleiten, weshalb sie nun die Fuchsstute Terra und den Braunen Sundancer sattelte. April bekam die weiße Stute, die sie am Tag ihrer Ankunft bewundert hatte. „Angel heißt sie. Richtig?“ wollte die Wissenschaftlerin wissen, während Chily den Sattelgurt festzog und prüfte, ob ihre Hand noch dazwischen passte. „Ja, richtig. Demons kleine Freundin.“ Lächelnd richtete sie sich wieder auf. „Nicht wahr, meine Schöne“ Die Stute nickte, als hätte sie verstanden, worum es ging. Colt führte ein Pferd, auch schon für den Ritt bereit, mit sich. „Wo bleiben Fire und Saber?“ erkundigte er sich. „Sind schon da“, ließ sich der Rennfahrer daraufhin vernehmen. „Alle bereit?“ Sabers Blick glitt über die vier gesattelten Tiere. In der Koppel begann Demon unruhig zu tänzeln. „Was ist denn mit dem los?“ fragte Fireball belustigt, nachdem er dem Treiben des Hengstes von Sundancers Rücken aus eine Weile zu gesehen hatte. „Der Leithengst erträgt es nicht, wenn es ohne ihn losgehen soll“, erklärte Chily und ging auf den Rappen zu. „Oh, Demon, “ rief sie neckend. Der Vollblüter näherte sich ihr ebenso und drückte seinen Kopf gegen ihre Schulter. Auf die Weise schob er sie sanft zum geöffneten Gatter. Das Schieben hörte nicht auf, bis sie rittlings aus der Koppel stolperte und lachte. „Keine Angst, Baby. Wir gehen doch mit, “ versicherte sie dann dem Tier. Der Hengst wieherte zufrieden und sie verschwand im Stall, auf der Suche nach Zaumzeug. Das Motorgeräusch eines sich nähernden Buggy zerriss die Stille dieses Sonntagmorgens. Das orangefarbene Gefährt näherte sich rasch und schwungvoll der Ranch und bremste scharf am Zaun. Colt hatte die Fahrzeugführerin erkannt noch ehe sie ausgestiegen war. Er war bei ihr am Tor, bevor sie es durchqueren konnte. „He, wo kommt denn meine Süße her?“ Im nächsten Moment riss er Robin in seine Arme und gab ihr einen stürmischen Begrüßungskuss. „Ist die Überraschung gelungen?“ fragte sie und erwiderte den Kuss. „Und wie.“ Der Scharfschütze legte ihr den Arm um die Schulter und schlenderte mit ihr zu den anderen. „Wir wollten grade Ausreiten. Kommst du mit?“ Seine Freunde lächelten dem Paar zu. „Ihr kennt Robin ja noch“, meinte Colt leichthin. „Ja, kann mich vage an die hübscheste deiner Bekanntschaften erinnern“, zwinkerte Fireball ihr munter zu. „Schön, dich wieder zu sehen, Robin“, ließ sich Saber vernehmen. Während die beiden recht verhalten grüßten, war April von Angel wieder hinabgestiegen und umarmte die Lehrerin erfreut. „Hi du!“ Chily kam aus dem Stall zurück und trug das Zaumzeug auf dem Arm. „Ja, hi, “ grüßte sie überrascht und freundlich den Neuankömmling. „Darf ich dir meine Number 1 vorstellen?“ wand Colt sich an die Kleine und wies dabei auf Robin. Die rotbraun gesträhnte Blondine hielt in der Bewegung, Demon die Zügel anzulegen inne, und hakte überrascht nach. „Noch eine? Jetzt wird es aber eng auf meinem Thron.“ Ihr Tonfall war unverfänglich, aber Robin hob verständnislos die Brauen. „Noch eine?“ Sie musterte Chily, die ein bauchfreies Neckholder-Top und eine enge Hose aus schwarzem, weichem Leder trug. „Wie viele hast du denn?“ fragte sie und Zorn schwang mit. „Ich weiß nicht, wie viele er hat. Fakt ist, bis eben war ich noch Number 1, “ erwiderte Chily leicht hin und hatte damit einen größeren Fehler gemacht, als ihr bewusst war. „Bis eben?“ wiederholte die Lehrerin ungläubig und brauste auf: „Colt?! Was geht hier vor? Lässt du mich nur kommen, damit du...“ Sie deutete auf Chily. „Ich dachte, du wolltest mich heiraten, aber das muss ich mir nur eingebildet haben.“ Damit wand sie sich schwungvoll ab und ging den Weg, den sie gekommen war zurück zum Auto. Prompt lief der Kuhhirte ihr nach. „Warte“, rief er aufgeregt. „Das kann ich dir erklären.“ Irritiert murmelte Chily: „Hat sie heiraten gesagt?“ Der Recke nickte: „Das hatte er vor, ja.“ – „Man munkelt es, ja“, bestätigte Fireball und auch April erklärte. „Ja, in ein paar Wochen ist Termin.“ Währenddessen dachte Robin nicht daran, stehen zu bleiben. Sie beschleunigte ihren Schritt. „Das kannst du dir sparen, war ja eindeutig genug!“ Hilflos rief Colt hinter ihr. „Aber das ist doch alles anders.“ Die Blondine hatte ihren Buggy erreicht, öffnete die Tür und schrie dem Scharfschützen zu: „Ja, es ist alles anders, als ich es mir vorgestellt habe! Ich will dich nicht mehr sehen!“ Von der Koppel her beobachteten die anderen das. „Der wollte heiraten“, stellte Chily noch immer verdattert fest. Als die Autotür zu schlug, begriff sie, dass sie gerade unbeabsichtigt für ein gewaltiges Missverständnis gesorgt hatte und rief: „He ... äh Blondie.“ Aber Robin hatte in ihrer Raserei kein Ohr dafür und brauste davon. Colt sackte auf den Boden und wimmerte hilflos: „Schatz, Süße! Bitte bleib doch da. Ich kann es dir erklären, echt.“ Dann erhob er sich wieder und drehte sich total überfahren zu seinen Freunden um. „Da ist sie hin, mein Ein und Alles.“ Bestürzt kehrte er zu ihnen zurück. Robin war auf hundertachtzig gewesen. Da hatte es keinen Sinn ihr irgendwas zu erklären, weshalb er ihr nicht folgte. Dafür fuhr Chily ihn an. „Colt, du bist doch echt ein Idiot.“ Vergnügt lachend bemerkte Fireball darauf: „Die Kleine da ist ein richtiger Blitzmerker.“ Für ihn, Saber und April war das die beste Show gewesen, die Colt in Punkte Frauen und Fettnäpfchen hatte hinlegen können. „Ich behaupte mal, ich kenn ihn besser als du“, knallte die Kleine ihm ungerührt zurück, dann brauste sie ihren Schulfreund an. „Soviel zum Thema: Number 1: Warum hast du mich nicht vorgewarnt?“ Der kam aus seinem überraschten Zustand kaum heraus. „Vorwarnen? Wovor denn? Vor Robin muss man normalerweise nicht vorwarnen, muss man doch nicht, “ entgegnete er. „Ja, glaub ich dir sofort. Hör mal, Jolly Jumper. Wieso, weiß ich, als Ex-Number 1, nichts von deinen Heiratsplänen? Ich hätte doch die Klappe gehalten.“ Sie fuhr sich durchs Haar. Das war ja ein schöner Schlamassel, den sie da verursacht hatte. „Jolly Jumper, “ wiederholte Saber grinsend. „Der ist gut.“ – „Der konnte noch nie still sitzen“, informierte Chily beiläufig. Deprimiert hob der Cowboy die Schultern. „Ich hatte noch vor, es zu erzählen. Aber... eigentlich... Robin wollte doch erst morgen kommen, bis dahin hätte ich dir das noch gesagt. Aber... Okay, ich hab es verbockt.“ Chily blickte ihn mit erstaunten Augen an. Das war mal eine Erkenntnis. „Aber gründlich, “ bestätigte sie, stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. „Was für eine Überraschung.“ Noch immer amüsierten sich Colts Freunde auf den Pferden. „Fehlt nur noch, dass irgendwo hier ein kleiner Jolly Jumper rumläuft“, feixte der Rennfahrer. „Das wär wirklich eine Überraschung, vor allem für unsere kleine Lehrerin.“ Just in diesem Moment meinte ein kleiner Junge mit braunen Locken und blauen Augen über den Hof rennen zu müssen und zu rufen: „MomChi, MomChi. Nimmst du mich mit? Ich will mit reiten.“ April brauchte nicht lang um zu erkennen, dass dies durchaus zusammen passte. „Colt, wo warst du vor ungefähr fünf Jahren?“ wollte sie lachend wissen. „Da bin ich grad weg von hier“, gab er einigermaßen arglos zur Antwort. Er wusste, dass Donna Joe einen Sohn hatte und von ihrem Mann getrennt lebte. Der Kleine war die vergangene Woche bei seinem Vater gewesen und sollte heute zurückkommen. Deshalb war Colt in dem Moment auch nicht klar, wie das auf seine Freunde wirkte. „Du hattest schon immer ein sagenhaftes Timing, Colt“, stellte Saber fest und deutete auf den Knirps, den Chily eben hochhob. „Hä?“ entfuhr es ihr und dem Scharfschützen gleichermaßen verständnislos. „Wovon redet ihr?“ bohrte sie nach. „Davon, dass der Kuhtreiber offenbar keine Alimente abdrückt. Das hätte er erwähnt, “ Fireball fiel vor Lachen fast vom Pferd „Ihr denkt das ist unser?“ Sollte Chily diese Aussage ernst nehmen? „Kann schon sein, ja“, gab April unumwunden zu. „Ich? Ein Kind? Ausgerechnet von Colt? Geht es noch?“ brauste die Kleine auf. „Zwillinge wären schlimmer gewesen“, stichelte der Rennfahrer munter weiter. Vor allem Colts Miene war ein Bild für die Götter. Er sah seine Kollegen ungläubig an und fand das Ganze eindeutig nicht lustig. „Komm aus der Sonne, Turbo, bevor dir das letzte bisschen Hirn weg brutzelt. Lässt ja tief blicken, was ihr von mir denkt, “ knurrte er verstimmt. Gleichzeitig kam die Antwort. „Nur das Beste!“ Chily setze Toto auf Demons Rücken und stieg ebenfalls auf. „Offensichtlich“, schnaubte sie mit düsterem Gesicht. „Colt? Wie hast du das mit denen bloß ausgehalten?“ – „Frag ich mich auch grad. Tolle Freunde hab ich, hab ich die doch.“ Er stieg auch auf. Chily pfiff noch nach BooYeah, der sofort über den Hof gewetzt kam und meinte: „Na, dann mal los, Bullet. Reiten wir. Sollen sie sehen, wo sie bleiben. Toto, festhalten.“ Damit presste sie die Schenkel leicht in die Seiten des Hengstes, der daraufhin lospreschte. Der Scharfschütze folgte ihr und seine Freunde mussten aufpassen, dass sie nicht abgehängt wurden. „Da fehlt das Lenkrad und der Ganghebel,“ maulte Fireball scherzend. „Ich frag mich es, wie es gelungen ist, dich von deinem Auto zu trennen,“ grinste April. Colt und Chily überquerten die Wiese sehr zügig und waren im angrenzenden Wald verschwunden, ehe die drei Spottdrosseln folgen konnten. Da sie das Gebiet nicht kannten, entschieden sie sich den Weg am Forst entlang zu reiten um leichter zurück zur Ranch zu finden. Colt und Chily durchritten das Dickicht und erreichten auf der anderen Seite das Ufer des Ohio-River, dem sie folgten. Zunächst schweigend. „So, ich glaub, jetzt haben wir mal zwei Minuten Ruhe“, meinte Colt dann. „Ja, hoffentlich.“ Chily war etwas verstimmt über die Spötteleien. „Wie hast du das mit denen bloß ausgehalten?“ Grinsend erwiderte er: „Eigentlich ganz gut. Du weißt ja, man passt sich an.“ Darüber musste sie lachen. „Oho, du hast dazu gelernt. Das war doch sonst nicht deine Stärke.“ Heiter erklärte er: „ Du wirst es nicht glauben, ich bin brav geworden. Und... häuslich.“ Sein breites Grinsen sollte das wohl betonen. „Klingt gut. Erzähl mir mehr davon. Wer ist die neue Miss Number 1?“ Nachdem sie der Grund für den Streit zwischen den beiden war, wollte Chily schließlich wissen, was ihr da eigentlich entgangen war. „In einigen Wochen Misses. Ich will sie heiraten, “ erhielt sie recht schlicht zur Antwort. „Vielleicht solltest du den Termin aufschieben. Ich hatte nicht den Eindruck, dass das noch was wird.“ Die Zukünftige war immerhin wütend abgerauscht. „Robin beruhigt sich schon wieder. Hkm, hoffe ich halt.“ So sicher wie er gern wäre, war er leider nicht. Robin hielt seine Schulfreundin offenkundig für eine Rivalin. Leider war Chily ja keine Vogelscheuche. „Mein Schatz ist manchmal ziemlich schnell auf hundertachzig. Aber eigentlich eine ganz Liebe, “ ergänzte er dann, damit Chily nicht den falschen Eindruck bekam. Er wollte sie genauso bei der Feier dabei haben, wie die abgehängten Spottdrosseln. Die Reiterin neben ihm hob die Brauen. „Das hast du über alle weiblichen Wesen dieser Stadt gesagt. Was ist denn an ihr so besonderes? Außer, dass sie konsequenter ist, als alle anderen, “ bohrte sie. „Sie ist eine starke Frau. Selbstbewusst und gleichzeitig selbstlos. Robin ist mein Fels in der Brandung und ihre Augen.“ Der verliebte Blick reichte Chily. Sie hatte ihn ja schon oft schwärmen sehen, aber das da war grad ganz eindeutig Liebe in seinen Augen. Sie grinste zufrieden. „Aha. Wo habt ihr euch kennen gelernt?“ Um keinen Preis würde sie ein Wort darüber verlieren, dass es ihn voll erwischt hatte. Sonst würde er wieder vor lauter Verlegenheit alles herunterspielen. Oder nicht? Robin musste ihn in diesem Punkt verändert habe. Verträumt sah Colt über den Fluss. „Tranquility, die Friedliche.“ Er flüsterte es beinahe. „Sie ist dort angepöbelt worden, als ich grade einkaufen war.“ Chily lachte munter: „Oh man, dann war sie aber gerade kein gutes Aushängeschild für ihre Stadt. Und du hast mal wieder Retter in der Not gespielt. War ja klar.“ Die Masche kannte sie schon vom ihm. „He“, mahnte er sie. Nicht mal seine Schulfreundin durfte ein falsches Wort über Robin sagen. „Die gute Robin hat keinen Retter in der Not gebraucht, das hab ich dann auch gemerkt“, erklärte er. „Ach und weshalb hat sie keinen gebraucht? Jetzt bin ich gespannt.“ Sie hob amüsiert die Brauen. „Hat sie den oder die Typen etwa selber platt gemacht?“ Der Scharfschütze schüttelte den Kopf. „Das hab ich noch erledigt. Aber dafür hat sie mich dann platt gemacht. Gott, diese Frau hat Pfeffer im Hintern! Robin hat genaue Vorstellungen vom Frieden und von Gerechtigkeit, “ meinte er dann. Das waren ja nicht zu letzt die Gründe, weshalb er sich sofort in sie verliebt hatte. Chily verstand das gleich. „Aha, so wie du und ich, “ nickte sie. „Und sie hat zur Abwechslung keinen Retter gebraucht. Das ist doch mal was anderes. Wie hat sie dich platt gemacht?“ In Chily wuchs immer mehr Sympathie für Colts Herzdame. „Ach, das ist doch nicht so wichtig“, wich er aus. „Naja, ich weiß nicht wie, aber irgendwie hab ich sie abgekriegt, “ lachte er dann. „Also musst du irgendwie auf dem Boden gelandet sein. Sonst würdest du es erzählen, “ scherzte sie. „Man, Jolly Jumper, ich hätte nie gedacht, dass dich mal eine vor den Altar schleift. Aber irgendwas sagt mir, dass sie die richtige ist, “ stellte sie dann fest. „Klar ist sie die richtige. Sie ist kinderlieb und gut erzogen, “ ergänzte er grinsend. Jetzt fiel Chily beinahe vom Pferd vor lachen. „Die ist perfekt. Die darf ausbügeln, was ich versaut hab.“ Nein, dass war herrlich. Wie oft hatte die rotbraun gesträhnte Blondine versucht, Colt davon abzuhalten irgendwelchen Blödsinn zu verzapfen? Genauso oft wäre ein Gespräch mit einem Pfosten erfolgreicher gewesen. Offensichtlich musste man sein, wie Robin um bei ihm was zu bewirken. „Lass sie das nicht hören, sonst versohlt sie dir dafür den Hintern. Du hast keine Ahnung, wie oft sie mich fragt, wer mich so verdorben hat, “ antwortete er neckend „Na, gut, dass ich diesmal vorgewarnt bin,“ japste sie zurück und versuchte, sich wieder zu beruhigen. „Weil wir doch gerade bei vorgewarnt sind, “ wechselte der Cowboy das Thema. „Muss ich auch vorgewarnt werden, vor deinem Liebsten?“ Chilys Miene verdüsterte sich für einen Moment, dann lächelte sie wieder. Colt war es dennoch nicht entgangen. „Och nö, da gibt es keinen. Es seiden der Verflossene meint mal wieder, dass er mich zurück will, “ informierte sie leicht hin. „Wie hast du ihn denn verflüssigt, dass er das nicht so ganz wahrhaben will?“ hakte der Cowboy nach. „Eigentlich war mein Wortlaut: Verschwinde aus meinem Leben, aber er ist leider sehr besitzergreifend. Du weißt ja, wie ich auf sowas stehe, deshalb war es ja auch der Trennungsgrund.“ Das war ihre Art so wenig wie möglich darüber sprechen zu müssen. Colt kannte das und bohrte darum weiter. „Das war doch eigentlich sehr deutlich. Also, deutlicher als mein Antrag. Der hat wohl was an den Ohren. Kenn ich den Knilch?“ Verlegen hustete sie. „Ja. Es wurde ihm schon oft verdeutlich, aber irgendwie ist er wohl vergesslich.“ Ach so war das. An ihrem Verhalten erkannte er, dass sie sicher schon die Polizei mal hatte einschalten müssen. „Soll ich ihm das mal deutlich machen? Ich kann das sehr gut. Hab da zwei durchschlagende Argumente und zur Not noch zwei Freunde, die ich ihm auf den Hals hetzen kann, “ bot er an. Das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er erstens alles wissen wollte und keine Ausflüchte duldete. Zum zweiten, dass er wem auch immer gewaltig die Meinung geigen würde, wenn sie nicht aufpasste. Und gewaltig war nicht unbedingt verbal gemeint. „Ach weißt du, die durchschlagenden Argumente der Polizei haben ihn nicht so beeindruckt“, wand sie sich noch ein wenig und überlegte, ob es viel Sinn machen würde, ihn an die Leine zu legen. Vermutlich nicht. Wenn er erstmal alles wusste, würde er die Leine zerreißen und dennoch losstürmen. Das musste sie anders anstellen. „Da kennt er meine Argumente aber schlecht. Zeig mir den Armleuchter mal. Den knöpf ich mir vor.“ Das war Colts Beschützerinstinkt wie schon aus Kindertagen. „Lass gut sein, Colt. Im Moment ist er ja wieder bei Tausend-Tonnen-Tina eingezogen. Ich hab also erstmal Ruhe, “ dämmte sie seine aufkeimenden Retter-der-Unschuldigen-Allüren. „Ah, ja, die gute TTT.“ Das Mädchen war mit ihnen auf die High-School gegangen und ein Jahrgang unter ihnen gewesen. Da sie zu dem Zeitpunkt die Figur hatte, der sie den Namen verdankte, war Colt noch weniger davon begeistert. Selbst wenn der Name nun nicht mehr zu ihr passte, Colt war sich sicher, dass sie keine Konkurrenz zu seiner besten Freundin war. „Hör mal, Chily, der Kerl muss mal ein paar Takte Anstand erklärt bekommen. Also, wer ist dein Verflossener?“ fragte er energisch. „Dean“, hustete sie wieder verlegen. Auch den kannte er von früher. Der war im gleichen Jahrgang gewesen, wie die beiden. Dem Scharfschützen rollte die Kinnlade ins Unendliche. „DER?“ rief er geschockt aus. „Wie besoffen warst du denn da, als du dich mit dem zusammengetan hast?“ Der angesprochenen stieg die Verlegenheitsröte ins Gesicht. „Steig mal ab, Toto, und spiel mit Boo mal eine Runde Stöckchen werfen.“ Damit setzte sie den Knirps ab und wartete bis der mit BooYeah ein Stück vorrausgesprungen war. „Ich war nicht besoffen“, rechtfertigte sie sich dann. „Er war einfach ... na ja ... zum verlieben halt.“ – „Dann hat sich das hässliche Gesicht ausgewachsen? Und jetzt rückt dir der Pfosten nicht mehr von der Pelle? War wohl doch nicht so die große Liebe, was, Chily?“ Der Cowboy konnte das nicht so ganz fassen. Dean war in der Schule als Pickelgesicht bekannt gewesen. Doch aus der Pubertät raus zeigte sich bald, dass unter der fiesen Akne ein recht hübsches Gesicht steckte. „Er war für drei Jahre weg. Als er wieder kam letztes Jahr ... Er sieht gut aus. Und schien sich geändert zu haben, nett und charmant zu sein. Du weißt besser als jeder andere, dass ich es nicht mag, wenn man mich einengt. Wie sollte das halten? Schon wir beiden hatten Zoff, wenn ich das Gefühl hatte, du würdest mich beglucken, “ führte Chily die Sachlage aus. „Ich beglucke nicht, ich passe auf dich auf!“ Das musste Colt sofort klar stellen. „Der Kerl wollte die Freiheitsliebende zur Hausfrau machen? Das konnte ja nur in die Hose gehen. Und jetzt rafft er nicht, dass "Nein!" auch bei Frauen "Nein" heißt? Ich sollte mich mal auf ein paar Bierchen mit ihm zusammensetzen und ihm ein Frau-Mann-Lexikon mitbringen.“ Kopfschüttelnd antwortete sie: „ Oh Bullet, als ob ich nicht weiß, was das bedeutet. Aufschlagen, zuschlagen und immer wieder nachschlagen. Lass es einfach.“ – „Ich lass gar nichts“, brauste der prompt auf. „Keiner tut meiner Number 1 was und der schon gleich zweimal nicht.“ Wie kam er denn dazu? Nein, nicht mit Colt. Chily hatte von jeher ihre Unabhängigkeit geliebt. Niemand durfte ihr die nehmen. „Und Robin?” Chily hatte das so unvermittelt gefragt, dass der Scharfschütze nicht gleich mitkam. „Und Robin? Die ist mein Glück, mein kleiner Schatz.“ Keck grinsend stellte seine Jugendfreundin fest. „Vor hin hast du sie mir als Number 1 vorgestellt. Es kann nur eine geben.“ – „Echt, hab ich das? Ich... naja... Es gibt ja auch nur eine Robin und eine Chily, “ entgegnete er leicht grinsend und zog seinen Cowboyhut so tief ins Gesicht, wie er nur konnte. „Und auf welche hörst du? Auf keine, “ lachte sie. Das war Colt wie er eben war. „Muss ich auch nicht. Naja, noch nicht, “ gab er zurück. „Tu mir einfach einen Gefallen, Bullet. Okay?“ Chilys Stimme hatte einen schmeichelnden Ton. Sie wusste, dass es genau der war, den sie treffen musste, um von dem Kuhhirten so ziemlich alles zu bekommen, was sie wollte. „Aber immer doch, Süße, “ erwiderte er. Jetzt setzte sie noch ihre Unschuldsmiene auf. „Wirklich? Schwörst du?“ bohrte sie. „Ich schwör auf die Satteltaschen meiner Großmutter“, versicherte er. Schließlich wusste er, dass sie ihn um den Finger wickeln wollte. „Oh Jolly bitte. Die konnte gar nicht reiten. Es ist wichtig.“ Der flehende Blick aus ihren hübschen blaugrünen Augen reichte um ihn weich zu kochen. Wie immer. „Du hast mein Wort.“ Er legte die rechte Hand auf seine Brust und hob die linke. „Dann lass bloß Dean in Ruhe. Verstanden. Vielleicht hält es diesmal mit ihm und TTT. Dann brauchst du dich gar nicht bemühen.“ Jetzt war ihr Tonfall wieder normal. „Aber wenn er dir zu nahe kommt, darf ich ihn mit meinen Freunden bekannt machen“, beharrte er. Mist, wieso fiel er auf die Masche immer noch rein? „Wird er nicht“, warf sie zurück. „Aber wenn doch: Das hier sind Vernunft und Verstand“ Dabei hielt er je eine Faust in die Höhe. „Und Fire und Saber haben die auch.“ Sie würde es nicht schaffen, ihn am Eingreifen zu hindern, sollte Dean ihr je in Colts Gegenwart zu nahe treten. „Du hast dich kaum verändert“, bemerkte sie nicht wirklich überrascht. „Hab ich auch nie behauptet.“ Irgendwann machte sich die kleine Gruppe auf den Rückweg. Toto begann zu quengeln und bekam Hunger. Als sie den Wald zurück zur Wiese ritten, begegneten sie Saber, April und Fireball, die von ihrer Tour auch gerade auf dem Heimweg waren. „Ich hoffe, ihr habt euch keine allzu großen Sorgen um uns gemacht“, kommentierte der Recke das unschöne Abhängen durch Chily. Leicht verstimmt trabten sie nun voraus. Alles schwieg. Jeder hing seinen Gedanken nach. Der Wind wehte sanft und strich ihnen laue Luft in die Gesichter. Die Sonne warf ihre warmen Strahlen auf die Erde und ließ die Bäume am Waldrand kühlenden Schatten auf den Wiesenrain werfen. Plötzlich zerriss ein kräftiger Rülpser die Stille. Die vorderen drei wanden sich überrascht um. Chily blickte vorwurfsvoll auf Colt, der sie seinerseits recht überrascht ansah. April setzte grade an, den Kuhhirten tadeln zu wollen, da krähte Toto: „Boah, MomChi. Was für ein Brüller. Du bist ja besser als ich.“ Chily riss die Augen auf. Verlegenheitsröte schoss ihr ins Gesicht und entlarvte sie als Übeltäterin. Ihrer Miene nach zu urteilen, konnte der Knirps sich glücklich schätzen so klein zu sein. Jeden anderen hätte sie wohl kurzerhand vom Pferd geschmissen. „Bist du sicher, dass das nicht deiner ist, Colt? Ein Gespür für Fettnäpfchen hat er ja, “ meinte April. „Na hör mal, “ fuhr Chily sie heftig an. „Rechne mal bitte nach. Toto ist fünf. Colt und ich sind zweiundzwanzig. Ich wäre siebzehn gewesen. So eine bin ich nicht, “ fauchte sie wütend. Sie presste Demon ihre Schenkel in die Seiten und ritt in scharfen Galopp davon und Richtung Ranch. Chily ließ sich fast den ganzen Tag nicht mehr blicken. Erst am Abend fand sie den Weg auf die Ranch, nachdem sie mit ihrem Motorrad noch stundenlang durch die Gegend gefahren war, um das Essen zu machen. Colt half ihr dabei in der Küche. Wie früher, ganz selbstverständlich. Seine Freunde hörten die beiden albern. Vorsichtig traten sie in die Küche. Gleich neben der Küchentür befand sich eine lange Eckbank, der Esstisch und ein paar Stühle darum. In der gegenüber liegenden Ecke befand sich die Kochzeile. Fireball und April huschten auf die Bank. Aus irgendeinem Grund hatten sie das Gefühl, es sei sicherer einen gewissen Abstand zu Colt und Chily zu halten. Saber trat unschlüssig ein paar Schritte auf die beiden Freunde zu, die ihre Neckreien eingestellt hatten, als die drei hereingekommen waren. Saber stützte sich gegen die Lehne des Stuhls, der der Kochnische am nächsten stand. „Hör mal, Chily,“ brach er schließlich das entstandene Schweigen. „Es tut uns leid. Bei Colt kann man nie wissen… Aber wir hätten nicht von ihm auf dich schließen dürfen.“ Sie fuhr fort eine rote Paprika zu würfeln, drehte sich auch nicht um und gab nur knapp zurück. „Das wäre für den Anfang ganz nett gewesen.“ Unbehaglich rutschte April auf der Bank vor. „Ja, weißt du, mit der Zeit wird man ein bisschen rücksichtslos, wenn man mit Colt durch die Lande zieht,“ versuchte sie zu erklären. Ihr verlegenes Lächeln entging der rotbraun gesträhnten Blondine, die sich jetzt daran machte einen grünen Paprika zu zerkleinern. Dann warf sie doch einen kurzen, aber vorwurfsvollen Blick über die Schulter. „Du kennst ihn schwach, wenn du rücksichtslos und Colt so in einen Satz einbauen kannst.“ Der Scharfschütze setzte einen Topf mit Kartoffeln auf den Herd und schaltete die Platte ein. „Sie meint, dass Colt die Spöttelein alle verträgt. Naja, wir dachten, seine Freunde unterscheiden sich nicht groß von unserem Viehtreiber,“ nahm der Rennfahrer seine Freundin in Schutz. Jetzt drehte sich Chily um, musterte ihn kurz, schaute prüfend in ihren Ausschnitt und meinte dann: „Nö. Ist nicht so wirklich offensichtlich der Unterschied.“ Immerhin umspielte nun ein leichtes Grinsen ihre Lippen. „Wir reden nicht von den Äußerlichkeiten Chily,“ lächelte Saber darauf. „Da wärst du uns zehmal lieber als Colt.“ Der hatte eine Pfanne aus dem Schrank geholt und ging an dem Recken vorbei zum Herd. Das Plong verriet, dass er dem Blondschopf einen leichten Schlag damit versetzt hatte. „Hab ich dir das erlaubt?“ Chily wand sich wieder dem Gemüse zu. „Hab ich mich je an sowas gehalten?“ Die Bratpfanne wurde ebenfalls auf den Herd gestellt und Öl wurde hinein gegossen. „Nicht so viel davon,“ mahnte Chily und Colt setzte die Flasche ab. „Ich glaube, das Missverständnis heute war ein Segen für deine Robin,“ meinte sie dann. „Und an mich denkst du wieder gar nicht,“ nörgelte er. „Nö,“ grinste sie frech. „Ich hatte schon von jeher mehr Mitleid mit den armen Mädels, die auf dich reingefallen sind.“ Colt nahm das Schälchen in dem schon Zwiebelringe waren und kippte es ins Öl. „Die Mädels?“ hakte er nach. „ Sind das die, die du unter der Rubrik ‚hohle Nuss‘ geführt hast? Oder …? Gab es überhaupt noch einen anderen Bereich?“ – „Ich. Es gab nur zwei Arten Mädchen. Die auf dich reingefallen sind, die ‚hohlen Nüsse‘, und mich.“ Mit der Erläuterung drückte sie ihm einen Kochlöffel in die Hand. „Und was unterscheidet dich so wesentlich von den anderen Mädchen?“ wollte Fireball wissen. Jetzt endlich war der Zeitpunkt da, wo man ein paar interessante Details von früher in Erfahrung bringen konnte. „Ich bin die Einzige, die Colt als Ausrede benutzt hat, wenn sie um ein Date gebeten wurde, auf das sie keine Lust hatte. Das hatte zur Folge, dass man uns für ein Paar hielt und sämtliche Mädchen mich nicht leiden konnten. Sie waren schließlich alle hinter Colt her und ich war die böse Konkurenz,“ grinste sie und holte sich aus dem Kühlschrank einen Becher Sahne. Saber machte es sich auf dem Stuhl bequem, an dem er bis eben noch gelehnt hatte. „Warum nennst du ihn Jolly Jumper?“ Chily beförderte den Paprika in die Pfanne. „Der Hengst Jolly Jumper konnte nie an einem Ort bleiben und Colt nie bei einem Mädchen. Er hat so etwa fünfzig Prozent der Bevölkerung von Tucson-City gedatet,“ informierte sie dabei. „Nur fünfzig,“ staunte April. „Na ja, eigentlich einundfünzig, aber mit mir ist er nie ausgegangen und die restlichen neunundvierzig Prozent sind Männer,“ erhielt die Blondine leichthin zur Antwort. Die Zuhörerschaft grinste breit. „Und warum ist er nie mit dir ausgegangen?“ bohrte April weiter, aber Chily stand grübelnd vor dem Gewürzregal, weshalb Colt antwortete. „Chily und ich sind zu verschieden. Sie ist so mehr der Hippie und ich eher der Soldat. Sie stopft Blumen in den Lauf einer Waffe. Ich feuere sie ab. Die Waffen.“ So langsam konnten sich seine Freunde besser vorstellen, was die beiden früher für ein Bild abgegeben hatten. „Lass ja nix anbrennen,“ erinnerte Chily ihn. „Hab ich nie.“ Schnell rührte er den Inhalt der Pfanne um und fügte die übrigen Zutaten hinzu. „Außerdem hat er ständig auf mich aufgepasst,“ ergänzte seine Schulfreundin die Erklärung. „Die Vorstellung, dass ein Junge mir die Unschuld rauben könnte, hat ihn schier wahnsinnig gemacht. Er hat mir erzählt, als wir fünfzehn waren und er so unschuldig nicht mehr war, dass man um Sex zu haben fünfundreißig sein muss und eine staatliche Genehmigung braucht.“ Seine Freunde brachen in schallendes Gelächter aus. Das Statment passte zu dem Scharfschützen, der sich schwach rechtfertigte: „Das stimmt auch … für Texas.“ Eine solche Aussage führte nicht dazu, dass das Lachen verstummte. Chily bemerkte kopfschüttelnd: „Du kannst dir immer noch nicht vorstellen, dass ich Sex haben könnte.“ – „Du hast keinen Sex,“ rief der Cowboy aus. Die erneute Lachsalve war kaum minder, als die vorige. Chily löschte den Inhalt der Pfanne mit etwas Wasser ab und fügte ein paar Gewürze hinzu. „Bullet, mit der Jungfrau Maria hab ich nun wirklich gar nichts gemeinsam.“ Der Angesprochene warf einen prüfendenen Blick auf die Kartoffeln und begann dann den Tisch zu decken. „Dachte ich mir doch, dass er schon immer ein Schwerenöter war,“ meinte Fireball munter. „Ja, war er,“ bestätigte Chily, während sie das Essen abschmeckte. „Auf der Highschool gab es kein Mädchen in unserem Jahrgang, dem er nicht die Zunge in den Hals gesteckt hätte.“ Saber hob die Brauen. „Sogar dir?“ hakte er nach. Leicht verlegen wand sie sich zu ihnen. „Na ja, zu Übungszwecken halt.“ Grinsend tauschten die drei am Tisch Blicke.„Deshalb warst du so geschockt, als du gehört hast, dass er heiraten will,“ meinte die Wissenschaftlerin. „Auch.“ Die Gefragte schaltete den Herd ab. „Weißt du, wenn wir als Kinder ‚Heiraten‘ gespielt haben, hat Colt immer einen Meter vor dem Altar kehrt gemacht, die Flucht angetreten und mich stehen lassen.“ Fireball quiekte vor Vergnügen. „Was für ein Omen. Also sieht er nicht nur aus wie Lassie, er kann auch so lecken wie er!“ Chily schoss die Schamesröte ins Gesicht. „Da fragst du die falsche, aber eine Umfrage in der Stadt wird dir die Antwort geben.“ Saber hob die Schultern. „Eigentlich ist die ganze Stadt für uns jetzt Tabu.“ bemerkte er. „Wieso?“ Dabei goss Colt das Wasser aus dem Topf mit den Kartoffeln. „Du bist mit der gesamten Stadt ausgegangen und Fire und ich halten uns an die alte Regel: Die Ex eines Kumpels ist Tabu, “ grinste der Recke vielsagend. Chily nahm die Pfanne vom Herd und füllte den Inhalt in eine Servierschüssel. „Ich bin keine Ex“, informierte sie breit grinsend. Sofort warf Colt hinterher. „Aber trotzdem Tabu!“ Das musste schließlich klar gestellt sein. „Fängt das schon wieder an.“ Seine Jugendfreundin rollte die Augen. „ Zwei Tage hier und schon wieder komplett die Oberglucke. Muss ich jetzt ins Kloster?“ Fireball rutschte auf der Bank ein Stück nach vorn. „Das nicht, aber ein Keuschheitsgürtel würde ihm schon genügen.“ Prompt sprang Chily von Colt weg. „Untersteh dich, Jolly“, warnte sie. April lehne sich zu frieden zurück. „Aber Hauptsache um mich macht er sich keine Sorgen.“ Dann lachte sie. Einen Keuschheitsgürtel hatte Colt ihr nie angedroht oder auch nur im Ansatz so extrem den Bewacher gespielt. „Mensch, man könnte ja glauben, unser guter Colt wäre unter die Pfarrer gegangen“, meinte die Blondine dann. „Nee, das würde Reverant Steam nicht zu lassen. Seine Tochter hat Jolly schließlich auch verführt.“ Fireball glitt vor Lachen fast unter den Tisch. „Oh, Mann. In unseren Gefilden ist die Tochter des Pfarrers Tabu, “ japste er. „Colt, bist du wirklich so triebgesteuert, oder tust du nur so?“ Dessen Jungendfreundin setzte an, das herunter zu spielen. „Ich würd ihn jetzt weniger triebgesteuert nennen, eher experimentierfreudig.“ Aber das hatte nicht ganz die Wirkung, die es haben sollte. „Deswegen ist er also an einer Lehrerin hängen geblieben“, stellte Saber trocken fest. So trocken, dass Chily einen Lachanfall bekam. „Hast du ein Problem mit Robin?“ wollte Colt wissen. „Ich sage lediglich, dass du in Robin deine Meisterin gefunden hast“, antwortete der mit spöttischem Lächeln. Unter der erneuten Lachattacke brach Chily nun in die Knie. Hilflos keuchte sie. „Halt bloß die Klappe.“ Schulterzuckend erwiderte der Recke. „Naja, ich mein ja nur. Seit er mit Robin dauerhaft zusammenwohnt, ist er schon soweit, dass er die Zahnpastatube nicht mehr offen liegen lässt. Das haben wir in zwei Jahren nicht geschafft. Ihre Erziehungsmethoden zeigen also Wirkung.“ Die Zweideutigkeit darin legte Chily endgültig flach. „Wenn du sie umbringst, Boss“ Dabei deutete Colt auf Chily, die kaum noch Luft bekam, vor lauter Lachen. „bring ich dich um.“ Der Angesprochene hob unschuldig die Hände. „Wenn deine Marotten ihr Todesurteil sind, ist es ja nicht meine Schuld.“ Das zweideutige Lächeln verschwand jedoch nicht aus seinem Gesicht. „Sie hat meine Marotten überlebt, wie man sieht. Aber du nimmt ihr den Atem, “ betonte der Scharfschütze. „Das spricht doch sehr für mich.“ Von seinem Platz aus deutete Fireball auf Chily, die krampfhaft versuchte sich wieder zu beruhigen. „Wer sagt denn, dass du die damals schon hattest?“ Jetzt hob sie leicht den Arm und japste: „Ich … ich sag das. Ist immer noch dasselbe mit ihm.“ – „Okay, aber offensichtlich wusste sie nicht, dass sie schlimmer geworden sind, deine Marotten“, nickte der Recke verstehend. Chily erhob sich kichernd. „Ich liebe Leute mit trockenem Humor, auch wenn es mich jedes Mal vor Lachen fast killt“, sagte sie und strich sich eine Strähne zurück, die ihr über den Augen hing. „Na dann, darf ich vorstellen? Chily, dein Traummann. Saber - dein Hippie, “ machte Fireball die beiden mit einander bekannt. „Na, kann das sein, dass das etwas voreilig ist. Er sieht nicht aus, als würde er auf Hippies stehen.“ Damit stellte sie das Essen auf den Tisch. „Außerdem hängt unsere gute Chily-Schote an ihrer Freiheit.“ Colt setzte sich. „Ach, tief in seinem Herzen ist unser Saber doch auch ein Hippie“, versicherte der Rennfahrer und begann sich eine gute Portion auf seinen Teller zu häufen. Einen gesunden Appetit hatte er noch immer. „Muss sehr tief sein.“ Colt bediente sich ebenfalls. „Und wie schon gesagt, Chily würde ihre Freiheit nie freiwillig hergeben“, betonte er. „Ja, freiwillig vielleicht nicht, aber so hinterrücks könnte das schon passieren. Das geht schneller als man denkt, “ entgegnete April leicht hin. Der Cowboy runzelte die Stirn. Auch Chily. „Ich glaube, du verstehst nicht das gleiche unter Freiheit wie ich, April“, meinte sie dann. Immerhin war das keine Metapher für Unschuld. Sowohl Colt als auch Chily sprachen von Freiheit im eigentlichen Sinne. „Dann definier mir deine Freiheit, Chily“, forderte die Wissenschaftlerin sie auf. „Ganz einfach: Tun und lassen was ich will. Ich treffe meine Entscheidungen für mich und da Colt nicht da war, konnte mich auch niemand davon abhalten.“ Endlich fand sie auch zu den anderen an den Tisch und begann zu essen. „Man kann niemals tun und lassen was man will. Es geht nur bis zu einem gewissen Grad. Verpflichtungen, Erwartungen und die Arbeit schränken die Freiheit erheblich ein, “ konnte April sich nicht verkneifen ernsthaft zu erklären, dann lächelte sie wieder. „Obwohl, du hast Recht. Ich muss mich auch nach dem Herren hier richten, wenn er mal Zeit hat.“ Damit stieß sie ihren Freund leicht an. „Mit dem was ich tu, schade ich ja keinem. Also bitte.“ Ein kleinwenig entrüstet klangen die letzten beiden Worte. „Aber nicht alle Entscheidungen, die ich früher treffen wollte, konnte ich umsetzen ohne dass Colt mit einem Keuschheitsgürtel ankam.“ Der verteidigte sein Verhalten postwendend. „Das ist auch gut so! Sonst hättest du einen Stall voll kleiner Fratzen.“ – „Denkst du ich bin dämlich?“ fragte sie vorwurfsvoll. „Du nicht, aber die Affen da draußen sind alle wo gegen gelaufen!“ Damit schob Colt sich einen Happen in den Mund und grinste zu Frieden. „Das wird echt nie enden. Colt, vielleicht solltest du aus meinem Leben verschwinden, damit ich ein normales habe.“ – „Normaler als mit mir wird es nie sein“, warf der zurück. „Okay. Dann lass mal noch ein paar Sprüche hören, Saber. Ich will grad sterben ... aber bitte so lustig wie möglich, “ wand sie sich an den Recken. „Colts alltäglichen Wahnsinn muss man doch nicht kommentieren, das reicht, wenn man es mit ansehen muss,“ gab der Schulter zuckend zurück. „So viel zum Thema Traummann.“ Chily warf Fireball einen kritischen Blick zu. „Kein Wunder bin ich Single. Auf Männer kann man sich einfach nicht verlassen.“ Der rechtfertigte sich gleich. „Hey, guck mich nicht so an! Ich mein, ich helf gern aus, aber da muss ich passen.“ Das muntere Grinsen war ihm dabei noch nicht vergangen. „Meine Rede. Männer!“ Chily schob sich den letzten Happen in den Mund, bevor sie auf die Idee kam, etwas Unpassendes zu antworten. Dummerweise war in ihr und dem Recken aber die Erinnerung an die Enttäuschungen durch das andere Geschlecht hochgespült worden. „Ihr Frauen seid auch kein Stück besser, nur weil ihr so tut“, entfuhr es Sabers Lippen. Schnell trank er einen Schluck Mineralwasser, aber es war zu spät. Das Gespräch hatte eben eine Wende in einen unerfreulicheren Bereich genommen. Die rotbraun gesträhnte Blondine hakte sofort ein. „Was genau willst du uns Frauen jetzt bitte unterstellen?“ Saber versuchte eine unbeteiligte Miene aufzusetzen. „Ihr seid scheinheilig“, antwortete er knapp, aber nicht bissig. „Du meinst, wir lügen?“ bohrte Chily weiter. „Nein, aber ihr legt die Wahrheit sehr frei aus“, stellte er richtig. „Das würde nur bedeuten, dass wir schon einigermaßen clever sind“, definierte Colts Jugendfreundin das auf ihre Weise. „Hinterhältig, ja. Aber das hat mit clever nichts zu tun, “ korrigierte der Blonde die Aussage. „Hinterhältig? Na, dass ist aber nicht wahr. Wir machen keine Versprechungen, die wir dann nicht halten und wir schränken niemanden ein.“ Jetzt war Chilys Tonlage schon leicht gereizt. Colt, Fireball und April folgten dem Dialog im aufgesperrten Ohren. „Aber ihr meldet euch nicht, antwortet nicht auf Briefe und geht nicht ans Telefon. Ihr spielt mit den Männern, “ erklärte Saber noch nüchtern. „Nicht mehr und nicht weniger, als Männer das mit uns tun. Außerdem müssen wir uns terrorisieren lassen, nur weil ihr zu blöd seid zu kapieren, dass "Nein" auch "Nein“ heißt, “ schnappte Chily. „Wenn ihr dann auch mal "Nein" sagen würdet, wenn ihr das meint,“ widerlegte der Recke noch immer sachlich ihr Statement „Jetzt reicht es dann mal …“ Chily hatte gerade wirklich aufbrausen wollen, doch Colt griff in das Gespräch ein. „Können wir uns darauf einigen, dass es bei beiden Geschlechtern solche und solche gibt?“ fragte er um zwischen den beiden zu vermitteln, bevor ein ernsthafter Streit daraus werden konnte. Außerdem hatte er genug gehört um bestätigt zu wissen, was er über das Scheitern von Sabers Beziehung schon vermutete hatte, nämlich, dass es dem Recken ganz schön zu gesetzt hatte. Zudem war ihm nun auch klar geworden, was die Sache mit Dean für seine kleine Freundin bedeutete und weshalb sie kaum darüber hatte reden wollen. Jetzt war der Scharfschütze im Bilde und versicherte allen Anwesenden: „Chilys "Nein" ist jedenfalls sehr deutlich.“ Fireball nutzte die Aussage um das Gespräch wieder auf die witzige Seite zu ziehen. „Lass mich raten. Es hinterlässt Fingerabdrücke im Gesicht, “ grinste er munter. „ Genau, “ gab Colt zu. „Nur, wenn man partout das Wort allein nicht kapieren will, “ berichtigte Chily, damit keine Missverständnisse aufkommen konnten. In den vergangen zwei Tagen hatte es schließlich reichlich davon gegeben. „Ich frag mich, weshalb Colt seinen Kopf noch dran hat.“ Der Rennfahrer runzelte die Stirn. „Ich musste ihm einmal eine ballern, danach nie wieder“, informierte die Kleine und Colt ergänzte: „Ich häng schließlich an dieser Freundschaft.“ Auch Saber schaltete sich nun wieder in das Gespräch ein. „An deiner Robin aber nicht, oder was?“ hakte er mit erstraunt nach oben gezogenen Augenbrauen nach. „Doch natürlich. Nur, dass mit Robin ist ja wohl auch keine Freundschaft. Das ist eine Partnerschaft, aus der eine Ehe werden soll. Selbstverständlich häng ich sehr an ihr.“ Colt klang verständnislos. Wie konnte daran jemand Zweifel haben? „Wow. Das solltest du ihr mal erklären, “ kommentierte April. Der Wink mit dem Zaunpfahl war deutlich. Der Cowboy hatte bisher noch keine Anstalten gemacht, Robin anzurufen und ihr alles zu erklären. Das lag daran, dass er sie gut genug kannte um zu wissen, vor heute Abend oder morgen konnte er sich den Atem dafür sparen. Sie würde ihn ja doch nicht zu Wort kommen lassen. Wenn sie sich mal aufregte, brauchte sie eine Weile um sich zu beruhigen. „Mach ich schon noch“, antwortete er deshalb lahm. Na, gut. Ein bisschen Angst hatte er auch davor. Die Situation war ja schließlich verfänglich gewesen. „Aber warte nicht solange, bis du alleine vorm Altar stehst“, mahnte April. Colt rollte die Augen. Warum mussten alle Frauen in seinem Leben immer nur so verdammt recht haben? „Jaja.“ – „Ich glaub, die Frau, auf die du hörst, muss erst noch geboren werden“, meinte Chily und warf ihrem Freund einen missbilligenden Blick zu. „Nein, ich glaub, die Frau sitzt in einem Flugzeug und fliegt nach Tranquility zurück“, erklärte der Rennfahrer. „Wenn eins nach Tranquility fliegt, startet sicher auch eins von dort.“ Chily sah Colt ans und deutete mit dem Kopf Richtung Tür. Wenn Robin nach Tranquility zurückfliegen konnte, konnte sie von dort auch wieder hierher kommen. Nur anrufen sollte er sie wenigsten einmal. Der Blick seiner Jugendfreundin war streng und duldete keinen Widerspruch. Als dann auch noch Saber meldete. „Jetzt geh endlich, bevor ich deinen Junggesellenabschied absagen muss“, trollte Colt sich aus der Küche. „Nur kein Stress. Die Stripperin brauchst du nicht abzubestellen, “ grinste Chily. „Das hatte ich auch nicht vor. Aber aus dem Junggesellenabschied wär dann eine Trauerfeier geworden und das hätte den Abend vermiest, “ entgegnete der Recke leichthin. „Da fällt mir ein ... hoffentlich habt ihr keine, die mal was mit Colt hatte, sonst ist der Abend trotzdem gelaufen, “ überlegte sie. „Warum?“ fragte April. „Er hat doch vor hin gesagt, die Ex des Freundes ist tabu und ... okay ... Fire sollte sich eh nicht trauen, mit der Stripperin durch zu brennen.“ Sie warf Saber einen kurzen Blick zu. „So ein Pech“, endete sie ihre Gedankengänge seufzend. Der Schotte lächelte sie an. „Ich hab Alternativpläne parat.“ Sie hob reserviert die Brauen. „Wenn ich die nur die Alternative, die zweite Wahl bin – oh sicher nicht. Außerdem: ich spiele nicht mit Männern.“ Ja, was dachte der denn von ihr? „Ja, du sagst definitiv "Nein", “ stellte Fireball fest, schob den Teller von sich und lehnte sich zurück. „Hast du Zweifel daran?“ fragte Chily, wurde aber ignoriert. Schließlich hatte April nur darauf gewartet, dass er sich endlich anlehnte und schmiegte sich nun an seine Brust. Damit hatte sie die volle Aufmerksamkeit ihres Rennfahrers. „Welche Frau spielt denn nicht mit Männern?“ Sabers Blick fiel auf das Pärchen. Sanft Fireballs Wange streichelnd und ihm tief in die Augen sehend, so wie gerade, konnte die Wissenschaftlerin ihn jeder Zeit um den Finger wickeln. „Erlaubt ist, was beiden gefällt“, meinte Chily trocken und folgte den Augen des Recken zu den Schmusenden. „Vorausgesetzt, es wird mit offenen Karten gespielt und beide sind mit den Spielregeln einverstanden“, wand der Blonde ein. „Schaut für mich danach aus.“ Tatsächlich bekam das Paar auf der Bank gar nichts von dem Gespräch mit. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt sich in die Augen zu sehen, zu streicheln und neckisch auf die Nasenspitze zu küssen. „Das sind die Hormone. Da ist was leicht vernebelt, “ bemerkte Saber belustigt und deutete auf die Beiden, die augenscheinlich benebelt genug waren um sehr schnell zu vergessen, wo sie eigentlich grad waren. „Endorphine. Das hält gesund und macht glücklich, “ grinste Chily. Die beiden gaben ein hübsches Paar ab und schienen vor allem beneidenswert verzaubert von einander. Ach ja, so ein paar Endorphine konnte sie selbst auch gebrauchen. Aber man konnte ja nicht alles haben. „Es macht offensichtlich doof“, grinste der Schotte amüsiert. Jetzt glitt doch tatsächlich Fireballs Hand über Aprils vordere Rundung. Die bekamen ja gar nichts mit. Oder doch? Von dem seltsame Gefühl beschlichen, beobachtet zu werden, lösten sie sich leicht von einander und linsten zu ihren Zuschauern. „Euer Zimmer ist oben“, informierte Chily mit einem breiten Grinsen. Verlegen erhoben sich die beiden. „Ich ziehe den Sternenhimmel vor.“ Mit roten Ohren schob der Rennfahrer seine nicht minder verlegene Freundin aus der Bank und zur Tür raus. „Heut Nacht wird es zu windig. Geht lieber in die Scheune, “ schlug Chily vor. Das Rot wurde noch ein wenig dunkler. „Was du wieder denkst“, murmelte Fireball. „Schließ nicht von Colt auf andere, den Fehler haben wir heute schließlich auch schon gemacht.“ Dann war auch er aus der Küche. „Stimmt.“ Mit der Feststellung stand Chily auf und begann den Tisch abzuräumen. Saber erhob sich ebenfalls und half ihr dabei. „Jaja, die Liebe, “ sagte er leicht hin. „Wie hieß sie? Und was genau hat sie dir angetan?“ Chilys Frage kam so unvermittelt, dass der Recke nicht folgen konnte. „Bitte?“ Sie sah ihn prüfend an. „Tu doch nicht so. Nach den Sprüchen über Frauen, die du grad vom Stapel gelassen hast, frage ich mich, was ein weibliches Wesen jemandem wie dir antun konnte.“ Er reichte ihr die Teller. „ Sie war mindestens so ehrlich, wie du neben Colt keusch warst“, meinte er. „Wieso neben?“ Sie sortierte die Teller in den Geschirrspüler ein und beförderte klirrend das Besteck in die Körbe. „Solang er da war, mein ich“, berichtigte er sich, doch durch das Geklapper verstand sie den Satz nur halb. Sie fuhr auf. „Was bitte soll das heißen? Klingt gerade so, als würdest du mir Fremdgehen unterstellen, “ hakte sie nach. „Nein, das hab ich doch gar nicht gesagt! Colt wollte dir doch immer einen Keuschheitsgürtel anlegen und ganz so gutgläubig wie unser Kuhhirte bin ich nicht. Der glaubt ja, du wärst immer noch die Unschuld in Person. Darauf wollt ich eigentlich hinaus, “ seufzte er. Also langsam war er sicher, dass es zwischen ihm und Frauen allgemein schwere Kommunikationsprobleme gab. Da durfte er sich eigentlich über gar nichts wundern. „Ich hab auch nie behauptet unschuldig zu sein. Er will ganz einfach nicht wahr haben, dass ich ein Intimleben hab. Das ist alles, “ erklärte Chily und füllte Reiniger in die Spülmaschine. „Er will schon mehr nicht wahrhaben als das, “ bestätigte der Recke leicht lächelnd. „Das ist wahr. Also, in welchem Punkt hat sie dich angelogen?“ Chily war offensichtlich wie Colt. Hatten sie erstmal Lunte gerochen ließen sie sich kaum noch aufhalten. „Wer sagt, dass ich angelogen worden bin?“ wich der Blonde aus. Da er kaum mit seinen Freunden darüber geredet hatte, würde er kaum einer Fremden das Herz ausschütten. „Du hast gesagt, dass sie so ehrlich war, wie ich keusch und ähm ... das heißt, sie hat gelogen“, stellte Chily leicht in Verlegenheit geraten klar. „Sie hat nicht direkt gelogen, aber im Endeffekt kommt es aufs Selbe hinaus“, bestätigte Saber. Chily schlussfolgerte rasch: „Ah, ja üblicherweise nichts gesagt, weil sie nicht wusste wie, und dann ist die Bombe geplatzt. War sie schwanger?“ Wie der Recke in das Verhör geraten war, wusste er nicht, aber er wollte da wieder raus. „Ich wusste gar nicht, dass Colt kochen kann“, startete er einen Themawechsel, aber Chily ging nicht darauf ein. „Alles klar, dann war es doch ein anderer Mann.“ Jetzt schloss sie den Geschirrspüler und schaltete ihn ein. Dann musterte sie Saber und schüttelte den Kopf. „Kein Verlust, ehrlich. Das war ganz sicher eine hohle Nuss.“ – „Woher willst du das wissen? Du kennst sie nicht, du hast sie noch nicht einmal gesehen. Wie kommst du also zu der Annahme, sie wär eine hohle Nuss?“ Sein Ton war verstimmt. Er mochte es nicht, wenn einfach Urteile gefällt wurden, wenn man kaum etwas über eine Sache oder eine Person wusste. Außerdem würde er Sincia nicht schlecht machen. Das war ihr gegenüber nicht fair. „Na, ganz einfach. Ich hab Augen im Kopf und jede Frau, die bei Verstand ist, überlegt sich schon allein wegen deiner Optik zweimal, ob sie dich in den Wind schießt oder nicht, “ entgegnete sie. Scheu sah er auf den Boden. „Das fasse ich als Kompliment auf“, murmelte er. „Ja, sorry, ist halt so.“ Sie schrubbte den Topf in der Spüle etwas energischer als notwendig war. „Nur leider ist die Optik nicht das wichtigste für eine Bindung“, seufzte er dann. „Das ist das einzige, was ich im Moment beurteilen kann“, gab sie über die Schulter zurück. „Leider hast du Recht. Ein hübsches Gesicht allein reicht nicht, “ fügte sie dann hinzu. „Ja, beim Rechthaben hab ich eine Trefferquote von neunundneunzig Prozent.“ Verschmitzt grinste er. Er wollte ihr nicht das Gefühl geben, sie hätte etwas falsch gemacht. Sie war nur ehrlich und nicht Schuld an dem Ende seiner Beziehung. „Tja, Nobody is perfect.“ Sie wand sich um und suchte nach dem Geschirrtuch. „Die anderen drei brauchen schließlich auch Erfolgsmomente.“ Damit hielt er es ihr vor die Nase. Sie griff danach. „Ja ... danke.“ Ihr Blick blieb an ihm hängen. „Sag mal, wie lange ist das her mit dir und ... der Nuss.“ – „Schon eine Weile“, wich er wieder aus. „Ein Jahr?“ bohrte sie und Saber bekam das Gefühl, sie könnte in seinem Kopf herumspazieren. Wieder bestätigte er: „Ungefähr, ja.“ Ihr Blick wurde etwas traurig. „Muss ein schlechtes Jahr für die Liebe gewesen sein. Viele, die ich kenne, haben sich getrennt, “ meinte sie dann. „Du auch?“ hinterfragte er nun seinerseits. „Ja. War das vorhin nicht deutlich? Meine Sprüche ...“ grinste sie unsicher. „Doch. Und nach deinen Aussagen zu schließen, war er ein Arschloch, das das Wort "Nein" nicht in seinem Wortschatz hat.“ Der Recke konnte schließlich auch eins und eins zusammenziehen. „Hat er definitiv nicht und ja, er war ... ist ein Arschloch, “ gab sie zu. „Soll es geben. Du scheinst auch nicht gerade ein Glücksgreifer in Liebesdingen zu sein, “ bemerkte er dann trocken. „Nö, ich bin wohl zu“ Sie überlegte kurz. „egoistisch. Das fällt oft.“ Er nickte verstehend. „Oh, das kenn ich. Aber seine Freiheit zu lieben und einen eigenen Kopf zu haben hat nichts mit Egoismus zu tun.“ Wieder sah sie ihn an. Er hatte wirklich ein hübsches Köpfen und auch noch was drinnen, so schien es. Aber wie oft hatte sie sich da schon geirrt. „Ach echt? Ich kann nicht anders sein.“ Zumindest hatten sie einen Leidensgenossen in dem anderen gefunden. „Das wär auch Blödsinn, wenn du dich ändern würdest“, grinste er. „Gleichfalls.“ – „Hab nicht vor, was an mir zu ändern. Außer vielleicht…“ Ihm entging nicht, wie sie prompt neugierig aufhorchte. „Vielleicht was?“ drängte sie. „Neugierig?“ fragte er schelmisch. Sie knurrte leicht zurück: „Leider viel zu sehr. Ist dir das noch nicht aufgefallen?“ Immerhin hatte sie ihn ja eben noch wie ein Sieb gelöchert. „Ein ganz klein wenig vielleicht …“ Er zögerte und unterdrückte das Lachen. „Mach mich nicht schwach.“ Sie rollte die Augen. Er lachte. „Tu ich doch gar nicht. Aber hätte ich gewusst, wie leicht du schwach wirst, hätt ich das früher gemacht.“ Sie warf ein Handtuch nach im und lachte ebenfalls. „Okay, der war gut“, gestand sie. Er fing das Tuch auf. „Ich weiß.“ Sie lachte immer noch. „Da muss ich ja gleich das Handtuch werfen.“ Er gab es ihr zurück. „Warte.“ Sie wühlte in einer der Schuladen. „Dann geb ich dafür den Löffel ab“, grinste sie munter und hielt ihm einen hin. Er nahm ihn an und hob die Schultern. „Solang du dir die Radieschen nicht von unten ansiehst.“ Sie winkte heiter ab. „Nö, ist kein gutes Bild und da ich kein Pferd bin, werd ich auch nicht so bald ins Gras beißen Oh da fällt mir ein ...?“ Im nächsten Moment war sie aus der Küche raus. Überrascht rief er ihr nach: „Was denn?“ Da kam sie zurück, packte den Löffel in die Schublade zurück, hängte das Tuch weg und verschwand erneut nach draußen Der Recke folgte ihr verdattert. „Ich glaub, ich hab dich verschreckt. Wieso läufst du jetzt davon?“ Ihr Weg führte über den Hof zur Koppel. „So lange du mich nicht in Ketten legst, kannst du mich nicht verschrecken“, rief sie zurück. „Ketten hab ich keine, aber Handschellen kann ich anbieten.“ Er musste sich beeilen. Chily hatte eine scharfen Schritt drauf. „Lass mich bloß in Ruhe damit ...“ Sie öffnete das Gatter und lief hinein. Er blieb am Zaun und sah ihr zu, wie sie die Pferde Angel und Demon lockte. „Also: Was ist dir jetzt so wichtiges noch eingefallen? “ wollte er dann wissen. Sie drehte sich zu ihm um und wies auf den Himmel. Noch ein wenig rot und violett schimmerte der Horizont. Bald würde es richtig Nacht sein. „Dass heute Vollmond ist und in Vollmondnächten ist ein Ritt was ganz besonderes. Was ist? Kommst du mit?“ Ihre Augen funkelten vor Begeisterung. „ Da sag ich nicht nein.“ Er stieß sich vom Zaun ab. „Steed hätte das gefallen.“ Einen Moment gedankenverloren sah er in den Himmel. „Nimm Angel.“ Die Stute war schon gesattelt. Dann griff sie nach Demons Zügeln und wollte aufsteigen, hielt aber in der Bewegung inne. „Worauf wartest du?“ fragte Saber und schwang sich geschmeidig in den Sattel. Mehr hatte sie nicht sehen wollen. Sie schwang sich auf den Rücken des Hengstes und murmelte: „Auf gar nichts.“ Das Grinsen unterdrückte sie jedoch. „Los Demon.“ Mit einem leichten Druck in dessen Flanken, vermittelte sie dem Tier, dass es los traben konnte. „Und das ist, so nebenbei, die Freiheit, die ich meine ...“ Sie schien sich richtig wohl zu fühlen. „Das dürfte das Pferd anders sehen.“ Er ritt ebenfalls los. „Nö. Wir drei sind der gleichen Meinung. Wir könnten den ganzen Tag durch die Gegend galoppieren. Das Beste dabei ist, niemand stört es oder fragt, wo ich war.“ Sie ließ die Zügel los und breitete die Arme aus. Sie genoss das ganze sichtlich. „Wartet ja auch keiner zuhause.“ Das klang ein wenig bitter. Daheim ritt Saber abends auch öfter mit Steed aus und genau die Tatsache, dass er stets in eine leere Wohnung zurückkehrte, war das unangenehme daran. Chily musterte ihn. „Wie wäre es“, schlug sie vor, „schweigen wir ein bisschen?“ Sie hatte das Gefühl, dass es angebracht sei. Kaum merklich nickte er. Also schön, schwiegen sie nun gemeinsam. Kapitel 2: To my hometown. To my country. To the place, where I was born II --------------------------------------------------------------------------- Robin kannte ihren Colt. Sie wusste aus Andeutungen und Witzen seiner Freunde, von Bemerkungen, die er selbst gemacht hatte oder von dem wenigen, was er ihr gebeichtete hatte, dass er vor Tag X nicht gerade lammfromm gewesen war. Doch seit Tag X, seit er Robin begegnet war, hatte er sich geändert und nur noch Augen für sie gehabt. Anfängliche Zweifel ihrerseits daran konnte April, mit der sie sich gut verstand und gelegentlich telefonierte, zerstreuen können. Sie hätte der Lehrerin jeden falschen Blick von Colt gesteckt. Doch dessen Herz gehörte nur Robin. Nachdem sie heiße Tränen der Wut und Enttäuschung geweint hatte und schon halb im Raumschiff gen Heimat saß, war ihr das klar geworden. Diese Number 1 konnte höchstens eine Ex-Flamme sein, aus Colts Zeit vor Ramrod, aus der Zeit, von der er nie sprach. Egal, auf welchen Wegen sie versucht hatte, etwas darüber in Kenntnis zu bringen, Colt hatte gemauert. Es musste so sein. Sie wusste nichts von dieser rotbraun gesträhnten Blondine, weil sie sich schon aus eben dieser Zeit kannten. Alles andere hätte Robin von April erfahren oder selbst irgendwie herausbekommen. Mochten man auch über Colt und seine Vergangenheit denken, was man wollte, er hätte ihr nie einen Antrag gemacht, wenn sein Herz nicht hundertprozentig Robin gehören würde. Hoffte diese zumindest. Schließlich hatte die Lehrerin kehrt gemacht und sich in Tucson-City ein Zimmer genommen. Zurück zu Ranch konnte sie erstmal nicht. Nach ihrem Auftritt dort, hatte sie ein seltsames Gefühl dabei, aber sie würde bleiben. Vielleicht lief sie ja dieser Number 1 über den Weg. Irgendwie würde sie die Sache schon auflösen. Wenn sich herausstellte, dass ihr erster Eindruck richtig war, konnte sie immer noch gehen. Doch wenn sie sich geirrt hatte, wäre das der größte Fehler, den sie hatte machen können und ewig bereuen würde. Sie liebte Colt über alles und wollte nur zu gern den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen. Colt hatte Robin nicht mehr erreicht. Egal, wie oft er es versucht hatte, sie ging einfach nicht ans Telefon. Frustriert war er auf sein Zimmer getrottet und hatte sich erst den Kopf darüber zerbrochen, wie er das wieder in Ordnung bringen konnte, dann war er eingeschlafen ohne es richtig zu merken. Doch er hatte schlecht geschlafen, wälzte sich hin und her oder war aufgeschreckt und hochgefahren. Das Missverständnis mit Robin ließ ihm keine Ruhe. Wie gerädert war er zu einer unchristlichen Zeit aufgestanden, hatte sich zu BooYeah auf die Veranda gehockt und in die Ferne gestarrt. So hatte Chily ihn gefunden. Wie früher genügten Blicke unter ihnen um sich zu verständigen. Sie musste nicht fragen, was los war oder wie er sich fühlte. Er musste nichts erklären. Sie lehnte im Türrahmen. „Hör mal, Bullet, “ sagte sie, „wenn deiner Robin auch nur halb so viel an dir liegt, wie dir an ihr, dann ist sie noch da. Und das ist sie. Da bin ich mir sicher, nachdem, was ich weiß. Es wird schon wieder alles ins Lot kommen. Vertrau mir.“ Ihre Worte taten ihm gut. Er wusste, dass sie selten in solchen Dingen daneben lag und nie etwas sagte, dass sie nicht meinte oder wovon sie nicht überzeugt war. Kurz nachdem seine Freunde aufgestanden waren und sich zum Frühstück in der Küche einfanden, machte Chily sich auf den Weg in die Stadt. Sie bekam noch mit, wie Saber, Fireball und April Colt drängten ihnen mal die Ranch seiner Eltern zu zeigen und der abwehrte. Dann musste die Jugendfreundin los und den Scharfschützen seinem unangenehmen Schicksal überlassen. Die Bitte der Drei war für ihn fast noch schlimmer, als der Streit zwischen ihm und Robin. Genau darin war doch begründet, warum er damals gegangen war. Auf der elterlichen Ranch hatte er es nach deren Tod einfach nicht ausgehalten. Alles dort steckte voller Erinnerungen an Zeiten, die einfach nie wieder kehren würden, die ohne Vorwarnung beendet worden waren. Colt kam damit nicht klar. Das würde er nie so richtig, das wusste er. Aber die Drei ließen keine Ruhe. Irgendwie schaffte er es, sie zu überreden, ihnen etwas anderes zu zeigen. Es würde ein schöner Tagesausritt schon allein wegen der Landschaft. Da war er sicher. So führte bald darauf ihr Weg Richtung Westen zu den als „Pennyrile“ bekannten uralten Kohlerevieren. Seiner Familie hatten dort einst mehrere Hektar Land gehört. Seine Erinnerungen daran waren nicht so stark belastet, wie die, an die elterliche Ranch. Deshalb war er froh, dass die Freunde dem Vorschlag zustimmten. Es blieb also für ihn im Rahmen des Erträglichen. Das war sie. Überrascht fuhr Robin im ersten Moment vom Fenster zurück. Sie hatte es öffenen wollen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite Chily gesehen. Mit einem Kind auf dem Arm? Sie trat wieder näher an die Scheibe. Tatsächlich. Diese Number 1 trug ein kleines Mädchen auf dem Arm, welches vielleicht ein und ein halbes Jahr alt sein mochte. Wie passte das denn ins Bild? Die rotbraun gesträhnte Blondine stand neben einem Auto, dessen Hintertür offen stand und wippte das Mädchen sacht auf ihren Armen. Die Zöpfe des Kindes federten munter mit und es lachte. Aus dem Geschäft, vor dem es parkte, trat ein Mann mit einer Einkaufstasche. Sie sprachen kurz mit einander. Das Mädchen auf Chilys Arm begann zu quengeln. Der Mann beförderte die Tasche ins Auto und nahm dieser Number 1 das Kind ab. Dann sah es so aus, als würde er es in den Kindersitz verfrachten und anschnallen. Währenddessen nahm Chily auf dem Beifahrersitz Platz. Der Mann schloss die Autotür, stieg auf der Fahrerseite ein und fuhr los. Kopfschüttelnd löste Robin den Blick von der Stelle, an der das Fahrzeug eben noch gestanden hatte. Man, die sah auch ohne diese enge Hose wirklich gut aus. Von ihrem Aussichtspunkt aus, hatte Robin gesehen, dass Chily ein schlichtes, weißes Shirt und eine bequeme Latzhose trug. Und trotzdem, so fand die Lehrerin, sah sie hübsch aus. Auch mit dem Kind auf dem Arm hatten sich immerhin noch zwei Männer nach ihr umgesehen und ihr anerkennende Blicke zu geworfen. Kein Wunder konnte auch Colt da schwach werden. Das war doch wirklich nicht fair. Hilflose Tränen bahnten sich durch die geschlossenen Lider ihren Weg über Robins Gesicht. Number 1 war die offensichtlich nicht nur für ihren, für Robins Colt. Warum musste eine grazile Figur und blondes Haar auch nur so anziehend auf Männer wirken? „…Jolene, Jolene, Jolene, Jolene … I'm begging of you please don't take my man … Jolene, Jolene, Jolene, Jolene … Please don't take him just because you can … You could have your choice of men … But I could never love again … He's the only one for me, Jolene … I had to have this talk with you … My happiness depends on you … And whatever you decide to do, Jolene…“ Der Song schoss Robin durchs Hirn und sie flüchtete davor ins Badezimmer. Der Anblick ihres verweinten Gesichtes im Spiegle läutetet eine Wiederholung der Zeilen ein. Gott. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und versuchte sich zu beruhigen. Das war nur ein dummes Lied. „I had to have this talk with you …“ Vielleicht sollte sie es darauf anlegen und mit dieser Number 1 sprechen. Robin griff nach dem Handtuch, tupfte sich das Gesicht trocken und sah wieder in den Spiegel. Also, verstecken musste sie sich nun auch wieder nicht und ein hübsches Gesicht allein reichte für eine Beziehung nicht, das wusste sie. Robin war durch die Stadt geschlendert und hatte sich ein Bild von allem gemacht. Sie fühlte sich an Tranquility erinnert. Das lag auch in einer wunderschönen Landschaft und war, etwas abgeschlossen vom Rest der Welt, recht friedlich und verträumt. Wenn sie bedachte, dass Colt hier aufgewachsen war, verstand sie, warum er sich in Tranquility so schnell heimisch gefühlt hatte. So hing sie ihren Gedanken nach, als sie um die Ecke bog, um zu ihrem Hotel zurück zu kehren, und mit jemandem zusammen stieß. „Sorry“, ertönte es hinter der Einkaufstüte hervor. „Entschuldigung“, murmelte Robin zurück und erkannte den rotbraun gesträhnten blonden Schopf. „Du?“ Na, dass war ja eine Überraschung. Chily, mit der sie aneinander geprallt war, schielte an dem Einkauf vorbei. „Oh, gleichfalls.“ Sie war nicht minder erstaunt. „Colt gar nicht bei dir?“ stellte die Lehrerin mit einem zynischen Unterton fest. „Bei dir ja auch nicht, “ fiel dessen Jugendfreundin auf. „Das würd ich ihm auch nicht raten, “ warf Robin zurück. Im Moment wollte sie den Scharfschützen noch nicht sehen, das war deutlich. „Okay. Kann ich verstehen. Trotzdem: An mir brauchst du deine Krallen nicht wetzen. Ich hab dir nichts getan, “ meinte Chily um sicher zu gehen, dass ihr nicht gleich die Augen ausgekratzt wurden. Robin blickte sie nicht gerade freundlich an und die Kleine konnte es ihr nicht verdenken. „Wenn ich meine Krallen wetzen wollte, sähe das anders aus“, erklärte diese energisch. „Dann bin ich beruhigt.“ Chily rutschte die Tüte auf ihrem Arm wieder zu Recht. „Wolltest du noch was von mir? Oder darf ich weiter gehen?“ fragte sie vorsichtig. Sie konnte nicht einschätzen, wie lange die einigermaßen friedliche Laune der Lehrerin anhielt. Sie konnte ihr auch im nächsten Moment an die Gurgel springen. „Naja“, zögerte die. „Wenn du mich so fragst: Woher kennst du den schießwütigen Colt eigentlich?“ – „Ähm, aus dem Kindergarten. Halt nein, aus der Krabbelgruppe, glaub ich, “ versuchte sich die Gefragte zu erinnern. War ja schon eine Weile her. In Robins Ohren klang dies jedoch recht eigentümlich, geradeso, als würde Colt neuerdings mit Müttern ausgehen. Skeptisch hakte sie nach: „Ist jetzt nichts und niemand mehr vor Colt sicher, nicht einmal eine Krabbelgruppe?“ Verständnislos schüttelte Chily den Kopf. „Hä? Jedes Kind kommt in eine Krabbelgruppe und Colt und ich haben da schon zusammen gespielt.“ Was war denn daran so schlimm? Der Lehrerin schoss die Verlegenheitsröte ins Gesicht. Da war sie aber gründlich auf dem Holzweg gewesen. „Oh, ich dachte“, stammelte sie und winkte ab. „Ach, vergiss es.“ Chily ging auf, was in dem Kopf von Colts Herzdame vor sich gegangen war und kicherte: „Ich weiß schon.“ Das war zu komisch. Am liebsten hätte sie laut heraus gelacht, aber das unterdrückte sie dann doch. Robin musste sich ja veralbert vorkommen. Offensichtlich war dem so, denn das Gesicht der Frau gegenüber verfinsterte sich. „Ich hätte heimfahren sollen“, knurrte Robin. „Weshalb ist es mit Colt in jeder Lebenslage kompliziert?“ Sofort verteidigte Chily ihn. „He, man, bleib mal ruhig. Mit Colt ist gar nichts kompliziert. Ich hätte niemand lieber an meiner Seite als ihn.“ Leider war die Wortwahl nicht die Glücklichste. „Das sieht er wohl genauso“, fauchte die Blondine zurück und wand sich zum gehen. „Ähm, halt, nein. Ich meinte als Freund, “ rief die Kleine ihr nach. „Klar, redet ja keiner davon, dass du ihn gleich heiraten musst, “ grollte Robin über die Schulter zurück. Am liebsten würde sie den Ring fortwerfen, den Colt ihr geschenkt hatte, aber Chilys nächste Worte hielten sie zurück. „Ich will ihn doch gar nicht heiraten. Er mich auch nicht. Oh man, ich glaub, da ist einiges durcheinander gekommen.“ Sie rückte noch einmal die Einkaufstüte zurecht und schlug dann friedfertig vor. „Hör mal, das Ding hier ist schwer. Können wir uns nicht darüber ins Cafe setzen und erklär dir mal alles der Reihe nach? Nur so, bevor mir die Arme abbrechen.“ Die Wütende ging auf das Angebot ein. „Nach dir“ und ließ Colts Jugendfreundin den Vortritt. Sie setzten sich an den erst besten Tisch. „Dann versuch mal zu erklären, was ohnehin eindeutig war“, forderte sie und ihre Miene verriet, dass sie von dem Sinn dieses Gespräches nicht überzeugt war. „Offensichtlich war es mehrdeutiger als Colt und mir lieb ist“, bemerkte Chily nachdem sie die Einkaufstüte auf den freien Stuhl neben sich gestellt hatte. „Also: Punkt eins: Colt und ich haben, wie schon gesagt, gemeinsam die Windeln vollgestinkert, “ begann sie. „Das haben viele Pärchen, “ warf die Lehrerin unbeeindruckt ein, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. „Ähm wir sind kein Paar. Wir waren nie eins und wir werden nie eins sein, “ berichtigte ihre gegenüber. „Den einzigen "sexuellen" Kontakt den wir hatten, war mit 13 um Zungenküsse zu üben, weil wir uns bei unseren Dates nicht blamieren wollten, “ fügte sie hinzu. „Klar und mein kleiner Bruder Josh ist ein Musterschüler, “ schnappte Robin. „Keine Ahnung, wie ich das zu werten habe, aber ich weiß, dass Colt mir nicht die Wahrheit gesagt hat.“ Oh, man, dass war ein harter Brocken. Etwas bedachter tastete sich Chily nun an die ganze Angelegenheit ran. Der Informationsfluss schien ja völlig ausgedörrt zu sein. „Ich geh dann mal davon aus, ihr habt gestern nicht mehr telefoniert.“ Knapp kam die Antwort. „Nein, haben wir nicht.“ Es frustrierte Robin ungemein, dass Colt nie über sein Leben vor dem Tod seiner Eltern erzählt und den selbigen auch nur erwähnt hatte, während Number 1 über alles bestens informiert zu sein schien. „Mist.“ Die rotbraun gesträhnte Blondine legte die Stirn in Falten. „Was hat er dir denn überhaupt alles von Tucson-City erzählt?“ bohrte sie weiter. „Nichts. Nur, dass er hier aufgewachsen ist, “ schnaubte die Gefragte und nahm einen Schluck vom Kaffee, der eben gebracht wurde. „Hat er je über seine Eltern gesprochen?“ setzte Chily ihr Verhör vor. Sie konnte gerade keine Rücksicht darauf nehmen, ob sie vielleicht gerade dabei war, Salz in eine Wunde zu streuen. Es war ihr wichtiger Robin davon zu überzeugen, dass sie hier nicht mit ihrer Rivalin zusammensaß. „Ich weiß nur, dass Outrider sie umgebracht haben. Von seinen Kindergartenfreunden hat er nichts erzählt. Und auch sonst nichts, “ antwortete diese und starrte aus dem Fenster. Gegen ihren Willen musste Chily grinsen. „Na ja, manche Dinge davon sind ja auch nicht so günstig, wenn es die Zukünftige erfährt.“ Dabei dachte sie an die Sache mit der Tochter von Reverant Steam. „Aber dass er mich mit keiner Silbe erwähnt hat, wird er bereuen. Ich mein, bei dem Ärger den ich seinetwegen hatte.“ Jetzt fielen ihr die vermasselten Dates ein, die sie dem Scharfschützen verdankte. „ Du hast nicht halb so viel Ärger, wie Colt. Das glaub mir mal, “ schnappte Robin gereizt und ergänzte dann leise. „Ich bin unglaublich enttäuscht von ihm.“ Augenblicklich hakte Chily wieder nach: „Wieso? Weil er dir nichts von seiner besten Freundin erzählt hat?“ – „Weil er mir nichts von seiner Number 1 erzählt hat.“ Jetzt sah Robin sie direkt an, als wüsste sie, dass Number 1 ihr eben gegenüber saß. „Deshalb bin ich Number 1. Ich bin seine beste Freundin, “ erklärte sie und setzte rasch hinzu. „Halt, stop. Ich WAR Number 1, aber ich bin immer noch seine beste Freundin.“ Nicht das es noch mehr Missverständnisse gab. „Bei Colts Telefonliste wär es nicht verwunderlich, dass er auch hier eine hat“, kam es bitter von Seiten der Lehrerin. Aufrichtig verzweifelt ließ Chily ihren Kopf auf die Tischplatte knallen, dass die Tassen schepperten. „Bist du so schwer von Begriff oder tust du nur so? DU bist die neue Number 1.“ Sie hob den Kopf wieder und sah einigermaßen hilflos auf die Blonde ihr gegenüber. „Was glaubst du denn, wie vielen Mädchen Colt einen Heiratsantrag macht?“ Nein, jetzt war Chily mit ihrem Latein am Ende. Jetzt lenkte Robin ein. „Das mag ja sein“, gab sie zu. „Aber ich glaube, er hat es nicht ernst gemeint.“ Traurig schaute sie auf die Hand mit dem Ring. „Ich weiß, dass er es ernst gemeint hat. Auch wenn dir meine Beteuerung an der Stelle nicht viel wert sein dürfte, es ist trotzdem so. Er liebt dich. Ich sehe es ihm an, wenn er deinen Namen sagt. Ich hab ihn schon oft von Mädchen reden hören, aber bei dir ist das anders. Er sah dabei noch nie so glücklich aus, “ versicherte die Kleine in warmen Ton. Robin schwieg einen Moment. Chily schwenkte heftig die weiße Fahne und so etwas würde keine Ex-Freundin je für einen Casanova, wie Colt es damals wohl war, tun. „Du hast Recht“, erwiderte sie schließlich, „deine Beteuerung ist mir tatsächlich nicht viel wert. Aber nur, weil ich dich nicht kenne.“ Sie schloss kurz die Augen um alle Vorurteile aus ihrem Kopf zu verbannen und sah Chily an. „Also, Colt ist dein bester Freund.“ Langsam begann sie sich daran zu gewöhnen, dass da eine Freundin am Tisch saß. „Dann sag mir, weshalb ich hier bin?“ Die Gefragte lächelte ihr herzlich zu. „Ich denke, weil ihr heiraten wollt und das hier seine Heimat ist. Er wollte sicher, dass du sie kennen lernst, “ erwiderte sie. „Hätte er mich mal vorgewarnt, “ seufzte die Lehrerin. „Er macht mich noch wahnsinnig und das vor der Hochzeit.“ Chily lachte leicht. „Ich war auch nicht vorgewarnt. Er hat mir erst nach deinem Kurzauftritt erzählt, dass er mit dir vor den Altar will. Das ist typisch für ihn.“ Auch Robin fiel es jetzt nicht schwer zu lächeln. Da hatte sie ja eine Leidensgenossin. „Ja, typisch Colt. Zuerst handeln und dann denken.“ – „Amen. Sag mal, wenn er dich allein gelassen hat, wollte er dir da einen Keuschheitsgürtel verpassen?“ grinste die Jugendfreundin des Kuhhirten fröhlich. „Nein, er weiß, dass ich mich wehren kann.“ Sie klang leicht verwundert. Dann begriff sie. „Lass mich raten: Dir wollte er einen anlegen, “ stellte sie kopfschüttelnd fest. Chily lachte herzlich auf. „Ja, bei jedem Date, das ich hatte.“ Robin stimmte in dieses Lachen ein. „Colt hat echt eine an der Waffel, der alte Beschützer.“ Die rotbraun gesträhnte Blondine winkte ab. „Glucke trifft es eher“, gluckste sie. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Dates er mir ruiniert hat, wenn er da aufkreuzte und, leider viel zu überzeugend, den eifersüchtigen Ex mimte. Aber wehe mir, ich hab das bei ihm gewagt.“ Sie drohte scherzhaft mit dem Finger. „Unsere Dates hat er in der Regel selbst ruiniert“, entgegnete Robin und lehnte sich wieder in den Stuhl. „Der Kindskopf, wie er leibt und lebt.“ Etwas Erleichtertes schwang in der Stimme der Blondine mit. „Das kann er, dass glaub ich sofort, “ grinste Chily. „He, hast du Hunger? Ich muss eh heim und die Einkäufe aufräumen. Komm mit und ich mach uns was zu spachteln. Wird sowieso keiner auf der Ranch sein. Die vier wollten irgendwohin reiten, hab ich heut morgen so aufgeschnappt, “ schlug sie vor. Zögernd wand die Lehrerin ein. „Ewig werden sie nicht weg sein.“ Ihr war klar, dass ihr eben die Friedenpfeife angeboten worden war, aber sie schämte sich etwas für die Szene des Vortages. „Oh doch, “ zerstreute Chily die Bedenken. „Colt wird sie überall hinführen, nur nicht dorthin wo sie wollten. Ich wette, die kommen vor Einbruch der Dunkelheit nicht zurück.“ Noch etwas befangen schlug die Lehrerin nun vor. „Ich kann dir ja beim Kochen helfen.“ Wieder lachte die kleine Ex-Number 1 munter. „Klar gerne. Fackeln wir die Küche gemeinsam ab.“ Auf den Spaß stieg Colts Zukünftige ein. „Genug Feuerlöscher hast du hoffentlich zuhause. Wenn ich koche, wird es heiß.“ Sie stand vom Stuhl auf. Chily griff nach ihrer Einkaufstüte. „Super, erschaffen wir eine neue Hölle. Dann können die Teufel packen.“ Robin hielt ihr die Tür auf. „Wird für Colt ein Vorgeschmack auf die Ehe“, erklärte sie vergnügt lachend. „Na, worauf warten wir dann noch?“ Chily blinzelte in die Sonne. Robin tat es ihr gleich. „Schöneres Wetter werden wir kaum noch kriegen“, stellte sie fest. Es war recht heiß, die Sonne strahlte und der Himmel war wolkenlos. „Wenn Engel reisen lacht der Himmel“, überlegte Colts Schulfreundin laut. „Hm, das muss an Saber, April und Fireball liegen.“ Sie machten sich auf den Weg. „Eher weniger“, erwiderte Robin und erklärte Chily auf, warum. Beiläufig erkundigte sich die Lehrerin nach dem Kind und dem Mann, mit welchen sie Chily gesehen hatte und erfuhr, das, die beiden Vater und Tochter einer Patientin von Chily waren. Die rotbraun gesträhnte Blondine war Hebamme und auf dem Weg zu ihr, weil diese wieder schwanger war. Aber noch weit mehr als das, erfuhren die Frauen von einander. Colt wusste, dass in dem Gebiet der alten Kohlemine Indianer wieder angesiedelt worden waren, als er noch klein war. Chily war von ihnen und ihrer Weltanschauung fasziniert gewesen. Wie sie, hatte auch er als kleiner Junge oft die Sommerferien bei dem Stamm verbracht. Doch mit Beginn der Pubertät hatte er andere Interessen entwickelt und war nicht mehr so häufig gekommen. Jetzt, da er hier so entlang ritt, konnte er sich und sie wieder zwischen den Bäumen sehen. Wie ein Vogel war Chily aufgeregt hin und her geflattert, wenn sie auf dem Weg zum Indianerstamm Rast gemacht hatten. Sie hatte Federn oder Blumen im Haar und hatte wie eine Waldelfe ausgesehen. Colt hatte versucht, sie zu fangen, doch meist hatte er sie nur in der Ferne lachen hören. Im Wettreiten hatte er sie jedoch oft genug besiegt. Sie saßen auf Pferderücken, kaum dass sie laufen konnten. Schon damals hatte Colt immer eine Spielzeugpistole an der Hüfte getragen, weshalb Chily ihn „Bullet“ nannte. Von den Indianern hatten sie gelernt die Natur zu achten. Für jeden Zweig, den sie beim Spielen unbedacht abgebrochen hatten, hatten sie sich entschuldigt. Auch waren sie beide nicht wirklich auf Reichtum aus und lehnten es bis heute ab, mehr zu besitzen, als notwendig war. Na gut, gestand sich der Cowboy ein, streng nahm er es nun auch wieder nicht, aber er war eben nicht maßlos gierig. Dass er dann doch das Pokern gelernt hatte, lag daran, dass sich die Mädchen oft davon beeindrucken ließen. Einzig Chily hatte stets stirnrunzelnd daneben gestanden und ihn mit strafenden Blicken bedacht. Sie verachtete Glücksspiel ganz einfach, vor allem, wenn man damit nur dem schönen Geschlecht imponieren wollte. Colt erinnerte sich daran, wie ein Junge sie deswegen gekränkt hatte, als sie in Anthony James Garage wieder zusammen saßen und zockten. Chily war wütende geworden und hatte dem Lästermaul mit einem der umliegende Pfeile des Dart-Spiels, eine Karte aus der Hand geschossen, die er gerade hochhielt, und an die Holzwand hinter ihm festgenagelt. Als Anthony den Pfeil aus dem Brett zog und die Karte in die Finger bekam, stellte er fest, dass es sich um ein Herz-As handelte, dass er selbst auf der Hand hatte. Der Typ hatte getrickst. Dann besaß er noch die Unverschämtheit, auf Chily rumzuhaken, wofür er von Colt schlussendlich ein mächtig Prügel bezog. Man betrog nicht und noch weniger griff man dann auch noch seine Number 1 verbal an. Dass begriff der Junge dann auch, nachdem der Kuhhirte ihm einen Zahn ausgeschlagen hatte, und bevor es Chily und Anthony gelang, sie zu trennen. „Lässt du uns an deinen Gedanken teilhaben?“ Mit dieser Frage holte Saber den Scharfschützen in die Gegenwart zurück. Keinem seiner Freunde war entgangen, dass Colt geistig abwesend war. Das deutlichste Zeichen hierfür war schließlich sein Schweigen. „Wo geht es denn eigentlich hin, Colt. Das hast du uns noch gar nicht gesagt.“ April schenkte ihm einen fragenden Blick. „Zu einem Irokesenstamm“, antwortete der Kuhhirte. „Ein Irokesenstamm?“ wiederholten die drei ungläubig. Colt nickte schlicht. „Und wundert euch nicht mit welchem Namen sie mich ansprechen“, sagte er „Sie nannten mich Pallaton.“ Verständnislos schaute Fireball ihn an. „Und was soll das heißen?“ – „Krieger.“ – „Also ehrlich, da kommt man ja kaum mit. Was hast du jetzt bitte mit Indianern zu tun?“ bohrte der Rennfahrer weiter. Der Gefragte hob die Schultern. „So weit ich weiß, hatte mein … hatten wir schon immer Beziehungen zu ihnen und waren befreundet, seit ich denken kann. Chily und ich haben die Sommerferien sehr oft bei dem Stamm verbracht, “ erwiderte er dann. „Hat Chily auch einen Namen von ihnen bekommen?“ wollte April wissen. „Aiyana. Sie nannten sie Aiyana. Das heißt so viel wie: die ewige Blüte. Indianische Namen kann man selten wortwörtlich übersetzten. Häuptling Hinun gab ihr den Namen.“ Colts Blick ging bei diesen Erklärungen stur gerade aus, dann wurde er weicher. „Wir haben oft Unsinn gemacht, mit den Brüdern Taima und Patamon.“ Jetzt lachte er leicht. „Taima, der Donner, und Patamon, das Gewitter oder der Sturm, … man wir waren schon eine wilde Horde.“ Saber hatte aufmerksam zu gehört. Ihm war nicht entgangen, dass die Erinnerungen für Colt sowohl schön, als auch schmerzlich waren. Nur konnte er nicht nachvollziehen, weshalb sie letzteres eben auch waren. Irgendetwas verschwieg der Kuhhirte noch. Oder aber er wusste tatsächlich nicht mehr, als er erzählte. „Die Sommerferien, ja?!“ wiederholte der Recke. „Was habt ihr denn so alles gemacht?“ „Der Mustang preschte los. „Fang mich, fang mich.“ Schon flog sie mit wehendem Haar an ihm vorbei. „Lässt du dir das von einem Mädchen gefallen, Pallaton?“ stichelte Taima. Sein Bruder grinste: „Du doch auch. Ihr beide habt überhaupt nichts mit heldenhaften Kriegern oder gefürchteten Donnern gemeinsam. Ihr redet nur viel.“ Damit setzte Patamon ihr nach. „Ich krieg dich, Aiyana.“ Sie lachte von fernher und Colt verzog das Gesicht, bevor er seinem Pferd durch einen Schenkeldruck zu verstehen gab, dass es losreiten konnte. Das würde sie büßen, wenn er sie erst eingeholt hatte. Ganz sicher. Ihn so zu blamieren. Hinter ihm folgte Taima und lachte spöttisch. Die drei Jungs versuchten das Mädchen einzufangen, doch über die weite Grassteppe hielt sie ihren Vorsprung. Am Waldrand wendete sie das Pferd und lachte übermütig. „Ich bin vor euch zurück.“ – „Das werden wir ja noch sehen.“ Er überholte Patamon und kehrte ebenfalls am Waldrand um. Kurz darauf kamen auch die Brüder nach. Sie ritten ohne Sattel. Das war sehr ungewohnt und schwieriger, da man vom glatten, kurzen Fell der Pferde leicht abrutschen konnte. Genau das passierte der kleinen, wilden Reiterin. Das Tempo war zu hoch, der Pferderücken zu glatt und die jungen Beine noch nicht kräftig genug um sich zu halten. Sie rutschte. Sie versuchte sich an der Mähne fest zu krallen, doch vergebens. Schon berührte ein Fuß fast den Boden, da wurde sie ungeschickt gepackt und schnell auf ein anderes Pferd gezogen. „Ich halte dich.“ Sie hatten den Gebirgskamm überquert und waren in eine Schlechtwetterfront geraten, die sich nun anschickte, den Bergrücken zu passieren. Das Gelände war ohne hin schon recht unwegsam und der Regen würde es verschlimmern. Zwangsläufig mussten sie umkehren. Saber meinte, Colt aufatmen zu sehen und runzelte die Stirn. Nichts an Colts Worten hatte auf eine unangenehme Erinnerung hingewiesen, aber das bedeutete nicht, dass er keine hatte. Sehr wahrscheinlich war für den Recken jedoch, dass er aus dem Scharfschützen nichts herausbringen würde. Aber Chily würde ihm sicher helfen. Als sie die Regenwolken am Horizont bemerkten, war Chily klar, dass die vier zeitiger als erwartet zurückkehren würden. Also verabschiedete sich Robin von ihr. Die Frauen waren sich einig, dass Colt es verdient hätte, dass die Lehrerin ihn noch etwas zappeln ließ. Mit verschwörerischen Blicken verabschiedeten sie sich von einander. Donna Joe hatte Toto mit zu einem Händler genommen und würde den ganzen Tag unterwegs sein, egal, ob das Wetter nun wechselte oder nicht. Doch Chily blieb nicht lange allein. Sie überquerte den Hof um nach den Hühnern zu sehen und die Türen und Fenster in dem Speicher zu prüfen, da hörte sie Schritte, die ihr folgten. An der Scheunentür fuhr sie herum. Groß und kräftig, von der Arbeit auf einer Ranch, sonnengebräunte Haut, ein dunkles T-Shirt, eine verwaschene Jeans und staubige Schuhe. Das hellbraune, lange Haar war im Nacken zusammen gebunden. Einige Strähnen fielen heraus und umrahmten das kantige, etwas breite Gesicht. Seine schmalen Lippen lächelten freundlich und die mandelförmigen, braunen Augen blickten offen unter den geraden, kräftigen Brauen hervor. Er war recht hübsch. „Hi, Dean.“ Chily hielt den Atem an. Er mochte sie liebenswürdig ansehen, aber sein Erscheinen hier, wo sie ganz allein war, beunruhigten sie. „Was willst du? Hat dich Tausend-Tonnen-Tina wieder rausgeworfen, weil du meinen Namen dabei gerufen hast?“ fragte sie schnippisch um ihre innere Aufruhr zu verbergen. Er lächelte noch immer. „Chily, bitte, lass es uns noch mal versuchen.“ Das war doch nicht zu fassen. Wie oft musste sie ihm das noch sagen? „Nein. Dean, je häufiger du nervst, desto weniger will ich. Geh zu Tina zurück, “ antwortete sie harsch. „Ich bin nur bei ihr, weil du mich rausgeworfen hast, “ rechtfertigte er sich. „Baby, bitte. Ich weiß, ich hab Fehler gemacht. Aber gib uns noch eine Chance.“ Er legte diese Bitte auch in seinen Blick. Es zog bei vielen Frauen, nur nicht bei ihr. „Nein. Kapier es endlich. Nein. Ich will nicht. Ich hab dich so satt. Ich ertrag weder deine Eifersucht, noch deine Besitzansprüche noch deine ständige Kontrolle und am allerwenigsten dein Hinterhergerenne. Was ich tu, geht dich gar nichts mehr an. Lass mich in Ruhe, “ entgegnete sie energisch. „Das kann ich nicht.“ Er trat einen Schritt auf sie zu. „Ich liebe dich“, versicherte er sanft. „Ach“, schnappte sie prompt. „Schläfst du deshalb mit ihr?“ Es war nicht so, dass es ihr was ausmachte. Dean war ihr gleich. Sie wollte ihm damit lediglich seine Doppelmoral vor Augen führen, doch er war blind dafür. „Ich hab auch nur Bedürfnisse. Wenn du sie mir nicht erfüllst, was soll ich sonst tun?“ Er hob die Schultern. Gott, war der schwer von Begriff. „Das ist mir doch egal. Dean, bitte. Sieh es endlich ein und geh, “ fuhr sie ihn an. Er trat noch einen Schritt auf sie zu. „Das kann ich nicht. Du bist immer noch mein Mädchen.“ – „NEIN“, schrie sie und wich einen Schritt zurück. „Bin ich nicht. Ich gehöre dir nicht. Ich bin nicht dein Eigentum.“ Deans Miene verdüsterte sich. „Es hat was mit diesem Typen zu tun, nicht wahr?“ stellte er fest. „Ich hab euch gestern Nacht ausreiten sehen.“ Chily verschlug es fast die Sprache. „Verfolgst du mich etwa?“ Das war ja noch viel unheimlicher, als sie erwartet hatte. „Das ist ja schon Stalking“, rief sie aufgebracht. „Nein, das ist Liebe“, erklärte er haltlos. „Er wird dir nicht gegeben können, was du brauchst…“ Sie schnitt ihm das Wort ab. „Das geht dich nichts an. Verschwinde, “ zischte sie. Das wurde ja immer schöner. Da ritt sie nur mal mit einem Freund ihres besten Freundes durch die Gegend und Dean vermutete eine komplette Liebesgeschichte dahinter. Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Wo sollte das noch hinführen? Ehe sie richtig begriff, wie ihr geschah, hatte Dean sie bei den Schultern gepackt und gegen die Scheunenwand gedrückt. „Nein“, presste er heftig hervor. „Du musst begreifen, dass ich das nicht kann.“ Der Regen setzte ein. Er platze vom Himmel als hätte jemand eine Bewässerungsanlage eingeschalten. Binnen kürzester Zeit waren die Beiden nass bis auf die Haut. „Lass mich los. Du tust mir weh.“ Chily versuchte sich zu befreien, doch sein Griff war wie der einer Klammer. „Du bist die einzige, die ich will, die ich je wollte.“ Jetzt versuchte er auch noch, sie zu küssen. Chily stemmte sich mit all ihrer Kraft gegen ihn, aber sie hatte keine Chance. Er war doppelt so stark wie sie. „Hör auf. Lass mich los! HÖR AUF!“ Das Getrampel sich schnell nähernder Pferde ließ Dean zurückfahren und sie loslassen. Er wand sich um. Vier Rosse hielten vor ihm. Ihre Reiter blickten finster auf ihn hinab. Wie Statuen thronten sie stolz und unbeeindruckt vom Regen, der auf sie einprasselte, auf den Mustangs und Dean beschlich ein ungutes Gefühl. Einen Momentlang herrschte eisige, gespannte Stille in der sich niemand rührte. Chilys Ex-Freund wurde klar, dass er lieber gehen sollte, bevor der Typ mit dem Cowboyhut auf die Idee kam abzusteigen. Er erinnerte sich schließlich noch sehr gut daran, wie der austeilen konnte, wenn es um das weibliche Wesen an der Scheunenwand ging. So wand Dean sich ab und verließ zügig den Hof. Colt sprang aus dem Sattel, doch bevor er dem Gehenden folgen konnte, versperre Chily ihm den Weg. „Nicht.“ Eindringlich sah sie ihn an. Colt wollte aufbrausen, doch dann drehte er sich nur um und fluchte vor sich hin, während er den Hengst in den Stall führte. „Alles okay?“ fragte April. Chily nickte nur und starrte weiter auf die Tür, durch die Colt verschwunden war. Schließlich seufzte sie unterdrückt und ging ins Haus. Saber, Fireball und April brachten ebenfalls ihre Pferde in den Stall und versorgten sie. Colt tat das gleiche, schwieg dabei jedoch hartnäckig. Sein Schweigen hielt an, bis sie zu Chily in die Küche kamen. Die rotbraun gesträhnte Blondine stand am Herd und hatte der Tür den Rücken zu gekehrt. „Nicht noch mal“, sagte Colt, als er eintrat. „Ich weiß“, antwortete sie leise. „Wer war das überhaupt?“ wollte Fireball wissen. Es gab in letzter Zeit ein paar Dinge zu viel, die der Scharfschütze nicht erwähnt hatte und nicht nur er, auch die beiden Blonden, hatten das Gefühl, den Kameraden nicht richtig zu kennen. Keinem der drei gefiel das. Jetzt tauschten der Kuhhirte und seine Schulfreundin einen kurzen Blick. „Einer der Typen“, gab Colt dann zur Auskunft, „der nicht weiß, was „Nein“ heißt.“ Die Kleine kümmerte sich wieder ums Essen. „Schade, dass ihr es bei dem Wetter nicht zu Häuptling Hinun geschafft habt. Ich hätte zu gern gewusst, wie es ihm geht. War schon ewig nicht mehr da gewesen, “ meinte sie dann. „Ich hätte nicht gedacht, der der noch lebt, “ entfuhr es Colt überrascht. „Tut er. Er ist noch fit wie eh und je. Wenn er uns alle überlebt, würde es mich auch nicht wundern.“ Damit begann sie den Tisch zu decken. „Klingt, als könntest du uns ein bisschen was darüber erzählen“, stellte Saber fest. Chilys Blick glitt prüfend von ihm zu dem Scharfschützen. „Würdest du bitte noch mal schnell nachsehen, ob auf dem Hof alles in Ordnung ist, Bullet?“ – „Von mir aus?“ Er trottete aus der Küche. „Ein paar Dinge, “ begann Chily, als sie hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel, „erzählt er nicht gern. Es erinnert ihn an seine Eltern und damit an deren Tod. Der hat ihn damals völlig aus der Bahn geworfen. Nicht mal ich bin da noch an ihn rangekommen.“ Sie seufzte. „Nachdem viele Menschen sich auf den erkundeten Planeten ausdehnten, sie bewohnbar gemacht hatten und sich dort niederließen, kam für die ethnischen Minderheiten wie die Indianerstämme, die Zeit sich wieder in ihren Ursprungsgebieten anzusiedeln um ihre Kultur und ihre Traditionen wieder aufleben zu lassen. In der langen Geschichte ihrer Entwicklung war es schwer, herauszufinden, wo diese Bereiche lagen, aber immer hin war es teilweise noch nachvollziehbar oder sie konnten sich in der näheren Umgebung davon ansiedeln. Colts und meine Eltern fanden dieses Anliegen seitens der Irokesen wichtig und unterstützten sie darin. Sie kauften das Gebiet um „Pennyrile“ und überließen es dem Stamm. Seither verband unsere Familien eine enge Freundschaft zu Häuptling Hinun. Als Colt und ich geboren wurden, übernahm der Stammesführer selbst unsere Patenschaft und lehrte uns auch die Weltanschauung der Indianer zu verstehen. Das ist die Gesichte, die dahinter steckt. Natürlich interessiert Kinder nicht, wie es zu solch einer Freundschaft kam. Sie existiert einfach. Alles andere ist Nebensache, wenn man durch die Wälder streift, auf Pferden um die Wette reitet und mit Kindern des Stammes zum Fischen geht.“ Die drei nickten verstehend. Sie hatten gewusst, dass Colt seine Eltern durch die Outrider verloren hatte, aber nicht, wie wenig er damit zu recht kam. „Deshalb wollte er nicht zur Ranch,“ verstand April. Chily nickte. „Genau. Er wollte damals zum Rodeo, als das Schiff seiner Eltern angegriffen wurde. Er hielt es nur noch zwei Nächte bei sich zu Hause aus, die Nacht vor und nach der Beerdigung. Am nächsten Morgen war er wie vom Erdboden verschwunden.“ Sie begann das Essen auf den Tisch zu stellen. Fireball und April nahmen Platz, Saber half ihr kurz dabei. „War sicher hart für dich,“ meinte der Rennfahrer. „Für Colt war es härter,“ gab sie zurück, worauf der Japaner missbilligend die Stirn runzelte „Das ist doch aber keine Art, dass man abhaut ohne sich von seiner besten Freundin zu verabschieden.“ Die Kleine hob nur die Schultern. Colt betrat die Küche. „Der Hof steht unter Wasser, also können wir futtern,“ erklärte er und setzte sich. Nach dem Abendessen hängte Colt sich wieder ans Telefon und versuchte Robin zu erreichen. April und Fireball zogen sich ebenfalls zurück. „Und die Arbeit bleibt wieder an uns hängen,“ murrte Saber, grinste aber dabei. „Hat doch ganz gut geklappt mit uns,“ entgegnete sie leicht und zupfte gedankenverloren an einer Strähne ihres Zopfes, den sie heut trug. Dann stand sie auf und stellte ihren Teller in die Spüle. Auch der Recke begann den Tisch abzudecken und reichte ihr das übrige Geschirr, welches sie in die Spülmaschine sortierte. Dabei rutschte der Zopf zur Seite. Saber starrte überrascht auf ihren Nacken. „Ist dir mal ein Wolf mit heißen Pfoten über den Rücken gelaufen?“ fragte er. Verwundert richtete sie sich auf und schaute ihn an. Er deutete auf ihren Hals. „Ach so.“ Unter dem Haaransatz im Nacken trug sie ein Tattoo in Form einer Wolfstatze. „Das ist mein Totem, mein indianisches Sternzeichen. Der Wolf,“ erklärte sie darauf und lachte. „Stehst du auf Schmerzen?“ wollte er noch immer verblüfft wissen. „Nö,“ entgegnete sie heiter. „Aufs Stechen. Ich hab noch ein zweites Tattoo. Aber das sieht man nur, wenn ich schwimmen gehe.“ Der Recke musste ebenfalls lächeln. „Dann sollten wir zwei mal schwimmen gehen,“ schlug er vor. „Hier wird nicht Schwimmen gegangen! Chilys nackte Haut geht dich nichts an, Säbelschwinger, du alter Schwerenöter.“ Mit diesen Worten und leicht grinsend trat Colt wieder in die Küche. Chily fuhr erschrocken herum. „Danke, Bullet. Musst du mir einen Herzinfarkt verpassen? Außerdem ist das meine Haut.“ Der Angesprochene hob die Brauen. „Aber du musst sie nicht jedem zeigen,“ erklärte er ungerührt. „Wir sind schließlich nicht bei einer Fleischbeschau.“ Seine Jugendfreundin schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. „Wenn ich sie jedem zeigen wollte, würde ich nackt durch die Gegend laufen,“ gab sie trocken zurück. „Wehe dir!“ Drohend hob der Cowboy den Zeigefinger. „Das ist doch einfach nicht wahr.“ Sie klappte die Spülmaschine zu und schaltete sie ein. Saber lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich lerne ganz neue Seiten an Colt kennen,“ stellte er schmunzelnd fest. „ Die wären?“ Chily nahm die gleiche Position wie der Recke ein. „Sonst kann ihm eine Frau nicht knapp genug bekleidet sein.“ Dessen Lächeln wurde anzüglich und zweideutig. „Ja, nennt sich Doppelmoral. Hatte er schon immer. Leider,“ antwortete die Kleine darauf, beinahe so, als wäre der Scharfschütze nicht anwesend. Prompt meldete der gründlich empört: „Jetzt hört mal! Ich bin noch da und Doppelmoral ist das auch keine. Einer muss schließlich auf dich aufpassen.“ Wie brachte sie es nur fertig ihm etwas anderes zu unterstellen? „Dann hättest du vor fünf Jahren nicht gehen dürfen,“ katapultiere sie ihm ein berechtigtes Gegenargument um die Ohren. „Sauberer Konter, Chily,“ lobte der Recke neben ihr. „Jetzt hilf ihr nicht auch noch! Das Mädel da hat mich förmlich rausgegrault! Wäre ich nicht gegangen, würde ich nicht mehr hier stehen.“ Dennoch musste Colt lachen und Saber wusste, dass diese Antwort sehr weit weg vom wahren Grund war. „Wenn du so weitermachst, wirst du nicht mehr gehen können. Vor allem nicht zum Altar,“ bemerkte Chily. „Dafür muss die Braut endlich mal mit mir reden, sonst wird das nichts mehr,“ erklärte Colt frustriert. „Hast du sie denn angerufen?“ setzte die rotbraun gesträhnte Blondine zum Verhör an. „Äh... ja... nein... ich mein,“ stammelte er aus der Bahn geworfen. Saber und Chily tauschten bedeutungsvolle Blicke. „Ja oder nein?“ fragte der Blonde dann. „Jein.“ Die Jugendfreundin setzte ihr Verhör fort. „Wo hast du sie angerufen?“ wollte sie wissen. „Zuhause natürlich,“ entgegnete Colt. „Aber außer Josh, der mir hoch und heilig versichert hat, dass er seine Schwester noch nicht gesehen hat, ist da keiner zuhause. Angeblich“ Davon war er eindeutig nicht überzeugt. Wo sollte Robin denn sonst hin sein, wenn nicht zurück in ihre Heimatstadt? Ihm war nur nicht klar, warum Josh ihn so hartnäckig anlügen konnte. Normalerweise hätte er es doch geschafft, die Wahrheit aus ihm heraus zuhorchen. Chily hustete. „Ach so.“ Jetzt hob Colt skeptisch die Brauen. „Was ist los? Erstickst du grad am schlechten Gewissen?“ Sie tat unschuldig. „Ich? Schlechtes Gewissen? Von was denn?“ Dann wand sie sich an Saber. „Kennst du diesen Josh? Lügt der?“ Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Josh ist Robins kleiner Bruder,“ gab er zur Auskunft. „Und lügen würde der kleine Bengel nie. Bei der großen Schwester würde er sich das schon zweimal nicht trauen.“ Wieder grinste er vielsagend. „Sag du es mir. Wovon hast du ein schlechtes Gewissen?“ bohrte Colt. Er hatte das Gefühl, Chily wüsste mehr, als sie sagte. Diese spielte jedoch weiter die Unschuldsnummer und überlegte laut: „Also ist Robin wirklich nicht in Tranquility?“ Dann sah sie Colt kritisch an und meinte: „Weshalb sollte ich ein Schlechtes Gewissen haben? Du solltest ein haben, Jolly.“ Der glaubte sich verhört zu haben. „Wieso ich?“ – „Na, das war doch offensichtlich, dass sie nicht vorgewarnt war, als sie hier ankam. Das arme Mädel.“ Chily schüttelte aufrichtig bedauernd den Kopf. „Ich will nicht wissen, was die grade für Gedanken quälen.“ Das wirkte wie es sollte. Der Scharfschütze bekam ein schlechtes Gewissen. „Aber ich kann doch gar nichts dafür! Robin ist einen Tag zu früh gekommen,“ verteidigte er sich etwas hilflos. Dann klickte es bei ihm. Das war ein Ablenkungsmanöver. „Und jetzt erwisch ich sie einfach nicht. Sie ist weder in Tranquility, noch wird sie hier sein. Oder?“ Mit seinen Blicken schien er seine Schulfreundin zu durchbohren, doch die ließ sich nicht so leicht aus der Reserve locken. „Wie lange seit ihr schon ein Paar? Du hättest ruhig mal früher den Mund aufmachen können und ihr ein paar Sachen erzählen sollen,“ erwiderte sie und beeindruckt und wand sich an den Recken. „Hab ich recht?“ Der stieg sofort darauf ein und nickte. „Er hätte auch uns ein paar Sachen erzählen können.“ Dann fügte er seufzend hinzu. „Mensch, Colt, wenn ich Robin wäre, würd ich mir das mit dem Heiraten noch mal überlegen.“ Auch Chily quälte ihren besten Freund noch ein wenig. „Na aber auf jeden Fall. Ich mein, an ihrer Stelle würde mich fragen, wie viele es da noch gibt neben mir? Was er sonst noch verschweigt? Vielleicht ist er Vater von fünf Kindern? Oder stockschwul?“ grübelte sie laut. Saber ergänzte die Liste der möglichen Zweifel. „Vielleicht arbeitet er gar nicht beim Rodeo oder er ist in illegale Geschäfte verwickelt? Man kann nie wissen, aber als zukünftige Ehefrau sollte man schon mal eingeweiht werden. Keiner kauft die Katze im Sack.“ Die beiden Folterknechte mussten sich jedoch das Grinsen verkneifen. Saber zählte gedanklich schon den Countdown runter, bis Colt explodieren musste. Doch dann setzte Chily noch etwas drauf. „Und dann die ganzen weiblichen Selbstzweifel. Bin ich ihm nicht hübsch genug? Findet er mich vielleicht doch zu fett?“ Sie seufzte. „Gott, dass ist so deprimierend, als wär ich selbst betroffen. Kannst du mich mal kurz in den Arm nehmen, Saber?“ bat sie dann gespielt unglücklich. „Gerne doch.“ Er breitete die Arme aus, damit sie sich an ihn lehnen konnte und versetzte Colt gleich noch einen kleinen Seitenhieb. „Frauen lässt man nicht leiden.“ – „Och danke.“ Chily schmiegte sich an ihn. „Du bist so gut zu mir,“ erklärte sie devot und das reichte dem Kuhhirten dann endgültig. Er fuhr zwischen die beiden und schob seine Schulfreundin vom Schwertschwinger weg. „Sofort auseinander! Das geht gar nicht,“ brauste er auf. Die beiden brachen jetzt in schallendes Gelächter aus. „Sie hatte recht. Du bist ein Kindskopf,“ japste Chily. „WAS?“ Schlagartig schaltete Colts innerer Lügendetektor nun auf maximale Sensibilität. „Nichts,“ versicherte die noch immer lachendende hastig und versuchte sich wieder zu beruhigen. Der Sensor in Colt schlug aus und meldete ihm: Lüge. „Wer hat gesagt, ich wäre ein Kindskopf?“ Sie versuchte ihn von seiner Fährte abzubringen. „Du meinst außer mir und deinen Freunden?“ Sein Gespür signalisierte ihm, dass dies eine Ablenkungstaktik war. „Du hast gesagt, SIE. Ich wäre einer und Saber kann es auch nicht gewesen sein. So feminin ist er dann doch noch nicht,“ strich der Scharfschütze die beiden Anwesenden mal von der Liste der Verdächtigen und hakte knurrend nach. „Also, wer?“ Chily fuhr fort ihn zu necken. „Sag ich dir nur unter einer Bedingung,“ antwortete sie. „Nun sag schon,“ forderte Colt. „Nur, wenn ich jetzt wieder in Sabers Arme darf,“ beharrte die verschmitzt grinsend. „Sonst noch Schmerzen?“ fuhr der Cowboy auf. Seine Freundin hob unbeeindruckt die Schultern „Geht ja nur um dein Ableben … äh, Begräbnis … äh … du weißt schon.“ Auch Saber stichelte noch ein wenig. „Was ist schon dabei, Colt. Du stehst doch daneben. Was soll schon passieren?“ meinte er naiv. „Deine Geheimkniffe kenn ich, Saber. Nix da, nicht neben mir und schon gar nicht, wenn ihr alleine seid,“ erklärte Colt kategorisch. „Jetzt sag endlich, wer hat das gesagt?“ verlangte er dann energisch von Chily. „Weißt du noch? Dass kann ich ewig.“ Damit presste sie demonstrativ die Lippen zusammen und schwieg. Colt erinnerte sich. Je lauter er wurde, desto weniger bekam er etwas aus ihr heraus. Aber er kannte sie gut genug um zu wissen, wie er sie weich kochen konnte und änderte seine Taktik auf Knopfdruck. Mit Kulleraugen und Unglücksschnute flehte er, als stünde er nun kurz vor den Tränen. „Bitte“ denn das war eindeutig ihr Schwachpunkt. „Och, das ist fies,“ fluchte sie. Saber dagegen war schwer beeindruckt von dieser Nummer. „Wer soll sie schon sein? Die einzige, die außer mir im Stande ist, zweifelsfrei festzustellen, dass du ein Kindskopf bist,“ informierte Chily dann. „Robin!“ schaltete der Cowboy sofort. „Wo ist sie? Wann hast du mit ihr gesprochen? Wie? Warum?“ Mehr Fragen fielen ihm vor laute Aufregung nicht ein. „Genau Robin. Hab sie heute gesehen und auch mit ihr gesprochen. Sie war sogar hier auf der Ranch. Dann sind die Wolken aufgezogen und sie ist ins Hotel zurück gegangen,“ gab die Freundin zurück. „Hotel? In welches Hotel?“ rief Colt ungeduldig. Robin war noch hier. Verdammt, er musste sofort zu ihr. „Komm schon, Chily, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Wo ist mein Engel?“ Amüsiert gab diese zur Auskunft: „Sankt Claires , Ecke 49. Du weißt schon, da wo es immer war ...“ Von dem Scharfschützen war nur noch eine Staubwolke zu sehen. „So schnell hab ich ihn noch nie gesehen.“ Beeindruckt hob Saber die Augenbrauen. „Ich auch nicht,“ gestand die junge Frau neben ihm. „Aber wir beide waren ein spitzen Team,“ fiel ihr dann auf. „Da kann ich nichts hinzufügen.“ Saber lächelte ihr zu. „Ob er es wohl vor lauter Hektik zu ihr schafft?“ Stirnrunzelnd sah sie zur Küchentür. „Das ist Colt,“ antwortete Saber nüchtern. „Stimmt.“ Chily verließ die Küche. „Bis später,“ rief sie zurück und fand ihren besten Freund auf dem Hof, der gerade festgestellt hatte, dass Donna Joe noch mit dem Auto unterwegs war. Chily fuhr ihn deshalb mit dem Motorrad in die Stadt, setzte ihn vor dem Hotel ab und erklärte noch: „Ich hol dich nicht vor morgen früh ab.“ Dann düste sie zur Ranch zurück und Colt verschwand im Hotel. Er erkundigte sich nach Robins Zimmer, stand wenige Augenblicke später vor deren Tür und klopfte aufgeregt an. Sie brauchte nicht lange um zu öffnen und obwohl er geglaubt hatte, sein Herz könne nicht noch heftiger schlagen, tat dies es dann doch. Robin war überrascht, einen pitschnassen Kuhhirten vor ihrer Tür vor zu finden. „Schatz, ich …“ sprudelte der gleich hervor. „Komm rein und trockne dich ab,“ schnitt sie ihm ruhig das Wort ab und ließ ihn ein. Sie ging ins Badezimmer um ihm ein Handtuch zu bringen. Er folgte ihr. An der Tür begann er von neuem. „Es tut mir leid.“ Dann hatte er ein Frotteetuch im Gesicht. „Was von dem allem, was Chily mir heut erzählt hat?“ fragte die Lehrerin. Nicht böse, aber sachlich, was den Scharfschützen noch mehr beunruhigte. Er schluckte hart unter dem Handtuch, dann rubbelte er sich das Haar einigermaßen trocken und überlegte sich krampfhaft eine gute Antwort. „Dann habt ihr euch also ganz gut verstanden,“ stellte er fest und lugte vorsichtig unter dem Frotteetuch hervor. Robin nickte nur, ließ sich jedoch nichts anmerken, was ihre Gefühle betraf. Ihr Herz hatte einen Freudensprung gemacht, als er vor ihrer Tür stand. Er war zu ihr gekommen, trotz des starken Regens draußen, das rührte sie. Doch er hatte ihr auch viele Dinge nicht erzählt, die sie gern gewusst hätte. Die hatte sie, teilweise, von Chily erfahren. Den Rest, so hatte diese betont, musste Colt ihr selbst erzählen. Wieso tat er das nur nicht? Vertraute er ihr so wenig? Es war schwer ruhig zu bleiben, wenn all das gesagt werden wollte. So entstand ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen. Colt wurde klar, während er seine Robin betrachtete, dass er hätte offener ihr gegenüber sein müssen. Dass konnte sie nur als Misstrauen verstehen und damit hatte er die Beziehung in Gefahr gebracht. Betreten schob er das Tuch von seinem Kopf und schaute zu Boden. „Wie geht es Number 1?“ fragte die Lehrerin schließlich um die Stille zu brechen und ihm zu signalisieren, dass sie mit ihm reden wollte. „Ich weiß nicht so genau,“ gab er zögernd zur Antwort und hob vorsichtig den Blick. „Du weißt nicht, wie es Chily geht?“ hakte sie ungläubig nach. „Doch. Der geht es gut,“ erwiderete er hastig. „Ich weiß nur nicht, wie du dich fühlst.“ Nun, auch seine Jugendfreundin hatte betont, Robin sei die neue Number 1. Gedanklich musste sie nun schmunzeln. „Ich fühl mich, als würde ich dich nicht richtig kennen,“ antwortete sie leise. „Du hast mir so viel nicht erzählt. Gehöre ich denn nicht zu deinem Leben?“ Hätte sie ihn angeschrieen, hätten ihm ihre Worte nicht so weh getan. „Doch natürlich,“ versicherte er ihr schnell. „Ich möchte immer noch mehr als alles andere, dass wir heiraten. Robin ich …“ Hilflos brach er ab. Ihr zu sagen, dass er sie liebte, dürfte nicht reichen oder nicht glaubwürdig erscheinen. Er ließ sich auf den Toilettendeckel hinter sich plumpsen. Aus seiner Kleidung rannen Tropfen auf die hellen Fliesen. Die Jeans klebte störrisch auf seiner Haut. „Lass mich dir was erzählen,“ schlug er ihr vor. „Gut.“ Sie platzierte sich auf der Kante der Duschkabine. Er seufzte leicht. Wo sollte er anfangen? Als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte sie. „Erzähl mir von Reverant Steam.“ Schamesröte schoss ihm ins Gesicht. Das war keine gute Story für die Zukünftige. Frühere Eroberungen hatten schließlich oft genug einen bitteren Beigeschmack. Besonders diese. Aber er wollte ihr nicht länger das Gefühl geben, er würde ihr etwas vormachen. „Okay,“ begann er langsam. „Du weißt ja, dass ich nicht immer ein Engel war und … puh.“ Das war hart. Recht stockend, mit jedem Wort mehr sich schämend und gesenktem Kopf berichtete Colt nun alles. Von dem neuen Reverant, der mit seiner hübschen Tochter in die Stadt gezogen war; von den Kumpels, die ihr nachlechzten; von der idiotischen Wette, die auf einer Party abgeschlossen wurde und davon, dass er diese Wette gewonnen hatte. Das war mit Abstand das Fieseste, dass er je einem Mädchen angetant hatte. Die Art, wie er Robin dies erzählte, verriet ihr, dass er sich dessen bewusst und nicht gerade stolz darauf war. Er beschönigte gar nichts, was sich selbst gegenüber schonungslos und ihr gegenüber ehrlich. Robin schluckte vor Fassungslosigkeit. Das hatte sie nicht erwartet. „Das war das „Gemeinste, was du hättest tun können. Ich meine, es ist schlimm genug, dass du hier jedem Mädchen das Herz gebrochen hast, aber für eine Wette …“ Verständnislos sah sie ihn an. „Ich weiß,“ gab er kleinlaut zu. „Reverant Steam hat natürlich Stunk bei meinen Eltern gemacht. Die machten mir die Hölle heiß und Chily hat einen ganzen Monat lang nicht mit mir geredet. Bei Mary, der Tochter des Reverants, hab ich versucht mich zu entschuldigen. Erst wollte sie mir nicht zu hören. Dann sagte sie, sie sei wahrscheinlich ein Stück weit selbst schuld, denn Chily hätte sie vor mir gewarnt.“ Er seufzte. „Das ändert nichtst daran, dass es das blödeste war, dass ich je getan hab.“ – „Allerdings.“ Klipp und klar stellte Robin das fest. Vorsichtig lugte er zu ihr. Ihre Miene war unergründlich. Deshalb hatte Chily die Geschichte nur angeschnitten, ihr aber nichts weiter dazu gesagt. Es wäre noch ungeheuerlicher gewesen, wenn sie alles von ihr erfahren hätte. „Robin.“ Colt kniete vor ihr auf den Fliesen, den Kopf immer noch gesenkt. „Bitte …“ Was er ihr sagen wollte, konnte er nicht aussprechen, aber sie spürte deutlich, was ihn bewegte. Diese Beichte konnte bedeuten, dass sie ging. Davor hatte er mehr Angst, als vor jedem Kampf mit den Outridern damals. Schon Chily hatte angedeutet, dass er so etwas nie wieder gemacht hatte und dieser Fehler ihm bis heute ein schlechtes Gewissen verursachte. So wie er nun vor ihr kauerte, war die Lehrerin von seiner Aufrichtigkeit überzeugt. Behutsam streckte er die Hand nach ihr aus. „Schatz.“ – „Dass du so etwas tun konnest, fass ich einfach nicht,“ fuhr sie ihn nun an und er fiel vor Schreck rittings auf den Boden. „Wie konntest du nur?“ Er machte nicht einmal den Versuch sich zu rechtfertigen oder zu verteidigen. Das war einfach nicht verzeihlich. Doch, das er es gestanden hatte, tat ihm dennoch gut. Wenn diese Beziehung schon auseinander ging, dann wenigstens, weil er ehrlich gewesen war. Aber der Gedanke daran, dass sie gehen könnte, verursachte ihm Schmerzen in der Brust, die er nicht gekannt hatte. „Ich hab es verdient,“ murmelte er betreten. „Was hast du verdient?“ fragte sie zurück, weill sie den Zusammenhang gerade nicht verstand. „Wenn du jetzt gehen willst,“ erwiderte er leise. Unbewusst griff er sich an die Brust. Das Ziehen darin war also Herzschmerz. „Ich sollte gehen,“ bestätigte sie wütend, dann wurde auch sie leiser. „Aber ich kann nicht. Wenn Mary dir das verzeihen konnte, sollte ich das auch können. Irgendwie …“ Sie setze sich auf die Kante und schaute auf ihre Füße. „Ich hab mich geändert. Robin, dass weißt du.“ Colt setzte sich auf. „Schatz bitte,“ flehte er inständig und kniete wieder vor ihr. „Wenn du mich je betrügst …“ fuhr sie ihn an. Er legte ihr den Finger auf den Mund. „Niemals. Du bist … Ich hab noch nie so etwas gefühlt. Aber schon als ich dich zum ersten Mal gesehen hab, wusste ich, dass du etwas besonderes bist,“ gestand er und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte folgte diesen Worten kein albernes Herunterspielen. Sprachlos blickte sie ihn an. So ernst meinte er es also. Er bettete seinen Kopf auf ihren Schoss. „Bitte sag, dass du mich noch liebst.“ Jetzt musste sie lächeln. Wahrheit tat weh, aber er hatte sie trotzdem ausgesprochen, obwohl er genau wusste, dass er damit diese Beziehung riskierte. Wie konnte sie angesichts dieser Tatsache noch wütend sein? „Ich liebe dich,“ flüsterte sie. „Auch, wenn du der größte Idiot bist, den die Welt je gesehen hat.“ Liebevoll strich sie ihm über die halbnassen Locken und hauchte ihm einen Kuss auf den Finger, der immer noch auf ihren Lippen ruhte. Jetzt zog er sie stürmisch an sich und hielt sie so fest er konnte. Einen Moment lang spielte Robin mit dem Gedanken, ihn nach seinen Eltern zu fragen, doch dann entschied sie sich dagegen. Er war einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Das reichte für den Anfang. Sie strich ihm über den Kopf und den Rücken. „Du solltest lieber duschen. Du bist ganz kalt.“ Er nickte gehorsam. Bald darauf lag er ihm Hotelbademantel auf dem Bett. Robin hatte seine Sachen provisorisch zum trockenen aufgehängt. „Zur Not föhnen wir sie morgen früh,“ erklärte sie lächelnd und krabbelte zu ihm. Er legte den Arm um sie und zog sie zu sich. „Ja, morgen früh.“ Zärtlich hauchte er ihr einen Kuss auf die Lippen. Er war erleichtert, als sie ihn erwiderte und überrascht, was dem folgte. Zur gleichen Zeit … Davon wusste der Kleine sicher nichts. Es lag ihm nämlich nicht, sich mit solchem Papierkrieg auseinander zu setzen. Er bevorzugte es Dinge von Mann zu Mann zu klären, so dass er seinem Gegner in die Augen sehen konnte. Dieser Gegner aber agierte lieber hinterrücks und obwohl sein kleiner Schützling schon mal mit ihm zu tun hatte, war er sicher nicht auf diese Verbindung gestoßen, welche die Papiere auf dem Tisch da aufgedeckt hatten. Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs aschblonde Haar. Einen Moment lang ließ er gedankenverloren seinen Blick durch den Raum schweifen. Das war wirklich die mieseste Absteige, in der man landen konnte. Die Gardinen an den Fenstern waren vor langer Zeit wohl mal weiß gewesen. Das Bett quietschte, der Tisch wackelte und das Bad war … Er wand seine Gedanken wieder dem unordentlichen Haufen Unterlagen zu vor sich zu. Allein konnte er nichts gegen das tun. Na, nicht sehr viel und es war riskant. Er war kein Feigling, nur Realist. Er brauchte Unterstützung. Jemanden, der besonnen, clever, sachlich und in der Nähe seines ehemaligen Schützlings war. Da kam nur einer in Frage und der war perfekt. Einige Zeit lang hatten sie den gleichen Arbeitgeber gehabt. Dann musste er also seinen ehemaligen Vorgesetzten auch einweihen. Also gut. So lange nur die beiden und er selbst davon wussten, war es wohl besser so. Kurz entschlossen schob er die Papiere zu einem Stapel zusammen und stopfte sie in die Aktentasche. Das Zimmer hier roch sowieso muffig. Er brauchte frische Luft und ein neues Quartier. Wenig später stand er auf der Straße. „Taxi!“ Das gelbe Auto hielt am Bordstein. Er stieg ein. „Wohin solls n gehen?“ – „Zum Yuma-Airport.“ Er musste die zwei einweihen. Es stand zu viel auf dem Spiel. Der Frieden stand auf dem Spiel. Kapitel 3: N’oubliez jamais --------------------------- N’oubliez jamais „Einst sprach die Vernunft zum Herz: „Der Mensch kann froh sein, dass es mich gibt. Ich sage ihm immer, was für ihn richtig ist.“ – „Ja“, sagte das Herz. „Du meinst es nur gut und doch wirst du oft zum Werkzeug, mit dem die Menschen ihr eigenes Unglück schmieden.“ – „Das stimmt nicht“, entgegnete die Vernunft. „Ich bin es, der den Menschen viel Ärger erspart.“ – „Gelegentlich“, wandte das Herz ein. „Aber wenn es um Liebe geht, unterdrückst du mich. Du wirst zum Lügner, weil du dich oft von der Angst täuschen lässt. Ich kann nicht lügen. Ich zeige den Menschen, was gut für sie ist. Doch da sich die Menschen sehr oft von dir leiten lassen, hören sie meine Stimme nicht mehr.“ – „Und doch bewahre ich sie vor Enttäuschungen“, warf die Vernunft ein. „Da irrst du dich gewaltig“, widersprach das Herz. „Wenn du mich unterdrückst, ist der Mensch schon enttäuscht, denn du hast die Liebe erstickt, die ihn hätte glücklich machen können.“ Da wurde die Vernunft sehr traurig.“ „Ich kenne diese Geschichte“, meinte Saber. „Ich habe sie früher schon gehört.“ Auf Angel und Demon hatten er und Chily im Morgengrauen einen Ausritt unternommen. Sie war früh aufgewacht, weil sich nicht mehr schlafen konnte und hatte so lange an seine Zimmertür geklopft, bis sie ihn geweckt hatte. Der Grund war einfach der gewesen, dass sie nicht allein reiten wollte und davon ausging, Saber wäre zu höflich eine Frau, die so hartnäckig war, wieder fortzuschicken. Trotz seiner Müdigkeit hatte er bei dieser Erklärung schmunzeln müssen. Nach dem nächtlichen Regen war die Luft erfrischend kühl und machte ihn endgültig wach. Das Gras war noch nass und hin und wieder fielen Tropfen von den Blättern der Bäume. Die Strahlen der aufgehenden Sonne funkelten darin. Der Morgen war still und Saber bereute nicht, dass er ihrem Anliegen nachgegeben hatte und mit ihr durch den Wald trabte. „Ich weiß nicht, warum, “ erwiderte Chily nun, „aber irgendwie hast du mich an dieses Geschichte erinnert.“ Er antwortete nicht. Bis eben hatte er sie angesehen, jetzt schaute er ins Dickicht. Seine Miene verriet nicht, woran er dachte. „Ich hab wohl was falsches gesagt?“ hakte sie nach. „Nein“, gab er knapp zurück. Ihr Blick hing an ihm. „Du bist ein schlechter Lügner“, stellte sie fest. „Aber ich verzeih es dir. Irgendwas gefällt dir nicht, an dem, was ich gerade gesagt habe und ich vermute mal munter drauflos, dass dir Vernunft oder Pflichtgefühl oder Disziplin oder sowas mal als Schwäche vorgeworfen wurde. Als Fehler.“ Sie sagte das so schlicht daher, als hätte sie es nachgelesen. Der Recke konnte nichts darauf erwidern. Entweder log er sie dann an, oder gab zu, dass sie recht hatte. Beides brachte er nicht fertig. Zudem war es ihm unheimlich, dass sie ihn augenscheinlich problemlos durchschauen konnte. Eine Fremde? Wie war das möglich? „Okay“, meinte sie dann. „Ich hör schon auf. Reden wir nicht mehr davon. Sag mir lieber, woher du eine alte Indianergeschichte kennst.“ Sie lächelte ihm aufmunternd zu. „Von den Keschonie. Wie du und Colt hab auch ich mehrere Jahre die Sommerferien bei ihrem Stamm verbracht, “ erzählte er, dankbar dafür, dass sie sein Schweigen akzeptierte. Dann überquerten sie den Waldrand und standen am Ufer des Flusses. „Der Ohio-River. Ist es nicht wunderschön hier?“ Chilys Stimme klang verträumt. „Ja“, nickte er. Breit und spiegelglatt schmiegte sich der Strom wie ein silbrig blaues Band an seinen Bänken entlang. Unweit von ihnen verband eine schmale Holzbrücke die beiden Seiten miteinander. Rechts und links davon begrenzten Bojen den Badebereich. Sprungtürme, Rutschen und Türme der Wasserwacht verdeutlichten, dass man in diesem Teil unbedenklich schwimmen konnte. Chily sprang von Demons Rücken. „Komm“, rief sie Saber fröhlich zu und war schon fast auf der Brücke. „He, warte.“ Er folgte ihr, erreichte sie aber erst, als sie schon die Hälfte des Steges erreicht hatte. „Du bist …“ begann er. „Spontan?“ fragte sie. „Ich hätte sprunghaft gesagt“, gab er zurück. „Ich mache gern das, wonach mir gerade ist. Jetzt ist mir nach Schwimmen. Das Wasser lädt doch förmlich dazu ein, “ entgegnete sie munter. „Wir haben keine Badesachen dabei, “ informierte er erstaunt. „Na und, “ kam es unbeeindruckt zurück. Damit zog sie die Bluse aus der Hose. „Was tust du?“ Überrascht riss Saber die Augen auf. „Mich ausziehen“, entgegnete sie ganz selbstverständlich, streifte ihre Bluse ab und öffnete geübt den BH-Verschluss auf dem Rücken. Er wand sich mit hochrotem Kopf ab. „Sag mal“, stammelte er verlegen. „Was?“ lachte sie. „Erzähl jetzt nicht, dass du noch nie eine nackte Frau gesehen hast.“ Ehe er antworten konnte, platschte es. Zögernd wandt sich Saber zum Wasser und schaute auf die unruhige Fläche, dann tauchte Chily wieder auf. „Na, los“, prustete sie. „Rein mit dir. Das Wasser ist fantastisch.“ Sie schwamm auf der Stelle und wartete. Er zögerte. „Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?“ – „Komm schon, oder du wirst mit Sachen baden gehen“, kicherte sie. „Ich bleibe lieber hier und bewundere das Panorama.“ Demonstrativ sah er zur anderen Seite des Flusses und damit ihr schelmisches Lächeln nicht mehr. Das gleichmäßige, sich entfernende Platschen verriet, dass sie zur Uferseite schwamm, an der die Pferde grasten. Sie war schon verrückt. Ständig lief sie barfuß, ritt ohne Sattel, bei Nacht oder im Morgengrauen und sprang nackt in irgendwelche Flüsse, weil ihr gerade danach war. Kam sie nicht auf den Gedanken, dass sie jemanden in Verlegenheit bringen konnte? Oder auf andere Ideen? Wieso geisterte sie ständig in seinem Kopf herum, als wäre es ihr eigener und kramte die Gedanken aus, die er nicht aussprechen wollte? Das Geräusch von nassen Füßen auf den Brettern holte ihn aus seinen Überlegungen. Weil man sich umdrehte, wenn sich jemand hinter einem näherte, tat auch Saber dies und blickte zu ihr. Sofort wand er sich wieder in die andere Richtung. Sie war ja unbekleidet. „Rein ins Wasser“, forderte sie ihn lachend auf. „Ich …“ suchte er nach einer Ausrede. „Hab keine Angst, dich mal fallen zu lassen“, hörte er sie sagen. Im nächsten Moment fiel Saber ins Wasser. Belebend kühle Wellen schlugen über ihm zusammen und er sank tief in eine stille Schwerelosigkeit. Dann trieb er wieder an die Oberfläche und tauchte auf. Sie hatte ihn einfach hineingestoßen. Ohne Vorwarnung. Neben ihm klatschte es. Dann sah er Chily auf sich zu kommen. „Hab dich gewarnt. Ausziehen, oder du gehst mit Sachen baden, “ gluckste sie quietsch vergnügt. „Was meinst du wird Colt mit dir machen, wenn er das erfährt?“ fragte der Recke, wenig erfreut über das unerwartete Bad. „Was meinst du wird er mit DIR machen, wenn er es erfährt?“ gab sie lachend zurück. „DAS wird er nicht erfahren,“ betonte der entschieden. „Was macht dich so sicher, dass Colt es nicht erfahren wird? Deine Sachen werden noch nass sein, wenn wir auf der Ranch ankommen und er ist sicher zum Frühstück wieder da. Er wird also fragen,“ erklärte sie immer noch amüsiert. „Man kann ja mal eine kleine Notlüge auspacken.“ Er schwamm auf der Stelle während sie ihn umkreiste. „Klar, weil du ein so überzeugender Lügner bist. Was willst du ihm erzählen? Dass du vom Pferd ins Wasser gefallen bist? Dazu reitest du viel zu gut,“ antwortete sie. „Zum Beispiel. Das ist den besten Reitern schon passiert,“ entgegnete er. „Ach komm. Das nimmt er dir auf keinen Fall ab,“ kam es unbeeindruckt von ihr zurück. „Wenn du ihn dabei so anguckst, ganz sicher nicht,“stellte er fest, noch immer leicht verstimmt. „Erwarte nicht von mir, dass ich mich vor ihm zusammen reißen kann. Wahrscheinlicher ist, dass ich mich bis dahin tot gelacht hab. Das wirst du dann auch begründen müssen,“ kicherte sie und zog weiter ihre Bahnen um ihn. „Ach, da fällt mir schon was ein.“ Jetzt hielt sie direkt vor ihm und grinste ihn breit an. „Ach ja, da bin ich jetzt aber gespannt...“ Erwartungsvoll sah sie ihn an. „Du musst es ja nicht herausfordern, dass ich Colt breit ins Gesicht lügen muss.“ Den gereizten Unterton konnte er nicht verhindern. „Du hättest dich ja nur ausziehen brauchen,“ warf sie zurück, hörte aber zu lachen auf. „Okay, ich glaub, ich bin dir mit der Aktion gewaltig auf die Zehen getreten. Tut mir leid,“ meinte sie dann aufrichtig. „Davon kannst du ausgehen,“ knurrte er. „Du kriegst von Colt nämlich nur halb so viel Ärger wie ich.“ Chily runzelte die Stirn. War der denn zu rational um an irgendwas Spaß haben zu können? „Da kennst du Bullet aber schlecht. Die Frage ist nur, wen von uns beiden er zu erst umbringt.“ Sie tauchte kurz hinter ihm vorbei und kam auf der anderen Seite wieder zum Vorschein. Jetzt schaute sie etwas betreten aus der nicht vorhandenen Wäsche, als sie sagte: „Ich hab halt gedacht, es würde dir mal ganz gut tun.“ Saber lächelte milde. „Schon okay. Jetzt ist es ohnehin zu spät.“ – „Wann hast du das letzte Mal so was gemacht. Du weißt schon, was Verrücktes,“ wollte sie dann wissen. „Du meinst etwas total Hirnverbranntes?“ fragte er grübelnd zurück. Sie nickte eifrig. „Etwas ganz beklopptes, bei dem man sich zweimal überlegt, ob man es zugibt.“ So wie sie ihn grad ansah, musste er grinsen. „Ich hab zwei Jahre lang Dienst mit den dreien da geschoben. Ist das bekloppt genug?“ gab er verschmitzt zurück. Nun lachte sie wieder fröhlich. „Für den Anfang nicht schlecht. Vor allem in Falle Colt. Na, komm. Lass uns rausgehen. Mir wird kalt.“ – „Kein Wunder. Trägst ja nicht mal ein Evakostüm,“ konterte er leichthin. „He, dass hab ich nur dir zu Liebe gemacht. Du wolltest doch das andere Tattoo sehen,“ entgegnete sie. „Das hab ich trotzdem noch nicht gesehen,“ informierte er schlicht. „Das ist ja wohl nicht meine Schuld, wenn du dich weg drehst,“ ließ sie auch diese Aussage nicht gelten. „Wo hast du es denn eigentlich?“ fragte der Recke dann. Das was er an Blicken auf sie erwischt hatte, hatte nicht gereicht um einen Blick darauf zu erhaschen. „Lass mich zu erst raus, dann siehst du es schon.“ Damit schwamm sie zum Ufer und stieg aus dem Wasser. Er sah wie es aus ihrem Haar über ihren Rücken lief. Oberhalb ihres Hinterteils prangten Engelsflügel, die rechts und links um ihre Taille zu führen schienen. Verlegen und mit rotem Kopf wand er sich ab. „Nett,“ stammelte er. „Nett? Oh man, du bist wohl schon lange nicht mehr mit einer Frau ausgegangen, dass du vergessen hast, dass ‚Nett‘ für Frauen ‚grottenhässlich‘ bedeutet,“ bemerkte sie, grinste aber dabei über ihre Schulter zu ihm. „Oh, dann... schön?“ Die Röte in seinem Gesicht wurde dunkler. „Okay, jetzt wären wir bei ‚Ansehnlich‘,“ gab sie belustigt zurück und schlüpfte in ihre Sachen. Er legte sich rittlings ins Wasser und schwamm ein paar Meter auf dem Rücken. Die Augen in den Himmel gerichtet, ließ er sich treiben. „Süß?“ schlug er vor. „Nur weiter so. Bald sind wir bei dem, was ich hören will,“ gluckste sie und warf sich ihre Bluse über. „Langsam gehen mir aber die Worte aus,“ rief er zurück. „Sexy vielleicht?“ Irgendwie war es entspannend. Der Himmel über ihm war endlos. Der Fluss trug ihn leicht. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, die Zeit würde stünde still. „Perfekt. Du kannst ruhig wieder hersehen. Ich bin angezogen,“ hörte er sie rufen. „Gut.“ Einen Augenblick lang ließ er sich noch treiben, dann schwamm er ebenfalls ans Ufer zurück. „Langsam hätt ich mich in einer verbalen Zwickmühle befunden.“ Sie hatte ihn beobachtet. Also war ihre Vermutung richtig gewesen. Auch er brauchte das Gefühl, loslassen zu können. Aber sie sprach es nicht aus. Stattdessen machte sie ihm ein Kompliment. „Kann ich mir bei dir gar nicht vorstellen. Du siehst nicht aus, als wärst du dämlich.“ – „Bei dem Anblick fehlen selbst mir die Worte,“ seufzte er leicht. Sie hob die Augenbraue. „Bei meinem oder bei nackten Frauen im Allgemeinen?“ Er kratzte sich am Ohr. „Das überlass ich dir, wie es dir lieber ist.“ Seine Sachen hingen schwer an ihm, als er aus dem Wasser kam. Es verstimmte ihn wieder. „Toll, eine getaufte Maus ist weniger nass als ich,“ maulte er. „Das ist eine elegante Form mir nicht erzählen zu müssen, dass ich hässlich wie die Nacht bin. Aber als ein getauftes Mäuschen bist du immer noch süß,“ erklärte Chily heiter und trat auf Demon zu. „Mäuschen?“ Skeptisch hob er die Augenbraue. „Gefällt es dir nicht? Soll ich dich lieber Häschen nennen? Oder Bärchen?“ fragte sie um ihn zu necken, doch das schlug fehl. „Um Gottes Willen, Mädchen, bleib doch einfach bei Saber,“ enfuhr es ihm ungehalten. „Keine Tiernamen. Oder Mach es wie Colt und nenn mich Säbelschwinger, daran hab ich mich schon gewöhnt.“ Überrascht von seinem Ton hob sie die Schultern. „Ich bin aber nicht Colt. Ich werd dich ganz sicher nicht so nennen. Mir fällt schon noch ein Name für dich ein,“ schlug sie versöhnlich vor. Dann nahm sie Demon am Zügel und führte ihn in Richtung der Ranch. Unvermittelt wollte sie jetzt wissen. „Sag mal, vermisst du uns eigentlich?“ Seiner Verlegenheit, als sie ihn gefragt hatte, wie lange er schon nicht mehr ausgegangen war, nach zu urteilen, war er schon recht lange Single. „Bitte wie?“ fragte er irritiert zurück. „Uns Frauen? Vermisst du uns? Also, die Gegenwart von einer halt.“ Vorsichtig lugte sie über die Schulter zurück zu ihm „Sollte ich?“ gab er abweisend zurück. Innerlich zog er in Windeseile eine Mauer hoch. Dieses Mädchen da kam ihm zielsicher immer wieder näher, als er es ertragen konnte. Die letzte, die er nah an sich herangelassen hatte, hatte ihm das Herz aus der Brust gerissen. So bald würde ihm das nicht wieder passieren. „Ich weiß nicht,“ erwiderte sie etwas hilflos. „Vielleicht, solltest du. Du wirkst nicht gerade so, als wärst du übermäßig glücklich.“ Er wandt sich Angel zu. „Ich bin zufrieden,“ murmelte er, als er nach dem Zügel griff. „Zufrieden und glücklich ist nicht das gleiche. Aber ich merk schon, ich trete dir schon wieder zu nahe.“ Chily richtet ihren Blick wieder nach vorn auf den Weg. „Wenigstens kommst du selber drauf, dass ich darüber nicht reden will. Da kenn ich ganz andere Kaliber.“ Der Recke folgte ihr mit der Stute. „Tut mir leid. Ich denk halt, dass du jemand bist, den man ruhig kennen lernen sollte, weil er interessant ist. Deshalb frag ich,“ rechtfertigte sie sich ehrlich. „Oh, jetzt fühl ich mich aber geehrt.“ Er hatte sie eingeholt und lächelte ihr leicht über Demons Rücken zu. „Schön, wenigstens etwas erreicht.“ Geknickt strich sie die Mähne des Hengstes glatt. „Ein Tipp, Chily,“ setzte er an, als er merkte, dass sie stiller wurde. „Versuch nicht so offensichtlich an Infos zu kommen. Ihr Frauen seid doch sonst nicht so, dass ihr mit dem Vorschlaghammer kommt.“ Sie hob den Kopf und rollte die Augen. Wäre sie wie die anderen, wäre sie eine von vielen auf Colts Liste der Eroberungen. Sie war stolz darauf, dass man sie hinter vorgehaltener Hand auch „independent Lady“ nannte. „Jetzt freu ich mich auf Frühstück,“ erklärte er dann und hakte das Thema endgülig ab. Chily schwieg darauf nur. Wenn sie ihm so schnell, so oft und auch noch so empfindlich nahe getreten war, würde sie sich eben zurückhalten. Gary Willcox hatte ihm alles ruiniert. Diese miese, kleine Ratte. Aber er gab nicht auf. Über den letzten Vorfall mit diesen Blechsternen war inzwischen Gras gewachsen und seit Frieden war, existierte die Gruppe nicht mehr. Die zwei Hitzköpfe waren wieder in ihr Zivilistenleben zurückgekehrt. Sie dachten garantiert nicht mehr an ihn. Aber er hatte nicht vergessen. Seine Verbündeten hatte er auch noch. Wenn sein Plan gelang, winkte ihm viel Macht. Sie hatten schließlich noch immer einen Deal und Macht war immer von Vorteil. Sie kannte das zärtlich Saugen an ihrer Halsbeuge und wusste, was es bedeutete. Robin schlug die Augen auf. „Du kriegst nie genug“, flüsterte sie. „Nicht von dir“, murmelte Colt zurück und hauchte ihr einen Kuss auf die Stelle. Sie wandt sich zu ihm um. Er strich ihr eine Strähne aus der Stirn. Sie kuschelte sich an ihn. „Verrätst du mir, warum ich hierher kommen sollte?“ fragte sie. „Damit du meine Heimat kennenlernst“, gab er zurück und fuhr sanft die Konturen ihres Gesichtes nach. „Und um Chily endlich mal zu treffen“, fügte er hinzu. Robin lächelte. „Sie scheint die Leichtigkeit in Person zu sein“, erwiderte sie. Colt nickte und stupste ihr liebevoll auf die Nasenspitze. „Außerdem wollte ich dir vorschlagen, dass wir hier heiraten. Den Ort hatten wir noch nicht festgelegt, “ ergänzte er dann. „Stimmt. Hatten wir noch nicht. Warum willst du hier heiraten?“ – „Weil hier alles für mich angefangen hat. Bis auf den Eintritt bei den Starsheriffs hat jedes für mich wichtige Ereignis hier stattgefunden, “ erklärte er und setzte rasch hinzu. „Halt. Da war noch ein anderes wichtiges Erlebnis. Das war allerdings in Tranquility.“ Sie lächelte spitzbübisch. „Ach, welches denn?“ Er schaute sie erstaunt an. „Du kannst fragen. Der Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben, “ entgegnete er mit leicht vorwurfsvollem Unterton. „Oh, den möchte ich lieber vergessen, “ neckte sie ihn. „Was?“ Er fuhr entsetzt in die Höhe. Sein Kopfkissen folgte ihm. „Kindskopf“, lachte Robin munter. „Oh du.“ Er beugte sich wieder über sie. „Das wird dir leid tun“, drohte er grinsend. „Heißt das, du willst auf der Ranch deiner Eltern feiern?“ fragte sie. Schlagartig verschwand sein Grinsen. „Nein“, antwortete er und suchte nach einer Begründung. Seine Reaktion verriet deutlich, dass sie eine empfindliche Stelle getroffen hatte. Irgendetwas an seiner Miene sagte ihr, dass es kein guter Zeitpunkt war, nach dem Warum zu fragen. „Wir sollten gucken, dass wir nicht zu spät zum Frühstück kommen“, sagte sie deshalb. Er nickte. „Sollten wir.“ Beim Frühstück erschien alles normal. Nichts wies auf Sabers überraschendes Bad hin. Er hatte es noch geschafft, sich zuvor umzuziehen. So saß an diesem Morgen eine fröhliche Runde beisammen. Donna Joe und Toto, Colt und Robin, Firaball und April sowie Saber und Chily. Letztere saß neben Toto, der seine MomChi für sich allein beanspruchte. „Wie ist er eigentlich auf MomChi gekommen?“ wollte Fireball wissen. „Das ist meine Schuld. Ich hab sie immer Mama Chily genannt. Weil er das aber nicht richtig aussprechen konnte, wurde MomChi daraus, “ begründete Donna Joe und sah schmunzelnd auf ihren Sohn, der von seinem Stuhl auf Chilys Schoss wechselte. Dort schmiegte er sich an sie. „Mama D, weißt du was?“ Donna Joe blickte ihn erwartungsvoll an. „Nein, Schatz. Was denn?“ fragte sie. „Wenn ich groß bin, werde ich mal Chily heiraten“, erklärte der Knirps die Idee, die ihm gerade gekommen war, als wäre es ein unabänderlicher Fakt. Colt hätte sich vor Lachen beinahe an seinem Orangensaft verschluckt und auch der Rest der Runde musste grölen. Unwillig runzelte der Zwerg die Stirn. „Warum lacht ihr?“ begehrte er auf. „Ich hab das so gemeint“, beharrte er und verschränkte beleidigt die Arme vor seiner Brust. Chily stupste ihn leicht an. „Ich schlag dir was vor, Schätzchen“, meinte sie lächelnd. „Wir warten noch ab bis du groß bist. Wenn du dann noch nichts Besseres gefunden hast und ich auch nicht, dann heiraten wir beide. Ist das ein Wort?“ Begeistert nickte er. „Das ist gut. Was Besseres als ich bin, findest du sowieso nicht, “ gab er selbstbewusst zur Antwort und löste eine neue Lachsalve aus. Diesmal verstimmte es ihn nicht. Er hatte schließlich das Wort seiner MomChi. „Das Ego hätte ich auch gern“, meinte Colt kichernd. „Bloß nicht. Deins reicht schon, “ versetzte Robin. „Ja, “ bestätigte der Rennfahrer glucksend. „Für drei von seiner Sorte.“ – „Wo wir schon beim Heiraten sind“, begann April und wand sich an das Brautpaar. „Wo soll denn die Hochzeit überhaupt stattfinden?“ Colt nahm noch einen Schluck Organgensaft und schaute seine Jugendfreundin an. „Darüber wollte ich noch mit deinen Eltern reden“, meinte er. Ihre Augen weiteten sich. „Ich hatte da nämlich an eure Ranch gedacht. Meinst du, sie haben was dagegen?“ Die Gefragte schluckte hart. Alarmiert hob der Cowboy die Brauen. „Sie sind, ähm, nicht da“, stammelte sie dann. „Wie meinst du das? Wann kommen sie denn zurück?“ wollte er wissen, weil er mit ihrer Antwort nichts anfangen konnte. Donna Joe öffnete ihren Mund um etwas zu sagen, doch Chilys Hand gebot ihr still zu sein. Alle blickten sie verwundert an, als sie dann noch Colt bat: „Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“ Damit schob sie Toto wieder von ihrem Schoss zurück auf seinen Platz und stand auf. „Jetzt.“ Sie deutete mit dem Kopf in Richtung Tür. Gehorsam erhob der Kuhhirte sich ebenfalls und folgte ihr ins Nebenzimmer. „Hast du schon eine Vorstellung, wie dein Brautkleid aussehen soll?“ wechselte Donna Joe das Thema. Die übrigen stiegen darauf ein. Nur Saber, der der Tür am nächsten saß, spitzte die Ohren und hörte den Scharfschützen fragen. „Was ist mit deinen Eltern?“ Chily wand sich von ihm ab, presste die Hand auf ihre Stirn und tigerte vor ihm auf und ab. Es fiel ihr nicht leicht zu antworten. „Was?“ drängte er. „Wenn du auf der Adams Ranch feiern willst, musst du mich fragen“, erwiderte sie. Für Colt machte das keinen Sinn. „Warum? Würdest du bitte sagen, was Sache ist.“ Aus diesen Andeutungen wurde er nicht schlau. „Meine Eltern sind tot“, platzte Chily heraus. Dem Scharfschützen verschlug es die Sprache. Bestürzt musterte er seine Freundin, die, angesichts der Erinnerung daran, ein Zittern unterdrücken versuchte. Dann zog er sie in seine Arme. „Jolene“, flüsterte er und drückte sie innig. „Es tut mir leid für dich. Es tut mir leid, dass ich so plump danach gefragt hab und nicht schon viel früher mich nach ihnen erkundigt hab. Es tut mir leid, dass ich grade so unsensibel war und überhaupt manchmal ein Idiot bin.“ Das alles sagte er damit, als er sie mit ihrem richtigen Namen ansprach und mehr musste er auch nicht sagen. Sie verstand ihn und klammerte sich an ihm fest. Colt strich ihr übers Haar. „Wann?“ brachte er schließlich noch hervor. „Kurz nachdem du weg bist“, schniefte sie zurück. Er drückte sie noch fester an sich. Verdammt, er hätte bei ihr sein müssen. Was für ein Freund war er denn? Er hatte sie im Stich gelassen. „Mach dir keine Gedanken, Bullet“, murmelte sie auf seinen gedanklichen Vorwurf. „Ich weiß, warum du gegangen bist und mache dir keine Vorhaltung. Das wichtigste ist, dass du jetzt da bist.“ Saber hatte genug gehört. Offensichtlich las die rotbraun gesträhnte Blondine in jedermanns Gedanken, wie es ihr passte und die, die sie kannten, waren es wohl schon gewöhnt. Innerlich schüttelte der Recke über Colt den Kopf. Manchmal benahm er sich wirklich wie ein Elefant im Porzellanladen. Das lebhafte Gespräch, das in der Küche herrschte, wurde durch das Bimmeln des Telefons unterbrochen. „Ist für dich, Chily“, erkannte Donna Joe am Klingelton. Da der schnurrlose Apparat in der Küche lag, musste diese also zurück. Sie löste sich von Colt und atmete tief durch um ihre Fassung einigermaßen wieder herzustellen. Dann trat sie ein und nahm das Gespräch entgegen. „Adams.“ Was der Anrufer wollte, konnte keiner verstehen, doch Tonlage und Art der Antworten, die Colts Jugendfreundin gab, erregten die Aufmerksamkeit aller. Sie linste zur Küchentür. Der Scharfschütze stand hinter Saber. „Ja, der ist hier … Verstehe. … Hm, auch … Moment mal. Warum?“ Dann schwieg sie eine Weile und lauschte dem Anrufer aufmerksam. „Moment.“ Sie drückte sich an Colt und dem Recken aus dem Raum und verließ das Haus. Der Teil des Gespräches sollte nicht noch mehr Neugier erregen. Erwartungsvolle Gesichter blickten ihr entgegen, als sie etwa eine halbe Stunde später zurückkehrte. Das Telefon hatte sie im Wohnzimmer gelassen. „Wer war es denn?“ wollte Fireball wissen. „Äh … niemand, “ wich die Gefragte allzu offensichtlich aus. Irgendetwas an diesem Gespräch hatte sie aufgewühlt. „Ach komm, versuch nicht uns was vorzumachen. Hier sitzen zwei ehemalige und zwei noch Starsheriffs, “ entgegnete Fireball. „War das ein Drohanruf?“ bohrte er weiter. „Nein.“ Chily begann den Tisch abzudecken. Das Frühstück war inzwischen beendet worden. „Was war es dann?“ Der Rennfahrer blieb hartnäckig. „Kannst du dich heute um die Einkäufe kümmern?“ Mit dieser Frage an Donna Joe gerichtet, ignorierte sie ihn ganz klar und ließ keinen Zweifel daran, dass sie nicht bereit war Auskunft zu geben. Dennoch begann April vorsichtig. „Hör mal…“ – „Es geht dich nichts an, “ schnitt ihr Colts Jugendfreundin das Wort ab. „Okay.“ Der weibliche Starsheriff erhob sich brüsk und verließ den Raum. „Sehr höflich“, kommentierte ihr Freund, ehe er folgte. Diese seltsame Laune konnten beide überhaupt nicht nachvollziehen. „Colt, zeigst du mir ein bisschen die Stadt?“ Auch Robin hielt es für taktisch klüger zu gehen und Chily die Chance zu lassen, sich wieder zu beruhigen. Am gestrigen Tag hatte sie die ehemalige Number 1 gut genug kennengelernt um jetzt sicher, mit ihrer Menschenkenntnis, kombinieren zu können, dass etwas Schwerwiegendes vorgefallen war. Der Kuhhirte dachte ähnlich und ging auf die Ablenkungstaktik der Lehrerin ein. Donna Joe und Toto mussten ebenfalls aufbrechen und Saber wollte sich ihnen anschließen, da er genauso wenig wie Fireball und April verstand, was in die rotbraun gesträhnte Blondine gefahren war, doch sie rief ihn zurück. „ Was gibt es denn?“ fragte er sachlich. „Du musst ihn zurückrufen. Jetzt gleich, “ antwortete sie. Die Auskunft war so brauchbar, wie keine Auskunft. Sie hielt ihm ihren Unterarm hin, auf dem sie mit Kugelschreiber eine Telefonnummer gekritzelt hatte. „Er hat gesagt, du sollst ihn anrufen. Es wäre sehr wichtig, aber du darfst niemanden etwas sagen, “ fügte sie eindringlich hinzu. Saber zog sein Notizbuch aus der Hemdtasche. „Was hat wer mir denn so wichtiges mittzuteilen?“ – „Vermutlich noch mehr, als mir“, gab sie zur Antwort. „Kannst du mir wenigstens sagen, worum es geht“, seufzte er. „Es geht um Colt.“ In der Nacht zuvor … „Warum diese Geheimniskrämerei?“ Der ältere der beiden Männer trat auf den Wartenden zu. Die Bitte um ein Treffen mitten in der Nacht auf einem verlassenen Parkplatz der Autobahn vor Yuma mutete seltsam an. Aber er kannte den Aschblonden vor sich noch gut aus früheren Zeiten. Da war er ein guter Kämpfer gewesen. Hätte es dieses Missverständnis nicht gegeben, würde er auch heute noch Dienst tun. Doch es war anders gekommen und er stand noch immer auf der richtigen Seite. Jetzt antwortete er: „Weil alles andere zu gefährlich ist. Deshalb.“ Der ältere fuhr sich grüblerisch über den dunklen Vollbart. Es musste sehr wichtig sein, dass stand für ihn nun fest. Der Blonde warf ihm etwas zu. „Sehen Sie es sich genau an. Ich werde Unterstützung brauchen, “ gab er vage zu Auskunft. Der Bärtige fing den Datenträger auf und betrachtete ihn kurz. „Was ist darauf?“ wollte er wissen. „Sehen Sie selbst, dann werden Sie es erfahren und wissen, wessen Hilfe ich benötige. Ich melde mich morgen wieder.“ Damit wand sich der Blonde ab und verschwand in der Dunkelheit. Noch einmal warf der Bärtige einen Blick auf den Datenträger, dann schob er ihn in die Innentasche seiner Jacke und verließ den Treffpunkt ebenfalls. Dass Chily die Ranch von Donna Joe noch am gleichen Tag verließ und auf die ihrer Eltern zurückkehrte, begründete sie damit, die Bude wieder auf Vordermann bringen zu wollen, damit die Hochzeitsfeier dort stattfinden konnte. Auch Demon und Angel nahm sie mit, was die vier Freunde auf die Idee brachte, sie würde gänzlich ausziehen. Es hätte sie nicht gewundert, fände dies nicht so kurz nach dem Anruf statt. Fireball, Colt und April gewannen den Eindruck Chily flüchte vor irgendwem, auch wenn diese beteuerte, dem sei nicht so. Colt blieb vor allem deshalb skeptisch, weil sie ihm nichts über das Telefonat erzählte. Aber er würde auf seine Chily schon Acht geben. Er hatte sie einmal im Stich gelassen. Das würde er nie wieder tun. „Deine kleine Schulfreundin ist schon ein Fall für sich“, bemerkte Fireball, als er mit April im Arm neben Colt und Robin durch Tucson-City schlenderte. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie so zicken kann.“ Der Angesprochene warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Sie kann sich nicht nur nicht geschickt genug irgendwo wieder raus mogeln“, nahm Colt sie in Schutz, „deshalb wirkt es zickig.“ Robin versuchte das Thema zu wechseln. „Hat sie auch sicher nichts dagegen, dass wir auf ihrer Ranch feiern?“ fragte sie. „Nein, das hätte sie gesagt. Außerdem würde sie sie nicht herrichten, wenn sie wirklich ein Problem hätte.“ – „Dann sollten wir ihr damit helfen. Immerhin tut sie uns ja einen Gefallen, “ schlug die Lehrerin vor. „Genau das war mein Plan, “ stimmte der Scharfschütze seiner zukünftigen Frau zu. So konnte er schließlich in aller Ruhe über die kleine Freundin wachen. Die beiden Pärchen verbrachten den Rest des Tages in der Stadt. Sie hatten sich in ein Café gesetzt. April und Robin sprachen über die bevorstehende Trauung, während die Jungs über den ominösen Anrufer spekulierten. Nachdenklich bemerkte Colt: „Mir gefällt nicht, dass Chily ausgezogen ist.“ – „Ja, irgendwas ist faul,“ stimmte Fireball ihm zu. „Ich frag mich, was hier los ist,“ überlegte er laut. „Wenn ich nur mal rauskriegen würde, wer da angerufen hat.“ Colt klang frustriert und das Necken des Rennfahrers streute eher noch Salz in die Wunde. „Versuch es mal mit der Rückruftaste, wenn Chily nicht da ist,“ grinste er leicht. So ernst war der Vorschlag nicht gemeint, aber der Cowboy antwortete darauf: „Hab ich schon. Sie hat die Listen gelöscht.“ Anerkennend hob Fireball nun die Brauen. „Sie ist schlau,“ stellte er fest. „Ja, das Mädel ist clever,“ gestand Colt seufzend. Währenddessen klagte Robin: „Diese Sitzordnung wird mich noch umbringen.“ – „Das ist nicht einfach.“ Aprils Antwort war halbherzig, was daran lag, das der Starsheriff in ihr immer mit einem Ohr das Gespräch der Jungs verfolgte. „Hat Chily mal krumme Dinger gedreht?“ hörte sie ihren Freund gerade nachfragen. „Wie kommst du denn darauf, Matchbox? Wir reden hier von Chily. nur weil sie dir zickig vorkommt, heißt das nicht, dass sie ein böses Mädchen ist,“ entgegnete der Kuhhirte mit leicht tadelndem Blick. Fireball lehnte sich in seinem Stuhl zurück und begründete Colt, warum er nach Chilys weißer Weste gefragt hatte. „Sie ist deine Schulfreundin, Colt.“ Er schmunzelte breit. „Und gleich und gleich gesellt sich gern. Da würde mich bei Chily gar nichts wundern.“ Der Angesprochene beugte sich über den Tisch und grinste ebenfalls. „Hast du unseren Storys nicht richtig zu gehört? So gleich sind Chily und ich uns nicht,“ erinnerte er seinen Hombre. „Vor allem hat sie die schöneren Beine.“ Dann linster er kurz zu Robin rüber, die diese Aussage jedoch nicht mitbekommen hatte und grinste von einem Ohr zum anderen. „Ja, da ist sie gut gebaut. Wie auch oben rum.“ Prompt hob der Scharfschütze die Brauen. Wo hatte der denn hingeguckt? „Ich muss den Säbelschwinger davon abhalten, mit seinem Säbel zu rasseln, mach du mir nicht auch noch Ärger,“ mahnte er. „Auf die Idee komm ich alleine schon aus einem Grund nicht,“ erklärte Fireball und wies unauffällig auf seine Freundin, die davon genauso wenig bemerkt hatte wie Robin. „Und unser Säbelschwinger wird sich sicher hüten, sich bei Chily die Finger zu verbrennen,“ fügte er dann hinzu. „Das hoffe ich eigentlich für ihn. Aber so wie du das sagst, klingt es, als wäre meine Chily nicht gut genug für ihn.“ Colt war in diesem Punkt empfindlich. Er hielt Chily für die beste Frau, die ein Mann sich an seiner Seite wünschen konnte, wenn er Robin noch nicht kannte. „Meine Güte, was du schon wieder alles hörst. Tag und Nacht wären gleicher als Saber und Chily, so hab ich das gemeint,“ rechtfertigte sich der Rennfahrer. „Du hast sowieso nichts bei Chily zu melden, die sucht sich ihren Freund auch ohne dich aus, Kuhtreiber,“ grinste er dann ganz vieldeutig. Es war ja doch sehr offenkundig gewesen, dass Chily sich nichts sagen ließ. Währenddessen hatte Robin einen Schluck Kaffee genommen und unterdrückt geseufzt. „Ja, aber jetzt ist zu spät. Wir werden keinen mehr ausladen. Das alles wäre einfacher, wenn wir die letzte Zu- oder Absage auch noch hätten,“ setzte sie ihren Dialog mit April fort. „Wer fehlt euch denn noch?“ wollte diese verwundert wissen. Sie konnte sich nicht vorstellen, warum jemand so lange brauchte um zu entscheiden, ob er zu einer Hochzeit erschien oder nicht.“ – „Colts Freund Tim,“ erwiderte die Lehrerin. Auch sie konnte sich nicht erklären, warum er sich noch nicht gemeldet hatte. „Tim? Aber nicht Tim Dooley?“ Jetzt war der weibliche Starsheriff voll und ganz auf ihr Gespräch mit der zukünftigen Misses Willcox konzentriert. „Doch, genau der,“ bestättigte diese arglos. „Hm,“ überlegte April und legte die Stirn in Falten. „Der hat mir nicht ausgesehen, als würde er Colts Hochzeit verpassen wollen.“ Das passte irgendwie nicht ins Bild. „Für Colt war und ist er sehr wichtig,“ bekräftigte Robin auch diesmal. Dann wand sie sich an ihren Zukünftigen. „Hast du schon eine Antwort von Tim bekommen?“ fragte sie. Der griff liebevoll nach ihrer Hand und kommentiere die letzte Aussage seines Hombres bezüglich der Gegensätzlichkeit bei Paaren. „Gegensätze ziehen sich an. Sieht man ja an Robin und mir.“ Dann drehte er sich zu seiner besseren Hälfte und entgegnete der. „Nein, Süße, bis jetzt noch nicht. Zerbrich dir doch jetzt noch nicht den Kopf über die Sitzordnung. Du hast ja noch nicht mal die Ranch gesehen.“ – „Könnte es sein, dass Dooley wieder in Schwierigkeiten steckt?“ wollte April wissen. Noch immer versuchte sich die frühere Navigatorin von Ramrod einen Reim auf das alles zu machen und sprach nun eine mögliche, wenn ihr selbst auch unwahrscheinlich erscheinende, Theorie aus. „ Wenn das so wäre, würde das KOK sich wieder einschalten, so wie damals, und Saber würde etwas wissen,“ meinte Colt. Sein kleiner Hombre nickte. „Aber der hat nichts dergleichen erzählt. Er weiß ja auch, dass Dooley und Colt Freunde sind. Er hätte etwas gesagt.“ Die Blondine lehnte sich an die Schulter ihres Freundes. „Dann können wir nur abwarten. Ich hab nur grad gedacht, dass Dooley vielleicht der Anrufer von heut morgen war. Aber andereseits hätte Chily dann etwas gesagt.“ Nein, so ergab das nicht wirklich einen Sinn für sie. Diemal nickte Colt. „Sicher. Ich, für meinen Teil, tippe darauf, dass es dieser Dean war, der Chily heut morgen so einen Schreck eingejagt hat. Ich werde ihn ihm Auge behalten.“ Das schien ihm das einzig logische. „Dean? Der Typ, der ihr an der Scheune zu nahe gekommen ist?“ hakte Fireball nach. „Genau der. Das wird ihm noch leid tun, ihr solche Angst zu machen,“ versicherte der Scharfschütze grimmig. Chily hatte für heute nur noch Papierkram zu erledigen, den sie jedoch aufschob. Dafür begann sie zumindest Küche, Bad und ihre alten Zimmer auf der elterlichen Ranch zu säubern. Im ganzen Haus hatte sie die Vorhänge aufgezogen und die Fenster aufgerissen. Aus einer Laune heraus anschließend erst ihre Zimmer und das Bad gereinigt. Gerade war sie in den Küchenschrank unter der Spüle gekrabbelt um ihn auszuwischen. „Wie lange hat hier schon niemand mehr gewohnt?“ Vor Schreck stieß sie sich erst den Kopf, dann den Arm und das Knie an, ehe sie es schafte aus dem Schrank zu lugen. „Du?“ Der Besucher kam ihr etwas ungelegen. Nach den Ereignissen, des heutigen Tages, war sie recht aufgewühlt und sich sicher, dass ihr Dinge herausrutschen konnten, die sie nicht so meinte. Hoffentlich ging er bald, ehe sie ihm wieder auf die Füße treten konnte. Saber stand an der hinteren Küchentür im Rahmen gelehnt und sah sie amüsiert an. „Fünf Jahre“, antwortete sie dann, kroch zurück und fuhr mit der Arbeit fort. „Also seit dem Tod von Colts und deinen Eltern“, stellte er fest. „Hast du es hier nicht mehr ausgehalten?“ fragte er. „Vorschlag“, ertönte es aus dem Schrank. „Ich halte mich aus deinen Kopf raus und du dich aus meinem.“ – „Gut, entgegnete er schlicht und wollte dann wissen: „Hast du Hunger?“ Statt einer Antwort schoben sich erst ihre Beine, ihr Hinterteil und der Rücken und schließlich ihr Kopf aus dem Schrank. Der nasse Lappen flog in den Putzeimer und sie stand auf. „Ja, ich sterbe gleich.“ Er lächelte. „Dann bin ich wohl dein Lebensretter.“ Damit stellte er zwei Pizzaschachteln auf den Tisch. „Pizza mit?“ Sie hob die Brauen. „Salami und Thunfisch“, informierte er. Sie wusch sich die Hände und bestimmte: „Ich will Thunfisch.“ Dann lugte sie unter beide Deckel und verschwand mit der entsprechenden Pizza an ihm vorbei auf die hintere Veranda. „Hast du mit Ihm gesprochen?“ wollte sie wissen. „Ja“, antwortete Saber und setzte sich zu ihr. „Gut.“ Chily biss von einem Stück ab. „Hast du auch was zu trinken mitgebracht?“ An der Außenwand neben der Hintertür standen zwei Flaschen, auf die er nun wies. Sie langte nach einer davon, schraubte den Deckel runter und trank hastig. Sie aßen schweigend. Chilys Blick glitt über den Hof und sie hing ihren Gedanken nach. Der Recke musterte sie. Wieder war sie barfuß. Außer einem übergroßen Shirt und ihrer Unterwäsche hatte sie nichts mehr an. Der Tag war warm geworden. Die Kühle des Regens war mit der aufgehenden Sonne gewichen und sie hatte offensichtlich nicht mit Besuch gerechnet. Dessen ungeachtet, schien das bei ihr nicht unbedingt zu bedeuten, dass sie sich deshalb noch eine Hose angezogen hätte. Sie hatte es geschafft, ihr Haar zu zerzausen, obwohl es zu einem hohen Zopf zusammen gebunden war. Über den Staubfleck auf ihrer Nasenspitze musste er schmunzeln. „Was willst du eigentlich hier?“ fragte sie dann. „Hat Er dir nicht gesagt, dass Er heute vorbei kommt?“ fragte er zurück. „Doch, aber Er wollte sich mit mir allein treffen“, antwortete sie und sah Saber wissbegierig an. Was war der Grund für seine Anwesenheit? „Er hat mir gegenüber angedeutet, dass Er dich heute treffen will. Aber ich weiß noch immer nicht, was ich von der Geschichte halten soll. Da Colt von alledem noch nichts weiß, hielt ich für klüger, wenn wenigstens ich dabei bin, “ erläuterte er ihr. „Oh, aber du brauchst dir keine Sorgen um mich machen. Hab ja Winni da, “ entgegnete sie. Ihm war nicht aufgefallen, dass sie nicht allein war. „Wer ist Winni?“ Erstaunt sah er sich um. „Was ist Winni?“ korrigierte sie ihn, stand auf und brachte die Pizzaschachtel ins Haus. Neugierig folgte er ihr. Er stellte seinen Essenskarton zu ihrem auf die Anrichte und wollte ihr ins Wohnzimmer folgen, blieb aber an der Tür abrupt stehen und hob instinktiv die Arme, als er auf den Doppellauf einer Winchester blickte. „Das ist Winni“, erklärte sie grinsend. So lustig konnte er das nicht finden. „Nimm Winni runter bevor er mir ein Loch in den Bauch schießt“, verlangte er energisch. Sie senkte die Waffe. „Keine Bange. Das Schätzchen ist nicht schwanger, “ gab sie zurück. Mit zwei raschen Schritten war er bei ihr, riss ihr das Gewehr aus der Hand und prüfte das Magazin. „Nicht geladen“, bemerkte er. „Sagte ich doch.“ Unsanft nahm sie die Büchse wieder an sich. „Du musst mich ja für völlig bescheuert halten“, knurrte sie unfreundlich. „Lies es doch in meinem Kopf nach“, gab er spitz zurück. „Wozu? Dein Verhalten ist ja deutlich genug.“ Achtlos warf sie die Waffe auf einen nahe stehenden Sessel, aus dem prompt eine Staubwolke aufstieg, und verschwand in der Küche. „Es tut mir leid“, rief er ihr nach. „Aber mit Waffen kann man nicht vorsichtig genug sein. Das weißt du doch.“ Er fuhr sich durchs Haar. „Nur so zur Info“, kam es von ihr zurück. „Wenn ich wirklich so dämlich wäre, wie du mir grad das Gefühl gegeben hast, dass ich es wäre, hätte ich weder die Ausbildung zum Sani noch die zur Hebamme geschafft.“ – „Ich sagte doch schon, es tut mir leid. Was willst du denn noch hören?“ Er schüttelte frustriert den Kopf. Weiber. „Eigentlich gar nichts mehr. Wir haben beide gesagt, was wir zu sagen hatten, “ antwortete sie. „Bist du sicher?“ hakte Saber nach. „Sonst hätte ich es nicht gesagt. Vergiss eins nicht. Ich bin nicht deine Ex-Nuss.“ Innerlich verfluchte sie sich dafür. Das war genau das, was sie befürchtet hatte. Zu ärgerlich. Allerdings war richtig, dass Sincia und Chily hatten überhaupt gar nichts gemeinsam. Angefangen bei der Haarfarbe konnten sie kaum verschiedener sein. Die eine war introvertiert und brauchte ihren Partner täglich um sich. Die andere war extrovertiert und augenscheinlich unabhängig. Saber sah sich in dem großen Wohnzimmer um. Der Küchentür gegenüber befand sich die Treppe, die zum oberen Stockwerk führte. Daneben war eine Wand hochgezogen worden um einen kleinen extra Raum zu schaffen. Saloontüren trennten ihn vom Rest des Wohnraumes. Saber wollte gerade eintreten und sich die hauseigene Bar, die sich dort befand, näher ansehen, als er dumpfe Schritte von außen vernahm. Schritte von schweren Stiefeln. Gespannt horchte er auf das Geräusch. Sie näherten sich dem Hintereingang der Küche. Leise und rasch durchquerte er den Raum und presste sich an die Wand neben dem Kücheneingang. Vorsichtig spähte er hinein und sah Chily die Schränke schließen. Sie hatte offensichtlich nichts bemerkt. Dann schüttete sie das Putzwasser in den Ausguss und erstarrte. Wie aus dem Boden gewachsen stand ein Fremder in der Tür. Saber konnte ihn von seiner Position aus nicht sehen, aber der erschrockene Laut, den Chily von sich gab, reichte ihm. „Sehr unvorsichtig“, stellte der Fremde fest. Der Recke horchte auf. Die Stimmte erkannte er. Colt faltete die Einladung zu und steckte sie zurück in den Briefumschlag. „Unzustellbar. Empfänger nach unbekannt verzogen.“ Verdammt, wo steckte er nur? Im gesamten Neuen Grenzland gab es keinen Hinweis auf ihn. Das war zum aus der Haut fahren. Er wollte ihn bei seiner Hochzeit dabei haben. Wenn nicht er, wer dann sollte Trauzeuge werden. Schließlich war er dagewesen und hatte sich um ihn gekümmert, als Colt vor Rachegelüsten nicht mehr wusste, wohin. Er hatte ihn damals aufgefangen, darauf bestanden, dass der Cowboy seinen Schulabschluss nachholte und ihn im Schießen ausgebildet. Er hatte den Zorn des jungen Hitzkopfes in die richtigen Bahnen gelenkt, ihn auf Scharfschützenwettbewerbe mitgenommen und ihn alles gelehrt, was er wissen musste um ein guter Kopfgeldjäger zu werden. Ohne ihn wäre Colt heute nicht da, wo er war. Ganz sicher nicht. Er war der Vater gewesen, den der Kuhhirte verloren hatte. Als der Vaterersatz einmal selbst in Schwierigkeiten gesteckt hatte, konnte Colt ihm nicht helfen. Das wollte der Freund nicht. Wie sonst, als diesen Mann zu seinem Trauzeugen zu machen, konnte Colt ihm zeigen, wie dankbar er ihm war. Aber der war nicht aufzutreiben, wie vom Erdboden verschluckt. „Was heißt hier Greenhorn? Ich kann dir ja mal die Horchlappen von der Melone hauen, dann werden wir sehen, wer hier das Greenhorn ist,“ schrie der Halbstarke einen Mann an, der doppelt so alt und so breit war, wie er selbst. Der Spund hatte eine große Klappe und ließ sich nichts gefallen, so viel stand fest. Doch beides reichte nicht um zu verhindern, dass er am Ende des entstandenen Handgemenges durch das Fenster der Bar flog. Der Aufprall auf Asphalt und Scherben führte zu einigen Kratzern und schmerzte dem Ego mehr, als dem Körper. Der Grünschnabel kapierte nicht, dass es seinem Kontrahenten gleich war, ob der Gringo fair gepokert hatte oder nicht. Der Erfahrene hatte erkannt, er ihm das letzte Geld aus der Tasche ziehen konnte und hatte es auch getan. Jetzt stemmte der Spund sich auf Fäusten in die Höhe und verbiss sich krampfhaft die Tränen der Wut. Er war beim Kartenspiel und beim Kampf unterlegen gewesen. Seit gestern hatte er nichts mehr gegessen. Aus zehn Continentals, die er gefunden hatte, hatte er am Flipper dreißig machen können, doch die hatte er eben verloren. Wo er heute Nacht schlafen konnte, wusste er auch nicht. Verdammt, warum musste sein Leben nur so aus dem Ruder laufen? Was sollte er jetzt tun? Wo sollte er jetzt hin? Er konnte doch nicht mehr zurück. Mit leerem Magen ließ sich so schwer denken. „Erst denken, dann handeln.“ Mit diesen Worten trat ein Mann neben ihn, der ihm vorhin an der Bar gesessen und die Szene beobachtet hatte. Er war dem Jugendlichen deshalb aufgefallen, weil er als einziger ein rosafarbenes Getränk im Glas hatte und nicht den üblichen Fusel. Jetzt stand der Typ vor ihm, in seiner schlichten Bundfaltenhose, den dunklen Schuhen und einem Trenchcoat, aschblondes Haar, blassblaue Augen und eine Zigarette zwischen den schmalen Lippen. Er wirkte lässig, war aber ganz sicher nicht schön. Vor allem nach Auffassung des Teenagers nicht. Der knurrte jetzt: „Leck mich doch“, und stand endgültig auf. „Nein, danke.“ Der Rauchende ließ sich nicht beeindrucken. „Kein Bedarf. Aber was zu kauen könnte ich gebrauchen. Wie steht es mit dir?“ Der Magen des Bengels bekundete deutlich sein Interesse an dem Angebot, bevor der Hitzköpfige womöglich aus dummem Stolz heraus ablehnen konnte. „Alles klar. Komm mit Kleiner, “ grinst der Blondschopf schief und wand sich zum Gehen. „Was willst du eigentlich?“ – „Nur was essen und wenn du auch nur für einen Cent Grips unter deinem Lockenköpfen hast, nimmst du die Einladung an, “ erwiderte der Raucher und nahm einen letzten, kräftigen Zug von der Zigarette. „Ich brauch keine Hilfe, “ trotzte der Spund. „Hab ich gesehen. Jetzt setzt dich in Bewegung, bevor ich nachhelfe, Gringo.“ Der Zigarettenstummel flog knapp an dem braunen Locken vorbei. „Ich heiße Colt Willcox.“ Immerhin hatte er nur kaum merklich die Augen geschlossen, als die Kippe so haarscharf an ihm vorbeigeschnippt wurde. Der Blonde grinste leicht. „Timothy Dooley und jetzt mach.“ Er gab ihm ein Zeichen ihm zu folgen und weil der Hunger größer war als alles andere, trottete Colt hinter Dooley her. „Woran denkst du?“ Robins Frage holte ihn in die Gegenwart zurück. „An Tim,“ gab er leicht seufzend zurück. „Hat ihn die Einladung wieder nicht erreicht?“ wollte sie wissen und setzte sich auf den Schoss ihres Liebsten, der mit dem Stuhl ein Stück vom Tisch abrückte, damit sie besser sitzen konnte. „Nein. Er ist nach unbekannt verzogen,“ erwiderte Colt alles andere als begeistert. „Colt, ich fürchte, warum auch immer er nicht gefunden werden will, du wirst ihn nicht finden. Du solltest dir langsam Gedanken machen, ob du Fireball oder Saber fragtst.“ Der Cowboy wiegte den Kopf. Dieser Vorschlag war zwar angesichts Dooleys Unauffindbarkeit logisch, gefiel ihm aber nicht. „Das kann ich nicht,“ wehrte er ab. Robin sah ihn fragend an. „Sie sind beide meine Freunde. Es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen,“ erläuterte er. Sie verstand, was er meinte. Beide zählten gleich viel für ihn. Einen von ihnen zum Trauzeugen zu machen, würde bedeuten, den anderen herabzusetzen, ihm zu vermitteln, dass er für Colt kein so guter Freund war. So sah es für ihn aus und deshalb brachte er es nicht fertig. Fireball und er teilten sehr viele Eigenschaften mit einander, waren sich sehr ähnlich und verstanden sich daher sehr gut. Obwohl das bei Saber anders war, schätzte Colt dessen Nachsicht mit den Launen des Scharfschützen und die Besonnenheit des Recken. Für den Kuhhirten gab es keinen besseren Vorgesetzten als Saber und keinen besseren Kameraden als Fireball. Er war sofort ohne zu fragen bereit, alles für sie zu tun und wenn es sein musste, auch seine Seele dem Teufel zu verpfänden, wenn es bedeutete, den beiden dadurch helfen zu können. Nein, sich zwischen Fireball und Saber zu entscheiden brachte Colt nicht zu Stande. „Dann könntest du immer noch beide fragen oder Chily,“ schlug Robin vor. Er lächelte ihr zu. „Vielleicht.“ An der Art wie er das sagte, erkannte die Lehrerin, dass er heute abend nicht mehr darüber reden wollte. Es hatte einen unangenehmen Beigeschmack. Allerdings war es sehr angenehm, sie auf dem Schoss sitzen zu haben. Sie war so wunderschön. Wie oft hatte er gedacht, dass ihm nichts Besseres hatte passieren können, als ihr über den Weg zu laufen. Er strich ihr sanft über den Rücken und zog sie in seine Arme. „Ich möchte nicht eine Minute hergeben, von der Zeit, die wir zusammen hatten. Nicht eine Minute, “ raunte er ihr zu. Sie legte ihre Arme um seinen Hals. „Ich auch nicht, Colt. Ich auch nicht.“ „So, da ist das Putzkommando für kleine Chily-Schoten,“ rief Colt munter, als er mit Robin, April und Fireball am nächsten Morgen bei der rotbraun gesträhnten Blondine aufwartete. „Danke, Bullet. Ich kann jede Hilfe brauchen,“ antwortete diese erfreut. „Ja, wir helfen gern. Normalerweise auch der Säbelschwinger, aber den haben wir nicht auftreiben können. Weiß der Teufel, wo der hin ist,“ meinte der Scharfschütze ein wenig säuerlich. „Habt ihr das gestern nicht mitbekommen? Der musste noch mal zum KOK. Ist mogen wieder da,“ gab Chily arglos zur Antwort und ließ die Vier ins Haus. „Wieso muss er dahin?“ fragte Fireball und sah sich neugierig in dem riesen Wohnzimmer um. „Das weiß ich nicht.“ Die Gefragte strich sich eine Strähne zurück und um nicht noch lügen zu müssen, begann sie, die Aufgaben zu verteilen. „Hört mal, Jungs. Ich brauch eure Hilfe beim Kisten schleppen. April? Robin? Darf ich euch das Putzen aufhalsen? Um die schmutzigen Vorhänge kümmere ich mich, sobald wir die Kisten sortiert und aufgeräumt haben.“ Die beiden nickten und machten sich an die Arbeit. Die Jungs folgen indes Colts Jugendfreundin in den oberen Stock. So wurde den ganzen Tag unter vielen Späßen gewischt, gewaschen und geschoben, was das Zeug hielt. Das Haus war riesig und nach all den Jahren, die es unbewohnt geblieben war, gab es wirklich viel zu tun. April und Robin nahmen die Vorhänge von den Fenstern und putzten die Schieben. Dann kam die Diskusion auf, ob die alten Teppiche flögen, bevor sie laufen lernten und Chily fand die Vorstellung vom fliegenden Teppich am besten. Ähnlich wie den Teppichen erging es auch den Polstermöbeln, die im Laufe der Zeit völlig eingestaubt waren. Die Jungs stellten alles erst auf den Hof und besorgten sich dann einen Transporter um es zu entsorgen. Chily schloss sich April und Robin beim putzen an. „Ach, April. Wegen gestern,“ begann sie. „Sorry, dass ich dich so angegangen bin. Es waren nur nicht ganz so erfreuliche Nachrichten und ich war etwas aufgeregt,“ fügte sie erklärend hinzu. Die Angesprochene machte eine wegwerfende Handbewegung und nickte leicht. „Vergessen wir das,“ entgegnete sie friedfertig. „Jetzt sollten wir aber ein paar neue Möbel besorgen,“ bog Chily das Thema in eine andere Richtung, bevor April noch irgendwelche Fragen stellen konnte. Kurz darauf fanden sich die drei Frauen in einem Möbelhaus wieder. „Jetzt musst du dir so viel Umstände wegen uns machen, Chily“ meinte Robin bedauernd. „Ach was. Früher oder später wäre es eh auf mich zu gekommen. Jetzt muss ich das alles wenigstens nicht allein machen,“ gab diese leichthin zurück. „Gibt es einen bestimmten Grund, warum du nicht mehr auf der Ranch deiner Eltern wohnst?“ wollte April wissen und wies fragend auf eine lederne Sitzgarnitur. „Den gleichen wie bei Colt.“ Chily begutachtete die Sitzgruppe. „Meine Eltern starben, kurz nachdem er gegangen war und ich hab es auch nicht mehr da ausgehalten. Also zog ich zu Donna Joe, die gerade Hilfe auf ihrer Ranch brauchte, weil sie mit Toto schwanger war,“ erzählte Chily auf die Frage hin. „Kann ich verstehen. Ich hab meine Mum verloren als ich elf war,“ gab der weibliche Starsheriff zu. „Aber ich hatte in der Situation wenigstens noch meinen Vater.“ Chily nickte, so wohl verstehend, als auch Zuspruch zu der ausgestellten Sitzgruppe. Die würde gut in die Ranch passen. Dann fiel ihr auf, wie Robin traurig auf einen Herzrahmen mit dem Bild eines jungen Paares, der zu Dekorationszwecken in einem Austellungsregal stand, schaute. „Er hat es bis heute nicht verwunden,“ stellte die Lehrerin leise fest. Warum hatte er nie mit ihr darüber geredet? Die Schulfreundin des Kuhhirten trat auf sie zu. „Aber du wirst ihm Zeit lassen und für ihn da sein, wenn er reden will. Nicht wahr?“ flüsterte sie der Braut zu. Etwas erschrocken fragte Robin sich, ob sie laut gedacht hatte, dann drehte sie sich zu Chily um. „Wird er denn reden?“ – „Ganz sicher,“ nickte diese überzeugt. Sie schlossen den Kaufvertrag über die Ledersofas ab und brachten das Bettzeug und die Vorhänge in die Reinigung. Als die Jungs von der Deponie zurück waren, trafen auch das Frauentrio wieder auf der Ranch ein. „Ich glaub, für heute reicht es mal. Machen wir was zum Abendessen,“ meinte Chily und verschwand mit April an der einen und Fireball an der anderen Hand in der Küche. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie so viel Zeug einfach wegwerfen kann,“ bemerkte Colt. Robin nahm seine Hand und lehnte sich an seine Schulter. „Manchmal ist es besser sich von vergangenem zu trennen,“ erwiderte sie leise. „Jeder auf seine Art.“ Er nickte. „Und jeder zu seiner Zeit.“ Beide hatten verstanden, was der andere eigentlich gemeint hatte. Colt musste sich mit der Vergangenheit auseinander setzten, war Robin überzeugt. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er noch nicht so weit war. Sie legte ihren Arm um seine Taille. Es tat gut zu spüren, dass sie da war. Saber kehrte spät in der Nacht zurück. Diesmal mit Steed, was zwei Gründe hatte. Erstens würde er ihn brauchen und zweitens hatte er ihm gefehlt. Mond und Sterne leuchteten ihm den Pfad zur Ranch. Das Wohnhaus lag im Dunkel. Kein Licht brannte in den Fenstern. Er würde sie wecken müssen. Das konnte ja lustig werden. Er stieg von Steeds Rücken und öffnete leise die Eingangstür. Das Wohnzimmer war durch das Mondlicht erhellt. Keine Vorhänge an den Fenstern, Polstermöbel und Teppiche fehlten, wie er unschwer erfassen konnte. Die Aktion „Hütte auf Vordermann bringen“ hatte also schon begonnen. Vorsichtig schlicht er zur Treppe und in den oberen Stock. Wo waren doch gleich ihre Zimmer? Aufs Geratewohl öffnete er eine Tür, die er für die Richtige hielt, und trat ein. Auch hier schien der Mond silbern herein und ließ den Raum und die Person gut erkennen. Hitze stieg ihm ins Gesicht, die nicht nur mit der Wärme im Zimmer zu tun hatte. Mein Gott, das hätte er sich ja denken können. Sie schlief unbekleidet, aber wenigstens auf der Seite, mit dem Rücken zu ihm. Im Schlaf hatte sie die Decke bis zur Hüfte hinab geschoben. Er unterdrückte ein Seufzen und berührte sie vorsichtig an der Schulter. „Chily? Chily, wach auf.“ Erschrocken setzte diese sich auf. Er wand sich ab. „Zieh dir was an und komm“, sagte er betont nüchtern. „ Wir müssen zum Treffpunkt.“ – „Hä?“ Schreck und Schlaftrunkenheit hatten sie verwirrt, dann erinnerte sie sich wieder. „Ach so.“ Er hörte sie aus dem Bett krabbeln und sich anziehen. „Ich bin so weit“, ließ sie sich vernehmen und trat zu ihm. Er nickte nur knapp und sie verließen rasch das Haus. „Weißt du, wo die Tankstelle ist, von der Er gesprochen hat?“ fragte der Recke an der Eingangstür. Sie schloss diese hinter sich. „Ja.“ Dann fiel ihr Blick auf das Robopferd. „Das ist also Steed“, bemerkte sie. „Genau. Wir werden ihn nehmen, weil er schneller ist.“ Damit machte Saber sich bereit ihr beim Aufsteigen behilflich zu sein. „Lass gut sein. Hilf mir nie, nur weil es sich so gehört, “ erklärte sie und schwang sich gekonnt auf Steeds Rücken. „Dann nicht.“ Er platzierte sich hinter ihr. Sie flogen durch die Nacht. Wäre Tucson-City bei Tag nicht so lebhaft, hätte der Recke es jetzt für eine Geisterstadt gehalten. Alles lag still und schlafend. Sie durchquerten das Zentrum, flogen Richtung Westen und ließen die Stadt hinter sich. Sie glitten noch einige Meilen über die Landstraße hinweg, dann gewahrten sie die verlassene Tankstelle. Klar und deutlich war sie zu erkennen, jedoch wies nichts daraufhin, dass dort jemand warten könnte. Sie ließen Steed an den beiden Zapfsäulen stehen und betraten den Verkaufsraum. Der Mond schien hell durch die großen Fenster, so dass sie problemlos feststellen konnten, dass hier schon ewig niemand mehr gewesen war. Sie durchsuchten die angrenzenden Räume und traten auf den Hinterhof ohne Ihn gefunden zu haben. Die Stille, die über der Tankstelle lag, behagte Chily nicht. Nicht nur, dass sie und Saber kein Wort seither mit einander gewechselt hatten, auch sonst war nur ihrer beider Atem zu vernehmen und das Knirschen ihrer Schritte auf dem sandigen Boden. Das Lagerhaus auf dem Hof, vor dem sie jetzt standen, wirkte düster und bedrohlich. „Gruselig“, bemerkte Chily. Saber ignorierte sie und schob vorsichtig den Riegel zurück. Die Tür schwang von selbst nach innen auf, ohne das der Recke dagegen gedrückt hatte, und schlug laut an die Wand. Chily fuhr zusammen. Das Echo, das der Schlag verursachte, ließ ahnen, dass der Raum leer war. Da er nur über vier kleine Fenster unterhalb des Daches verfügte, war es recht dunkel darin. „Hier.“ Saber drückte seiner Begleiterin eine Taschenlampe in die Hand und schaltete seine eigene ein. Er trat als erster in die Halle und prüfte rasch herum leuchtend, ob jemand anwesend war, dann gab er ihr ein Zeichen, dass sie ebenfalls herein kommen konnte. „Was riecht hier so komisch?“ fragte sie, als sich beide anschickten, den Raum näher zu untersuchen. Der ganze Raum roch muffig, aber jetzt stieg dem Recken noch ein kupferartiges Aroma in die Sinne. Er runzelte die Stirn und leuchtete die Wand links von der Tür ab. Chily tat dasselbe mit der Wand dem Eingang gegenüber. „Saber?“ Er wand sich zu ihr und leuchtete ebenfalls auf die Mauer. Im Schein ihrer Taschenlampen sahen sie etwas in bräunlicher Farbe auf dem Beton geschrieben stehen. „Willkommen zurück, Willcox. Du bist der Grund dafür“ las Saber vor. Während er die Wand näher in Augenschein nahm, glitt Chilys Lichtkegel vom R des letzten Wortes weiter. Eine braune Spur führte die Wand hinauf und zur Decke. Mit einem immer mulmiger werdenden Gefühl tastete sie sich mit der Taschenlampe die Decke entlang. Dann gefror ihr das Blut in den Adern. Die Flüssigkeit war verkrustet und hatte dieses kupferartige Aroma. „Blut“, stellte Saber leise fest. Wieder runzelte er die Stirn. Dann zerriss ein Schrei die Stille. Er fuhr herum. Chily stand starr vor Entsetzen etwa in der Mitte des Raumes. Die Taschenlampe in der Hand und ihr Blick waren auf die Zimmerdecke gerichtet. Sie war nicht fähig sich zu rühren, sich abzuwenden oder zu schreien aufzuhören und bei dem Anblick verstand der Recke genau, warum. Seine Lampe fiel zu Boden. Er packte die Schreiende bei den Schultern und zerrte sie ins Freie. „Chily!“ Sie verstummte endlich abrupt und starrte mit großen, vor Schock geweiteten Augen zu ihm hinauf. Dann klappte ihr Kopf nach vorn und sie übergab sich. Unter anderen Umständen hätte er sich darüber beschwert, dass es seine Schuhe traf, aber in dieser Situation hatte er andere Sorgen. Er strich Chily beruhigend übers Haar. Das war ein ekelerregender Anblick gewesen, bei dem sich selbst ihm ebenfalls der Magen drehte. Als Chilys Bauch keinen Inhalt mehr hergab, reichte er ihr ein Taschentuch. „‘tschuldige, “ murmelte sie ohne ihn anzusehen. „Schon okay. Kann ich dich kurz allein lassen?“ Er hielt sie noch immer bei den Schultern. Sie nickte mit gesenktem Kopf. Er entfernte sich ein paar Schritte von ihr und funkte Verstärkung vom ortsansässigen Sheriff an. Dann warf er noch einen kurzen Blick zu der rotbraun gesträhnten Blondine, die wie zur Salzsäule erstarrt noch immer am selben Fleck stand, und betrat die Halle wieder. „Willkommen zurück…“ Was hatte das zu bedeuten? Noch einmal ließ er den Lichtstrahl der Taschenlampe über Ihn gleiten. An Armen, Beinen und dem Hals war er an die Decke gebunden worden, sodass man ihn beim Eintreten gar nicht bemerken konnte. Die Seile führten von Flaschenzügen rechts und links von dem Körper durch Eisenringe auf der jeweils anderen Seite und endeten in Winden an der Wand rechts neben der Tür. Dort, wo Saber den Raum noch nicht untersucht hatte. Das Hemd des Toten war aufgeknöpft und jemand hatte ihm fachmännisch das Herz aus der Brust geschnitten. Die Narbe auf dessen Oberkörper wies daraufhin und die Tatsache, dass es ihm an der heraushängenden Zunge befestigt worden war. Die Wunde hatte nicht stark geblutet, konnte er erkennen. Also war diese Prozedur nach der Ermordung vorgenommen worden. Der Mord an sich hatte wohl auch woanders stattgefunden, denn hier wies nichts auf einen wahrscheinlichen Kampf hin. Das war ja krank. Jetzt begann auch Sabers Magen zu revoltieren. Er wand den Blick ab. Er vernahm ein Geräusch draußen und eilte ins Freie. Chily kauerte am Boden. Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Sie zitterte am ganzen Körper. Chily bekam nur am Rande mit, dass der zuständige Sheriff mit einem forensischen Team eintraf und den Tatort unter die Lupe nahm. Saber wechselte ein paar Worte mit ihm und erläuterte die Sachlage. Der Sheriff nickte verstehend. Dann kehrten der Recke und Chily zur Adams Ranch zurück. Kapitel 4: N'oubliez jamais II ------------------------------ Saber trat aus dem Bad. Sein Gesicht war etwas blass und einige Spritzer des Wassers, mit dem er sich gewaschen hatte, hingen noch auf seiner Stirn. Heute Nacht würde er bei Chily schlafen. So fern das nach dem Gesehenen noch möglich war, denn auch ihm hatte sich eben der Magen endgültig umgedreht. Im dem Zimmer, das an ihr Schlafzimmer grenzte, hatte sie ihm das Sofa hergerichtet und saß wartend darauf. Ein wenig besser fühlte sich der Blonde nun und setzte sich in seinen Boxershorts zu ihr. „Ich fühl mich, als hätten wir Colts Junggesellenabschied vorverlegt“, meinte er um das Gespräch zu beginnen, dass ihr augenscheinlich auf dem Herzen lag. Sie schenkte ihm einen verständnislosen Blick und erwiderte kopfschüttelnd. „Ich bezweifle, dass die Party auch nur im Ansatz so mörderisch wird.“ – „Aber der Morgen danach wird mindestens genauso übel“, entgegnete er trocken. Sie lehnte sich ein wenig von ihm weg. „Was für ein Vergleich“, meinte sie vorwurfsvoll. „Also ehrlich.“ Dass sie nicht so abgebrüht war, wie es vielleicht manchem erscheinen mochte, hatte er sehr deutlich zu sehen bekommen. Leicht tröstend legte er ihr eine Hand auf die Schulter. „Sorry. So etwas zu sehen ist... naja.“ Wie sollte er das in die richtigen Worte packen? Sie half nach: „Widerlich? Eklig? Abartig? Halt, warte. Es ist zum Kotzen.“Sie schüttelte sich angewidert bei der Erinnerung an den Anblick. „Wie kannst du nur so tun, als hätten wir lediglich eine plattgedrückte Schnecke oder so was gesehen?“ Die Gelassenheit, die er zur Schau trug, konnte sie nicht nachvollziehen. „Ich habe viel gesehen. Auch so etwas, “ erklärte er und lehnte sich ebenfalls zurück. „Jetzt weiß ich wieder, warum ich lieber Hebamme als Sani bin. Man sieht den Beginn von Leben und nicht das Ende, “ antwortete sie. „Naja, mit der Zeit stumpft man gegen so was ab. Zumindest ich hab mich einigermaßen daran gewöhnt, “ erläuterte er ihr und betonte dabei, dass er nur von sich sprach. April würde wohl immer noch ähnlich reagieren wie Chily. „Offensichtlich“, seufzte die. „Aber das ist nicht unbedingt zum Vorteil, wenn man abstumpft. Vielleicht ist das dein ...“ Sie brach ab. Nein sie würde jetzt nicht wieder in seinem Kopf lesen, egal, wie klar ihr die Dinge gerade erschienen. Stattdessen fragte sie. „Und was jetzt?“ Der Gefragte schloss kurz die Augen und überlegte. „Ruhe bewahren und Mund halten.“ Das war das Logischste. „Mund halten?“ wiederholte sie ungläubig. „Ja. Ich erstatte Bericht ans Oberkommando und alles andere bleibt unter uns. Wir halten uns an den bisherigen Plan, “ bestätigte er nüchtern. „Das ist nicht dein Ernst, oder? Das war einer von Colts besten Freunden und du willst ihm nicht sagen, dass Er tot ist?“ fuhr sie ihn an, aber er bliebt sachlich. „Ich weiß, ja. Und ja, Colt darf davon vorerst nichts erfahren. Willst du ihm die Hochzeit ruinieren?“ fragte er zurück. „Aber er ist doch auch eingeladen. Er hat bis jetzt weder zu- noch abgesagt. Glaubst du, Colt hat noch so viel Spaß an der Hochzeit, wenn er nicht weiß, warum ausgerechnet der nicht komm, der sein Trauzeuge werden sollte?“ Das hatte der Kuhhirte ihr beim Putzen erzählt. Nein, Sabers Vorschlag war nicht der Beste, so vernünftig er auch war. Er nickte, als verstünde er. „Aber wenn wir ihm erzählen, dass Er herzlos ist, wird er die Hochzeit komplett abblasen. Und er würde versuchen, den Täter alleine zur Strecke zu bringen, “ führte er ihr seine Sichtweise genauer vor Augen. „Wir müssen ihm ja nicht sagen, WIE er gestorben ist. Nur DAS er gestorben ist, “ beharrte sie auf ihrem Standpunkt. „Ah ja, und du glaubst, dass das Colt zufrieden stellt?“ konterte er ironisch. „Der wird nicht eher Ruhe geben, bis er den Täter erwischt hat! Er wird alles gefährden, “ mahnte Saber dann eindringlich. Ja, er hatte Recht. „Verdammt.“ Chily legte sich rittlings auf Sofa und schaute frustriert zur Decke. Der Recke rutschte ein Stück zur Seite, damit sie bequemer liegen konnte. „Hab ich dich jetzt eines besseren belehrt?“ wollte er dann wissen. Sie setzte sich prompt wieder auf. „Tust du denn überhaupt was anderes, wenn wir mal allein miteinander sprechen?“ schnappte sie. Jetzt blickte er sie verständnislos an. „Ich rede nur mit dir, belehren wollte ich dich nie“, wehrte er den Tadel ab. „Dann hör dir doch mal eine Minute lang selber zu, wenn wir uns unterhalten“, seufzte sie und rutschte ein Stück näher an ihn. „Jetzt weiß ich wieder, warum du mich an die Geschichte von Herz und Vernunft erinnert hast“, meinte sie leise. Erneut rückte er von ihr weg und schuf den auch für das Gespräch nötigen körperlichen Abstand zu ihr. „Vernunft ist in der heutigen Zeit unabdingbar“, rechtfertigte er sich. „Aber du tust, als wäre ich jemand, der gerne Recht hat.“ Wieder kam sie auf ihn zu. „Ich würde dich nicht unbedingt rechthaberrisch nennen, aber vernunftsbetont“, gab sie zu. Er schob sich von ihr fort an die Sofakante. „Meine Vernunft ist das einzige, was mich und meine Freunde vor Schaden bewahren kann“, trotzte er. Außerdem konnte Vernunft auch sein Herz vor dem Brechen bewahren, betonte er sich selbst gegenüber. „Vernunft ist manchmal hinderlich. Du solltest dir diese indianische Geschichte nochmal in Ruhe durch deinen Kopf gehen lassen,“ flüsterte sie und glitt über das Laken so nah zu ihm, dass ihr Knie das seine berührte. Fluchtartig rückte er wieder ab. Das war gefährlich nah. Aber er glitt über den Rand und landete auf dem Hintern. „Ah“, grummelte er verstimmt vom Boden zu ihr rauf. „Was sagt deine indianische Geschichte dazu?“ Sie rückte auf seinen Platz auf. „Da sagt das Herz der Vernunft: „Aber wenn es um Liebe geht, unterdrückst du mich. Du wirst zum Lügner, weil du dich oft von der Angst täuschen lässt. Ich kann nicht lügen“, zitierte sie. „Was hat dir deine tolle Vernunft jetzt gebracht, hm? Du bist damit auf dem Hintern gelandet. Wirklich beeindruckend.“ Ein Grinsen umspielte ihre Lippen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet er wie ein Schuljunge aufführen konnte? Der Recke hob die Braue. „Ich bin auf meinem Hintern gelandet, weil du dich so breit gemacht hast und nicht, weil sich Vernunft und Herz nicht einig werden, “ stritt er trocken ab. „Ich kann mich nicht breit machen, weil ich es nicht bin, “ wiegelte sie ab und schoss eine, für den Blonden unangenehme, Feststellung hinterher. „Aber du hast ganz offensichtlich Angst vor Nähe. Herz und Verstand müssen stets nur einen Weg finden sich einig zu werden, dann sind sie unschlagbar.“ Er stand auf, umrundete den kleinen Tisch hinter dem Sofa und nahm am anderen Ende wieder auf dem Polster Platz. „Angst vor Nähe? Was hab ich denn sonst noch? Bin ich gehemmt, oder habe ich Angst davor, jemanden mein Leben anzuvertrauen, “ knurrte er mürrisch zurück. Wenn sie doch endlich mal aus seinem Kopf verschwinden würde, wäre das Leben viel einfacher. „Tja, ich hatte dir eigentlich versprochen nicht in deinem Kopf rumzuspazieren, aber wenn du mir deine Gedanken wie ein aufgeschlagenes Buch präsentierst, würde ich sagen … genau das ist es.“ Sie unterdrückte ein Lächeln um ihm nicht das Gefühl zu geben, sie würde ihn auslachen. „Was sagen dir meine Gedanken noch? Vielleicht, dass ich jetzt zur Bar runter gehe und einen Magenbitter suche?“ Er wollte schon aufstehen, aber da huschte Chily schnell und geschmeidig zu ihm hinüber und saß auf seinem Schoss, ehe er begriff wie ihm geschah. Als er es verstand und sie heftig von sich weg schieben wollte, hatte sie ihn schon mit Armen und Beinen umschlugen. „Ich brauch auch einen“, grinste sie. Seine fast schon panische Miene erheiterte sie. „So komm ich aber nicht zur Bar“, erklärte er unwirsch und hoffte in dem Augenblick, dass die etwas hergab, womit er sich gehörig die Birne wegknallen konnte. Man, was tat sie ihm denn nur an? Ihre Haut fühlte sich seidig weich an, dort wo sie ihn berührte. Aber jetzt glitt sie von seinem Schoss und stand vor der Polsterbank. Sacht legte sie ihm den Finger auf die Lippen. „Pst, keine Bange, ich beiße nicht, Angsthase“, versicherte sie flüsternd. Er zog die Beine auf den Sitz. Mit einem „Hör auf damit“ griff er nach der Hand auf seinem Mund. „Ich tu gar nichts.“ Sie beobachtete ihn genau und wartete ab. Er konnte sie nicht mehr ansehen und schlug die Augen nieder. „Das sehe ich.“ Was zur Hölle machte sie da mit ihm? Wieso fühlte er sich gerade so hilflos? Sie nahm seine Hand in ihre und strich mit der anderen behutsam darüber. Doch der Recke konnte sich nicht entspannen. Viel zu sanft war diese Liebkosung. „Bitte lass mich los, Chily“, keuchte er, allmählich von der Situation überfordert. „Ich hör schon auf.“ Damit ließ sie seine Hand los, krabbelte flink zu ihm und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, Saber Rider.“ Dann wand sie sich ab und ging in ihr Zimmer. Saber schlüpfte rasch unter die Decke und drehte sich auf den Bauch, um sicher zu stellen, dass sie nicht merkte, was ihr Kuss ausgelöst hatte. Gleichzeitig verschanzte er sich so wieder hinter seiner Mauer, was jetzt leichter war, da sie schon halb an der Tür war. „Findest du das lustig?“ knurrte er ihr hinterher. Sie wand sich zu ihm um. „Nein, eigentlich sehr traurig“, entgegnete sie aufrichtig. „Weshalb traurig?“ hakte er nach. „Du hast ein wunderbares Herz, Saber. Schade, dass du es lieber einmauerst, als es leben zu lassen.“ Ihre Miene unterstrich das Gesagte. Er zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch. „Mein Herz lebt. Es lebt sogar recht gut, schlägt wie es sich gehört und macht immer noch alles mit, “ informierte er sie über die anatomische Seite des Organs. „Mein Herz braucht weder Fürsorge noch Mitleid, Chily, “ erklärte er dann kategorisch. „Schlaf gut.“ Sie drückte die Klinke hinunter. „Es braucht kein Mitleid, sondern Liebe. Aber auch ohne die: Schlaf gut, “ antwortete sie sacht. „Das werde ich, “ schnappte er und konnte sich eine kleine Spitze gegen sie nicht verkneifen. „Meine Vernunft ist ja da und passt auf.“ Aber sie ging nicht weiter darauf ein. „Oh“, meinte sie nur traurig, „dein armes Herz.“ Chily verschwand endgültig in ihrem Zimmer und er versuchte, seine innere Unruhe einzudämmen. Verdammt, das konnte eine Nacht werden, wenn sein Körper seiner Vernunft einfach nicht gehorchen wollte und ein Eigenleben entwickelte. Würde bitte … Er seufzte tief und stand auf. Einen Schnaps brauchte er dringender, als er gedacht hatte. Liebevoll strich Robin Colt übers Kinn. Ihr Cowboy schlief noch selig und sie lächelte leicht. Seit der Termin der Trauung näher rückte, fiel ihr immer wieder auf, wie sensibel Colt eigentlich war. Alles, was er ihr seither gesagt hatte und vor allem, was er ihr seit nicht gesagt hatte, bewies es ihr. Dass sie immer noch nicht die Ranch seiner Eltern gesehen hatte, ließ sie ahnen, wie weh dem Kuhhirten die Erinnerung tat. Das wiederum hieß für sie, dass seine Eltern ihm sehr viel bedeutet hatten und sie ahnte, wie wundervoll sie gewesen sein mussten. Doch so lange ihr Zukünftiger sich weigerte darüber zu sprechen, war Chily die einzige Informationsquelle über dessen Vergangenheit. Saber schritt auf Sincias Wohnung zu. Er war gespannt auf das, was ihn erwarten würde. Sie hatte ihn nicht besucht, nicht auf seine Briefe geantwortet und wenn er angerufen hatte, war niemand ans Telefon gegangen. Was los war, verstand er nicht. Entweder hielt sie ihn hin oder sie hatte keine Gefühle mehr für ihn. Er musste mit ihr reden. Diese Ungewissheit und die Zweifel, die ihn deshalb plagten, ertrug er nicht länger. Er klopfte. Die Tür öffnete sich. Ein Mann mit haselnussbraunem Haar stand darin und sah Saber an. Hinter der Tür kam Sincia hinzu und schlang ihre Arme um die Taille des anderen. Sie schmiegte sich an ihn und trat dann neben ihn. Ihr Blick fiel jetzt auf den Recken. Der wand sich ab und ging. Wozu noch erklären? Das war deutlich. Er beschleunigte seine Schritte. Warum musste er es so erfahren? Hastig lief er in einen Wald. Warum so? Warum hatte sie ihn nicht angerufen und es ihm gesagt? Alles wäre besser gewesen, als das. Er rannte durch das Dickicht. Nur weg von hier. Nur weg von ihr. Vielleicht wäre es weniger wahr, je weiter er von ihr fort war. Die Bäume lichteten sich. Er fand sich an einem Fluss wieder. Was war das? Sie stand unbekleidet bis zur Hüfte im Fluss, ihm den Rücken zu gewandt. Aus ihrem nassen Haar rann Wasser in Rinnsalen über ihren Rücken hinab zu der Tätowierung. Engelsflügel prangten oberhalb des Gesäßes auf der Haut und ihre Spitzen schienen um ihre Taille herum zu führen. Sie wand den Kopf zu ihm. Blaugrüne Augen schauten ihn an, als wüssten sie alles. Saber fuhr auf und sah eben die Engelsflügel aus dem Zimmer verschwinden. Ungläubig wand er sich um. Chilys Schlafzimmer hatte zwei Türen. Eine führte durch dieses Zimmer und das andere vom Flur aus in den Schlafraum. Gewohnheitsgemäß ging sie wohl durch den Raum, in dem er genächtigt hatte, wenn sie ins Bad wollte. Er seufzte leise. Was für ein komischer Traum war das gewesen? Er schüttelte den Kopf. Erstmal aufstehen. Er schlug die Bettdecke zurück und stutzte. Schon wieder oder immer noch? Er legte die Decke wieder über seine Beine und sank ins Kissen zurück. Wenn sie also an ihm vorbeigelaufen war, hatte sie es sicher gesehen. Er rollte die Augen. Verfluchte Hormone. Nicht nur, dass sie tagsüber in seinem Kopf herum wanderte, jetzt suchte sie ihn auch des Nächtens in seinen Träumen heim. Was kam denn noch alles auf ihn zu? Robin hauchte Colt einen Kuss auf die Stirn. „He Murmeltier, wach auf. Du verschläfst ja den ganzen Tag,“ flüsterte sie. Er schlug die Augen auf. „Ich schlafe nicht mehr richtig, seit du aufgestanden bist,“ murmelte er zurück. Lächelnd küsste sie ihn auf die Nasenspitze. „Dann hättest du ja wirklich aufstehen können.“ – „Mhm, mach ich doch jetzt.“ Colt richtete sich verschlafen auf, schlang Robin seine Arme um ihre Taille und zog sie an sich. Sie strich ihm sanft über die Locken. „Komm, Schatz. Wir wollten doch Chily helfen gehen,“ erinnerte sie ihn. „Chily braucht eigentlich keine Hilfe, aber wir gehen trotzdem hin,“ entgegnete er undeutlich, weil er seine Lippen an ihrem Bauch presste. Robin drehte seinen Kopf so, dass er sie ansehen musste. „Wie kommst du darauf?“ hakte sie nach. „Naja.“ Der Cowboy erhob sich. „Chily ist recht unabhängig und schafft so was eigentlich allein. Ich will nur sicher stellen, dass Dean-Bean sie nicht dabei stört.“ – „Soll ich dir jetzt den Kopf waschen, weil du ihr nicht helfen willst, obwohl sie die Arbeit nur wegen uns und der Hochzeit hat, oder dafür, dass du sie begluckst, obwohl du weißt, dass sie das nicht will?“ wollte sie dann mit tadelndem Unterton wissen. „Schatz, jetzt nicht. Ich bin ja grad erst aufgestanden.“ Er trollte sich ins Bad. Kopfschüttelnd sah sie ihm nach. Unverbesserlich. Saber erschien zum Frühstück bei seinen Freunden, als wäre er eben angekommen. Fireball bedachte den Recken mit einem skeptischen Blick. Weder dessen kurzfristige Abreise, noch dessen Begründung dafür, nahm er so richtig ab. Er hatte allerdings nicht mehr die Möglichkeit, etwas dazu zu sagen, da in diesem Moment Colt und Robin in der Küche eintrafen und sich das Gesprächsthema in eine andere Richtung drehte. Bei der Arbeit auf der Adams Ranch war aufgefallen, dass es ebenso erforderlich war neu zu tapezieren. Deshalb waren die Jungs kurz nach dem Frühstück dabei, dort die Möbel im Wohnzimmer abzudecken, während die Mädchen in der Stadt nach neuer Tapete und Farbe suchten. Während Colt Wasser holte um die Tapete abzuweichen, schoben Fireball und Saber ein Sideboard von der Wand weg. Der Schrank kantete an einer Unebenheit auf dem Boden und kippte. Eine Tür schlug auf. Fotoalben fielen hinaus. „Mist.“ Sie setzten das Board wieder ab. „Also ich finde das interessant, “ meinte Fireball, hob eines der Alben hoch und schlug es auf. „Das sind Weihnachtsfotos, “ stellte er fest. „Das ist privat, Fireball. Das geht uns nichts an, “ mahnte Saber. „Markier hier nicht den Moralapostel. Du bist genauso neugierig wie ich, “ versetzte der Rennfahrer spitz und traf den Nagel auf den Kopf. Saber umrundete das Sideboard und linste mit ihm auf die Fotos. Die ersten zeigten einen Mann mit dunkelblondem Haar und eine Frau mit rotblondem Schopf, die den Weihnachtsbaum dekorierten. Auf dem Sofa saßen ein Mann mit braunen Locken und einem Schnauzer und eine Frau mit dunkelblondem Haar. Zwischen ihnen hockten ein braungelockter Junge und ein hellblondes Mädchen, vielleicht vier oder fünf Jahre alt, und grinsten fröhlich in die Kamera. „Colt und Chily“, bemerkte Fireball. Ein Bild weiter trug Colt ein übergroßes Weihnachtsmannkostüm. Die Ärmel reichten ihm bis auf den Boden. Der Gürtel hing irgendwo in den Kniekehlen. Das Vorderteil des Kostüms war über der Brust des Knirpses gefaltet wie ein Bademantel und hinten lag es wie eine Schleppe auf dem Boden. Die Zipfelmütze war ihm bis auf die Nasenspitze gerutscht, aber darunter grinste der Dreikäsehoch fröhlich hervor. Es folgten Bilder vom Essen, davon, wie die Kinder die Geschenke auspackten und Händchenhaltend in der Tür unter dem Mistelzweig standen. Dann kamen mehrere Bilder, die offensichtlich rasch nacheinander aufgenommen worden waren. Chily und Colt standen immer noch unter dem Mistelzweig, sahen aber einigermaßen geschockt aus. Ungläubig schauten sie zum Zweig hinauf und sich dann erschrocken an. Widerstrebend und zögernd näherten sich dann ihre Gesichter einander an. Mit gespitzten Lippen, um sich ja nicht mehr als nötig zu berühren, küssten sie sich flüchtig und wanden sich gleich darauf angeekelt ab. Mit kleinen Fingern säuberten sie hastig, vom anderen weggedreht, ihre Münder, als hätten sie etwas Ungenießbares essen müssen. Fireball und Saber lachten laut auf bei dem Anblick. „Was ist so komisch?“ Der Cowboy trat verwundert zu ihnen. „Es gab also mal eine Zeit, in der du Mädchen nicht küssen wolltest“, grinste der Rennfahrer und hielt ihm das aufgeschlagene Fotoalbum unter die Nase. „Das war bloß Chily.“ Der Recke hob die Brauen. „Bloß?“ hakte er nach. „Das klingt beinahe so, als wäre Chily keine Frau.“ Irgendwie missfiel ihm das. „Ist sie schon“, erwiderte der Kuhhirte. Es sollte ja schließlich nicht heißen, dass er sie abwertete oder so etwas in der Art. „Aber eben nicht so eine.“ Nicht eine von denen, die er so gedatet hatte. „Nicht so eine“, wunderte sich Fireball. „Mensch, anatomisch korrekter ist wohl kaum eine Frau“, neckte er dann. Er wusste schon, was Colt damit gemeint hatte, aber die Einladung ihn damit aufzuziehen, konnte er nicht ablehnen. Der tat ihm prompt den Gefallen darauf einzugehen. Colt hob skeptisch die Brauen. „Woher willst du wissen, wie atomisch korrekt sie ist? Hast du das kontrolliert?“ Saber unter drückte ein Grinsen. Colt und die Fremdworte würden wohl ewig miteinander auf Kriegsfuß stehen. „Na, sieht man doch, oder hast du krumme Linsen?“ fuhr der Rennfahrer vielsagend grinsend fort, den Cowboy hoch zu nehmen. „Erstaunlich, dass April dir deine noch nicht ausgestochen hat, wenn du nach anderen Frauen schielst. Noch dazu nach meiner Chily.“ Der schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Wie konnte der nur? Nun, der Japaner konnte problemlos zu lachen anfangen. „Irgendwohin muss ich schließlich schauen, und bevor ich deinem oder Sabers Bart beim Wachsen zusehe, lieber was Hübsches für die Augen.“ Er zwinkerte dem Scharfschützen zu, der prompt aufbrauste. „Dann glotz gefälligst deine Perle an. Chily ist und bleibt Tabuzone. Das sagte ich schon.“ – „Meine Perle?“ wiederholte Ramrods ehemaliger Pilot amüsiert. „Kann mich nicht dran erinnern, dass ich Perlentaucher bin.“ Es war einfach immer wieder ein Vergnügen für ihn, Colt zu sticheln „Tauch ab, bevor ich dich ersäufe. Und behalt bloß deine Finger bei dir, du Tintenfisch, “ schnaubte der. Er konnte es nicht so lustig finden. Es ging immerhin um Chily. „Sonst sagst du immer, ich hätte Stummelfingerchen, jetzt auf einmal Fangarme? Na, vielleicht sollte ich Chily mal fragen, ob sie mit mir mitkommt, auf einen kleinen Tauchkurs.“ Sein anzügliches Grinsen dazu erzielte die erhoffte Wirkung. Colt fuhr fast aus der Haut. „Spinnst du?“ Bevor es jedoch in die falsche Richtung schlagen konnte, schaltete sich der Recke ein. „Jetzt reicht es langsam wieder, Fireball. Du treibst Colts Puls sonst nicht mehr allzu lange nach oben, wenn du so weitermachst.“ Es war offenkundig, dass Colt nach wie vor eines wollte. Chily vor allen Männern beschützen, die sie womöglich verletzen würden. Späße damit verstand er wenig bis gar nicht. Es war sein wunder Punkt. „Für dich gilt das gleiche, Boss“, stellte Colt klar und versuchte sich wieder zu beruhigen. „Stimmt, bei Saber würd ich mir momentan mehr Sorgen machen, immerhin ist er ein einsamer Wolf und des Nächtens oft alleine“, stichelte Fireball prompt und heizte Colt damit noch einmal an. „Nee, Saber, denk nicht mal dran.“ Die Vorstellung gefiel ihm auch nicht besser. Immerhin schien Chily den Blonden ja von Anfang an symphytisch zu finden. „Vom Denken kriegt man eh keine Schwielen an den Händen, wenn du verstehst, was ich meine“, nutzte der Rennfahrer seine Chance auf eine neue Spöttelei. „Ist mir egal, so lange er seine Hände bei sich behält“, schnappte der Scharfschütze sogleich. „Seine Hände braucht er dafür nicht unbedingt“, streute Fireball verschmitzt noch Salz in die Wunde. Doch er traf nicht nur Colt auf diese Weise, sonder auch Saber waren die letzten Worte unangenehm. Sein „Könntet ihr zwei jetzt bitte aufhören?“ kam jedoch nicht wirklich in deren Köpfen an. „Was soll denn das jetzt wieder, heißen, Fire?“ Der Kuhhirte sah seinen Hombre zweifelnd an. Wollte er dessen Gedankengängen wirklich folgen? „Benutz deine Fantasie, Viehtreiber“, grinste der. „Vielleicht münzt du auch die ein oder andere Sache von dir auf Saber um und voila. Du verstehst mich dann schon.“ Das tat Colt allerdings und besser, als ihm lieb war. Er brauste heftig auf. „Vergesst es. Das könnt ihr euch aus den Köpfen schlagen, was auch immer da noch drin rumgeistert.“ Er wand sich an Fire. „Du bleibst gefälligst April treu. Und du“ Jetzt fuhr er Saber an. „nimm dir eine Gummipuppe.“ Er hatte seine Grenze erreicht. Noch ein falsches Wort mehr und er könnte für nichts mehr garantieren. „Mann, echt“ reizte der Japaner dennoch. „Jetzt veranstaltest du wegen Chily so ein Theater, dabei wäre es wohl eher in deinem Interesse, wenn wir von Robin die Finger lassen.“ Er sprach es so aus, als hätte er schon Versuche dieser Art unternommen und konnte sich das Lachen kaum mehr verkneifen. Und nur diese Tatsache machte Colt klar, dass es ein Scherz war, sonst hätte der Fireball eine gelangt. Trotzdem war Colt aufgebracht genug um drohend zu knurren. „Du wagst es nicht. Meins. Das sind meine Beiden. Lass bloß die Griffel von denen.“ Der Rennfahrer lenkte ein. Aus Spaß war eben Ernst geworden. „Schon gut, Schon gut“, entgegnete er versöhnlich. „Ich mein ja nur.“ – „Gar nicht gut“, grollte Colt. „Das mein ich verdammt ernst. Egal wen von euch ich sehe, wie er die Finger nicht von Robin oder Chily lassen kann, verliert genau das, was ihn zum Mann macht.“ Leicht genervt von dem Schlagabtausch klinkte sich Saber nun erneut ein. „Ihr zwei könnt einfach nicht anders, oder? “ bemerkte er kopfschüttelnd. „Ihr zwickt euch immer gegenseitig so lange an, bis aus dem Spaß ein handfester Streit wird. Als ob das nötig war.“ Der Rennfahrer lächelte versöhnlich. Wo Saber Recht hatte, hatte er einfach Recht. „Ich hab meine Stummelfinger bei mir, Kuhtreiber. Mir musst du das nicht sagen.“ Sofort bedachte der Scharfschütze den Schwertschwinger mit einem mahnenden Blick. Der parierte und hob abwehrend die Hände. „Jaja, Fireball bringt dich auf blöde Gedanken und ich muss es büßen. War ja vorher zu sehen.“ – „Du brauchst ihn nicht, um auf blöde Gedanken zu kommen. Die kriegst du schon, wenn du Chily auf den Hintern schaust.“ Wenigstens kam der Kuhhirte langsam wieder von der Palme runter. „Dann hätte ich bei jeder Frau blöde Gedanken, wenn ich einer nachsehe“, wiegelte der Recke ab. „Ich hab nur gemerkt, das und wie du ihr nachglotzt. Mehr als das, solltest du wirklich nicht tun.“ Damit hakte er das Thema ab. Er sprach schließlich mit Saber und damit waren solche Sachen schnell geklärt. „Keine Bange, hab ich nicht vor“, erwiderte der und hob das Album vom Sideboard hoch. „Wie alt ward ihr da eigentlich?“ wollte er dann wissen. Colt warf noch mal einen Blick auf das Bild und erinnerte sich. „Vier. Wir waren vier. Ich hab so einen Spielzeugrevolver bekommen, den ich kaum noch abgenommen hab,” meinte er dann. „Er lag bei mir im Bett, wenn ich geschlafen hab. Griffbereit neben dem Kopfkissen. Für den Fall irgendwer kommt nachts.” Colt sah unablässig auf das Foto. „Wenn Chily bei uns übernachtet hat, hab ich das Ding immer unter dem Kissen versteckt. Sie hat sich geweigert mit mir in einem Bett zu schlafen, wenn der Ballermann darin lag.“ Er lächelte leicht. „Sie mochte die Dinger nie.“ Dann blätterte er ein paar Seiten weiter im Album. Die Aufnahme zeigte den Cowboy mit seiner besten Freundin schlafend im Bett. Sie lag auf dem Bauch, er ihr seitlich zugewandt. Er hatte einen Arm beschützend um ihre Schultern gelegt und hielt in der Hand den Spielzeugrevolver. „Dagegen hatte sie nicht?“ hakte Fireball spöttisch nach. „Den hab ich immer erst vorgeholt, wenn sie geschlafen hat“, erklärte der Kuhhirte und grinste seine Freunde an. „Einer musste ja auf sie aufpassen“, rechtfertigte er sich. Der Rennfahrer und der Recke schüttelten die Köpfe. „Ich glaube, dass kann sie allein auch ganz gut, “ erwiderte Saber und fragte sich, ob Colt von der Winchester wusste und wie es Chily schaffte die anzufassen, wenn sie Waffen so verabscheute. „Ich wäre für Brautjungfern in dem hier.“ Robin tippte auf ein Kleid in einem Braumodenkatalog. Chily fuhr eben den Pick-up vom Parkplatz des Einkaufszentrums. April und die Lehrerin stöberten auf dem Rücksitz in Prospekten mit Hochzeits- und Abendkleidern, die sie aus einem Geschäft mitgenommen hatten, bevor sie die Farben und Tapeten besorgt hatten. „Ihr seid doch meine Brautjungfern?“ fragte sie nun. „Ja, klar gern“, rief April erfreut aus, aber Colts Jugendfreundin schwieg und schien sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren, weshalb Robin ihre Frage wiederholte. Erst dann antwortete sie leicht zerstreut: „Ja, Robin, mach ich gern.“ Die Wissenschaftlerin horchte auf. „Stimmt irgendetwas nicht? Du bist heute recht still.“ Chily setzte den Blinker und ordnete sich in die Linksabbiegerspur an der Ampel. „Hab nur schlecht geschlafen“, murmelte die. „Tut mir leid, wenn ich heut eine schlechte Gesellschafterin bin. Ist nicht bös gemeint.“ Die beiden Frauen auf dem Rücksitz tauschten einen kurzen Blick. „Noch wegen des Anrufers? Ist was passiert?“ hakte April nach. Die Ampel schaltete auf Grün und Chily gab Gas. ‚Wenn du wüsstest. ‘ – „Es lag wohl am Vollmond“, log sie und war froh, dass ihr die beiden nicht ins Gesicht sehen konnten. Das hätte sie sicher verraten. Robin genügte die Antwort und sie wand sich wieder dem Magazin zu. April schaute noch einen Moment auf Chily. Hatte deren Hand gezittert, als die nach der Gangschaltung gegriffen hatte? Wenn ja, warum? In den folgenden Tagen wurde in jedem Raum der Adams Ranch die Tapete herunter gerissen und neue angebracht. Während Colt die alte Wandbekleidung herunter riss, klebten Saber und Fireball die neue darauf. Robin und Chily rollten die Farbe darüber und April beseitigte den entstandenen Schmutz. Die Arbeit verlief so recht zügig und mit Späßen. Dennoch fiel auf, dass Saber und Chily zurückhaltender waren. Colt argwöhnte Verliebtheit dahinter und wurde von allen ausgelacht. Dennoch stand für ihn fest, dass seinen ehemaligen Vorgesetzten und seine Jugendfreundin etwas mit einander verband. Er konnte es nicht erklären oder beweisen, aber er spürte es deutlich. Sein Unbehagen rührte aber nicht nur daher, sondern auch von der Tatsache, dass er Dooley nicht aufspüren konnte. Inzwischen hatte er ihn auch unter sämtlichen Decknamen, die sein früherer Mentor so verwendete, angeschrieben. Ergebnislos. Seit Fireball und Saber sie so zufällig gefunden hatten, waren die Fotoalben die Attraktion schlecht hin, zumal Chily auch noch die Geschichten dazu erzählte. Jetzt sah der Kuhhirte seine beiden Number 1 auf der Veranda sitzend in einem blättern und die Bilder vom Spring Homecoming entdecken. Colt und seine Jugendfreundin waren gemeinsam dorthin gegangen. Kein Date in dem Sinne und das letzte Fest, auf dem sie gemeinsam waren. „Es muss dir doch unheimlich weh getan haben, dass Colt ging“, meinte Robin mit Blick auf die Fotos, die zwei wirklich gute Freunde beim Tanzen zeigten. „Doch sehr. Ich dachte, was fällt ihm ein, einfach so zu verschwinden, “ antwortete diese. „Aber dann fiel mir ein, was er auf der Beerdigung zu mir gesagt hat.“ Robin sah sie erwartungsvoll an. „Was war das?“ Chily starrte gedankenverloren auf den Hof. „Dass ich seine beste Freundin wäre. Er wollte wissen, ob ich immer da wäre und ich sagte: Ja. Heute weiß ich, dass dies seine Art war, sich zu verabschieden. Er wollte sicher sein, dass er jeder Zeit zurück kommen kann.“ Einen Momentlang schwiegen beide. Die Lehrerin, weil sie nicht wusste, was sie darauf sagen sollte und Chily, weil sie mit sich rang. Sie hatte versprochen zu schweigen, aber damit konnte sie Robin ins offene Messer laufen lassen, sollten sich einige Dinge unbeabsichtigt doch offenbaren. Irgendwie musste sie ihr einen Hinweis geben. „Ich hoffe, er hat diese Worte niemals für dich.“ Dann stand sie auf und verschwand im Haus, ehe Robin nachfragen konnte, was gemeint war. Das war seltsam. Worauf wollte Chily damit hinaus? Sie benötigten noch eine volle Woche um das Haus wieder auf Vordermann zu bringen. In der zweiten Woche galt es sich um den Hof zu kümmern. Allerdings ohne Chily, die in dieser Zeit viele Termine hatte. Dafür unterstützte Donna Joe die Freunde. Als sie die Arbeit beendet hatte, entschieden alle, dass es Zeit für eine kleine Feier und etwas Abwechslung war. Für die Frauen hieß das, sich einen Vormittag beim Frisör und der Kosmetikerin zu gönnen. Chily ließ bei der Gelegenheit ihre inzwischen verwaschenen rotbrauen Strähnen bleichen und eine Färbung in ihrer natürlichen Haarfarbe darüberlegen. Nachdem die Kosmetikerin ihnen ein dezentes Make-up aufgelegt hatte, saßen die drei bei einem Kaffee zusammen und entwarfen Pläne für die Hochzeitsdekoration und die Kleider. „Hast du schon alles beisammen? Also die vier Dinge für die Hochzeit?“ fragte April. „Was neues, was altes, was blaues und was geliehenes? Na ja, fast. Mir fehlt noch das Alte und das Geborgte, “ erwiderte Robin. „Wofür braucht man das?“ wollte Chily wissen. „Das Neue steht für den Beginn und die Veränderung. Das Alte für die Tradition. Das Blaue für die Treue und das Geliehene für die Freundschaft, “ erklärte der weibliche Starsheriff. „Das Neue wird das Brautkleid sein. Das Blaue klassischerweise mein Strumpfband. Aber was die anderen beiden Sachen angeht, hab ich wirklich keine Ahnung, wo ich das herbekommen soll.“ Robin seufzte leicht. „Na ja, “ lächelte Colts Jugendfreundin leicht und geheimnisvoll. „Da hab ich schon eine Idee.“ Zur selben Zeit gab Saber dem kleinen Toto Reitunterricht auf Donna Joes Ranch. Colt und Fireball beobachteten vom Zaun aus, wie der Kleine auf Steed umher trabte und den Anweisungen des Recken brav Folge leistet. „Kannst du dir vorstellen Vater zu werden?“ fragte der Rennfahrer unvermittelt. „Schwer. Aber Robin wäre eine tolle Mum, “ antwortete der Kuhhirte. „Deine kleine Number 1 aber auch. Toto verehrt sie ja regelrecht, “ grinste Fireball. „Das hat ja noch Zeit, “ schnappte Colt sofort. „Oh man.“ Der Japaner schüttelte feixend den Kopf. „Und wenn sich Saber, so unwahrscheinlich das auch ist, in sie verknallt hat? Was dann? Willst du da echt dazwischen funken? Ich mein, hey, der ist ein Jahr Single und die Sache mit Sincia war wohl eine Wahnsinnspleite. Also, wenn sich da ernsthaft was entwickeln würde, solltest du dich für ihn freuen. Oder willst du einen Mönch aus ihm machen?“ Fireball hatte nicht so Unrecht. Das gab Colt gedanklich zu. Natürlich wollte er nicht, dass sein früherer Vorgesetzter unglücklich blieb. Aber seine Chily? Zu Fireball Erleichterung, konnte sich der Cowboy nur schwer gewöhnen an diesen Gedanken gewöhnen, was ihn davon abhielt, den Rennfahrer wegen des Gesprächsthemas näher in die Mangel zu nehmen. Der Gedanke beschäftigte Colt noch, als alle in der Küche der Adams Ranch standen und jeder seinen Beitrag zum Abendessen leistete. Der Kochbereich war recht schmal und ein bisschen trat jeder dem anderen auf die Füße, aber es sorgte für Lacher. April, die die langen Schürzenbänder vorn verknotet hatte, verhedderte sich damit im Mixer. Colt wollte Fireball für einen frechen Spruch ein Ei an den Kopf werfen, ließ es versehentlich tatsächlich los und traf ihn an der Stirn. Der Rennfahrer dankte es dem offensichtlich altersschwachen Scharfschützen in dem er ihm die Locken bemehlte. Dann wieder kleckerte Chily mit dem Wasser. Als Robin sie dafür auslachte, bekam sie einen kleinen Schwab ins Gesicht. Bei solchen Späßen war es verwunderlich, dass sich später auf dem Tisch ein bunter Salat, eine knusprige Lasagne und Mousse au Chocolat einfanden. Ähnlich vergnügt verlief das Essen an sich. Unter kleinen Wortgefechten, lustigen Geschichten aus der Vergangenheit und vielen Witzen fanden sie sich anschließend in der Hausbar ein, hinter deren Tressen Colt und Chily die Barkeeper mimten. „Hoffentlich machst du diesmal nicht wieder kurz vor dem Altar kehrt und haust ab“, meinte Chily fröhlich, als die Beiden sich vor der Bar auf die Hocker zu den anderen setzten. „Diesmal wird es ernst. Da hab ich noch nie gekniffen. Aber weißt du was?“ Jetzt wurde Colt ernster. „Ich bin enttäuscht von Dooley“, erklärte er dann. „Er reagiert nicht auf die Einladung, hat nicht einmal die Courage abzusagen.“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Das ist doch gar nicht wahr. Er hat bestimmt einen guten Grund. Vielleicht einen Todesfall in der Familie und deshalb meldet er sich nicht, “ versuchte Chily prompt die aufkeimende negative Meinung des Scharfschützen gegenüber seines Mentors abzuwürgen. „Aber dann würde er anrufen und was sagen! Ich glaube viel eher, dass es ihm nichts bedeutet, “ beharrte er. „Ich glaube, er wäre bereit dafür zu sterben, “ entgegnete sie mit Unbehagen. Nicht nur, dass sie sich in einer für sie brenzligen Situation recht unvorbereitet wieder fand, es war auch noch mehr wahres an ihrer Aussage, als ihr lieb war. „Ach, das ist doch gar nicht wahr. Dooley freut sich nicht für mich.“ Colt fuhr sich über die Stirn. „Doch. Aber er ... wird verhindert sein, “ versuchte sie vehement zu beschwichtigen, hatte sich aber endgültig in die Zwickmühle gebracht, denn Colt wurde hellhörig. „Woher weißt du das?“ fragte er sofort nach. „Wissen?“ rief sie erschrocken aus. „Ich weiß gar nichts“, wiegelte sie heftig ab. „Ich vermute nur.“ Aber Colt kannte sie gut genug um zu wissen, dass dies nicht die Wahrheit war. „Klar, und ich bin der Nikolaus“, schnaubte der Scharfschütze. „Raus mit der Sprache. Hat er dich angerufen?“ – „Nö.“ Das war immerhin nicht ganz gelogen. „Hast du ihn getroffen?“ bohrte er weiter.“ –„Nö.“ Colt musterte sie skeptisch und hakte nach, auch wenn er selbst nicht daran glaubte: „Hat er dir geschrieben?“ Beleidigt schnappte sie: „Bin ich in einem Verhör? Nein hat er nicht.“ Das war diesmal die volle Wahrheit. Colt zog die Brauen zusammen. Er spürte deutlich, dass etwas nicht stimmte und begann seine Jugendfreundin unter Druck zu setzten. „Ich sehe dir an, dass du mit ihm gesprochen hast oder ihn getroffen hast, also sag mir jetzt die Wahrheit, Chily“, knurrte er. „Also Colt. Ich wollte doch nur sagen, dass er vielleicht verhindert ist, weil tot, äh, krank. Also weil todkrank…“ Mist, der Versuch sich rauszureden war gründlich daneben gegangen. „Weil Tot?“ entfuhr es dem Kuhhirten ungläubig. „Todkrank.“ Noch einmal versuchte sie ihn von der richtigen Fährte abzubringen, auf die sie ihn selbst geführt hatte, doch seine Miene verriet ihr, dass er das ganz sicher nicht glaubte. „Saber, ich hab da ein Problem“, rief sie hilflos nach dem Recken. „Das glaub ich dir nicht, Chily.“ Colts anfängliche Fassungslosigkeit schlug allmählich in Wut um. Er baute sich vor ihr auf und machte so deutlich, dass er keine Ausflüchte wie ihr unsicheres „Ich vermute ja auch nur“ mehr duldete. Saber hatte sie gehört und trat mit einem unangenehmen Verdacht zu den beiden. Ruhig und scheinbar ahnungslos schaltete er sich in das Gespräch ein. „Was habt ihr beide?“ – „Wieso kommt Tim Dooley nicht zu meiner Hochzeit?“ platzte Colt prompt heraus. Damit hatte der Recke seinen Vorahnung bestätigt bekommen. Vorwurfsvoll hob er die Braue und schenkte Chily einen strafenden Blick. „Du hast es ihm gesagt?“ Der war das höllisch unangenehm. Sie rutschte auf dem Hocker herum und wand sich bei der Antwort wie ein Aal. „Na ja irgendwie schon ... aus Versehen ... ein bisschen...“ Am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst. „Dann ist es wahr?! Dooley ist tot?“ Colt maß die beiden mit finsterem Blick. Saber blieb nüchtern während Chily schuldbewusst aus der Wäsche guckte. „Colt, es tut mir leid.“ Betreten wollte sie ihm die Hand auf die Schulter legen, doch der wischte sie heftig fort „Und du weißt es seit wann?“ fragte er düster. „Seit zwei Wochen“, gestand seine Jugendfreundin ganz kleinlaut. Saber rollte die Augen und knurrte sie leise und unwirsch an: „Gut gemacht, Chily.“ Der Scharfschützte starrte ihn entgeistert an. „DU auch?“ Das musste ein Scherz sein. Ein ganz mieser Witz. Niemals würden die beiden vor ihm … Doch sie würden. Und sie hatten. Denn Saber nickte seufzend. Rausreden brachte da doch nichts mehr. Geknickt rechtfertigte Chily das Schweigen bezüglich Dooleys. „Wir wollten nur nicht, dass du dich aufregst.“ – „Wie, wo, wann, warum? Und weshalb wisst ausgerechnet ihr beide davon?“ Colt versuchte sich zu beherrschen. „Dooley war der ominöse Anrufer“, gab sie zu. Saber legte ihr die Hand auf den Mund. „Hör auf jetzt“, mahnte er und überlegte rasch, ob er das ganze wieder unter Kontrolle bringen konnte. Schon schoss Colt die nächste Frage ab. „Und was zum Geier hat das ganze mit dir zu tun, Saber?“ Okay, dass würde gleich ausufern, denn „Das ist top secret“, musste er zwangsläufig antworten, da es nun mal den Fakten entsprach. Augenblicklich rastete der Cowboy aus und schrie. „Top Secret? Hast du irgendwas an der Waffel?“ Bevor er Saber an die Kehle gehen konnte, schob Chily sich zwischen die Beiden. „Bullet, bitte, hör mir doch mal zu…“ versuchte sie ihn zu beruhigen, doch er schnitt ihr das Wort ab. „Wenn du mal was erzählen würdest. Verdammt, ausgerechnet ihr beide, “ fluchte er. Inzwischen waren auch Fireball, April und Robin auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden. So richtig hatten sie nur nicht mitbekommen, worum es sich dabei drehte. Aber Colt stand offensichtlich kurz vor einer ernsthaften Explosion. Also entschied Fireball sich einzumischen. „Was ist hier los? Was ist denn in dich gefahren, Colt?“ Der Gefragte knurrte wütend zurück: „Die Frage ist eher, was mir in den Rücken gefallen ist? Oder wer?“ Dabei warf er einen finsteren Blick auf Saber und Chily. „Das ist nicht fair. Niemand ist dir in den Rücken gefallen, Colt. Bitte, Kumpel, hör auf, “ wollte der Recke ihn beruhigen, aber der Cowboy hatte kein Ohr dafür. „Aufhören? Ich hab noch nicht mal angefangen. Und nicht anders als jemanden in den Rücken zu fallen würde ich das nennen. Was habt ihr euch dabei gedacht? Falls ihr gedacht habt, “ brüllte er ungehalten. Etwas ratlos schielte der Blonde auf Chily. Was sollte er darauf antworten? „Wir“, setzte er an, ehe er sich entschied die Schuld auf sich zu nehmen. „Ich... Das hättest du nicht verkraftet, Colt, “ verteidigte er sich dann. Chily unterstützte ihn. „So wie du dich grade aufregst“, erklärte sie und nahm ihren Teil der Schuld auf sich zurück. Das hatten sie beide verbockt und dafür würden sie beide grade stehen. „Das wollten wir dir nicht antun. Wir wissen doch, was Dooley für dich bedeutet, “ ergänzte sie dann so beschwichtigend wie sie konnte. Ihre Stimme zitterte leicht dabei. Colt konnte unter diesen Umständen nur schwer auf sie böse sein, deshalb knöpfte er sich seinen ehemaligen Vorgesetzten vor. „Und du dachtest, dass es so besser ist? Himmel, Arsch und Zwirn! Er kommt nicht zu meiner Hochzeit, “ keifte er. „Er kommt nie wieder!“ Dabei hatte er den Recken am Kragen gepackt. Der wehrte sich nicht sondern schwieg nur betroffen. Wieder drängte sich Chily zwischen die beiden und löste Colts Hand von Sabers Hemdkragen. „Bullet bitte. Das Geschrei bringt doch nichts.“ Hilflos schaute sie zu den drei Beobachtern. Fireball schob sie und Saber von dem Tobenden zurück. Robin und April hielten Colt. Egal wie sehr er in Rage war, den Unterschied zwischen einer Frau und einem Mann kannte er dennoch und würde niemals die Hand gegen eine erheben. „Worum auch immer es geht, kann man das nicht morgen früh klären?“ fragte der Rennfahrer um den Streit zu beenden. „Morgen früh? Wir können das auch gleich klären, denn es ändert nichts daran, dass ich hier grad zwei Verräter vor mir hab, “ bellte Colt. Jetzt versuchte die Lehrerin ihn zu besänftigen. „Colt, hör auf. Du bist wütend und verletzt, das verstehe ich. Aber was du gerade sagst, ist nicht wahr.“ Sie nahm behutsam seine Hand. „Komm mit mir, Schatz. Schlaf darüber, morgen sieht alles ganz anders aus.“ Energisch machte der sich von ihr los und kam drohend auf die beiden Verräter zu. „Was sollte ich denn noch wissen?“ grollte er. Chily suchte erschrocken hinter Sabers Rücken Schutz. Colts Zorn hatte sich noch nie gegen sie gerichtet und dass es nun der Fall war, machte ihr Angst. Der Recke baute sich schützend vor ihr auf, streifte Fireballs Hand von seinem Oberarm und blickte dem Cowboy ruhig in die Augen. „Morgen, Colt, morgen“, erklärte er bestimmt. Es war einfach das vernünftigste. „Jetzt, Saber, jetzt. Ich hab nämlich keinen Bock darauf, noch länger was vorgemacht zu bekommen, “ schrie der zurück und Fireball verstellte ihm rasch den Weg, ehe der Kuhhirte sich auf den Blonden stürzen konnte. „Keiner macht dir was vor. Aber es macht keinen Sinn, jetzt darüber zu reden, “ meinte Saber. Er hatte den Japaner auf seiner Seite. Nach drei Versuchen den Schotten anzugreifen, war es höchste Zeit Colt hier weg zu bringen. Darum legte der Rennfahrer dem Rasenden die Hände auf die Schultern und schob ihn in Richtung Tür. „So sieht es wohl aus. Gehen wir, Colt.“ Über die Schulter warf er Saber noch einen Blick zu. „Du solltest lieber hier bleiben“, schlug er vor. „Irgendwas sagt mir, dass er Mordgelüste hegt.“ Damit hatte er sehr wahrscheinlich sogar Recht. „Die hatte jemand anderer auch“, murmelte der Angesprochene vor sich hin. „Schlaft gut“, sagte er dann laut. „Und passt auf Colt auf, ja?“ Der Rennfahrer schleifte Colt unablässig aus dem Haus. „Machen wir. Gute Nacht.“ Von dem Streit ziemlich aufgewühlt folgten April und Robin den beiden. „Pass auf ihn auf, Robin. Denk an das, was ich dir gesagt hab, “ rief Chily ihnen nach. Die Lehrerin nickte nur. „Ich sollte meine Beerdigung vorbereiten“, stellte Saber trocken fest, als die Vier gegangen waren. So wütend hatte Colt noch niemand gesehen, schon gar nicht Robin. Er fegte alles vom Tisch, was darauf stand und wetterte die Heiligen vom Himmel rauf und runter. Er tigerte durch das Zimmer und war nicht mehr zu beruhigen. Wieso hatten sie ihm das verschwiegen? Wieso? Ausgerechnet Saber und Chily? „Top Secret“, schnaubte er wütend. Er wusste nicht, wer von beiden ihn mehr enttäuscht hatte, von wem er sich mehr verraten fühlte. Sie hatten ihm beide nicht die Wahrheit gesagt. „Wir wollten nicht, dass du dich aufregst“, hatte Chily gesagt. Wie konnte er denn ruhig bleiben angesichts einer so ungeheuerlichen Lüge. Colt stützte sich auf die Tischplatte, vor Zorn bebend. Warum nur hatten sie das getan? Er fühlte Robins Hand auf seiner Schulter. Sanft, fast scheu war ihre Berührung. „Beruhige dich, Colt. Es wird nicht besser, wenn du so in Rage bist, “ mahnte sie eindringlich. Das Beben in ihm verebbte, aber nicht der Zorn. Das Funkeln in seinen Augen beunruhigte sie. Sanft schmiegte sie sich an ihn. „Bitte Colt, lass uns schlafen gehen“, murmelte sie. Sie musste ihn irgendwie zur Räson bringen, aber da sie ihn so nie erlebt hatte, wusste sie nicht so recht wie. Saber stand noch an der Eingangstür und starrte zur Einfahrt, durch die der tobende Colt von Fireball geschleift worden war. Der Cowboy hatte sich nicht einmal von Robin beruhigen lassen und Chily hatte das nicht gewagt. Sie hatte sich vor der Wut des Kuhhirten hinter Sabers Rücken in Sicherheit gebracht und stand auch jetzt noch hinter ihm. „Das war keine tolle Leistung von uns“, stellte sie leise fest. Der Recke seufzte unterdrückt. Was war wohl schlimmer? Mit dem rasenden Freund unter einem Dach zu wohnen, oder mit dessen bester Freundin, bei der er nur schwer einschätzen konnte, was er von ihr zu halten hatte. Erst las sie in seinem Kopf, als wäre es ihr eigner, und dann wieder zog sie sich merklich zurück und schenkte ihm scheinbar überhaupt keine Beachtung mehr. Wie bei einem Jo-Jo. Sabers Nacken begann zu prickeln. Sicher berührte sie ihn gleich. Er fuhr herum und sah sie an. Tatsächlich hatte sie ihre Hand nach seiner Schulter ausgestreckt. Nun hielt sie in der Bewegung inne und ließ dann den Arm wieder sinken. „Es tut mir leid“, murmelte sie betreten. „Jetzt ist es zu spät“, bemerkte er nüchtern. Sie brauchte sich nicht zu entschuldigen, weil sie sich verplappert hatte. Die Bombe war geplatzt und mit ihr Colt. „Dir geht es doch genauso wenig gut dabei, wie mir“, entgegnete sie. „Also tu nicht so als ob.“ Der Vorwurf in ihrem Blick unterstrich das Gesagte. Saber wirkte ruhig und gefasst, auch wenn sein Herz aufgebracht war und raste. Er war eben mit Colt an einander geraten. Das war an sich nichts Neues, weil es auch schon auf Ramrod vorgekommen war, aber nie so heftig wie eben. Saber konnte seine Entscheidung weder vor dem Scharfschützen, noch vor dessen bester Freundin oder sich selbst länger rechtfertigen. Das was der Kuhhirte ihm an den Kopf geworfen hatte, war eben so berechtigt wie schmerzhaft. Jetzt musterte Chily ihn auch noch. Das war zu viel. Saber wand sich ab und ging ins Haus. Sie folgte ihm. „Lass mich in Ruhe“, fauchte er. Sie sollte nicht wieder in seinen Kopf. Sie sollte sich von seinem Herzen fern halten. Er wollte sich nicht wieder wie ein kleiner Junge benehmen und vor ihr weglaufen. Abrupt blieb er stehen. Aber genau das tat er doch eben. „Gib wenigstens zu, dass es dir jetzt genauso beschissen geht wie mir“, hörte er sie sagen. „Wozu?“ fragte er zurück. Sie tat ja so, als wäre ihm dann geholfen. „Sag es“, beharrte sie. „Ich weiß es doch.“ – „Wenn du es weißt, warum soll ich es dann noch aussprechen?“ Saber wand ihr noch immer den Rücken zu. „Was ist so schlimm daran, wenn du es tust?“ bohrte sie. „Was wird besser, wenn ich es tue. Gar nichts, “ antwortete er und ging zur Hausbar, wo sein Scotch noch auf der Theke stand. Er nahm das Glas und trank es in einem Zug leer. Als er es absetzte, spürte er, wie zwei Hände sich behutsam auf seine Schultern legten. Schon wollte er herumfahren, da glitten diese Hände massierend über seine Schultern. Saber konnte sich nicht mehr bewegen. Vor ihm war der Tresen, hinter ihm Chily. Er hätte sie umrennen müssen, wenn er hier weg wollte. Erschwerend kam hinzu, dass seine Füße ihm nicht gehorchen wollten und wie angewachsen am Boden blieben. Das Schlimmste jedoch war, dass sein Herz meinte, diese Liebkosung sei eine Wohltat und ganz weich und empfänglich wurde. Irgendwie schaffte er es, sich zu ihr herumzudrehen. Ihre Augen ruhten besorgt auf ihm, und liebevoll. Er umgriff ihre Schultern und wollte sie zur Seite schieben, doch da sie ihn so ansah, konnte er es nicht. Stattdessen näherte er sich ihrem Gesicht, ihren weichen, rosigen Lippen. Chily schloss die Augen und reckte ihm leicht ihr Kinn entgegen. Schon konnte sie seinen Atem spüren. Aber dann schob er sie doch zur Seite. Sein Verstand hatte Saber gewarnt. Frauen rissen einem das Herz aus der Brust und sie war eine. Er verließ den Raum. Schnell. Viel zu schnell. Als wäre er auf der Flucht. Er hatte die Treppe zum oberen Stock erreicht, da rief sie ihm nach: „Was an dem, was du dir wünschst, ist so furchteinflößend?“ Er blieb stehen, die Hand auf dem Treppenpfeiler. „Das böse Erwachen danach“, gab er knapp zurück. „Ach, du schläfst?“ stichelte sie ihn. „Stell dir vor! Und manchmal träume ich sogar, “ murmelte er mit gesenktem Kopf. Sie lief zu ihm und berührte ihn an der Schulter. „Und was bitte ist so falsch daran?“ wollte sie dann sanft wissen. „Träume zerplatzen.“ Saber schüttelte ihre Hand ab und wand sich zu ihr um. „Sie sind weder real noch hilfreich“, erwiderte er fest. Sie sah ihn mit großen Augen an. „Du kannst nicht loslassen. Du kannst dich vom Vergangenen nicht lösen. Kein Wunder bist du für Neues nicht offen, “ erkannte sie plötzlich. „Wovon kann ich mich nicht lösen? Wie meinst du das?“ Saber runzelte die Stirn. War sie schon wieder in seinem Kopf? „Von dem, was zwischen dir und deiner Ex-Nuss war. Denn könntest du endlich aufhören darüber nachzudenken, würdest du verstehen, dass wir Frauen nicht alle so sind wie sie, “ antwortete Chily ruhig. „Ich weiß, dass ihr Frauen nicht alle so seid. Aber es geht dich nichts an, was zwischen Sincia und mir war!“ entgegnete er heftig. Die Erinnerung daran schmerzte noch immer, ganz gleich, wie gern er es vergessen wollte. „Ich hab nicht danach gefragt, was zwischen euch war. Ich sage, dass du es endlich vergessen sollst. Vielleicht kannst du mich dann endlich mal normal behandeln und nicht so, als wäre es meine Schuld, “ warf Chily zurück. „Was bildest du dir ein?“ Fassungslos starrte er sie an. Wie sie auf die Idee kam, konnte er nicht sich nicht erklären. „Glaubst du, dass man alles so einfach vergessen kann? Es ist einfach nicht deine Sache, weshalb ich nicht vergesse und weshalb ich so bin. Würdest du dich benehmen, wie man es von einer Frau erwarten kann, würdest du nicht glauben, alles wäre deine Schuld, “ versetzte er. Da Frauen ja gern mit Männern spielten, konnte es natürlich nicht sein, dass sie so fühlte, weil sie tiefere Gefühle für ihn hegte. „Ich kann dir nicht mal die Hand auf die Schulter legen, ohne das du sie abschüttelst, als hätte ich eine ansteckende Krankheit“, begründete sie ihr gesagtes und fragte dann nach: „Oder findest du mich so abstoßend?“ – „Das hat mit abstoßend nichts zu tun“, antwortete der Recke sachlich. „Du dringst in meine Privatsphäre ein.“ Chily schüttelte ungestüm den Kopf. „Das ist nicht schwer, wenn es so offensichtlich ist“, wehrte sie den Vorwurf ab. „Deine Privatsphäre kann man ja gar nicht um gehen, sie liegt einem mitten im Weg. Ich muss ja zwangsläufig drüber gehen, wenn ich in deiner Nähe bin.“ Er war schon aufgewühlt genug, als das es ihm leicht fiel ruhig zu bleiben. „Das ist nicht wahr“, begehrte er nun auf. „Niemand sonst dringt dauernd darin ein, niemand sonst.“ Sofort schnappte sie zurück. „Bin ich etwa wie die anderen?“ Er wand sich ab und stieg die erste Stufe empor. „Das nicht, aber du könntest dich zumindest anpassen versuchen, “ brummte er zurück. Das reichte Chily. Warum wehrte er sich so entschieden gegen sie? „Das wär auch Blödsinn, wenn du dich ändern würdest – das waren deine Worte. Warum soll ich mich jetzt auf einmal anpassen? Bloß weil du Angst davor hast, dass dich eine Frau lieben kann wie du bist, ohne dir das Herz zu brechen?“ rief sie trotzig und traf mitten ins Schwarze. „Du tust ja gerade so, als könntest du das. Als könntest du mich lieben wie ich bin. Das glaubst du doch wohl selber nicht.“ Erneut fuhr er herum. Wollte sie ihn ernsthaft für so dumm verkaufen? „Aber ich tu es doch“, antwortete sie schlicht und sah ihm in die Augen. „Haha“, kam es gekränkt von ihm zurück. „Und jetzt die Wahrheit.“ Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet und es verletzte ihn, dass sie es so überzeugt behauptete, wo sie ihn doch die ganze Zeit über wie ein Jo-Jo behandelte. „Dass ich nicht lügen kann, hast du wohl gemerkt, sonst hätte ich mich nicht so bei Colt verquatscht“, begehrte sie leidenschaftlich auf. „Wenn du mir egal wärst, würde ich auch nicht ständig das Gefühl haben“ Sie seufzte kurz und gestand: „dass ich ausbaden muss, dass deine Sincia offenbar ein Miststück ist.“ Schließlich hatte sie dieses Gefühl immer, wenn sie sich diesem Thema genähert hatten. Das war genug für Saber. Er schüttelte verstimmt den Kopf und schritt die Treppe hinauf. „Um etwas ausbaden zu müssen, müssten wir schon mehr sein, als zwei Bekannte“, meinte er leise. „Du glaubst, es würde mir helfen, wenn du mich dauernd darauf stößt, dass es andere Frauen als Sincia gibt. Aber die Wahrheit ist…“ Er blieb kurz stehen. Sie folgte ihm die Stufen hinauf. „Die Wahrheit ist, dass du es nur noch schlimmer machst!“ Er drehte sich zu ihr um und sah sie niedergedrückt an. Das hatte er so gemeint, wie er es gesagt hatte. Chily fuhr an die Wand zurück und schluckte überrascht. Sie hatte nicht gewollt, dass er diesen Eindruck bekam. „Und was erwartest du von mir, dass ich tun soll?“ wollte sie leise wissen. Verlegen wand er die Augen ab. „Ach, was weiß ich.“ Schon wollte er weiter gehen, aber sie hielt ihn an der Hand zurück und sah ihm fest in die Augen. „Du solltest es wissen und vor allem mir sagen. Es macht mir nämlich keinen Spaß, dir weh zu tun. Also, was soll ich tun?“ Sie blickte ihn aufrichtig an. Rasch löste er sich aus ihrem Griff und ging drei Stufen weiter um Abstand zu gewinnen. „Du tust es schon wieder! Spiel nicht mit mir, so wie du es die ganze Zeit über schon tust, “ verlangte er ruhig. „Ich spiele nicht, “ betonte sie energisch. „Warum sollte ich das?“ Das ergab für sie keinen Sinn, warum man mit den Gefühlen eines Menschen spielen sollte. Wieso warf er ihr solchen Unsinn vor? „Du tust es aber. Du setzt dich über Grenzen hinweg, die du nicht überschreiten solltest. So wie vor zwei Wochen, als du dich auf meinen Schoß gesetzt und mich geküsst hast. Nur um mich zu quälen, Chily. Denn nichts anderes tust du damit, “ erklärte er ihr dann. Jetzt stiegen ihr Tränen in die Augen. Ja, dass hatte sie getan. Aber nur, um ihm nahe zu kommen und die Mauer um sein Herz einzureißen. Als sie gesehen hatte, wie sehr es ihn überfordert hatte, hatte sie sich zurück gezogen und ihn in Ruhe gelassen. „Tut mir leid, dass du das so siehst“, murmelte sie und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. „Tut mir leid, dass ich dich gern im Haus hab und vor Aufregung nicht schlafen kann, weil du nebenan liegst. Tut mir leid, dass ich es genieße mit dir in einem Raum zu sein und zu hören, was du erzählst. Tut mir leid, dass es nichts Schöneres für mich gibt, als dir nahe zu sein. Aber so ist es nun mal. Egal, wie sehr du dir was anderes wünschst.“ Sie schluckte hart und wollte nun ihrerseits rasch von ihm weg. Doch dazu musste sie über die Treppe und an ihm vorbei. So weit kam sie gar nicht. Saber verstellte ihr den Weg und hielt sie an den Armen fest. „Meinst du das ernst?“ Ihre Geständnis und ihre Tränen hatten ihn aus der Bahn geworfen. Konnte es sein, dass er ihr Verhalten falsch gedeutet hatte? „Natürlich“, rief sie leidenschaftlich. „Aber das glaubst du mir ja doch nicht“, fügte sie unglücklich flüsternd hinzu und streifte seine Hände von ihren Armen. Wenn er so schlecht von ihr dachte, wie sollte sie da seine Berührung ertragen? „Warum kannst du das nicht gleich sagen, Chily? Warum nur lässt du mich in dem Glauben, dass du mit mir Achterbahn fahren willst?“ fragte er ernst. „Nein, dass hast du da rein interpretiert. Ich hab nur nach der Sache am Fluss versucht dir nicht mehr so nah zu kommen, weil du gesagt hast, dass du es nicht willst, “ rechtfertigte sie sich schwach. „Du liest doch sonst dauernd in meinen Gedanken. Ist da nicht irgendwo in Großbuchstaben und Leuchtfarben gestanden, wie ich mich fühle?“ Er schaute sie fragend an. „Du meinst an der Mauer um dein Herz, die so hoch ist, dass sie an den Turmbau zu Babel erinnert?“ hakte sie nach. „ Zum Beispiel, ja“, nickte er. „Genau dann hab ich mich zurückgezogen, wenn ich sie berührt hatte. Ich weiß, warum du die errichtet hast und ich wollte dir nicht das Gefühl geben, ich sei der Feind. War wohl kein so taktischer Rückzug, “ flüsterte sie kleinlaut. „Dann weißt du sicherlich auch, dass sie nicht unüberwindbar ist?“ Saber griff erneut nach ihrer Hand. „Für mich wohl doch, “ gab sie bekümmert zurück. Dass er den Druck seiner Hand ein wenig verstärkte, bestätigte ihre Befürchtung. „Es tut mir leid, Chily“, sagte er dann. Sie nickte verstehen. Offensichtlich hatte sie keine Chance bei ihm. So zumindest verstand sie das Ganze. Tapfer schluckte sie die Tränen hinunter und schob sich an ihm vorbei. Er ließ jedoch ihre Hand nicht los. „Bitte geh nicht“, hörte sie ihn raunen. Chily hielt in der Bewegung inne. „Bist du sicher, dass ich bleiben soll?“ Er nickte. „Warum auf einmal?“ Hatte sie etwas falsch verstanden? „Deine Gegenwart tut gut, deshalb“, gestand er nun leise. Einen Moment schwieg sie perplex, bis sie begriff, dass sie eben doch zu ihm durchdringen konnte. Zaghaft strich sie ihm von der Hand zur Schulter rauf. „Tut das auch noch gut?“ fragte sie. Er fuhr leicht zurück, aber schüttelte diesmal nicht ihre Hand ab. „Fühlt sich seltsam an“, erwiderte er. „Ungewohnt?“ Chilys Finger glitten zurück zur Hand. Er nickte atemlos. Ein wohliger Schauer breitete sich über seinen Körper aus. „Und jetzt? Immer noch?“ Sie wiederholte die Geste. „Es ist lange her, dass...“ Saber konnte ihr kaum ins Gesicht schauen. So angenehm, so neu. Sich völlig darauf einzulassen fiel ihm schwer. „Ich weiß. Für mich auch. Aber ich mag es.“ Sie liebkoste ihn gern. Sie hätte gern weiter gemacht, doch da er leicht angespannt wirkte, ließ sie ihre Hand auf seiner Schulter ruhen. Das machte den Blonden offener und gesprächig. „Ich hab mich verraten und verkauft gefühlt“, murmelte er bedrückt vor sich hin. Chily verstand ihn. Sie wusste, dass er von Sincia sprach und von dem, was geschehen war. Mit einem schlichten „Hm“ machte Colts Jugendfreundin deutlich, dass sie ihm zu hörte und er frei sprechen konnte. „Ich hab ihr mein Innerstes offenbart, aber sie hat mir nur was vorgemacht.“ fuhr Saber fort. Chily nahm seine andere Hand und beobachtete ihn genau. „Sincia hat mich nie geliebt.“ Chilys Hand glitt zu seiner anderen Schulter hinauf. „Sie hat nicht auf meine Anrufe, meine Briefe reagiert. Als ich sie besuchte, hat“ Saber schluckte schwer. „ein anderer die Tür geöffnet.“ Chily kam ein wenig auf ihn zu. Ihre Hände ruhten sanft und leicht auf ihm. „Seither“, wisperte er. „Jede Berührung schmerzt…“ – „Oh.“ Sofort ließ Chily von ihm ab. Das wollte sie nicht. Schüchtern lächelte er sie an. „Es wird langsam besser“, meinte er. Erleichtert erwiderte sie sein Lächeln. „Alles wäre soviel einfacher, wenn uns zwischen dem was wir meinen und dem was wir sagen, nicht die Worte in die Quere kämen“, meinte sie darauf. „Einfach wär doch langweilig“, entgegnete er. Sie legte ihm wieder die Arme auf die Schultern. „Ja, das ist wahr“, nickte sie schlicht und trat noch ein wenig näher an ihn. Vorsichtig, um auszutesten, wo seine Grenzen waren, bevor sie sie mal wieder überschritt. „Äh, auch was zu trinken? Lass uns in die Küche rübergehen, ja?“ schlug er vor und deutete auf den Raum. Ah, bis dahin also. „Okay, ist ja noch genug zu trinken da.“ Damit wand sie sich ab und ging zwei Stufen runter. Langsam und nicht gekränkt. „Eben, das Zeug soll ja nicht schlecht werden. Wär doch zu schade.“ Saber folgte ihr. „Und was zu futtern ist auch noch übrig.“ Chily lief jetzt die Treppe schneller runter. Es war noch Mousse au Chocolat da, fiel ihr ein. Saber strich sich leicht über den Bauch. „Ich sehe schon. Wenn mein Urlaub hier vorbei ist, hab ich zwei Kilo mehr auf den Rippen, bei der Verpflegung, “ grinste er. „Nach dem, was du hier schon gearbeitet hast, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und wenn, was sind zwei Kilo? Zwanzig wären schlimmer, “ gab sie munter über die Schulter zurück. „Na, wenigstens muss sich meine Mutter dann keine Sorgen machen, dass ich verhungere.“ Damit trat der Recke zu ihr an den Esstisch. Sie hielt ihm einen Löffel des Nachtischs hin. „Magst du?“ Er wiegte den Kopf. „Bin ja eigentlich nicht so die Naschkatze.“ Spitzbübisch grinste sie „Ich werd dich nicht zwingen. Bleibt mehr für mich, “ und wollte sich den Löffel in den Mund schieben, aber der Recke drehte ihn rasch so, dass er auf seinen Mund zeigte. „Kosten kann ich ja mal, “ meinte er. „Bedien dich, “ kicherte sie. „Mhm, gar nicht mal so schlecht, “ befand er, nachdem er probiert hatte. „Sag ich doch. Ich weiß eben, was gut ist. Aber du ...“ Sie deutete auf seine Lippe. Er schaute sie verwundert an. „Du hast da noch was am Mund. Bist schon lange nicht mehr gefüttert worden, hm?“ grinste sie. „Seit etwas über zwanzig Jahren nicht mehr, “ stimmte er lächelnd zu. Langsam begann er sich in ihrer Nähe wohl zu fühlen, ohne das lästige Bedenken aufkamen. Seine Laune stieg rapid. Als sie jetzt ein wenig näher rückte, sträubte sich kein Zweifel in ihm dagegen. „Warte, ich mach es weg.“ Vorsichtig berührte sie seinen Mund mit dem Finger und wischte den Klecks Schokomousse weg. Er griff nach ihrer Hand und berührte sacht die Finger mit seinen Lippen. „Danke“, murmelte er und verursachte ihr einen Gänsehaut am ganzen Körper. „Gern geschehen, “ wisperte sie zurück und mahnte sich gedanklich „Weiter atmen“. „Willst du auch was von der Mousse?“ Nun hielt Saber ihr ebenfalls einen Löffel voll vor den Mund. „Immer. Dafür würde ich alles tun, “ verriet sie und ließ sich füttern. „Das lass mal keinen hören, dass du so leicht zu bestechen bist, “ lachte er. „Na, aber auch nicht von jedem.“ Sie schluckte den Nachtisch. „Außerdem ist es nicht meine Schuld, dass das so lecker ist“, rechtfertigte sie sich. „Jaja, der Koch ist Schuld, schon klar“, neckte er sie. Zu erst nickte sie überzeugt „Ja, genau“ dann wiegte sie grüblerisch den Kopf. „Oder liegt es an dem, der mich füttert?“ Der hob unschuldig die Schultern. Chily tauchte den Löffel leicht in die Mousse. „Du hast da noch was“, meinte sie grinsend. „Ach ehrlich? Wo denn?“ fragte er ungläubig. „Da.“ Sie tupfte ihm etwas von der Schokolade auf die Oberlippe. Er lächelte leicht. „Zu ärgerlich aber auch. Kannst du das bitte wegmachen?“ Damit näherte er sich ihr noch ein wenig. Sie grinste keck. „Gern“, und küsste ihm behutsam die Mousse weg. Hoffentlich war sie gerade nicht zu weit gegangen, aber schon zog Saber sie in die Arme und erwiderte den Kuss. „Danke“, murmelte er. Erleichtert schlang sie ihrerseits die Arme um ihn. „Jeder Zeit wieder, “ flüsterte sie und strich ihm zärtlich über den Rücken. Nein, dass sie sich mal so nah kommen würden, hatte sie schon nicht mehr geglaubt. Er hielt sie noch ein Weilchen im Arm. „Ich werd in Zukunft nur noch Süßes essen“, hörte sie ihn sagen. „Weil es dir schmeckt, oder weil du hoffst, dass es darauf hinaus läuft?“ fragte sie. „Letzteres.“ Saber drehte ihr Gesicht sanft zu sich und hauchte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. Es tat ihm wirklich gut, sie so zu halten. „Dafür musst du deine Figur nicht ruinieren. Das kannst du auch so bekommen, “ gab sie schelmisch zurück und glitt mit den Händen an seiner Taille vorbei und über seine Brust. „Da hat meine Figur aber noch mal Glück gehabt, “ stellte er fest. Chily hatte ihn genau beobachtet und hielt in der Bewegung ihrer Hände inne. Die Grenze schien erreicht. Er nahm ihre Hände von seiner Brust und strich ihr noch kurz über die Arme. „Das nenn ich mal einen Mitternachtsimbiss. Jetzt noch einen Drink und ich bin glücklich.“ Sie senkte kurz den Blick. Sie hätte ihm gern noch ein paar Streicheleinheiten mehr geschenkt. Dann hob sie sah sie ihn wieder an und fragte leicht. „Noch einen Scotch.“ – „Hast du sowas noch im Haus?“ – „Klar, reichlich. Ich liebe das Zeug.“ Sie trat einen Schritt von ihm zurück und ging zur Hausbar. „Was du nicht alles liebst“, schmunzelte er und zählte auf. „Mousse, Scotch...“ Sie ergänzte: „Dich.“ Er folgte ihr und blieb vor der Theke stehen während sie dahinter verschwand und nach zwei Gläsern und der Flasche suchte. Aber jetzt sah sie ihn nicht mehr an und hielt den Kopf gesenkt. „Chily?“ Sie sah ihn an. „Bedrückt dich was?“ fragte er, weil sie genauso wirkte, als hätte sie etwas auf dem Herzen. „Ähm ... ja, “ gestand sie. „Ich wollte dich eigentlich noch um was bitten, aber ich fürchte, dass ist dir zu viel auf einmal.“ Sie platzierte zwei Gläser auf dem Tresen und goss das Getränk ein. „Worum möchtest du mich bitten?“ Sie räusperte sich verlegen. „Na ja ... das ganze heute Abend war ... äh ... bescheiden. Also, der Streit mit Colt, mein ich ... und es ist heiß wie in der Hölle ... und du bleibst über Nacht ... Das alles sind so Dinge, die mir so ganz unwesentlich das Schlafen schwer machen ... ich dachte ... also ... ich wollte,“ Ihre Stammelei machte deutlich, wie schwer es ihr fiel diese Bitte auszusprechen. „Das kann ich verstehen, mich belastet das auch ein wenig“, gab Saber zu. Was immer sie auf dem Herzen hatte, würde ihm nicht ganz so leicht fallen ihr zu erfüllen. „Vielleicht... ich meine...“ Jetzt bekam Chily auch noch einen roten Kopf dazu und er ahnte, worauf das alles hinauslaufen würde. „Ich hab gehört, ein heißes Bad soll Wunder wirken.“ Verlegen starrte er in sein Glas. Sie nickte und räusperte sich wieder. „Früher hab ich dann immer bei meine Eltern im Bett geschlafen, dass hat auch immer gut getan, “ winkte sie mit dem Zaunpfahl und es war deutlich genug. Aber irgendwie sträubte er sich noch ein wenig gegen so viel Nähe. „Geht mittlerweile ja schlecht“, räumte er ein und machte einen Gegenvorschlag. „Vielleicht ein kleiner Spaziergang?“ Sie blickt ihn scheu an und lächelte, noch immer verlegen. „Gern, das wird wohl auch schon helfen“, meinte sie dann. Sie war nicht beleidigt oder verletzt. Mit solch einer Antwort hatte sie schon gerechnet. „Die Nachtluft bringt klare Gedanken“, entgegnete er. Er war in den vergangenen Monaten öfter allein spazieren gegangen. Am liebsten nachts, weil er dann an besten verdrängen konnte, dass er allein gehen musste und der Anblick verliebter Pärchen ihn nicht noch zusätzlich quälen konnte. „Einverstanden.“ Chily kam hinter der Bar vor und reichte ihm etwas unbeholfen die Hand. Er nahm sie und führte sie nach draußen. Die Nachtluft war warm, aber der leichte Wind wirkte angenehm beruhigend. Im Haus dagegen stand die Hitze des Tages. Chily genoss es, mit Saber spazieren zu gehen, auch wenn er jetzt recht schweigsam war und seinen Gedanken nachhing. Sie wollte ihn darin nicht stören. Immerhin war sie ihm endlich näher gekommen. Dem Recken tat dieser nächtliche Spaziergang gut, auch wenn die Gefühle in ihm och ungewohnt waren und es ihm schwer war, sich darauf einzulassen. Nachdem Sincia ihn so verletzt hatte, war er Frauen gegenüber sehr vorsichtig geworden. Aber er hatte auch erkannt, dass Chily anders war. Vielleicht war sie spontan, unberechenbar und emotional, aber sie war echt. Ihre Gefühle und das was sie sagte – sie meinte es so und würde weder etwas tun, noch etwas aussprechen, ohne davon überzeugt zu sein. Ihre Art war sicher gewöhnungsbedürftig, aber herzlich und aufrichtig. Als sie zurückgekehrt waren und Chily ihm ein Gästezimmer hergerichtet hatte, während er sich wusch, wartete er in dessen Türrahmen, bis sie ebenfalls das Bad verließ. Dass sie Panties und ein leichtes Top trug, erleichterte ihm seine Entscheidung. Er streckte die Hand nach ihr aus. Verwundert griff sie danach und noch verwunderter folgte sie ihm in sein Zimmer. „Zeit zu schlafen“, meinte er und schob sie sanft zum Bett. Dann umrundete er es und schlüpfte auf der anderen Seite unter die Decke. Sie verstand sofort und kroch ihrerseits auf die Schlafstatt, hütete sich aber davor, sich an ihn zu schmiegen. Auch wenn sie das gern getan hätte. Sie war froh, dass er überhaupt zuließ, dass sie bei ihm schlief. So segelte sie schnell ins Reich der Träume. Der Recke tat sich etwas schwerer. Sie lag hier neben ihm. Auch wenn sie sich beherrschte, seine Zurückhaltung respektierte und auf ihrer Seite blieb – sie lag neben ihm. Wie lange war das her, dass eine Frau an seiner Seite ruhte. Lange. Er drehte sich auf die Seite, so dass er sie betrachten konnte. Sie war so rasch eingeschlafen. Er musste schmunzeln. Langsam tat es ihm gut, breitete sich ein angenehmes Gefühl in ihm aus. Er schloss die Augen. Das Gefühl blieb und beruhigte ihn. Er atmete ein paar Mal tief ein, sog ihre Gegenwart auf und folgte ihr dann ins Reich der Träume. Wie Robin es geschafft hatte, Colt weit nach Mitternacht ins Bett zu bekommen, wusste sie nicht so recht. Sie hatte sehr unruhig geschlafen, denn nicht nur Colts Wutanfall hatte sie in Aufregung versetzt, sondern auch, was er vor dem Einschlafen gesagt hatte. „Ich liebe dich mehr, als alles auf der Welt.“ Im ersten Moment hatte sie sich erleichtert an ihn geschmiegt, dann hatte er gefragt: „Wirst du immer da sein?“ – „Natürlich“, hatte sie überrascht geantwortet, konnte sich aber nicht erklären, warum in ihrem Herzen die Alarmglocken zu schellen begannen. Jetzt, als sie aufwachte, schellten sie noch lauter. Verschlafen stellte sie fest, dass das Bett neben ihr leer war. Schlagartig war sie hellwach. Sie sprang auf, sah ins Bad, dann in die Schränke und begann zu weinen. Colts Sachen fehlten. Seine Waschutensilien, seine Kleidung, seine Reisetasche – alles war verschwunden, so, als wäre er nie dagewesen. Ihr fiel wieder ein, was Chily ihr über Colts Art sich zu verabschieden erzählt hatte. Er hatte sich von ihr verabschiedet, erkannte sie. Wieder war er einfach verschwunden, ohne zu sagen wohin und für wie lange. Das bedeutete, er hatte sich in Gefahr begeben. Einem Impuls folgend griff sie zum Telefon und wählte Chilys Nummer. Es schien ewig zu dauern, bis diese abnahm. Robin sagte nur drei Worte. „Colt ist weg.“ Im ersten Moment glitt dessen Jugendfreundin der Hörer aus der Hand. Rasch hob sie ihn auf und erwiderte: „Ich komme sofort.“ Saber war, wie Chily, vom Läuten des Telefons geweckt worden und mit ihr hinunter ins Wohnzimmer geeilt. Ihre Reaktion während des kurzen Gespräches ließen ihn schlimmes ahnen und ihr Blick, als sie sich jetzt zu ihm umwand, machte es nicht besser. Sorge und Angst lagen darin. „Colt ist fort“, informierte sie tonlos. Saber wäre beinahe der Kiefer ins Bodenlose geklappt, aber er beherrschte sich. Jetzt war genau das eingetreten, was Dooley hatte vermeiden wollen. Colt nahm die Sache selbst in die Hand und handelte unbedacht. Damit brachte er sich in Gefahr. Dooley hatte Chily und Saber beschworen, den Cowboy aus allem raus zu halten. Der Recke legte ihr die Hände auf die Schultern. „Ich geh auf die Ranch und kümmere mich um Robin. Fireball und April werde ich alles erzählen und du suchst Colt, “ meinte sie. Es war genau das, was Saber hatte sagen wollten. Sie strich ihm zärtlich über die Wange. „Pass auf dich auf“, bat sie leise. „Versprochen. Ich bring ihn zurück. Sag das Robin.“ Damit hauchte er ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. Wenig später ritt Chily mit Demon zur Ranch von Donna Joe. Saber machte sich mit Steed auf den Weg zum KOK. Er musste Bericht erstatten, dann würde er nach Colt suchen. Colt war aufgewühlt und hätte nicht benennen können, woran es genau lag. Da war die Enttäuschung von Saber und Chily, die Trauer um Dooley und das schlechte Gewissen gegenüber Robin. Er war gegangen. Er konnte nicht bleiben. Es gab nur einen plausiblen Grund für die Geheimniskrämerei seiner Jugendfreundin und des Recken um Dooleys Tod. Es war weder ein Natürlicher, noch ein Unfall, denn das hätten sie ihm gesagt. Also blieb nur noch eine Möglichkeit für das Ableben seines einstigen Mentors. Er war ermordet worden. Das stand fest. Und damit auch, dass Dooley nach etwas gesucht und etwas gefunden hatte, was besser verborgen geblieben wäre. Was immer es war, Colt würde es herausfinden. Wer immer für Timothy Dooleys Tod verantwortlich war, er würde dafür bezahlen. Das war Colt seinem Vaterersatz schuldig. Er hatte dem Freund viel zu verdanken. Er hoffte nur, dass Robin das verstehen, dass sie warten würde. Er konnte nicht vor den Altar treten, ehe er Dooleys offene Rechnung beglichen hatte. Also musste er nun herausfinden, wem oder was Tim auf der Spur war. Colt kannte ein Motel, in dem sein Lehrer oft abgestiegen war, wenn er ermittelte. Dort würde Colt anfangen. „Ich hab viel von dir gelernt Dooley. Das war nicht umsonst, “ murmelte er vor sich hin. Kapitel 5: Hunting high and low ------------------------------- Hunting high and low Atemlos betrat Chily die Küche von Donna Joe und fand Robin heulend in Aprils Arm vor. Fireball tigerte mit finsterer Miene durch den Raum. Das alles passte ihm nicht. Überhaupt nicht. Colt verschwand bei Nacht und Nebel nach einer Auseinandersetzung mit Saber und Chily. Jetzt erschien nur die und der Recke glänzte durch Abwesenheit. Dabei war offensichtlich, dass der mehr wusste, als er erzählt hatte. So wie Colt seine Jugendfreundin gestern angefahren hatte, wusste auch sie höchstwahrscheinlich genau Bescheid. Was der Rennfahrer nicht verstand, war: Warum sonst niemand? Warum nicht er und April? Kaum war Chily eingetreten, stürmte er auf sie zu. „Was zur Hölle geht hier eigentlich ab?“ fuhr er sie an. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück. „Außer Colt noch Saber, “ antwortete sie dann und ergänzte: „Er ist los und sucht Colt.“ Robin löste sich aus der Umarmung des weiblichen Starsheriffs und wischte sich die Tränen weg. Dann ging auch sie Chily heftig an. „Und wo ist Colt? Warum ist er gegangen und hat nicht mal gesagt, wohin? Was hat das alles mit Tim zu tun? Und wieso weiß außer dir und Saber keiner Bescheid?“ Die Gefragte schluckte schwer. Seit Dooley sie angerufen, ins Vertrauen gezogen und sie zum Schweigen verdonnert hatte, war der Schulfreundin des Scharfschützen unbehaglich zu Mute gewesen. Dass Saber mit der gleichen Situation anders, routinierter, umging, lag daran, dass er es als Starsheriff können musste. Er konnte aus Erfahrung eine Grenze zwischen ziehen, zwischen dem, was er tun wollte und dem, was er tun musste. Chily war dazu nur mit Mühe in der Lage gewesen. Der vorwurfsvolle und besorgte Tonfall, den sowohl Fireball als auch Robin angeschlagen hatten, war für sie so verständlich wie unerträglich. Kleinlaut gestand sie. „Weil Dooley mich darum gebeten hat.“ Der Rennfahrer und seine Freundin tauschten ahnungsvolle Blicke. „Dooley war der Anrufer“, meinte April und wollte nach Chilys bestätigendem Nicken wissen: „Was hat er denn gesagt, worum es geht und worüber ihr nicht sprechen dürft? Du und Saber?“ Chily setzte sich auf die Eckbank an der Tür. „Dooley“, begann sie. „Er hat herausgefunden, dass Colts Eltern nicht einfach nur Opfer eines Outriderangriffes waren. Tatsächlich fand dieser Angriff nur statt um sie zu töten, “ berichtete sie dann. Entsetzte Blicke richten sich auf sie. „Dooley hat außerdem bestätigt, was ich schon immer vermutet hatte. Auch meine Eltern wurden ermordet.“ – „Wie kommst du darauf und von wem?“ fragte Fireball perplex. „Man fand ihr Auto mitten auf dem Highway von der Ranch nach Tucson-City. Ihr kennt die Strecke inzwischen. Sagt mir, wie kann ein Auto mitten auf der Fahrbahn in Flammen aufgehen und ausbrennen? Dooley ist sich sicher, dass es der selbe Täter war und das es bei der ganzen Sache um Pennyrile geht.“ Sofort hakte April nach. „Was ist mit Pennyrile?“ – „Pennyrile sind Kohleminen aus denen schon ewig nicht mehr gefördert wird, weil sie leer sind. Aber Dooley ist auf einen Bericht gestoßen, der besagt, dass weit unter den alten Förderstollen möglicherweise Alkalit zu finden ist, “ informierte Chily. Erstaunt hob April die Brauen. „Alkalit ist sehr wertvoll und sehr gefährlich“, bemerkte sie. „Vor fünf Jahren, als Colts und meine Eltern ermordet wurden, soll es auch für die Outrider interessant gewesen sein. Doch weitere fünfundzwanzig Jahre davor noch nicht. Da war noch kein Krieg, “ überlegte Chily. „Dennoch. In den falschen Händen war und ist Alkalit gefährlich, “ betonte Fireball und wollte wissen: „Wie alt ist dieser Bericht, den Dooley gefunden hat?“ Die Gefragte fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Dreißig Jahre. Er stammt aus der Zeit, als Pennyrile aufgekauft und den Irokesen zur Verfügung gestellt wurde.“ Verstehend nickte der Rennfahrer. Also hatte Willcox Senior sich mit seinem Freundschaftsdienst an dem Stamm Feinde gemacht. Laut schlussfolgerte er: „Dann geht es hier also um Erb- und Besitzrechte. Nicht nur Colt ist in Gefahr. Auch du.“ Er musterte die Jugendfreundin des Scharfschützen. „Hast du eine Ahnung, wo die Urkunden sein könnten?“ Kopfschütteln. „Nicht bei mir im Haus. Ich hätte sie bei der Renovierung sonst gefunden.“ Jetzt stand sie auf und trat auf Robin zu, die sich während des Gespräches abgewandt hatte und stiller geworden war. „Er bringt ihn zurück, Robin. Saber bringt ihn zurück, noch bevor er was Unbedachtes tun kann.“ Statt einer Antwort schluchzte die Lehrerin auf. Tränen liefen ihr erneut über die Wangen. ‚Hoffentlich.‘ Sie wollte ihren Colt zurück. Die beiden Starsheriffs tauschten einen kurzen Blick, dann erklärten sie. „Wir folgen Saber.“ Chily riss die Augen auf und entgegnete April einigermaßen entschieden: „Du bleibst hübsch da. Eine Schwangere geht nicht auf Verbrecherjagd.“ Da sprach die Hebamme aus ihr. Fireball nickte leicht, als hätte er Bestätigung für einen Verdacht erhalten, was seine Freundin noch mehr überraschte, als die Feststellung von Chily, die so völlig selbstverständlich ausgesprochen worden war. „Wie bitte was? Wie kommst du darauf?“ Perplex sah sie von einem zum andern. „Also, dass riech ich doch drei Meilen gegen den Wind. Was meinst du, warum ich dir die leichtere Arbeit mit dem Putzen zu geschanzt hab?“ erklärte Colts Jugendfreundin souverän. „Drei Meilen gegen den Wind also?“ wollte der weibliche Starsheriff noch immer geplättet wissen. „Wieso weißt du mehr als ich?“ Jetzt wurde der anderen klar, dass April von ihrer Schwangerschaft noch gar nichts bemerkt hatte. „Ich bin Hebamme, schon vergessen. Ich hab lange genug Erfahrung um so etwas ziemlich sicher erkennen zu können. Ich mein, man muss sich doch nur deine“ Sie deutete leicht auf Aprils Oberweite. „angucken.“ Der Blondine schoss die Verlegenheitsröte ins Gesicht. Du lieber Himmel, diese Chily wusste echt Sachen … als wäre es alles so offensichtlich. Dabei war April selbst nicht im Ansatz auf diesen Gedanken gekommen. Wieso nickte Fireball, als wüsste er auch Bescheid? „Hast du das auch gemerkt?“ fragte sie ihn deshalb und wies auf den Inhalt ihres BHs. Ebenfalls rot vor Verlegenheit stammelte der. „Ja, ich ... äh ... hatte so eine Vermutung. Aber ich dachte, ihr Frauen wüsstet eher Bescheid, als wir Männer. Ist ja euer Körper.“ Man, das war eine unangenehme Situation. April fühlte sich, als wäre sie unbekleidet, vor allem vor Chily. Die hatte so selbstverständlich erklärt, dass da etwas unter dem Herzen von Ramrods ehemaliger Navigatiorin war, als hätte der das auf der Stirn gestanden. Fireball hatte eine Vermutung davon bekommen, weil er erfühlt hatte, was die Hebamme mit den Augen wahrgenommen hatte. Nur war er selbstverständlich davon ausgegangen, dass seine Freundin selbst wusste, ob sie in freudiger Erwartung war oder nicht. Als April so etwas mit keinem Wort erwähnt hatte, war er davon ausgegangen, dass er sich irrte. Chily schlug sich leicht die Hand gegen die Stirn. Wie schon öfter in ihrem Leben, waren auch hier die Dinge für sie offenkundiger gewesen, als für die Betroffenen selbst. Und natürlich hatte sie es so selbstverständlich ausgesprochen, als gäbe es keinen Zweifel daran. Wie schaffte sie es nur immer wieder, solche Situationen heraufzubeschwören? An Hand der Reaktionen war für die Hebamme außerdem deutlich geworden, dass die beiden sich noch nicht über Kinder und alles, was damit zusammenhing, unterhalten hatten. Da hatte sie ja eine schöne Lawine ausgelöst. Peinlich. „Und was habt ihr jetzt vor?“ fragte Robin. Colt hatte sie vor den hellseherischen Fähigkeiten seiner Jugendfreundin vorgewarnt, weshalb, und auch, weil sie selbst nicht betroffen war, sie einigermaßen gefasst bleiben konnte. „Jetzt stehen sie erstmal auf dem Kiefer“, stellte Chily fest und musterte das Pärchen. „Hey, Moment mal, ja...“ hob Fireball zu Protest an. „Jedenfalls geht April nicht auf Verbrecherjagd. So viel ist mal klar. Da brauchst du gar nicht mit "Moment mal" kommen, “ erklärte die Hebamme kategorisch und biss sich gleich darauf auf die Zunge. Das klang wie ein Befehl und sie hatte nicht das Recht, den beiden etwas vorzuschreiben, daher wunderte sie sich nicht über die gereizte Antwort des Rennfahrers. „Haha, soweit war ich auch schon“, schnappte der. „Ihr drei bleibt also hier und ich sehe zu, dass ich die zwei Scherzkekse auftreibe“, meinte er dann. „Ich dachte eigentlich einen Schritt weiter. Wie wär es mit zusammenziehen?“ erwiderte Robin. Chily rechtfertigte noch rasch ihre Aussage. „Da brauchst du gar nicht so zu tun, Fire. Nicht für jeden Mann ist das selbstverständlich. Leider.“ Dann wandte sie sich an Robin. „Aber zusammen ziehen? Jetzt? Ich halte das für keine gute Idee, “ erklärte sie und sprach als die Geburtshelferin, die sie nun mal war, und erweckte prompt wieder den Eindruck, sich ungefragt einzumischen und Vorschriften zu machen. „Wir beide.“ Fireball wies auf April und sich. „regeln das, wenn ich die zwei heimgebracht hab, “ erklärte er entschieden um die kleine Hellseherin in ihre Schranken zu weisen. „Das halte ich für besser. Jetzt einen Umzug anzufangen ... ich meine, mit der Belastung durch den Fall und die Ungewissheit, dann auch noch einen Wohnortswechsel halte ich gerade in den ersten Monaten nicht für ratsam, “ stimmte diese ihm zu. „Dürfen wir beide“ Jetzt war es April, die auf sich und ihren Freund deutete. „das dann bitte selbst entscheiden, was wir wann, wo und wie machen?“ schnaubte sie. Das war ja dann doch etwas zu viel des Guten. Chily mochte es ja nur gut meinen, aber sie vermittelte den werdenden Eltern das Gefühl bevormundet zu werden. Deshalb biss sie sich auf die Lippe und unterdrückte eine Antwort, bevor sie es noch schlimmer machte. Donna Joe, die an der Küche vorbeilief, hatte halb etwas von Schwangerschaft mitbekommen und steckte kurz den Kopf zu den Vieren hinein. „Nur kurz. Wer auch immer schwanger ist, sollte auf Chilys Rat hören. Sie weiß, wovon sie spricht.“ Damit war die Rancherin auch schon wieder verschwunden. Die kleine Hebamme wand sich ein wenig und schaute April entschuldigend an. „Sorry, wenn das jetzt so klang, als wollte ich euch rein reden. Es war nur ein fachlicher Rat. Mehr nicht. Selbstverständlich ist das alles eure Entscheidung, “ beschwichtigte sie vorsichtig. „Kannst du bei deiner Voraussage uns wenigstens auch noch wissen lassen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?“ fragte der Rennfahrer leicht genervt. Es war immerhin stark gewöhnungsbedürftig, dass jemand ungefragt durch seinen Kopf geisterte, der auch noch meinte, Entscheidungen treffen zu dürfen, obwohl die Person auch schon wesentliche Dinge verschwiegen und zusätzlich zu der überraschenden Schwangerschaft, noch ganz andere Probleme heraufbeschworen hatte. Chily bekam das heiße Verlangen die Flucht antreten zu wollen. Außerdem erschien es ihr klüger, dass Paar wenigstens kurz allein zu lassen, nachdem sie es so ohne Vorwarnung vor vollendete Tatsachen gestellt hatte. „Sie ist höchsten in der dritten Schwangerschaftswoche. Zu zeitig für eine solche Prognose. Aber ich muss jetzt mal schnell für kleine Mädchen, “ antwortete sie und stahl sich rasch aus dem Raum. Robin verstand die Absicht, die hinter dem letzten Satz steckte und informierte ihrerseits: „Da fällt mir ein, ich sollte mal nach Josh telefonieren. Nicht, dass der wieder irgendeinen Blödsinn macht.“ Schon war auch sie abgetreten und das Paar blieb allein in der Küche zurück. Wer von beiden mit der neuen Lage mehr überfahren war, war schwer zu sagen. Die unterschiedlichen Gedanken in ihren Köpfen schwer zu sortieren. Zwei Minuten vergingen, ehe in Aprils Kopf Chilys letzte Aussage wirklich ankam. „Dritte Schwangerschaftswoche? Wieso weiß sie das und ich nicht?“ fragte sie sich verdattert. Fireball hob die Schultern. „Mich darfst du das nicht fragen, Süße“, seufzte er. „Wieso hast du mir nichts von deinem Verdacht erzählt?“ wollte die Blondine wissen. Ein gewisser Vorwurf lag in ihrer Stimme. Er setzte sich auf die Arbeitsplatte, an der er die ganze Zeit über gelehnt hatte. „Naja, ich dachte … hätte ja auch sein können, dass ich mir das alles einbilde. Ich hab mich drauf verlassen, dass du mir das dann schon mal sagst, “ verteidigte er sich mit Unbehagen, welches allerdings von der Art der überbrachten Nachricht herrührte und nicht, von der Nachricht an sich. „Auf die Idee wäre ich im Leben nicht gekommen. Ich dachte immer, mir müsste morgens schlecht sein, oder so was. Aber da war ja gar nichts.“ Ungläubig schüttelte April den Kopf. Er schmunzelte. „Du bist ja auch nicht wie alle anderen Frauen.“ Dieses kleine Kompliment blieb jedoch einigermaßen ungeachtet. April war viel zu sehr damit beschäftigt, sich mit dieser neuen Situation vertraut zu machen. „Auf jeden Fall bin ich jetzt schwanger. Irgendwas sagt mir, dass ich mir den Test dafür sparen kann, wenn Chily das so selbstverständlich behauptet.“ – „Auf jeden Fall ist das alles jetzt etwas seltsam“, bestätigte er. Eine Weile versanken beide in Schweigen. „Kannst du dir vorstellen, dass ich tatsächlich Mutter werde?“ wollte April dann wissen. „Gegenfrage: Kannst du dir vorstellen, dass ich Windeln wechsle?“ Chily hatte Recht unvermittelt diese Bombe platzen lassen, was es sowohl April als auch Fireball erschwerte, sich einfach nur darüber zu freuen. „Nein. Gar nicht, “ gab die Blondine zu und verschränkte die Arme vor der Brust „An den Gedanken sollten wir uns gewöhnen, Süße.“ Erleichtert bemerkte April, dass ihr Freund dazu gern bereit war. Zwischen all den Gedanken daran, ob sie bereit war, Mutter zu werden, ob sie eine gute Mutter sein und wie sie ihr Leben nun umgestalten und auf ein Kind ausrichten würde, tat es gut, dass Gefühl zu haben, dass sie die Fragen in der Wir-Form stellen konnte. Dass Fireball jetzt von der Anrichte herunter glitt und sie zärtlich in seine Arme zog, verdrängte die Zweifel und machte Platz für das Frohe an der Botschaft. Chily linste vorsichtig in die Küche und lächelte zufrieden. Das sah doch ganz gut aus. Wenn sie es noch schaffte, die beiden nicht mehr mit gut gemeinten Ratschlägen zu überrennen, würde alles so laufen, wie es für das Paar dort drinnen laufen sollte. Fireball gab seiner April einen liebvollen Kuss auf den Mund. Zeit für Chily sich endgültig zurück zu ziehen. „Was soll ich auf einem Footballfeld?“ maulte Colt. „Ich will dir was zeigen,“ anwortete Dooley ruhig. „Du bist wütend und nach allem, was ich weiß, kann ich verstehen, warum. Aber du musst lernen deinen Zorn zu kontrolieren.“ Damit holte er einen Football hervor und positionierte ihn auf dem Feld. „Durchs Goal damit,“ wies er seinen Schützling ohne weitere Umschweife an. „Du hast ja ne Meise. Was soll das werden?“ Der Lockenkopf dachte nicht im Traum daran irgendwelche Footbälle sonstwohin zu kicken. „Ich hab dir was gesagt, also tu es,“ verlangte Tim unbeeindruckt. Der Angesprochene tippte isch an die Stirn. „No way. Vergiss es.“ Colt wand sich ab und ging. Der Typ hatte vielleicht Nerven. Schlimm genug, dass Kost und Logie sich an den Schulbesuch und einen bestimmten Notendurchschnitt knüpften, aber ihm auch noch in seine anderen Angelegenheite reinreden zu wollen, ging ihm schlichtweg zu weit. „Fang.“ Als der Ruf ertönte, blieb dem Trotzköpfigen gerade noch genug Zeit sich umzudrehen, da traf der Ball ihn schon hart am Brustkorb und nahm ihm einen Momet lang den Atem. Er keuchte kurz, dann fuhr er auf. „Verdammt, was sollte das?“ Mit aller Kraft schleuderte er das Leder zurück, verfehlte Dooley jedoch weit. Der lachte spöttisch. „Genau das hab ich gemeint. Auf die paar Yard Abstand würdest du grad nicht mal einen Elefanten treffen.“ Das trieb den Hitzkopf auf die Palme. „Na warte.“ Er holte sich den Ball und feuerte ihn erneut auf Dooley. Wieder ergebnislos und wieder wurde er ausgelacht. Das Spiel setzte sich fort. Je wütdender Colt wurde, desto weiter verfehlte er den Blonden und desto mehr lachte der ihn aus. Frustriert kickte der Lockenkopf den Ball schließlich übers Feld. „Lach nicht so dreckig,“ schnauzte er Timothy an. „Du wolltest ja nicht hören,“ gab der zurück und wurde ernst. „Wenn du es nicht schaffst, deine Wut unter Kontrolle zu bekommen, wird sie dir nur im Weg stehen und dir nichts als Ärger einbringen; wie du ja grad gesehen hast,“ erklärte er. „Toll. Du hättest Prediger werden sollen.“ Colt zeigte sich wenig beeindruckt von den Worten, also hob Dooley das Leder auf und forderte ihn auf. „Hol ihn dir zurück, wenn du kannst, Greenhorn.“ Er wusste, dass es den Spund provozieren würde. „Dir werd‘ ich gleich Greenhorn.“ Wie Dooley erwartet hatte, stürzte Colt sich auf ihn. Tim hatte bei einem so direkten, vorhersehbaren Angriff keine Probleme auszuweichen. Der Hitzkopf landete im Gras. Erneut in Rage geraten, rappelte er sich auf und versuchte es noch mal. Wieder bruchlandete er und der Kreis schloss sich. Das Spiel begann von vorn. Als der Abend einbrach, saß Colt schnaufend im Gras und hatte es nicht geschafft, Dooley den Football abzujagen. Er fühlte sich ohnmächtig und unterlegen. Beide Gefühle verabscheute er. Egal, wie sehr er versuchte, an Tim heranzukommen, es gelang ihm einfach nicht. Timothy stand hinter ihm und schüttelte den Kopf. Der Kleine begriff ja gar nichts. Immer wieder hatte er sich blindlings auf ihn gestürzt und sich von der Wut über die Misserfolge leiten lassen, statt sein Ziel im Auge zu behalten. Da hatte er ja einen langen Weg mit dem Spund vor sich. Aber er war überzeugt davon, dass es sich lohnen würde. Auf den Lockenkopf konnte er noch stolz sein. Die Unterlagen waren alles, was er noch brauchte. Dann hatte er alle Trümpfe in der Hand. JC hatte bereits gute Arbeit geleistet. Er würde sich auch diesmal um alles kümmern. Es war gut, dass sie zusammen arbeiteten und es diente ihrer beider Interessen. Sie würden erfolgreich sein, denn niemand wusste genug um sie auf zu halten. Und die, die ihnen hätten gefährlich werden können, waren entzweit. Also musste er nichts fürchten. Endlich rückten seine Wünsche in greifbare Nähe. Konnte es besser laufen? Nein, denn alles spielte ihm in die Hände. Das war es wert gewesen, Dooley dafür zu opfern. Das Bett war unbequem und quietschte. Er hatte nicht gedacht, dass es solche Betten überhaupt noch gab. Jedes Mal, wenn er sich im Schlaf gedreht hatte, war er aufgewacht. Jetzt, als er aufstand, tat ihm der Rücken weh. Wie ein alter Mann kam er sich vor und schlurfte auch so ins Bad. Hier war die Lampe kaputt und alles lag im Halbdunkel. Irgendwas sagte ihm, dass es auch besser so war. Es war nämlich nicht sehr sauber. Das ließ das gesamte Zimmer vermuten. Alles war staubig, abgenutzt und schäbig. Colt wünschte sich einmal mehr seit seiner Ankunft zu Robin zurück. Ihre blauen Augen, ihr süßer Schmollmund und ihre Wärme fehlten ihm, als wäre er schon ein Jahr fort von ihr. Aber wie sollte er jemals mit ruhigem Gewissen vor den Altar oder an Dooleys Grab treten, wenn er nicht zu Ende brachte, was der begonnen hatte? Nach einer kalten Dusche, weil auch der Warmwasserhahn nicht funktionierte, machte er sich schließlich auf den Weg. Auf das Frühstück hatte er verzichtet, weil er nicht sicher wusste, wer es vor ihm gegessen hatte. Die kleinen Bars, die Spielhöllen und Schießhallen waren sein Ziel. Irgendwer hatte Dooley sicher mal gesehen. Ein blonder Lulatsch, der mit Vorliebe Guavensaft schlürfte, war sicher im Gedächtnis geblieben. Wenn Dooley in Schwierigkeiten steckte, warum war er nicht zu Colt gekommen? Er hatte schon immer mit zwielichtigen Typen zu tun. Von gefährlich zu sprechen, war die Untertreibung schlechthin. Die meisten davon waren am Abgrund zu finden. Dort, wo kein normaler Mensch sich freiwillig blicken ließ, wo man nur Verlierer, abgehalfterte Helden und Pack fand. Allerdings hatte dort sicher jeder von den Starsheriffs, und ganz besonders von Team Ramrod, gehört. Verdammt, wieso hatte er nicht früher daran gedacht, sich eine gute Tarnung zu zulegen? Colt steuerte geradewegs auf das nächste Einkaufszentrum zu. April würde sich hier wohl fühlen, stellte er fest, als er die unzähligen Geschäfte verteilt über fünf großzügige, hell erleuchte und bunt dekorierte Etagen sah. Ein Einkaufsparadies für Frauen. Für Männer die Hölle auf Erden. Aber wenigstens würd er hier finden, was er brauchte. Commander Eagle runzelte die Stirn. Das hatte nicht passieren dürfen. Er war von Anfang an nicht recht mit der Vorgehensweise Dooleys einverstanden gewesen. Geheimnisse waren schwer zu kontrollieren und die Folgen, wenn sie gelüftet wurden, schwer absehbar. Doch Dooley hatte so vehement darauf bestanden und mit einem Anflug von schlechtem Gewissen, wegen der früheren, falschen Anschuldigungen, hatte Charles Eagle nachgegeben. Er hatte beweisen wollen, dass er Vertrauen in den ehemaligen Mitarbeiter des KOK hatte. Sachlich abzuwägen wäre klüger gewesen. Dann hätte er auf die Offenlegung des Falles vor der früheren Ramrod-Crew, insbesondere vor Colt, bestanden. Aber für „Was-wäre-wenn“-Überlegungen war es nun zu spät. Und ganz gleich, wie sicher Eagle war, dass die dadurch entstandenen Schwierigkeiten vermeidbar gewesen waren, sie waren nun mal da und es galt, den Schaden so gut wie möglich einzudämmen. Der Mord an Dooley machte ihn jedoch schwer zu schaffen. Auch das hätte nicht passieren dürfen. Das war unverzeihlich. Betrübt hob er nun den Blick von der Tischplatte und schaute auf Saber, der noch immer vor dem Schreibtisch stand. Er war eingetreten, hatte salutiert und Bericht erstattet. Während der Commander in seine eigenen Gedanken abgeglitten war, hatte sich der Recke nicht gerührt oder eine bequemere Stehposition eingenommen. Diszipliniert wie gewohnt. „Setz dich“, forderte ihn sein Vorgesetzter nun auf und wies auf den Stuhl. Der Recke nahm Platz. „Du musst Colt finden“, erklärte Eagle, obwohl er wusste, dass der Blonde dies als nächstes tun würde. „Wissen April und Fireball inzwischen Bescheid?“ fragte er dann. Saber nickte knapp. „Als damals die Untersuchungen über ein mögliches Fehlverhalten seitens Dooleys während der Überwachung des Konvois liefen, wurde er genau observiert. All seine Methoden, die Orte, von denen aus er operierte und ermittelte – alles wurde genau dokumentiert. Wir hatten zu prüfen, ob er alles in seiner Macht stehende getan hatte, um den Konvoi zu sichern. Da der Fall abgeschlossen ist, findest du die Akten im Archiv. Sie werden dir hoffentlich nützlich sein.“ Fein säuberlich aneinander gereiht, chronologisch sortiert, übersichtlich archiviert türmten sich die Akten zu unzähligen Fällen in einem riesigen, langen Kellerraum. Durch die vergitterten Fenster oberhalb in den Wänden und die Neonröhren war jeder Winkel erhellt. Über das gebohnerte Linoleum klackerten ihre Absätze. Saber folgte ihr geräuschlos die Reihen entlang. Die Kleine war ein hübsches, dunkelhaariges Wesen, dem die Uniform ausgezeichnet stand und die jede Möglichkeit nutzte um ihn anzuschmachten. Doch der Recke bemerkte es nicht. Sein Kopf steckte in dem Fall und er machte sich Sorgen um seinen Freund. Hoffentlich gaben ihm die Unterlagen einen brauchbaren Hinweis. Während sie in einem Aktenschrank kramte und dabei öfter als nötig mit der Hand durch ihr krauses Haar fuhr, zerbrach Saber sich den Kopf darüber, wie es dem schießwütigen Hitzkopf wohl ergehen würde. Wo hatte der mit der Suche nach Dooleys Mörder nur angefangen? Hatte er sich eine Tarnung zu gelegt? Würde Saber ihn dann überhaupt noch erkennen? Und konnte er ihn dann auch zur Vernunft bringen? Er seufzte unterdrückt. „Hier bitte.“ Die Kleine reichte ihm mehrere umfangreiche Mappen. Saber bedankte sich höflich, wofür sie ihn kokett anlächelte. Jetzt fiel ihm auf, wie geziert ihr Verhalten war nur um ihm zu gefallen. Konnten sie nicht einfach sie selbst sein? Chily interessierte es doch auch nicht die Bohne, was andere von ihr dachten. Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gebracht, erschrak er über sich selbst. War sie ihm gestern tatsächlich schon so vertraut geworden? Zumindest sein Herz schlug ein paar Takte anders. Ungewohnt. Reiß dich zusammen, mahnte er sich und folgte der Kleinen den Gang zurück zum Empfang, wo er den Erhalt der Schriftstücke bestätigte, bevor er diese ins Hotel mitnahm um sie durch zu sehen. Pennyrile hatte nichts mehr von der Zeit des Kohleabbaus. Weite, saftige Weiden, dichte Wälder, Buschwerk, der Gesang von Vögeln, die Geräusche von Waldtieren und eine friedliche Atmosphäre waren in diesem Gebiet zu finden. Die grüne Ebene, über welche Fireball und Chily trabten, endete im Westen an einer steilen Felswand, an welcher sich die, für Irokesenstämme typischen, Langhäuser lehnten. Im Inneren dieses Berges fand man einst Kohle und sollte möglicherweise auch Alkalit vorkommen. Im Näherkommen sah man die Bewohner des Stammes ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen. Ganz so, als wären sie schon immer hier beheimatet und ahnungslos über die Gefahr, die ihnen wahrscheinlich drohte. „Das ist eine ganz andere Welt“, stellte Fireball fest. Chily nickte leicht. „Ich mag sie.“ Sie wies auf eine Gestalt, die nahe dem Dorf am Wiesenrand kauerte und über das Gras zu den beiden Reitern blickte. „Das ist Häuptling Hinun“, sagte sie. Jetzt erhob er sich und wartete, bis die Ankömmlinge ihn erreicht hatten. Das gelassene, freundliche Gesicht und die klugen, steingrauen Augen des Mannes, machten ihn für den Rennfahrer sofort sympathisch und erinnerten ihn an General Whitehawk, den er sehr respektierte. Hinuns Haar war ergraut. Wie die meisten Männer seines Stammes, trug auch er dem typischen Haarschnitt, jedoch ohne Federschmuck. Ein Mann seines Alters, so fand er, musste seinen Ruhm nicht mehr zur Schau stellen, weil er ohnehin bekannt war. Um seine Schultern hatte er sich eine gewebte Decke gelegt, die die Farbe und das Stammeswappen, vier weiße Rechtecke, in der Mitte ein Symbol, das an einen Nadelbaum erinnerte, auf lilafarbenden Grund. Kaum war Chily von Demons Rücken geglitten, hatte sie den alten Mann auch schon umarmt. „Aiyana.“ Er erwiderte die Begrüßung. „Wie geht es dir? Und wer ist den Begleiter?“ Nun stieg auch Fireball ab und reichte dem Häuptling die Hand. „Das ist Fireball. Ein guter Freund von Pallaton, “ stellte Chily ihn vor. Hinun nahm die angebotene Hand und drückte sie fest. „Ja“, sagte er. „Der Name passt. Du hast einen kräftigen Händedruck. Das gefällt mir.“ Damit führte er die beiden in Richtung der Häuser, die den Rennfahrer an die Gebäude eines Hangars erinnerten, die halbrunden Unterstände für Flugzeuge. „Nun, Aiyana. Was führt euch zu uns. Wie geht es Pallaton?“ Die Gefragte tauschte einen kurzen Blick mit dem Japaner. „Pallaton ist der Grund unseres Besuches. Ein guter Freund von ihm wurde ermordet, als er Untersuchungen über Pennyrile anstellte, “ antwortete sie dann. Hinun hob die Brauen und schenkte ihr einen aufmerksamen Blick. „Wie wurde er getötet?“ wollte er wissen. Chily unterdrückte den Ekel bei der Erinnerung an diese Nacht. Ein unbehaglicher Schauer fuhr ihr über den Rücken. Kalt. Eiskalt. Sie erzählte alles, was geschehen war. Wo und wie sie und Saber den Toten fanden, welche Nachricht hinterlassen wurde und dass auch der Sheriff der Geheimhaltung verpflichtet war. „Der Tod eines Verräters“, bemerkte der Häuptling, als sie geendete hatte, ohne jedoch eine Wertung in diese Worte zu legen. Es war eine Feststellung. „Aber das hat er nicht verdient“, schaltete sich Fireball in das Gespräch ein. „Dooley war kein Verräter. Trotzdem es zwischen ihm und dem KOK Schwierigkeiten gab, war er nie auf Rache aus, sondern auf Frieden.“ Der Indianer nickte verstehend. „Häuptling Hinun, wir müssen davon ausgehen, dass Dooley und auch Colts und Chilys Eltern einzig wegen Pennyrile ermordet wurden. Wer immer dahintersteckt, schreckt nicht davor zurück noch mehr Menschen zu töten, “ erklärte er dann. Jetzt blieb Hinun stehen. Seine Miene verriet, wie er das Berichtete überdachte und die Folgen für den Stamm. „Ich werde den Clanführerinnen davon erzählen. Eine Versammlung wird Einigkeit für die Zukunft bringen, “ meinte er dann. „Doch bitte, bleibt zum Essen und berichtet mir mehr, “ fuhr er fort. „Ich würde gern wissen, wie du und Pallaton euch kennen gelernt habt.“ Am späten Nachmittag verabschiedeten sich Chily und Fireball von Hinun und ritten zurück. „Darf ich was fragen?“ begann der Rennfahrer. Sie nickte. „Warum muss Hinun den Clanführerinnen Bescheid sagen. Ich dachte, er sei das Stammesoberhaupt und treffe die Entscheidungen?“ Diese Frage hatte ihm unter den Nägeln gebrannt, aber er hatte sie nicht früher gestellt, weil es ihm unpassend vorkam. „Nun“, antwortete sie. „Im Gegensatz zu vielen Vorurteilen sind die Frauen bei den Indianerstämmen nicht unterdrückt, sonder ihren Männern ebenbürtig, gerade weil sie im Stande sind, Kinder auf die Welt zu bringen. Aber die meisten Rechte und die meiste Entscheidungsgewalt haben die Frauen der Irokesenstämme. Hinun würde aus Respekt vor ihnen niemals etwas beschließen, ohne sie gefragt zu haben. Sie werden alles in einer Versammlung so lange beraten, bis sie sich wirklich einig sind. Wobei die Betonung auf Einig liegt. So etwas wie einfache oder Zweidrittel-Mehrheit gibt es bei den Irokesen nicht. Sie halten es nicht für demokratisch, weil die Stimmen der Minderheit an Bedeutung verlieren würden. Verstehst du?“ Bedächtig nickte Fireball. „Das gefällt mir irgendwie“, erwiderte er nachdenklich. „Es erfordert viel Überzeugungskraft und Verständnis Einstimmigkeit erreichen zu wollen und eben niemanden zu benachteiligen.“ Jetzt nickte Chily. „Das ist wahr.“ Schweigend ritten sie zurück. Jeder hing seinen Gedanken nach. Robin und April hatten inzwischen ihre Sachen gepackt und die Ranch von Donna Joe verlassen. Sie wollten sie und deren Sohn nicht in die Sache verwickeln und am Morgen hatte sie mit dem Rennfahrer und Colts Jugendfreundin gemeinsam besprochen, dass sie vorläufig im Hause Adams bleiben würden. Sie sollten sich einfach einquartieren, hatte Chily erklärt. Zimmer gäbe es genug. BooYeah lag nun im Hof und blickte träge zu Demon und Angel in der Koppel rüber. „Hoffentlich kommen die beiden bald zurück. Es gefällt mir nicht, dass wir in Chilys Haus herumspazieren, als wäre es unser eigenes. Wir sind doch Gäste, “ meinte Robin, als sie mit April gemeinsam das Abendessen vorbereitete. „Ich glaube, dass Chily sich an so was nun überhaupt nicht stört. Sie ist doch in vielerlei Hinsicht recht unkonventionell, “ entgegnete diese, vermied es aber zu erwähnen, was sie beunruhigte um die Lehrerin nicht noch mehr aufzuregen. Tatsächlich war der jungen Wissenschaftlerin recht mulmig zu Mute, wenn sie daran dachte, dass sie in Gefahr schwebte. Dass lag weniger an der Gefahr an sich, solche Situationen kannte sie. Aber diesmal wusste sie nicht, wer ihr Gegner war und konnte nicht abschätzen, wie groß die Bedrohung war. Außerdem trug sie ein Kind unter ihrem Herzen. Jetzt hatte sie nicht länger nur die Verantwortung für sich selbst und die beiden anderen Frauen, sondern auch für das kostbare, fragile Leben in sich ihrem Bauch. Hoffentlich war sie dem gewachsen. Um das Thema abzulenken, bevor sie sich gegen womöglich gegenseitig die Köpfe heiß redeten, fragte der weibliche Starsheriff. „Du magst diese Chily, nicht wahr?“ Robin nickte zustimmend. „Ja, tu ich. Du nicht?“ April wiegte den Kopf grüblerisch hin und her. „Sie ist … ich weiß nicht.“ Sie zögerte, dann platzte sie heraus „Ich hatte schon den Eindruck, dass sie ganz nett ist. Aber ich finde sie ist auch furchtbar zickig.“ Unweigerlich schüttelte die Lehrerin den Kopf. „Ich hab festgestellt, dass sie die Menschen um sich herum ganz genau beobachtet. Jeden. Wenn Colt etwas erzählt, ist sie völlig auf ihn konzentriert. Saber hängt sie genauso an den Lippen.“ Sie strich sich das Haar hinters Ohr zurück. „Deine Schwangerschaft nur durchs Angucken festzustellen, ist nicht nur Erfahrung, dass ist Beobachtungsgabe.“ April ließ sich auf einen Stuhl nieder. „Hat man deshalb das Gefühl, dass sie einen durchschaut? Ich weiß nicht warum, aber ich könnte sie nie anlügen. Ich hab das Gefühl, sie merkt das sofort, “ meinte sie darauf. Bestätigendes Nicken. „Und sie sagt es dir dann auch ins Gesicht. Sie ist direkt und ehrlich.“ Robin lachte leicht, als sie weitersprach. „Und hat den Hang dazu einen zu überfahren, wenn sie es gut mit ihm meint. Als ihr nach Pennyrile wollte, haben Chily und ich uns sehr lange über sehr viel unterhalten. Ich verstehe jetzt sehr gut, warum Colt sie so mag. Mir geht es nicht anders. Dass sie manchmal meine Gedanken liest, daran muss ich mich noch gewöhnen, “ gab sie dann zu. Die werdende Mutter grinste schief. „Ja, dass ist echt gewöhnungsbedürftig, “ bestätigte sie. „Es wäre wahrscheinlich leichter, wenn sie einen dann nicht gleich überrollen würde, oder manche Sachen etwas weniger deutlich aussprechen würde.“ April seufzte unterdrückt, erhob sich und ging Robin mit dem Abendessen zur Hand. Pünktlich, kaum dass es auf dem Tisch stand, trafen Fireball und Chily ein. Während der Japaner von Hinun und dem Stamm berichtete, linste April zu Colts Jugendfreundin hinüber. Zum ersten Mal fiel ihr auf, wie deren Augen aufmerksam auf ihm ruhten, ohne ihn aufdringlich anzustarren und doch entging ihr kein Wimpernschlag. Beeindruckend, dass musste die Wissenschaftlerin zugeben. Später am Abend schellte das Telefon im Hause Adams. Chily, die auf dem Sofa neben dem schnurrlosen Hörer saß, nahm das Gespräch überrascht an. Sie wusste nicht, was für einen Anruf sie erwarten sollte. „Hallo?“ – „Chily? Ich bin es, Saber.“ Ein erfreutes Lächeln huschte über deren Lippen. „Hi. Wie geht es dir?“ – „Ich fühl mich grad ein bisschen wie ein Dampfkessel, aber ansonsten... Bei euch alles klar?“ kam es vom anderen Ende der Leitung. „Wie ein Dampfkessel? Aha, unter Druck. Uns geht es so weit ganz gut. Sie tragen die Sache mit Fassung. Mehr oder weniger, “ erwiderte sie wahrheitsgemäß. Gelassen konnte sie ja schlecht sagen, so wie sie heut morgen begrüßt worden war.“ Sie hörte ihn erleichtert ausatmen. „Also keine Tobsuchtsanfälle bisher, find ich schon mal lobenswert.“ Sie wiegte den Kopf mit dem Hörer. „Na ja, wir waren nahe dran. Aber das ist glaub ich, verständlich. Wir machen uns doch alle Sorgen.“ Jetzt nickte er. Auch, wenn sie ihn nicht sehen konnte, war sie sich sicher. „Ja, ich weiß. Aber wir werden Colt finden, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir mit ihm auch Tims Mörder finden.“ Sie zögerte und sah sich nach einer passenden Antwort suchend im Wohnzimmer um. In der Küchentür begegnete sie Fireballs Blick, der eben eingetreten war. „Ist das Saber?“ Sie nickte. „Wart mal kurz, Saber.“ – „Okay.“ Chily klemmte den Hörer in die Halsbeuge und wies dem Rennfahrer mit dem Finger an, den zweiten Telefonhörer zu nehmen. Dann tippte sie auf der Anlage herum und versuchte eine Telefonkonferenz herzustellen. „Alles klar?“ Fireball meldete sich. „Hi Boss.“ – „Oh, hi Fireball.“ Verlegenes Räuspern folgte, dem Chily entnahm, dass der Recke wohl seinen Freunden gegenüber ein schlechtes Gewissen wegen der Geheimniskrämerei plagte. „Also, die Unterlagen vom KOK geben grad noch nicht so viel her, aber irgendwo werden wir den entscheidenden Hinweis schon kriegen.“ Der Rennfahrer hob erstaunt die Brauen. „Wow, du bist ja richtig gesprächig, Superschwert“, konnte er sich eine Spitze nicht verkneifen. „Mehr wirst du aber nicht mehr zu hören kriegen, weil ich nicht mehr weiß.“ Der Blonde am anderen Ende der Leitung schmunzelte. „Wie ist die Lage bei euch?“ – „Na ja, ich ... wir alle eigentlich ... hätten ein paar Infos gern früher bekommen. Die Lage? Chily und ich waren bei Häuptling Hinun und haben ihm mal erzählt, was wir so wissen, “ informierte der Gefragte nüchtern. „Sie werden Rat halten und alles besprechen, “ fügte Chily hinzu. „Zwei Worte, Fireball: Top Secret,“ kam es bestimmt durch den Fernsprechern. „Der Stamm muss auf alle Fälle mit einem Angriff rechnen. Alles deutet darauf hin.“ Die kleine Hebamme versprach: „Das werden sie sicher.“ Gleich darauf knurrte der Japaner missmutig in den Hörer: „Top Secret kannst du dir in die Haare schmieren. Hierbei geht es schließlich um Colt und damit um einen Freund. Man ...“ Das letzte Wort galt allerdings Chily, die neben ihm vor der Station der Telefonapparates stand und ihn dafür mit dem Ellenbogen in die Rippen gestoßen hatte. „Was hast du denn heute im Essen gehabt? Die ganze Sache war Aufgabe des Oberkommandos und deine EDM hab ich im Archiv verstauben gesehen, Fireball.“ Den tadelnden Blick dazu konnte man durch die Verbindung sehen. „Aha“, schnappte der. „Was soll das heißen? Dass ich hier bleiben soll und Däumchen drehen …aua.“ Grollend schaute er auf die Blondine neben sich, die ihm wieder geknufft hatte. „Ich denke, wir machen da wieder mal eine Ausnahme. Wann kommt ihr, April und du?“ Der errötete leicht und war froh, dass der Recke es nicht sehen konnte. „Ich komme, so bald ich weiß, wo ich dich finde. Und sag der Raubkatze neben mir, sie soll mich in Ruhe lassen. Vielleicht hört sie auf dich mehr.“ Saber runzelte die Stirn. „Und was ist mit April? Stellst du sie als Personenschutz für Robin und Chily ab?“ – „Der Personenschutz wird aus mir für April und Robin bestehen“, erklärte die Blondine und boxte dem Rennfahrer für die „Raubkatze“ auf den Oberarm. Es tat ihr allerding mehr weh als ihm und sie schüttelte ihre Hand. Entnervt entfuhr es dem Prügelknaben: „WEIB!“ Da es kein Bildtelefon war, wunderte sich Saber sehr, über das, was da wohl am anderen Ende der Leitung gerade passierte. „Was ist bei euch los?“ – „Lass es mich so formulieren“, erklärte der Japaner. „Ich hab es hier mit einer kratzwütigen Raubkatze, einer besorgten Braut und einer werdenden Mutter zu tun.“ Neckend kam es zurück. „Chily, hör auf Fireball zu schlagen, ich brauch ihn an einem Stück.“ Das konnte sich der Recke bildlich vorstellen, dann ratterte es in seinem Kopf. Mutter? „Wie bitte? Werdende Mutter? Colt und Robin werden Eltern?“ Kurzes Schweigen folgte. „Ähm nö“, räusperte sich die Hebamme. „Die werdende Mutter ist jemand anderes.“ Und Fireball fügte trocken hinzu: „Colt ist nicht der einzige, der eine Beziehung hat.“ Dann konnten die beiden sehen, wie dem Gesprächspartner der Mund aufklappte und er ungläubig den Hörer an starrte. Eine Weile herrschte Stille. „Ihr zwei seht euch ja noch nicht mal regelmäßig!“ Sabers eher konservative Erziehung machte es ihm schwer sich vorzustellen, dass Paare nicht erst zusammen zogen und heirateten bevor Kinder kamen. Aber genau das war geschehen. Fireball und April führten gerade ein Jahr lang eine Beziehung, in der noch jeder sein eigenes Reich hatte. Recht frisch und nach Ansicht des Recken etwas zu frisch für Nachwuchs. Der Rennfahrer musste grinsen. „Aber wir sehen uns und haben reichlich Zeit dafür.“ – „Der Klapperstorch war es jedenfalls nicht“, stellte Chily sachlich fest. „Jaja, ist ja schon gut“, ertönte es durch den Fernsprecher. „Wann kommst du nun?“ – „So bald ich weiß, wo du dich rumtreibst. Sagte ich doch. April wird zwar sicher nicht so glücklich sein, aber sie ist ja bei Chily in, wen auch gewöhnungsbedürftigen, aber guten Händen. Genauso wie Robin, “ entgegnete der Gefragte sicher. „Yuma. Ich hol dich am Flughafen ab. Also mach dich auf die Socken. Alles andere klären wir, wenn wir Colt wieder mithaben und die Zeit dafür finden.“ Fireball nickte. „Okay.“ Damit legte er den Hörer auf und klinkte sich aus dem Gespräch aus um ein paar Sachen für einen Kurztrip zu packen. Chily hielt noch die Leitung. „Saber?“ – „Ja, bin noch dran.“ Zögernd begann sie: „Ähm, also April ist etwa in der dritten Woche. Nur so zur Info. Sie und Robin bleiben bei mir, wenn du uns also erreichen willst, dann nur hier, “ meinte sie dann um das Gespräch nicht schon beenden zu müssen. „Okay. Dann passt aufeinander auf, ja?“ Sie schaute auf die Ladestation. „Tun wir. Du weißt ja, ich hab Winnie, “ erwiderte sie. „Ich weiß. Wir kommen so bald wie möglich wieder.“ Sorge um die drei Frauen hörte sie im Unterton. „Gut. Und das bitte am Stück und lebend, “ versuchte sie schwach zu scherzend. Gern hätte sie noch gehört, dass er ihr noch etwas Persönliches sagte, aber er tat es nicht. Durch seinen Kopf schwirrten andere Informationen, die er auswerten musste, machte sie sich dann klar. Dennoch klang ihr „Bis bald“ ein wenig traurig. „Keine Sorge, ich bringe Colt zurück“, versicherte er ihr. „Ich weiß. Ciao.“ Er erwiderte den Abschiedsgruß und legte auf. Die Verkehrsverbindung zwischen dem recht abgelegenen Tucson-City und Orten wie Yuma war nicht sehr gut ausgebaut und umständlich, so dass Fireball erst am nächsten Morgen am Flughafen der Großstadt eintraf. Bis er endlich auschecken konnte, war eine weitere Stunde vergangen und der halbe Vormittag war um. Saber erwartete ihn gut sichtbar am Ausgang. Trotz der Menschenmassen, die hier hinausströmten, sahen sich die beiden von weitem. „Hallo, Daddy“, grüßte der Recke mit leichtem Grinsen. „Hallo Schweiger“, erhielt er gereizt zur Antwort und das Grinsen verging ihm. „Wenigstens erlebe ich nicht nach neun Monaten eine Überraschung, Fireball“, stellte der Blonde trocken fest und schlug den Weg zum Hotel ein. Der Rennfahrer folgte ihm. „So wie du das sagst, klingt es, als wäre das was schlechtes“, beschwerte Fireball sich. „Übertrieben toll ist es aber auch nicht, “ befand der Kritisierte. Die Miene des Freundes verdüsterte sich. „Es ist besser, als die Überraschungen für die du gesorgt hast. Ansonsten finde ich den Gedanken gar nicht so schlecht Vater zu werden. Auch wenn es etwas früher kommt, als gedacht war, “ gab er zurück. „Du hast gedacht?“ Skeptisch hob der Recke die Braue. „Sieht nicht so aus.“ Die Brauen des Japaners zogen sich weiter zusammen. „Das kann ich gleich zurück geben. So großartig hast du ja auch nicht nachgedacht, als du entschieden hast, Top Secret über deine Freunde zu stellen, “ blaffte er. „Keiner konnte wissen, wie das ausartet. Bei dir sind die Folgen hinreichend bekannt.“ Damit schob Saber die Hände in die Taschen. Das war ja eine schöne Begrüßung. Gewitterstimmung trotz Sonnenschein. Was stimmte denn nicht mit ihm, dass er neuerdings überall aneckte? „Ja, darauf kann sich jeder einstellen, im Gegensatz zu dem Chaos, dass du verursacht hast. Robin schlief gestern Nacht bei Chily ein. Besser gesagt, sie hat sich bei ihr in den Schlaf geweint.“ Strafend guckte ihn der Rennfahrer an. „Dann lass uns mal zusehen, dass wir den Bräutigam mit den kalten Füßen auftreiben. Deine Abreibung kriegst du später, wenn ich Zeit und Nerven habe. Einfach unsere Navigatorin zur Mutter machen, “ erwiderte der Schotte und rollte die Augen. Als ob der Fall an sich nicht schon schwierig genug war, kam jetzt auch noch eine, seiner Meinung nach unter diesen Umständen, etwas unglückliche Schwangerschaft und ein verstimmter Freund hinzu, der ihm sein schlechtes Gewissen noch schwerer machte, als es ohnehin schon war. „Da gehören bekanntlich zwei dazu“, warf dieser Freund nun zurück. „Und sollte der Bräutigam den Drang verspüren, dir eine reinhauen zu wollen, ganz ehrlich Boss, ich werd ihn nicht davon abhalten.“ Der Angesprochene hob träge die Schultern. „Wie du meinst. Und nun: Allez hopp, wir müssen noch mal zu Commander Eagle, “ versuchte er das unangenehme Gespräch abzubrechen. Doch Fireball hatte noch etwas auf dem Herzen. „Darf ich dir noch was ehrlich sagen? Ich weiß ja nicht, was Sincia mit dir angestellt hat, aber du solltest dir mal wieder ein paar Emotionen zu legen. Dein Verhalten der letzten Tage ist selbst für dich reichlich kühl.“ Das hatte gesessen. Innerlich war der Recke zusammen gefahren, doch das verbarg er hinter seiner üblichen, sachlichen Miene. „ Dir würden ein paar Emotionen weniger manchmal auch ganz gut tun, aber ich reib es dir trotzdem nicht unter die Nase …“ – „Kannst ein paar von mir haben, “ warf Fireball ein. „Lass uns gehen, bevor Colt einen Kapitalbock schießt und jede Hilfe zu spät kommt, “ beendete Saber nun endgültig den Dialog. Später suchte Fireball Saber in dessen Hotelzimmer auf und begann ihm zu helfen, die Akten durchzusehen. Mit dem Gedanken im Hinterstübchen bald Vater zu werden, war er jedoch nicht ganz bei der Sache. Für ihn war es zwar nicht so unvermittelt gekommen, wie für seine Freundin, doch Gewissheit zu haben, war auch nicht immer nur beruhigend, wie er feststellte. Mit den Eigenarten der kleinen Hebamme kam er nicht so recht klar und ihn selbst hatte überrascht, dass er so überzeugt sagen konnte, dass April bei ihr in guten Händen war. Selbst jetzt hatte er keinerlei Bedenken. Auch, dass April eine gute Mutter werden würde, stand für ihn fest. Nur an seinen Qualitäten als Vater hatte er Zweifel. Er versuchte sie bei Seite zu wischen und sich auf den Brief, der vor ihm lag, zu konzentrieren. „Forensic Institut, 21 Jump Street …“ Sie brauchten eine gemeinsame, größere Wohnung. Seither hatten April und er die Zeit, die sie für einander hatten, entweder in ihren oder seinen vier Wänden verbracht. Aber sich auf einen Wohnsitz festzulegen, daran hatten sie noch nicht gedacht. Oder sollten sie sich lieber nach einem Haus mit Garten am Stadtrand umsehen? Kinder waren schließlich gern draußen und eine Großstadt bot, bis auf Parks und Spielplätze, doch die Möglichkeit, jeder Zeit im Freien zu toben und zu spielen. Außerdem stellte der lebhafte Straßenverkehr für Kinder doch immer wieder eine Gefahr dar. So in Gedanken vertieft, bemerkte Fireball nicht, wie Saber ihm die Mappe wegzog und sie eingehend studierte. Dass sein ehemaliger Pilot angesichts der unerwarteten Neuigkeiten andere Sorgen hatte, überraschte den Schotten nicht sonderlich. Er hatte schon damit gerechnet, dass die Recherche an ihm hängen bleiben würde. Saber war dabei aufgefallen, dass Dooley immer in den gleichen Motels abgestiegen war um zu ermitteln. Eine Adresse hatte er dabei öfter als alle anderen genutzt. Vielleicht sollten sie dort als erstes nach Colt suchen? Der kannte Dooley schließlich wie kein zweiter und würde wahrscheinlich auch dort zu erst mit der Suche nach dessen Mörder beginnen. Die Adressen der Motels hatte der Recke fein säuberlich in einem Notizblock aufgeschrieben, nach Häufigkeit des Aufenthalts sortiert. Andere Anhaltspunkte gaben die Akten gerade nicht her. Morgen, so begann er sich gedanklich einen Plan zu rechtzulegen, würden sie mit Commander Eagle die Vorgehensweise besprechen. Anschließend mussten sie zu den Frauen zurückkehren und sich darauf vorbereiten die Motel-Liste abzuarbeiten. Dafür veranschlagte er grob zwei Wochen, davon ausgehend, dass Colt ihnen etwa drei bis vier Tage voraus war. Wenn sie ihn einholten, musste Saber ihm alles erzählen, was er wusste. Das würde unangenehm werden, davon war er überzeugt. Der Scharfschütze hatte sicher immer noch eine Mortzwut auf ihn und konnte es ihm nicht mal verübeln. Saber hoffte nur inständig, dass sie Colts Fährte nicht verloren oder zu spät kamen. Also mussten sie noch morgen Abend aufbrechen. Aller spätestens jedoch übermorgen vor Sonnenaufgang war es Zeit sich davonzumachen. Er stieß Fireball sacht an und riss ihn aus seinen Gedanken. „Geh schon April anrufen und sag ihr, dass du gut angekommen bist. Ich bringe derweil die Unterlagen ins Archiv zurück, “ meinte er leicht. Perplex stellte der Rennfahrer fest, dass es inzwischen fast schon Abend war und er Saber im Grunde kaum geholfen hatte. Ehe er die Chance hatte, sich dafür zu entschuldigen, war der Recke schon zur Tür raus. Als Saber sein Zimmer wieder betrat, war es leer. Natürlich hatte Fireball sich sofort in seine eigenes begeben und April angerufen. Zum ersten Mal seit langem froh über seine Einsamkeit ließ der Schotte sich aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Zu allem, was ihm schon durch den Kopf geisterte, kam jetzt auch noch die krause, schwarzhaarige Archivangestellte, mit ihrem gekünsteltem Lächeln und den furchtbar klackernden Absätzen, hinzu. Die Schuhe konnten schlecht bequem sein. Warum zog sie sie nicht einfach aus? Saber schloss die Augen und rieb sich die Schläfen. Die frostige Stimmung zwischen ihm und Fireball würde wohl noch eine Weile andauern. Sehr viel anders würde die Laune zwischen ihm, Robin und April wohl auch nicht sein. Mit dieser wenig berauschenden Aussicht und dem Geklapper der Absätze noch im Ohr, fragte er sich, ob Fireball wohl noch die Leitung blockierte oder sein Gespräch mit seiner Freundin schon beendet war. Kurz entschlossen schwang er die Beine wieder aus dem Bett und hockte sich auf die Kante an der Nachttischseite, wo das Telefon stand. Er wählte Chilys Nummer. Zweimal ertönte das Freizeichen, dann wurde abgenommen. „Hallo?“ hörte er sie verwundert fragen. „Hey, Chily.“ Er versuchte so unverfänglich wie möglich zu klingen. „Ich wollte nur kurz nachfragen, wie es bei euch aussieht?“ – „Saber?“ Sie war eindeutig überrascht. Offenbar war sie nicht davon ausgegangen, dass er öfter als nötig anrief. Schließlich lenkte es ja von der Arbeit ab. „Den Umständen entsprechend gut, danke“, erwiderte sie. Er schwieg kurz, wusste nicht so recht, was er sagen sollte. „Ja? Ist bei Robin und April alles okay?“ brachte er schließlich hervor, bevor die Stille zu lang und zu peinlich werden konnte. „Na ja, Robin versucht tapfer zu sein. Und April geht es ganz gut. Von den üblichen Schwangerschaftssymptomen bleibt sie bis jetzt verschont, “ berichtete sie und fragte ihrerseits nach. „Und wie geht es bei euch? Hat Fireball dir sagt, was auch immer er zu sagen hatte? Geht es ihm jetzt besser?“ – „Was hätte er sagen sollen?“ wollte er verwundert wissen. „Na, er war in letzter Zeit leicht gereizt. Denk doch nur mal an das letzte Gespräch, bevor er zu dir gekommen ist. Da war doch eine Aussprache fällig, dass war ja deutlich, “ gab sie leicht zur Antwort. „Ach, das meinst du, “ erinnerte er sich. „Fireball ist leicht durch den Wind, ihm wird erst langsam klar, welche Verantwortung er zu übernehmen hat, das macht ihn wohl nervös.“ Er hörte sie neben her hantieren. „Möglich“, bekräftigte sie seine Vermutung. „Könnte auch an mir liegen und der doch sehr diskreten Weise, wie ich ihm und April gesagt hab, dass sie schwanger ist, “ ergänzte sie dann. „Warst du wieder in fremden Köpfen unterwegs? Na, dann ist es kein Wunder, dass Fireball genervt ist.“ Sie konnte ihn schmunzeln hören. Dann ging ihm noch ein Licht auf. „Momentmal, du hast beiden gesagt, dass April schwanger ist?“ Jetzt musste er lachen. „Ich wäre zu gern dabei gewesen.“ Die Gesichter der beiden hätte er wirklich gern gesehen. Sie schlug sich leicht mit der Hand gegen die Stirn. Das war ihr unangenehm. „Hör bloß auf. Ich erkenn mittlerweile Frauen in anderen Umständen. Nur April hatte bis dahin noch keine Ahnung und ich hab es ausgesprochen, als müsste es ihr klar sein. Gott …“ – „Die ganze Sache ist eigentlich nicht so komisch, aber hätten sie vorher nachgedacht, wär es gar nicht so weit gekommen. Unsere Nesthäkchen werden Eltern. Ich bin gespannt, was Aprils Vater zu der Geschichte sagt, “ meinte er. „Tja, geplättet waren beide. Wir werden sehen, was passiert. Jedenfalls war es ein Fettnäpfchen a la Bullet, “ gab sie zurück. Wieder kehrte einen Moment lang Schweigen ein. „Chily?“ Sie spürte, dass Saber zu dem eigentlichen Grund seines Anrufes ansetzte. „Ja? Was ist?“ Er räusperte sich verlegen. „Wie geht es dir?“ fragt er dann. Der Grund, weshalb er sie angerufen hatte, war, dass er an sie denken musste und sie ihm als einzige Person einfiel, die in der augenblicklichen Lage über seinen Anruf freuen würde. Er hörte sie lächeln. „Ich glaube, ganz gut. Es liegt keiner mehr neben an, der mich um den Schlaf bringen könnte. Ich bekomme jetzt also reichlich davon.“ – „Oh“, entfuhr es ihm enttäuscht. Das hatte er nicht so unbedingt hören wollen. „Ach weißt du, Schlafen ist furchtbar langweilig. Angel ist übrigens beleidigt, weil nachts niemand mehr auf ihr reitet, wenn sie, Demon und ich losziehen, “ stellte sie ihre erste Aussage liebevoll richtig. „Wir kommen morgen zurück, “ antwortete der Recke milde. „Mein Begleiter ist neuerdings furchtbar anhänglich und möchte zu April. Wir werden uns beeilen, versprochen.“ Wieder lächelte sie. „Das ist gut. Dann kann ich Angel ja schon mal trösten. Sie wird sich freuen.“ Ob die Stute sich freuen würde, war Saber eigentlich weniger wichtig. „Und du? Wirst du dich auch freuen?“ brachte er angestrengt hervor. Es war doch noch recht schwierig, jemanden hinter seine Fassade sehen zu lassen. „Was stellst du für Fragen? Natürlich tu ich das, “ kam es prompt von ihr zurück. „Du ...“ Sie holte tief Luft. „Du fehlst mir.“ Er fehlte ihr. Sein Herz begann schneller zu schlagen. „Ich vermisse dich auch“, gestand er sanft. Fireball betrat in diesem Moment das Zimmer und hörte den letzten Satz. Überrascht entfuhr es ihm: „Wow, telefonierst du wieder mit Sincia?“ Der Recke riss geschockt die Augen auf und wand sich zum Rennfahrer um. Seine Worte waren offensichtlich auch für Chily verständlich genug gewesen, dann die Geräusche vom anderen Ende der Leitung verrieten, dass sie den Hörer hatte fallen lassen und rasch wieder aufhob. Verwirrt und aufgeregt ertönte ihre Stimme wieder. „Du hast sie angerufen? Du hast wieder Kontakt zu ihr?“ – „Nein“, rief er aufgebracht zurück. Das durfte sie nicht denken. Die kleine Hebamme atmete tief und versuchte, so ruhig wie möglich zu sprechen. „Am Telefon kann jeder lügen. Sogar ich. Kannst du mir das auch ins Gesicht sagen, wenn wir uns wiedersehen?“ fragte sie, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. „Ja, kann ich, Chily“, entgegnete Saber fest. Fireball kappte der Kiefer ins Bodenlose. „Gut. Hoffen wir es. Tschüs Saber.“ – „Tschüs.“ Der Blonde unterdrückte ein Seufzen und legte auf. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Beide waren geplättet über die Situation, die entstanden war. „Das war Chily?“ fragte der Rennfahrer perplex. Er war tatsächlich eher davon ausgegangen, Saber würde versuchen die Beziehung zu Sincia wieder aufleben zu lassen. Dass er Grund hatte Chily anzurufen, konnte Fireball sich überhaupt nicht vorstellen. „Schon mal was von Diskretion gehört?“ fragte der Recke streng zurück. Es war kaum eine Minute her, da hatte er das Gefühl gehabt, Chily stünde ganz sicher auf seiner Seite. Ein Fakt, den er bei April und Robin nicht genau wusste, dafür aber davon ausgehen konnte, dass bei seinen ehemaligen Kollegen eben das Gegenteil der Fall war. Jetzt hatte er vielleicht auch noch Chilys Unterstützung verloren. „Nicht so viel wie du“, gab der Japaner sofort provozierend zurück. Saber verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte den anderen mit einem tadelnden Blick. „Aber deine Eltern haben dir schon beigebracht, nicht in fremde Telefongespräche zu quatschen, oder?“ hakte er trocken nach. Deutlich angegriffen wehrte der Rennfahrer ab. „Entschuldige, ich hab nicht gedacht, dass sie es hört. Ich hab mich nur gewundert.“ - „Die Einsicht kommt etwas spät. Das nächste Mal warte bis ich aufgelegt hab. Dann kannst du deine Kommentare vom Stapel lassen, “ versuchte Saber das Thema abzuhaken. Er würde ja doch bis morgen warten müssen, bis er Chily sah, um herauszubekommen, wie dramatisch das Ganze wirklich für sie war. Fireball, der von der Verschwiegenheit seines früheren Bosses alles andere als begeistert und enttäuscht von dessen kühler Reaktion auf die Schwangerschaft war, hatte keine Schwierigkeiten damit sich erneut angegriffen zu fühlen. „Herrgott krieg dich wieder. Das war doch bloß Chily. Du tust ja grade so, als hätte ich eine Ehekrise heraufbeschworen.“ Wie nah er damit den Fakten kam, ahnte er nicht mal. „Das ist dasselbe, als wenn ich frage würde, ob du mit Mandarin telefonierst, wenn du BLOSS“ Das Wort hatte einen abfälligen Unterton. „ mit April telefonierst“, konterte der Schotte. „Das kannst du doch gar nicht vergleichen. Wenn du das machen würdest, wäre es mein Todesurteil. Wenn ich das mache, was ist schlimmes daran. Ich meine, es ist ja nicht grad so, würde was zwischen dir und Chily laufen, “ entgegnete Fireball verständnislos. Was machte Saber denn für ein Drama daraus? „Ja, ich merke schon, Denken ist immer noch nicht deine Stärke.“ Die Miene des Blonden verdüsterte sich allmehlig. Die Hinweise waren doch wohl klar und deutlich. Wieso zählte der werdende Vater nicht einfach eins und eins zusammen? Weil es für ihn nur schwer vorstellbar war. „Bitte? Du willst mir nicht allen Ernstes erzählen, dass ausgerechnet du … und ausgerechnet Chily…“ Er brachte den Satz gar nicht zu Ende, so unglaublich war es für ihn. „Ich will dir gar nichts erzählen“, erklärte Saber. Das wollte er grad wirklich nicht mehr. „Aber du und Feingefühl. Das ist wie Tag und Nacht, “ fügte er noch hinzu. Der Japaner parierte gleich. „Wenigstens hab ich sonst noch Gefühle und mutiere nicht zum Eisblock. Du und Chily, das wäre wie Tag und Nacht, “ konterte er. Obwohl Chily ja emotional genug für beide, sich und Saber, war. „Jaja, dein Flämmchen lodert zu jeder Tages- und Nachtzeit und gelegentlich kommt auch ein Feuersturm dabei raus. Und jetzt zerbrich dir nicht den Kopf über Dinge, die dich nichts angehen, “ murrte der Recke zurück. Fireball verschränkte abweisend die Arme vor der Brust und bedachte den Schotten mit einem abschätzenden Blick. „Aha“, kam es frostig von ihm. Saber seinerseits hob die Brauen. „Was?“ Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Na, denk mal nach, was du grad gesagt hast“, meinte er. Die Aussage über die Flämmchen empfand Fireball als derben Tiefschlag. Für ihn hatte Saber, vor allem wenn der Rennfahrer noch an die vorherigen Reaktionen dachte, spätestens jetzt deutlich gemacht, dass er ihn und April für verantwortungslos und unüberlegt hielt. Was ihn daran am meisten verstimmte, war, dass er sich scheinbar nicht so auf seinen ehemaligen Boss verlassen konnte, wie er angenommen hatte. Der erkannte, dass er auf dem Eis zwischen sich und Fireball ausgerutscht war. Aber was sollte er jetzt noch sagen? Der Gesichtsausdruck des Japaners war für eine Entschuldigung nicht gerade ermutigend. Im Gegenteil. „Ach, lass mich doch in Ruhe!“ brummte Saber schließlich düster. „Gern.“ Schon war der Rennfahrer aus dem Zimmer verschwunden. Na herrlich. Der Recke sackte frustriert aufs Bett. War er denn neuerdings mit zwischenmenschlichen Beziehungen völlig überfordert und nicht mehr in der Lage, damit um zu gehen? Hatte er verlernt ein Freund zu sein? Nein, den Typen da kannte er nicht, verriet der Blick in den Spiegel. Noch nie gesehen. Wenn er selbst sich nicht erkannte, würde ihn auch sonst niemand identifizieren. Zwar war sein Aussehen noch nicht perfekt, aber bald. Er fuhr sich über das pechschwarze Haar. Es war vielleicht noch drei Millimeter lang, seitlich und am Hinterkopf völlig abrasiert. „Ich hoffe, du weißt es zu würdigen, Dooley.“ Bevor er weiterzog, gab er noch ein Paket an die Adams Ranch auf. Dann verließ er die Stadt. Er musste sich beeilen und die Sache schnell zu Ende bringen. Sie sollte nicht zu lange auf ihn warten müssen. Während der Besprechung mit Commander Eagle war dem die gespannte Stimmung zwischen Fireball und Saber aufgefallen. Charles nahm sich deshalb viel Zeit, den Rennfahrer über alles zu informieren und genau darzulegen, wessen Ansichten die getroffenen Entscheidungen hauptsächlich beeinflusst hatten. Der Befehlshaber der Sektion West hatte richtig vermutet, weshalb sein Schwiegersohn in spe auf den Recken sauer war. Von dessen anderem Grund dafür erfuhr er vorläufig noch nichts. Der Japaner hielt es für besser, dass April ihrem Vater selbst die Botschaft überbrachte. Saber dachte genauso und ließ ebenfalls keinen Ton darüber verlauten. Kapitel 6: Hunting high an low II --------------------------------- Als die beiden am Nachmittag die umständliche Rückkehr zur Adams Ranch antraten, hatte Fireball zwar etwas mehr Verständnis für das Schweigen des Schotten, blieb jedoch weiterhin still. Zu tief saß die Enttäuschung über die herzlos wirkende Reaktion auf Aprils Schwangerschaft. Der Blonde akzeptierte das Schweigen. Es war ihm lieber, wenn sie sich friedlich ignorierten, als durch Worte eine noch tiefere Kluft zwischen ihnen zu schaffen. Licht fiel aus dem Wohnzimmer auf den nächtlichen Hof. Die Mädchen waren noch auf. Unwillkürlich beeilten sich Saber und Fireball den Racer zu parken und Steed in den Stall zu führen. Beide hatte eine Welle Wiedersehensfreude erfasst. Schwungvoll öffnete der Rennfahrer die Eingangstür. Der Recke folgte auf dem Fuße. Drei angetrunkene Sektgläser und verschiedene Schalen mit Knabberzeug befanden sich auf dem flachen Beistelltisch. Auf dem Sofa vor dem Fernseher hockten April, Chily und Robin mit angezogenen Beine und verfolgten gebannt die Szene eines Liebesfilmes. „ … Oh André, du ast misch mit Nicole, Michelle und Babette betrogen, “ fiepte eine stark mit französischem Akzent gefärbte Frauenstimme. „Aber dann diese Liaison mit Carol, mein Schwester. Du dreckige Schüft.“ Jemand bekam eine Ohrfeige. Erleichtert lehnte Chily sich zurück. „Na endlich hat sie es kapiert.“ Rechts und links von ihr nickten die anderen beiden zustimmend. „Ihr seid noch wach?“ fragte Fireball. Alle drei Köpfe fuhren zu ihm herum. „Turbo.“ Gleich darauf fiel April ihm um den Hals. „Wir haben einen Frauenabend gemacht“, meinte Robin. „Glück für euch, dass ihr nicht früher gekommen seid. Da hatten wir noch die Avocado-Masken drauf, “ fügte Chily hinzu. Der Rennfahrer hauchte seiner Freundin einen Kuss auf die Nasenspitze und verzog das Gesicht. „Ja, man schmeckt es“, grinste er. „Hi, Süße, “ fügte er dann sanft hinzu. Avocado-Maske hin oder her, er war froh, wieder zurück zu sein. Auch Saber trat nun einen Schritt weiter in den Raum. „Guten Abend, die Damen“, grüßte auch er. Robin winkte ihm leicht zu. „Hi.“ Chily nickte kaum merklich. „Dir auch guten Abend.“ April hatte nur Augen für ihren Rennfahrer. „So langsam bin ich aber reif fürs Bett“, informierte sie lächelnd. Er stimmte sofort zu. „Bett klingt gut. Hab schon erheblichen Schlafmangel.“ Damit schob er sie die Treppen hinauf. Gute-Nacht-Wünsche folgten ihnen. Etwas ratlos sah Saber den zweien nach und dann zu den Frauen auf der Couch. „Darf ich noch ganz unverschämt nach etwas zu trinken fragen, bevor ich auf die Couch verbannt werde?“ wollte er verlegen wissen. „Klar, darfst du. Ob du was kriegst ist die andere Frage, “ grinste Chily schief zurück, holte ein Tablett hervor, auf das sie die leeren Schalen vom Tisch stellte, und brachte es in die Küche. „Es ist noch ein Zimmer frei für dich. Keine Sorge, so breit haben wir uns hier nicht gemacht, “ erklärte Robin. Dass sie ihn freundlich begegnete, beruhigte ihn. Er hatte mit Vorwürfen gerechnet. „So breit seid ihr auch nicht, Ladies“, gab er lächelnd zurück und folgte Chily in die Küche, da es für ihn nicht so aussah, als würde er was zum Trinken bekommen. „Soll ich dir noch helfen?“ Die Gefragte war allerdings gerade dabei, mit einem Glas ins Wohnzimmer zurückzukommen und erschrak, als er für sie so plötzlich vor ihr stand. Prompt verschüttete sie ein wenig von dem Saft. „Ha“, entfuhr es ihr, dann kommentierte sie die Pfütze auf den Fliesen mit „Mist“ und erklärte dem Recken. „ Mich töten zu wollen ist keine Hilfe.“ Er wich einen Schritt zurück und hob entschuldigend die Hände. „War keine Absicht.“ Sie drückte ihm das Glas in die Hand. „Ich weiß ... Bitte.“ Anschließend griff sie nach einem Putzlappen und begann das Verkippte aufzuwischen. „Warte mal“, setzte Saber an um heraus zubekommen, was mit ihr los war. Sie machte überhaupt nicht den Eindruck, als würde sie sich freuen, ihn zu sehen. Ehe er diese Gedanken aussprechen konnte, linste Robin in die Küche. „Ich geh dann auch mal schlafen“, informierte sie knapp. Die kleine Hebamme nickte. „Ist gut Number 1. Wenn irgendwas ist, weck mich einfach. Okay?“ Ihre Stimme klang sanft. „Ja, danke. Gute Nacht ihr beiden.“ Dann war die Lehrerin auch schon wieder weg. Colts Jugendfreundin fuhr mit ihrer Arbeit fort. „Erwarte nicht, dass ich dich allzu überschwänglich begrüße. Ich habe gestern deutlich gehört, was Fireball gesagt hat.“ Sie stand auf, räumte das Putztuch weg und wand sich zu dem Recken um. „Und es geht mir immer noch nicht aus dem Kopf“, fuhr sie fort. „Wenn ich jetzt noch daran denke, wie du sie immer in Schutz genommen hast, wenn das Gespräch auf sie kam, hab ich ein ganz uaäh“ Sie schüttelte sich. „Bild vor Augen.“ Er sah verlegen zu Boden. „Was für ein Bild? Von Sincia und mir?“ hakte er nach. „Ja und offengestanden will ich mir das nicht allzu deutlich vorstellen.“ Dass ihr das nicht gefiel, konnte jeder erkennen. Saber hob den Blick wieder. „Da gibt es kein Bild, kein gemeinsames. Nicht mehr. Nie wieder, “ entgegnete er darauf. Sie musterte ihn. „Bist du dir da ganz sicher?“ Nicken. Natürlich war auch sie auf ihre Weise vorsichtig, wurde ihm dann klar. Er brauchte ja nur an den Typen denken, der sie gegen die Scheunenwand gedrückt hatte. „Ein Arschloch, welches das Wort „Nein“ nicht im Sprachschatz hat.“ Wer wußte, was sie noch erlebt hatte? Deshalb erklärte der Schotte: „Unser kleiner Rennfahrer hat ins Blaue geraten und wie schon erwähnt, Quizmaster ist er keiner“ – „Das heißt, du hast sie nicht angerufen und Fireball hat keine Ahnung, was zwischen uns beiden beginnt,“ schlussfolgerte Chily, wobei sie ihn prüfend ansah. Der Recke lächelte leicht. „Fireball denkt nicht weiter, als“ Wie konnte er das noch nett formulieren? „naja, ans Vergnügen halt und um seine Vorstellungskraft ist es scheinbar auch nicht besser bestellt“, meinte Saber dann. Kaum merklich nickte die kleine Hebamme. „Und du hast nicht vor, ihn aufzuklären?“ Eine blöde Frage, fand sie selbst. Doch sie stellte sie aus einem Grund. Um sicher zu stellen, dass er auch vor seinen Freunden zu ihr stand und er sich nicht für sie schämte, manchmal, wie es bei dem blöden XXX, der Fall gewesen war. „Ich hab es ihm gesagt, aber ob es im Oberstübchen angekommen ist, ist eine andere Frage“, antwortete der Gefragte ehrlich. Sein Ton ließ erkennen, dass er es ihm noch immer sauer aufstieß. Chilys linke Augenbraue zuckte in die Höhe. „WIE hast du es ihm denn gesagt?“ bohrte sie. „Ich hab es ihm normal gesagt“, antwortete er und stellte das geleerte Glas auf die Anrichte. „Normal kann bei dir auf andere auch frostig wirken. Das ist dir schon klar, oder?“ Wieder zuckte der schwungvolle Bogen über ihrem Auge. „Frostig? Sehr nett umschrieben. Fireball benutzte das Wort Eisberg in dem Zusammenhang.“ Der Recke verzog unwillig den Mund. „Das würde mir an deiner Stelle zu denken geben.“ Colts Jugendfreundin stieß sich von dem Küchenschrank ab und kam einen Schritt auf den Schotten zu. Der lehnte sich gegen den Arbeitstisch und gab zu. „Das tut es. Wenn einer meiner besten Freunde so über mich denkt...“ Er brach ab und Chily las ihm seinen Gedanken vor. „Tut weh, nicht wahr?“ Ihre Augen ruhten musternd auf ihm. „Tut in letzer Zeit ein bisschen zu oft und zu viel was weh.“ Oh man, wie machte sie das nur immer wieder? „Wem? Mir?“ Mit dieser Frage wollte Saber das Ganze runter spielen. „Nein. Dir natürlich nicht, “ gab sie ironisch zurück und schüttelte den Kopf. „Willst du das jetzt ernsthaft ausgerechnet mir gegenüber abstreiten?“ Erneut versuchte er auszuweichen. „Das hab ich nicht gesagt. Es war sehr allgemein formuliert, meinst du nicht.“ Einigermaßen unschuldig linste er zu ihr. Kaufte sie es ihm ab? Nein. Ihre Miene war skeptisch und tadelnd. „Du schwindelst mich gerade an. Sehr deutlich daran erkennbar, dass du mir nicht richtig ins Gesicht gucken kannst, “ stellte sie souverän fest. „Das kann sein, “ gab er zu. Sie war ein wandelnder Lügendetektor, also fuhr er ehrlich fort. „Aber ich hoffe, ich kann ein Licht am Ende des ewig langen Tunnels sehen.“ Sie nahm liebevoll seine Hände. „Dann mach die Augen auch auf“, forderte sie ihn sanft auf. Er zog sie in seine Arme. Sie bettete ihren Kopf an seine Schulter. Ja, danach hatte sie sich gesehnt, genauso wie er. „Meine Äugelein sind offen“, murmelte er. „Nun? Was siehst du?“ fragte sie, legte ihre Arme um seine Taille und mahnte gleich darauf. „Und wage ja nicht, mich anzulügen.“ Jetzt sah sie zum ihm auf. „Ich sehe eine Frau, deren Leidenschaft wie ein Feuer brennt“, begann der Recke. „Aber Feuer tut weh. Es wird immer wehtun, weil kein Feuer harmlos ist.“ – „Oha.“ Alarmiert wollte sie sich von ihm wegdrücken. Diese Einstellung war gefährlich, denn so konnte keine Beziehung aufgebaut werden, wenn einer von beiden solche negativen Hintergedanken dabei hatte. Es war also Vorsicht geboten. Doch Saber ließ sie nicht los, ließ nicht zu, dass sie einen Schritt von ihm fort ging. „Du wolltest, dass ich dich nicht anlüge. Es ist die Wahrheit, Chily. Feuer brennt und ich kenne niemanden, der sich nicht die Finger verbrannt hat, “ rechtfertigte er seinen Antwort. „Das Feuer der Wahrheit verbreitet wohltuende Wärme, dass der Lüge wird zum Brand, “ stellte sie klar, denn diese indianische Weisheit galt für sie in allen Lebenslagen. Der Schotte dagegen unterschied recht klar. „Ich rede vom Feuer der Leidenschaft, Chily. Von deiner Leidenschaft.“ Erneut versuchte sie sich von ihm zu lösen. „Dann solltest du mich loslassen, ehe du dich verbrennst. Ich sagte schon einmal, ich will dir nicht weh tun.“ Wenn er sie für so gefährlich hielt, war es besser für ihn. Jetzt ließ er sie los. „Vielleicht hast du Recht, “ meinte er verunsichert. Einen Momentlang standen sie sich schweigend gegenüber. Ganz deutlich verrieten ihre Herzen, dass sie wieder in die Arme des anderen wollten, auch wenn das des Recken leicht zögerte und dessen Verstand davor warnte. „Ich bin wie ich bin, Saber. Du kriegst, was du siehst. Wenn du es willst, “ informierte Chily schließlich. Ein leichtes Zittern schwang mit. Sie wollte bei ihm sein. Doch mehr noch wünschte sie sich, dass er glücklich war. Wenn das hieß, ohne sie, würde sie es akzeptieren, egal, wie schwer es ihr fiel. „Nicht alles ist, wie es aussieht“, erwiderte er. „Stimmt. Du bist nicht so kühl und distanziert, wie du auf andere wirkst. Du bist liebevoll, leidenschaftlich und weise, “ antwortete sie. Das sah sie in ihm? Erstaunt nahm er ihre Hand. „Und wie bist du? Wirst du auf mich warten? Wirst du verstehen, weshalb ich oft nicht zuhause bin?“ fragte er. Die kleine Hebamme lächelte nun. Ihr schlichtes „Ja“ war ehrlich und aussagekräftig. Sie hatte Colts wortloses Verschwinden und jahrelange Abwesenheit sowohl verstanden, als auch ertragen. Jetzt zog Saber sie wieder an sich. „Tu mir nicht weh. Ich könnte es nicht verkraften, “ raunte er ihr ins Ohr. Sie schlang ihrerseits ihre Arme um seinen Hals. Ihr Kopf ruhte wieder an seiner Schulter, doch wenn sie sich leicht auf die Zehenspitzen erhob, konnte sie ihm einen liebvollen Kuss darauf geben. Kaum gedacht, schon setzte sie es in die Tat um und drückte ihm zärtlich die Lippen durch den Stoff seiner Kleidung darauf. Als sie auch noch zärtlich zu saugen begann, jagte ihm ein wohliger Schauer über den Rücken. „Tut das weh?“ murmelte sie. Leicht schüttelte er den Kopf. „Nein, noch nicht. Aber was ist danach? Wirst du mich von dir stoßen, nichts mehr von mir wissen wollen? Wird mir ein anderer die Tür aufmachen, wenn ich dich besuche, “ sprudelten all seine Ängste aus ihm heraus. Hinter einem so schönen Gefühl, wie es sich grad in ihm ausbreitete, durfte nicht wieder ein böses Erwachen stehen. „Nenn mir ein Grund, warum ich das tun sollte? Selbst, wenn sich meine Gefühle für dich ändern sollten, warum sollte ich es dir dann nicht sagen?“ gab Chily zurück. Eine unlogischere Frage hätte er ihr nicht stellen können. Man sprach die Wahrheit, in allen Punkten und Lebenslagen. Menschen, die das anders machten, selbst Notlügen, konnte sie nicht verstehen. „Ich weiß es auch nicht. Aber ich weiß, dass es wehtut. Es reißt einem das Herz entzwei, “ murmelte er leise. Mit ihren Küssen wanderte sie langsam seinen Hals hinauf. „Ich will gar nichts entzwei reißen“, wisperte sie zurück. „Ich will etwas heil machen.“ Wie zum Beweis dafür sog sie noch einmal zärtlich an der Halsbeuge und verursachte ihm ein äußerst angenehmes Prickeln. „Und, wie kommst du voran mit deiner Heilung?“ fragte er schelmisch lächelnd. „Oder ist Hopfen und Malz verloren?“ – „Ich bin zufrieden.“ Dabei glitt sie mit den Lippen die Kontur seines Kiefers entlang. „Also besteht noch Chance auf Heilung für mich, das beruhigt mich ungemein“, stellte er fest. „Aha.“ Da er ihr eindeutig gerade zu viel redete, verschloss sie ihm den Mund mit einem heißen Kuss. Seine Hände strichen sanft über ihre Schultern zu ihrem Hals und hielten schließlich ihren Kopf. Den Kuss erwiderte er, was sie stürmischer werden ließ. Sabers Finger glitten weiter über ihre Schultern die Arme hinab. „WOWHA.“ Auf der Suche nach einem Glas Wasser war Fireball in die Küche gekommen und fand die beiden Schmusenden vor, womit er wirklich nicht gerechnet hatte. Aufgescheucht fuhren die auseinander. „Oh man, Fireball! Musst du mich so erschrecken?“ beschwerte sich der Recke prompt. Chily schaute irritiert zu dem Rennfahrer, dann zu dem Blonden. „Ich glaub, jetzt ist es im Oberstübchen angekommen“, bemerkte sie um ihre Verlegenheit zu überspielen, wurde aber dennoch rot. Der Störenfried schlich rückwärts aus der Küche „Äh... ich glaub, ich such mir einen anderen Wasserhahn“, grinste er verlegen und immer noch überrascht. „Schönen Abend noch.“ Dann war schon wieder weg. „Ich weiß nicht, ob es angekommen ist, auf alle Fälle ist er aber jetzt durcheinander“, kommentierte Saber und hob ertappt die Schultern. „Also so blöd wird er doch wohl nicht sein“, entgegnete die Hebamme. Die Szene, in die der Japaner reingeplatzt war, war immerhin recht deutlich gewesen. „Nein, das ist er nicht“, gab der Recke zu. „Aber manche Dinge brauchen bei Fire etwas länger, bis sie wirklich verstanden werden,“ lächelte er und dachte dabei daran, wie lange der Japaner gebraucht hatte um April seine Gefühle zu gestehen und sich auf eine feste Beziehung mit ihr einzulassen. „Na ja, “ murmelte Chily. „Es hätte auch offensichtlicher sein können.“ Wieder errötete sie. „Vielleicht sollten wir einfach schlafen gehen.“ Er nahm ihre Hand und führte sie aus der Küche. „In dein Bett oder auf die Couch?“ hakte er nach. „Ich in mein Bett und du in dein Gästezimmer“, antwortete sie ihn entschuldigend anlächelnd. „Das hab ich vermutet.“ Der Blonde hob leicht die Schultern. „Jetzt bist du böse, oder?“ fragte sie vorsichtig nach, da sie die Reaktion nicht sicher deuten konnte. „ Nein. Ehrlich gesagt: ziemlich müde bin ich.“ Sie hatten das Wohnzimmer durchquert. Chily löschte das Licht und schaltete das des Treppenaufgangs ein. „Es ist vor allem wegen Robin“, erklärte sie. „Sie ist gestern Nacht aufgewacht. Was ist, wenn sie heute wieder ... Weißt du ...“ Mehr musste sie nicht sagen. „Ich versteh schon. Wir müssen nicht mehr Aufregung stiften, als wir ohnehin schon haben, “ gab er zurück und sah sie nachfühlend an. „Chily?“ – „Ja?“ Sie stiegen die Stufen hinauf. „Ich bin froh, dass du dich so gut um die beiden Mädels kümmerst. Robin muss unglaubliche Angst um Colt haben und April dürfte andere Dinge im Kopf haben.“ Dabei bedachte er sie mit einem warmen Blick. „Naja, eigentlich hat sie sie mehr im Bauch, die gute April“, grinste die Hebamme verschmitzt und fügte dann leicht hinzu. „Wozu hat man sonst Freunde? Ich mag die beiden. Auch, wenn April sich wohl von mir etwas überfordert fühlt.“ Ihr Grinsen wurde verlegen. „Überfordert?“ hakte er nach. „Das kenn ich von April gar nicht. Aber andererseits: In Aprils Lage möchte ich nicht stecken, “ ergänzte er mit gesenkter Stimme, da sie die obere Etage nun erreicht hatten. „Keine Sorge, wirst du nie, “ grinste sie wieder schelmisch. „Dann ist ja gut.“ Sie hielten vor Chily Zimmertür. Verstohlen gähnte der Schotte und flüsterte: „Schlaf gut.“ Sie nickte leicht. „Du auch, “ gab sie zurück, zögerte aber in ihr Zimmer zu gehen. „Was ist? Worauf wartest du?“ Er hatte einen Schritt zurück gemacht, hielt jetzt aber in der Bewegung inne. Sie lehnte sich gegen ihre Tür und schaute lieb zu ihm auf. „Ich dachte, vielleicht krieg ich noch was von dir.“ Ach so war das. Er trat wieder auf sie zu und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. „Besser so?“ Chily wiegte leicht den Kopf. „Nicht schlecht, für den Anfang, “ räumte sie ein und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen. „So besser, “ wisperte sie. Saber erwiderte ihre Zärtlichkeit. „Gut so? Ich bin lernfähig…“ raunte er belegt. „Oh ja.“ Noch einmal zog sie ihn zu sich. Seine Nähe war einfach zu schön. „Hey, was wird denn das“, murmelte er und schlang seine Arme um sie. „Ich weiß nicht, was es wird. Aber es fühlt sich verdammt gut an ...“ Tatsächlich wäre sie zu allem bereit. Das spürte Saber an der Art, wie sie seinen Hals mit Küssen bedeckte. Ihre Leidenschaft steckte ihn an. Liebkosend fuhr sein Mund ihre Schläfe entlang und kam zärtlich knabbernd an ihrem Ohrläppchen zum Stillstand. „Ja, es fühlt sich gut an, fast nicht real…“ flüsterte er heiser zurück. Der Schotte genoss diese Zärtlichkeit sehr. Es war Monate her, dass er sich auch nur im Ansatz so zu einer Frau hingezogen fühlte, wie zu Chily und sie war wie Balsam für den Einsamen. „Ist es aber“, hauchte sie sanft. Etwas knarrte unvermittelt. Mit einem unterdrücken Seufzen ließ er sie los. „Aber jetzt ist es Zeit fürs Bett, bevor wir noch mehr entgeisterte Gesichter erleben“, meinte er. Zerstreut nickte sie. „Ja. Gute Nacht.“ Sie platzierte ihm einen vorläufig letzten, warmen Kuss auf die Wange. „Schlaf gut, Chily.“ Beide verschwanden ihn ihren Zimmern. Saber jedoch etwas später, da er noch zwei Schritte brauchte um seine Tür zu erreichen. Er hatte sie noch nicht ganz geschlossen, da sah er durch den Spalt Robin zu Chilys Zimmer huschen. Die Lehrerin klopfte sacht und rief leise. „Chily, bist du wach?“ Deren Tür öffnete sich. „Wart kurz, Number 1. Ich muss mir ich nur noch schnell mein PJ überziehen.“ Kurz danach wurde die Tür ganz geöffnet und Robin verschwand darin. Der Recke schlich rasch zu Chilys Zimmer hinüber und horchte auf die Geräusche darin. Er hörte die beiden flüstern. Colts Braut schluchzte leise. Die Hebamme erwiderte etwas darauf. Warm und besorgt. Dann folgte Geraschel von Stoff. Saber schloss daraus, dass eine der beiden, oder beide, sich aufs Bett gelegt hatten. Noch einmal hörte er Robin schniefen. Sie musste sich wirklich unsagbare Sorgen um ihren Cowboy machen und es tat ihm leid, dass es nicht mehr zu ändern war. Er musste den Scharfschützen finden. Mit diesem Gedanken trollte er sich, diesmal endgültig, ins Bett. Bevor er am nächsten Morgen aufbrach, trat noch kurz in Chilys Zimmer. Sie schlief tief und fest. Neben ihr lag Robin und schlummerte ebenfalls ruhig. Die beiden Frauen lagen einander zugewandt, Chily mit dem Rücken zur Tür, Robin mit der Rückseite zum Fenster. Jetzt bewegte sich Colts Jugendfreundin leicht im Schlaf. Die Decke rutschte über ihre Schulter und entblößte diese und den schmalen Träger ihres Nachthemdes. Leise beugte sich der Recke zu ihr hinunter und hauchte ihr einen Kuss darauf. Dann schlich er hinaus. Fireball wartete schon am Fury Racer. „Auf geht es“, meinte der Blonde und schwang sich auf Steeds Rücken. Der Rennfahrer nickte knapp und stieg ein. Sie hatten eben den Hof verlassen, als die Sonne zaghaft ihre ersten, noch schwachen, Strahlen darüber warf. Saber blickte kurz über die Schulter zurück. Viele Menschen sahen im Sonnenaufgang Hoffnung. Nach langer Zeit gehörte er auch wieder dazu. „Dis is ja scho ewig ha, dis da hia war“, gab der schwammige, ungepflegte Mann hinter der Theke Auskunft. „Da hat auch imma so fülle Fragen jestellt, wie du. Was willste denn von ihm?“ Die Mundwinkel seines Gesprächspartners, eingerahmt in feine Linien eines sorgfältig rasierten Bartes, verzogen sich unzufrieden. „Sagen wir, es geht um eine offene Rechnung“, gab er vage zur Antwort. Der Fettsack hob die Schultern. „Ich kann dir nich weita helfn. `s schon Monate ha, dass ich ihn jesehn hab. So weit ich mich entsinn kann, hat no nie jemand nach ihm jefragt. Komisch is, dass du da Zwete bist, wo in zwe, nee, drei Wochn nach ihm sucht.“ Der Bärtige hatte sich schon zum Gehen gewandt und fuhr nun überrascht herum. „Tatsächlich? Wer war denn der andere?“ fragte er dann beiläufig. „So’n komischa Vogel. Kleene, schmale Ogen, dunkle Haare ... wenn ich mich richtich erinnere. Laberte irjendwas von Pekos, glob ich.“ – „Danke.“ Im nächsten Moment hatte sein Gast die Bar verlassen. Es gab nur einen in diesem Zusammenhang, der auch noch Verbindung zu Pekos hatte. Wenn sein Verdacht stimmte, musste er sich beeilen, denn die Auseinandersetzungen mit dieser Person hatte er nur knapp für sich entscheiden können. Er schlug den Kragen seiner dunklen Lederjacke hinauf und hastete durch die Nacht zum Airport. Oder war es doch der andere? Es gab genau zwei Gegner, die ihm gefährlich werden konnten. Einer von beiden war ihm fast ebenbürtig. Aber so weit er wusste, lebte der nicht mehr. Oder etwa doch? Die Antwort würde er auf Pekos bekommen. Er schwang sich kurz entschlossen in den Raumgleiter und flog los. „Verdammt, Colt, das Ding ist kein Spielzeug. Wenn du nicht genau weißt, was du tust, lass bloß die Finger davon, “ fuhr Timothy den Lockenkopf an, der immer wieder den Blaster um seinen Finger kreisen ließ. „Was soll schon passieren, Mann? Der ist leer, “ gab der lässig zurück. Was der Typ immer für einen Aufstand machte. Doch Dooley hatte genug von der Uneinsichtigkeit seines Schützlings, die der jedes Mal aufs Neue an den Tag legte. Schon zweimal hatte der Lockenkopf bei diesem Spiel mit der vermeidlich leeren Waffe Schaden angerichtet. In beiden Fällen hatte er den Ballermann erst um den Finger kreisen lassen, dann die Rotation unterbrochen indem er versuchte, rasch den Griff sicher zu mit der Hand zu fassen. In beiden Fällen hatte sich ein Schuss gelöst und die Wanduhr sowie die Glasscheibe von Dooleys Trophäenschrank zerstört. Ein Kratzer blieb an einem der Pokale, wofür Tim dem Spund beinahe eine gelangt hätte. Das war immerhin sein ganzer Stolz. „Schluss jetzt“, forderte Dooley nun ungehalten. „Ach was. Die Puste ist leer, “ entgegnete Colt nonchalant, schnappte sich den Griff der Waffe und hielt sie in die Richtung des Blonden. „Siehst du.“ Er drückte ab und nur knapp konnte Dooley dem Schuss ausweichen, der sich löste. Die kürzlich ersetzte Scheibe der Vitrine splitterte klirrend. Eine Trophäe wackelte bedenklich und fiel heraus. Jetzt platzte Timothy endgültig der Kragen und er griff Colt an den selbigen. Der Überraschte wusste nicht wie ihm geschah, als er von der Faust Dooleys niedergestreckt wurde. „Du Schwachkopf, “ brüllte der. „Du hast doch ein Furz im Hirn.“ Er bebte vor Zorn, hielt jedoch an sich, nicht noch einmal zuzuschlagen. Verwirrt richtete der Lockenkopf sich auf und griff sich an die getroffene Stelle. „Tut mir leid, Tim“, versicherte er hastig stammelnd. „‘Tut mir leid‘ nützt dir auch nichts mehr, wenn du einem die Birne weggepustet hast. Diese Dinger sind kein Spielzeug. Ist das jetzt angekommen?“ schrie der zurück. Colt nickte kleinlaut und verschämt. Schlagartig ebbte Dooleys Wut ab. Zum ersten Mal, seit er Colt bei sich aufgenommen hatte, zeigte der sich einsichtig und verständig. Je länger Tim ihn ansah, desto deutlicher konnte er erkennen, wie betroffen der Spund war. Colt hätte beinahe ein Menschenleben auf dem Gewissen gehabt. Dann auch noch Dooleys. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte er sich eher die Zunge abgebissen, als es zuzugeben, aber er war dem Blonden dankbar dafür, dass er bei ihm wohnen konnte. Nun hätte er ihm fast die Lichter ausgeblasen und das nur, weil er nicht auf den Erfahreneren hatte hören wollen. Wie dumm von ihm. Wie überheblich. Stets war er Tims Rat mit Trotz und Starrsinn begegnet und hatte ihn an sich abprallen lassen. Doch nun begriff der Lockenkopf, dass der Ältere Recht hatte und wusste, wovon er sprach. Gedanklich hatte Dooley schon oft gezweifelt, ob seine Worte tatsächlich auf den fruchtbaren Boden fielen, auf den er hoffte. Nun sah er klar, dass sie es taten. Er reichte dem am Boden kauernden die Hand und zog ihn auf die Beine. „Fang jetzt bloß nicht an zu flennen“, zog er ihn auf. Prompt verzog sich Colts bedrückte Miene zu einer trotzigen. „Ich bin doch kein Weichei, bin ich doch nicht“, parierte er augenblicklich und Tim lachte munter. Von nun an, war er sich sicher, würde er den Jungen endlich in die richtigen Bahnen schieben können. Saber und Fireball waren zwei Tage unterwegs, als Chily ein Paket erhielt. Sie, April und Robin wussten sofort von wem es war. Auch wenn kein Absender angegeben war, diese furchtbare Handschrift erkannten alle drei. Der jetzigen und der früheren Number 1 schlug das Herz bis zum Hals. Auch April war aufgeregt. Das war mehr als ein Paket. Das war ein Lebenszeichen von Colt. Die Hebamme stellte das Paket auf den Tisch im Essbereich des Wohnzimmers, riss es hastig auf und förderte Colts Hut zu Tage. Einen Augenblick lang starrten alle drei darauf. Was hatte das zu bedeuten? Die Freundin des Rennfahrers runzelte die Stirn. Robin stiegen Tränen in die Augen. War das ein Abschied für immer? Chily tastete den Hut ab. Colt hatte eine Nachricht mitgeschickt. Ganz sicher. Doch am Cowboyhut war sie nicht. Auf dem Boden des Paketes fand sie drei gefaltete Zettel, auf der die Namen der Empfängerinnen standen. Chily öffnete ihren. „Dein Eigentum zurück, Jolene.“ Sie schluckte leicht und reichte April das Blatt, der für sie bestimmt war. „Sei lieb zu der Turbopfeife und grüß Saber. HDL.“ Dann bekam Robin ihre Nachricht. Die Lehrerin faltete zögernd und mit zittrigen Händen das Papier auseinander. Sie hatte Angst vor dem, was darin stand, davor, dass Colt vielleicht nicht zu ihr zurückkam. April und Chily konnten es ihr deutlich ansehen. Sie hatte Tränen in den Augen und konnte kaum erkennen, was der Kuhhirte ihr schrieb. Es war nur ein Satz, aber der sagte ihr alles. „Ich liebe dich, Robin Willcox.“ Sie schluchzte erleichtert auf. Er würde alles tun, um zu ihr zurück zu kommen. Ganz bestimmt. Das versprach er ihr mit diesen Worten. Die beiden Freundinnen nahmen sie in die Arme. „Alles wird gut“, flüsterte April. „Alles wird gut.“ Recht ungeduldig erwartete Chily Sabers Anruf an diesem Abend. Sie war sicher, dass er sich melden, ihr den Stand der Suche mitteilen und sich nach den Mädchen erkundigen würde. Es war spät, als das Telefon endlich schellte. Chily, die daneben gewartet hatte, nahm den Hörer ab, noch ehe der Klingelton verstummte. „Hey, ist was passiert bei euch?“ frage der Recke alarmiert, weil sie so prompt zur Stelle war. „Wir haben ein Paket von Colt bekommen“, platzte sie heraus. „Bist du dir sicher, dass es von ihm ist?“ fragte er zurück. „Ja. Die Sauklaue erkenn ich, “ versicherte sie. „Was war drin?“ wollte Saber wissen. Auch ihn versetzte diese Mitteilung in innere Unruhe. „Sein Hut und drei Zettel“, informierte die kleine Hebamme und gab den Inhalt der Nachrichten wieder. Am anderen Ende der Leitung blieb es eine Weile still. Der Blonde sortierte und wertete die Informationen. Dass Colt seinen heißgeliebten Hut an seine Jugendfreundin zurücksandte, hatte mehr zu bedeuten als es im ersten Moment schien. Der Inhalt der Botschaften bedeutete, dass er die Absicht hatte heimzukommen, dies aber nicht wirklich versprechen konnte. Demzufolge hatte der Kuhhirte zumindest einen Verdacht, wer sein Gegner war und hielt ihn für wenigstens ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen. Folglich war auch klar, dass der Cowboy mit seinen Ermittlungen weiter war, als seine beiden Freunde bisher angenommen hatten und dass diese sich noch mehr ins Zeug legen mussten um ihn zu finden. „Ich weiß, dass ihr es schafft“, behauptete Chily plötzlich fest. „Ihr findet ihn. Ganz sicher.“ Saber schüttelte den Kopf. „Woher du immer deine Überzeugung nimmst …“ Tatsächlich hatte er gerade an nichts mehr Zweifel, als daran, den Scharfschützen aufzuspüren. „Ganz einfach“, erklärte sie. „Ihr kennt Colt. Egal, ob er seinen Hut jetzt nicht mehr hat, ob er mit Glatze oder Vollbart durch die Gegend rennt, ihr wisst, wie er reagiert, wie er spricht und sich bewegt. Ihr werdet ihn erkennen, wenn er vor euch steht. Außerdem seid ihr es gewesen, die Nemesis in seine Dimension zurück und Frieden im Neuen Grenzland wiederhergestellt habt. Wenn ihr Colt nicht findet, wer dann?“ Die Unerschütterlichkeit und Gewissheit in ihren Worten tat ihm gut. Selbst durchs Telefon las sie in ihm, wie in einem offenen Buch und linderte seine Bedenken. „Danke, Chily“, entgegnete er. „Wofür? Was wahr ist, ist wahr. Ach wenn es schwerfällt daran zu glauben,“ erklärte sie selbstverständlich. Der Recke schmunzelte. „Passt auf euch auf. Ich melde mich, so bald wir was Neues haben, “ sagte er dann. „Okay. Kommt bald wieder.“ Damit legte sie auf. April hatte inzwischen beinahe alle Urlaubstage und sämtliche Überstunden aufgebraucht. Da sich ihre Entwicklungsarbeit an einem neuen Frühwarnsystem nicht von allein erledigte, hieß es für sie nun nach Yuma zurückzukehren. Noch konnte sie ohne größere Beschwerden zu haben, arbeiten gehen und würde es auch tun. Sie hatte vor, auf Chilys Rat zu hören und nicht unnötig länger zu arbeiten. Außerdem musste sie noch irgendwie ihrem Vater beichten, dass sie ein Kind erwartete. Doch langsam gewöhnte sie sich an den Gedanken. Sie versprach der Hebamme sofort anzurufen, sollte sie sich unwohl fühlen, und bekam deren Pagernummer für Notfälle. Robin blieb bei Chily. Sie brauchte deren Gegenwart. Allein in der gemeinsamen Wohnung in Tranquility zu hocken, allein die Vorstellung daran ertrug die Lehrerin nicht. In der Schulfreundin ihres Bräutigams hatte sie eine Leidensgenossin und Seelentrösterin gefunden. Die machte die neue Number 1 kurzerhand zu ihrer Assistentin und brachte sie so auf andere Gedanken. Währenddessen jagten Saber und Fireball dem Scharfschützen nach, doch niemand hatte einen Typen gesehen, auf den die Beschreibung der beiden passte. Im ersten Motel, der Adresse, die Dooley am meisten benutzt hatte, war der Cowboy gewesen, das bestätigte die Frau an der Rezeption. Doch alle weiteren Adressen verneinten, das ein Braungelockter mit blauen Augen Gast war. Die Anspannung und Sorge wuchs. Da sie keine anderen Anhaltspunkte hatten, hielten sie sich weiter an die Liste. Doch erfolglos. Der Kuhhirte hatte sich verdammt gut getarnt. Die Stimmung zwischen dem Rennfahrer und dem Recken, die schon seit Colts Verschwinden gereizt war, verschlechterte sich immer mehr. Kurze Übernachtungen, der Stress der Reise und deren Ergebnislosigkeit, die Trennung des Japaners von seiner Freundin und dessen unveränderter Ärger über den Schwertschwinger sorgten dafür, dass die beiden immer häufiger aneinander gerieten. Auch für Saber war die Situation nicht so einfach. Die Belastung der Tour spürte er ebenso und war genauso besorgt um Colt. Zusätzlich machte er sich Vorwürfe an der Misere Mitschuld zu sein. Er hatte sich nicht nur vorgenommen Robin ihren Bräutigam zurückzubringen, sondern auch Chily ihren besten Freund. Außerdem wollte er selbst wieder in deren Arme. Er hatte sich genauso vorgenommen Fireball heil zu April und dem noch ungeborenen Kind zubringen, doch so wie sich der Japaner ihm gegenüber benahm, konnte Saber nicht mehr garantieren, dass er dieses Versprechen hielt. Der Streit spitzte sich zu, als Saber Fireball erwischte, wie er, entgegen dessen Anordnung, die Adams Ranch anrufen wollte. Der Recke hatte kurz angeklopft und trat in das Zimmer des Rennfahrers ohne die Antwort abzuwarten. Der saß mit dem Telefonhörer in der Hand auf dem Bett und wählte die Nummer. „Wen willst du anrufen?“ fragte der Blonde. „April“, erhielt er knapp zu Antwort. Der Schotte seufzte. Er wollte die Mädchen und ganz besonders April unnötige Sorgen ersparen, die sie sich zwangsläufig machen würden, je mehr sie wussten. Sollte ihnen außerdem etwas zu stoßen, was er natürlich nicht hoffte, und jemand versuchen über die drei Informationen über den Fall zu bekommen, konnten sie nichts verraten, was die Suche gefährden könnte. Deshalb forderte er seinen früheren Piloten nun auf: „Leg das Telefon weg.“ Der schüttelte den Kopf und lauschte gespannt auf das Freizeichen. Saber riss der Geduldsfaden. Er griff nach dem Verbindungskabel und riss es aus der Wand. Die Leitung war tot. „Spinnst du?“ Der Rennfahrer fuhr auf und schleuderte den nun funktionslosen Fernsprecher haarscharf am Kopf des Säbelschwingers vorbei gegen die Wand. Der bemühte sich um Fassung. „Ich habe dir doch erklärt, warum wir nicht öfter als unbedingt nötig bei den Mädchen anrufen sollten“, presste er schließlich hervor. „Was daran ist so schwer verständlich gewesen?“ – „Ich werde bald Vater“, bellte Fireball zurück. „Ich werde doch wohl fragen dürfen, wie es April geht?“ Der Recke fuhr sich durchs Haar. „Und ihr unnötigen Kummer machen? Herrgott, denk einmal nach, bevor du handelst, Fireball, “ wies er seinen Gegenüber zurecht. „Das musst ausgerechnet du sagen. Wer hat denn dafür gesorgt, dass Robin vor Sorge um Colt fast stirbt?“ begehrte der auf. „Sie macht mir keine Vorwürfe. Warum also du?“ rief Saber aufgebracht. „Weil es einer machen muss. Robin ist nur zu höflich dazu. Aber das hast du nicht verdient, “ brüllte der Japaner zurück. Faustschläge hätten nicht unbarmherziger treffen können. Saber ließ die Schultern hängen. „Bist du jetzt fertig?“ fragte er und fühlte sich auf einmal sehr müde. „Nein. Nicht bevor du es begriffen hast, “ entgegnete Fireball hart. „Was denn noch, außer dass du mich für einen Unmensch hältst?“ Der Schotte wand sich zum Gehen. „Was soll ich denn sonst von dir halten? Ich dachte, wir wären Freunde, aber so langsam krieg ich Zweifel, “ rechtfertigte der Hitzkopf sich, jedoch nicht mehr ganz so heftig. „Ich auch, Fireball. Ich auch.“ Saber hatte die Tür erreicht. Deutlich spürte der Rennfahrer nun, dass er zu weit gegangen war „Kann wirklich nur noch Chily sehen, was mit dir los ist? Und wenn ja, warum nur sie?“ fragte er darauf. „Tja, es scheint, als wäre sie die einzige, die das kann und will.“ Dann schlug die Tür hinter dem Schotten zu. Robin und Chily kamen spät an diesem Abend heim. Viele Hausbesuche bei Patientinnen, ein Abstecher beim Grundbuchamt, der Bank und dem Anwalt der Familie Adams sowie der Einkauf waren zu erledigen gewesen. Weder in einem Bankschließfach noch beim Amt waren die Unterlagen über Pennyrile abgelegt und auch der Anwalt konnte keine Auskunft über deren Verbleib geben. Es schien, als wären die Schriftstücke unauffindbar. Enttäuscht darüber und müde vom Tag öffnete Chily die Haustür, trat ein und blieb abrupt stehen. Robin, die ihr folgen wollte, stieß mit ihr zusammen. „Was …?“ Irgendetwas stimmte nicht. Das Haus lag still im Dunkel. Zu still, wie die beiden fanden. Sonst begrüßte BooYeah sie doch laut bellend. Chily stieß einen lockenden Pfiff aus. Es blieb ruhig. Weder schlug der Hund an, noch näherte er sich träge tapsend. Sie stellten die Einkäufe dort ab, wo sie standen und schlichen durch den Raum. Einzig ihre Schritte und ihr angespannter Atem war zuhören. Robin griff nach dem Telefon, bereit sofort die Polizei zu rufen, würden sie nicht eine simple Erklärung dafür finden. Unterdessen hatte Chily nach der Winchester und einer Taschenlampe gegriffen. Gedanklich zweifelte sie daran, wie sinnvoll das war, schaltete sie aber dennoch ein. Der Lichtkegel glitt umher. Sie leuchtete den Raum ab, wie sie es im Lagerhaus der verlassenen Tankstelle bei Saber gesehen hatte. Im Wohnzimmer schien alles in Ordnung, also trat sie in die Küche. Auch hier war alles normal. Nein. Die Hintertür war nicht verschlossen, sondern angelehnt. Behutsam und mit all ihrem Mut öffnete die Hebamme sie und beleuchtete das Schloss. Kratzer im Holzrahmen darum wiesen klar auf einen Einbruch hin. „Ruf den Sheriff“, rief sie Robin zu und ließ den Kegel der Taschenlampe über die Veranda gleiten. Nichts. Oder doch? Der Lichtstrahl schweifte zum mittleren Pfosten zurück und glitt dann Zentimeter für Zentimeter daran abwärts. Da. Etwas tropfte daran hinab. Chily ahnte schlimmes, als sie auf den staubigen, nächtlichen Hof schritt und zur Dachrinne hinauf leuchtete. Wieder tropfte etwas zu Boden. Mit angehaltenem Atem hielt sie die Lampe über den Kopf und erhellte die Ziegel der Verandaüberdachung. Dort lag BooYeah. Regungslos. Aus seiner aufgeschnittenen Kehle rann Blut. Chily drehte sich weg. „Alles okay?“ Robin stand an der Hintertür. „Nein, gar nichts ist okay.“ Mit wenigen Schritten erreichte sie die Lehrerin. „Wir warten drinnen bis der Sheriff kommt“, entschied sie und schob Colts Braut in die Küche zurück. Nichts hielt die beiden Frauen noch eine Minute länger auf der Ranch nachdem der Sheriff seine Ermittlungen abgeschlossen hatte. Von einem Deputie, der zu ihrer Überwachung abgestellt worden war, ließen sie sich nach Pennyrile begleiten. Der Schutz, den sie im Moment brauchten, und das Gefühl von Sicherheit würden sie nur bei Häuptling Hinun finden. Der schwammige, fette Typ hinter der Bar musterte seine beiden, neuen Gäste. Den Freund, den sie beschrieben hatten und den sie suchten, hatte er nicht gesehen. „In letzta Zeit sin fülle uf da Suche“, meinte er dann nüchtern. „Bitte?“ Saber sah ihn überrascht an. Auch Fireball war hellhörig geworden. „Was willst du damit sagen?“ wollte er von dem Barkeeper wissen. „Vor drei oda vier Tagen war eina hier, der nach eim blonden Lulatsch mit Guaventick jefragt hat. `n paar Wochn davor hat so’ne Frostbeule nach demselben Typen jefragt. Alle beide sin weg, als ich was von Pekos jesagt hab. Was dis soll, verstehe wer will.“ Den letzten Satz hatten auch die beiden nicht mehr gehört. Kopfschüttelnd stellte der Mann fest, dass Pekos seine Gäste wohl in die Flucht schlug. Was an dem Planeten so besonders war, begriff er nicht. War ja auch nicht sein Bier. Der Planet konnte im Wesentlichen in zwei Bereiche aufgeteilt werden. Upper-P, wo sich die Reichen und Schönen, die Noblen der Gesellschaft angesiedelt hatten, und Down-P, wo sich das Pack, der Pöbel und Abschaum rumtrieb. Es gab nur wenige Randbezirke, in denen sich diese Bereiche mischten und die wurden, wie auch Down-P, mit Vorsicht genossen. Tatsächlich gab es in Down-P einen Ort, der Death Man’s Point genannt wurde und sein eigenes, recht fragwürdiges Gesetz hatte: Das, des Stärkeren. Die Leute, die Dooley zu Lebzeiten gejagt hatte, hatte er oft hier aufgespürt. Also setzte sein Schützling nun seine Suche hier fort. In den folgenden Tagen fand er heraus, dass Dooley hier gewesen sein musste. Wenn der Scharfschütze richtig zurückgerechnet hatte, als letztes kurz vor seiner Ermordung. Aber wo und von wem fand er nicht heraus. Eine Bordsteinschwalbe, die ihn heftig an flirtete, fragte er schließlich, ob sie seinen Freund gesehen hätte. Die üppige Platinblonde trällerte wie eine Nachtigall, als er ihr einen Schein vor die Nase hielt. Sie hatte den Gesuchten mit einem Typen sprechen sehen. Er fragte, wie lange das her sei. Bei dem Anblick einer weiteren Banknote erinnerte sie sich, dass es etwa einen Monat her wäre. Das Aussehen des anderen fiel ihr ebenfalls ein, als der Scharfschütze noch einen Geldschein zückte. Ihre Beschreibung passte zu der, die der Schwamm ihm gegeben hatte – ein kalter Typ mit ebenso kalten Augen, Haarfarbe blau oder grün, war in der Dunkelheit schwer zu erkennen gewesen. „Willst du noch etwas von mir?“ fragte sie, da sie gesehen hatte, dass der Neugierige noch reichlich Geld in der Tasche hatte. Geschäft war Geschäft und so schlecht sah er nicht aus. Das schwarze Haar erinnerte an einen Irokesenhaarschnitt. Er hatte klare, blaue Augen und ein recht hübsches Gesicht, wenn er sich diesen blöden, feinen Bart um den Mund herum abrasieren würde. So unterstrich die Fräse nur seinen eckigen Kiefer und ließ ihn unnahbarer wirken. Aber die schwarzblaue Lederjacke, das dunkle Shirt darunter und die Jeans gestatten die Vermutung, dass sie endlich mal einen gutaussehenden Kandidaten auf die Matte bringen konnte und die Vorstellung gefiel ihr. Er musterte sie seinerseits. Ihre Oberweite quoll aus einem knappen, engen Lackmieder und der Minirock war eigentlich nur ein breiter Gürtel. Overknee-Stiefel und mörderisch hohe Absätze, aufdringliches Parfum und starkes Make-up schreckten ihr regelrecht ab. Nein. Daheim wartete jemand viel besseres auf ihn. Hoffte er wenigstens. Lasziv schob sie ihr Becken von der Wand weg, gegen die sie lehnte, und zu ihm hin. „Kann auch gleich hier sein. Ich hab einiges zu bieten, “ schmeichelte sie. „Wie heißt du?“ fragte er. „Joan.“ Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und ließ sie langsam über seine Brust zu seinem Gürtel hinab gleiten. Weiter kam sie nicht. Er hielt ihre Finger fest. „Du hast nichts zu bieten, was ich will“, erklärte er ihr trocken. „Such dir einen besseren Job, Joan.“ Damit schob er sie etwas unsanft, aber nicht derb, von sich und ging. „Du Flasche, “ rief sie ihm empört nach. „Typen wie du verrecken noch vor Death Man’s Point.“ Er ging weiter, ohne sich umzusehen, als hätte er sie nicht gehört. Aber er hatte. Death Man’s Point. Wieso hatte sie das gesagt? War Dooley dort hingegangen? Hatte sie das gesehen? Oder war der Typ, mit dem der alte Freund geredete hatte dort gewesen? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden und der führte nach Death Man’s Point. Chily ließ Robin bei den Irokesen und ritt nach Tucson-City zurück. Sie durchritt die Nacht, weil sie zu große Angst nach den Vorfällen hatte um im Freien zu übernachten. Als sie die Stadt erreichte, suchte sie sich ein Telefon und rief April in Yuma an. Kurz und knapp erzählte sie ihr, was geschehen und wo Robin und sie untergetaucht waren. Dann erkundigte sie sich nach der werdenden Mutter, gab ihr Tipps für den Notfall und die Adresse einer bekannten, guten Hebamme vor Ort, sollte der weibliche Starsheriff Probleme in der Schwangerschaft bekommen. Danach rief sie Donna Joe an und erklärte der, dass ihre Praxis vorläufig geschlossen blieb und nur Notfälle sie über den Pager erreichten. Ein Warum lieferte sie nicht dazu. Anschließend kehrte sie zurück zu den Langhäusern. Wieder ritt sie die Nacht hindurch ohne zu schlafen. Kaum hatte sie ihr Ziel erreicht, holte sie das nach. Auf Pekos änderten sie ihre Taktik. Es brachte nichts nach Colt zu fragen. Aber Dooley, das stand nun fest, war ebenfalls, nicht nur vom Scharfschützen, gesucht worden. Pekos war der letzte Anhaltspunkt. Saber ging davon aus, dass Colt länger auf dem Planeten bleiben würde, weil es dort möglicherweise mehrere Hinweise auf dessen alten Freund gab, denen er nachgehen musste. Die Wahrscheinlichkeit ihren Freund zu finden stieg. Der Recke erinnerte sich auch an einen bestimmten Ort auf Pekos, der in den Akten über Dooley gestanden hatte. Death Man’s Point. Dort begannen Saber und Fireball mit der Suche. Der Zufall half ihnen ein wenig. Eine Bar trug den Namen des Stadtteils, was die beiden dazu brachte, sie als erstes unter die Lupe zu nehmen. Die Bar war die edelste unter den vorhandenen Lokalen. Zumindest blinkten hier mehr Lichter und wurde die Mahagoniausstattung wenigstens einmal im Jahr gereinigt. Die Lederbezüger hatten unter der Nutzung gelitten und sollten erneuert werden. Kaum waren die Saber und Fireball eingetreten, wurden sie von Prostituierten umlagert. Schließlich stellten die beiden eine gute, attraktivere Partie zu den sonstigen Kandidaten dar und diese wollte sich keines der Mädchen entgehen lassen. Schmeichelnde, streichelnde Hände trennten die beiden. Liebkosend, sie gegenseitig zur Seite schiebend, behinderten die Huren den Weg zur Theke. Fireball und Saber waren viel zu höflich, die Frauen einfach beiseite zu schieben und kamen nur schwer vorwärts. Dass beide versicherten in festen Händen und dort auch glücklich zu sein, beeindruckte die Damen wenig, auch nicht, dass Fireball Vater wurde, wie der überrascht feststellte. Der Schüchterne wurde gehörig in Verlegenheit gebracht, glitten die Hände der Bordsteinschwälbchen doch „versehentlich“ an Stellen, die sonst nur April gehörten. Hilfesuchend sah er sich nach dem Schotten um und gewahrte ihn, nicht minder massiv belagert, ein wenig entfernt von sich. „Saber?“ Der wand sich zu seinem etwas hilflosen Freund um und bahnte sich seinen Weg durch die Schar an dessen Seite. Um ihn auf dem Weg zur Theke nicht wieder zu verlieren, legte er ihm einen Arm um die Schulter und bat die Frauen: „Lasst uns bitte in Ruhe, Ladies.“ Die Meute stob erschrocken ihre Enttäuschung und Überraschung bekundend auseinander. Der Japaner und der Schotte tauschten irritierte Blicke und Saber nahm rasch den Arm von der Schulter des Rennfahrers, als ihm klar wurde, welchen Eindruck er erweckt hatte. Wenigstens kamen sie nun ohne Probleme an den Ausschank. Unweit von ihnen saß er in seiner Lederjacke und starrte in sein Glas mit der rosafarbenden Flüssigkeit. Rosig wie ihr Mund. Oh man. Er war gerade zwei Wochen von ihr getrennt und es erschien ihm wie zwei Jahre. Ganz klar, er liebte sie. Er war auch schon oft von ihr getrennt. Doch je öfter solche Trennungen kamen, desto schlimmer waren sie für ihn. Hier war er so weit fort von ihr, am Tor zur Hölle, und sein Engel nicht hier. Dass er eine Frau so vermissen konnte, hatte er nicht für möglich gehalten. Aber es war so. Einzig Dooleys offene Rechnung hielt ihn davon ab, auf der Stelle zu ihr zu fahren. Er wäre nie im Leben gegangen, wäre sein Freund nicht ermordet worden. „Ein Typ mit Guaventick?“ Der massive Glatzkopf hinter dem Tresen runzelte die Stirn. „Also ein Blonder war schon ewig nicht mehr hier, aber der da drüben hat das Zeug vor ein paar Minuten bestellt.“ Damit wies er auf den jungen Mann in einer schwarzblauen Lederjacke. Saber und Fireball folgten mit den Augen dem ausgestreckten Arm des Barkeepers. Angestrengt musterten die beiden den Gast. Nichts an ihm erinnerte an ihren Freund Colt. Oder doch? Er leerte das Glas in einem Zug und ließ es schwungvoll zu dem Glatzkopf rutschen. „Noch mal“, orderte er knapp. Die blauen Augen funkelten düster. Die, seine Stimme und die Art ein neues Getränk zu bestellen, konnte nur eins bedeuten. Der Typ war … „Colt.“ Saber und Fireball kamen auf ihn zu. Der Scharfschütze schaute nicht minder überrascht, seine Freunde an diesem Ort zu treffen. „Au Backe!“Da war er ja schneller aufgeflogen als ihm lieb war. Der Rennfahrer näherte sich ihm grinsend. „Kannst du laut sagen.“ Auch der Recke schmunzelte leicht. „Hier treibst du dich also rum.“ Wenigstens schien es dem Cowboy gut zu gehen. Dem Blonden fiel ein Stein vom Herzen. Doch die Freude des Scharfschützen hielt sich stark in Grenzen. „Was macht ihr zwei Schmalspurkopfgeldjäger hier?“ Die Frage klang eher genervt, als freundlich. „Wir suchen einen Bräutigam mit kalten Füssen. Wahlweise nehmen wir auch einen Typ mit Guaventick, “ stichelte der Japaner. „Dann seid ihr hier an der falschen Adresse. Ich hab weder kalte Füße noch“ Er schob das Glas mit dem Getränk, welches gerade bei ihm ankam, wieder zurück. „noch einen Guaventick.“ Saber wurde ernst. „Was soll das werden, wenn es fertig ist, Colt?“ wollte er wissen. Colt machte nicht den Eindruck, als würde einsichtig mit den Freunden nach Tucson-City zurück kehren wollen. „Kann ich dich auch fragen“, blaffte der Gefragte böse. „Was hätte bei dem Scheiß rauskommen sollen, den du da angezettelt hast?“ Ruhig erhielt er zur Antwort. „Jedenfalls nicht das und ich hab es nicht angezettelt.“ Der Scharfschütze schnaubte verächtlich. „Ist Dooley deswegen abgekratzt? Eben weil du es nicht warst?“ – „Erstens bin ich nicht sein Mörder. Zweitens hat Dooley darauf bestanden, dich daraus zu halten. Das ganze war eine Sache des Oberkommandos und ich hatte mich an meine Befehle zu halten, “ rechtfertigte sich der Recke. Prompt warf Fireball dazwischen. „Scheiß auf die Befehle.“ Und auch der Kuhhirte zeigte sich wenig beeindruckt. „Wärst du es, dann hättest du schlechte Karten lebend nachhause zu kommen. Das steht mal fest.“ Saber ignorierte den Kommentar des Rennfahrers. „So viel besser sind meine Karten jetzt auch nicht“, gab er zu. „Colt, komm mit uns nach Hause. Robin und Chily sind schon ganz krank vor Sorge, “ meinte er dann, in der Hoffnung mit den beiden Mädchen ein gutes Mittel in der Hand zu haben um Colt zur Vernunft zu bringen. „Das ist zu persönlich. Ich gehe erst nachhause, wenn ich den Mörder zur Strecke gebracht hab, “ zerschmetterte der diese Hoffnung und fügte hinzu. „Mit oder ohne eure Hilfe.“ Der Schotte unterdrückte ein Seufzen. „Unsere Hilfe hast du, aber lass dich bei Robin blicken, damit sie weiß, dass du okay bist, “ versuchte er noch einmal an Colt zu appellieren. „Ja, Boss. Auf zu Chily, “ warf Fireball erneut und vor Ironie strotzend ein. „Hast du Watte in den Ohren? Ich gehe erst, wenn ich weiß, was ich wissen will. Und jetzt geh mir nicht mehr auf den Zeiger.“ Der Scharfschütze wand sich ab. Der Schotte hatte schon mit dem Starrsinn seines ehemaligen Scharfschützen gerechnet, doch in dieser zweifelhaften Umgebung wollte er nicht so recht über den Fall reden. Deshalb deutete er nur an: „Die Antworten wirst du hier nicht bekommen.“ Über der Schulter warf der Kuhhirte zurück: „Von dir kriegt man sie ja auch nicht! Scheiße, nein! Ich zieh das Ding durch.“ Damit war für ihn die Diskussion erledigt, doch auch der Schotte hatte so seinen Starrkopf. „Colt!“ Er packte ihn am Arm und sah ihn beschwörend an, doch der riss sich heftig los. „Verdammt noch mal! Nein!“ fuhr er den Recken an. „Verdammt, Colt. Dooley wurde ermordet, weil er versucht hat, Pennyrile zu schützen …“ fuhr Saber auf, konnte aber nicht aussprechen. Der Scharfschütze unterbrach ihn gleich. „Hast du noch mehr solcher Ammenmärchen auf Lager?“ Colts Miene verriet deutlich, dass er das grad überhaupt nicht glaubte. Die Lösung konnte einfach nicht so nah gewesen sein. „Das ist die Wahrheit“, erklärte der Blonde fest und ließ notgedrungen noch etwas mehr durchblicken. „Wer auch immer ihn umgebracht hat, hat dir einen Nachricht dagelassen.“ Immerhin wandt Colt sich jetzt wieder zu ihm. „Dann gib sie mir“, forderte er nüchtern und hielt Saber die offene Hand hin. „Kann ich nicht. Sie stand an der Wand des Lagerhauses der T-C West Tankstelle. Chily hat sie entdeckt.“ Für den letzten Satz hätte er sich dann am liebsten die Zunge abgebissen, denn sofort brauste deren Schulfreund auf. „Du hast Chily da mit reingezogen?! Bist du noch zu retten, Mann.“ Colt sprang vom Barhocker runter und kam drohend ein Schritt auf ihn zu. „NICHT ICH! Verdammt, für wie bescheuert hältst du mich?“ begehrte nun der Recke auf. „Dooley war, wie du weißt, der ominöse Anrufer. Er hat sie gebeten, die Unterlagen über Pennyrile zu finden. Wir beiden sollten ihn an der Tankstelle treffen. Zur Lagebesprechung, “ informierte er dann wieder ruhiger. „Da frag ich mich doch glatt, für wie bescheuert du mich hältst! Das soll ich dir abkaufen? Verflucht, Saber! Ein einziger Ton und etwas früher wär hilfreich gewesen und hätte nebenbei bemerkt, Menschenleben gerettet. Verdammter Paragraphenreiter, “ fauchte der Kuhhirte böse und stieß den ehemaligen Vorgesetzten von sich. „Es war Dooleys ausdrücklicher Befehl. Entweder ich helfe ihm, oder er macht es allein. Was bitte hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Ein Wort zu dir und er hätte den Kontakt sofort abgebrochen.“ Eigentlich hatte Saber das nicht sagen wollen, doch im Moment, da der Scharfschütz ihm so wenig Glauben schenkte, schien es das einzige Mittel zu sein, den Freund zur Räson zu bringen. Der schwieg augenblicklich und grübelte. „So ein verfluchter Idiot!“ Tatsächlich passte das genau zu Dooley. Sein alter Mentor hatte ihn schließlich schon einmal erfolgreich abgewiegelt, als er ihm hatte helfen wollen. „Kommst du nun mit?“ fragte Saber, als er merkte, dass Colts Wut auf ihn etwas abebbte. „Unter einer Bedingung“, lenkte der ein. „Die wäre?“ – „Keine Geheimniskrämerei mehr und Chily wird da rausgehalten“, entschied Colt energisch. Von Friede, Freude, Eierkuchen war er zwar noch meilenweit entfernt, aber im Moment war es wohl klüger sich an Saber zu halten. Fireball hingegen nutzte diesen Moment um sich stichelnd zu Wort zu melden. „Chily raushalten? Aus dem Fall oder aus Sabers Armen?“ Colt riss die Augen auf. „WAS?! Du hast sie angefasst?“ Sein Blick folg abwechselnd zwischen Saber und dem Rennfahrer hin und her. „Ich? Nö? Saber hatte seine Zunge in ihrem Hals, “ ließ der verlauten. Der Recke fuhr ihn an. „Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, oder?“ Scheinheilig erhielt er zur Antwort. „Hoppla, wie unbedacht von mir.“ – „Wieder mal, was?“ knurrte der Blonde zurück, hatte aber keine Zeit mehr sich mit Fireball zu befassen, denn schon stieß Colt ihm den Zeigefinger gegen die Brust. „Ich hab doch laut und deutlich gesagt, was ihr bei Chily dürft und was nicht. Reden: Ja. Anfassen oder sonstige Aktivitäten: Nein!“ wiederholte der drohend. „Vielleicht hätte ich später stören sollen, das wäre wohl interessanter geworden“, heizte der Rennfahrer die Stimmung weiter an. Für ihn war es eine gute Gelegenheit Saber eins auszuwischen, dafür, dass er sich von ihm als Freund im Stich gelassen fühlte. Der Scharfschütze bedachte die beiden mit einem finsteren Blick. „So langsam reicht es. Scheiße, was macht ihr, wenn ich nicht da bin?“ Gehässig informierte der Japaner: „Das musst du den hormongesteuerten, einsamen Wolf fragen. Ich hab nur was von dem Hochleistungsknutsch mitbekommen. Ob da noch mehr war, weiß ich nicht.“ – „Hormongesteuert musst du grade sagen! Du hast dich weniger unter Kontrolle als ein Karnickel und nachdenken tust du auch nie!“ fuhr der Recke ihn an, doch weiter als das kam er nicht. Schon musste er sich mit Colt auseinandersetzen, der ihm wieder den Finger auf die Brust stieß und wissen wollte: „Was hast du mit meiner Jolene gemacht, Lustmolch?“ Das funkeln in seine Augen verhieß nichts Gutes. „Lustmolch? Spinnst du?“ brauste Saber auf. Es klang schließlich so, als würde er die weiblichen Wesen reihenweise abschleppen und auf niemanden traf das weniger zu, als auf ihn. „Sie ist doch nicht dein Eigentum.“ – „Aber sie ist meine kleine Jolene und keiner tatscht sie an, hast du mich verstanden?“ Drohend beugte Colt sich zu Saber vor. Wenn jetzt noch jemand behauptete, dass es nicht beim Küssen geblieben wäre, würde der Blonde eine schmerzhafte Erfahrung machen. „Da gehören immer noch zwei dazu. Vielleicht darf ich sie nicht anfassen, aber sie hat so ein Verbot nicht bekommen, “ versetzte der und baute sich seinerseits auf. Er hatte nicht vor sich einschüchtern zu lassen. Was dachte der Kuhhirte, wen er da vor sich hatte? „Wart noch bis wir wieder auf der Ranch sind, dann hat sie es“, grinste Fireball fies und deutete auf Colt. Der schnauzte ihn an: „Rennsemmel, du hältst dich da raus. Ich will kein Kommentar mehr von den billigen Rängen hören.“ Der Schotte versuchte sich wieder zu beruhigen. Wenn das so weiter ging wie bisher, würden sie sich noch gegenseitig die Köpfe einschlagen und damit war nun einmal niemandem geholfen. „Colt, was mit Jolene und mir ist, geht dich gar nichts an“, stellte er die Tatsache klar, die der nicht einsehen wollte. „Dich geht auch so manches nichts an“, parierte der Cowboy prompt. „Zum Beispiel, wann ich Robin jetzt heirate. Also halt die Backen.“ Saber schnaubte leicht und frustriert. „Mach so weiter und du wirst Robin nie heiraten. Vorher hast du nämlich dein Leben verspielt, weil du ja unbedingt auf Rache auswarst. Du denkst weder daran, wie es ihr geht, noch daran wie deine kleine Jolene sich dabei fühlt. Aber den Moralapostel spielen wollen, nur weil ich sie geküsst hab.“ Damit wand er sich zum Gehen. „Das mit dem Moralapostel muss er dann von dir abgeguckt haben. Du schlägst Colt darin nämlich noch um Längen, “ frotzelte Fireball, machte aber keine Anstalten ihm zu folgen. Genauso wenig wie Colt. „Sie ist bei dir doch angeblich in so guten Händen, Säbelschwinger“, rief er ihm nach. Der drehte sich zu den beiden um und holte zum entscheidenden, verbalen Schlag aus. „Wenn du nicht willst, dass ich diese so guten Hände an sie lege, wirst du mitkommen müssen. Deine Entscheidung ...“ Er hob leicht die Schultern. Dieses Statement zeigte Wirkung. Der Scharfschütze trabte brummend an. „Schon gut, schon gut“, schnaubte er. „Ich komm ja mit.“ Ihm auf dem Fuße folgte der Rennfahrer. Wenn auch eher schlecht, als recht, hatte Saber die Truppe wieder vereint. Allerdings schien es ihm mehr eine Strafe, als ein Segen, zu sein. Den Rückweg über schwieg Colt noch ein wenig beleidigt vor sich hin. Gegen Ende der Reise hatte er die Informationen allerdings weitgehend verarbeitet und musste zu geben, dass Sabers Entscheidungen bezüglich Dooley schon richtig waren. Das einzige, weswegen er ihm jetzt noch grollen konnte, war die Tatsache, dass er es gewagt hatte seine kleine Jolene anzurühren. Damit ging es ihm ähnlich wie dem Rennfahrer. Auch er verstand und akzeptierte die Entscheidungen die Saber, den Fall betreffend, gefällt hatte. Doch sein Verhalten auf Aprils Schwangerschaft trug er dem Schwertschwinger nach. Es dunkelte bereits, als sie an der Ranch ankamen. Kein Licht fiel aus den Fenstern auf den Hof, wie sie irritiert feststellten. Irgendetwas daran gefiel ihnen nicht. Colt öffnete die Tür und wollte eintreten, blieb aber im Rahme stecken, weil auch Fireball und Saber zeitgleich ins Haus wollten. Einen Fluch murmelnd zwängte der Kuhhirte zwischen ihnen hindurch und rief: „Number 1?“ Darauf konnten sowohl Robin als auch Chily antworten, aber keine von beiden tat es. „Süße?“ Auch Fireballs Ruf verhallte ungehört. Schließlich startete der Recke einen letzten Versuch. „Chily?“ Noch immer umfing Stille die drei. Wortlos trennten sie sich und suchten das Haus und den Hof ab. Sie trafen sich im Wohnzimmer wieder. „Nichts“, verkündete der Rennfahrer. „Auch nicht“, ließ Saber vernehmen. „Noch weniger als nichts“, stellte auch Colt fest. Die, seit ihrem Eintritt, schellenden Alarmglocken konnten sie nun nicht länger überhören. „Wenn April was passiert ist, dann kannst du deine Beerdigung vorbereiten, Boss“, knurrte der Japaner. Saber unterdrückte die Unruhe und bemühte sich sachlich zu bleiben. „Spar dir den Atem für deine Drohungen und ruf Donna Joe an. Vielleicht sind sie da.“ Der Angesprochene brummte missmutig. „Elender Klugscheißer.“ Weder der Recke noch der Scharfschütze schenkten ihm große Beachtung. Die beiden grübelten laut, darüber nach, wie das Verschwinden der Mädchen ins Bild passte. „Das könnte erklären warum die Pferde weg sind, aber wieso ist BooYeah nicht da?“ überlegte Colt. „Der ist doch ständig dabei, wenn Chily wegreitet“, entgegnete der Blonde. „Nein.“ Nachdenklich wiegte der Kuhhirte den Kopf. „Ich weiß nicht, irgendwas stimmt hier nicht. Das sagt mir mein Instinkt.“ Jetzt meldete sich auch Fireball wieder. „Auf deinen Instinkt würd ich mich grad eher hören, als auf die Anordnung des Bosses.“ Der Recke rollte die Augen. „Dann ruf ich eben Donna Joe an.“ Er griff nach dem Telefon und wählte deren Nummer. Aufmerksam beobachtete Colt ihn dabei. „Da ist was passiert“, bemerkte er leise an den Rennfahrer gewandt. Sabers Gesichtsausdruck war verhalten, konnte aber nichts Gutes bedeuten. „Das schmeckt mir nicht.“ Ungeduldig wartete er das Ende des Gespräches ab. „Die Mädels sind auch nicht bei Donna Joe, oder?“ stellte er fest, kaum das Saber aufgelegt hatte. „Richtig“, bestätigte der Schotte. „Chily hat ihre Praxis vorübergehend geschlossen und ist mit Robin verschwunden. DJ weiß nicht wohin. Und April, sagt sie, hat sie seit Tagen nicht mehr gesehen.“ Der Japaner erbleichte. April seit Tagen weg? Wo, um alles in der Welt, war sie? Wie ging es ihr und dem Kind? Waren die beiden etwa in Gefahr? Das durfte doch einfach nicht wahr sein? Hoffentlich war das nur ein schlechter Scherz oder böser Traum. Alles andere würde er ganz sicher nicht ertragen. Gott. Während Fireball sich die wüstesten Szenarien ausmalte, verdauten Colt und Saber gemeinsam die Informationen. „ Verschwunden? Hat Donna Joe nicht gesagt, wohin? Himmel, Arsch und Zwirn, das artet ja aus hier!“ Colt hätte vor Sorge die Wände hochgehen können. Auch der Schwertschwinger war beunruhigt. „Sie weiß es nicht. Chily hat ihr nur Anweisungen bezüglich der Praxis gegeben und das telefonisch.“ Der Scharfschütze runzelte die Stirn. „Das klingt, vorsichtig ausgedrückt, sehr bescheiden.“ Sein ehemaliger Vorgesetzter nickte düster und zwang sich, sich auf die Fakten zu konzentrieren. „Wo würde Chily hingehen, wenn …“ Ehe er die Frage zu Ende brachte, stürzte sich Fireball unvermittelt auf ihn und riss ihn zu Boden. „Eins schwör ich dir, wenn April was passiert, heb ich dein Grab eigenhändig aus“, fauchte er ihn ungehalten vor Sorge an. „Dann spar dir die Kraft dafür“, gab der gepresst zurück und versuchte den Hitzkopf von sich zu schieben, aber dessen Wut auf den Recken gab ihm überraschende Kraft. „Spar du dir deine saublöden Sprüche, sonst platzt mir der Kragen endgültig. Zuerst verbietest du mir sie anzurufen, mich nach ihr zu erkundigen und jetzt ist sie weg! Saber, wir waren die längste Zeit Freunde, wenn ich sie und oder das Kind verlieren sollte, “ schrie er rasend. Colt war schon perplex gewesen, als sich der Rennfahrer ohne Vorwarnung auf den Blonden gestürzt hatte. Als die Rede jetzt noch auf ein Kind kam, war er völlig geplättet. „Was für ein Kind?“ fragte er verständnislos. „Das in Aprils Bauch. Der Kleine wird Vater, “ erklärte der, wobei er immer noch gegen den Tobenden ankämpfte, der seinem Namen alle Ehre machte und ihn noch fester auf den Boden drückte. „Dass dir das Ganze nicht schmeckt, hab ich gemerkt, Saber, “ keifte der prompt. „Das hab ich so gar nicht behauptet. Ich wollte nur nicht, dass sie sich unnötig aufregen muss. In ihrem Zustand ist das nicht unbedingt gut, “ rechtfertigte der sich heftig. „Wie hast du dann? Unüberlegt? Unreif? Dass die falschen beiden Eltern werden?“ Der Rennfahrer hätte ihn am liebsten erwürgt. „Jetzt hakt es aber gewaltig aus“, begehrte Saber auf und schaffte es, sich ein wenig nach oben zu stemmen. Auch Colt griff ein und zog den Rasenden vom Säbelschwinger runter. „Mit "Unreif" hätte er nicht so falsch gelegen, wie du grade beweist“, erklärte er nüchtern. Sofort wurde er ebenfalls angefahren. „Halt dich an deinen eigenen Rat und halt dich da raus, Kuhtreiber!“ Bevor die Situation noch weiter eskalieren konnte, ließ ein Pfiff von der Tür her alle drei herumfahren. Chily stand dort, wie aus dem Boden gewachsen und sah die drei mit hochgezogenen Brauen an. Saber richtete sich halb auf und bekam einen Stoß von Fireball, der ihn wieder unsanft auf den Boden platzierte. „Wir sind noch nicht fertig miteinander“, informierte er düster. Mit einem Satz war Chily bei dem Trio und schnauzte den Japaner an. „Ich hatte erst einen hier, der meinen Hund gekillt hat, noch mehr Morde brauch ich nicht. Was zur Hölle ist hier eigentlich los?“ Etwas überrascht und missmutig schwieg der erst mal. Dafür fragte Colt: „Wo zur Hölle seid ihr alle?“ Der Blonde schwang sich nun endgültig auf die Füße. „Jemand hat BooYeah getötet?“ hakte er nach. Sie nickte. „Ja. Und wenn ich richtig vermute, sollten wir die nächsten sein.“ Dann wand sie sich an ihren Jugendfreund. „Ach, bevor ich es vergesse ...“ Schnell und unvermittelt holte sie aus und schickte den Kuhhirten mit einer schwungvollen Rechten auf die Bretter. „Schwachkopf!“ erklärte sie dann trocken. Saber hob die Schultern. „Die hast du verdient, Kumpel.“ Auf Colts Stirn bildete sich eine unwillige Falte, die verriet, dass er der Aussage leider zustimmen musste. „Fang bloß nicht davon an. Du hast noch einiges mehr verdient. Wieso hab ich dir eigentlich grad geholfen?“ murrte er zurück. Fireball schaltete sich wieder ins Gespräch ein. „Wo ist April?“ fragte er. „Bitte?“ Die Szene, die sich ihr beim Eintritt in ihr Haus geboten hatte, hatte Chily aufgewühlt. Sie musste sich erst wieder etwas beruhigen um den sprunghaften Themenwechsel folgen zu können, doch die Zeit ließ ihr der Japaner nicht. Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie leicht. „Wo ist April?“ wiederholte er ungehalten. Augenblicklich trennten Colt und Saber die beiden und bauten sich schützend vor Chily auf. „Sie ist auf Yuma“, antwortete die von dorther und schob sich zwischen ihre beiden Bodyguards. „Auf Yuma?” kam es perplex zurück. Er hatte mit allem gerechnet, nur damit nicht. „Ja. Ihr Urlaub ist fast aufgebraucht. Sie musste wieder arbeiten, “ klärte die Hebamme ihn auf. „Das hast du erlaubt?“ hakte Fireball, nun fassungslos darüber, nach. „Es ist okay, solange sie keine Überstunden schiebt“ entgegnete Chily und unterdrückte das Bedürfnis, grinsend den Kopf über die Miene des werdenden Vater zu schütteln. „Ruf sie einfach an. Okay?“ Sie hatte den Satz kaum ausgesprochen, da griff er schon nach dem Telefon. „Wo ist Robin?“ wollte Colt nun wissen. „An dem einzig sicheren Ort, der mir eingefallen ist“, gab die Kleine zurück. „Bei Häuptling Hinun“, fügte sie zeitgleich mit Colt hinzu. „Warum hast du sie nicht mitgebracht?“ begann er sie zu löchern. „Damit du noch Gelegenheit hast, dir diesen dämlich Bart abzurasieren“, konterte sie trocken, wobei ihre linke Braue skeptisch nach oben zuckte. Unweigerlich mussten Saber und der Scharfschütze grinsen. „Ich wollte eigentlich nur mein Motorrad holen“, erläuterte sie dann. „Hab ja nicht geahnt, dass ihr schon zurück seid und mein Haus in einen Boxring verwandelt.“ Fireball hatte das Telefongespräch beendet und den letzten Satz von Colts Schulfreundin gehört. „Kein Sorge“, versetzte er darauf. „Heute nicht noch mal. Ich fahr zu April.“ Chily riss die Augen auf. „Mitten in der Nacht? Bist du geisteskrank oder einfach nur übergeschnappt? Lass deine Frau in Ruhe schlafen. Sie weiß ja jetzt, dass alles in Ordnung ist.“ Colt räusperte sich: „Übergeschnappt ist im Moment eine ganz gute Beschreibung für den Turbofreak“, ließ er verlauten. Der Rennfahrer hob knapp die Schultern und erklärte entschieden. „Ruft mich an, wenn was ist. Ihr wisst ja, wo ich bin.“ Damit schob er sich an Chily vorbei und war mit drei langen Schritten aus dem Haus. Chily hatte seinen Blick dabei bemerkt, als er den beiden anwesenden Herren den Rücken zu drehte und setzte prompt hinter Fireball her. Auf dem Hof holte sie ihn halb ein. „Fireball, warte.“ Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Er wandte sich heftig um und wischte sie runter. „Du wirst mich nicht davon abhalten“, fuhr er sie an. Erschrocken hob sie abwehrend die Hände. „Schon gut, schon gut. Schüttel mich bloß nicht wieder durch. Ich quatsch auch so schon genug drauflos, “ gab sie zu. „Allerdings, “ bestätigte er trocken. Von seiner Unfreundlichkeit ließ sie sich jedoch nicht beeindrucken. An der Reaktion des Rennfahrers hatte sie erkannt, dass sie zum einen ihren fachmännischen Ratschlag mal wieder viel zu unbedarft von sich gegeben hatte und zum andern er ganz sicher zu April fahren würde. Und wenn die Welt unterginge. Wahrscheinlich dann erst recht. Deshalb versuchte sie nun einzulenken. „Also hör zu. Ich weiß, ich hab euch mit meiner Diagnose ganz schön geschockt und gelegentlich, nein, häufiger als mir lieb ist, überrenn ich die Leute auch, “ gestand sie. „Trotzdem. Ich mach mir Sorgen um deine Frau, “ erklärte sie dann. Der Rennfahrer hob die Brauen. „Gibt es Grund zur Sorge?“ hakte er nach. „Und wieso eigentlich meine Frau? Wir sind nicht verheiratet.“ Chily hob leicht die Schultern. „Kommt vielleicht noch. Kinderscheiß garantiert Weibertreue. Ich hab schon oft genug erlebt, dass Frauen nur deshalb bei einem Mann geblieben sind, obwohl die Kandidaten es ganz sicher nicht wert waren, “ informierte sie sachlich. „Also das soll jetzt nicht heißen, dass ich das auch von dir denke, “ fügte sie rasch hinzu um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Fireball hatte sie schon richtig verstanden. „Chily …“ begann er, doch die fuhr fort, dass hervorzusprudeln, was sie sagen wollte. „Ja, ich mein nur. Ihr seid schon ein süßes Paar. Du und April …“ Er versuchte sich wieder Gehör zu verschaffen. „Chily!“ – „… Gott, ich will doch bloß sagen, dass das alles okay ist und das aus euch gute Eltern werden, wenn ihr mit eurem Kind genauso liebevoll umgeht, wie mit einander, “ versicherte sie hastig. Fireball schüttelte den Kopf. „Dir ist schon klar, dass die Rede wieder ein Güterzug war, oder?“ Er hob die Brauen. Die übereifrige Hebamme vor ihm schlug sich an die Stirn. „Ja“, kam es kleinlaut von ihr. Da sie den Kopf gesenkt hielt, konnte sie nicht sehen, dass der Rennfahrer schmunzeln musste. Sie hatte ein Paradebeispiel für ihren Übereifer geliefert und, was dem Japaner unglaublich gut tat, sie war die erste, die Vertrauen in das Paar als zukünftige Eltern hatte. Wenn diese Blonde da vor ihm auch recht aufgedreht, oder auch abgedreht, sein mochte, stand für ihn doch fest, dass diese Hebamme ihn und vor allem April eine gute Stütze sein würde, wenn es um das Kind ging. Während er sie so musterte, brachte sie ihre Gedanken in Ordnung um einigermaßen sachlich zu sagen, was ihr noch als wichtig erschien, bevor er wirklich losfuhr. „Okay, okay“, setzte sie neu an. Sie suchte eine passende Formulierung, denn sie wollte ihm nicht das Gefühl geben, sie würde ihn bevormunden. „Ich muss dir nicht sagen, dass du auf sie aufpassen sollst?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein.“ Leicht nickend fuhr sie fort. „Dass du darauf achten sollst, dass sie sich nicht zu viel zu mutet, viel Ruhe und nach Möglichkeit keinen Stress braucht, auch nicht?“ Wieder verneinte er. „Dass sie viele Vitamine, vor allem Folsäure, und viel Flüssigkeit braucht?“ Erneut schüttelte er den Kopf, hielt aber bei der Erwähnung von Folsäure kurz inne. Das hatte er noch nicht gewusst. Chily fuhr mit ihrer Aufzählung fort. „Dass ihr mich anrufen sollt, falls etwas ungewöhnliches passiert?“ Jetzt hob Fireball den Zeigefinger. „Das auch nicht, “ meinte er. Sie warf die Arme in die Luft. „Ja, wozu quatsch ich hier eigentlich?“ Der Rennfahrer hob die Schultern. „Woher soll ich das wissen? Kann es sein, dass du dich gern reden hörst?“ Dabei lächelte er allerdings. „Jaja“, murrte sie gespielt verstimmt. „Immer auf die Hebammen. Schon klar.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte. „Du hast doch selbst gesagt, dass alles okay ist“, erinnerte er sie. „Sollte etwas nicht mehr okay sein, melden wir uns sofort bei dir.“ Sie hob den Kopf wieder. „Lieber einmal mehr, als einmal zu wenig. Besonders in der ersten Schwangerschaft sind Frauen besonders empfindlich oder, wie ich bei April vermute, besonders hart im nehmen. Aber gerade letzteres ist nicht unbedingt so gut, weil … Ach, du wirst ihr den Übermut schon austreiben, “ bog sie den neuerlichen Wortschwall selbst ab. „Genau, “ nickte er. „Du, Fireball?“ fragte sie dann. „Ja?“ – „Was stehst du hier eigentlich noch rum? Wolltest du nicht schon längst bei Frau und Kind sein?“ fragte sie frech grinsend. „Weib! Also echt…“ lachte er und schwang sich in den Racer. „Komm gut an und grüß die Mummy.“ Sie winkte ihm noch kurz zu, dann war er auch schon vom Hof. Kaum hatte die kleine Hebamme das Haus wieder betreten erklärte ihr Jugendfreund ihr trocken: „Du kannst auch wieder packen. Du gehst ins Kloster.“ Ihre linke Braue zuckte nach oben. Also wusste er von dem, was zwischen ihr und dem Recken, der sich inzwischen in einen Sessel gesetzt hatte, begann. „Okay“, stimmte sie wenig beeindruckt zu. „Ich leg dir ein Halsband an und nehm dich mit, Streuner.“ Er riss die Augen auf. „Hallo? Ich knutsch nicht mit dem Boss rum, “ versetzte er. „Bei dir würde mich das auch nicht mehr wundern, Jolly Jumper, “ konterte sie nüchtern. Der Scharfschütze schüttelte den Kopf und gab recht entrüstet zur Antwort: „Saber wird nicht den Ersatz für BooYeah spielen.“ – „Warum nicht? Küssen kann er besser, “ bemerkte sie. Colt ließ sich der Länge nach auf das Sofa fallen, neben dem er stand und seufzte. „Gott …“ Der Vorstellung, wie seine Jolene und sein Boss knutschen in der Küche standen, wollte er sich lieber nicht hingeben. Sie beendete seine Satz gelassen. „… wird dir auch nicht mehr helfen.“ Prompt fuhr er wieder auf. „WEIB!“ Sie sah an sich hinab und stellte fest. „Bin ich. ABER nicht deins.“ Jetzt war Colt wieder auf den Füßen. Er wies auf den Recken, der amüsiert den Schlagabtausch verfolgte, und stellte klar. „Seins auch nicht.“ Chily hob die Schultern. „Das kann man ja ändern“, informierte sie leicht. „Nur über meine Leiche“, entfuhr es ihrem Bullet. „Lässt sich einrichten“, lachte sie. „Du hast Probleme, Bullet.“ Sie trat auf ihn zu und stupste ihm auf die Nase. „Und zwar wichtigere als mich“, fügte sie hinzu. „Ach ja? Welche?“ hakte er nach. Wieder zuckte ihre linke Braue nach oben. „Robin?“ Colts Kiefer klappte auf und wieder zu. Das war ein Fettnapf. Hatte er doch glatt einen Moment lang seine Zukünftige vergessen, nur weil seine Schulfreundin vorhatte sich ernsthaft auf Saber einzulassen. Dabei war es tatsächlich wichtiger, dass er sich mit Robin aussprach. Vorausgesetzt, sie hörte ihm überhaupt noch zu. „Wehe du sagst ihr das, “ drohte er. „Ich? Nie! Oder doch? Vielleicht sollte mich jemand davon abhalten, “ versetzte sie und warf lächelnd einen kurzen Blick auf Saber. „Du machst mich fertig.“ Colt warf die Arme in die Luft. Wieso kapierte sie nicht, dass es keinen gab, der gut genug für sie war? „Nö, dass schaffst du ohne mich, “ merkte sie heiter an. Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Solche Wortgefechte hatten sie sich schon früher geliefert, doch da waren sie zumindest für Chily nicht so ernst. Im Gegensatz dazu war es das heutige schon, denn zum ersten Mal hatte sie es so heftig erwischt, dass sie sich in einem Brautkleid vorstellen konnte. Wie das gekommen war, wusste sie nicht so recht. Es war auch nur ein flüchtiger Gedanke gewesen, aber er war ihr gekommen. Das besondere daran war, dass diese Vorstellung für sie sonst völlig abwegig war. Doch diesmal stieß sie sich überhaupt nicht daran. Deshalb legte sie Colt nun einen Arm auf die Schulter und drückte ihre Stirn gegen seine. Beide hatten die Köpfe gesenkt und als Chily jetzt noch mahnend den Zeigefinger hob, wusste Colt, dass ihr die nächsten Worte ernst waren. „Jetzt hör mir mal zu, Bullet“, begann sie. „Du bist mein bester Freund und ich liebe dich. Aber wenn du nicht aufhörst dich ungefragt in meine Beziehungen …“ Er unterbrach sie. „Beziehungen? Mehrzahl?“ Was sie gleich sagen würde, würde ihm nicht gefallen, weshalb er versuchte, das Ganze durch Scherze zu entschärfen. Doch sie ging nicht darauf ein und rollte die Augen. „Auch das ist nicht deine Sache“, fuhr sie fort. „Wenn du dich nicht zurück hältst, werde ich dich zum Albtraum eines jeden Gerichtsmediziners machen. Ist das verständlich für dich?“ Er schluckte leicht. Sowas hatte er befürchtet „Albtraum der Gerichtsmedizin?“ wiederholte er und sie nickte. „Ist doch mein Lebensziel“, versetzte er schief grinsend. „COLT!!!“ Sie wollte sich aufgebracht von ihm losreißen, doch er hielt sie am Arm fest. „Ich hab es kapiert“, erklärte er dann. Sie schenkte ihm einen durchbohrenden Blick. „Ehrlich“, versicherte er ihr wahrheitsgemäß. Sie nickte zufrieden darauf. „Gut. Fahren wir zu Robin, bevor sie sich noch mehr Sorgen macht.“ Kapitel 7: Living in Danger --------------------------- Living in Danger Dass Mitternacht vorbei war, als sie bei Häuptling Hinun und seinem Stamm ankamen, störte nicht wirklich. Der alte Indianer hatte sie erwartet und führte sie leise zu ihren Schlafplätzen, je einem Raum für die Männer und Chily wieder zu ihrem bisherigen, den sie sich mit Robin teilte. Die war inzwischen eingeschlafen, drehte sich aber nervös hin und her. Erst, als sie die Hebamme neben sich auf dem Lager spürte und diese ihr beruhigend etwas zu flüsterte, wurde aus deren unruhigem Schlaf ein friedlicher. Kaum graute der Morgen waren die beiden Frauen auf den Beinen. Nicht Angst oder Sorgen trieben sie ins Freie, sondern der Frieden und die Stille, die genossen werden wollten. Barfuß und schweigend schlenderten sie über die Wiese, in Richtung Waldrand, gefolgt von Demon und Angel, und hingen ihren Gedanken nach. Noch warfen die Bäume lange Schatten und brannte die Sonne nicht sengend heiß auf sie nieder. Kühl und klar war die Luft und nur das Zwitschern der Vögel war zu vernehmen. Wenigstens für Robin. Chily, als Aiyana hier aufgezogen worden, hatte gelernt, genauer hinzuhören und drehte sich nach den beiden um, deren Schritte sie wahrnahm. Colt und Saber näherten sich den Frauen, waren aber noch außer Hörweite. „Colt ist wieder zurück“, sagte Chily. Robin schenkte ihr einen erstaunten Blick. „Seit wann?“ – „Gestern Nacht. Du hast schon geschlafen, wir wollten dich nicht wecken, “ erklärte die Hebamme und wies beiläufig über die Schulter. Robin fuhr herum. Tatsächlich. Colt kam auf sie zu. Wenn auch schwer als der erkennbar, aber ihr Colt war wieder zurück. Gesund, munter und unschuldig, als wäre er nie fortgewesen, oder hätte Grund wegen etwas ein schlechtes Gewissen zu haben. Dabei hatte sie seinetwegen tausend Ängste ausgestanden und er marschierte über die Wiese, als sei es das selbstverständlichste überhaupt. Im ersten Augenblick hatte Robin sich gefreut ihn zusehen, doch jetzt stieg Wut in ihr auf. Noch bevor der Impuls in ihr aufkam, auf ihn zu zustürmen, hielt Chily sie am Arm fest. „Du hast so lange gewartet, jetzt lauf ihm nicht noch in die Arme. Egal, ob vor Wut oder Freude. Der soll sich mal hübsch herbemühen, “ raunte sie ihr zu. Robin nickte leicht. Allerdings, der sollte nur kommen. „Guten Morgen Number 1“, grüßte er einigermaßen munter als er die beiden erreicht hatte. „He, Saber, wie wäre es mit einem Morgenausritt?“ schlug seine Jugendfreundin, den Gruß ignorierend vor. Der Recke nickte leicht und Chily pfiff nach den Pferden. „Wo wollt ihr denn hin reiten?“ fragte Colt, der bei dem bevorstehenden Donnerwetter lieber zwei Blitzableiter da hätte. „Wir werden sehen“, gab Saber zurück. Genauso wenig wie die Schulfreundin des Scharfschützen hatte er die Absicht, dem eben diesen Gefallen zu tun. Vielleicht war es nicht sonderlich clever gewesen, dem Kuhhirten Dooleys Tod zu verschweigen, aber Robin zurückzulassen um Rache zu üben, diese Idee war einzig auf Colts Mist gewachsen. So schwangen sich Saber und Chily auf die Rücken der Pferde, galoppierten davon und überließen ihm seinem Schicksal. „Na, Baby, “ begann er lässig lächelnd um seine Verlegenheit zu überspielen. Robin funkelte ihn wütend an. Sein Blick wurde unsicher. Dann holte sie aus. Sie war nicht ganz so schnell mit ihrer Ohrfeige, wie die kleine Hebamme mit ihren Haken und so fing Colt den Schlag knapp vor seinem Kopf ab, hatte den aber schon einziehen müssen. „Du verbringst zu viel Zeit mit Chily“, stellte er fest und grinste schief. „Allerdings. Mehr, als mit dir. Vielleicht sollte ich sie heiraten, “ giftete die Lehrerin zurück. Ihre blauen Augen blitzten zornig. Heftig riss sie sich von ihm los um gleich darauf mit ihren Fäusten auf ihn einzuschlagen. „Du elender Schuft, du. Wie konntest du mir das antun? Einfach abhauen. Du Ratte. Hast du eine Ahnung, was ich mir für Sorgen gemacht hab? Du … Du …“ Ihr fehlten die Worte um ihrem Zorn Ausdruck zu verleihen. Colt ließ ihren Ausbruch schweigend über sich ergehen. Er wusste, dass sie recht hatte. Ein Zettel hätte genügt um es ihr leichter zu machen. Drei oder vier erklärende Worte. Wenn sie ihm nur eingefallen wären. So abrupt, wie sie angefangen hatte, hörte Robin wieder auf. Sie ließ schlaff die Arme sinken und wandte sich zum gehen. Colt griff nach ihrem Handgelenk. „Schatz, lass mich doch bitte erklären ...“ Sie riss sich los. „Spar dir deine Erklärungen. Ich will sie nicht hören. Nicht jetzt. Und jetzt bitte lass mich allein.“ Noch mal setzte er an. „Schatz ...“ Doch er spürte, dass es keinen Sinn hatte. Robin brauchte vor allem Zeit um sich wieder zu beruhigen. Sie lenkte ihre Schritte in den Wald, entgegengesetzt der Richtung, in welche Saber und Chily geritten waren. Colt blieb nichts anderes übrig, als sie gehen zu lassen. Sie würde ihm heute vermutlich den ganzen Tag aus dem Weg gehen, deshalb kehrte er zu den Langhäusern zurück. Chily führte Saber zu einer Lichtung mitten im Wald. Auch hier zogen sich lange Schatten über das Gras. Doch an einem schmalen Streifen, wo die Bäume endeten und die Wiese begann, wärmten die morgendlichen Strahlen der Sonne das Grün. Kaum hatte Demon seine Hufen darauf gesetzt, sprang Chily noch im Ritt von seinem Rücken. Saber zügelte Angel, stieg ebenfalls ab und ließ die Stute dem Rappen folgen. Kaum hatte der Recke festen Boden unter den Füßen, wurde er von der kleinen Hebamme umgerannt und ins Gras geworfen. „Hey“, rief er überrascht. „Was tust du?“ Chily stützte sich vom Boden ab und grinste ihn spitzbübisch an. Sie presste ihre Knie leicht gegen seine Hüften, als wollte sie ihm keine Chance lassen zu entkommen, falls dies seine Absicht war. „Was ich tu?“ wiederholte sie lächelnd. „Das, was ich gestern schon tun wollte.“ Damit gab sie ihm einen langen, stürmischen Kuss auf die Lippen. Nur kurz löste sie sich von ihm um ihm gleich darauf noch mehr zärtlichere zu schenken. Er erwiderte sie und glitt mit seinen Fingern ihre Taille entlang über Rücken hinauf zu ihren Schultern. Behutsam drückte er sie erst leicht von sich, dann seitlich neben sich auf die Wiese und beugte sich seinerseits über sie. „Das grenzt ja fast schon an Verführung“, neckte er sie. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals. „Du hast mir eben gefehlt“, erwiderte sie. „Ich bin froh, dass Bullet wieder da ist, aber nach dem, was ich gestern gesehen hab, machst du dir über Fireball Gedanken“, stellte sie fest. Damit hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Saber drückte seine Stirn leicht gegen ihre Schulter, seufzte und schmiegte sich an sie. Liebkosend fuhren ihre Finger seine Schläfe entlang. „Erzählst du es mir? Oder willst du darüber schweigen?“ fragte sie. Einen Moment lang blieb er still, wägte innerlich ab, welche der beiden Optionen besser anfühlte, dann antwortete er langsam: „Ich glaube, ich möchte dir ein bisschen erzählen.“ Irgendwann gegen Mittag, als die Sonne weit oben am Himmel stand, fanden sich die vier beim Stamm wieder ein. Saber und Colt sprachen mit einigen Irokesen über die besten und sinnvollsten Verteidigungsmöglichkeiten. Noch immer war mit Angriffen zu rechnen. Taima und Patamon, die Brüder, die Colt und Chily aus Kindertagen noch gut kannten, waren stolze und tapfere Krieger geworden. Der Rat der Irokesen hatte beschlossen, die Absicherung des Stammes in deren Hände zu legen. Beide bemühten sich um das Wohl und die Sicherheit, wollten das in sie gesetzte Vertrauen und die Erwartung nicht enttäuschen. Während dessen packten Robin und Chily die Sachen zusammen und bedankten sich bei der Clanfrau, die ihnen Obdach gewehrt hatte. Ein bisschen bedauerte die ältere Indianerin, dass die beiden wieder fortgingen. Sie hatte sie ins Herz geschlossen und versicherte ihnen nun stets willkommen zu sein. Die Stimmung auf dem Heimweg war seltsam. Colt und Robin wechselten kein Wort miteinander. Dafür beanspruchten sie Chily und Saber ausschließlich als Gesprächspartner, im Falle Robin vor allem um vorläufig noch nicht mit den Cowboy reden zu müssen. Auf der Ranch angekommen, inzwischen war es fast Nacht, prüften der Scharfschütze und der Recke erst mal das Haus auf einen neuerlichen Einbruch, doch es gab keine Anzeichen, dass seither jemand hier gewesen war. Chily hängte sich ans Telefon und klingelte auf Yuma durch um April wissen zu lassen, dass sie wieder problemlos erreichbar war. Dabei half sie Robin beim auspacken, indem sie den schnurlosen Hörer zwischen Hals und Schulter klemmte. „Ich glaube nicht, dass sich hier jemand blicken lässt, solange wir da sind“, bemerkte Saber, als er mit Colt ins Wohnzimmer trat. „Ja“, nickte der. „Der Typ, der BooYeah kalt gemacht hat, hätte es nicht getan, wären Männer im Haus gewesen. Wer so was tut, ist schlichtweg ein Feigling.“ Der Blonde musterte ihn. „Hör mal, Colt, du solltest endlich mit Robin reden“, begann er. „Wollte ich doch, aber sie hat mich nicht zu Wort kommen lassen, “ gab der zurück. „Dann versuch es noch mal. Vielleicht hat Chily ja recht und du hast mehr Erfolg, wenn du dir den Bart abrasiert hast. Der sieht nämlich wirklich nicht so toll aus, “ meinte der Recke um ihn aufzumuntern. Damit ließ er ihn auch schon allein und betrat die Küche. Chily öffnete gleich darauf die Hintertür. Sie hatte mit Robin auf der Veranda gesessen, aber nun Lust auf einen Spaziergang, auf welchen die Lehrerin nicht mit wollte. Jetzt schenkte die kleine Hebamme dem Blonden einen liebevollen Blick. „Begleitest du mich?“ fragte sie. Er nickte nur. Es war egal, wohin. Colt und Robin sollten sich aussprechen und dabei waren sowohl der Recke, als auch die Jugendfreundin des Scharfschützen zu viel. Ein kleiner Spaziergang vor dem Schlafen gehen tat schließlich gut, so nahm Saber ihre Hand und begleitete sie die Hofeinfahrt hinunter und die Straße entlang. Colt hatte sich tatsächlich den Bart rasiert, als er zu Robin auf den Hof trat. Sie hockte auf der Veranda und starrte über den nächtlichen Hof zu der Koppel in der die Pferde grasten. Es war kühler geworden und es fröstelte sie leicht. „He Schatz? Brauchst du jemanden, der dich wärmt?“ begann Colt vorsichtig. „Keine Sorge, ich erfrier schon nicht. Ich hab ja Chily, “ gab sie bissig zurück. „Aber ich möchte bei dir sein, Schatz.“ Das sie so abweisend war, konnte er zwar verstehen, aber kaum ertragen. „Ich wollte auch, dass du bei mir bist, aber du musstest ja gehen.“ Das hatte sie hart getroffen. „Sei nicht so grausam“, bat er verletzt. „Ich weiß, dass es nicht die beste Idee war, einfach zu verschwinden und mit meiner Sehnsucht nach dir hab ich wirklich schon einen hohen Preis bezahlt. Musst du mich noch mehr quälen?“ Robin musste gestehen, dass sie diese Aussage überraschte. Colt war wohl kaum der Mensch, der zu gab, jemanden zu vermissen. Wenn ihm so ein Statement über die Lippen kam ohne dass ein Witz folgte, war es für ihn tatsächlich die Hölle gewesen. Dennoch hatte sie nicht vor, es ihm leicht zu machen. „Ich glaube, ja. Damit dir klar wird wie sehr du mich damit verletzt hast“, entgegnete sie. Diese Lektion musste er einfach lernen. „Deine Sorge war sicher genauso groß, wie meine Sehnsucht.“ Er hockte sich vor sie auf die untere Stufe und nahm ihre Hände. Sie entzog sie ihm sofort und erhob sich. „Du bist eine Mistmade“, erklärte sie und wandte sich ab. Wenigstens hatte sie das Wort „Elende“ nicht hinzugefügt. Das gab ihm Hoffnung. „Ich weiß.“ Geknickt stand er auf. „Colt, ich weiß, wie wichtig Dooley für dich war, aber wenn du mich einfach so sitzen lässt, ohne eine Nachricht da zu lassen oder anzurufen, frage ich mich, was ich dir bedeute,“ definierte sie ihm ihre Sichtweise. Tränen stiegen ihr in die Augen. Er wusste es, obwohl sie mit dem Rücken zu ihm stand. „Was glaubst du denn? Ich will, dass du meine Frau wirst, “ parierte er so ungeschickt, wie ungeduldig. Jetzt drehte die Lehrerin sich leicht zu ihm um. „Wenn du auch in Zukunft ohne Vorwarnung gehst, frage ich mich ernsthaft, was das für eine Ehe werden soll. Wenn du mir nicht sagst, was mit dir los ist, was verbindet uns dann“ Darüber musste er nicht lange nach denken. „Liebe“, antwortete er, wie aus der Pistole geschossen. „Und was ist mit Vertrauen?“ hakte sie nach. „Schatz, was soll das? Natürlich vertraue ich dir. Es ist nur nicht so leicht über manche Dinge zu reden.“ Er bekam das untrügliche Gefühl, dass er gleich über diese Dinge sprechen musste, wenn er sie nicht verlieren wollte. Und wirklich. „Zum Beispiel über deine Eltern“, bohrte sie weiter. Er nickte. „Genau.“ Das war das Thema über das er wirklich nicht reden wollte. Aber einen Weg daran vorbei schien es diesmal nicht zu geben. Er seufzte tief. „Schatz, ich…“ begann er. „Die Sommerferien hatten begonnen und ich wollte sie nutzen um mir einen Namen beim Rodeo zu machen. Damit ich nach dem Abschluss im Jahr darauf besser einsteigen konnte, weil ich nicht mehr so ganz so unbekannt war, weil man schon von mir gehört hatte. So war der Plan. Meine Eltern brachten mich nach Louisville. Von dort aus mussten sie nach Yuma und ich weiter nach Texas, wo das Rodeo stattfand. Da hab ich dir schon erzählt. Sie waren so stolz auf mich. Ihr Flug ging früher, als meiner und so winkte ich ihnen nach. Dann griffen die Outrider an. Ohne Vorwarnung und so weit fort von ihren üblichen Angriffen. Ehe ich es richtig begriff, flog der Raumkreuzer in dem meine Eltern saßen in tausend Stücke. Im ersten Moment hab ich nur gedacht, dass sie zum Final nun nicht mehr kommen würden. Ich war wie gelähmt. Dann wurde mir klar, dass sie nirgendwo mehr hinkommen würden, dass ich sie nie wiedersehe … Ich schaffte es zur Beerdigung nach Tucson-City zurückzukehren. Aber ich hab es nur drei Tage in unserem Haus ausgehalten. Es steckte alles voller Erinnerungen an sie … Also ging ich. Nach Texas. Weil mir nicht besseres einfiel. Ich wusste nicht, wie und wann … nur, dass diese Phantombanditen dafür bezahlen würden … ich war so wütend … Hätte Dooley mich nicht aufgelesen und dafür gesorgt, dass ich nach den Ferien meinen Abschluss mache … Robin, ich hab keine Ahnung, wo ich ohne ihn jetzt wäre.“ Eine Weile schwiegen beide, weil Colt es endlich fertig gebracht hatte, darüber zu reden. Robin musste verarbeiten, was er gesagt hatte und er, das er es wirklich gesagt hatte. Dann fuhr er fort. „Es gibt fünf Menschen in meinem Leben, die etwas ganz besonderes für mich sind. Drei davon sind tot. Ich hab nur noch dich und Jolene. Ich weiß, ich hätte nicht gehen sollen, Robin. Aber ich bin es Dooley schuldig. Ich …“ Sie unterbrach ihn. „Ich verstehe, Colt. Wirklich, ich verstehe dich.“ Zur gleichen Zeit führten auch Saber und Chily ein nicht so unbedeutendes Gespräch. Händchen haltend schlenderten sie die Straße entlang, als der Recke fragte: „Sagst du mir auch, wie du dich fühlst?“ Er hatte am Morgen ihr sein Herz etwas ausgeschüttet. Nicht alles detailiert preisgegeben, aber wenigstens wusste sie, dass sowohl Fireball als auch Colt wütend auf ihn waren und weswegen es zwischen ihm und dem Rennfahrer zu einer nonverbalen Auseinandersetzung gekommen war. „Ich meine, die ganze Aufregung hier wegen dieses Falls und dann das mit BooYeah, “ fügte er ergänzend hinzu. Sie nickte leicht. „ Es ist ganz schön schwierig“, gab sie zu. „BooYeah war mein Schatz. Kurz nach dem Colt gegangen ist und meine Eltern ermordet wurden, hab ich ihn gefunden. Er war noch ein Welpe, ganz klein.“ Sie lächelte. „Ab da war er mein ständiger Begleiter und Tröster. Dass er nicht mehr da ist, fühlt sich seltsam an. Und das jemand so weit geht, einen Hund zu töten, ist beängstigend. Ich meine, was hat der Hund damit zu tun? Aber das schlimmste ist …“ Sie hielt kurz inne. Saber legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie näher an sich. „Was?“ fragte er aufmunternd. „Die Nachricht, die in seinem Maul gefunden wurde. „Bereit so zu sterben, Willcox?““ Sie schüttelte sich angewidert. Der Schotte runzelte die Stirn. „Hast du den Zettel gesehen Womit ist das geschrieben worden?“ hakte er sofort nach. „Ich weiß nicht. Der Sheriff hat es mir nur kurz vorgelesen. So leise, dass Robin es nicht hört. Ich wollte sie nicht aufregen. Also, nicht noch mehr, “ antwortete sie. Die Gedanken des Recken begannen sich um diese Nachricht zu drehen. Was bedeutete es für den Fall? Was für Colt? Wie ernst musste man das nehmen? Oder hatte es weder Bezug zu Pennyrile, noch zu Colt, sondern erlaubte sich damit jemand einen fiesen Scherz? Immerhin gab es da noch Dean, der auf den Kuhhirten mehr als offensichtlich nicht gut zu sprechen war, auch wenn er damals einfach gegangen war. „War es wieder Sheriff Borland, der den Tatort untersucht hat?“ wollte der Recke dann wissen. Sie nickte. „Was wirst du jetzt tun?“ Chily musterte den Blonden, der ganz von seinem Pflichtgefühl ergriffen den Fall am liebsten auf der Stelle geklärte hätte. So zumindest erschien er ihr grad. „Es Colt sagen.“ Saber drehte sich um und wollte zum Haus zurück gehen. „Aber doch nicht ernsthaft sofort?“ rief sie ihm alarmiert nach. Von wegen, der wäre kühl. Wer immer sowas behauptete, log. Der hatte Temperament, wenn es darum ging, seine Freunde vor drohender Gefahr zu schützen. „Wann denn sonst?“ Schon war er ein paar Schritte von ihr entfernt. Sie griff nach seinem Arm. „Lass es. Lass ihn erst mit Robin reden. Das ist wichtiger für ihn. Oder reicht es dir nicht, dass Fireball stinkig ist? Musst du es dir auch noch mit Colt verscherzen?“ mahnte sie. Er sah sie verständnislos an. „Das war ja wohl eindeutig eine Morddrohung. Findest du nicht, dass das ein bisschen wichtiger ist?“ Sie schüttelte energisch den Kopf. „Manche Dinge müssen geklärt werden, bevor man keine Chance mehr dazu hat. Ganz besonders Dinge zwischen einem Paar, das vor hat zu heiraten.“ Jetzt umklammerte sie seinen Arm, damit er sich nicht losreißen konnte. „Aber sie werden nicht heiraten können, so lange einer da draußen rum läuft, der den Bräutigam unter die Erde bringen will“, gab er zurück. „Der Bräutigam wird dich unter dir Erde bringen, wenn du jetzt störst“, konterte sie trocken. Jetzt löste sich Saber entschieden von ihr. „Der Fall hat Vorrang“, bestimmte er und schritt zügig auf das Haus zu. „Nein, nicht für Colt.“ Ehe der Schotte es richtig begriff, hatte Chily ihn angesprungen, ihm die Arme um die Schultern geschlungen und die Beine so um eines von seinen, dass er keine Schritt damit machen konnte, sondern es hinterher schleifen musste. „Ich bleib so lange hängen, bis du nachgibst“, krähte sie, fast schon wieder fröhlich. „Chily, lass mich los. Das ist ja lächerlich.“ Er versuchte sich zu befreien, doch sie klammerte stark an ihm. „Chily!“ Dieses verrückte Frauenzimmer. „Nö, mich wirst du nicht los, so lange du Bullet stören willst“, erklärte sie erneut. „Du weißt, wie kindisch du dich gerade benimmst?“ wollte er wissen. „So kindisch, wie du mich dazu zwingst, weil du so uneinsichtig bist“, warf sie prompt zurück. „Ich mein, wenn du unbedingt mit jemandem darüber reden willst, dann ruf doch Fireball an. Der ist eh schon angepisst, und zwar mehr als Bullet. Außerdem hat er dir doch vorgeworfen, du würdest ihn nicht einweihen. Da kannst du ihm jetzt gleich das Gegenteil beweisen.“ Saber blieb unvermittelt stehen. „Du hast Recht. Ich werde ihn sowieso hier brauchen, “ erwiderte er dann. „Siehste, “ gab sie amüsiert zurück. „Frag doch einfach deine weise, kleine Hebamme, “ grinste sie und entließ ihn aus ihrer Umklammerung. Jetzt musste er auch schmunzeln. „Verrückte Henne trifft es wohl eher“, lächelte er. „Ach, zwischen Genie und Wahnsinn ist es doch bekanntlich ein schmaler Grad.“ Sie stieß ihn neckend in die Seite. Wieder legte er den Arm um sie und zog sie zu sich. „Und du überschreitest die Grenzen auch so gern“, zog er sie auf. Als sie protestieren wollte, drückte er ihr schnell einen Kuss auf den Mund. Dann kehrten sie auf die Ranch zurück und Saber rief den Rennfahrer an. Es tat so gut sie wieder zu halten, ihre Wärme zu spüren und den Duft ihres Haares einzuatmen. Allein das hatte ihn schwachgenug werden lassen um ihrem Wunsch nach zugeben. Morgen würde er Robin zeigen, wo er gewohnt hatte. Nach fünf Jahren kehrte er also doch wieder zur Willcox Ranch zurück. Er hatte nie wieder dorthin wollen. Aber Nie sollte man eben nur in der Vergangenheit gebrauchen. Es wäre wohl leichter für ihn, wenn Saber und Chily auch dabei waren. Morgen früh würde er sie darum bitten mitzukommen. Fireball legte gründlich verstimmt den Hörer auf. Gerade einen Tag war er bei April und schon beorderte Saber ihn wieder zurück. Dann auch noch mitten in der Nacht. Nur weil der Schotte offenbar kein Privatleben hatte, hieß das nicht, dass es auch auf den Rest der Welt zu traf. Er trollte sich missmutig wieder ins Bett. April wandte sich im Halbschlaf zu ihm um und schmiegte sich an ihn, kaum dass er lag. „Was war denn los?“ murmelte sie. „Saber will, dass ich morgen früh mit Ramrod nach Tucson-City komme“, gab er leicht knurrend zurück. „Aha.“ Es dauerte eine Weile bis seine Worte zu der Verschlafenen durchsickerten, dann war sie richtig wach und fuhr hoch. „Was? Schon morgen?“ Wenig begeistert bestätigte ihr Freund: „Doch genau.“ Das gefiel der Blondine nicht wirklich. Sie hätte ihn gern noch ein Weilchen länger um sich. Sie fuhr sich durchs Haar. „Aber ich wollte dir eine Wohnung zeigen, die ich mir vorgestern angeguckt hab …“ Sie brach ab. Saber wusste, dass die beiden ein Kind erwarteten. Es musste einen triftigen Grund dafür geben, dass er Fireball wieder in Tucson-City haben wollte. „Was ist passiert?“ fragte sie dann. Gleichzeitig wollte der Rennfahrer wissen. „Was für eine Wohnung?“ Die Blondine schob den Träger ihres Nachthemdes wieder auf die Schulter und überging seine Frage. „Irgendetwas ist doch passiert“, wiederholte sie. „Chily hat mir erzählt, dass jemand ihren Hund getötet hat. Es muss aber noch etwas gewesen sein, “ überlegte sie dann. „Ich bin gegangen, kaum das ich da war. Saber sagte, dass eine Morddrohung in BooYeahs Maul gefunden wurde, “ erwiderte er und wollte sie zu sich auf die Matratze ziehen. „Eine Morddrohung? Gegen wen? Colt oder Chily?“ bohrte sie weiter. „Gegen Colt? Aber wenn du mich fragst, ist das reine Schikane von dem Säbelschwinger, sonst nichts, “ murrte Fireball. Für ihn war klar, dass die beiden auch ohne ihn klar kämen. Deshalb konnte er sich also um die Zukunft des Ungeborenen kümmern. „Schikane von Saber? Warum sollte er?“ Für April ergab das keinen Sinn. „Was redest du da für einen Unsinn? So was ist doch nicht seine Art, “ gab sie kopfschüttelnd zurück. Sie wusste noch nichts von den Auseinandersetzungen der beiden. Ihr war vollkommen klar, dass jeder im ersten Moment genauso geschockt war, wie das Paar selbst, also gab es auch keine allzu begeisterten ersten Reaktionen. Das hieß jedoch noch lange nicht, dass sich die Freunde nicht für sie freuten. Fireball sah das etwas anders. „Es ist aber auch nicht seine Art, sich für uns zu freuen“, versetzte er verstimmt. Auf ihren erstaunt fragenden Blick hin, erklärte er: „Er sagte, ich kriege meine Abreibung, wenn er Zeit und Nerven dafür hat. Einfach die Navigatiorin zur Mutter zu machen. Das waren seine Worte. In etwa. Ich meine, er denkt nur daran, was es für Ramrods Besetzung bedeutet, nicht, ob wir zwei uns darüber freuen.“ Frustriert verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke. „Das nichts mehr so wird, wie es mal war, ist dir hoffentlich bewusst. Dieses Baby wird alles verändern. Ich werde nur noch Wissenschaftlerin sein. Im Dienst des KOK, aber nie wieder Starsheriff im Einsatz, in Gefahr, “ erklärte sie ihm dann, erstaunt darüber, dass er offenkundig davon ausging, dass sie nach der Entbindung wieder an Board sein würde. Jetzt setzte er sich überrascht auf. Ganz so klar wie ihr, war es ihm nicht gewesen, obwohl absolut logisch war, dass es so kommen würde. „Wo bin ich bei dieser Planung?“ hakte er nach, weil es nicht so sehr danach klang, als wäre er dabei berücksichtig worden. „Wo immer du sein willst“, erwiderte sie. „Und hoffentlich so oft es geht bei uns.“ Er zog sie in seine Arme. „Natürlich will ich bei dir und dem Kleinen sein. Ein Junge braucht seinen Vater schließlich.“ Sie löste sich leicht von ihm. „Ein Mädchen auch.“ Fireball zog sie wieder an sich. „Stimmt, aber es wird ein Junge.“ – „Nein, es wird ein Mädchen.“ Die beiden sahen sich an und seufzten. „Wir fragen Chily.“ Erneut sank Fireball auf die Matratze zurück und zog April diesmal mit sich. „Du gehst morgen früh. Saber hat dich gerufen, weil er dich braucht, “ entschied sie dann. „Und die Wohnung?“ hakte er nach. „Vier Zimmer auf etwa hundert Quadratmeter, mit Tiefgaragenstellplatz und im Stadtzentrum“, beschrieb sie. Wieder sahen sie sich an. Beide runzelten grüblerisch die Stirn. „Nicht gut“, bekannten sie zeitgleich. „Etwas am Stadtrand wird besser sein“, meinte Fireball. „Mit Balkon oder Terrasse. Wenn es geht, nahe an einem Park. Oder?“ April nickte. „Ja, das war auch mein Gedanke“, gab sie zu. „Du, Fireball?“ Er kuschelte sich an sie. „Was denn, Süße?“ Sie fuhr ihm liebevoll durchs Haar. „Freust du dich eigentlich auf das Baby?“ Er nickte. „Ja“, murmelte er an ihrer Schulter. „Es ist egal, was es wird“, fügte er hinzu. „Hauptsache, der Junge ist gesund.“ Sie spürte, wie er grinste „Du bist doof“, lachte sie. „Ja“, bestätigte er schelmisch und wollte seinerseits wissen. „Freust du dich auch?“ Sie rutschte ein wenig herum um bequemer zu liegen. „Ja, ich freu mich sehr darauf“, flüsterte sie dann. Inzwischen hatten beide sich von dem anfänglichen Schreck erholt und fingen an sich mit der neuen Situation vertraut zu machen. Damit begannen sie auch, sich auf den Nachwuchs zu freuen. Das einzige, was April jetzt noch Sorgen machte, war die Tatsache, dass es ihre Freunde wussten, nur ihr Vater noch nicht. Irgendwie und irgendwann musste sie es ihm sagen. Nur war sie sich aus irgendeinem Grund nicht sicher, ob sie diesmal auch auf sein Verständnis zählen konnte. Fireball hätte schon vor einer Stunde mit Ramrod ankommen sollen. Jetzt war es fast elf, als er mit Ramrod hinter der Koppel auf der Wiese landete. Er hatte sich Zeit gelassen und wollte eigentlich Sabers Befehl verweigern. Hätte April nicht darauf bestanden, dass er flog, wäre er nicht gekommen. Ungeduldig wurde er erwartet. Er war noch halb auf der Rampe, da grüßte Colt schon dreist. „Kommst du von deiner Süßen nicht mehr runter oder was.“ Dabei grinste der von einem Ohr zum anderen. Weniger komisch fand Saber das ganze „Wo warst du? Wir hatten zehn ausgemacht und du kommst eine Stunde später. Hast du dich verflogen?“ Tadelnd blickte er auf den Rennfahrer. Bevor der etwas wenig freundliches antworten konnte, waren auch Chily und Robin zu den dreien gestoßen. „Hi, wie geht es April?“ rief die Lehrerin und die Hebamme fügte hinzu. „Bitte sag, dass sie vernünftig ist.“ Skeptisch hob Saber die Brauen. „Sie ist zwar vernünftiger als unser Pilot und auch verlässlicher, aber in dem Fall“ Dabei deutete er auf Fireball. „war sie viel zu unvernünftig“, erklärte er trocken. „Was genau willst denn jetzt damit sagen?“ wollte Chily erstaunt wissen. Der Japaner verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte den Recken düster an. War ja klar, dass so etwas wieder kommen musste. „Dass wir unvernünftig sind“, erwiderte er für den Blonden. „Wahrscheinlich auch verantwortungslos. Stimmt es Schwertschwinger?“ Der Angesprochene hielt dem Blick stand. „Wenn du es selber weißt, warum macht ihr das dann?“ versetzt er. „Was fragst du so blöd? Die Antwort darauf hast du doch schon selber gegeben. Schließlich warst du es doch der gesagt hat, ich hätte mich weniger unter Kontrolle als ein Karnickel, “ parierte der Hitzkopf sogleich. Saber zog die Brauen hoch. „Jetzt ist es ohnehin zu spät. Ich frag mich wirklich, wie ihr, vor allem du aber, das organisieren wollt. Du bist ja noch nicht mal regelmäßig auf Yuma, “ gab er zurück. Tatsächlich hatte er Zweifel, ob die beiden dieser Belastung durch ein Kind schon gewachsen waren. Chily klappte der Kiefer nach unten. Vorwurfsvoll fragte sie Saber. „Hast du das mit dem Karnickel echt gesagt?“ Es war Fireball, der nickte. „Also“, aufrichtig empört erklärte die Hebamme dann. „hör mal. Die beiden haben schließlich gelernt, Verantwortung für die Sicherheit und das Leben im ganzen Neuen Grenzland zu tragen. Da werden sie erst recht in die Verantwortung für einen kleinen Menschen reinwachsen.“ Davon war sie überzeugt. „Lasst uns endlich aufbrechen. Wir haben eh schon genug Zeit verplempert, “ bog der Recke die Diskussion ab, die wohl zu diesem Zeitpunkt gar nichts brachte, und wandte sich zum Gehen. Mit wenigen Schritten war folgte Chily ihm und knuffte ihm leicht in die Seite. „Was? Blöd, dass ich recht hab?“ grinste sie, doch der Recke ließ sich nicht so leicht einwickeln. „Blöd, dass Schwierigkeiten immer ungefragt und rudelweise kommen“, entgegnete er. „Darauf hat man nicht immer Einfluss.“ Sie hakte sich versöhnlich bei ihm unter. Colt führte sie zu der Ranch. Wer nicht Bescheid wusste, konnte glauben, dass dies die Adams Ranch war, denn die Gebäude unterschieden sich nicht wirklich von einander. Man musste schon wissen, dass lediglich das Grundstück der Familie Willcox etwas größer war. Doch wenn man den Vergleich nicht gesehen hatte, war diese Information auch nutzlos. Mit einem unbehaglichen Gefühl trat Colt auf die Eingangstür zu. Das Unbehagen hatte jedoch nicht so viel mit der schmerzhaften Erinnerung zu tun, es fühlte sich eher alarmierend an, was er nicht richtig nachvollziehen konnte. Kaum hatte er die Tür geöffnet, konnte er es verstehen. Ganz offensichtlich war jemand vor nicht allzu langer Zeit dort gewesen und hatte die gute Stube gehörig auf den Kopf gestellt. Fünf Jahre war das Haus unbewohnt gewesen, doch nun hatte augenscheinlich ein Hurrikane darin gewütet und nicht mal den Staub mitgenommen. Dafür waren die Möbel verrutscht oder umgeworfen worden. Papier lag herum. Schubläden waren aufgerissen, halb wieder zugeschoben oder ganz aus den Schränken genommen worden. Die Teppich lagen halb verschoben und in Falten auf dem Boden. Die Gardinen waren teilweise von den Stangen gerissen und Blumentöpfe umgekippt. Mit einem noch säuerlichen Blick erfasste der Rennfahrer das Chaos und maulte. „Jetzt wird auch deutlich, woher du deinen Sinn für Ordnung hast, Viehtreiber.“ Der war jedoch weder von dem, was er im Haus vorfand begeistert, noch von dem Kommentar seines Kameraden. „Muss ich jetzt ausbaden, dass Saber dir ans Bein gepisst hat?“ knurrte er und begann suchend durch die Wohnung zu tigern. „Wo ist der oder die reingekommen?“ Saber half ihm dabei und entdeckte schließlich die zerbrochene Hintertür in der Küche. „Ich würd sagen, da ist er rein“, bemerkte er. Colt besah sich verstimmt den Schaden an dem Eingang. „Verdammt, wenn ich die Ratte erwische ...“ Chily, die wie Robin ebenfalls eingetreten und sich umgesehen hatte, rief „Saber?“ – „Ja?“ – „Komm mal bitte her.“ Sie stand wie angewurzelt vor der Theke der Hausbar. Als sie hörte, wie der Recke und der Cowboy näherkamen, rief sie schnell. „Colt, hast du geprüft, ob oben alles in Ordnung ist?“ Der stieg ahnungslos darauf ein und nahm Robins Hand. „Muss ich noch“, gab er zurück und ging mit ihr nach oben. „Hast du was gefunden?“ Saber betrat die Bar. „Oh ja.“ Damit zeigte sie auf die verstaubte Theke auf der jemand eine Nachricht dagelassen hatte. „Du bist tot, Willcox.“ Die Deutlichkeit war erstaunlich. „Wer immer das ist, er kennt ihn verdammt gut“, stellte der Blonde verblüfft fest. Neugierig näherte sich Fireball. „Was ist denn los?“ Saber gab den Blick auf den Tresen frei. „Sieh es dir an“, forderte er ihn auf. „Wow, das liebt ihn jemand ja echt abgöttisch.“ Der Hass in den wenigen Worten war so beeindruckend wie unheimlich. „Bloß gut haben wir jetzt noch deine Unterstützung“ Chily strich dem Rennfahrer leicht über den Oberarm. Sie war froh, einen Kopf mehr zum Denken und eine Menschen mehr zum Schutz in der Nähe zu haben. Sie fühlte sich sicherer unter diesen Umständen. Saber tippte leicht auf die Botschaft und schenkte dem Rennfahrer einen ernsten Blick. „Und jetzt sag noch einmal, dass wir dich hier nicht brauchen würden“, meinte er trocken. Der rollte die Augen. „Jaja.“ Der Schotte erwartete hoffentlich nicht, dass Fireball ihm jetzt auch noch Recht gab. Im oberen Stockwerk sah es kaum anders aus. Bilder hingen schief an den Wänden oder lagen mit zerbrochen Scheiben am Boden. Wie unten, musste man auch hier aufpassen, wo man hintrat. „Oh mein Gott, “ murmelte Robin, erschüttert darüber, dass hier jemand so gehaust hatte. Colt umschloss ihre Hand fest. „Keine Sorge, Schatz. Normalerweise ist es bei Willcox' sauber. Du kriegst kein kleines Schweinchen zum Mann, “ versicherte er ihr grinsend. Sie hob die Braue. „Und das von dem Mann, der erst seid einem halben Jahr die Zahnpastatube nicht mehr offen liegen lässt.“ Sie kannte ihren Zukünftigen doch. „Wenigstens quetsch ich sie bis zum letzten Rest aus. Da kenn ich ganz andere Kaliber, “ meinte er mit Verschwörermiene und deutete auf das Erdgeschoss. „Ja tust du. Hast den letzten Rest immer hübsch auf der Ablage verteilt, “ gab sie unbeeindruckt zurück. „Echt? Ist mir nie aufgefallen, “ lächelte er unschuldig. „Ich gelobe Besserung.“ – „Gelobe nicht, bessere dich einfach.“ Robin öffnete die Tür zu einem Zimmer. „Aha, dass hier war dein Zimmer, “ bemerkte sie. Eine kleine Spielzeugpistole hing an der Wand. Die Lehrerin erkannte sie, von den Kinderfotos. Der Kuhhirte öffnete die Tür ganz und ließ sie hinein. „Ja, das war der Wilde Westen bei Willcox.“ Der Raum wäre auch ohne die Verwüstung chaotisch. „Sieht man.“ So war er also schon immer gewesen. Auf einem Regal stand ein, aus Stöckchen und Kieseln, selbstgebastelter Bilderrahmen. Robin nahm ihn in die Hand. „Du und deine Number 1.“ Der Cowboy trat hinzu und linste ihr über die Schulter. „Das ist lange her, Mann. War beim letzten Homecoming. Das war das einzige Mal, dass sich Chily so herausgeputzt hat.“ Tatsächlich strahlte seine Jugendfreundin aus einer cremeweißen Korsage mit einem dunkelgrünem Saum und einem gleichfarbigen Bolerojäckchen daher. Neidlos gab die Lehrerin zu. „Steht ihr aber. Wie viele Jungs hast du ihr an dem Abend denn vom Hals halten müssen?“ Chily war sogar geschminkt, dezent aber ausreichend. Colt schlenderte zum Fenster hinüber. Entgegen der üblichen Etikette hatte sie ihn damals abgeholt, ihm Steine ans Fenster geworfen, damit er sich beeilte. „Also drei sind im Teich gelandet, zwei im Strohhaufen und einer später im Krankenwagen, “ rechnete er nach. Seine Robin stellte das Foto zurück und sah sich weiter um. „Sag, dass das ein Witz ist.“ Die Antwort klang recht unschuldig. „Naja, der eine ist im Krankenwagen gelandet, weil er zu viel gesoffen hat. Von mir ist er lediglich über einen Tisch befördert worden.“ Robin musste grinsen. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie der Abend verlaufen war. Vermutlich hatte Chily Colt noch eine Ohrfeige verpasst, weil er ihr gesagte hatte, mit welchem Jungen sie tanzen durfte und mit welchem nicht. „Oh, du hast dich ja richtig zurück gehalten“, befand sie und zog die Schublade vom Nachttisch auf. „Oha.“ So viele verpackte Kondome hatte sie darin ganz sicher nicht erwartet. Colt hatte offenbar keine Erinnerung mehr daran, was sich in der Lade lag und fragte nichts ahnend „Was? Hast du Grippetabletten da drin gefunden? Die such ich nämlich schon eine Weile.“ Er drehte sich zu ihr um. Die Blondine griff mit beiden Händen in die Schublade und beförderte einen Teil des Inhaltes zu Tage. „Erkläre!“ Dabei hielt sie ihm die Packungen hin und warf ihm einen tadelnden Blick zu. Der Scharfschütze war heilfroh, dass seine Jugendfreundin ihm seinen Hut zurück gegeben hatte, denn jetzt konnte er ihn ganz tief ins Gesicht ziehen. „Also... naja, ich war jung. Ehrlich, Robin, ich schwöre, die waren nur für den Fall der Fälle, “ versicherte er hastig. Die gute Robin konnte ja schlecht ahnen, dass seine Freunde ihn immer damit aufgezogen hatten und ihm bei jeder Gelegenheit schier tonnenweise Verhütungsmittel geschenkt hatten. „So viele? Das lässt tief blicken, Colt.“ Sie räumte die Päckchen wieder in die Schublade zurück. „Für die Hochzeitsnacht brauchst du die jedenfalls nicht mehr auf heben. Das Verfallsdatum ist abgelaufen, “ bemerkte sie trocken. „Da siehst du mal, wie lange die Dinger da schon drin liegen, “ schaltete er sofort um den nicht so guten Eindruck gleich wieder zu verbessern. „Außerdem: Ich hab sie nicht gebraucht, was sagt uns das?“ Rasch zog er sie in seine Arme und schaute ihr tief in die Augen. „Dass du dumm genug warst, sie hier zu vergessen, statt eins im Geldbeutel zu haben.“ Robin machte sich von ihm los und trat ans Fenster. Tatsächlich waren es nicht unbedingt seine Jugendsünden, die ihr sauer aufstießen, sondern die, die er beging, wenn er von ihr getrennte war. Er warf ihr seine Geldbörse hin. „Sieh nach, bevor du da lange rumgackerst, Schatz.“ Postwendend traf ihn das Portemonnaie am Kopf. „Ich gackere nicht“, grollte sie. „Außerdem weiß ich, was da drin ist und muss mich unter diesen Umständen fragen, wieso?“ Colt riss leicht die Augen auf. Meinte sie das ernst. „Ach, komm schon, Schätzchen“, versuchte er sie zu besänftigen. „Das Ding da drin, ist mindestens genauso alt, wie die in der Schublade da. Ich hab sie nie gebraucht. Schon gar nicht, seit ich dich kenne, das weißt du doch.“ Er sah sie mit großen treuen Augen an. Sie schnappte sich den Geldbeutel um das zu prüfen. „Sicher, dass es noch da ist?“ Der Schwerenöter war schließlich eine Weile weg gewesen ohne ihr zu sagen wohin. Wie konnte sie da sicher sein, dass dieser Ausflug nicht einem fremden Bett pausiert hatte. „Ganz sicher“, schwor der. „Okay.“ Sie hatte das Kondom gefunden und tatsächlich war es genauso alt, wie die in der Schublade. „Was hast du denn sonst erwartet?“ Zweifelnd runzelte er die Stirn. Vertraute sie ihm so wenig? „Entschuldige, aber dass du so einfach verschwunden bist, ist für mich schon ein großer Vertrauensbruch“, rechtfertigte sie sich, kam sich aber schon ein wenig albern dabei vor. Ihr Cowboy hatte schließlich auch schon bewiesen, dass er nur Augen für sie hatte. Das hatte sie am Anfang der Beziehung immer wieder mal getestet und ihn nach einer Frau gefragt, die gerade vorbei gelaufen war. Meist hatte er nicht gewusst, wovon sie sprach. Jetzt galt sein Augenmerk dem Boden. „Ich wollte dich nicht beunruhigen“, murmelte er vor sich hin. „Schatz, ich mach es nie wieder, versprochen.“ Robin unterdrückte ein Seufzen. „Hast du aber, Colt. Du hast mich zutiefst beunruhigt. Wenn ich nicht mal weiß, wo du warst, woher soll ich dann wissen, dass du treu warst. Ganz besonders, wo du ja so nachweislich“ Sie deutete auf die Schublade. „kein Unschuldslamm bist.“ Wieder zog der Scharfschütze seine Verlobte in den Arm und presste sie innig an sich. „Das stimmt. Ich bin vielleicht kein Unschuldslamm, “ gab er zu. „Aber ich liebe dich. Das musst du doch wissen, Schatz. Nichts ist mir wichtiger als du.“ Sie legte ihm ihre Arme um den Hals. „Es fällt mir grad noch schwer, dass zu glauben, Colt.“ Doch so unnahbar wie eben war sie schon nicht mehr. Er schaute ihr tief in die Augen. „Soll ich es dir beweisen?“ Was war das denn für eine Frage? Welche Gedanken hatte der Kuhhirte denn gerade. „Etwa hier und jetzt?“ wollte die Lehrerin irritiert wissen. Er nickte nur vielsagend und schob sie sanft in Richtung Bett. „Nein, danke. Nicht gerade sehr stimmungsvoll die Umgebung, “ wehrte sie entschieden ab, machte sich von ihm los und verschwand aus dem Zimmer. Das war ja wohl weder die romantischste noch prickelnste Umgebung oder der passende Zeitpunkt. So berechtigt diese herbe Abfuhr auch war, sie passte dem Kuhhirten nicht. Er verzog den Mund und trottete ihr hinterher. „Okay“, brummte er ergeben. „Wann immer du willst, mein Schatz.“ Sein Schatz stand vor dem gegenüberliegenden Zimmer, dessen Tür sperrangelweit offen stand. „Was ist das für ein Zimmer?“ Hier sah es noch viel schlimmer als im übrigen Haus aus. „Das Desaster da, war das Zimmer meiner Eltern“, ließ sich ihr Bräutigam vernehmen. „Also, wenn hier jemand was gesucht hat, dann war er sehr gründlich und wütend“, überlegte Robin laut. „Hat es wohl nicht gefunden.“ Bei dem Anblick des Zimmers wurde Colt böse. Es war schon schlimm genug, sein Elternhaus in diesem Zustand vorzufinden, doch die Unordnung ausgerechnet im Zimmer seiner Eltern, die obendrein verstorben waren, war mehr, als er ertragen konnte. „Wenn ich den Kerl in die Finger kriege, “ knurrte er, „egal, was er gesucht hat, ich mach ihn fertig.“ Wie konnte jemand nur derartig respektlos sein? Robin legte ihm die Hand auf die Schulter. „Bitte beruhige dich.“ – „Langsam aber sicher krieg ich einen richtigen Hass auf den Typen“, brummte er missmutig. „Kann ich verstehen“, erklärte sie. „Zumindest hat er nichts gestohlen. Da liegt noch der ganze Schmuck in dem Kästchen. Das hat er also nicht gewollt.“ Damit deutete sie auf den verwüsteten Schminktisch am Fenster, der Colts Mutter gehört hatte. „Aber was zum Henker sucht er dann?“ Der Kuhhirte trat darauf zu und schaute auf die verschiedenen handgefertigten, mit Schnitzereien verzierten, Schatullen, für die seine Mutter eine große Schwäche gehabt hatte. „Ich weiß es nicht.“ Robins Blick glitt über die geöffneten Schranktüren. Jemand hatte die Regale und Schubfächer herausgenommen und die Rückwand bei seiner Suche herausgedrückt. Dann drehte sie sich zu ihrem Zukünftigen, der liebevoll, beinahe zärtlich den Schmuck seiner Mutter in die Kästchen räumte „Mir passt die ganze Geschichte nicht. Zuerst wurde bei Chily eingebrochen, nun hier. Wer kommt als nächstes dran? Die Irokesen?“ äußerte er seine Überlegungen laut. „Vielleicht.“ Etwas unschlüssig stand die Blondine noch an der Tür. Sie wagte nicht so recht, den Raum ganz zu betreten. „Ich würde ja fast schon so weit gehen und behaupten, dass Chily und ich irgendjemandem im Weg stehen“, fuhr er mit seinen Gedanken fort. „Nur wobei?“ Er winkte sie leicht zu sich. Es fiel ihm leichter ruhig zu bleiben, wenn er ihrer Nähe spüren konnte. „Du glaubst, Chily auch?“ hakte sie nach und half ihm beim Aufräumen. Dabei entdecke sie ein Paar goldener Ohrstecker in Form einer Rosenblüte in deren Mitte ein kleiner Saphir prangte. „Oh, sind die schön“, hauchte sie. Colt warf einen kurzen Blick auf die Schmuckstücke und öffnete eine Schachtel, in der er eben die dazugehörige Kette gelegt hatte. „Das steht dir bestimmt sehr gut.“ Er hielt ihr das Kollier an den Hals. „Das passt zu dir“, stellte er fest und machte Anstalten es ihr anzulegen. Verlegen wehrte sie ab. „Nicht.“ Sie hielt seine Hände fest und senkte den Blick. „Das hat deiner Mutter gehört.“ Er lächelte leicht und umfasste ihre Finger liebevoll. „Nein, Robin. Ich möchte, dass du sie trägst. Meine Mum hat sie zur Hochzeit getragen. Bitte trag du sie auch zu unserer Hochzeit. Ich bin sicher, Mum würde das auch so wollen.“ Ihre Wangen röteten sich leicht „Das kann ich nicht. Das ist zu wertvoll, “ protestierte sie schwach. „Nicht wertvoller als du, “ entgegnete er und hauchte ihr, um das Gesagte zu unterstreichen, einen Kuss auf die Wange. „Colt, ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Sie musste ja nachgeben, denn er würde nicht eher Ruhe geben, bis er seinen Willen bekam. Das wusste sie, da er sie noch immer liebevoll und bestimmt ansah. „Sag, dass du für immer meine Frau sein willst“, forderte er. Auch wenn sie das eigentlich schon getan hatte, war es ihm wichtig, das zu hören, ganz besonders nach den letzten Ereignissen. Da Colt und Robin so lange in der oberen Etage blieben, hielten Fireball, Saber und Chily es für nötig zu ihnen zu kommen. Immerhin mussten sie darüber reden, wie es weitergehen sollte. Also stapfte Chily gut hörbar die Treppe hinauf. „Colt? Robin?“ Der Gerufene rollte die Augen. „Keine Zeit!“ gab er zurück. Rasch, bevor der Zauber dieses trauten Momentes endgültig hinüber war, flüsterte Robin ihm zu: „Ich will.“ Im nächten Augenblick platzte Chily herein. „Ach hier seid ihr.“ Fireball folgte der Hebamme auf dem Fuße. „Wir wollten schon eine Vermisstenanzeige aufgeben“, grinste er munter. Da er jetzt wusste, dass er nicht umsonst hergeflogen war, hatte er seinen Humor wieder ausgepackt. „Ja. Natürlich hätten wir euch die Kosten der Fahndung in Rechnung gestellt, “ bekundete Chily ebenso breit grinsend wie der Japaner. „Seid ihr hier fündig geworden?“ wollte Saber etwas sachlicher wissen und schob sich an den beiden Neckenden in das Zimmer hinein. „Genau genommen sind wir gefunden worden“, informierte Colt kopfschüttelnd. Und dann hieß es immer sein Timing wäre sagenhaft. Was bitte war denn das gerade? „Also auch nichts“, bemerkte der Recke. „Was immer gesucht wurde, es ist nicht hier“, fasste der Rennfahrer zusammen. „Können eigentlich nur die Unterlagen über Pennyrile gewesen sein. Und dass die nicht hier sind, hätte ich dem Vogel auch sagen können, “ kommentierte die Schulfreundin des Kuhhirten. In dessen Kopf hatte sich die lange Leitung endlich freigeschalten. „Also auch nichts“, hatte Saber gesagt, was ja schlussendlich darauf hinaus lief, dass Colt und Robin nichts waren. Jetzt protestierte der Cowboy. „He“ und bedachte den Schotten mit einem tadelnden Blick. Der überging den Einwand leicht grinsend und meinte: „Es bleibt die Frage, wer der komische Kauz ist und weshalb er unbedingt die Unterlagen über Pennyrile sucht?“ Fireball legte die Stirn in Falten und eine Hand unter das Kinn. „Vielleicht hat es was mit dem Bericht über das Alkalit zu tun“, schlug er vor. „Da ist was dran“, stimmte der Schwertschwinger zu. „Wenn das Alkalit in die falschen Hände gerät, ist das Neue Grenzland geliefert.“ Als dieses Thema dran war, hatte der Scharfschütze gefehlt. „Was genau hat das Alkalit mit Pennyrile zu tun?“ wollte er deshalb wissen. „Es gibt einen Bericht, der besagt, dass in Pennyrile Alkalit vorkommt“, trumpfte der Rennfahrer auf. „Ah ja. Wer behauptet denn so was?“ bohrte der Cowboy weiter. „Wissenschaftler“, antwortete Saber nüchtern. Chily musste über diese trockene Auskunft kichern. „Dooley hat wohl sowas ausgegraben“, brachte der Japaner seinen Kollegen auf den aktuellen Stand der Dinge. „Commander Eagle hat die Befürchtung, dass die Outrider dahinter gekommen sind und versuchen, sich das Alkalit unter den Nagel zu reißen“, ergänzte der Blonde. „Weswegen auch Pennyrile und die Irokesen in Gefahr sind“, folgerte Colt sachlich korrekt und hatte den Anschluss gefunden. „Wenigstens hat der Kopf bei deinem Ausflug in die Unterwelt keinen Schaden genommen.“ Damit war der Rennfahrer doch sehr zufrieden. „Das heißt aber auch, dass wir uns schnellstens was einfallen lassen müssen, Boss“, wandte er sich an Saber. „Der Kerl folgt einer Spur und die wird ihn als nächstes direkt zum Alkalit führen.“ Der nickte. „Vor allem zu dem Besitzer der Mine, denn der steht ihm offenbar im Weg“, gab er zurück. Abrupt hörte Chily zu kichern auf. „Wem gehört die Mine?“ Fireball blickte erst zu Chily, dann zu Colt. Der hob die Schultern. „Keine Ahnung. Hat mich damals nicht interessiert, “ erklärte er. In dem Magen der kleinen Hebamme machte sich ein übles Gefühl bemerkbar. Sie lehnte sich matt an den Türrahmen und wandte sich, weiß wie die Schwelle, die ihr Halt geben sollte, ab. Saber war mit einem Satz bei ihr. Diese Reaktion ließ ihn schlimmes befürchten. Er packte sie behutsam an der Schulter und drehte sie wieder herum. „Chily, wem gehört jetzt die Mine?“ fragte er ahnungsvoll. Sie schaute ihn groß und eingeschüchtert an. Kaum hörbar flüsterte sie. „Mir.“ Alarmiert rief Colt „Was?“ während Saber sie sofort beschützend in seine Arme nahm und ihr zu raunte. „Wir lassen nicht zu, dass dir was passiert.“ Bei dem Gedanken, an die Gräueltaten, die passiert waren, an die Botschaften, die zurückgelassen wurden, war es für die kleine Hebamme nicht schwer, sich vorzustellen, dass dies alles ihr galt. Leise fing sie zu weinen an und klammerte sich an dem Recken fest. Der drückte sie noch näher an sich und fuhr ihr mit der Hand sanft und beruhigend über den Rücken. „Schsch. Ich bin da, Jolene. Ich lasse nicht zu, dass er dir was tut, “ versprach er ihr. Fireball räusperte sich. „Ich will jetzt echt nicht zum Klugscheißer mutieren, aber wär es unter diesen Umständen nicht besser, wenn wir unseren Chef darüber informieren und ihn sofort um Verstärkung bitten?“ Der Schotte nickte ihm leicht über Chilys Schulter hin zu. „Dann mach ich das mal.“ Damit verließ der Japaner den Raum. Colt schien ihm folgen zu wollen, blieb jedoch bei Saber und Chily stehen und legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. „Seit wann?“ fragte er. Sie schniefte unterdrückt, löste sich aber kaum merklich von dem Schotten. „Kurz nach dem du weg warst, Bullet“, erwiderte sie. Was war denn noch alles geschehen, nachdem er gegangen war? Einmal mehr verfluchte Colt sich, Chily als Freund im Stich gelassen zu haben. „Wir biegen das grade, Chily. Du kannst dich auf uns verlassen, “ versicherte er betreten und nahm die Hand wieder weg. „Ich wusste doch, dass du und ich im Weg sind, “ grummelte er dann. Diese Vermutung hatte sich ja nun bestätigt. Auch Robin trat nun zu ihnen. In der einen Hand den Schmuck von Colts Mutter, die andere legte sie auf seinen Arm. „Ja, du hattest Recht Colt. Aber bleib ruhig, alles andere bringt uns nichts, “ mahnte sie sanft. Chily hob den Kopf von Sabers Schulter. Langsam gewann sie ihre Fassung wieder und trat einen Schritt zurück. Der Recke entließ sie aus der Umarmung und meinte zu dem Scharfschützen. „Hör auf deine Zukünftige, Colt.“ Eine Weile blieb es still. Diese ungeahnte Erkenntnis schien zu lähmen. Saber grübelte über die weitere Vorgehensweise, dann wurde ihm klar, dass vor allem eines wichtig war. Es würde jedoch Protest hervorrufen. Vorsichtig setzte er an: „Wir sollten euch von hier wegbringen.“ Colt, Robin und Chily horchten auf. „Wen wohin bringen?“ hakte die Hebamme nach. Der Blonde holte tief Luft. „Euch. Irgendwohin, wo es sicher ist. Auf jeden Fall weg von hier, “ führte er aus. „Wer ist Euch?“ bohrte Colt weiter. „Robin, Chily... und du“, erläuterte der Schotte zögernd und fügte rasch hinzu. „Colt, sei mir nicht böse, es ist viel zu gefährlich.“ Bevor der aufbrausen konnte, betrat Fireball den Gang. „Was ist gefährlich?“ – „Es ist für die drei zu gefährlich, weiterhin in der Nähe von Pennyrile zu sein.“ Bei der Information betete Saber, dass der Rennfahrer es genauso sah und es zur Abwechslung mal keine Diskussion darum gab. Der überlegte kurz und bestätigte knapp. „Ähm ... ja.“ Dennoch begehrte der Cowboy auf. „Vergiss es Saber. Ich laufe nicht davon.“ Was dachte der Schwertschwinger denn? „Das hat mit Davonlaufen nichts zu tun. Über kurz oder lang führt der Weg zum Alkalit über dich und Chily. Derjenige, der das Alkalit will, wird euch aus dem Weg schaffen, das hast du selbst gesagt. Sei vernünftig, Colt. Du nützt uns lebend weit mehr als tot, “ erwiderte der eindringlich. Zumindest schien Chily dieser Schritt klar zu sein. Sie wandte sich an die zukünftige Misses Willcox. „Robin, vielleicht solltest du nach Yuma zu April gehen. Du bist dort sicher und kannst ein Auge auf sie haben.“ Die Angesprochene nickte. „Komm mit mir, Chily. April wird sich über deine Anwesenheit freuen und beruhigter sein.“ Es war der Lehrerin nicht entgangen, dass die Hebamme nicht für sich selbst gesprochen hatte. Jetzt schüttelte die Kleine den Kopf. „Ich kann nicht. Ich habe sehr viele Patientinnen hier. Zwei von ihnen stehen kurz vor der Entbindung. Ich kann sie jetzt nicht hängen lassen, “ gab sie zurück. Noch einmal hielt Fireball es für besser, den Recken zu unterstützen. „Dir ist aber schon klar, dass du deine Patientinnen damit auch in Lebensgefahr bringst? Kann das keine Kollegin übernehmen?“ Erneutes Kopfschütteln. „Das ist nicht das gleiche, Fireball. In dem Moment ist es wichtig, dass jemand dabei ist, der weiß was passieren wird und dem man vertraut. Ich kann sie nicht einfach wie ein Stapel Akten an eine Kollegin weiter schieben. Das geht nicht.“ Allerdings war ihr ihre Zerrissenheit anzusehen. Sie hatte Angst davor zu bleiben, da ihr Leben in Gefahr war, konnte sich aber nicht entschließen zu gehen, da sie die Verantwortung und das Vertrauen ihrer Patientinnen hatte und die nicht enttäuschen wollte. „Musst du mir alles nach machen?“ rügte der Scharfschütze sie. Für ihn stand fest, dass er bleiben würde, aber seine Jugendfreundin wollte er in Sicherheit wissen. „Ihr bleibt auf keinen Fall hier“, entschied Saber energisch. „Ach, was willst du tun? Mich nach Yuma tragen?“ fragte Chily trotzig und war in dem Moment bereit für ihre Patientinnen dazu sein. „Da helf ich dir sogar dabei, Boss. Aber ich komme mit zurück hierher, “ erklärte der Kuhhirte beinahe munter. „Ich hab eine bessere Idee, “ schaltete sich Fireball ein. „Wir nehmen Ramrod dafür und den Bronco Buster nehmen wir dir solange weg, Viehtreiber.“ – „Wahnsinnig witzig“, knurrte der ihn darauf an. „Mein voller Ernst“, versetzte der Rennfahrer. Doch bevor das Ganze in unsinniges Geplänkel ausarten konnte, griff Saber ein. „So kommen wir nicht weiter. Chily, ich bitte dich, geh mit Robin nach Yuma.“ Mit einem Befehl konnte er sie nicht dazu bewegen, dass hatte er gerade bemerkt. Sie sah ihn mit großen Augen an und flüsterte: „Versteh doch, dass geht nicht. Ich habe eine Verantwortung meinen Patientinnen gegenüber. Ich hab schon ein schlechtes Gewissen, weil ich sie im Stich gelassen habe, als ich mit Robin zu Hinun geflüchtet bin. Ich kann das doch nicht noch mal tun.“ Sie war eindeutig von ihrem Herz beeinflusst und jetzt war ihm klar, wie er sie zur Vernunft brachte. Zärtlich strich er ihr mit beiden Händen übers Haar und hielt ihren Kopf darin. „Tu es für mich“, bat er. „Zeig mir, dass es richtig war, mit dir eine Beziehung einzugehen. Ich möchte dich in guten Händen wissen, in Sicherheit, damit ich wieder zu dir zurückkommen kann.“ Schon wollte sie wieder Einwände hervorbringen, aber da seine Augen warm und innig auf ihr ruhten, wurden ihre Knie weich und sie gab nach. „Also schön. Ich glaube, ich finde eine gute Vertretung.“ Zufrieden nickte er. „Bestimmt.“ Fireball hatte das grinsend beobachtet. Das würde er Saber bei Gelegenheit unter die Nase reiben. Diese Gelegenheit lieferte ihm der Cowboy prompt. Verdattert blickte er von der kleinen Hebamme auf den Recken. „Sie geht jetzt echt nach Yuma? Hast du ihr Drogen gegeben?“ Heiter kam es nun vom Rennfahrer. „Nein, Drogen sind da glaub ich nicht im Spiel. Aber ich hab gehört, dass so ein richtig treudoofer Blick bei Frauen immer zieht.“ Colt hob die Augenbrauen. „Das erklärt dann, warum du dich bei April nicht durch setzten kannst. Deinem Blick fehlt das Treue.“ Gelassen hob der die Schultern. „Das ist alles Taktik, Kuhtreiber.“ – „Jaja.“ Diese Aussage kaufte der Cowboy ihm nicht wirklich ab. „Im Moment mach ich mir vor allem um seine Taktik Sorgen.“ Dabei zeigte er auf Saber. „Will ich wissen, was er schon für Takte angeschlagen hat?“ Chily warf ihm einen düsteren Blick zu. „Nein, willst du nicht, Albtraum der Gerichtsmedizin“, erinnerte sie ihn an die letzte Aussprache zu diesem Punkt. „Nicht schon wieder. Klärt das in Yuma, wenn ich nicht in der Nähe bin, “ ließ Saber sich vernehmen und wandte sich sachlicher an seinen Piloten. „Also, Fireball. Was sagt Commander Eagle? Wann kommt Verstärkung?“ Genauso sachlich erhielt er Auskunft. „Sobald er alle mobilisierte Kräfte hier hat. Spätestens morgen.“ Auch Robin zog es vor, sich auf den Ernst der Lage zu konzentrieren. „Wir sollten packen“, meinte sie. Es musste schließlich sein. „Wir werden solange noch hier bleiben. Falls es Übergriffe geben sollte, “ nickte der Recke. „Und ich dachte schon, jetzt hätten schon meine ruhigeren Tage angefangen, “ lachte der Japaner. Also wurde er doch nicht alt und Aktion gab es auch noch genug. „Du bist der einzige kleine Wahni, der daran seine Freude hat. Bist du sicher, dass du mit ihm alleine hier bleiben willst, Boss?“ versuchte Colt sich vor seiner drohende Abschiebung zu retten. Saber ging jedoch nicht darauf ein. „Notgedrungen, ja“, antwortete er trocken. „Jetzt hör mal zu Colt! Du hast genau zwei Möglichkeiten. Du kommst mit Chily und mir nach Yuma und wir können wieder von Heirat reden, sobald das hier überstanden ist. Oder eben nicht, “ erklärte Robin nun energisch und verstimmt von der Uneinsichtigkeit ihres Verlobten. Nicht ganz unbeeindruckt räusperte sich der Blonde. „Ich würd an deiner Stelle mitgehen, Colt.“ Auch der Rennfahrer fiel ihm in den Rücken. „Deine Kuhaugen werden dir da jetzt auch nichts helfen“, garantierte er. Gespielt verstimmt murrte der Scharfschütze. „Jetzt setz mir halt noch die Pistole auf die Brust, Schatz.“ Aber für seinen Versuch, das alles ins Lächerliche zu ziehen, hatte die Lehrerin überhaupt nichts übrig. „Colt!“ – „Sieh es positiv“, begann der Rennfahrer schadenfroh. „Genau. wenn du mit kommst, wirst du das Ende deines Lebens erreichen. Die Ehe, “ grinste die kleine Hebamme. Colt fuhr weiter die alberne Schiene, verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte. „Ihr seid echt so gemein.“ Ungerührt entgegnete Chily. „Ja“, und drehte sich zu dem Japaner. „Gib mir Fünf.“ Der schlug ein und bestätigte: „Wir sind die gemeinsten.“ Kameradschaftlich legte er ihr noch den Arm um die Schulter. „Colt, ich verspreche dir hoch und heilig, wenn Saber und ich den Kerl aufmischen, denk ich an dich“, fügte er dann hinzu. „Toll.“ Schon ernsthafter verstimmt stichelte der zurück. „Und ich versprech dir hoch und heilig an dich zu denken, wenn ich im Bett liege, mit Robin ... und April.“ Drohend hob der Pilot den Zeigefinger „Oh, wehe dir!“ zitierte er den Kuhhirten. „Allerdings.“ Auch Robin verschränkte mahnend die Arme vor der Brust. Für Saber Zeit, den beginnenden Schlagabtausch endgültig abzuwürgen. „Wir sollten langsam los, Leute“, erinnerte er alle Anwesenden. „Lasst uns noch mal zurück zur Ranch, ein paar Sachen packen und dann mit Ramrod zu Häuptling Hinun, bis die Verstärkung da ist.“ Fireball nickte bereitwillig und zog Chily mit sich hinaus. Robin, Colt und Saber folgten ihnen. Fireball verschwand an Board von Ramrod und justierte die Abtaster so, dass sie Alarm schlugen, sollte sich jemand mit einer Waffe dem Anwesen nähern. Dann meldete er sich bei April um ihr zu sagen, wie die Dinge hier standen. Unterdessen packte Robin ihre Sachen. Colt half ihr dabei. „Wer hätte gedacht, dass ein Wiedersehen der Starsheriffs solchen Ärger verursacht. Hätte ich das gewusst, hätte ich einfach leise, still und heimlich geheiratet, “ meinte Colt frustriert. „Es hätte dich alles eingeholt. So oder so, Colt. Wenigstens hast du Saber und Fireball da und stehst allem nicht allein gegenüber, “ erwiderte sie. „Oh ja, wenn es drauf ankam, hatte ich immer einen Freund an der Seite, auf den ich zählen konnte. Oder dich, “ gab er zurück. Ach verdammt. Sollten sich doch die Sachen selber in die Tasche packen. Er nahm seine vom Bett, stellte sie vor den Schrank und trat zu Robin, die dabei war Kamm und Haarspangen von der Kommode zu packen. Er schlang seine Arme um sie und zog sie zu sich heran. „Colt, was soll das? Wir sollten packen.“ Sie versuchte, ihn von sich zu schieben. „Das kann bis morgen warten“, gab er zurück, hauchte ihr einen Kuss auf die Schulter und nahm ihr den Kamm aus der Hand. „Wenn wir schon unsere Hochzeitspläne auf Eis legen müssen, dann doch bitte nicht noch unsere ganze Beziehung“, erklärte er und glitt mit dem Kamm behutsam durch ihr Haar. „Du erwartest doch nicht, dass ich dir glaube, dass du keine Hintergedanken hegst?“ fragte sie belustigt zurück. „Okay.“ Er hielt in der Bewegung inne. „Hab ich gesagt, dass du aufhören sollst?“ wollte sie wissen. Der Kuhhirte fuhr grinsend mit dem Kämmen fort. „Grins nicht so dreckig.“ Sie musste nicht hinsehen um das zu wissen. Schlagartig verschwand sein Gesichtsausdruck. Der Frau konnte er wirklich nichts verheimlichen. Die war wie Chily. Na ja, fast. Mit Chily würd er das nicht tun. Denn jetzt hob er seine Robin hoch und legte sie schwungvoll auf das Bett. „Ich wusste, du hast was bestimmtes im Sinn“, lachte sie. „Na, hör mal. Ich muss dir doch beweisend, dass du mir das Wichtigste bist, “ rechtfertigte er sich schmunzelnd. „Oder eher die letzten Zweifel daran beseitigen.“ Damit drückte er ihr einen liebevollen Kuss auf die Lippen, den sie gern erwiderte. „Schatz“, murmelte sie. „Hm.“ Colts Mund glitt ihren Hals hinab und fuhr die den Ausschnitt ihres Shirts entlang. „Wir müssen noch mal in Ruhe über die Hochzeit reden“, meinte sie leise. Er fuhr überrascht hoch. „Willst du sie absagen?“ Über seinen geschockten Blick musste sie lachen. „Nein, aber wir sollten wenigstens verlauten lassen, dass sich der Termin verschiebt. Außerdem müssen noch ein paar Dinge besprochen werden. Zum Beispiel die Sache mit dem oder den Trauzeugen.“ Er nickte, strich mit seinen Händen ihre Taille entlang und zog ihr Shirt aus dem Rock. „Aber erst, wenn wir auf Yuma sind“, bemerkte er. Sie setzte scherzhaft zu Protest an, doch den verhinderte er, in dem er ihr einen weiteren, stürmischeren Kuss gab. Chily hatte das letzte Telefongespräch beendet und für all ihre Patientinnen passende Vertretungen organisiert. Das sie jetzt auf dem Hof stand, hatte zwei Gründe. Sie brauchte frische Luft und überlegte, wie ratsam es war, die Pferde auf der Koppel zu lassen, nachdem, was mit BooYeah geschehen war. „Sie sind im Stall sicherer“, meinte Saber, als er zu ihr trat. „Ja, dass hab ich auch grad gedacht, “ entgegnete sie. „Hilfst du mir?“ Er nickte leicht, betrat mit ihr die Koppel und führte Angel am Zügel neben der Hebamme und Demon zum Stall. „Also, eins muss ich ja mal noch los werden, Saber“, begann sie ihn ins Gebet zunehmen, für etwas, dass sie falsch fand und so nicht belassen konnte. „Dass du Fire mit einem Karnickel verglichen hast, ist ganz schön daneben.“ Der Recke senkte den Kopf. „Ja, ich gebe es zu, das war nicht gentlemanlike“, gestand er. „Aber... ausgerechnet die zwei und ausgerechnet jetzt“, versuchte er sich zu rechtfertigen. „Was hast du denn dagegen?“ hakte sie nach. „Sie sind beide noch so jung, kaum ein Jahr zusammen, geschweige denn, dass sie zusammen wohnen. Fireball und April sehen sich noch nicht mal regelmäßig, “ erläuterte er ihr. „Und was sagt das über die Beziehung?“ fragte sie verständnislos. „Gar nichts. Die beiden lieben sich, dass sieht jeder und das ist das wichtigste, “ beantwortete sie die Frage selbst. „Aber, ich finde, es passt nicht. Fireball ist Rennfahrer, von Haus aus nicht viel zuhause. Wie will er denn ein guter Vater sein, wenn er nicht da ist, “ gab der Schotte zu bedenken. So unberechtigt waren seine Bedenken nicht. Langsam ging ihm auf, dass er mal wieder den Eindruck erweckte, kühl und sachlich zu sein. Dass sich dahinter eigentlich Sorge um das junge Elternpaar stand, schien nicht mal Chily zu ahnen. „Wer sagt denn, dass er sich nicht einen anderen Job sucht? Würdest du das nicht?“ wollte sie nun wissen. „Das hat doch nichts mit mir zu tun? Es geht um die beiden. Ich bin mir nicht sicher, ob ihnen klar ist, worauf sie sich da einlassen.“ Ihre Art ihn zu verhören war er noch immer nicht gewohnt. Angel stieß ihm leicht den massiven Kopf gegen die Schulter, als wollte sie sagen: „Sei tapfer, das stehst du schon durch.“ Demon schnaubte eifersüchtig. „Sie haben ja auch noch Zeit dafür. Schließlich kommt das Kind ja noch nicht morgen. Ich meine, gut, es wäre besser, wenn es geplant gewesen wäre, aber das bedeutet nicht, dass sie dem nicht gewachsen sind?“ ließ Chily verlauten. „Du siehst wohl nirgendwo ein Problem“, stellte Saber kopfschüttelnd fest. „Dafür siehst du überall eins“, konterte sie, öffnete die Stalltür und führte den Hengst in seine Box. Der Blonde tat es ihr gleich. „Ich frage mich, was wohl wär, wenn wir nicht gestört worden wären“, überlegte die Hebamme laut, als sie den Riegel vor die Tür der Box schob. „Du weißt schon, vor zwei Wochen. Ich meine, bei der Aufregung hier könnte ja meine hormonelle Verhütung verrückt spielen. Wer sagt, dass einer von uns beiden in dem Moment noch an zusätzliche Verhütung gedacht hätte? Nach einem Jahr Einsamkeit? Bei uns beiden? Jetzt lass noch alle Zufälle zusammen kommen und Treffer, versenkt. Was wäre deine Reaktion?“ Oha, was für eine Frage. Im ersten Moment konnte der Schotte nicht antworten und verschloss Angels Box ebenfalls. „Du kommst auf Ideen. Wie oft kommt so was denn tatsächlich vor?“ Davon ausgehend, dass der gesunde Menschenverstand immer funktionierte, glaubte er kaum, dass solche Zufälle eine hohe Häufigkeit aufwiesen, doch Chilys Berufserfahrung wusste es besser. „Öfter als man glaubt, das ist mal wahr“, versicherte sie und forderte eine Auskunft. „Also, wie würde es weitergehen mit uns? Würdest du mich sitzen lassen?“ Dank seines entgeisterten Gesichtsausdruckes konnte sie auch diese Frage problemlos selbst beantworten. „Wohl kaum. Wir würden doch beide überlegen, wie wir damit umgehen, so dass für uns drei das Beste dabei heraus kommt, “ bemerkte sie. „Natürlich.“ Schließlich wäre er in solch einer Situation ebenso verantwortlich und vor seiner Verantwortung drückte er sich nie. „Siehst du“, erwiderte sie zufrieden. „Und dabei haben wir beide viel weniger, als April und Fireball. Die beiden tun auch nichts anderes, als den für sie richtigen Weg zu gehen. Ob es so wirklich richtig ist, oder wäre, in ihrem, oder unserem Falle, würde oder wird die Zukunft zeigen, “ fasste sie alles zusammen. „Die Zukunft kann sich mit einem Schlag ändern.“ Mehr viel ihm nicht mehr dazu ein. Und es war so nichtssagend wie tiefsinnig. Mit einem spitzbübischen Grinsen fügte sie hinzu. „Oder durch etwas Mouse au Chocolat.“ Immerhin waren sie an diesem Abend einander sehr nahe gekommen. Er lächelte ihr warm zu. „Du bist wirklich eine alte Naschkatze.“ Sie tat empört. „Wie bitte?“ Schließlich war sie ja nicht alt. „Du hast mich schon verstanden.“ Saber ließ sich träge in einen Heuhaufen am Ende des Stalles fallen. „Also findest du wirklich, dass ich zu viel Wind um die ganze Sache mache?“ fragte er dann. Sie trat vor ihn. „Ja, finde ich. Zumal, ein laues Lüftchen reichen würde. Ein warmes halt. Was die beiden brauchen, sind Freunde, die ihnen nicht auch noch Vorwürfe machen, “ gab sie zurück. Der Recke zog die Brauen hoch. „Ich mach ihnen doch gar keine Vorwürfe. Ich äußere lediglich meine Bedenken, “ rechtfertigte er sich. „Fireball würde weniger allergisch darauf reagieren, wenn es sich für ihn nicht nach Belehrungen anhören würde. Und Ermahnungen oder Predigten zu dem Thema fallen in den Zuständigkeitsbereich von Eltern rein. Nicht in den von Freunden, “ stellte sie klar, ohne dabei selbst allzu nörgelnd zu klingen und nur, um ihm einen Hinweis zugeben. Er verstand sie richtig und lehnte sich im Heu zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. „Dann sollte ich das wohl Commander Eagle überlassen. Ein Glück für die zwei haben sie nicht mehr Eltern, “ versetzte er in einem Anflug von Galgenhumor. „In der Hauptsache solltest du das wohl. Oder feile einfach etwas an deiner Formulierung. Wortgewand genug bist du doch dafür.“ Chily nahm neben ihm im Heu Platz. „Fire hat keine Eltern mehr?“ hakte sie dann nach. Der Schotte hatte nur darauf gewartet, dass sie sich endlich zu ihm setzte und legt ihr einen Arm um. „Sein Vater ist gestorben, als er ein kleiner Dreikäsehoch war, so weit ich weiß. Allzu viel spricht er nicht darüber.“ Chily nickte leicht. „Und was ist mit dir? Hast du deine Eltern noch?“ wollte sie als nächstes wissen. Ein versonnenes Lächeln huschte über seine Lippen. „Ja, beide. Gesund und nach siebenundzwanzig Jahren Ehe immer noch glücklich miteinander, “ antwortete er. „Beneidenswert.“ Ein wenig verklärt war ihr Gesicht, als sie das Wort aussprach. Dann sah sie ihn kurz nachdenklich an und meinte: „Ich glaube, jetzt weiß ich, welchen Spitznamen du von mir bekommst.“ Verwundert runzelte er die Stirn. „Du willst mir einen Spitznamen geben?“ – „Hab ich dir doch damals am Fluss schon versprochen“, erinnerte sie ihn. „Du bekommst einen, der nur von mir für dich ist.“ Leise lachte Saber. „Ich hoffe schwer, dass ich nicht ein zweiter Jolly Jumper werde.“ Chily schüttelte leicht den Kopf. „Nö, ich dachte, eher an Manapi.“ Neugierig beugte er sich näher zu ihr. „Ein indianischer Name? Was bedeutet er?“ fragte er. „Das was du bist. Wundervoll, “ lächelte sie verlegen und errötete leicht. „Kannst du mir auch sagen, was dann atemberaubend heißt?“ Liebevoll nahm er ihre Hand und hauchte einen sanften Kuss darauf, ehe er hinzufügte. „Das bist du nämlich.“ Ihr einsetzendes Herzrasen versuchte sie zu überspielen und neckte ihn. „Atemberauben? Oh weh, muss ich die Notaufnahme anrufen?“ – „Nein. Nicht, wenn du mich noch wiederbeleben kannst, “ gab er mit einem Zwinkern zurück. „Na, dass muss ich doch gleich mal versuchen.“ Sie setzte sich aufrecht hin und näherte sich seinem Gesicht. „Atemlos ja? Das heißt: Mund zu Mund Beatmung, “ erklärte sie fachmännisch und gab ihm einen kleinen, zarten Kuss. „Nicht schlecht.“ Er zog sie weiter zu sich. „Aber mir bleibt immer noch die Luft weg.“ Jetzt richtete sie sich weiter auf und kniete sie sich ins Heu. Ein klein wenig musst sie sich zum ihm hinab beugen und er seinen Kopf in den Nacken legen. „Dann versuch ich es noch mal.“ Dieser Kuss war länger und inniger als der erste. Seine Hände umfassten ihre Taille und drückten sie behutsam rittlings ins Heu. „Deine Erste-Hilfe-Kurse zahlen sich aus, wirklich“, erklärte er. Sie lachte munter. „Oh wow, Es lebt.“ Dabei streckte sie triumphierend die Arme über ihren Kopf. „Man bin ich gut.“ Er horchte auf. „Es? Na hör mal! Bin ich etwa ein Alien?“ tat er nun entrüstet. „Okay. Zweiter Versuch, “ kicherte sie. „Oh wow, Sie lebt. Ich mein, Er lebt.“ Der Schalk stand ihr im Gesicht geschrieben. „Also, ehrlich.“ Gespielt empört machte er Anstalten aufzustehen. „Wenn das so ist, muss ich jetzt leider wieder ins Haus gehen und den Moralapostel spielen, damit mein Abend nicht der einzige ist, der daneben gegangen ist.“ Doch sie legte ihm rasch die Arme um den Hals und hielt ihn fest. Mit unschuldigen Augen und kecken Grinsen bat sie: „Spiel den Moralapostel bei mir. Los, belehr mich darüber, wie man mit süßen, kleinen Manapis umgeht.“ Er musste schmunzeln. „Weißt du, wie das klingt? Als wär ein Manapi ein kleiner Kuschelbär.“ Aber stand ihm nicht gerade genau danach der Sinn? Er wandte sich wieder zu ihr und hauchte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. „Sei lieb zu deinem Manapi“, entgegnete er leicht belehrend. „Zeig ihm, wie sehr du es magst und es wird bei dir bleiben.“ Mit ihren Händen fuhr sie langsam von seinem Hals den Rücken hinab, wieder zurück zum Hals und ihm über den Oberkörper. „Das mit dem Es kam jetzt aber von dir“, bemerkte sie dabei. Er presste sie nah an sich. „Du hast keine Ahnung, wie egal mir das gerade ist“, raunte er ihr zu und glitt liebkosend mit seinen Lippen ihren Hals entlang. „Ist dir auch gerade was nicht egal?“ wollte sie wissen, wobei sie ihre Küsse von seiner Schulter zu seinem Hals hin verteilte. „Wer“, korrigierte er sie leise. „Du bist mir ganz und gar nicht egal, Jolene.“ Ihr Mund wanderte weiter zu seinem Ohr und verharrte zärtlich knabbernd an seinem Ohrläppchen. „Beweise“, murmelte sie dabei. Er verschloss ihr die Lippen mit einem langen Kuss und begann, erst die drei Knöpfe, dann den Knoten ihrer Bluse zu öffnen und das Kleidungsstück über ihre Schultern zu streifen. „Was wird das? Eine Herzdruckmassage?“ fragte sie flüstern. Sein Mund wanderte über die enthüllte Haut. „Ich denke schon“, gab er zurück, obwohl mit klarem Denken grad nicht mehr so weit her war. „Dazu brauchst du aber deine Hände“, informierte sie, knöpfte hastig sein Hemd auf und strich ihm ihrerseits sanft über den Oberkörper. „Siehst du? So, “ wisperte sie. „Also ohne störenden Stoff.“ Nun wanderten seine Finger auf ihren Rücken und machten sich am Verschluss ihres BHs zu schaffen. „Hm, sehr gut aufgepasst“, gab sie zurück und zog sein Hemd jetzt vollständig aus dem Gürtel. „Was laber ich eigentlich für Mist?“ fragte sie dann halb irritiert. „Auch nicht weniger, als ich“, entgegnete er und ließ seine Lippen in Richtung ihres Nabels gleiten. Ihre Fingerspitzen fuhren zärtlich durch sein Haar. „Dann sollten wir …“ kichernd brach sie ab. Er hob leicht den Kopf. „Du bist doch nicht etwa kitzelig?“ – „Nein, nicht so lange du dich von meinem Nabel fernhältst“, antwortete sie. „Meinst du den hier?“ hakte er nach und fuhr sanft mit der Zunge darüber. Sie quietschte „Gemein“ und versuchte ihn an den Schulten von sich zu schieben. „Böses Manapi.“ Doch so einfach ließ er das natürlich nicht zu. „Gemein wäre das hier.“ Er packte ihre Handgelenke und drückte sie rechts und links von ihr ins Heu, fest, ohne ihr dabei weh zu tun. Dann näherte sein Mund sich wieder ihrem Bauchnabel und begann zart zu knabbern und zu saugen. Hilflos und schwach traten ihre Beine ins Leere. Sie versuchte ihn durch winden zu stoppen, doch erfolglos, denn die Töne, die sie dabei von sich gab, wechselten von kichern und quietschen zu wohligem seufzen und einem schwach gekeuchtem „Böse“. Jetzt hob er den Kopf und grinste frech und zufrieden. Die Reaktion gefiel ihm schließlich. „Ich gehör aber zu den Guten, schon vergessen?“ erinnerte er sie. „Offensichtlich nicht.“ Sie holte tief Luft. „Nicht wenn du so grinsen kannst.“ Und das war schon einigermaßen unverschämt. „Dann treib mir mein Grinsen doch aus“, neckte er. „Komm schon, ich warte.“ Fairerweise ließ er ihre Handgelenke los und setzte sich abwartend und provozierend auf. „Kannst du haben.“ Damit richtete sie sich auf, drückte nun ihn schwungvoll ins Stroh und versiegelte seinen Mund gegen mögliche Frechheiten mit einem stürmischen Kuss. Dann hielt sie inne. Da raschelte doch was. „Hast du das auch gehört?“ Er richtete sich auf und stütze sich mit den Ellenbogen im Stroh ab. Aufmerksam lauschten beide. „Klingt seltsam, findest du nicht?“ bemerkte er. Der kleinen Hebamme wurde das unheimlich. „Was kann das sein?“ Er horchte hinaus und begann auszuschließen: „Robin und Colt können es nicht sein, da würde es anders klingen. Und unser Kaninchen ist heute schon schlafen gegangen, der fällt also auch aus. Es ist also keiner von uns.“ Schutzsuchend drückte sie ihren Kopf an seine Schultern. „Sehr beruhigend.“ Aber ihre Stimme zitterte. Sie war überhaupt nicht beruhigt, sondern bekam Angst. Schließlich konnte da draußen auch der Kerl rumgeistern, der sonst immer so nette Botschaften da ließ. Und er konnte auch unbewaffnet sein. Bei Waffen wäre der Alarm losgegangen aber man konnte ja schließlich auch mit bloßen Händen töten. Saber legte den Arm um sie. „Das klingt irgendwie als würde was kriechen. Aber das Geräusch passt nicht zu einer Schlange. Seltsam.“ Er fand zu der nötigen Sachlichkeit zurück, stand auf und zog sein Hemd über. „Das muss ich genauer wissen.“ Chily hielte ihn am Arm fest. „Nicht. Was ist wenn…?“ Der Schreck ließ nicht zu, dass sie ihre Ängste aussprechen konnte. Nur eine Bitte. „Lass mich nicht allein.“ Mit großen, unsicheren Augen sah sie ihn an. Der Schotte blieb ruhig und gefasst. Er sah sich im Stall um, griff nach einer Heugabel und näherte sich der seitlichen Scheunentür, der Richtung, aus der das Geräusch kam. „Keine Angst, du bist nicht allein.“ Aber er war viel zu weit weg von ihr, wie sie fand. Rasch schlüpfte sie in ihre Sachen und huschte an seine Seite. Auf keinen Fall blieb sie da allein im Stroh hocken. „Kannst du was erkennen?“ flüsterte sie. Er schüttelte den Kopf und legte den Finger auf die Lippen. „Sch.“ Vorsichtig spähte er in die Nacht. Doch es dauerte noch einen kleinen Moment, bis sich die Augen der beiden an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Das Rascheln war nun recht nahe. Mit Bedacht schlich Saber darauf zu. Chily hielt sich an seinem Arm fest. Es gab ihr Sicherheit, denn in der Finsternis wirkten die Geräusche aus dem hohe Gras unheimlich. Kurz entschlossen hockte sich der Recke hin und schob die Halme auseinander. „Um Himmels Willen!“ Er fuhr wieder auf. Chily hatte über seine Schulter hinweg genug erkannt. „Patamon.“ Der Irokesen-Krieger und Freund aus ihrer Kindheit lag übel zugerichtet und am Ende seiner Kraft vor ihr. Chily verschwendete keine Zeit damit entsetzt zu sein. Ihre Augen hatten sich an das schwache Licht, das aus der Scheuen fiel, gewöhnt und sie erkannte den Ernst der Lage. „Ich brauche einen Sanitätskasten. Gib im Krankenhaus Bescheid, “ wies sie Saber knapp an. Der verschwand augenblicklich um den Auftrag auszuführen. Inzwischen drehte sie Patamon auf den Rücken und begutachtete seine Verletzungen. Kampfspuren, Abdrücke von Schlägen, Schnittwunden einer Klinge und Schmutz. Wie weit er so durch den Dreck zu ihr gekrochen war, konnte sie nicht genau sagen. Er blutete, doch es war nicht erkennbar, wie viel, der lebenswichtigen Flüssigkeit, er schon verloren hatte. Am stärksten rann sie aus einer tiefen, klaffenden Wunde am Oberarm. Sie drückte sie ab und hoffte, dass der Schotte bald zurückkam, ehe ihr indianischer Freund verblutete. Wer tat so etwas nur? Der Krieger bewegte sich leicht. „Bleib ruhig“, raunte sie ihm zu. „Streng dich jetzt nicht mehr an.“ Ihr Herzrasen, das mit seinem Erkennen eingesetzt hatte, ignorierte sie. „Wir …“ presste er matt hervor. „Nicht jetzt. Das kann warten, “ wisperte sie mahnend und drückte ihn ins Gras zurück, als er versuchte sich aufzurichten. „… kann das KOK Unterstützung …“ Erneut brach seine Stimme. „Mach dir keine Sorgen. Verstärkung ist schon unterwegs, “ beruhigte sie ihn. Das „Gut“ konnte sie ihm nur noch von den Lippen ablesen. Patamon verlor das Bewusstsein. Neben ihr fiel der Erste-Hilfe-Kasten zu Boden. Sie fuhr herum. Saber war zurück. „Drück da drauf“, wies sie ihn ohne Umschweife an. Er gehorchte. Fireball war gleich darauf ebenfalls zur Stelle. Er hatte noch nicht geschlafen, sondern die Umgebung über Ramrod im Auge behalten. „Der Krankenwagen ist unterwegs. Wie geht es ihm?“ –„ Nicht gut“, gab sie kurz zurück. Dann folgten Anweisungen. „Gib mir das.“ – „Ich brauch die Blutdruckmanchette.“ – „Halt das.“ – „Sieh nach dem Rettungswagen.“ Sie wusste, was sie tat und kämpfte mit jedem Handschlag um das Leben Patamons. Es schien ewig zu dauern, bis der Notarzt eintraf. Als er da war, funktionierte die Übergabe des Verletzten reibungslos und der junge Irokese wurde schnell und sicher ins Krankenhaus gebracht. Chily fuhr mit ihm. Fireball und Saber sahen dem Wagen nach. Licht und Lärm des Rettungswagens hatten auch Colt und Robin geweckt. Sie traten aus dem Haus und sahen verwunderte den Rettungswagen davon fahren. „Was ist passiert?“ wollte der Cowboy einigermaßen verwirrt wissen. Die Gefragten drehten sich zu ihm um. „Einer deiner Irokesen-Freunde war hier. Sehr schwer verletzt. Chily begleitet ihn ins Krankenhaus, “ erwiderte der Rennfahrer. Der Schotte fügte hinzu: „Es scheint, als hätte der Stamm beschlossen, das KOK um Unterstützung zu bitten. Deshalb war Patamon hier. Nur hat er wohl deinen und Chilys Freund auf dem Weg getroffen.“ Die Miene des Scharfschützen verfinsterte sich zusehends. Die drei Umstehenden ahnten, was in ihm vorging und was er nun sagen würde. Mit geballten Fäusten, vor Wut zitternd und absolut entschieden erklärte Colt: „Ich bleibe auf keinen Fall seelenruhig auf Yuma und schaue tatenlos dabei zu, wie hier meine Freunde reihenweise von so einem Psychopaten abgemurkst werden!“ Keiner widersprach. Sogar Robin wäre jetzt bereit genau so wie Colt zu handeln. Gut. Die kleine, rote Ratte würde also lange genug leben um ihren Zweck zu erfüllen und die nächste Botschaft überbringen. Perfekt. Beinahe wäre sein Opfer verschwunden ohne dass er mit ihm fertig war. Immerhin blieb es jetzt, genau wie geplant, dort wo es sollte. Sollten die Mädchen nur verschwinden. Das war noch besser. Den beiden so genannten Freunden würde es wohl kaum gelingen den Hitzkopf im Zaum zu halten. Also konnten die Dinge erst mal weiterlaufen. Ein bisschen konnte er sein Opfer ja ruhig noch quälen. Dann hatte er selbst mehr Zeit diese verfluchten Papier zu finden. Wenn er sie erst hatte, würden die drei dort bereuen, nicht bei den Weibern zu sein. Das würde ihr Ende, weil man sich das Beste ja stets bis zum Schluss aufhob. Am nächsten Tag flog Fireball Robin und Chily nach Yuma zu April. Patamon lag auf der Intensivstation und hatte das Bewusstsein noch nicht wieder erlangt. In der nun folgenden Zeit versuchte Saber an allen möglichen Stellen die Unterlagen, die das Gebiet um Pennyrile betrafen, ausfindig zu machen. Aus irgendeinem Grund waren sie so entscheiden für den Fall, dass es für jemanden Mord rechtfertigte. Währenddessen patroulierten Colt und Fireball mit der bereitgestellten Truppe des KOK in dem Gebiet um dem Stamm Sicherheit und Schutz zu geben. Die Lage blieb unverändert angespannt, war auf Dauer zermürbend. Colt war überzeugt davon, dass dies der Plan des Gegners war und der Recke gab ihm Recht. Die drei Mädchen schenkten sich auf Yuma Trost und Unterstützung. Aprils Schwangerschaft bot genug Ablenkung, musste doch eine Wohnung gefunden und die Erstausstattung angeschafft werden. Chilys Erfahrung war für die werdende Mutter inzwischen unentbehrlich. Reichte die Schwangerschaft nicht aus um die Mädchen auf andere Gedanken zu bringen, feilten sie an Robins Hochzeit. So gaben sie sich gegenseitig Hoffnung und Kraft. So sehr mit den Vorbereitungen auf den Nachwuchs, den beiden Freundinnen zu Gast und ihrem Job beschäftigt, das ihr der Kopf schwirrte, flüchtete April in der Mittagspause in die Kantine. Ein paar Minuten allein. Wenn sie ihr jetzt schon so kostbar waren, wie würde es dann erst mit einem Kind werden? Obwohl, so konnte sie sich gleich mal an Tumult gewöhnen. Sie setzte sich mit ihrem großen Salat, dem Saft und dem Joghurt in eine abgelegenere Ecke der Kantine und streckte die Beine unter dem Tisch aus. Ein Blick auf ihre Mahlzeit und sie stellte grinsend fest, dass Chily mit ihr zufrieden sein konnte. Sie hielt sich ziemlich souverän und problemlos an die Tipps ihrer Hebamme Gerade fuhr sie schwungvoll mit der Gabel in den Salat, als sie eine sehr vertraute Stimme vernahm. „April? Du bist ja noch gar nicht aufgebrochen.“ Wie ertappt wandte sie den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam und grüßte den dazugehörigen Überraschten. „Hi, Daddy. Wieso aufgebrochen?“ Er trat zu ihr, doch sehr erstaunt über ihre Anwesenheit hier. „Die Verstärkung für Ramrod ist schon vor einer Weile vor Ort. Ich dachte, du hättest dich ihnen angeschlossen, “ bemerkte er und sortierte gedanklich die Fakten um zu verstehen, wie das zusammen passte. „Aber ich bin doch gar nicht gerufen worden, “ wand sie ein. „Aber ich hab dich auf die Liste gesetzt.“ Nachdenklich kratzte sich Kommender Eagle am Ohr. „Aber Saber hat nur Fireball gerufen und Colt ist ja auch noch vor Ort“, meinte seine Tochter, als sei es gar nicht so unlogisch, wie es ihm gerade erschien. Eagle setzte sich kurzerhand seiner Tochter gegenüber. „Ihr habt noch keine einzige Mission nur zu dritt erledigt. Im Normalfall seid ihr immer alle vor Ort, wenn Ramrod gebraucht wird. Was ist los, April? Gibt es Probleme?“ wollte er wissen, da es ihn doch sehr erstaunte. Es schien ernsthafte Missverständnisse innerhalb der vier Freunde zu geben. „Nein, überhaupt nicht. Warum sollte es?“ gab sie zurück. Das war nur die halbe Wahrheit. Sie hatte etwas Angst davor, die ganze zu erzählen. „Hast du dich mit Fireball gestritten? Warum solltest du denn sonst plötzlich freiwillig hier bleiben, wenn die drei im Grenzland rumziehen?“ bohrte ihr Vater weiter, weil es ihm unter diesen Umständen doch am nächst liegensten erschien. „Wir haben nicht gestritten“, beruhigte sie ihn. „Ich bleibe hier, weil Saber mich nicht zu diesem Einsatz gerufen hat. Er meint wohl, die Arbeit an dem neuen Frühwarnsystem ist genauso wichtig, wie der Einsatz in Pennyrile, und dass sie es daher auch ohne mich schaffen.“ Sie führte den Bissen zum Mund. „Das verstehe ich nicht.“ Der Commander schüttelte den Kopf. Warum hatte Saber nur um die Unterstützung des Rennfahrers gebeten? Vielleicht … „Fehlt dir etwas, mein Kind?“ hakte er nun besorgt nach. April hätte sich beinahe verschluckt. „Nein gar nicht“, versicherte sie hastig und fügte gedanklich hinzu. ‚Ich bekomme was. ‘ Nachdenklich faltete ihr Vater die Hände und legte sie auf den Tisch. „Wenn du also bestimmt nicht krank bist, was ist es dann? April, ich weiß doch, wie viel Spaß dir die Arbeit auf Ramrod immer gemacht hat, ich verstehe überhaupt nicht, weshalb du hier bleiben wolltest?“ Er spürte genau, dass irgendetwas mit seiner Tochter war. Er konnte es nur nicht genau benennen. „Daddy, wirklich. Es ist alles in Ordnung, so wie es ist. Wir vier haben das so besprochen und, na ja ... halten uns auch daran, “ erklärte sie ihm dann. Wieso um alles in der Welt konnte sie ihm brachte sie nicht über die Lippen, dass er Großvater wurde? Weil es für sie selbst so überraschend gekommen war. Auch wenn sie sich inzwischen auf das kleine Etwas freute, konnte sie sich nicht vorstellen, wie ihr Vater damit umgehen würde. Das machte es ihr so schwer. „Ihr habt das besprochen?“ Eagle hob erstaunt die Brauen. So maskenhaft seine Miene sonst sein konnte, heute war er deutlich überfordert von diesen halben, lückenhaften Informationen. „Was denn?“ fragte er. „Na den Einsatz. Dass die Jungs sich dort um alles kümmern und ich mich hier auch.“ Die Auskunft war weit näher als alle anderen an den Tatsachen dran. Sie hatte mit dem Rennfahrer besprochen, dass sie die Wohnung allein aussuchen durfte. Sie hatten ohnehin die gleichen Vorstellungen davon und er vertraute darauf, dass sie die richtige Entscheidung treffen würde. „Ich kann mir nur einfach nicht vorstellen, weshalb Saber vor Ort auf dich verzichten sollte“, bemerkte der Commander. „Hat er aber und ich stelle seine Entscheidungen nicht in Frage, “ erwiderte die Blondine. „Dann nehm ich das so als gegeben hin.“ Er gab auf. Offensichtlich hatte er sich geirrt und seine Tochter hatte doch keine Probleme. „Aber einer von euch hätte mir das eher mal sagen können. Ich bin davon ausgegangen, dass du mit der Verstärkung zu den Jungs geflogen bist, “ ergänzte er ohne zu tadeln. „Ja, davon bist du ausgegangen, aber keiner hat das so gesagt. Als Saber um die Verstärkung gebeten hat, hat er doch mit keiner Silbe erwähnt, dass ich mit soll.“ Inzwischen hatte sie es ohne zu Ersticken geschafft, ihren Salat zu essen. „Das ist schon richtig. Ich werde aus euch Kindern ab und zu nicht schlau, “ entgegnete er leichthin, meinte mit „Kindern“ jedoch alle vier. April jedoch musste bei dem Wort schlucken. „Du bist nur vielbeschäftigt.“ Eagle nickte leicht: „Ja, das muss es sein.“ Einen letzten Versuch starte er jedoch noch. „April?“ – „Ja, Daddy?“ – „Du wirst immer mein kleines Mädchen bleiben. Wenn du was auf dem Herzen hast, du kannst es mir jederzeit sagen. Egal, ob es um die Arbeit geht oder um deine Beziehung. Ich habe immer ein offenes Ohr für dich.“ Damit erhob er sich. „Ich weiß“, murmelte sie leise, atmete tief durch und sagte, bevor er gehen konnte. „Hör mal, Daddy. Es gibt da tatsächlich was, das ich dir sagen muss.“ Er setzte sich wieder. „Ja? Hast du doch etwas auf dem Herzen?“ Ein Vater kannte eben seine Tochter. „Na ja, genau genommen darunter, “ winkte sie mit dem Zaunpfahl, allerdings zu dezent. „Was hast du denn, meine Kleine?“ Eagle verschränkte die Arme auf dem Tisch und sah sie aufmunternd an. „Also, ich und Fireball ... wir ... es ... ähm, es wird sich viel verändern, “ presste sie dann hervor. Erstaunt hakte der Commander nach. „Wollt ihr endlich zusammenziehen?“ Das waren doch gute Nachrichten. Schließlich war er vom alten Schlag und wollte seine einzige Tochter in guten, ehrlichen Händen wissen. Dass sich das Paar mit einer festeren Bindung Zeit gelassen hatte, hatte er zwar hingenommen, aber so recht gern gesehen hatte er es nicht. „Ja, auch, “ räumte sie ein. „In eine größere Wohnung. Es gibt da eine hübsche am Stadtrand mit fünf Zimmern und Terrasse. Ein Park ist auch in der Nähe. Keine fünf Minuten weg, “ beschreib sie das Objekt. Würde er sich über die Anzahl der Zimmer für zwei Personen wundern? Nein. „Das hört sich doch gut an. Wo ist da das Problem? Hast du Angst, dass dir die Wohnung zu groß ist, wenn Fireball nicht da ist?“ war für ihren Vater die nächste einleuchtende Frage. „Nein, ich werd in der Wohnung nicht allein sein“, streute April einen weiteren Hinweis. „Weshalb nicht? Sucht sich Fireball endlich einen Job auf Yuma?“ Auch das würde Eagle mehr gefallen, da er wusste, wie sehr sein kleines Mädchen den Rennfahrer vermisste. „Nein, eher nicht.“ Grüblerisch nippte sie an ihrem Saft. Wie brachte sie ihrem Vater das nur schonend bei. „Kriegt ihr einen Mitbewohner?“ wollte der wissen. Okay, so. „Ja“, antwortete sie schlicht. Da sie ihn jetzt noch einigermaßen kleinlaut an sah, fiel bei Commander Eagle endgültig der Groschen. „Sag mir jetzt nicht, dass... Ich werde Großvater?“ Schon recht überfahren schaute er April an. Die hielt seinem Blick stand. „Doch, du wirst Opa“, bestätigte sie. Er schluckte trocken. „Aber, ihr seid doch grade erst Anfang zwanzig“, entfuhr es ihm. Bevor sie das falsch verstehen konnte, ergänzte er auf sich deutend. „Jetzt fühl ich mich alt.“ – „Das hat doch nichts mit Alter zu tun. Fireball und ich werden Eltern. Das ist auch schon alles, “ parierte April, als müsse sie sich gleich ernsthaft verteidigen. „Aber wann? Ich meine, wann seid ihr auf die Idee gekommen, eine Familie zu gründen? So schnell?“ Er lehnte sich zurück. Da turtelten die beiden erst ein Jahr so halb und halb herum und dann machten sie Nägel mit Köpfen. Wer sollte denn da mitkommen? Der Opa etwa? „Na ja, ganz so geplant war es nicht, “ gestand seine Tochter jetzt. „Aber inzwischen freuen wir uns sehr darüber.“ So richtig gelang es ihr nicht ihm bei dieser Beichte in die Augen zu schauen. „Was soll ich sagen, April?“ Ein väterliches Lächeln huschte über seinen Mund. „Hauptsache, ihr beide werdet glücklich.“ Erleichtert erwiderte sie sein Lächeln. „Genau das solltest du sagen, Daddy.“ –„Unter diesen Umständen ist mir sehr recht, dass du hier auf Yuma geblieben bist, April“, meinte er schließlich. „Das war der Hauptgrund. Ich weiß nicht, wer mich eher getötet hätte, wenn ich mit gegangen wäre, die Jungs oder meine Hebamme, “ entgegnete die Blondine und malte sich gedanklich aus, was das wohl für eine Debatte gegeben hätte. „Hoffentlich Fireball, “ lachte ihr Vater leise. „Dann wäre nämlich klar, dass er sich für dich und das Kind verantwortlich fühlt.“ Diese Bedenken räumte sie sofort aus dem Feld. „Das tut er. Wirklich. Er hat ja noch vor mir geahnt, was los ist.“ Zufrieden nickte der Commander. „Ab wann ist die werdende Mutter im Mutterschutz mit meinem Enkel? Wisst ihr schon, was es wird?“ brach die Neugier nun aus ihm heraus. „Es ist noch etwas Zeit. Ich bin erst im dritten Monat. Aus irgendwelchen Gründen meint Chily, dass es wahrscheinlich ein Mädchen wird. Aber sicher ist sie sich nicht, “ teilte sie ihm mit, immer glücklicher darüber, dass er sich für sie freute. Tatsächlich strahlte er schon förmlich. „Egal, was es wird, wenn es dein Aussehen bekommt, wird es ein bildhübsches Kind“, erklärte er überzeugt. „Oh, wenn es nach Fireball kommt, wirst du es also nicht mögen? “ grinste sie zurück. „Es kommt nach den Eagles, ganz bestimmt“, garantierte er seiner Tochter. „Oh weh. Die gleiche Überzeugung, mit der Fire davon ausgeht, dass es ein Junge wird.“ War das typisch für Männer im Allgemeinen, oder nur für ihre beiden. „Hauptsache, er freut sich.“ Eagle wechselte zu April auf die Bank und nahm sie liebevoll in den Arm. „Tut er, genau wie ich und du.“ Sie erwiderte die Umarmung. „Das ist schön. Ihr werdet gute Eltern, das weiß ich, “ versicherte er ihr noch. „Danke, Daddy.“ April hätte am liebsten die ganze Welt umarmt. Als der weibliche Starsheriff am Abend Robin und Chily davon erzählte, mussten die beiden schmunzeln. „Typisch Mann. Jeder Nachkomme muss ein Stammhalter sein, oder ein Ebenbild, “ grinste die Lehrerin. Auch die kleine Hebamme amüsierte sich. „Ja. Die Blutlinie muss fortgeführt und die richtigen Gene vererbt werden. Die stammen natürlich nur aus der eigenen Familie, “ kicherte sie. „Lass dich nicht von uns verstimmen, April. Wir freuen uns, dass das Gespräch so gut gelaufen ist, “ fügte sie dann hinzu. Jaja, die Blutlinie und die Vererbung. Vererbung? Chily zog nachdenklich die Stirn kraus. „Was hast du?“ wollte April wissen. „Ach, die Sache mit dem Erben…“ gab diese zurück, als könne sie ihre Gedanken nicht fassen. Der verwunderte Blick ihrer beiden Freundinnen machte es nicht leichter. „Na ja, mir ist nur, glaub ich, was eingefallen. Das Testament ist nämlich auch bei den Unterlagen über Pennyrile.“ Was für ein Themawechsel. „Und was nutzt uns das?“ hakte April nach. „So lange wir die Unterlagen nicht haben, gar nichts“, gestand die Hebamme. „Aber wenn wir sie haben, könnten wir doch Aufschluss über …“ – „ … über das Motiv für die Morde und Drohungen bekommen, weil der Täter, oder dessen Auftraggeber, Vorteile aus deinem und Colts Ableben haben könnte“, beendete April die Chilys Gedankengänge. „Wenn sich unter den alten Minen wirklich Alkalit befindet und jemand dafür über Leichen geht … oha.“ Diese Überlegung wollte sich keine der drei Frauen ausmalen. Kapitel 8: Living in Danger II ------------------------------ Tucson-C-Cemetry. Colt beschlich ein mulmiges Gefühl. Vor fünf Jahren war er einmal hier gewesen. Er hatte nicht gewollt, aber das hatte nicht gezählt. Seine Eltern waren aus ihrem Leben gerissen worden, und aus seinem. Sie hatten nie erfahren, wie Colt zu den Starsheriffs gekommen war, wie sie den Frieden wieder hergestellt hatten oder wie er Robin kennen gelernt hatte. Nie würden sie ihm am Altar sehen, oder ein Enkelkind auf dem Arm halten. Nie wieder würde sein Vater ihn für einen Fehler zurechtweisen und ihn seine Mutter so warm und tadelnd zugleich ansehen, wie es nur Mütter können. „Alle Engel kehren heim“ hatte er auf den Grabstein schreiben lassen, denn sie waren für ihn die besten Eltern, die man haben konnte. Vor fünf Jahren hatte er sich sogar gewünscht, sie hätten ihn mitgenommen. Jetzt wünschte er sich, sie wären beim ihm. „Vater, warum hast du Mama geheiratet?“ – „Weil sie etwas Besonderes ist.“ – „Weil sie immer lächelt?“ – „Ja, Colt. Vor allem, weil sie mich sogar dann noch anlächelt, wenn ich es gar nicht verdiene. Sie ist ein Engel.“ Colt legte den Kopf in den Nacken und schaute in den Himmel. ‚Seht ihr mich? Seid ihr stolz? Wisst ihr, dass ihr mir fehlt? ‘ Er wischte sich mit dem Ärmel die Tränen fort. Verfluchtes Geheule. „Ist okay zu weinen, Colt. Tränen zeigen, dass du ein Herz hast. Und ein Herz macht den Menschen aus.“ Der Scharfschütze hockte sich hin und legte den Blumenstrauß nieder. Er stutzte. War das nicht eine Mulde am Grabstein? Musste der Boden dort nicht eben sein? Die Vertiefung befand sich mittig direkt vor dem Granit und hatte eine rechteckige Form. Hatte da etwa jemand was vergraben? Vorsichtig fuhr er mit den Fingern in die Erde. Wieso wuchs das Gras hier so spärlich? Er begann zu buddeln. Nicht tief, gerade eine Handbreit unter der Oberfläche stieß er auf etwas Metallenes. Es durchfuhr ihn heiß und kalt. Rasch schob er die kleinen Erdklumpen fort und förderte eine kleine Metall-Kassette zu Tage. Die Initialen J A waren noch gut lesbar. Jolene Adams. Behutsam füllte er das entstandene Loch wieder und drückte die Erdboden an. Die Kassette musste er sofort Saber zeigen. Colt fand Saber und Fireball in der Kommandozentrale von Ramrod vor. Sie standen vor dem schwarzen Monitor des Communicators, als der Scharfschütze eintrat. „Warum starrt ihr das Ding an?“ fragte er verwundert. „Genau genommen beten wir es an“, warf der Rennfahrer zurück. „Du wohl eher die Frau, die gerade mit uns gesprochen hat, “ meinte der Recke. Verständnislos blickte der Kuhhirte von einem zum andern. Wovon redeten die beiden? „April war dran“, klärte der Schotte ihn auf. „Warst du auf Schatzsuche?“ wollte Fireball wissen und deutete auf das Kästchen in Colts Händen. „Wenn du so fragst“, konterte der mit Unschuldsmiene, „bin ich Grabräuber.“ Jetzt war es an seinen Freunden verwundert aus der Wäsche zu gucken. „Ich war auf dem Friedhof und hab das, “ Er hielt das Kästchen in die Höhe. „dort gefunden. Jemand hielt das Grab meiner Eltern für ein gutes Versteck.“ Der Recke riskierte einen kurzen Blick auf den Deckel der Kassette. „J A steht wohl für Jolene Adams“, bemerkte er. Colt nickte „Ich verwette meine Seele darauf, dass die Dokumente, die wir suchen, da drin sind.“ Damit machte er kehrt und verschwand in Richtung Küche. Saber und Fireball folgten ihm. „Du willst das Ding doch nicht aufbrechen?“ rief der Blonde ihm nach. „Doch, natürlich“, warf Colt über die Schulter zurück. „Aber es gehört dir nicht. Was ist, wenn etwas anderes darin ist?“ beharrte Saber. „Ach jetzt verkommt die Mission zur Nebensache. Aber wenn ich die Mutter meines Kindes anrufen will, ist die Hölle los, “ kritisierte der Rennfahrer. „Du vergisst, dass du damit die Mutter deines Kindes in Gefahr gebracht hast,“ verteidigte der Recke diese damals getroffene Entscheidung „Ihr vergesst gerade beide, dass Gefahr in Verzug ist,“ meldete Colt, „und deshalb ist es mir auch ehrlich gesagt egal, ob ich Chilys Privatsphäre verletzte. Wenn der Spinner sie erst erwischt, hat sie keine mehr, weil sie dann höchstwahrscheinlich tot ist.“ Damit verschwand er in der Küche. Saber wandte sich noch einmal an seinen Piloten. „Hör mal, Fireball“, erklärte er. „Dass April schwanger ist, freut mich ehrlich für euch beide, aber es macht die ganze Angelegenheit auch noch komplizierter und gefährlicher, als sie ohnehin schon ist. Ihr und dem Kind zuliebe, will ich sie doch nur schützen. Kannst du das nicht verstehen?“ Der Gefragte hob die Brauen. „Also, ich sehe, wenn es darum geht, offen gesagt nur einen unterkühlten Klugscheißer, der nicht in der Lage ist eine Beziehung zu einer Frau aufzubauen und sich stattdessen in Sachen einmischt, die ihn nichts angehen,“ gab er dann rundheraus zu und hätte sich im nächsten Moment am liebsten auf die Zunge gebissen. Der Blonde setzte augenblicklich seine unbeteiligste Miene auf und jeder, der ihn kannte, wusste, dass er dies immer dann tat, wenn er sich getroffen fühlte. „Als Vorgesetzter Offizier und Freund geht es mich sehr wohl etwas an, ob es dir nun passt oder nicht“, erwiderte er nüchtern, um zu überspielen, dass ihn diese Aussage verletzt hatte. Dann wollte er Colt in die Küche folgen. Der Japaner hielt ihn jedoch am Arm fest. „Ich kann mich da aber auch verguckt haben“, gestand er und der Angesprochene begriff, was das hieß. „Tut mir leid. Das war unüberlegt und nicht so böse gemeint, wie es geklungen hat.“ Der Gesichtsausdruck des Schotten wurde weicher. „Vielleicht war es auch nicht so gut erkennbar“, meinte er, was so viel hieß wie „Schon gut, vielleicht hab ich auch falsch rübergebracht, dass ich mir Sorgen mache.“ Der Rennfahrer seufzte unterdrückt. „Naja, du weißt ja, dass ich manchmal zweimal hingucken muss“, fügte er hinzu. Auch dies verstand Saber richtig. Es bedeutete: „Es tut mir wirklich leid. Manchmal bin ich schon selten dämlich.“ Der Blonde winkte ab. „Oder von einem anderen Blickwinkel.“ Was im Klartext mit „Schon okay, lass gut sein“ zu übersetzen war. Dann er schlug er vor: „Wir sollten mal gucken, was Colt so treibt.“ Grinsend betrat der Rennfahrer die Küche, weil das mit dem Recken nun geklärt war, und meinte: „Du befürchtest, dass er sich auf die Spuren von Indianer Jones begibt und er noch einen hübschen Fluch ausgebuddelt?“ Vom Esstisch her knurrte Colt „Der Fluch musste nicht ausgebuddelt werden, der kam von alleine, “ wobei er versuchte, mit einem Messer das Schloss des Kästchens zu öffnen und scheiterte, was ihn gewaltig verstimmte. Saber folgte dem Rennfahrer. „Ich halte das immer noch für falsch“, bekundete er. Der Japaner beobachtete ein Weile Colts Aufbruchsversuche, die ungeduldiger und ungehaltener wurden. Demnächst würde die Kassette durch den Raum fliegen, das war abzusehen. „Spar dir die Mühe, Kuhtreiber, da gibt es was Besseres. Nicht, dass du uns das einzige scharfe Küchenmesser abbrichst. Dann kriegst du nämlich Ärger, das kann ich dir hellsehen.“ Grollend schob der Angesprochene das Kästchen zu ihm hinüber. „Mach es doch besser“, brummte er. „Mach ich doch, aber ohne das richtige Werkzeug geht es nicht.“ Damit verschwand Fireball endgültig wieder aus der Küche. „Verfluchte Blechbox.“ Der Scharfschütze schüttelte unwillig das Objekt seiner Rastlosigkeit und ließ es scheppernd wieder auf den Tisch fallen. Saber lehnte sich an die Arbeitsplatte. „Mit Flüchen wär ich vorsichtig, Colt“, meinte er ruhig. „Ja, wie immer und mit allem“, versetzte der und rollte die Augen. „Wenn das Ding nur endlich auf wäre.“ Der Kasten bekam einen frustrierten Stoß, schoss Richtung Tischkante und fiel klappernd zu Boden. Jetzt musste er das Ding auch noch aufheben. „Ich bin immer noch nicht überzeugt davon“, erklärte der Blonde sich. „Ehrlich, wir sollten Chily vorher fragen.“ Der Cowboy kniete mit einem Bein auf der Bank, stützte sich mit dem dazu gehörigen Arm ab und angelte mit dem freien unter dem Tisch nach dem Kasten. „Wieso? Was sollte denn sonst darin sein, außer den Dokumenten?“ wollte er dabei wissen. „Vielleicht sonstige persönliche Gegenstände oder Dinge? Fotos, Briefe, Gedichte, “ erwiderte Saber. „Es ist nicht richtig, das ohne ihr Wissen zu tun.“ Mit der Blechbox in der Hand richtete er sich wieder auf. „Warum war es dann ausgerechnet im Grab meiner Eltern zu finden? Wenn so etwas drinnen wär, hätte sie es doch bei ihren Eltern mit vergraben. Was immer darin ist, muss also sie und mich betreffen, “ gab er seine recht logische Schlussfolgerung zum Besten. Sogar Saber musste sich das eingestehen, aber dennoch rollte nun er die Augen. „Sie wird schon ihre Gründe dafür gehabt haben“, meinte er und hakte nach: „Was hast du überhaupt im Grab deiner Eltern gesucht, dass du auf das Kästchen gestoßen bist?“ Dabei betonte er Im besonders. „Ich werd doch wohl mal einen Abstecher dahin machen dürfen. War schließlich ein Weilchen nicht mehr da und musste sicher gehen, dass Chily die Grabpflege nicht vernachlässigt hat, “ rechtfertigte er sich missmutig. „Sehr witzig, “ bemerkte Saber trocken. „Aber eins noch, bevor wir das hier wirklich aufbrechen. Du wirst es auf deine Kappe nehmen, wenn Chily uns dafür killt.“ Colt schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Du hast Nerven, also echt. Es gibt ja wohl wichtigeres als Pitität, oder nicht?“ Der Recke runzelte die Stirn. „Pitiwas?“ – „Na Pitität, eben. Du weißt schon, hat was mit Höflichkeit und Respekt zu tun, “ erklärte der Scharfschütze. Dem Blonden ging ein Licht auf. „Pietät! Mensch, du und Fremdwörter.“ Du lieber Himmel, das war wirklich ein Fall für sich. Fireball betrat die Küche mit einem Spezialwerkzeug aus seinem Werkzeugkasten und schnappte sich das Kästchen. Beiläufig meinte er. „Colt hat es schon auch mit anderen Sachen nicht so, nicht nur mit Fremdwörtern, stimmt es Kumpel?“ – „Mach einfach die Dose auf“, brummte der. Während der Rennfahrer an der Kiste hantierte, warf er Saber einen kurzen Blick zu. „Wie war das mit der Mittäterschaft gleich noch mal?“ Der verschränkte die Arme vor der Brust. „Wird nicht so hoch geahndet“, informierte er knapp. Dann klackte das Schloss und der Japaner öffnete den Deckel. „Gut“, grinste er zufrieden. Sofort langte Colt in die Kassette und holte einen Packen Papiere heraus. „Siehst du, die Dokument“, triumphierte er und hielt sie Saber unter die Nase. Der nahm ihm den Stapel ab. „Na gut, du hattest ausnahmsweise Recht und ich war nicht ganz so überzeugt von dir“, gestand er. „Ich war schon immer ein verkanntes Genie“, behauptete der Scharfschütze prompt. „Das wirst du auch bleiben“, neckte Fireball. „Ich denke ja immer noch, dass auch ein blindes Huhn mal ein Korn trinkt ... äh findet natürlich, “ fügte er zwinkernd hinzu. „Dann lass mal sehen, was wir hier haben.“ Saber begann die Papier durch zusehen und legte sie auf den Tisch. „Besitzurkunde, Übertragungsurkunde, Testament … Diverse Briefe …“ – „Genau die Sachen, die wir brauchen und gesucht haben“, trumpfte Colt auf. „Da hattet ihr verdammtes Glück, dass ihr mich nicht nach Yuma geschickt habt.“ Der Schotte schüttelte den Kopf und sah seinen Piloten an. „Was hat April noch mal gesagt?“ Der nahm das Testament in die Hand. „Dass wir uns die letztwillige Verfügung ansehen sollen.“ Er setzte sich auf die Bank und überflog den Text. „Hier steht es. Der nächste Blutsverwandte erbt, wenn Chily und Jolly nicht mehr am Leben sind, “ gab er dann Auskunft. „Also keiner. Chily und ich sind die letzten in unseren Familien, “ informierte Colt darauf. „Nach der derzeitigen Lage... Unwahrscheinlich, “ wandte Saber ein. „Da ist einer, der euch beide aus dem Weg haben will und er versucht es, ich nenn es mal legal, an Pennyrile ranzukommen, “ grübelte er laut. „Hier, dass ist interessant.“ Der Japaner hielt nun die Übertragungsurkunde in den Händen. „Kurz nachdem deine Eltern in die Luft geflogen sind, haben Chilys Eltern ihr den gemeinsamen Besitz der beiden Familien übertragen haben. Ihr allein, weil du nicht da warst, Colt.“ Der fuhr ihn an. „Du fliegst auch gleich. Aber nicht nur in die Luft, das versprech ich dir, kleine Turbopfeife, wenn du dir noch mal so einen Spruch leistest.“ Dann stand er auf und meinte etwas ruhiger. „Chily gehört Pennyrile also alleine. Ich wüsste nicht, dass sie noch Blutsverwandte hat.“ Der Recke hob die Schultern. „Vielleicht weiß sie das auch nicht. Das sollten wir prüfen, “ schlug er vor. „Und wie du Schlauberger?“ hakte Colt nach. Die ganze Angelegenheit machte ihn nervöser, als er zu geben wollte. „Über den Familienstammbaum würde ich es mal versuchen. So für den Anfang. Und dann sehen wir weiter, “ antwortete Saber und ignorierte dessen Ungebührlichkeiten, da sie ja doch nur Colts Sorgen wiederspiegelten. „Vielleicht solltest du die Familie von unserem Schwerenöter auch gleich mal durchforsten, wenn du schon dabei bist, “ schlug Fireball vor und erntete einen kräftigen Seitenhieb vom Kuhhirten, der das unter diesen Umständen überhaupt nicht komisch fand. „Du fliegst wirklich gleich, “ versprach der, „die Rampe runter während wir fliegen.“ Der Schotte fuhr zwischen die beiden, schob Colt ein Stück vom Rennfahrer weg und schuf den nötigen räumlichen Abstand. „Das reicht. Alle beide. Hier helfen grad weder dumme Sprüche, noch Gewaltandrohungen, “ mahnte er sie. „Reißt euch gefälligst zusammen und überlegt, wie wir Chily und Colt noch besser schützen können.“ Recht unverblümt schlug der Japaner vor. „Wir schicken Colt heim, ganz einfach.“ Saber hob skeptisch die Brauen. „Guter Witz“, kommentierte er, da er nicht glaubte, dass der Scharfschütze so einfach gehen und sich vernünftig benehmen würde. „Der beste seit fünf Minuten“, bestätigte der die Aussage des Blonden. „War kein Witz, diesmal nicht“, stellte Fireball klar. „Du glaubst doch nicht, dass ich gehe. Tickt es jetzt ganz aus? Lässt ein gewisser Druck dich nicht mehr klar denken?“ begehrte Colt auf. „Jetzt hilf mir doch mal, Boss“, beschwor der Japaner. „Colt befindet sich hier in Lebensgefahr. Der Kerl will Pennyrile. Dafür geht er über Leichen und hey, ich will nicht zusehen müssen, wie er Colt um die Ecke bringt.“Die fragwürdigen Scherze waren ihm gründlich vergangen. In seiner Stimme war ehrliche Besorgnis zu hören. „Geht mir nicht anders, “ versicherte ihm der Angesprochenen wahrheitsgemäß, „aber du hast doch selbst gesehen, was dabei rauskommt, wenn man ihn alleine lässt. Pekos schon vergessen?“ Verlegen fuhr sich der Rennfahrer durch die Haare. „Wir lassen ihn nicht alleine.“ Er räusperte sich. „Der Schwiegerpapa ist ja auch noch auf Yuma.“ Dann rechnete er schnell seine Chancen auf Deckung unter dem Esstisch aus. „Worauf willst du hinaus?“ bohrte der Schotte aufmerksam. Da hatte der Kleine offensichtlich weiter gedacht, als er selbst. „Ich bin dieses Mal so klug, dass ich April raushalten würde“, begann der Gefragte. „Eagle hat auf Yuma sowohl Personal als auch diejenigen mit Fachwissen um sich. Colt braucht Personenschutz, auch Chily.“ Er rutschte ein Stück auf der Bank von seinen Freunde fort. „Und jetzt halt ich die Klappe, sehe schon, dass meine Vorschläge heute nicht fruchten.“ Widerwillen musste der Säbelschwinger grinsten, verkniff es sich aber. „Würd ich nicht sagen“, meinte er. „Das ich daran nicht selbst gedacht habe …“ Er schüttelte den Kopf und überdachte den Vorschlag. Hinter ihm brauste Colt auf. „Schlagt euch das aus den Köpfen.“ Aber das wurde ignoriert. „Hey, wow.“ Überrascht und ermutigt rückte Fireball wieder näher. „Ich hab dem Boss mal was voraus. Das muss ich mir aufschreiben.“ War ja immerhin eine Leistung. Dann wand er sich an den Kuhhirten. „Kumpel, jetzt im Ernst. Ich, nein wir, wir wollen nicht, dass dir oder Chily was passiert, aber hier ist es viel zu gefährlich für dich. Ich will dich nicht auf dem Friedhof besuchen müssen, ehrlich nicht, “ verteidigte er sich vor dem. Doch dessen Sorge galt dabei seiner Jugendfreundin mit ihrem ausgeprägten Freiheitssinn. „Du wirst selber auf dem Friedhof landen, wenn du Chily in einen goldenen Käfig stecken willst. So hast du dir das doch gedacht. Robin bleibt bei April und Chily und ich beziehen Einzelzimmer in einem Hotel mit Wachhund vor der Tür. Da dreht sie durch, dass versprech ich dir.“ Dabei hatte er die wesentlichen Überlegungen seines kleinen Hombres zusammengefasst. „Nein, keine Einzelzimmer. Aber ja, Wachhund. Also, zumindest einen ständigen Begleiter, bis das alles hier vorbei ist, “ gab Saber seine weiteren Überlegungen kund und nahm die Hand von seinem Kinn. Der Cowboy verschränkte nun die Arme vor der Brust und betrachtete seinen Vorgesetzten skeptisch. „Und mit welchem Argument willst du sie dazu bringen, da mit zu spielen?“ wollte er wissen. „Mit der Wahrheit. Da brauch ich kein Argument, “ erwiderte der sachlich. „Wer es glaub, “ grinste Fireball. „Aber dein treudoofer Dackelblick wird es schon hinkriegen.“ Auch der Scharfschütze war nicht überzeugt. „Mit der Wahrheit? Und die wäre?“ bohrte er weiter. „Ein eiskalter Killer ist hinter euch her. Ist doch die Wahrheit, “ entgegnete der Schotte. „Das wird nicht reichen, “ versicherte Colt ihm unbeeindruckt und ergänzte. „Sie liebt ihre Freiheit und egal wie dämlich das für manche klingt, sie ist auch bereit dafür zu sterben. Also, was sagst du ihr?“ Der Blonde fühlte sich ein wenig in die Ecke gedrängt. Du liebe Güte, konnte Colt fragen. Er seufzte unterdrückt. „Ich sage ihr, dass ich sie liebe. Ich fordere nichts von ihr. Ich möchte nur möglichst viel Zeit mit ihr verbringen, “ antwortete er dann. Fassungslos ließ der Cowboy die Arme sinken. Sein Kiefer klappte schier ins Boden lose. Geplättet gestand er. „Oh man ... Scheiße, dass könnte sogar ziehen.“ Glücklicherweise lehnte er an der Arbeitsplatte, sonst wäre er wohl umgefallen. Fireball konnte nicht anders und musste das kommentieren. Colt so erstaunt zu sehen, war schließlich selten. „Und es ist nicht mal gelogen. Das ist doch schon was, nicht wahr, Kuhtreiber?“ Statt zu antworten, gab der nur einen undefinierbaren Laut von sich. „Chily wird sich in Commander Eagles Obhut begeben“, stellte der Schotte nüchtern fest und fragte. „Was ist mit dir, Colt? Welche Argumente brauch ich für dich?“ – „Nur eins. Für Robin, “ krähte der Japaner recht munter. „Ihr zwei Weisen...“ Wenigstens hatte der Scharfschütze seine Sprache wieder gefunden. „Eigentlich drei, aber April ist ja grad nicht hier“, versetzte der Rennfahrer leichthin. „Dann sind es dreieinhalb, weil du, “ setzte der Kuhhirte an, winkte dann aber ab. „Ach, was laber ich rum. Kann man nur hoffen, dass euer Kleines nach April gerät.“ Tatsächlich hatte der kleine Hombre recht. Robin würde darauf bestehen, dass Colt mitzog und war auf ihre Weise empfindlich überzeugend. Er musste nur an ihre Drohung auf der Willcox-Ranch denken. Entweder er tat es, oder sie blies die Hochzeit ab. Wie fies war das denn? „Eine Frage hab ich noch“, meldete sich der Japaner zu Wort. „Raus damit“, forderten Saber und Colt gleichzeitig. Der grinste breit. „Wer von euch beiden beichtet Chily, die Neuunterbringung mit Wachhund?“ Sofort wies der Scharfschütze auf den Recken. „Der da. Wenn ich ihr sage, dass ich sie liebe und nur das Beste für sie will, lacht sie mich aus. Bei Saber besteht die Chance, dass sie es ernst nimmt.“ Zufrieden nickte Fireball. „Darf ich bei dem Gespräch dabei sein?“ wollte er dann wissen. „Du kannst dich mal deinem Schwiegervater stellen. Der wird sicherlich noch einige Fragen in Bezug auf deine Absichten haben. Das Gespräch mit Chily geht dich nichts an, “ stellte der Recke klar. „Aber bei dem Gespräch mit deinem Schwiegervater wäre ich gern dabei, “ grinste jetzt Colt. „Ich hör dauernd Schwiegervater. Könnt ihr mir mal sagen, was das soll? Könnte mich nicht erinnern, dass ich die kleinsten Fesseln um den Finger hätte.“ Irgendwie behagte dem Japaner das nicht so recht. „Kommt noch“, versprach der Kuhhirte. „Du stehst nämlich kurz davor auf den Trick "Du musst mich heiraten, weil ich von dir schwanger bin" hereinzufallen.“ Jetzt blieb dem werdenden Vater die Luft weg. „Also bitte“, keuchte er. „Kinder sind kein Grund zum Heiraten.“ Der Scharfschütze hob fies grinsend die Brauen. „Sieht das April auch so?“ fragte er mit einem nicht unwesentlichen Anflug von Gehässigkeit und revanchierte sich so für die makaberen Witze des Freundes. Der kratzte sich am Kopf. Darüber hatte er mit ihr noch nie gesprochen. Au weia. Weil Saber und Colt ihn abwartend ansahen behauptete er rasch. „Klar.“ Aber es klang nicht sehr überzeugt. „Flieg uns doch erst mal nach Yuma, bevor du anfängst dich um Kopf und Kragen zu reden, hm“, schlug Saber vor und verließ die Küche. Der Pilot folgte ihm. „Damit du dich dann um Kopf und Kragen reden kannst, was?“ Bloß schnell die Diskussion ablenken. Jeder von ihnen konnte sich grad um Kopf und Kragen reden. Also warum er? „Ja, bei mir sind die Überlebenschancen momentan noch höher, als bei einem von euch beiden“, konterte Saber über die Schulter zurück. „Das würd ich nicht unterschreiben, Boss“, ließ sich Colt vernehmen, als er aufschloss. Während die drei zurück nach Yuma flogen, herrschte Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Saber grübelte, wie er das Gespräch mit Chily am Besten beginnen könnte. Fireball war geistig bei April und der Scharfschütze sinnierte darüber, was er über seine beste Freundin alles nicht wusste, was sie wahrscheinlich selbst nicht mal ahnte. Denn er war sich sicher, dass er es sonst auch wissen würde. Schließlich kannte er sie. Damals wusste er sogar ganz genau, wann ihre Mensis begann und endete und hatte ihr mehrfach schon ihre Monatshygiene mitgebracht, wenn sie vergessen hatte, welche zu kaufen und er noch auf dem Heimweg zum Einkauf kam. Nein, es gab kaum etwas, was er über Chily nicht wusste. Inzwischen hatte er auch bei Robin ein Gespür für solche Dinge bekommen. Robin. Die Zeit des Friedens hatte er vor allem an ihrer Seite sehr genossen. Doch wieder schien es, als würden seine Träume platzen, so wie damals der vom Rodeo. Na gut, der hatte sich nach hinten weg verschoben, aber egal. Und diesmal würde ihn eine bevorstehende, gravierende Veränderung nicht unvorbereitet treffen. Aber wieso immer dann, wenn er rund um glücklich war. Es kam ihm beinahe so vor, als dürfe er das nicht. Nein, das Leben war nicht fair. Das hatte er längst begriffen. Aber das es ihm innerhalb eines Jahrzehnts gleich zweimal so fies mitspielte, ging ihm an die Nieren. Besonders deshalb, weil es wieder nichts gab, was er dagegen tun konnte. Er konnte nur wieder fliehen. Im ersten Augenblick wollten die drei Frauen freudig auf die Heimkehrer zu stürmen, doch dann machten ihnen sowohl die düsteren Gesichter, als auch der Umstand des unerwarteten Wiedersehens klar, dass kein Grund zur Freude gegeben war. Vielmehr zu Sorge. Ahnungsvoll verharrten sie in ihren Positionen und hätten dennoch beinahe über das zeitgleiche „Wir müssen reden“ der Männer lachen können, wenn der Tonfall nicht so verdammt ernst gewesen wäre. April rührte sich als erste und Fireball folgte ihr in die Küche. Chily setzte sich ebenfalls in Bewegung. Saber ging ihr auf die Dachterrasse nach. Colt und Robin blieben im Wohnzimmer zurück. Ungewohnt knapp und sachlich setzten die temperamentvolleren Herren ihre Herzdamen von dem Fund und den sich daraus ergebenden nächsten Schritten in Kenntnis. Der Recke dagegen tat sich wesentlich schwerer. Wie so oft, wenn er nicht recht wusste, wie er beginnen sollte, versuchte er es mit etwas unverfänglichem. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung sei auf Dauer wohl recht eng für drei Frauen. Doch Chily durchschaute diese Masche. Das unverhoffte Erscheinen der Drei hatte sie alarmiert und ihr untrüglich bedeutet, dass etwas vorgefallen war. Da sie jedoch nicht wusste, was und die Sehnsucht nach ihrer Ranch und dem weiten Land darum herum sehr groß war, schoss ihr eine Frage hervor, die sie eben erst gedacht hatte. „Kann ich zurück nach Hause?“ Ihre Direktheit wunderte Saber überhaupt nicht, doch er musste sie genau vom Gegenteil überzeugen und dieser Umstand trieb ihm die Verlegenheitsröte ins Gesicht. Er brachte keinen Ton hervor. Sie ahnte schlimmes. Je länger das Schweigen zwischen, ihnen herrschte, desto angespannter wurde sie und desto nervöser er. „Herrgott, Saber“, schrie sie schließlich aufgebracht. „Was immer es ist, sag es endlich. Ist was mit Patamon?“ Rasch zog der Blonde sie in seine Arme und strich ihr über den Rücken, damit sie sich wieder beruhigte. Doch das, was er ihr sagen musste, würde sie erst recht aufregen. „Patamons Zustand hat sich nicht verändert“, begann er dann, „aber wir haben die Dokumente.“ Sie sah ihn aufmerksam an. Schnell fuhr er fort. „Chily, glaub mir bitte, ich sag es dir nicht gern, aber zu deiner eigenen Sicherheit wäre es besser, wenn du in ein Hotel ziehst und dir Personenschutz geben lässt.“ Er hatte es kaum ausgesprochen, da riss sie sich heftig von ihm los. „Du willst mich einsperren?“ rief sie entsetzt und starrte ihn ungläubig an. „Nicht einsperren“, setzte er an, doch sie schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung das Wort ab. Die Gedanken in ihrem Kopf schossen wild durch einander, waren nicht greifbar, weshalb nur ihr Herz sprechen konnte. „Doch! Genau das ist es. Einsperren. In ein stinkendes, kleines Hotelzimmer mit einem Wachhund vor der Tür, der bei jedem Schritt, den ich tue, dabei sein wird. Ich werde nirgendwohin entfliehen können, wenn ich allein sein will. Ich habe keine Minute für mich. Dieser Typ wird immer an mir kleben und …“ Sie musste Luft holen. „Das ist Gefangenschaft, Saber, und das ertrag ich nicht. Wieso tust du mir das an? Wieso willst du mich so quälen?“ Bei den beiden Fragen, begann ihre Stimme zu zittern. Das Herz ist nicht logisch, es fühlt nur. Saber wusste das. „Chily, bitte“, versuchte er sie zu beschwichtigen. „Ich weiß, worum ich dich bitte und ich weiß, wie schwer es dir fällt. Aber wenn das nicht die einzige Möglichkeit wäre, dich und Colt zu schützen, würde ich es nicht von dir verlangen.“ Seine Hände, die nach ihr griffen, schlug sie noch leicht fort, aber sein eindringlicher Ton klärte das Chaos in ihrem Kopf. Es war Tatsache, was er sagte, dass spürte sie. „Gibt es wirklich keine andere Alternative?“ wollte sie zögernd wissen. Der Gedanke an den Personenschutz behagte ihr in keinster Weise. „Ich fürchte nicht“, entgegnete er bedrückt. Sie schwieg. Er nutzte ihre Zurückhaltung um sie hoffentlich endgültig zu überzeugen. Wieder griff er nach ihren Händen. Diesmal wehrte sie ihn nicht ab. Ein gutes Zeichen. „Jolene“, setzte er sanft an. „Alles, was ich will, ist so lange und so viel Zeit wie möglich mit dir zu verbringen. Ich möchte, dass es dir gut geht, dass du weiter mit deiner Leichtigkeit das Leben genießen kannst. Aber genau das ist in Gefahr, bedroht von jemanden, der keine Skrupel hat.“ Seine Finger glitten über ihre Arme zu ihren Schultern hinauf. Sie ließ es zu. Behutsam wanderten sie den Hals hinauf, umfassten ihren Hinterkopf und hoben ihn leicht, dass sie ihn ansehen musste. Ihr Sträuben schwand allmählich. „Ich liebe dich. Bitte erlaube mir, dich zu beschützen, Jolene, “ raunte er ihr liebevoll zu und schaute sie zärtlich an. Ihr wurden die Knie weich. Sie streckte die Arme nach ihm aus und umschlang seine Taille. „Versprich mir, dass es nicht für lange ist“, bat sie leise. „Versprochen“, gab er zurück, zog sie ungestüm an sich und drückte ihr einen erleichterten Kuss auf die Lippen. „Paart euch woanders.“ Die beiden fuhren bei Colts Spruch auseinander. Dreist grinsend trat er auf sie zu. „Jolly Jumper!“ Chily boxte ihm verstimmt auf den Arm. An seinem Grinsen änderte sich nichts. „Bevor hier der Zwergenaufstand ausbricht, sollten wir wesentlichere Dinge klären, Boss“, meinte er. Der Recke nickte. Dass der Scharfschütze und seine Jugendfreundin in einer gemeinsamen Suite Quartier bezogen, störte die beiden mehr, als sonst irgendwen. Robin, von der Saber, Fireball und April den Protest einer Eifersüchtigen erwartet hätten, fand nur mahnende Worte für ihren Zukünftigen, deren Inhalt war, er solle auf seine Freunde und die Anweisungen der Wachposten hören. Die Hotelsuite verfügte über ein geräumiges, helles Wohnzimmer, zwei angrenzenden, kleine Schlafzimmer und einen Balkon, der einen weiten Blick über Yumas Dächer erlaubte. Doch genau dies gab Chily das Gefühl hoch oben in Rapunzels Turm gefangen zu sein. Colt lachte über diesen Vergleich nur, weil er so treffend war, was er nicht zugeben wollte. Die Posten unterwiesen ihre Schützlinge knapp und sachlich und ließen sie dann allein. Die kleine Hebamme sackte hilflos auf eines der Sofa und brach in unglückliche Tränen aus. Colt, für den dieser Ausbruch recht unvermittelt kam, war mit einem Satz bei ihr, kniete sich vor sie und zog sie tröstend an sich. „Schon okay, Crazy Chily, “ flüsterte er. „Ich halte dich.“ Die Berge Pennyriles waren dicht bewaldet. Schlanke, schöne Bäume umsäumten die Steppe oder kletterten die Felsen hinauf. Für kleine Abenteurer und Entdecker ein idealer Ort, aber nicht ganz ohne Risiko. Die Gefahr sich zu verirren war, angesichts der Weite und Dichte des Waldes, groß. Hatte man erst die Baumreihen durchbrochen und den, von der Sonne verführerisch beleuchteten, kristallklaren Bergsee ausfindig gemacht, konnte alles in Vergessenheit geraten. So zumindest erging es den Patenkindern des Irokesen-Stammes Pallaton und Aiyana. Die beiden umrundeten den See voll kindlicher Begeisterung. Entdeckten jenes, fanden dieses und entfernten sich immer weiter von den Langhäusern je mehr die Sonne gen Westen wanderte. Mahnend warf sie ihre inzwischen rotgoldenen Strahlen über den Bergsee und erinnerte die beiden daran, dass sie eben nicht stehen geblieben war. Nach dem ersten Schreck über die Feststellung setzte bei Aiyana Ratlosigkeit ein. Pallaton, Colt wurde nicht um sonst „Krieger“ genannt, dagegen schaltete den praktischen Verstand ein. Schnell erkannte der zehnjährige, dass es keinen Sinn hatte, den Weg um das Gewässer zurückzulaufen. Die einbrechende Dunkelheit würde die Rückkehr auf so weiten, unbekannten Pfaden erheblich erschweren. Wollten sie die Glut der untergehenden Sonne nutzen um in den ihnen vertrauten Teil des Forstes zurückzukehren, mussten sie den See an seiner schmalsten Stelle überqueren. Die verträumte Aiyana hegte keinen Zweifel an dem Gelingen dieses Planes. Sie vertraute ihrem Pallaton und tauchte mit ihm ins Wasser um durch die spärliche Kraft der kindlichen Körper das andere Ufer zu erreichen. Für einen Erwachsenen, der in kräftigen Zügen rasch vorwärtskam, war ein solches Unterfangen keine größere Schwierigkeit. Doch die kleinen Helden erreichten ihre Grenzen. Für beide, auch wenn sie es nie zugeben würden, grenzte es an ein Wunder, dass sie das andere Ufer erreichten und dem, inzwischen nachtschwarzem, Nass entstiegen. Aiyana, völlig außer Atem und am Ende ihrer Kräfte, war kaum mehr in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzten. Pallaton erging es nicht sehr viel besser, dennoch hob er seine Freundin auf den Rücken. „Wir schaffen es, Chily. Wir schaffen es, “ keuchte er. „Ich hab dich. Ich halte dich.“ Auf halber Strecke brach der Junge in die Knie. Aiyana erwachte nicht aus ihrem Tiefschlaf. Behutsam bettete er ihren Kopf auf ein Stück Moos, dass der Mond beschien. Gerade wollte er sich zu ihr legen, da sah er Fackeln zwischen den Bäumen, hörte er Hinuns Stimme. „Hier“, rief der Kleine matt. „Hier.“ Bald erreichten sie ihn und seine Freundin und brachten sie sicher und ohne Schimpf zu den Langhäusern. In den folgenden zwei Wochen wühlte Saber sich durch die Abstammungsgeschichte der Familie Adams. Von Ramrods Board-Computer war er nur zum Schlafen weg zu bekommen. Allerdings war seine Suche erfolglos. Jolene Adams war die letzte ihrer Ahnenreihe. Wesentlich interessanter war der Stammbaum von Colts Familie. Dessen Vater Gary Willcox hatte seine Jugendliebe Magdalena ein Jahr nach der High-School geheiratet. Garys Vater, Colts Großvater, Daniel Willcox hatte in seiner Frau Mabel, die er gerade zwei Monate kannte, ehe er sie zum Altar führte, sein Glück gefunden. Der Recke schmunzelte leicht. Wenn die Willcox-Männer mal gefunden hatten, wo nach sie suchten, fackelten sie offensichtlich nicht mehr lange. Jedoch, stellte der Blonde fest, war es in Daniels Fall der zweite Anlauf in Sachen Liebe gewesen. Zuvor hatte er für eineinhalb Jahre mit einer Frau namens Hazel Maddox zusammen gelebt. Maddox. Der Name kam dem Recken irgendwoher bekannt vor. Er schloss die Augen, die ohnehin von der langen Zeit, die er schon auf den Monitor starrte, brannten und ließ den Namen durch die Hallen seiner Erinnerungen klingen. Maddox. Maddox. Maddox. Madigton Walls Bergwerke. William Maddox steht in Verdacht mit den Outridern Geschäfte zu machen. Bremer. Der Vormann Jake. „Boss? Alles klar?“ Fireballs besorgte Miene schob sich in das Blickfeld des Recken, der überrascht die Augen aufgerissen hatte. „Ich glaube, du arbeitest zu viel“, meinte der Rennfahrer sacht. „Ich glaube, ich habe die Verbindung“, erwiderte der, als hätte der Japaner danach gefragt. Der Blonde setze sich auf und tippte hastig auf der Tastatur herum. „Muss der Schlafmangel sein“, bemerkte der Pilot kopfschüttelnd. Noch eine Stunde brauchte der Schotte, dann lag das Ergebnis der Recherche endgültig vor. Perplex starrte Fireball darauf. In der Zwischenzeit hatten Colt und Chily ihre Zeit damit totgeschlagen, dass sich erzählten, was sich in den letzten fünf Jahren in dem Leben des anderen ereignet hatte. Während der Überwachung hatte die Verbindung zu Robin und April eigentlich abgebrochen werden sollen. Dennoch hatten sie die beiden einmal besucht, weil sie schließlich Verlobter und Hebamme waren. Sonst hielten sich der Scharfschütze und seine Jugendfreundin brav an die Regel und verließen die Suite nicht. Der Cowboy erzählte ihr von den vielen Missionen, die er mit seinen Freunden und Ramrod gemeistert hatte. Sein gelegentliches Aufschneiden dabei quittierte sie mit dem, ihm wohlbekannten, geringschätzigen Blick. „Du hättest dabei sein sollen. Ehrlich, “ berichtete er begeistert. „Bei der Aktion hab ich zwanzig dieser Jumper mit meinem Bronco in die Phantomzone geschickt.“ Chilys linke Braue zuckte nach oben. Da war er wieder, ihr Mach-doch-mir-nichts-vor-Blick. „Aha. Zehn also, “ kommentierte sie trocken. „Du bist unmöglich, “ fuhr er auf. „Ob zehn oder zwanzig ist doch egal. Keine Chance hatten sie.“ Sie grinste breit. „Das glaub ich dir ausnahmsweise mal.“ Jetzt sprang er entrüstet vom Sofa. „Dein Übermut ist mit deiner Oberweite angewachsen, was?“ grollte er scherzhaft. Sie erhob sich ebenfalls und brachte das Polster als Schutzwall zwischen sich und den Kuhhirten. „Genau wie deine Angeberei im Vergleich zu deiner Hirnmasse geschwunden ist“, neckte sie ihn. „Jetzt geht es aber los“, parierte er. „Ich möchte bloß wissen, was in dich gefahren ist?“ Mit einen frechen Grinsen konterte sie. „Wenn du so fragst: Saber.“ Dann flüchtete sie vor dem Lockenkopf, der sie durch die Suite jagte und erbarmungslos durch kitzelte, als er sie zu fassen bekam. Lachend, quiekend und albern, balgten sie herum, wie die Kinder, die sie einst waren, und so laut, dass die Posten vor der Tür am Geisteszustand ihrer Schutzbefohlenen zu zweifeln begannen. Als die beiden, außer Puste gekommen, neben einander auf dem Boden lagen, wollte Chily ernsthafter wissen: „Sag mal, Bullet: Was hast du eigentlich gegen Saber.“ – „Wenn du so fragst: Noch nichts, aber ich werde mir was besorgen. Baseballschläger, Messer, eine Schrotpuste, “ grinste der Gefragte. „Jetzt mal ohne Witz, “ erinnerte sie. „Ich bin ja gewöhnt, dass dir keiner gut genug ist für mich. Aber Saber ist nun ganz sicher nicht mit denen zu vergleichen, mit denen ich sonst zu tun hatte.“ Colt richtete sich auf, drehte sich leicht zu ihr, stützte sich auf einen Arm und musterte sie. „Bist du sicher, dass er dir auf Dauer nicht zu ruhig, manierlich und brav wird?“ fragte er zurück. „Er hält viel von Disziplin und stellt seine Pflicht, seinen Dienst am Neuen Grenzland über alles“, fügte er dann ernst hinzu. „Ich meine, ich kenn dich. Dir sind deine Patientinnen auch sehr wichtig und auch du lebst für das, was du tust. Sonst würdest du es nicht tun. Aber, wenn bei zweien das Privatleben so hinten anstehen kann, wie bei euch beiden, und dann der eine seine Freizeit damit zu bringt, sich in Büchern zu vergraben, während der andere seiner Freiheitsliebe frönt, was bleibt da für einen Beziehung?“ Chilys Blick heftete sich an die Zimmerdecke. „Bist du nie darauf gekommen, dass ich gern jemanden hätte, der zu mir gehört? Einen Ruhepol, weil ich so rastlos bin.“ Der Scharfschütze lächelte zufrieden. „Dann passt es doch. Der Säbelschwinger kann im Gegenzug dazu wen gebrauchen, der ihn auf Trab bringt. Seit ich ihn wieder gesehen hab, hab ich das Gefühl, er wandelt wie ein Roboter durchs Leben.“ Ja, so gesehen konnten die beiden sich hervorragend ergänzen. „Na ja, Gegensätze ziehen sich an, “ fügte die Hebamme hinzu und lächelte munter. „Robin bringt ja auch die nötige Ruhe in das Chaos, dass du Leben nennst.“ – „Oh ja.“ Er legte den Kopf in den Nacken. „Das tut sie wohl.“ Dann sprang er auf. „Und neuerdings hab ich einen sehr ausgeprägten Ordnungssinn“, ergänzte er. „Dann bis später“, grinste sie verstehend und winkte kurz, als er schon halb zur Tür raus war. Der Mann vom Zimmerservice, der ihre später das Essen brachte, war ihr unheimlich. Seine Augen waren kalt und schienen sie zu durchbohren. Sein Lächeln war nichts weiter als ausdrucklos nach oben gezogene Mundwinkel. Obgleich er akkurat seine Aufgabe erfüllte, konnte Chily den Eindruck drohender Gefahr nicht loswerden, die von ihm auszugehen schien. Vielleicht war sie aufgrund ihrer augenblicklichen Lage besonders nervös. Andererseits hatte kein anderer Kellner zuvor ihr solche Furcht eingeflößt. Angespannt wartete sie auf etwas, eine Geste, ein Wort, das ihn als Feind enttarnte, doch er ging nach getaner Pflicht wieder und hinterließ ihr das Gefühl paranoid zu werden. Sie sah ihm nach. Unter der Mütze, die zur Uniform gehörte, lugte bläulich grün schimmerndes Haar hervor. Colt lag friedlich an Robin geschmiegt und ahnte nichts von der Angst, die seine Schulfreundin beschlichen hatte und die mit jeder Minute wuchs, die der Scharfschütze fortblieb. Leicht hauchte er Robin einen Kuss auf die Stirn. Chily steckte den Kopf aus der Tür. Ihr Wächter schlenderte ihr den Rücken zugewandt den Flur hinab. Leise schlüpfte sie aus dem Zimmer zum Fahrstuhl und betete, dass der kam, ehe der Posten kehrt machte. Er hatte das Ende des Ganges erreicht, als die Lifttüren leise aufgingen. Zu leise, als das er es hätte hören können. Chily war dahinter verschwunden, die Türen wieder geschlossen, ehe sich der Bewacher umwand. Scheinbar unverändert lag der Flur vor ihm. Colt fuhr in die Höhe. Robin sah ihn irritiert an, schlagartig aus dem leichten Schlummer erwacht, in den die beiden gefallen waren. Für dieses heftige Aufschrecken war kein Grund erkennbar, auch nicht für den gehetzten Gesichtsausdruck ihres Kuhhirten. „Was hast du?“ fragte sie besorgt. „Ich weiß es nicht“, gab er zur Antwort. Chily durchquerte die Eingangshalle. In der Hektik, die dort herrschte, achtete zum Glück niemand auf sie und kam folglich auch keiner auf die Idee, sie womöglich aufhalten zu wollen. Ihr Essen auf dem Zimmer hatte sie nicht angerührt. Die Angst hatte ihr den Appetit verdorben. Die Enge des Zimmers war ihr immer unheilvoller erschienen und sie musste raus. Raus aus der Suite. Raus aus dem Hotel. Weg von hier. In die Helligkeit einer Großstadtnacht. Verwundert blickten April und Robin Colt nach, der die Wohnung verließ, als säße ihm der Teufel im Genick. Er nahm sich nicht die Zeit, etwas zu erklären oder sein Hemd zuzuknöpfen. Die Tür schlug zu, ehe es die beiden Blondinen begriffen hatten. Über dieses seltsame Verhalten zu grübeln hatten sie jedoch keine Zeit. Der Communicator meldete sich. Colt nahm keine Rücksicht darauf, ob sein Schatten Probleme hatte ihm zu folgen. Irgendetwas sagte ihm, dass seine kleine Jugendfreundin in Gefahr war. In scharfem Schritt durchquerte er den Rezeptionsbreich und schnappte sich den Aufzug, kurz bevor die Türen zu schlagen konnten. Der Posten musste den nächsten nehmen und kam gerade rechtzeitig auf der Etage an um Colt davon abzuhalten, dem Kollegen vor der Suite einen Kinnhaken zu verpassen. Daraufhin fuhr der Scharfschütze die beiden an. „Wo ist Chily? Nennt ihr das etwa Personenschutz? Wie konnte sie ungesehen verschwinden?“ Dabei deutete er auf die geöffnete Suitetür, die unschuldig Zeugnis für die Abwesenheit der Hebamme ablegte. Der Mann, der den Hitzigen begleitet hatte, sah seinen jungen Kollegen an. Der hob verlegen entschuldigend die Schultern. Bis eben hatte er nicht gemerkt, dass sein Schützling fort war. „Nur der Zimmerservice war da und hat ihr was zu essen gebracht. Da war sie ganz sicher noch da. Ich hab keine Ahnung, wann sie verschwunden ist, “ berichtete er, verschwieg aber die einzige Möglichkeit, die sie genutzt hatte, weil er fürchtete noch einmal könne sein Kollege den Tobenden nicht am Zuschlagen hindern. „Der Zimmerservice?“ wiederholte Colt schnaubend. „Ja“, bestätigte der Pechvogel. „So ein kühler. Hab mich noch gefragt, wie der den Job bekommen hat. Übermäßig freundlich sah er nicht aus.“ Bei dem Cowboy schrillten die Alarmglocken so laut, dass sie im gesamten Neuen Grenzland zu hören sein mussten. Sachlich ließ sich der ältere Wachmann eine ausführlichere Beschreibung geben. Bei der Schilderung fielen ihm und dem Scharfschützen die Kinnladen runter. Der Jüngling, der seine Aufträge gewissenhaft ausführte, war noch nicht lange genug im Dienst um mit allen Gesichtern zwielichtiger Gesellen vertraut zu sein. Deshalb hatte er keinen Verdacht geschöpft. Chily suchte, wie man es von einer Frau, die weites Land um sich herum gewohnt war, nicht anders erwarten konnte, Zuflucht in einem Park nahe dem Hotel. Obgleich er nur spärlich beleuchtet war, fürchtete sie sich hier weniger. Die Wälder, durch die sie in Vollmondnächten gern ritt, waren schließlich kaum heller. Ihre hastigen Schritte wurden ruhiger und langsamer. Befreit von der Enge und der Kontrolle setzte sie sich auf eine Bank. Sie atmete einmal tief ein. Beim zweiten Mal fühlte sie etwas Weiches auf Mund und Nase. Zu verwundert um zur reagieren, atmete sie ein drittes Mal ein. Dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie spürte nichts mehr. Noch während seiner Erklärungen hatte Saber seinen Piloten in dessen Satteleinheit geschoben und ihn so zum Start genötigt. Kurz bevor sie Yuma erreichten, hatten sie sich bei April gemeldet, damit sie Colt holen sollte. Die gab über das merkwürdige Verhalten des Kuhhirten Auskunft und anschließend dem Wachschutz im Hotel Bescheid, dass sie dem Scharfschützen bei sich zurück erwartete. Nun tigerte der in seelischem Aufruhr durch das Wohnzimmer. Noch hatte er kein Wort von Chilys Verschwinden erzählt. Es widerstrebte ihm in diesem Zustand mehr als sonst, alles zweimal zu erzählen. Zudem suchten die beiden Wachposten noch die nähere Umgebung des Hotels nach der Hebamme ab. Gut möglich, dass sie noch gefunden wurde. Vorerst jedoch trieb der Kuhhirte die beiden Frauen in den Wahnsinn. Entsprechend genervt war deren Gemütsverfassung bei der Begrüßung, als Saber und Fireball eintraten. „Wir haben etwas herausgefunden“, erklärte der Recke unumwunden und drückte Colt auf die Couch um ihn zur, zum Zuhören notwendigen, Ruhe zu zwingen. „Ich auch, “ entgegnete der ungeduldig. „Aber du zu erst. Ein Teil meiner Nachrichten löst sich vielleicht in Wohlgefallen auf, “ fügte er dann hinzu. Verständnislos runzelten seine Freunde die Stirn. Saber wischte das Statement des Cowboys mit einer Handbewegung beiseite und begann: „Ich habe mir deinen und Chilys Stammbaum genau angesehen. Wie du gesagt hast, hat sie keine lebenden Verwandten mehr. Aber anders als sie, hast du noch einen. Klapp den Kiefer wieder hoch. Keine hat dir ein Kind untergeschoben. Du hast einen Onkel." – „Einen Onkel?“ – „Ja. Bevor dein Großvater deine Großmutter kennen lernte, lebte er etwas mehr als ein Jahr mit einer Hazel Maddox zusammen. Etwa ein halbes Jahr später gebar sie einen Sohn. Ob dein Großvater nichts von ihm wusste, oder ihn nicht anerkannt hat, weiß ich nicht. Das wirklich interessante daran ist, dass wir schon mal mit ihm zu tun hatten. In Madigton Walls. Er stand damals in Verdacht mit den Outridern Geschäfte zu machen. Sein Name ist, “ Die folgenden Worte sprachen Saber und Colt gemeinsam aus. „William Maddox.“ Der Scharfschütze runzelte die Stirn. Verdammt, das alles passte nur zu gut ins Bild. „Und ich weiß“, ergänzte er dann. „Wer die Drecksarbeit für ihn erledigt. Jean Claude.“ Als ob dies als Überraschung noch nicht genug war, fuhr der Scharfschütze fort. „Er war heute in Verkleidung des Zimmerservice bei Chily.“ Der Recke wurde blass. „Er weiß, wo sie ist?“ fragte er ungläubig. „Sie muss da sofort weg“, erklärte April prompt. Das Telefon klingelt. Colt nahm das Gespräch an, als wäre er zu Hause. Offensichtlich hatte er es erwartet. Sein kurzes „Verstehe“ und das missmutige Gebrumm ließen eine neue Hiobsbotschaft vermuten. Als er auflegte, hingen die Augen seiner Freunde an ihm. Einzig seine Verlobte wusste, was diese finstere Miene bedeutete. „Chily ist weg“, stellte die Lehrerin fest. „Ja“, bestätigte ihr Zukünftiger düster. „Nach dem Besuch von Jean hat sie das Hotel verlassen und ist bis jetzt nicht auffindbar.“ Saber fühlte sich auf einmal kraftlos, als hätte man ihm die Lebensgeister entzogen. „Schätze, dein treudoofer Blick war dies mal nicht treu oder nicht doof genug“, bemerkte Fireball trocken. Der Blonde antwortete nicht. Er wusste nur, dass sie versprochen hatte, sich den Personenschutz stellen, die Bewachung hinzunehmen und sich nun doch nicht daran gehalten hatte. Wie sonst, wenn es eine Entscheidung zu treffen galt, schauten alle gespannt auf den Schotten, doch der rührte sich nicht. Wutschnaubend stapfte Colt an ihm vorbei in Richtung Tür. Der Rennfahrer vertrat ihm im letzten Moment den Weg. „Mach jetzt keinen Scheiß“, beschwor er ihn. „Lieber Scheiß, als gar nicht, “ knurrte der Kuhhirte zurück und wies auf die Salzsäule hinter sich, zu der Saber erstarrt war. „Der Typ muss ihr eine Heidenangst eingejagt haben, sonst wäre sie nicht weggelaufen und ich werde sie jetzt suchen, “ erklärte Colt und lieferte die Erläuterung für die Abwesenheit der Hebamme, die der Geschockte brauchte. Kein gebrochenes Versprechen, nur Angst. Verfluchtes Misstrauen. Vielen Dank dafür, Sincia. „Wo wurde sie denn gesucht?“ Überrascht, dass der Highlander die Sprache wieder hatte, drehten Colt und Fireball sich zu ihm. „In den Parks in der Nähe des Hotels. Aber da war sie nicht, “ entgegnete der Lockenkopf. „Und am Stadtrand? Vielleicht wollte sie ganz raus aus Yuma. Sie ist schließlich kein Großstadtmensch.“ Schon ratterte es wieder im Oberstübchen des Blonden. „ Ich sag, dass sie das prüfen“, meldete sich April eilig, froh, endlich was für die liebgewonnen Hebamme tun zu können. „Wir bleiben hier“, sagte Robin, „falls sie noch hier auftaucht.“ Die Jungs nickten und verließen die Wohnung. Im Stillen dachten Colt und Fireball, dass sie auf ihre Herzdamen sehr stolz sein konnten. Dann hieß es sich auf den Fall zu konzentrieren und die Lage mit Eagle zu besprechen. Auf dem weißen, frisch bezogenen, noch gestärkten Laken eines Krankenhausbettes erwachte Patamon aus der endlos erscheinenden Finsternis. Nur langsam öffnete er die Lider, gewöhnten seine Augen sich an die Helligkeit und nahmen die scharfen Konturen der spartanischen Krankenhauseinrichtung wahr. Dämmernd, noch nicht ganz erwacht, fühlte er Schläuche in der Nase und Nadeln in den Armen. Obgleich er als Native aufgewachsen war, kannte er keine Furcht vor der Moderne. Dennoch erschrak er leicht vor dem Signalton eines Gerätes neben sich, welches er in seiner liegenden Position nicht sehen konnte. Ein Arzt und eine Schwester betraten eilends den Raum. „Wie fühlen Sie sich?“ Patamon brachte die Lippen nicht auseinander. Dick und pelzig fühlte sich sein Mund an. Vorsichtig wurde ihm von der Pflegerin Wasser eingeflößt. In der Uniform eines Starsheriffs trat ein Mann ein. Der Irokese kannte ihn nicht, wusste aber nun, dass Chily Recht behalten hatte. Dunkel, dumpf und bruchstückhaft erinnerte er sich der Ereignisse. Unterstützung zu erbitten hatte der erste Auftrag gelautet. Er war also erfolgreich ausgeführt. Der zweite Auftrag war ihm eingeprügelt worden und unbarmherzig, wie diese Handlung, war die Botschaft, die er überbringen sollte. Matt winkte er den Uniformierten zu sich. Der hatte auf das Erwachen des Irokesen-Kriegers warten und dann sofort die Ramrodcrew informieren sollen. Nun kam er näher und beugte sich zu dem Liegenden. Dem wollten die Worte noch immer nicht über die Lippen. Erneut flößte ihm die Schwester was zu trinken ein. Wieder öffnete Patamon den Mund. Kaum hörbar krächzte er: „Der Tod wird deine Erlösung sein, Willcox.“ Als Patamon erwacht war, hatte der Morgen gegraut. Saber, Colt und Fireball beratschlagten mit dem Commander, wie es nun weitergehen sollte, da die Jugendfreundin des Kuhhirten noch nicht wieder aufgetaucht und daher in den Händen der nun bekannten Feinde vermutet werden musste. Wenige Stunden später fand sich das Gebiet um Pennyrile in einer wüsten Schlacht wieder. Kaum war diese Meldung und auch Patamons Botschaft eingetroffen, düsten die drei so schnell sie konnten in die Gefahrenzone. April brach in ihrer Wohnung in die Knie, hielt sich den Bauch, der sich langsam zu wölben begann. Ruhe sollte sie haben, hatte Chily angewiesen. Ruhe war nicht zu erwerben. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fand Robin sie vor. Nur gut hatte die kleine Hebamme sie in allem unterwiesen, was es in einem solchen Fall zu tun galt. Robin zögerte nicht, sondern tat es. Sie half der Wimmernden auf das Sofa, lagerte deren Beine hoch und rief einen Arzt an. Der war mit Chily gut bekannt und hatte viele ihrer Fälle, die nach Yuma gezogen waren, übernommen. Die engagierte Geburtshelferin hatte sich stets nach dem Befinden ihrer Patientinnen erkundigt und umfangreiche Akten zu ihm gesandt. Meist war sie am Tag der Geburt noch dabei oder gleich darauf angereist. Diese ausgezeichnete Zusammenarbeit war der Grund, weshalb der Gynäkologe sofort einen Hausbesuch bei Miss Eagle unternahm um nach dem Rechten zu sehen. Einmal mehr konnte er die Umsichtigkeit der Hebamme nur bewundern. April und Robin waren genau über das informiert, was in diesem Stadium der Schwangerschaft zu erwarten war, welche Risiken es gab und wie sie sich dann zu verhalten hatten. Für den Notfall eines Hausbesuches war so gar ein Ultraschallgerät vorhanden. Robin hatte es bereits nach Chilys Anweisungen vorbereitet, so dass diese Untersuchung wie am Schnürchen klappte, als wäre die Hebamme persönlich zugegen. Der Arzt konnte die werdende Mutter beruhigen. Der Krampf, der sie durchfahren hatte, war ein Warnsignal mehr auf sich zu achten. Dem Wesen in ihrem Bauche gehe es gut. Allem Anschein nach erwarte April ein Mädchen, doch sicher konnte er es noch nicht sagen. Da die Navigatorin ihm erklärte, warum ihr so bald keine stressfreie Zeit vergönnt war, verordnete er ihr ein krampflösendes und nervenberuhigendes Mittel. Robin begleitete den Mann bis zur Tür und trat dann wieder ins Wohnzimmer. „Hat sie nicht gesagt, es würde ein Mädchen?“ fragte sie. April nickte. „Woher sie das nur wieder wusste?“ Später am Abend, als die beiden sich von diesem Schreck erholt hatten und zu Bett gehen wollten, schellte es noch einmal an der Wohnungstür. April richtete sich grade im Bad, so öffnete Robin verwundert, nachdem sie durch den Spion nichts hatte erkennen können. Im nächsten Moment schalt sie sich gedanklich naiv, dumm und unvorsichtig, als ihr der Lauf eines Blasters gegen die Stirn gedrückt wurde. Dass sich der Zutritt auch ohne ihr Zutun verschafft worden wäre, spielte für sie dabei keine Rolle. Mit kaltem Lächeln wurde ihr die Mündung fester gegen den Kopf gedrückt und hieß sie etwas zurücktreten. Der Mann mit den eiskalten Augen und dem maskenhaften, nicht wirklich existierendem Lächeln machte seinem Begleiter, einem Phantomschergen, Platz. Der positionierte sich vor der Badezimmertür, hinter der der Wasserhahn abgestellt wurde. Ahnungslos trat der weibliche Starsheriff vor ihren Gegner. April erfasste die Situation rasch. Robin stand in der Tür, wurde, wie sie selbst, mit einer Waffe bedroht. Auch, wenn sich kein komplettes Überfallkommando über ihre Wohnung verteilte, sondern nur ein Begleiter für die beiden Frauen, war es zu riskant sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen. Zu riskant für das Etwas unter ihrem Herzen. Sie mussten sich ergeben und darauf hoffen, von den Jungs befreit zu werden, oder eine Möglichkeit zur Flucht zu bekommen. Als sie Robin ansah, verstand diese sofort, was in April vorging. Leicht nickte sie ihr zu. Wortlos und stolz ließen sich die beiden Frauen von Jean Claude abführen. Ein Blick auf die Navigatorin erklärte ihm dieses Verhalten und einen weiteren Vorteil für sich. Die Schlacht um Pennyrile wurde in dieser Nacht unterbrochen. Vorläufig war es dem KOK gelungen, die Outrider zu schwächen, in dem sie sie in ihre Dimension zurückschickten, wo sie sich erst wieder materialisieren mussten. Dass die Phantomwesen noch immer nicht endgültig geschlagen waren und erneute, wenn auch geschwächt, Angriffe auf das Neue Grenzland flogen, hatte die zur Sicherung des heute umkämpften Gebietes ausgesandten Starsheriffs doch gewundert. Alle hatten geglaubt und gehofft, der Friede sei endgültig. So hatte der Gegner ein Überraschungsmoment, den aber nicht gut genutzt. Die Irokesen hatten mit dem, für ihr Volk so charakteristischen, Wagemut gekämpft. Ohne Hilfe – und das zuzugeben war für sie keine Schande – hätten sie wohl den Tag schwerlich überlebt. So gab es nur Verletzte und keine Toten zu beklagen. Die Schäden an den Häusern und Feldern wogen schwer und doch lag in den Gesichtern Zuversicht und Mut. Ramrods Crew war dabei, die Überwachungssensoren einzustellen, als sich der Communicator meldete. Gespannt richteten Colt und Fireball ihre Aufmerksamkeit auf den Monitor, während Saber die Verbindung annahm. „Hallo Colt, mein Lieber.“ Noch ehe das Bild aufflackerte, war klar, wer mit ihnen sprechen wollte. Diese herablassende Freundlichkeit war eindeutig Jean Claudes Art. Missmutig schürzte der Angesprochene die Lippen. „Wie geht es dir, Mooslöckchen?“ erwiderte er bissig den Gruß. „Ich bin zufrieden“, kam es zurück. „Wie man sieht, hast du noch immer nur große Worte. Aber die dazu passenden Taten fehlen. Da dachte ich, es sei an der Zeit, dir mal wieder einen Freundlichkeitsbesuch abzustatten.“ Zynisch-kalt lächelte er auf den Kuhhirten herab. „Freundlichkeitsbesuch.“ Angewidert verzog der das Gesicht. „So wie du Dooley einen Höflichkeitsbesucht abgestattet hast?“ hakte der Recke nach und klinkte sich in das Gespräch ein. Der Mord an Colts früherem Mentor war von solcher Grausamkeit, dass es nur zu dem Grünhaarigen passte. Das lag nun auf der Hand. Der hob die Schultern. „Hätte sein Herz halt nicht so auf der Zunge tragen dürfen. Der gute Dooley, “ war die Antwort, bei der Colt am liebsten durch den Bildschirm gesprungen wäre. Saber hielt ihn an den Schultern fest. „Aber, aber, “ ertönte es würdevoll von der anderen Seite der Verbindung. „So viel Aufregung um Dooley. Du wirst einen Herzinfarkt bekommen, wenn ich dir erst sage, dass es wichtigere gibt, als ihn. Wichtigere für dich,“ Er wies auf Fireball, der bisher recht ruhig in Mimik und Gestik, er hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt, war. „und für ihn“, ließ der Outrider-Kommandant die drei wissen „Tatsächlich?“ Es gelang dem Japaner einigermaßen unbeeindruckt die Brauen zu heben. „Oh ja.“ Damit verschwand das fies grinsende Gesicht vom Monitor. Dafür flackerten drei neue Bilder auf. April, Robin und Chily waren zu sehen. Sie saßen alle mit Augenbinden, zusammen gebundenen, angezogenen Füßen und auf den Rücken gefesselten Händen auf dem Steinboden einer dunklen Zelle. Diese Zellen mussten winzig, fenster- und lichtlos sein, denn die Mädchen reagierten auf die Helligkeit einer Lampe neben den Kameras schräg über ihnen und wandten die Köpfe instinktiv in diese Richtung. Der Bildschirm verdunkelte sich. Nur kurz hatten die Jungs sie so gesehen. Aber lange genug um geschockt zu sein. Fireballs Herzschlag hatte einen Moment lang ausgesetzt, als er seine Freundin so gesehen hatte. Sie trug offenkundiger etwas unter ihrem Herzen. Das leichte Bäuchlein war ihm aufgefallen. Aber, die Gefangenschaft, der gefesselte Zustand, die Dunkelheit, der harte Boden … womöglich war es kalt und sie stand Ängste aus … In ihrer momentanen Verfassung ganz sicher nicht gut für sie. Es bedeutete Stress … ein Risiko für das Kind. Ob es ein Junge wurde? Er wollte ihr vorschlagen ihn Race zu nennen. Vielleicht würde es auch eine Tochter. Dann würde sie vielleicht Rachel heißen, oder Charlotte. Auf jeden Fall würde jeder büßen, der dieses Kind in Gefahr brachte, wie diese Phantombirne. Beinahe stießen die Brauen des Rennfahrers zusammen und er funkelte den Boden vor seinen Schuhspitzen düster an. Die Fäuste hatte er nicht mehr in die Hüften gestemmt, er presste sie vor seinem Oberkörper so fest gegeneinander, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dem Scharfschützen ging es kaum anders. Er presste seine Zähne so fest auf einander, dass der Unterkiefer zu schmerzen begann. Bevor er den Schwall unschöner Worte herauslassen konnte, war Jean Claude wieder zu sehen. „Die Bedingungen sind einfach. Mal wieder. Pennyrile wird an uns übertragen. Ihr verschwindet mit den Rothäuten und kriegt euer Weibervolk wieder. Bis morgen früh um sechs habt ihr hoffentlich zugestimmt, sonst Pech gehabt.“ Der Monitor verdunkelte sich endgültig. „Das hat er nicht umsonst getan.“ Colt wollte losstürmen, doch Saber hielt ihn und Fireball, der folgen wollte, an den Armen fest. „Ihr bleibt hier“, erklärte er nüchtern. Er hielt je ein Handgelenk seiner Freunde, die Arme hinter sich gestreckt, so dass sie nun nur seinen Rücken und glücklicherweise nicht sein Gesicht sehen konnten. Der Scharfschütze riss sich heftig los. „Du hast ja ein Rad ab“, fuhr er ihn an. Jetzt drehte sich der Blonde halb zu ihnen um. „Keineswegs. Ihr beide bleibt auf Ramrod …“ begann er, doch ehe er das begründen konnte, musste er der Faust des wütenden Kuhhirten ausweichen. Fireball fuhr dazwischen und hielt den Rasenden von einem weiteren Versuch ab. „Warum?“ fragte er den Recken und zwang sich selbst zur Ruhe. Sachlich bleiben war angebrachter, dass wusste er. „Er gibt uns bis sechs Uhr morgen Zeit. Das bedeutet, vorher kann er die Phantomeinheiten von heute nicht zurück erwarten. Ihr nehmt Ramrod und seht zu, dass ihr diese Versorgungslinie kappen könnt. Ich werde die Mädchen da rausholen. Claude erwartet das nämlich von euch beiden, nicht von mir, “ erläuterte der Schotte mit starrer, undurchschaubarer Miene. Der Rennfahrer nickte verstehend. Genau wie Colt wollte auch er sofort seine Freundin befreien. Doch er musste zugeben, dass er dem Grünhaarigen damit nur in die Hände spielte und sie nur noch mehr in Gefahr bringen würde. Saber war der Einzige, der in einer solchen Situation in der Lage war, Herz und Verstand zu trennen und damit für den Job besser geeignet. Die beiden Hitzköpfe verstanden es besser ihre Wut und Rachegelüste an dem Outrider-Nachschub auszulassen. Deshalb schob der Japaner den schnaubenden und knurrenden Scharfschützen nun in dessen Sattelmodul zurück. „Du hast den Boss gehört“, bemerkte er. „Auf geht es.“ Kaum hatte er den Kuhhirten losgelassen, fuhr der aus dem Sitz wieder hoch. „Dass du sie mir ja an einem Stück wiederbringst“, bellte er dem Säbelschwinger zu. Der nickte knapp. „Verlasst euch drauf“, versprach er und verließ die Brücke. Wenig später düste er mit Nova und Steed aus dem Schiff. Die beiden Hitzköpfe starten. Als er das Material von Dooley gezeigt bekommen hatte, waren darunter auch Pläne über die verschiedenen Schächte gewesen. Seit in Betriebnahme der Minen war jeder noch so kleine Gang dokumentiert. Saber brauchte nicht lange, bis ihm klar wurde, dass der Unterschlupf der Schergen viel näher lag, als ihm lieb war. Es gab drei alte Bergarbeiterlager, Penny 1, Penny 2 und Penny 3, wobei Penny 1 am nächsten an dem Gebiet des Irokesen-Stammes lag und Penny 3 am weitesten weg. Die Robopferde ließ der Recke bei ersterem zurück und glitt mit dem Jetpack durch das Dickicht des nächtlichen Waldes auf das entfernteste Lager zu. Von Jean Claudes Blickpunkt aus, war es einfach perfekt, sich in diesem Quartier aufzuhalten. Er bewegte sich außerhalb der Langhäuser und war vor Entdeckung geschützt. Gleichzeitig war er nah genug an Colt und Chily dran um in ihre Häuser einzudringen, diese zu verwüsten, den Hund zu töten, Nachrichten zu hinterlassen oder Dooley im Auge zu haben um ihn zur rechten Zeit aus dem Weg zu räumen. Penny 3 war dabei die einzige Unterkunft, die über unterirdische Räumlichkeiten verfügte. Dort Licht und Kameras anzubringen und drei wehrlose Frauen einzusperren war also nicht so problematisch. Chily war nun in der Gewalt von Jean Claude. Daran durfte Saber jetzt nicht denken. Wie er vorgehen wollte, musste er überlegen, nicht darüber grübeln, ob sie wohl große Angst hatte. Verdammt, konzentrier dich. Er musste die drei schnell daraus holen. Schließlich wusste er nicht, wie es der werdenden Mutter in dieser Situation ging. Wahrscheinlich war, dass sie den Beistand ihrer Hebamme brauchte. Aber wie sollte er sich Zutritt verschaffen? Er näherte sich dem Zielort und schaltete das Licht an seinem Helm ab, damit es ihn nicht verraten konnte. Dann landete er und setzte den Weg zu Fuß fort. Chily kannte dieses Gebiet sicher wie ihre Westentasche und wusste einen Unterschlupf in dem die Frauen bleiben konnten bis Saber mit Nova und Steed zurück war. Etwas knackte hinter ihm. Er wandte sich um. Nichts. Er schritt weiter, sah noch über seine Schulter und wäre beinahe gegen einen Baum gelaufen. Noch rechtzeitig hatte er sich wieder umgedreht. Bloß gut waren die beiden Sprücheklopfer nicht hier. Reiß dich zusammen, Saber, mahnte er sich und trat an dem Baum vorbei. Die Gebäude des Bergarbeiterlagers zeichneten sich schwach im Dunkel ab. Es schien verlassen und vor allem unbewacht. Konnte das sein? Hatte der grünhaarige Outrider-Kommandant tatsächlich keine Posten hier? Rechnete er so fest damit, dass Colt mit Pauken und Trompeten hier einmarschieren würde und er ihn beim Ausmarsch stoppen konnte? Oder ging er davon aus, dass der Befreiungsversuch unterblieb um das Leben der Frauen, die sich ja nicht selbst retten konnten, nicht zu gefährden? Hatte Jean zu wenig Handlager um diesen Ort unbewacht zu lassen und verließ er sich so sehr auf seinen Bluff, dass er nicht auf Nummer sicher ging? Saber durfte sich von der Ruhe nicht täuschen lassen. Vorsichtig schlich er weiter, hielt sich im Schatten der Baracken. Laut den Plänen befand sich hinter denen das Hospital, welches über drei kleine Kellerräume verfügte. Dorthin schlich er nun und öffnete leise die Tür. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt worden. Das Zimmer war leer. Nur einige Balken, von Staub und Spinnweben überzogen, lagen in einer Ecke. Eine weitere Tür, halb aus den Angeln gehoben, lehnte an der Wand und führte in das Untergeschoss. Leise stieg er die Stufen hinab und schaltete das Licht an seinem Helm wieder ein. Einige Kabel führten an der Wand entlang. Eines ohne Staub, es war offensichtlich erst kürzlich verlegt worden und musste die Verbindung zu den Kameras in den Zellen sein. Kurz entschlossen trennte der Blonde es durch. Chily hatte sich aus ihrer Ecke fortbewegt und saß, wenn ihr Orientierungssinn sie in dieser Dunkelheit nicht völlig im Stich ließ, neben der Tür und unter der Lichtquelle. Sie wollte nicht wieder geblendet werden und … Schritte von draußen. Sie horchte auf. Kam der Typ wieder? Der, der ihr erzählt hatte, dass es ihm Spaß gemacht hatte BooYeah zu töten? Sollte er nur kommen. Wenn es eine Chance gab, sich aus dieser Situation befreien, würde sie sie nutzen oder ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen. Sie lehnte sich zurück, so dass sie sich mit ihren Händen am Boden abstützen und ihre Beine hochheben konnte. Es klappte. Sie setzte die Füße wieder ab. Da war etwas an der Tür. Die Klinke wurde hinunter gedrückt. Jemand trat ein. Stille. Aufmerksam lauschte sie in die Dunkelheit. Da war eine Bewegung. Eine Hand berührte tastend ihre Beine. Jetzt! Sie stützte sich ab und warf ihre Füße in die Luft, versuchte in die Richtung zu zielen aus der die Hand kam. Jemand wich aus und räusperte sich. „Jolene? Ich bin es, nicht treten.“ Sie erkannte die Stimmte. „Manapi?“ Seine Hand berührte sie leicht an der Schulter. „Ich hol euch hier raus“, versprach der Recke. Sie versuchte, so verschnürt wie sie war, zu ihm zu rutschen. „Wo warst du so lange?“ fragte sie, aber ihre Stimme klang erleichtert, nicht vorwurfsvoll. „Ich musste vorher noch zwei Starrköpfe zur Vernunft bringen“, entgegnete er, während er ihre Fesseln löste. „Das ist dir gelungen?“ hakte sie nach. „Klar, ich bin der Held, schon vergessen“, lächelte er leicht und nahm ihr die Augenbinde am. „Du bist mein Manapi.“ Sie fiel ihm um den Hals und schmiegte sich behaglich an ihn. „Und du bist hier.“ Er erwiderte ihre Umarmung kurz, dann besann er sich wieder auf seine Pflicht. „Wir müssen Robin und April finden“, erinnerte er sie. Auch sie mahnte sich. Das war der schlechteste Zeitpunkt für überschwängliche Begrüßungszeremonien. „Sie müssen gleich neben an sein. Ich hab da drüben was gehört.“ Damit versuchte sie aufzustehen. Saber half ihr. „Dann nichts wie los. Uns läuft die Zeit durch die Finger.“ – „Ich fürchte auch.“ Der Blonde zog sie auf den Gang und sah sich kurz um. Gleich neben dem Raum, aus dem er Chily geholt hatte, befand sich noch eine Tür. Vorsichtig öffnete er sie und sah sich um. Im Halbdunkel erkannte er Robin. „Du hast es gleich geschafft, Robin“, machte er sich sofort bemerkbar, bevor wieder nach ihm getreten werden konnte. Zu zweit befreiten sie sie. „Jetzt wird alles gut Number 1“, versicherte die Hebamme, als sie der die Augenbinde abnahm. Durchgefroren und doch ziemlich aufgeregt kam es von der Lehrerin. „Bitte sagt, dass das alles endlich vorbei ist.“ Chily nahm sie in die Arme und wiegte sie sanft tröstend. „Das schlimmste, Schatz, das schlimmste ist vorbei. Wir sind gleich in Sicherheit.“ Der Blonde war schon halb aus der Zelle draußen. Etwas an seinen Bewegungen verriet Colts Jugendfreundin, dass er beunruhigt war. Als sie der Verlobten des Scharfschützen auf die Beine half, warf sie dem Recken einen Blick zu, fragte stumm, was los sei. „Ich glaub, wir bekommen bald Besuch“, antwortete er darauf. „Lasst uns April suchen und dann endlich raus hier.“ Chily und Robin waren nun bei ihm. Sie wies auf eine Tür gegenüber „Da vielleicht?“ Dann wand sie sich an die Lehrerin. „Kannst du allein stehen, Süße?“ Tapfer lächelte diese. „Bin ja nicht aus Glas“, löste sich von der Hebamme und klopfte sich den Staub ab. Mit einem kurzen Nicken fand sich Chily neben dem Schotten an der Tür wieder. „Mach schon auf“, drängte sie besorgt um den Gesundheitszustand der werdenden Mutter. „Drängel nicht so, hab es ja gleich, “ gab der zurück. Hatte aber Unrecht, das Schloss gab nicht nach. „Für sie ist das alles am schlimmsten“, informierte die Geburtshelferin und zog ihre Strickjacke aus. Sie war nicht wie Robin oder April in Schlafkleidung entführt worden, sondern hatte sich aus dem Hotel geschlichen und somit Zeit gehabt sich für wärmendere Kleidung gegen nächtliche Kühle zu entscheiden. „Fireball befördert mich unter die Erde, wenn April was passiert“, stellte der Recke fest und wand sich unsicher an die Kleine neben ihm. „Wie schlimm kann es sein, Chily?“ Die wog schnell ab. Es war kühl hier unten, aber nicht kalt. Auf die Dauer von vierundzwanzig Stunden fror man jedoch dennoch durch, was besonders für Schwangere zur Gefahr werden konnte. „Wir können Glück haben und sie ist noch im Abwehrstadium einer Unterkühlung. Ich muss zu ihr, wenn die Erschöpfung eintritt, verliert sie das Kind, “ entgegnete sie dann und wurde zur Seite geschoben. „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Saber schoss das Schloss auf. Sofort stürmte Chily hinein und tastet April ab. Deren Haut war kalt, sie zittere, ihr Atem ging schnell und der Puls war beschleunigt. Also noch die erste Stufe der Unterkühlung. „Saber, wie kommen wir hier am schnellsten weg?“ – „Steed und Nova, aber die hab ich geparkt.“ Wieso eigentlich? Das Pro und Kontra darauf abzuwiegen ließ ihm die Hebamme keine Zeit. „Hol sie her. Am besten schon gestern. Robin hilf mir. Wir müssen sie wärmen.“ Die Angesprochene war gleich zur Stelle und tat, wie ihr geheißen. Nur der Recke blieb unschlüssig stehen. „Wir sollten zuerst zusehen, dass ihr hier rauskommt. Chily, du kennst die Umgebung hier doch gut. Wo könntet ihr drei euch verstecken, bis ich mit den Pferden wieder da bin?“ wand er ein. Die zögerte nur kurz. Er hatte Recht. Sie mussten hier weg. Wenn die Outrider zurückkämen, säßen sie in der Falle. April würde das Erschöpfungsstadium erreichen und durch die zunehmende Muskelstarre das Kind ganz sicher verlieren. Also antwortete die Hebamme. „Sie sollte jetzt noch nicht aufstehen. Du musst sie tragen.“ Dabei wickelte sie die wimmernde Patientin fester in ihre Strickjacke. „Es wird alles gut, April“, flüsterte der Schotte ihr zu, als er sie vorsichtig auf die Arme hob. „Wir bringen dich und das Kleine heil zu Fireball zurück, versprochen.“ Sie schien es kaum wahrzunehmen, schlug zitternd die Zähne aufeinander. Chily schob Saber aus dem Zimmer, griff nach Robins Hand und drängte ins Freie. „War da oben noch irgendwo ein Sanitätskasten?“ Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Hab keinen gesehen?“ Herzhaft fluchte die Kleine. „Scheiße“ und trieb die Freunde weiter. „Ich hab eine Idee, wohin wir können.“ Hinter ihr meldete die Lehrerin nüchtern. „In manchen Momenten kommen ziemlich viele Ähnlichkeiten zwischen dir und Colt auf.“ Doch sie drückt die Hand der Freundin fester. „Ich bin so froh, dich hier zu haben.“ Kurz wandte sich Chily zu ihr um und grinste ihr aufmunternd zu. „Erzähl mir nix. Colt wär dir lieber.“ Sie hasteten die Treppen hinauf und fanden sich gleich darauf auf dem nächtlich dunklen Hof des Lagers wieder. „Eine Erleuchtung wäre klasse“, bemerkte Chily. „Links am Helm,“ informierte Saber. Sie tastet aufgeregt danach, fand den Knopf nicht gleich und klopfte mit steigender Nervosität auf dem Helm herum. „Da ist noch ein Kopf drin“, erinnerte der Recke sie. Endlich fand sie den Schalter und es ward Licht. „Wohin jetzt?“ Saber war spürte, wie Aprils Zittern immer heftiger wurde. Das Wimmern wuchs zu Stöhnen an. Eile war geboten. Chily sah sich um, prüfte dabei den Pults der Navigatorin und entschied. „Da lang. Schnell.“ Sie rannte voraus, durchs Dickicht, suchte nach der Höhle in der sie und Colt schon genächtigt hatten, die mit dem bemoosten Boden. Das würde wärmer und weicher sein. „Schneller ist nur der New Santa Fe Express, Jolene“, kommentierte der Recke, hielt aber Schritt und achtete darauf, dass April keine Äste ins Gesicht bekam. „Robin, bist du noch da?“ rief die Führerin zurück. „Bei der nächsten Entführung zieh ich mir vorher anderes Schuhwerk an“, keuchte die. Sie hatten den Unterschlupf erreicht. „Weiber“, schimpfte die Hebamme kurz und wies dann sachlich an. „Hilf mir mit April. Nimm ihre Füße.“ Rasch und sanft hoben die beiden Frauen die werdenden Mutter aus den Armen des Blonden und betteten sie auf das Moos. Chily warf ihm noch einen kurzen Blick zu. „Wenn es geht, schau das du irgendwo noch eine Decke oder so was auftreibst.“ – „Gib mir fünf Minuten, und ich bin wieder bei euch.“ Damit verschwand er. „Mach schnell, Saber“, rief Robin ihm nach, sah aber schon kaum noch die Düsen des Jetpacks. Dann richtete sich ihr besorgter Blick auf April. Hoffentlich ging das noch gut. „Bleib hier und reib sie warm. Ich bin auch gleich wieder zurück.“ Die Hebamme erhob sich. „Wo willst du hin?“ fragte die Lehrerin und begann, den Auftrag auszuführen. „Kräuter holen“, erwiderte sie. „Mach dir keine Sorgen“, fügte sie hinzu. Ihre Stimme klang, als gäbe es tatsächlich keinen Grund etwas Schlimmes zu befürchten, als sei das übelste bereits überstanden. Robin glaubte es ihr. Dass in der Hebamme beinahe Panik herrschte, spürte sie nicht und das war gut so. Eine unerfahrene Assistentin, die in Aufregung geriet, war keine Hilfe für Chily. Eilends durchstreifte diese nun den finsteren Wald und rief hastig ihre Erinnerungen ab. Es gab eine Stelle, an der ein süßschmeckendes Kraut wuchs. Zucker war nun wichtig für April. Und etwas Wärmendes. Als sie zurück war, massierte Robin noch immer behutsam Aprils Glieder. Chily fühlte nach dem Puls. „Ruhig atmen, April“, raunte sie ihr zu und biss die Blüten der Pflanze ab, die sie mitgebracht hatte. Dann kaute sie sie vor, öffnete die Lippen ihrer Patientin und flößte ihr den Brei ein. „Ich weiß, es ist eklig, aber runter damit.“ Ein leichter Handgriff löste den Schluckreflex aus. Erstaunt hielt Robin inne und beobachtete, wie Chily über den Bauch der Navigatorin strich und diese sich entspannte. Die psychische Erregung, unter der April litt, ging zurück. Chily war da, strahlte Ruhe aus und wusste, was zu tun war, also würde alles gut. Dann kehrte auch Saber zurück und half der werdenden Mutter auf Novas Rücken. Die Hebamme wich nicht von deren Seite. Der Recke setzte das Frauentrio am Krankenhaus ab. Er wollte noch etwas sagen, aber Chily schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Sorgen. Hilf Colt und Fireball. Wir kommen zurecht.“ Die beiden ahnten überhaupt nichts von den Vorfällen. Dass Saber grad nicht an Board war, nutzte Colt um seine Aufruhr durch Sprüche abzubauen. Das war für ihn die wirkungsvollste Methode und brachte ihn stets auf bessere Gedanke. Mit niemandem ließ sich das besser machen, als mit Fireball. Die Wortgefechte mit ihm, liebte der Cowboy schlichtweg. „Sag mal hast du neuerdings eigentlich Sonderrechte?“ begann er deshalb. „Sonderrechte in Bezug auf was?“ fragte der Rennfahrer zurück. „In Bezug darauf, dem Superschwert eine vor den Latz zu knallen. Du darfst das und mich hältst du davon ab, “ erläuterte der Kuhhirte. Sein kleiner Hombre tat unschuldig. „Tu ich doch gar nicht!“ Der Lockenkopf bedachte ihn mit einem Blick, der verriet, dass er kein Wort glaubte. „Du wolltest ihn nur umbringen.“ – „Nein, das hätte anders ausgesehen“, grinste der Pilot. „Ich wollt ihm nur den Verstand einprügeln.“ Colt verzog amüsiert den Mund. „Und du meinst das kannst du besser als ich?“ Überzeugt nickte der Gefragte. „Du bist immer noch eine degenerierte Großstadtschnauze“, fiel dem Scharfschützen auf. „Besser als ein abgehalfterter Viehhirte ist das allemal“, seufzte der. „Ehrlich Partner, ich würd dem Säbelschwinger in der Beziehung vertrauen.“ Erstaunt hob der jetzt die Brauen. Fireballs Zweifel an dem Recken war noch gar nicht so lange her. „Ach ja. Jetzt doch wieder?“ Unwirsch kam es zurück. „Lass mich halt auch mal einen Ticken reifer werden. Kann ja nicht immer jugendliche achtzehn bleiben.“ – „Stimmt, Daddy.“ – „ Okay, jetzt fühl ich mich steinalt, danke.“ Der Rennfahrer rollte die Augen. „Avec plaisir“, grinste Colt schief. „Ich kann es kaum erwarten, bis diese Mission endlich ein Ende hat“, verkündete der Japaner nach kurzer Stille. „Ich hab das hier auch nicht gewollt“, gab Colt zu. „Aber eins würde mich doch interessieren. Warum hast du dem Oberhelden nicht widersprochen?“ Einsicht war schließlich nicht ihrer beider Stärke. „Vielleicht weil er Recht hat?“ Ein bisschen verständnislos blinzelte der Gefragte zum Scharfschützen rüber. „Ich für meinen Teil wär nicht grade leise in das Versteck der Outrider eingefallen. Wohl eher mit einem Messer zwischen den Zähnen. Und du auch.“ Das stritt der Kuhhirte nicht ab. Die Frage hatte für ihn im Wesentlichen nur einen Sinn gehabt: Wie groß oder klein der Ticken war, um den der werdende Vater gereift war. Colt war zufrieden, jetzt konnte er sticheln. „So wie er an meiner Chily-Schote zu hängen scheint, glaub ich nicht, dass er so sachlich wie sonst daran geht, “ begann er unverfänglich. „Der edle Recke hat sich und seine Emotionen wesentlich besser unter Kontrolle als du oder ich, das ist Mal klar, “ antwortete der Pilot. „Das glaubst du doch wohl selber nicht. Ich wette, ich kann es dir sogar beweisen.“ Dabei musterte er seinen Gesprächspartner aus dem Augenwinkel. „Das will ich sehen. Den Beweis darfst du gerne antreten.“ – „Als er und Chily Patamon gefunden haben, wo war das?“ Der Rennfahrer runzelte die Stirn. „In der Nähe der Scheune?“ Worauf wollte Colt hinaus? „Dann ist der Säbelschwinger doch zu dir gekommen. Sani-Kasten holen, Krankenhaus anrufen. Wie sah er denn da aus? Was hatte er an?“ fuhr der mit seinem Verhör fort. „Auch nicht recht viel anders als sonst. Blaue Hose, weißes Hemd. Keine Jacke allerdings.“ Grüblerisch zerzauste er sich dabei seinen Wuschelkopf nur noch mehr. Trotzdem, Fireball kam nicht darauf, wo der Kuhhirte mit ihm hinwollte. So genau hatte er sich Saber an dem Tag auch nicht an gesehen. Warum auch? „Keine Jacke, he. Und das Hemd? War das zugeknöpft?“ In Colts Gesicht begann sich ein vielsagendes Grinsen abzuzeichnen. „Woher soll ich das wissen? Geht mich ja nix an, was der gute Säbelschwinger in seiner Freizeit so treibt, “ kam es mürrisch zurück, dann hielt der Japaner inne und überdachte seine eigenen Worte. Es dämmerte ihm. „Du meinst...?“ – „Ja, ich meine. Denkst du jetzt immer noch, dass er sich und seine Emotionen wesentlich besser unter Kontrolle hat, als wir, “ erklärte Colt mit dreister werdendem Grinsen. „Zugegeben, das ist mir bisher nicht in den Sinn gekommen. Aber: Säbelschwinger ist der Held, der wird schon keinen Quatsch machen, sonst hätt er sich längst gemeldet, “ zerstreute Fireball das Gesagte. „Wie bist du denn drauf. Das ist dir nicht in den Sinn gekommen? Bist du sicher, dass du April den Bauch dick gemacht hast? Vielleicht war es ja doch ein anderer?“ Die Naivität zu der der Kleine neigen konnte, war doch immer wieder ein Highlight. „Sonst noch Beschwerden im Oberstübchen, oder war das alles?!“ Beinahe konnte Colt im Kreis lachen. „Na hör mal Kleiner, dass ist ja wohl nicht verwunderlich, das ich da Zweifel bekommen, wenn du dir nicht mal denken kannst, was zwischen Mann und Frau so alles laufen kann, “ konterte er munter und freute sich diebisch, dass der Japaner rote Ohren bekam. „Stell dir vor, das weiß ich sogar, “ schnappte der zurück. Prompt stichelte der Kuhhirte. „Kannst du es auch anwenden?“ Das trieb dem erst recht die Schamesröte ins Gesicht. „Was geht dich das jetzt an? Außerdem: Mann und Frau können auch Freunde sein.“ Jetzt lachte Colt laut heraus. „Also doch ein Kuckuckskind.“ – „Wenn du dich noch ein paar Wochen geduldest, kannst du das Gegenteil bestaunen“, parierte Fireball sofort. „Geduld war noch nie meine Stärke“, gestand der Scharfschütze noch immer glucksend. „Spekulier von mir aus was du willst. Du wirst schon sehen, was du davon hast, Kumpel.“ Langsam fand der Hombre das nicht mehr ganz so lustig. „Na das mach ich doch glatt. Ich spekulier mal munter drauf los, dass das Kind von Saber ist, “ krähte der Cowboy heiter. „Wieso nicht gleich von dir? Hast deine Griffel schließlich überall, wie ein Oktopus, “ versetzte der Rennfahrer weiter errötend. „Nein, ich bin ein glücklicher Mann, aber du hast ja selbst festgestellt, dass der Säbelschwinger der einsame Wolf ist. Hat er sich halt seine Beute im falschen Revier geschnappt. Soll vorkommen.“ Lachend schlug sich Colt auf die Schenkel. Es war doch zu herrlich, wie er seinen Freund aufziehen konnte. „Du erwartest doch nicht ernsthaft, dass ich dir das abkaufe?“ Eine wirklich fiese Vorstellung, dass seine April nicht treu war. „Gott, du bist echt grausam, weißt du das?“ – „Nur eine kleine Retourkutsche, Matchbox. Jetzt weißt du, wie ich mich gefühlt hab, als du mich mit Chily aufgezogen hast, “ erklärte der Gefragte munter. Tatsächlich verdunkelte sich die Farbe in dem Gesicht des Piloten noch ein wenig. „Wart nur, bis das alles hier vorbei ist“, warnte der. „Dann wird es dich treffen, aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung. Armleuchter.“ Aber diese Drohung löste nur ein noch lauteres Lachen aus. „Was willst du tun? Dich mit ihr ins Heu verkrümeln? Ich weiß nicht, wer dich dann zu erst killt. Deine April, oder der zu Leben erwachte Boss?“ Jetzt reichte es dem Gepisaktem und er drehte den Spieß kurzerhand um. „Ich dachte eher an Robin als an Chily.“ Colt blieb das Lachen im Halse stecken. „Wohl lebensmüde, was?“ Zufrieden mit dieser Reaktion grinste der Japaner fies. „Ach, ich denke, sie wird mir sehr dankbar sein.“ – „Für die Lachnummer?“ – „Warte, bis sie dir von ihrer Schwangerschaft erzählt“, kam es trocken von dem Zauskopf. Jetzt fiel der Lockige fast aus dem Sitz. „Schwanger? Von so einem Fiasko weiß ich ja gar nichts.“ Das war ja ein ganz übler Scherz. „Naja, “ quälte Fireball weiter, „während deiner Abwesenheit hat sich einiges getan, Viehtreiber.“ Der Kuhhirte sah ihn mit sehr vielen Fragezeichen im Gesicht an. Wollte er sich wirklich vorstellen, dass das wahr war? „Nana, armer, kleiner Viehtreiber. Hättest nicht gedacht, dass du ersetzbar bist, was?“ neckte der Rennfahrer weiter. Das klappte ja noch besser, als er gedacht hatte. Fassungslos wollte Colt wissen. „Ersetzbar? Wer wollte mich denn bitte ersetzen?“ – „Nicht wollte. Du musst fragen, wer dich ersetzt hat, “ stellte der kleine Hombre richtig. Tatsächlich tappte der Cowboy in die Falle. „Wer?“ Fireball konnte sich nur mühsam das Lachen verkneifen, aber den Schlag musste er dem Kameraden einfach rein würgen. „Ach“, meinte er einigermaßen unschuldig. „Du kennst ihn.“ Ungehalten rief der Scharfschütze. „WER?“ – „Der einsame Wolf. Immerhin ist er der Beschützer der Schwachen und im Stich gelassenen.“ Colts Reaktion übertraf noch die kühnsten Erwartungen des Piloten. Er riss die Augen auf, bekam den Mund nicht mehr zu und gab etwas von sich, das wie „Urgs“ klang. Fireball brüllte vor Lachen. „Zu herrlich einfach“, jubelte er. „Ich hätt es für die Nachwelt festhalten sollen.“ Warum war nie ein Fotoapparat da, wenn man einen brauchte? Dem Geschockten fiel wieder ein, dass er atme sollte. „Meine Chily UND meine Robin?“ murmelte er perplex. Ein paar Atemzüge weiter begriff er, dass er gewaltig veralbert worden war. „Fireball, du Luftpumpe, “ knurrte er. „Ich kann nix dafür, dass du auf dem Schlauch stehst, “ lachte der. „Du wärst ja froh, wenn dein Schlauch so lang wär, “ konterte der Kuhhirte. „Dann wär ich genauso ein Rindvieh wie du. Also, nein danke, “ lehnte der Japaner heiter ab. „Auf die Evutionsstufe kommst du eh nie, “ garantierte Colt, meinte allerdings die Evolutionsstufe. „Solche Rückschritte will ich auch nicht machen.“ Mit dem Ergebnis seiner Neckerei war der werdende Vater mehr als zufrieden. „Schalt lieber ein Gang runter, bevor jemand zu einem Tritt an setzt. Dann bleibt euer Spross nämlich ein Einzelkind, “ drohte der Reingefallene nun und irritierte den Freund wieder. „Wer sagt, dass es mehr werden sollten?“ Colts Mundwinkel verzogen sich belustigt. „April vielleicht? Aber wenn du nicht willst, ich übernehm den Job auch gern.“ Wie schnell sich das Blatt doch wenden konnte. „Jetzt mach aber mal halblang. An April legst du deine Grabscherchen ganz bestimmt nicht, solange ich ein Wörtchen mitzureden hab, “ erklärte Fireball kategorisch. In dem Schlagabtausch hatten die beiden nicht bemerkt, dass Saber sie wieder erreicht und sich in den Funkkanal eingeschaltet hatte. Jetzt meldete der sich zu Wort. „Wollt ihr Munition sparen und den Feind zu Tode quatschen?“ – „Tu mir den Gefallen und bring Klebeband mit an Board, Boss, “ bat der Pilot. „Ja, Boss, bring mit. Der Kleine wird unverschämt, “ verlangte auch der Scharfschütze. „Ich tret dich da gleich raus, “ schnappte der augenblicklich. „Aber ohne Schutzanzug!“ Der Recke räusperte sich. „Werd ich mal rein gelassen?“ fragte er. „Oh, ich dachte, dass hätte ich schon.“ Schnell wurde die Rampe geöffnet. „Weil der Komiker mich immer aus dem Konzept bringt.“ Der Blonde kam an Board und nahm schnell in seinem Sattelmodul Platz. „Ja, wie immer sagt der eine Hase zu dem andern: Hast du aber lange Ohren.“ Die beiden mussten sich einfach ständig aufziehen. „Hast du meinen beiden Schönen sicher zuhause abgesetzt?“ wollte Colt wissen. „Sie sind in Sicherheit“, informierte Saber. Es war eine recht diplomatische Antwort, die zumindest auf Robin und Chily zutraf. Über Aprils kritische Situation wollte der Recke lieber noch nichts sagen, um Fireball nicht zu beunruhigen. „Siehst du, Colt. Ich hab dir doch gesagt, auf ihn ist noch immer Verlass, “ ließ der sich vernehmen. „Hast du einmal halt einen Glückstreffer gelandet.“ Der Angesprochene hob die Schultern. „Haha. Wenn Saber sagt, sie sind in Sicherheit, muss ich mir auch keine Sorgen um April und das Baby machen. Nicht wahr, Boss?“ Der Rennfahrer drehte sich zu dem Schotten um, der innerlich auf das Schicksal fluchte. Kurz und schweigend erwiderte er den Blick, sah dann aber auf die Sensoranzeige. „Nein, du musst dir keine Sorgen um April machen, Fire.“ Das war nicht mal gelogen. April war, begleitet von Robin und der Hebamme, im Krankenhaus und damit dort, wo sie im Moment am besten aufgehoben war. Allerdings hatte seine Antwort etwas zu lange gedauert und den Freund der Blondine stutzig werden lassen. „Ähm, bist du sicher?“ – „Ja, keine Angst“, versicherte er hastig. Sogar Colt wunderte sich nun. „Boss, wenn ich es nicht besser wüsste, würd ich sagen, du lügst uns an“, bemerkte er. Ein kurzer Blick des Recken von dem Scharfschützen zum Rennfahrer und wieder zurück genügte, das der begriff, dass leider nicht alles in Ordnung war, aber Fireball nicht aufgeregt werden sollte. „Aber du weißt es besser“, entgegnete der Blonde. „Klar. Bin ja nicht auf den Kopf gefallen, bin ich ja nicht, “ nickte Colt. „Lasst uns zu Ende bringen, was die Outrider und Jean-Claude angefangen haben. Dann sind wir eher wieder bei unseren Frauen,“ schlug Saber vor um das Thema rasch auf die Aufgabe zu lenken, bevor unangenehme Fragen kommen konnten „Ich wart nur noch auf deinen Befehl, Boss,“ sagte Fireball. Der Schotte prüfte die Daten. „Noch warten. Ich hab sie auf den Tastern, aber sie haben noch nicht zum Dimensionssprung angesetzt.“ Leidig verzog der Japaner das Gesicht. „Dann muss ich mir sein Gerede noch länger anhören? Das ist Folter. Unmenschliche Arbeitsbedingungen sind das, “ klagte er. „Das tut mir leid für dich, “ gab Saber zurück. „Mir nicht, “ krähte Colt. „Der wollte mir doch glatt weiß machen, dass du meine Zukünftige vernascht hättest, Boss.“ – „Wer sagt denn, dass ich es nicht getan hätte?“ flachste der Angesprochene um ja nicht wieder auf das vorhergehende Gespräch zu kommen. Dem Kuhhirten entglitten glatt die Gesichtszüge. Wieder riss er die Augen auf, konnte den Mund nicht schließen und weiteratmen. Nur der Laut, den er von sich gab, klang mehr nach einem „Iks“. „Jetzt weiß wenigstens Saber, wovon ich rede, wenn ich jemanden deinen Gesichtsausdruck schilder“, lachte Fireball und zwinkerte dem Recken zu. „Das ist göttlich anzusehen, nicht wahr?“ Der nickte schmunzelnd. „Ja, fast so gut wie meine Zeit mit Robin.“ Tatsächlich öffnete sich Colts Mund noch ein wenig. Er kippte leicht über den Rand Sattelmoduls, schnappte kurz nach Luft und ließ ein „Hijs“ hören. „Wollen wir ihn jetzt noch wissen lassen, wie unsere Zeit mit Chily war?“ fragte der Pilot und die Schadenfreude stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Klar, dass wird er nicht überleben und wir haben noch eine sehr lange, gemeinsame Zukunft vor uns, “ schlug sich Saber endgültig auf dessen Seite. Die beiden Spottdrosseln bedauerten jedoch ernsthaft, keine Kamera dabei zu haben, denn jetzt plumpste der Cowboy auf den Boden neben seinem Sitz. „Jirks“, dass war alles, was von ihm kam. „Hm. Könnte das ein Problem werden, Boss?“ wollte der Japaner wissen und wies auf den Scharfschützen. Der Gefragte wiegte grüblerisch den Kopf. „Wenn wir ihn gemeinsam wieder in seine Satteleinheit wuchten und ihn anschnallen, nicht. Ansonsten könnte er im Falle eines Gefechts ein ziemlich schweres Wurfgeschoss darstellen.“ Er erhob sich und ging zu dem Liegenden. „Setzen wir ihn lieber rein. Ich häng an meinem Genick.“ Auch der Zauskopf stand auf. „Da hast du Recht“, stimmte er zu. „Wiegen tut er ja so einiges. Wo kriegen wir jetzt einen Kran her?“ Ungläubig schüttelte der Blonde den Kopf. „Der hat doch nicht schon wieder zugelegt, oder etwa doch?“ Er musterte Colt. „Robin füttert ihn zu gut und trainieren tut er viel zu wenig. Soviel Hüftgold, “ stellte er trocken fest. „Ja, das Faultier treibt nicht mal Matratzensport. Labert nur drüber, “ tadelte auch Fireball. Endlich brachte Colt den Mund zu. Aber nur kurz, dann ließ sich ein Gegenkonter vernehmen. „Wenigstens weiß ich, wie es gemacht wird. Nicht wie du, Spätzünder!“ Bevor irgendwer noch antworten konnte, hupte der Taster aus Sabers Satteleinheit. Sofort waren sie alle wieder dort, wo sie hingehörten. Aus Spaß wird Ernst und Ernst lernt irgendwann laufen. In dem Fall: Angreifen. Kapitel 9: Oh cry out --------------------- Oh cry out Da waren sie. Die Outrider. Kaum waren sie in diese Dimension gesprungen, wurden die Phantomschwadronen von Ramrod mit einem gebührenden Feuerwerk begrüßt. Die Neckereien an Board waren schlagartig beendet und der Kampf begann. Die Gegner zogen ihre Gruppierung auseinander, nach der alten Regel: fünf Jumper sind ein gefundenes Fressen, einer Munition Verschwendung. Dennoch mussten sie herbe Verluste einstecken. Die, denen es gelang an Ramrod vorbeizuziehen, griffen sofort aus dem Hinterhalt an. Colt wartete gar nicht erst auf den Befehl des Recken, der ohnehin kommen würde, sondern schwang sich aus dem Sitz und startete den Bronco Buster. Kaum hatte Fireball die Rampe geöffnet, schoss der Gleiter heraus und knöpfte sich die Tückischen vor. Dabei flog er so halsbrecherisch wie noch nie zuvor, spielte Katz und Maus mit ihnen und ließ sie an Weltraumgestein zerschellen. Er hätte nicht sagen können wieso, aber in seinem Inneren loderte es auf. Der Schmerz über den Verlust seiner Eltern, die Wut über diesen feigen Mord, die Trauer um Dooley und der Beschützerinstinkt. Diese Banditen wagten es schließlich schon wieder seine Freunde zu bedrohen, den Recken und seine Jolene, sein Traumpaar Fireball und April und vor allem seine Robin. „Colt, als du weg warst, hab ich mir immer solche Sorgen um dich gemacht.“ „Ein Cowboy beim Rodeo braucht einen passenden Hut, Bullet. Obwohl er mir ja besser steht, als dir.“ „Ich sag dir, Maggy, der wird der beste Scharfschütze, den die Welt je gesehen hat. – Aber Scharfschützen kämpfen an vorderster Front. – Das ist ein Willcox. Die sind wie Unkraut.“ „Pallaton, lerne deinen Übermut zu zügeln. Er steht einem guten Krieger nur im Weg.“ „Lässt du dir das von einem Mädchen gefallen?“ –„Taima, du bist ein Dummkopf. Die Mutter seiner zukünftigen Kinder behandelt man mit Respekt. Nicht wahr, Pallaton? Haha.“ „Na, einer muss ja dafür sorgen, dass du nicht größenwahnsinnig wirst. Also, halt die Ohren steif, Kleiner.“ „COLT!!! ACHTUNG!!!“ Zwei Raketen rissen dem Bronco Buster die Tragflächen weg. Ehe der Kuhhirte begriff, wie ihm geschah, stürzte er mit Höchstgeschwindigkeit auf einen Asteroiden zu. Er versuchte zu bremsen. „Fireball, streif ihn. Er hat zu viel Tempo darauf.“ Ramrod düste in die Sturzbahn des Broncos. Der schrammte über die Außenhülle, verlor zwar Geschwindigkeit, krachte aber dennoch heftig auf den Kometen auf. Die Phantomwesen zogen sich zurück, sahen den Recken mit seinem Robopferd auf den Gebruchlandeten zu fliegen und hörten den Buster explodieren. „Saber! Sag, dass er okay ist.“ Fireballs Stimme überschlug sich, verriet nur zu deutlich, die Gefühle des Piloten. Saber ging es nicht anders. Er sah das brennende Wrack des Bronco Busters vor sich und hoffte inständig der Cowboy hätte sich noch retten können. „Saber!“ Panisch gellte der Ruf durch die Funkverbindung. „Ich sehe ihn nicht“, antwortete der Recke düster. Das durfte nicht sein. Er umrundete auf Steed die Überreste und stieg ab. Seine Hand zitterte, als er die Zügel losließ. Das durfte nicht sein! Das war nicht. Durch die Explosion vom Gleiter weggeschleudert, lag Colt vor einer kleinen Felswand. Sie musste den Flug gebremst haben. „Da ist er. Fireball, hörst du mich. Er war nicht mehr drin, “ rief der Schotte. „Wie geht es ihm?“ Der Pilot klang jämmerlich, doch auch in seiner Tonlage schwang ein Funken Hoffnung mit. Wenige Schritte nur, dann war Saber bei dem Scharfschützen. Der rührte sich nicht. „Hol uns an Board.“ Er legte den Körper auf den Rücken des Robopferdes und kehrte zurück. Der Rennfahrer schaltet die höchstmögliche Geschwindigkeit des Autopiloten ein und gab als Zielort T-C-Hospital an. Dann eilte er zum Recken. Der hatte Colt auf die Barre im Sanitätszimmer gelegt und tastete nach dem Aderschlag. „Sag nicht, dass er …“ Fireball stand in der Tür. Seine Augen glänzten feucht. „Schwacher Puls“, antwortete Saber. „Und unregelmäßig. Wir müssen uns beeilen.“ Sie wichen während des Fluges nicht von Colts Seite. Während Fireball nur um das Leben des Freundes bangte, graute dem Recken noch vor weit mehr. Er musste das Chily und Robin beibringen. Außerdem hatte er dem werdenden Vater noch nicht ein Wort von dem Gesundheitszustand seiner Freundin gesagt. Gut, so genau konnte er das auch nicht. Er wusste es nicht. Aber dass sie im Krankenhaus lag, hatte er eben auch nicht gesagt. Saber wusste nicht, was von allem ihm mehr Bauchschmerzen verursachte. Hoffentlich hatte April das Kind nicht verloren. Fireball würde durchdrehen. Verständlicherweise. Sicher sogar noch mehr, wenn der Blonde mit der Nachricht noch länger wartete. Er musste jetzt mit der Sprache rausrücken und wenn der Hitzkopf dafür sorgte, dass der Schwertschwinger neben Colt im Krankenzimmer landete. Verlegen räusperte er sich. „Fireball, ich muss dir was beichten, “ begann er, den Blick auf den Boden gerichtet. „Was?“ Der Angesprochene sah ihn verwundert an. „Es geht um April.“ Saber stand das schlechte Gewissen im Gesicht geschrieben. Der Pilot ahnte nichts Gutes. Seine Miene wurde finster. Was hatte der kühle Blonde jetzt wieder verschwiegen? Gespannte Stille trat ein. Unerträgliche Stille. „Sie liegt mit einer Unterkühlung im Krankenhaus.“ Der glaubte sich verhört zu haben. „Was?“ kam es noch einmal von ihm. Sollte er wütend oder verwirrt sein? „Sie liegt im Krankenhaus“, wiederholte der Blonde und ergänzte. „Chily und Robin sind bei ihr.“ Vielleicht war diese Auskunft tröstlich für den werdenden Vater, immerhin hatte er selbst gesagt, bei der Jugendfreundin des Verletzten wäre sie in guten Händen. Der Japaner mahnte sich zur Ruhe. „Wann wolltest du mit der Sprache rausrücken?“ hakte er nach. Das war eine üble Frage. Der Recke wandte sich ein wenig. „Tja, nach dem Kampf halt.“ Er machte eine unsichere Handbewegung. „Ich wollte nicht, dass du dich vorher aufregst …“ – „Und jetzt ist besser, oder was?“ Fireballs Stimme wurde lauter. „Hätte ich es dir erst im Krankenhaus sagen sollen? Wann bitte ist der beste Zeitpunkt für so eine Nachricht?“ fuhr jetzt auch Saber auf. „Das fragst du mich?“ schnappte der Pilot zurück. „Colt liegt hier im...“ Statt das Wort auszusprechen wies er nur anklagend auf den Kameraden. „und jetzt sagst du mir auch noch, dass April und dem Kind, meinem Kind, was zugestoßen ist!“ Ganz gleich wie sehr der Rennfahrer sich bemühte, ruhig zu bleiben, seine Sorge um April und das Ungeboren wühlten ihn unheimlich auf. Er trat gegen einen der Medizinschränke. Saber schwieg. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte, aber er verstand den Hitzkopf sehr gut. Der begann zu fluchen. „Scheiße, Saber. Das kannst du nicht bringen! Das kannst du einfach nicht machen!“ Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. War er wütend oder hatte er doch mehr Angst? „Warum hast du mir das nicht gleich gesagt? Verdammt!“ Wieder stieß er den Fuß in die metallene Tür des Schränkchens, diesmal konnte man die Delle darin erkennen. „Genau deshalb.“ Der Blonde deutete auf seinen Piloten und das beschädigte Möbelstück. „Wir mussten erst die Outrider abwehren, bevor sie noch mehr Unheil über alle bringen, die mit dem Fall zu tun haben“, rechtfertigte er sich dann. „Weißt du, wie viel Unheil ein Tsunami bringt?“ grollte der Hitzkopf. Dann krachte der kleine Hocker, der unter der Barre stand, neben Sabers Kopf an die Wand. Der zuckte nicht. „Ich platz gleich!“ donnerte Fireball, tigerte einmal um die Barre herum und verließ das Zimmer, bevor der Hocker nicht das einzige blieb, das Flugstunden bekam. Saber folgte ihm, ehe die Tür zu schlug. „Fireball, versuch dich zu beruhigen“, beschwor er ihn. „Ich soll mich beruhigen?“ fuhr der herum und stieß den Recken heftig gegen die Schultern. „Ich? Ich bin ruhig. So ruhig, wie man in dieser beschissenen Situation nur sein kann!“ – „Denkst du mir geht es besser?“ Der Blonde verbarrikadierte sich zwar wieder hinter einer sachlichen Fassade, war aber tatsächlich genauso aufgewühlt, wie sein Freund. „Merkt man aber nix davon, dass du dir Sorgen machst! Solche Sachen verschweigt man ganz einfach nicht.“ Damit stapfte der Pilot in Richtung Brücke. „Ich hab dir gar nichts verschwiegen“, rief Saber ihm nach. Düster funkelte der Japaner über die Schulter zurück. „Nur nicht gleich gesagt, ist ja ein Mordsunterschied!“ Noch einmal versuchte der Schotte den Aufgebrachten zu beruhigen. „Willst du nicht wissen, was Chily sagt?“ hakte er deshalb nach. „Ich kann mir denken, wie es aussieht, wenn du den Mund nicht aufkriegst!“ knurrte der Gefragte und war froh, dass im Augenblick sein Zorn überwog, der war leichter zu ertragen. Aprils Situation musste bedenklich sein, wenn Saber es vorzog lieber gar nichts zusagen. Jetzt murmelte der undeutlich und mehr zu sich selbst „Sie sagt aber, dass die Chancen gut stehen, dass April das Kind nicht verloren hat“ um auch sich selbst wieder zu beruhigen, ehe er zu Colt an die Barre trat. Dass dem werdenden Vater das Herz in die Hose rutschte und er geschockt die Augen aufriss, sah der Blonde nicht mehr. An Fireballs Gehörgang war nur etwas von Chancen und Kind verlieren angekommen. Blass ließ er sich gegen die Wand fallen und zu Boden sinken. Verzweifelt vergrub er sein Gesicht in den Händen. „Verdammt...“ Da war sie wieder, die Sorge um seine Freundin, sein Kind und seinen Kumpel. Er musste zu April, sehen, wie es ihr ging. Schnell. Aber der Autopilot war dafür nicht schnell genug. Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Dann verschwand er auf der Brücke und holte das Maximum an Tempo raus, das Ramrod zu bieten hatte. Wie das Weltall an ihm vorbeiglitt, nahm Fireball auch sonst kaum was wahr. Es schien wie ein Film abzulaufen, dass Saber mit Colt in die Notaufnahme des T-C-Hospitals brachte, wo die beiden schon erwartet wurden. Sofort war ein Pulk von Krankenhauspersonal versammelt, wurden Geräte durch die Gegend geschoben, fielen Türen zu. Der Rennfahrer jedoch hatte nur eines im Kopf: Zu April. Er erkundigte sich nach ihrem Zimmer und stürmte durch die großen, nach Desinfektionsmittel riechenden Gänge. Als er auf der Etage ankam, sah er Chily und Robin im Flur sitzen. Die kleine Hebamme strich beruhigend über die Hand der Lehrerin, der die Aufregung der Ereignisse noch im Gesicht abzulesen war und die sie noch nicht verdaut hatte. Chily schien es mit Fassung zu tragen. Als sie den Rennfahrer sah, stand sie auf. „Hi, Little Daddy.“ Doch der hatte kein Ohr für die liebevoll gemeinte Begrüßung. „Wie geht es ihr? Was ist mit dem Kind?“ sprudelte er hervor und jeder Trottel hätte ihm die Angst in seinen Augen ablesen können. Beruhigend legte Chily ihm die Hände auf die Schultern. „Alles in Ordnung. Sie schläft grad. Es geht beiden gut, “ antwortete sie. Unwirsch wischte Fireball die Hände von seinen Schultern und sah sie skeptisch an. Nachdem der Blonde kaum einen Ton zu dem Thema hervorgebracht hatte, sollte der werdende Vater jetzt allen Ernstes glauben, dass gar nichts war? „Lüg mich ja nicht an!“ las Chily in seiner Miene. „Was?“ entfuhr es ihr überrascht. Er glaubte ihr nicht? „Sag mir die Wahrheit, Chily“, brauste er sie an. Dass er sie nun seinerseits bei an den Oberarmen gegriffen hatte und leicht schüttelte, machte nur allzu offensichtlich, dass er mit den Nerven völlig am Ende war. Als die Schüttelattacke aufhörte, blickte sie ihn nur verständnislos an. Hatte er noch nicht kapiert, dass sie nicht mal lügen konnte, selbst wenn sie es wollte? „Spinnst du? Glaubst du, ich bin eine Märchentante, “ schnappte sie und wiederholte jedes Wort betonend. „Es geht beiden gut. April schläft.“ Dann schüttelte sie den Kopf und fügte milder hinzu. „Sie hat das Kind nicht verloren. Ist alles noch da, wo es war bevor du weg bist. Kind in Bauch von Mama.“ Ein tiefer, erleichterter Seufzer kam ihm über die Lippen. Kurz legte er den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. So ein Glück. „Kann ich …?“ begann er etwas verlegen, wegen seines Ausbruchs. Chily unterdrückte ein Grinsen. „Der Arzt sagt: Nein. Ich sag: Leise.“ Damit öffnete sie die Tür und zwinkerte verschwörerisch. Mit einem dankbaren Nicken schlüpfte er hinein. Die Tür wurde geschlossen. „Der arme Kerl“, murmelte die Hebamme bedauernd. „Er war ziemlich durch den Wind“, stellte Robin fest. „Hat sogar vergessen, dass du nicht lügen kannst.“ Colts Jugendfreundin hob leicht die Schultern. „Krank vor Sorge. Irgendwie süß.“ Einen Augenblick später hallten erneut Schritte über den Gang. Saber kam auf sie zu. Blass, als hätte er einen Geist gesehen, setzte er sich neben Robin. „Was sagt der Arzt?“ – „Alles gut gegangen. Mutter und Kind geht es gut, “ erwiderte Chily und schaute neugierig den Korridor entlang. „Wo hast du Bullet gelassen?“ fragte sie, mit einem flauen Gefühl im Bauch. Weder die Miene des Recken, noch sein Zusammensinken auf die Frage bedeuteten etwas Gutes. „In der Notaufnahme“, murmelte er niedergedrückt. „In der Notaufnahme?“ wiederholte dessen Schulfreundin ungläubig. Robin fuhr alarmiert in die Höhe. „Was ist mit ihm?“ wollte sie wissen. „Colts hat es ziemlich erwischt“, gestand der Gefragte zerknirscht. Er hätte lieber eine anders lautende Mitteilung überbracht. „Die Ärzte kümmern sich um ihn, Robin. Alles wird gut, versprochen, “ versuchte er sie dennoch aufzuheitern. Doch die Lehrerin riss entsetzt die Augen auf. „Was ist passiert?“ Der Blonde presste die Fingerspitzen zusammen und starrte auf den Boden. „Colt ist mit dem Bronco rausgegangen. Er muss einen Moment unaufmerksam gewesen sein. Ein paar Schüsse haben ihn getroffen, er ist abgestürzt, “ berichtet er rau. Kurz hob er den Blick und sah betreten zu Chily. Die Erklärung war nicht gut, wenn auch sachlich. Chily hatte keine Zeit sie auf sich wirken zu lassen. Mit einem „Oh Gott“ war Robin aufgesprungen und wollte zu ihrem Verlobten rennen. Die Hebamme hielt sie fest. „Nicht, Süße, noch nicht, “ mahnte sie sie und strich ihr sanft über den Rücken. „Sie untersuchen ihn doch grad noch.“ Dann sah sie den Recken an. „Wie schlimm ist es?“ fragten ihre Augen. Auch Saber erhob sich und nahm Robins Hand. Steif stand sie da, schluchzte trocken. „Die Ärzte holen uns, wenn wir zu ihm dürfen“, raunte er ihr zu. Seine Augen auf die Jugendfreundin des Scharfschützen bedeuteten „Schlimm“. Beide sprachen es nicht laut aus um die besorgte Braut nicht noch mehr aufzuregen. Aber das schlug fehl. „Ich will jetzt zu ihm.“ Aufgeregt versuchte sie sich aus Chilys Umklammerung zu befreien. Vergeblich. Hartnäckig hielt die Hebamme sie und sie musste ein Einsehen haben. Als sie endlich aufhörte, gegen Colts Jugendfreundin anzukämpfen, ließ diese sie los. In Robin schwang die maßlose Sorge um ihren Liebsten in Zorn um. Sie warf einen düsteren Blick auf Saber und stieß ihm den Finger vor die Brust. „Du hast versprochen, dass du ihn heil zurückbringst“, fauchte die Lehrerin böse. Dem zog sich das Herz zusammen, als hätte Robin ein Messer hineingestoßen. „Verzeih mir“, presste er bedrückt hervor. „Verzeihen?“ schrie die Blondine unbeherrscht. Im nächsten Augenblick klatschte es. Für Chily zu unvermittelt um es verhindern zu können, hatte der Recke den sauberen Abdruck Robins kleiner Hand im Gesicht. Eigentlich hatte der Blonde diese Reaktion vom Rennfahrer erwartet, aber gut. Verdient hatte er es wohl. Er nickte leicht und trat ein wenig zurück. „Komm, Robin.“ Mild legte die kleine Hebamme ihr einen Arm um die Schultern. „Wir schauen nach einem Arzt.“ Damit führte sie sie fort. Bat Saber mit Blicken noch, auf sie zu warten, dann verließen sie den Gang. Etwas Valium würde wohl gut tun. Robins Nerven lagen blank und Chily konnte sie mit ihrer Angst sehr gut verstehen. Die Ohrfeige hielt sie aber nicht für gerechtfertigt. Der Recke hatte den beiden Frauen nachgeschaut, bis die Stationstür hinter ihnen zufiel und er sie nicht mehr sah. Dann lehnte er sich gegen die Wand und ließ sich zu Boden rutschen. „Warum nur?“ So fand Chily ihn vor, als sie etwa eine Viertelstunde später auf leisen Sohlen zurückkam. Behutsam legte sie ihm die Hand auf die Schulter. „Manapi?“ Er zuckte zusammen. „Ich hab dich nicht so früh zurück erwartet.“ Er hatte überhaupt keine Ahnung, wie lange sie weg war. Außerdem Gefühl, dass alles außer Kontrolle geriet, hatte er keins mehr und nur stumpfsinnig vor sich hin gestarrt. „Eine Schwester hat Robin erst mal was zur Beruhigung geben. Sie meint, ich kann sie kurz allein lassen. Sie will bei Colt bleiben, “ erklärte die Hebamme. Er nickte nur niedergeschmettert. Sie hockte sich vor ihn und schlang ihm die Arme um den Hals. „Sie ist nur besorgt. Nimm es dir nicht so zu Herzen. Du hast sicher getan, was du konntest, “ versuchte sie ihn zu trösten. Er zog sie seinerseits zu sich. Dass sie hier war, tat ihm gut. „Wenn es nur das wäre, “ entgegnete er unbestimmt „Was ist es noch?“ bohrte sie nach. „Sorge um April? Ärger mit Fireball?“ Er ergänzte: „Angst um dich.“ Sie sah ihn verwundert an. „Um mich? Warum?“ – „Auch dir hätte was zustoßen können“, murmelte er. Das wollte er sich lieber nicht vorstellen. „Der Tag war hart an der Grenze.“ Sie hob leicht sein Kinn. „Was soll mir passieren, wenn mein Manapi auf mich aufpasst?“ Aber ihr aufmunterndes Lächeln hatte nicht die erhoffte Wirkung. „Das gleiche wie Colt?“ gab er zurück und spürte einen dicken Kloß im Hals. Sie schmiegte sich ganz behaglich nah an ihn und kraulte ihm liebevoll den Nacken. „Jetzt hör mir bitte gut zu. Dass April beinahe ihr Kind verloren hätte, ist Schuld, oder Verantwortung, des Entführers. Fireball wäre so oder so durchgedreht. Egal, wer es ihm wann wie gesagt hätte. Colt ist am Leben. Er mag im Koma liegen, aber er lebt. Wenn er da draußen durch die Gegend kurvt, Outrider jagt und mit seinen Gedanken woanders ist – und nur so kann es gewesen sein – dann ist das auch nicht deine Schuld. Robin konnte ihre Sorge nur an dir auslassen, weil du grad da warst. Bullet wird sich ins Koma wünschen, wenn er erst wach ist. Du“ Sie zupfte neckisch an seinem Hemd. „kannst nicht immer überall sein und dich schützend vor jeden stellen. Du bist kein Zauberer. Nur ein Mensch und ein ganz wirklich wunderbarer, weil du dir Sorgen um deine Freunde machst und für das lebst, was du tust. Menschen wie dich sollte es viel mehr geben. Also fang bitte gar nicht erst an, dir Vorwürfe zu machen oder die Schuld bei dir zu suchen. Das ist Unsinn. Wenn irgendwer Schuld hat, an dem was passiert ist, dann der, der uns allen wegen so komischem Zeug wie Alkalit, einem Haufen blöder Steine, das Leben zur Hölle macht. Nur der und niemand sonst, vor allem nicht du.“ Er lehnte den Kopf gegen die Wand. „Und davon bist du überzeugt?“ ließ er sich leicht seufzend vernehmen. „Natürlich.“ Chily löste sich leicht von ihm und sah ihm ins Gesicht. „Ich meine, jetzt mal ernsthaft, wir beide kennen Bullet. Bei seinem Temperament und seiner Risikofreude ist es schon einigermaßen verwunderlich, dass bis jetzt überhaupt überlebt hat.“ Dann schlug sie die Augen nieder und fügte leise hinzu. „Der Idiot.“ Widerwillen musste der Recke nun doch lächeln. Irgendwie wirkte sie dabei recht niedlich. „Was für eine Erkenntnis“, bemerkte er. Sie musterte ihn. Er lächelte, das war gut. „Hätte ich gewusst, dass ich Colt nur als Idiot bezeichnen brauch, hätte ich mir die Predigt grad gespart“, grinste sie zurück. „Du hast mir bis eben nichts gesagt, was ich nicht ohnehin gewusst hab“, entgegnete er. „Es klingt nur besser, wenn es von jemand anderem kommt, als wenn man es sich selbst einredet.“ Schön, wenigstens hatte sie sich nicht um sonst den Mund fusselig geredet. Sacht stupste sie mit ihrer Nasenspitze gegen seine. „Vor allem, wenn ich es bin. Du Angeber.“ –„Angeber?“ Er stupste zurück. Die Ablenkung tat ihm genauso gut, wie ihr Zuspruch zuvor. „Was sonst?“ gab sie zurück. „Menschen, wie dich sollte es noch mehr geben“, erklärte sie überspitzten bewundernd. „Weiß ich doch, ich bin halt toll“, fügte sie genauso übertrieben überzeugt hinzu. Er zwinkerte scherzend. „Du bist die Beste.“ Sie tat bescheiden, senkte den Blick und hauchte gespielt scheu. „Danke.“ Dabei hatte sie Mühe, sich das grinsen zu verkneifen. Saber zog sie näher an sich. „Immer wieder gerne.“ Er hatte gemeint, was er gesagt hatte und hatte sie gleichzeitig necken können. „Ich hoffe, du hast gut aufgepasst. Wenn ich das nächste Mal eine Lobeshymne auf dich trällere, hast du gefälligst so zu reagieren, “ kicherte sie. „Kannst du für die Lobeshymne das nächste Mal auch Robin und Fireball begeistern?“ lächelte er leicht. Langsam fühlte er sich wieder besser. „Mit viel Glück kann ich sie vielleicht zu einer Cheeleadernummer überreden“, meinte sie munter, froh darüber, dass sie es geschaffte hatte, ihn aufzuheitern. „Das will ich dann sehen.“ Das wollte er wirklich. Die Vorstellung, was Fireball für eine Figur weiß-rosa Cheerleaderdress mit Pompoms abgab, fand er total amüsant. Sein Grinsen wurde breit. „Ich versprech dir nix“, erwiderte sie und hob mahnend den Finger. „Und wehe dir, du hast dann nicht nur Augen für mich.“ Oha, leichter Anflug von Eifersucht. „Aber du versuchst es, oder? “ gluckste er. „Vielleicht. Erst mal versuch ich das.“ Damit beugte sie sich noch näher zu ihm und gab ihm einen liebevollen Kuss. Er erwiderte ihn zärtlich „Das ist schon ganz gut“, murmelte er. Ihre Hände glitten von seinem Nacken über seine Schultern und seinen Oberkörper. „Ganz gut? Nur?“ hakte sie nach und wiederholte die Zärtlichkeit gleich noch mal. Das konnte sie schließlich zärtlicher. „Es wird von mal zu mal besser“, lobte er und strich ihr mit seinen Händen über den Rücken. „Nobody is perfect“, flüsterte sie und verschloss ihm den Mund mit einem sehr langen, sanften Kuss. „I am Nobody“, fügte sie dann hinzu. „Und nobody kann das hier übersehen.“ Schlagartig fuhren die Schmusenden auseinander und sahen sich um. Mit einem schiefen Grinsen schloss Fireball die Tür hinter sich. „Was für ein Timing. Echt. Jedesmal stört wer, “ beschwerte sich die Hebamme, konnte aber nicht verhindern, dass sie knallrot anlief. Tatsächlich waren sie und Saber immer gestört worden. Andererseits, der Krankenhauskorridor war nicht wirklich ein geeigneter Ort zum turteln und es war dann doch noch angenehmer von dem Rennfahrer, der mal nach Colt sehen wollte, überrascht zu werden, als von einer Krankenschwester oder einem Arzt. Der Störenfried nahm auf einem der Besucherstühle Platz. „Dann solltet ihr euch um ein verschließbares Zimmer kümmern“, schlug er scherzend vor, wurde aber gleich darauf ernst. „Wie steht es um Colt, Superschwert?“ wollte er dann besorgt wissen. Der Recke erhob sich ebenfalls und räusperte sich verlegen. „Ich weiß es noch nicht. Robin ist bei ihm, “ entgegnete er. Das Räuspern konnte der werdende Vater deuten und stand wieder auf. „Dann guck ich mal nach den beiden.“ Er wandte sich zum gehen. „Tu das. Sag uns dann Bescheid.“ Saber trat einen Schritt auf Chily zu. Der Japaner nickte und warf dem Blonden einen aufrichtenden Blick zu. „Unser Unkraut wird schon nicht vergehen, Säbelschwinger. Wir hätten nicht anders handeln können. Wir stehen das durch, als Freunde, “ sagte er dann. Er hatte das Gefühl, es war wichtig, dass Saber dies nicht nur von Chily hörte. Der war sehr erstaunt. „Als Freunde?“ wiederholte er. Das hatte er schon ewig nicht mehr von Fireball gehört. Der grinste verlegen. „Ja, oder so was in der Art halt.“ – „Aha.“ Also als Kollegen. Das war schließlich nicht dasselbe. Chily hatte verstanden, dass der Japaner nur seine Verlegenheit herunterspielte. Sie stupfte ihn an. „Jetzt sag ihm schon, dass du nicht so gemeint hast, was immer du auch gesagt hast“, forderte sie ihn auf. Der hob prompt die Schultern und zog beschämt den Kopf ein. „Du kennst mich ja, Säbelschwinger. Vielleicht hätte der Hocker nicht sein müssen. Ich hab es nicht so gemeint. Da ist wohl der Hitzkopf wieder mal durchgekommen, “ entschuldigte er sich. Die Hebamme riss die Augen auf. „Hocker?“ Auf so etwas wäre sie im Leben nicht gekommen. Sie boxte Fireball auf den Arm, was ihr mal wieder mehr weh tat, als ihm. „Böser Papa“, tadelte sie. „Er hat ihn ja eh nicht an den Kopf gekriegt“, versuchte der Japaner zu verharmlosen. Es war ihm mehr als unangenehm. „Er hat Recht, Chily“, bestätigte Saber trocken. „Es war noch ein ganzer Zentimeter Platz.“ Prompt boxte die kleine Hebamme ihm noch etwas fester auf den Arm. „Ganz böser Papa.“ Was machte der denn mit ihrem Manapi, wenn sie nicht da war? Da sie dummerweise mit dem was sie sagte, recht hatte, zog der Pilot den taktischen Rückzug vor. „Ich geh dann mal, bevor ich mich neben Colt legen kann.“ Chily wartete noch, bis er nicht mehr zusehen war, dann schmiegte sie sich wieder an Saber. „Und von dem willst du eine Cheerleadereinlage sehen? Der haut dir doch die Pompoms um die Ohren.“ Sie schlang ihm die Arme um die Taille. Der Recke lächelte. „Nein, der hetzt mir Robin auf den Hals“, bemerkte er. „Und davor hast du Angst? Oder?“ wollte sie wissen. „Sollte Colt etwas davon behalten, dann ja“, gestand er. „Und sonst beruhigt sie sich hoffentlich wieder.“ Die Art, wie er das sagte, verriet, dass er die Lehrerin vollkommen verstehen konnte. Etwas davon behalten – oh man. Die Jugendfreundin des Scharfschützen schlug die Augen nieder. „Tja, wer weiß“, murmelte sie. Genau daran hatte sie lieber nicht denken wollen. Saber legte ihr sanft die Finger unters Kinn und hob es leicht. „Es wird alles gut, das weiß ich“, versicherte er ihr. „Hm. Auf einmal? Woher nimmst du nur diese Überzeugung?“ versuchte sie zu spötteln, aber es schimmerte dennoch durch, dass sie am liebsten einfach nur zusammen gesunken wäre. „Du färbst ab.“ Der Schotte glitt mit seinen Armen an ihrer Taille vorbei und ließ sie dann auf den Rücken wandern. Sollte sie zusammenbrechen, würde sie nicht fallen, sondern hätte er sie gleich sicher. „Und ich kenne Colt. Der lässt sich doch nicht einfach vom Himmel schießen, “ fügte er hinzu. „Hoffentlich.“ Sie drückte den Kopf gegen seine Schulter, fühlte sich beschützt. „Hoffentlich.“ – „Ganz sicher.“ Streichelnd fuhr er ihr über den Rücken und hielt sie noch so, als Fireball zurück kehrte. Gemeinsam kehrten sie zu Chilys Ranch zurück. Gern wäre der Rennfahrer bei April geblieben, aber er hörte auf die Hebamme, die ihn mahnte, es sich nicht mit den Ärzten zu verscherzen. Wenn es nach denen gegangen wäre, hätte er überhaupt nicht zu ihr gedurft. Auf ein Abendessen hatte niemand Appetit. So saßen sie im Wohnzimmer, Fireball auf einem Sessel, Saber und Chily auf dem Sofa, wobei sie ihre Beine auf den Sitz gelegt hatte. Der Japaner schilderte ihnen den Stand der Dinge bei Colt. Der Scharfschütze hatte mehr Glück als Verstand gehabt. Der Schutzanzug hatte das schlimmste verhütet, dennoch hatte es für ein Schädelhirntrauma gereicht. Das rechte Handgelenk, der Unterarm und das Schlüsselbein waren gebrochen, als er versucht hatte, den Aufprall am Felsen abzufangen. Das gleiche galt für seinen Knöchel, das Schienbein und das Knie. Darüber hinaus hatte er unzählige Prellungen. April war nur kurz wach gewesen, hatte sonst geschlafen, während der Japaner bei ihr war. Die ganzen Ereignisse hatten sie erschöpft und ihr Körper hatte nach Ruhe verlangt. Ähnlich ging es Chily. Sie schlief während des Gespräches ein. Robin war über Nacht bei Colt geblieben. Nichts hätte sie von ihm weg bekommen. Sie wachte über ihn, tupfte ihm immer wieder den Schweiß von der Stirn, da er stark fieberte und war dachte nicht eine Minute lang an Schlaf. Sie verließ das Zimmer erst am nächsten Morgen, als der Arzt mit zwei Pflegern eintrat. Auf dem Gang ausharrend sah sie Fireball, Saber und Chily auf sich zu kommen. Die Begrüßung bestand aus einem teils frostigen, teils bedrückten Kopfnicken. Keiner wusste so recht, was er sagen sollte. Der Arzt verließ das Zimmer. Weil die Lehrerin nicht eintrat, warteten auch die anderen drei. Einige Minuten später traten auch die Pfleger heraus. „Oh man, so was hab ich auch noch nicht gesehen“, murmelte der erste dabei widerstrebend. Der zweite sah das etwas weniger gravierend. „Ja, der hat so viel Metall im Körper, dass sie ihn auf dem Schrottplatz entsorgen müssen“, entgegnete er. Fassungslos über so viel Taktlosigkeit tippte Chily ihm auf die Schulter. Er drehte sich zu ihr um und hatte ihm nächsten Moment ihre Faust auf der Nase. Das Riechorgan begann zu bluten. „Arschloch,“ kommentierte Robin. „Hör mal, Kumpel. Noch so ein Spruch und du darfst dir den Krieg aus der Nähe ansehen. An vorderster Front sozusagen, “ versprach Fireball. „Nur, wenn ich ihm nicht vorher die Augen auskratze, “ grollte die Hebamme. Colts Braut nickte düster. „Oder ich.“ Saber machte sich bemerkbar. „Ladies, bitte. Ich bin mir sicher, die beiden Herren hier haben noch nicht sehr viel Erfahrung mit dem Krieg und seinen Folgen gemacht, “ versuchte er zu vermitteln. „Ein bisschen mehr Taktgefühl könnte Ihnen nicht schaden, “ bemerkte er dann mit einem tadelnden Blick auf die Krankenpfleger. Der eine hielt sich die Nase, räusperte sich verlegen und stammelte: „Ähm, sollte nur ein Witz sein. Manche von uns haben einen kühleren Sinn für Humor.“ Sein Kollege schleifte ihn fort. „Wir müssen weiter“, meinte er und floh aus der peinlichen Situation „Ich hab einen guten Sinn für Humor, aber das ist absolut nicht witzig“, rief Fireball ihnen nach und wandte sich dann an den Recken. „Boss, ich weiß nicht genau, aber vielleicht sollten wir uns sparen, die zwei zu retten, wenn die Outrider bis hier her vordringen sollten. Scheint mir ohnehin Zeitverschwendung zu sein.“ Mit einem bösen Seitenblick auf den Blonden grollte Robin: „Er hat das Problem doch eher, wenn es darum geht, jemanden zu retten.“ Verwirrt schaute der Rennfahrer erst zu ihr, dann zu dem Recken, der die Lippen aufeinander presste. Sie war also immer noch wütend auf ihn. „Das ist nicht wahr, Robin“, nahm Fireball ihn in Schutz. „Und das weißt du.“ Sofort schnappte sie. „Klar. Genau deshalb liegt Colt jetzt ja hier.“ Anklagend deutete sie dabei auf die Zimmertür. Saber schluckte. „Das ist nicht Sabers Schuld. Genau genommen hat niemand hier Schuld, dass Colt ein Schläfchen halten muss. Wenn du schon sauer und wütend bist, dann sei es auf die Outrider, aber nicht auf einen von uns, “ versuchte der Rennfahrer erneut und etwas unbeholfen zu vermitteln. „Oh bitte, als ob es nur das wäre. Nicht nur, dass fast Colts komplette rechte Körperhälfte gebrochen ist, “ versetzte die Lehrerin, „der, da“ Sie wies auf den Recken. „ist sich auch noch zu fein, sich mal nach Colt zu erkundigen. Oder wo war er gestern, als du hier warst?“ Chily nahm dessen Hand und drückte sie leicht. Zwar war ihr klar, dass der Zorn der Lehrerin nur überdeckte Sorge war, aber sie wusste auch, dass Saber sich getroffen fühlte, weil er glaubte, nicht richtig auf den Scharfschützen Acht gegeben zu haben. Fireball erwies sich als guter Freund. Wieder schlug er sich auf die Seite des Blonden. „Robin, ich weiß, dass du wütend bist. Aber wie schon gesagt, du bist auf den falschen wütend.“ Innerlich war er froh, dass sie nichts von dem fliegenden Hocker wusste, sonst hätte er sich mit dieser Aussage recht lächerlich gemacht. „Weshalb fragst du mich nicht, wo ich gestern war, als Colt in der Notaufnahme gelandet ist? Das wär dasselbe. Herrgott, Robin!“ fuhr er leidenschaftlich fort. „Weder der Säbelschwinger noch ich können rund um die Uhr da sein. Also bitte reiß dich zusammen, es ist auch ohne deine Schuldzuweisungen für uns alle hart genug.“ – „Du musst mir was von zusammenreißen erzählen. Wer hat denn gestern Chily durchgeschüttelt. Ich hab genau das gleiche Recht mir Sorgen zu machen wie du, “ konterte die Angesprochene unbeeindruckt. „Hört bitte auf, ihr zwei.“ Saber konnte den Schlagabtausch nicht länger ertragen. Fester drückte er die Hand der Hebamme und atmete tief durch. „Genau“, bekräftigte diese. „Es reicht. Das hilft hier grad niemanden.“ Dann wandte sie sich an den Schotten. „Schauen wir mal nach ihm?“ Der nickte und folgte ihr ins Zimmer. Wie Fireball den beiden so nachsah, ging ihm endgültig auf, wovon Colt, wenn auch im Scherz gesprochen hatte. Natürlich gehörten sie zusammen. Wieso hatte er das nicht eher begriffen? „Dein Zukünftiger packt das schon, auch ohne deine Schuldzuweisungen, Robin.“ Damit ging er den beiden nach. „Zukünftiger?“ murmelte sie leise. Was für eine Zukunft? „Das da ist eure Schuld“, rief sie ihnen nach. „Warum habt ihr nicht besser auf ihn aufgepasst?“ Das traf beide Männer empfindlich. „Wir haben getan, was wir konnten“, gab Fireball zurück. „Das sieht man. Tolle Freunde. Wirklich.“ Dieses Statement der Braut war für Chily, bei allem Verständnis, zu viel. Sie fegte aus dem Zimmer und fuhr die Lehrerin an. „Jetzt hör endlich auf. Wir haben alle Angst um ihn.“ Der Japaner schloss die Tür. Vielleicht schaffte Colts kleine Schulfreundin es ja, die Lehrerin zu beruhigen. „Wenn Colt das sehen könnte, er würde seine Robin vom Fleck weg heiraten. Sie kämpft wie eine Löwin um ihn. Blöd nur, dass sie gegen die falschen kämpft, “ stellte er fest und klopfte Saber, der auf einem Stuhl neben dem Bett Platz genommen hatte, tröstend auf die Schulter. Der nickte. „Ja. So hart es für uns ist. Er würde sie umso mehr lieben.“ Dann warf er einen Blick zur Tür. „Hältst du es für gesund die beiden allein zu lassen?“ Der Gefragte hob die Schultern. „Ich halt es für gesünder, dich räumlich von Robin zu trennen.“ Er schaute auf den Scharfschützen und musterte ihn. Der sah gar nicht gut aus. „Der zähe Brocken da wird wieder, da bin ich mir ganz sicher“, redete Fireball sich selbst und Saber ein. „Ja, er kämpft. Hat er immer, “ bestätigte der und hoffte, dass er sich nicht irrte. Draußen funkelte Chily die Lehrerin an. So angefahren zu werden, hatte diese ernüchtert und Platz für die eigentliche Angst gemacht. „Ich hatte von Colt kaum etwas und jetzt nimmt man ihn mir schon wieder weg“, flüstert e sie nun. Tränen glitzerten in ihren Augen. „Ich weiß“, antwortete die Hebamme jetzt ruhiger. „Aber du kennst ihn doch. So lange er noch nicht wirklich“ Sie schluckte das Wort hinunter. „so lange kämpft er. Ich möchte fast wetten, dass er als letztes an dich gedacht hat, bevor er das Bewusst sein verloren hat, “ erklärte sie tröstend. Matt plumpste Robin auf einen Stuhl neben der Tür. „Ich möchte doch nicht viel von meinem Leben. Ich wollte nur mit Colt zusammen alt werden und glücklich, “ sagte sie hilflos. „Aber das Glück hält nicht lange.“ Jetzt bahnten sich die Tränen ihren Weg. „Ich hab solche Angst um Colt. Er darf nicht sterben. Das darf er mir nicht antun.“ Sofort hockte Chily vor ihr, nahm sie in die Arme und strich ihr sanft über den Rücken. „Das wird er nicht. Dazu liebt er dich viel zu sehr. Ihr werdet noch hundert Jahre alt und das Neue Grenzland mit lauter kleinen Bullets bevölkern. Und ganz vielen Number 1s, “ versprach sie und wiegte die Unglückliche leicht. Die drückte sich an die Freundin. „Ich will ihn nicht verlieren!“ – „Sch.“ Chily umschloss sie fester. „Keiner will das. Und deshalb wird es auch nicht passieren.“ Mehr als ein tränenersticktes „Oh Chily“ brachte Robin nicht mehr heraus. Sie heulte sich ihren Kummer von der Seele und die Jugendfreundin des Scharfschützen war da um sie zu halten. Wie lange sie so zusammenhockten, hätten sie nicht sagen können. Mit einem scheuen „Hey“ machten sich die Jungs bemerkbar, als sie das Krankenzimmer wieder verließen. Die Hebamme nickte ihnen leicht zu. „Hey“, schniefte Robin kleinlaut. „Meint ihr, ich kann euch drei hier allein lassen und auch mal zu Colt gehen?“ fragte Chily vorsichtig. „Klar“, meinte der Recke und kratzte sich am Ohr. „Wird schon nichts passieren.“ So verschwand sie zu ihrem „Bullet“. Fireball und Saber setzten sich zu dessen trauriger Zukünftigen. Die schniefte erneut auf. Saber nahm sie in den Arm und sie hielt sich an ihm fest. Der Japaner reichte ihr ein Taschentuch und strich ihr leicht übers Haar. Hilflose Gesten aufrichtigen Mitgefühls. Niemand musste etwas sagen. Dass die Jungs nun für sie da waren, sagte Robin mehr, als tausend Worte. Sie war nicht allein. Die Tür von Colts Zimmer blieb nicht lange geschlossen. Chily trat aus dem Raum und eilte an ihnen vorbei. Verwundert blicken sich die drei an. Der Recke schob Robin leicht zum Rennfahrer und folgte ihr. Chily floh aus dem Krankenhaus, in den angrenzenden Park und dessen entlegenste Ecke. Der Schotte hatte Mühe ihr zu folgen. Sie rannte, als wäre der Teufel hinter ihr her. Chily verließ den Weg, lief über den Rasen, stolperte, sackte in die Knie und ließ sich rittlings ins Gras fallen. Kaum lag sie, stieß sie einen mörderischen Schrei aus. Alle Sorgen, alle Ängste, alle Trauer und alle Verzweiflung lagen darin. Wie ein Fass hatte sie alles aufgenommen. Jetzt konnte sie nicht mehr und brüllte es sich vom Herzen. Colt so zu sehen, mit den ganzen Nadeln und Schläuchen, so blass und regungslos, ein Schatten seiner selbst – es war zu viel gewesen. Der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte. Das alles sollte nur enden. Aufhören. Wenn es doch nur vorbei wäre. Jemand riss sie hoch und zog sie heftig in seine Arme. Chily öffnete die Augen. Saber kniete neben ihr. Sie spürte, dass er zitterte. Krampfhaft hielt er sie fest. „Du tust mir weh“, presste sie hervor. Er lockerte die Umarmung. „Was…?“ setzte er behutsam an. „Sag es bitte den anderen nicht“, unterbrach sie ihn und legte ihm die Hand auf die Lippen. „Es ist alles wieder in Ordnung. Ganz bestimmt, “ versicherte sie auf seine besorgte Miene. „Schon okay.“ Er nahm ihre Hand von seinem Mund und hielt sie fest. „Es ist in Ordnung, Jolene. Du darfst Angst haben.“ Sie lächelte verlegen. Dass er das gesehen hatte, war ihr etwas unangenehm. „Manchmal kann ich das nicht anders. Da muss es so raus, “ erklärte sie leise. „Besser so, als gar nicht. Das wäre das Schlechteste.“ Er nahm sie wieder in den Arm. „Du bist nicht alleine, Jolene.“ Sie hielt sich an ihm fest. „Ich weiß. Und das tut so gut.“ – „Mir tut es auch gut“, flüstere er zurück. Erneut löste sie sich von ihm und musterte ihn kurz. „Ich wusste doch, du vermisst uns Frauen.“ Jetzt war es an ihm scheu zu lächeln. Wieder hatte sie ihn durchschaut. „Das war nicht das Thema.“ Sie grinste entschuldigend: „Ich weiß. Aber das musste jetzt auch raus.“ Saber schmunzelte breit. „Dann muss der jetzt aber auch raus. Ich hab eigentlich nur eine Frau vermisst.“ Prompt riss sie die Augen auf. „Oha? Heißt die etwa Sincia?“ fragte sie und verriet, dass ihr die Sache immer noch nicht behagte. „Ähm, “ räusperte er sich „eigentlich heißt sie Jolene Adams.“ Sie tat böse. „Wo wohnt das Miststück?“ Dann grinste sie fröhlich. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein fieses Grinsen ab. „Wenn ich sie überreden kann, bald in Yuma.“ Damit hatte Chily überhaupt nicht gerechnet. Meinte er das ernst? Der Kiefer klappte ihr ungläubig auf. „Wie meinen?“ – „Ich hätte dich gerne bei mir, mehr nicht“, entgegnete er schlicht. Ihre Miene wurde unsicher, was ihn aus dem Konzept brachte. „Nicht gut?“ Das schöne Gefühl in ihm verabschiedete sich postwendend. „Ähm“, räusperte sie sich. „Ich ... also. Wie jetzt?“ Wo waren die passenden Worte, wenn man sie brauchte? „Jolene, ich mag dich wirklich“, versuchte er sich zu erklären. „Ich... ich möchte dich bei mir wissen.“ Der Ansatz war leider nicht ganz so gut. „Du magst mich?“ hakte die Hebamme nach. „Ja, sehr sogar“, gab er zu. Jetzt von Liebe zu sprechen wagte er nicht. Er fürchte, ihre begrenzte Begeisterung würde eine Abfuhr bedeuten. „Hör mal, Saber. Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll. Ich hatte immer meine eigene Wohnung, war immer frei. Ich hab noch nie bei meinem Partner gewohnt.“ Bei dieser Erläuterung ließ sie ihn nicht aus den Augen und er ließ sie augenblicklich los. „Ich wollte dich nicht einsperren, bestimmt nicht. Ich dachte nur, es wäre richtig.“ Sie streckte die Hand nach seiner Wange aus. „Das wollte ich dir auch gar nicht unterstellen. Es ist nur so, dass es sich seltsam anfühlt, “ rechtfertigte sie sich. „Was heißt das jetzt für mich?“ wollte er wissen, sah sie aber nicht ab. „Dass du sehr viel Verständnis für mich brauchst. Ich war noch nie so weit. Ich war noch nie bereit dafür.“ Ihre Hand sank wieder zurück. Es schien nicht so, als wäre es ihm recht, wenn sie ihn berührte. „Ich hab Verständnis, für alles und jeden. Aber wenn du nicht willst, dann vergisst meine Frage bitte wieder. Ich hab sie einfach nicht gestellt, okay?“ Er lehnte sich zurück, stützte die Hände ins Gras und schaute auf die Halme zwischen seinen Fingern. Er war enttäuscht. „Du verstehst mich falsch. Ich möchte die Frage nicht vergessen. Ich glaube nämlich, dass ich diesen Schritt gehen möchte, “ sagte sie und rückte zu ihm. „Du traust dich?“ fragte er jetzt doch überrascht. „Ich denke schon. Es ist sicher richtig, “ meinte sie. „Und du wirst Jolly in deiner Nähe haben, “ versuchte er sie zu locken, aber das schien eher ein gutes Gegenargument zu sein. „Oh man, ich hoffe bloß, der steht dann nicht täglich auf der Matte. Bloß gut weiß er nichts von den Brautkleid-Phantasien.“ Nein, der Gedanke gefiel ihr gar nicht, ihren selbst ernannten Beschützer immer in ihrer Nähe zu haben. „Was für Phantasien?“ fragte er verwirrt. Die Gefragte wurde feuerrot. „Keine,“ wollte sie ausweichen. „Klar und mein Name ist Schote. Chilyschote, “ lächelte er sacht. „Willst du das jetzt echt genau wissen?“ Sie zupfte an ein paar Halmen. „Immer doch.“ Er grinste noch immer. Tatsächlich wurde ihre Gesichtsfarbe noch etwas dunkler. „Versprich mir, nicht zu lachen.“ - „Ich bin nicht Colt, vergiss das bitte nicht.“ Er hob die Hand zum Schwur. Ihr Kopf klappte auf die Brust. „Als Robin sich die Brautmodenkataloge angeguckt hat, da konnte ich mir glatt vorstellen, dass ich so was auch mal trag. Also, ohne das ich dabei Panik bekommen hab, “ gestand sie murmelnd. „Das ist doch schön. Weshalb sollte ich da lachen?“ fragte er. „Was weiß ich. Vielleicht, weil sich niemand in Tucson-City vorstellen kann, dass ich mal vor den Altar trete. Und bis vor kurzem war ich davon genauso überzeugt, wie die, “ kam es etwas unwirsch zurück. „Da find ich es wesentlich amüsanter, dass Colt sich endlich traut, bei dem war die Vorstellung noch um vieles abwegiger als bei dir.“ Ein Blick in Sabers Gesicht genügte um zu sehen, dass er das auch ehrlich meinte. Sie hob die Schultern. „Hat das ganze jetzt deine Frage von vorhin beantwortet?“ wollte sie dann wissen. Er nickte: „Ja, jetzt kenn ich mich aus.“ Grinsend schielte sie zu ihm hinüber. „Und? Krieg ich gar nichts dafür, dass ich so mutig bin?“ Er hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und erklärte verschmitzt: „Einen Haufen Arbeit.“ Verständnislos runzelte Chily die Stirn. „Wieso?“ Milde lächelte er. „Ich bin nicht so perfekt, wie du glaubst. Vielleicht bin ich ein netter Kerl und wirke ordentlich. Aber glaub mir, Chily, auch bei mir zuhause ist es nicht so nett und adrett. Ich bin schließlich auch nur ein Mann, “ erläuterte er dann. „Oha.“ Sie rückte ein wenig ab und erhob sich. „Ich hab immer gedacht, ein Single wäre entweder im Stande seine Wohnung allein in Ordnung zuhalten, oder wenigstens ein Hausmädchen zu bezahlen. Ich glaub, dann lassen wir das ganze lieber doch.“ Allerdings zuckten ihre Mundwinkel nach oben und verrieten ihre Belustigung. Er stand ebenfalls auf. Sie schlugen den Rückweg zum Krankenhaus ein. „Ich lass doch keine x-beliebige Frau in meine Wohnung. Kommt gar nicht in die Tüte, “ schmunzelte er. „Außerdem, so schlimm ist es auch wieder nicht, zumindest hab ich keine Mitbewohner, “ versicherte er ihr dann. „Sehr beruhigend. Ich steck mir trotzdem noch was von dem Desinfektionsmittel hier ein, “ kommentierte sie neckend. „Du bist ein kleiner Putzteufel, das hab ich im Gefühl, “ stellte er heiter fest. „Oh, du hast ja keine Ahnung worauf du dich einlässt. Das wird dich was kosten. So oder so, “ drohte sie schelmisch. „Du kannst mich nicht mehr Nerven kosten, als zwei Jahre Ramrod. Das geht nicht.“ Als sie ihn knuffen wollte, fing er ihre Faust ab und hauchte ihr einen Kuss darauf. „Irgendwas hab ich verpasst“, staunte Robin, als Chily und Saber auf sie und Fireball zukamen. Bisher war auch ihr entgangen, dass sich zwischen den beiden etwas angebahnt hatte, dass tiefer als Freundschaft ging. Verlegen räusperte sich die Hebamme jetzt. „Ich brauchte nur etwas frische Luft“, erklärte sie so unschuldig sie konnte. „Natürlich mit Begleitschutz“, zwinkerte der Rennfahrer schelmisch. „Klar. Ich hätte ja entführt werden können. Ist ja neuerdings grad in.“ Die Begründung war so gar einigermaßen richtig. „Man kann ja nie wissen“, meinte auch der Recke, aber so recht nahmen der Pilot und die Lehrerin ihnen das nicht ab. „Irgendwas sagt mir, dass ihr uns alles erzählt, nur nicht die Wahrheit“, stellte diese fest. Fireball stand auf. „Weil wir grad von der Wahrheit reden“, begann er. „Ich sollte April mal beichten, weshalb sie vom Viehtreiber noch nicht besucht worden ist.“ In der Hebamme schrillten die Alarmglocken. „Das ist keine gute Idee“, sagte sie. „Sie wird sich erst recht aufregen, wenn wir es ihr nicht sagen“, begründete der werdende Vater seine Entscheidung. „Wow, dir ist also auch schon in den Sinn gekommen, dass es Aufregung für sie bedeutet. Lass es lieber. Das ist echt grad sehr viel auf einmal.“ Als Geburtshelferin konnte sie es unter diesen Umständen nicht gutheißen. „Du musst deinen Kopf nachher ja nicht hinhalten, Chily. Und ich hab kein Herz aus Stein, manche Dinge kommen mir durchaus in den Sinn.“ Missbilligend runzelte er die Stirn. Wieso war sie gegen alles, was er tat? „Sehr beruhigend. Hat sie überhaupt schon nach Colt gefragt?“ wollte Chily nun wissen. „Ja, sie hat sich beschwert, weil er noch nicht bei ihr war und war besorgt, deswegen. Also, ich kann sie nicht noch ein Mal anlügen, Chily, sorry, “ erwiderte Fireball knapp um eine Diskussion gleich von vornherein abzuwürgen. Aber damit war er bei ihr an der falschen Adresse. Sie hatte das Wohl ihrer Patientin im Auge und um dieses war es gerade nicht besonders gut bestellt. „Ach, und über Sabers Abwesenheit hat sie sich noch nicht beklagt? Ich fürchte, du solltest dir noch eine gute Ausrede einfallen lassen, “ versetzte die Jugendfreundin des Scharfschützen. „Wenn sie mich nach Saber fragt, brauch ich nicht lügen, der hängt ja wirklich an deinem Rockzipfel, “ kommentierte der Japaner bissig und ein bisschen fieser, als es verdient war, wie Chily fand. „Jetzt piept es aber langsam bei dir. Kannst du nicht einmal auf einen gutgemeinten Rat hören? Den Beiden zu liebe? Musst du immer mit dem Kopf durch die Wand?“ Nein, dafür fehlte es ihr wirklich an Verständnis. „Hab ich was davon gesagt, dass ich April erzähle, wie übel sie Colt zugerichtet haben?“ Jetzt wurde er grummelig. „Sie sollte zumindest wissen, dass Colt einfach nicht vorbeischauen kann. Nicht mehr und nicht weniger, “ beharrte er. „Ich erinnere dich nur sehr ungern daran, Fireball. Aber wenn es nach den Ärzten ginge, dürftest du noch gar nicht bei ihr gewesen sein. Warum hab ich bloß nachgegeben? Das hab ich jetzt davon, “ schnappte Chily. Sie war ihm damit schließlich ein Stück entgegen gekommen. Das schien er jetzt auszureizen. „Was soll ich denn bitte sonst machen?“ fragte er zurück und seufzte verstimmt. „Jedenfalls nicht auch noch die kleine Hebamme ungnädig stimmen“, antwortete die Gefragte und überlegte, unter welchen Bedingungen sie ihm den Gefallen vielleicht doch tun konnte. Dummerweise zog der Pilot nun aber Saber in die Debatte hinein. „Jetzt sag du halt auch mal was, Boss. April sollte wissen, wo unser Cowboy abgeblieben ist.“ Der hob die Schultern. „Eigentlich schon, aber wenn die Fachfrau anderer Meinung ist, würde ich auf deren Rat hören“, entgegnete er wahrheitsgemäß. „Verdammt, ich hätte wissen müssen, dass Chily dich bereits um den Finger gewickelt hat“, murmelte Fireball beleidigt und wandte sich ab. „Ich sehe jetzt trotzdem mal nach meinen zweien, damit wenigstens einer mir den Rücken stärkt.“ Die Hebamme schüttete den Kopf und hielt ihn an der Schulter zurück. Das war schlichtweg Unsinn, was er da gerade vom Stapel gelassen hatte, und unfair dazu. „Du bleibst schön da.“ An ihrer Miene war gut zu erkennen, dass er damit den Sympathie-Bonus des Vortages verspielt hatte. „Was soll der Blödsinn mit um den Finger wickeln. Wenn man für bestimmte Bereiche keine Fachkräfte brauchen würde, könnte ich ja auch einfach mal Ramrod fliegen. Aber die Hebamme hier bin wohl immer noch ich. Ist das in dem sturen Oberstübchen angekommen?“ schnauzte sie verärgert. „Okay“, kam es gedehnt von ihm. Er warf ihr einen verstimmten Blick, dann dem Recken einen provozierenden zu. „Chily weiß nicht, dass Ramrod nicht von einem richtigen Piloten geflogen wird, oder?“ fragte er den Blonden, wartete aber keine Antwort ab, sondern erklärte der Chily. „Ich weiß, dass du ihre Hebamme bist und dass du manchmal in fremder Leute Oberstübchen liest, aber eins kannst du mir glauben. April wird sich noch mehr aufregen, wenn sie es später von irgendwem erfährt. Die feinfühligen Pfleger hast du doch nicht schon wieder vergessen.“ – „Jetzt hör mal zu Fireball, ich sag es zum letzten Mal. Du bleibst, wo du bist. Oder ich lass den Arzt wissen, dass du dich an mir vorbeigeschlichen hast. Ich hoffe, dir ist klar, was das bedeutet, “ gab sie entschieden zurück. „Folterknecht, “ schnaubte er. Wieso musste sie so ein harter Brocken sein und dann auch noch Recht haben? „Ich hab noch nicht mal angefangen zu foltern. Sei einmal in deinem Leben vernünftig. Es geht schließlich um April und DEIN Kind. Es war dir wohl noch nicht knapp genug, es zu verlieren, “ setzte sie auch noch eins drauf. Aber das wollte der Rennfahrer gerade gar nicht hören. Er drehte sich endgültig um und verließ den Flur. Mächtig frustriert darüber, dass sie jedesmal mit dem werdenden Vater eine Auseinandersetzung hatte, so bald es um April ging, und über den Umstand, dass der Morgen scheinbar nur für Zank da war, fragte sie ihr „Manapi“: „Würdest du noch einen Versuch starten, ihm Vernunft einzutröten, oder reicht es dir grad auch erst mal?“ Der hob die Brauen und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine ausreichende Antwort. „Ja, hast Recht. Sonst können wir das mit der gemeinsamen Wohnung vergessen, “ meinte sie nur. „Er ist ein furchtbarer Starrkopf Chily, “ sagte der Schotte. „Aber wenigstens für April ein lieber Kerl.“ Die Angesprochene verstand, dass es hieß, egal was sie Fireball grad gesagt hatte, es würde keine Früchte tragen. So folgte sie dem Piloten, der höchstwahrscheinlich geradewegs zur werdenden Mutter gestiefelt war. „Er sollte für das Kind etwas einsichtiger werden“, brummte sie dabei. Robin und Saber schlossen sich ihr an. „Ihm fehlt Ruhe und Geduld Es wird schon werden, Chily. Ganz sicher, “ meinte der beruhigend. „Ihm fehlt ein Tritt in den Hintern, damit er merkt wo es lang geht, “ schnappte die Jugendfreundin des Cowboys verstimmt. Beinahe hätten Robin und der Recke laut zu lachen angefangen. „Hinterlässt keinen Eindruck, kannst du mir glauben. Das hilft gar nix, “ garantierte er ihr. Sie stiegen die Treppe hinauf. „Na gut, dann zieh ich eben andere Register. Ist ja nicht so, dass ich einfallslos wäre.“ Damit bog sie gerade in den Flur ab, auf dem die gynäkologische Abteilung lag. Die Stationstür schloss sich eben schwingend hinter dem uneinsichtigen Rennfahrer. „Ich bin gespannt“, bemerkte Saber. Dann beeilten er und Robin sich, denn Chily war losgerannt. Sie kamen gerade rechtzeitig auf der Station an um zu sehen, dass die Hebamme auf den Rücken des werdenden Vaters gesprungen war, ihre Arme um seine Schultern und ihre Beine um eines von seinen geschlungen hatte, so dass er schwerlich weiter kam. „Hey!“ fluchte der und griff nach einem Arm seiner Angreiferin. „Ja, genau. Hab ich mit einem Pfosten geredet oder was. Ich sagte, du bleibst diesem Zimmer fern, “ kam es hinter seiner Schulter hervor. So leicht machte sie es ihm nicht, sie wieder da runter zu bekommen und verstärkte den Griff. „Du kannst mir den Buckel runter rutschen, Chily. Hör auf damit!“ Jetzt war er endgültig gereizt. Den Klammeraffen auf seinem Rücken konnte er gerade gar nicht ertragen. „Da bekommt die Redewendung jemanden im Nacken sitzen eine völlig neue Bedeutung, “ grinste Saber. Das ganze sah schon amüsant aus. Auch Robin musste schmunzeln. „Ja, ich hätte nicht gedacht, dass sie so an ihm hängt.“ „Ich rutsche nirgendwo runter. Du wirst mir jetzt zu hören, oder ich hab noch ganz andere Sachen drauf, “ informierte das Äffchen und schloss die Beine fester um das des Rennfahrers, damit er sie nicht so einfach runter werfen konnte. Der schaffte es schließlich ihre Arme von seinen Schultern zu lösen und hatte nicht wenig Lust dieser Klette eine Flugstunde zu geben. „Willst du mich ohnmächtig knutschen?“ fauchte er zurück. „Du hast keine Ahnung. Ich werd dich davon abhalten, da rein zu gehen und wenn ich "Vergewaltigung" schreien muss. Und denk ja nicht, dass ich das nicht mach. Mir ist da grad gar nix zu blöd, “ knurrte sie und er war sicher, dass sie es wirklich tun würde. Da seine Hände ständig versuchten, nach ihr zugreifen, konnte sie sich nicht mehr so recht an ihm festklammern. Ihn abzuwehren war doppelt schwierig, weil sie zum einen direkt an ihm dran war und zum anderen, er stärker war. Beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren und wäre runtergefallen. Schnell hielt sie sich an seiner Schulter Das nutzte er. Mit einem Arm fuhr er ihr zwischen die Beine und schnappte nach ihrem Hosenbund, mit der anderen griff er nach ihrer Schulter. „Das glaub ich gern. Aber im Augenblick sieht es eher andersrum aus.“ Damit hob er sie über die Schulter und stellte sie ernsthaft verärgert vor sich auf die Füße. „Und jetzt ist endlich Ruhe, bevor ich die Geduld verliere!“ drohte er. „Geduld? Welche Geduld? Und den größeren Dickkopf hab immer noch ich. Du bleibst genau hier.“ Er mochte sie ausgehebelt haben, aber deswegen gab sie noch lange nicht klein bei. Fireball wollte sie zur Seite schieben. „Den Teufel werd ich! Willst du wirklich, dass sich April noch mehr aufregen wird, als sie es ohnehin tun wird, wenn wir es ihr verschweigen?“ Glaubte sie wirklich, dass er die Nachricht nicht feinfühlig überbringen konnte? Was der Rennfahrer dabei nicht bedachte war, dass nicht die Art der Überbringung das Problem für die Hebamme war, sondern die Nachricht an sich. Prompt baute sich die Kleine wieder vor ihm auf. „Hallo? Kein Wunder hörst du nicht zu, du bist taub.“ – „Taub werd ich maximal von deinem Organ.“ Auch wenn der Grund dieser Auseinandersetzung sehr ernst war, kamen Saber und Robin nicht umhin es komisch zu finden. Sah es doch aus, als kämpfe David gegen Goliath. „Ich wette mit dir, dass unser Rennfahrer sich nicht durchsetzen kann“, raunte der Blonde der Lehrerin zu. Die nickte. „Ganz deiner Meinung. Aber es wird knapp.“ „Das kann ich gleich zurück geben. Aber was soll ich tun, wenn du einfach nicht zu hörst. Dir kann man ja ohne Vorschlaghammer nichts vorschlagen, “ schnappte die Hebamme und hopste vor lauter Aufregung sogar leicht in die Höhe. „Dann schlag mal vor.“ Abweisend die Arme vor der Brust verschränkend fügte der Rennfahrer hinzu. „Für Vorschläge bin ich jederzeit offen.“ Allerdings war er auch bereit ihr für jedes falsche Wort den Hintern zu versohlen. Schmunzelnd bemerkte der Schotte: „Fireball wird langsam alt. Früher hätt er nicht so schnell nachgegeben.“ – „Oder ist es doch ein leichter Anflug von Vernunft?“ überlegte Robin. Chily holte Luft um sich wieder zu beruhigen. „Variante A: Ich komme mit und kann nebenher ihre Vitalwerte kontrollieren. Variante B: Du bleibst hier, “ sagte sie dann einigermaßen nüchtern. Der werdende Vater grübelte kurz. „Niemals.“ Saber schüttelte den Kopf. „Das Wort Vernunft kommt in der Beschreibung von Fireballs Charaktereigenschaften nicht vor.“ „Aber du hältst bei Variante A deine Klappe!“ Der Japaner drohte der Hebamme mit dem Zeigefinger. Die wischte die dazugehörige Hand ungehalten weg. „Ich kann auch „Vergewaltigung“ schreien. Stell hier keine Bedingungen, man. Das sehr viel Aufregung sehr kurz nach einander und damit ein zu hohes Risiko für das Kind. Ich bin ihre Hebamme und hab als erstes an das Wohl meiner Patientin zu denken. Der hitzköpfige Freund verkommt da ganz leicht zur Nebensache, “ schnappte sie. „Man wird ja noch hoffen dürfen“, meinte Robin leise zum Recken. „Denkst du, das weiß ich nicht?“ brauste der Pilot auf. „Ganz langsam aber sicher komm ich mir hier ziemlich entmündigt vor.“ Sofort schoss sie zurück. „Tut mir leid, dass ich das so sagen muss, aber so wie du dich gerade aufgeführt hast, hab ich doch Zweifel was du so weißt und was nicht.“ Er stemmte seine Hände in die Hüften und konterte fies. „Ich zweifle auch so manches Mal an deiner Zurechnungsfähigkeit.“ – „Bitte?“ Chily verschlug es die Sprache. Sie hatte so sehr darum gekämpft, dass April das Kind nicht verlor, war dabei tausende Tode gestorben und hatte, entgegen der ärztlichen Anordnung der auch sie sich fügen musste, den besorgten Freund zu der werdenden Mutter gelassen. Jetzt bekam sie so was zu hören. Sie schaute kurz zu Saber und Robin, dann wieder zu Fireball und hob hilflos die Schulten. Fassungslos über diese Frechheit fiel ihr nur eine Reaktion ein und die Ohrfeige klatschte laut. „Unverschämter Kerl“, fauchte sie. Der Japaner schluckte ruhig und erwiderte frostig. „Wenigstens trittst du die Beweise immer sofort an. Der war sehr eindrucksvoll, Chily, “ streute er noch Salz auf ihre Wunde. Schon öffnete sie ihren Mund, biss sich aber im letzten Moment doch noch auf die Lippe. Ihm jetzt an den Kopf zu knallen, dass er lieber doch nicht Vater werden sollte, wenn er mit dem Kind genauso umginge wie mit ihr eben, würde nur für böses Blut sorgen und sie hätte es bereut, da sie es nicht so meinte. Trotz ihrer Wut war sie immer noch davon überzeugt, dass der Hitzkopf einer der liebevollsten Väter werden würde. Deshalb wies sie auf die Zimmertür von April „Beweg dich.“ Er öffnete die Tür. „Nach dir.“ Widerwillen waren die Beobachter Saber und Robin beeindruckt von der Vorstellung, die ihnen gerade geboten worden war. „Die beiden können streiten“, staunte die Lehrerin. „Da bin ich direkt froh, dass die beiden kein Paar sind“, nickte der Schotte. „Hauptsache sie versöhnen sich auch wieder so schnell, wie sie sich gezofft haben.“ Aber das konnte sich Colts Braut nicht so recht vorstellen. „Hoffentlich“, seufzte der Recke und wies in Richtung Intensivstation. „Zu Colt? Oder willst du lieber hier bleiben?“ fragte er dann, verkniff sich aber dazu zufügen, dass die beiden den Streit da drinnen fortsetzen könnten. „Hm. Es wäre wohl besser, wenn wir in der Nähe bleiben. Die beiden waren schon recht heftig, “ antwortete die Gefragte. „Chily ist nicht die einzige, die Gedanken lesen kann, “ schmunzelte der Schwertschwinger. „Komm, setz dich.“ Aber entgegen der Befürchtungen lief es anders im Krankenzimmer. „Hey, Schatz, wie geht es?“ grüßte Chily in völlig normalem Tonfall. Der Rennfahrer gab seiner Freundin einen Kuss auf die Wange „Hey, Süße“ und setzte sich auf den Stuhl neben ihrem Bett. „Was ist los? Du bist ja ganz warm, “ wollte die Blondine wissen. Die Hitze des Streites hatte sie gespürt. „Wir sind her gerannt. Nicht wahr, “ gab Chily arglos zurück und warf eine kurzen Blick auf den Japaner. „Ich muss mal prüfen, wie es euch zweien geht, “ wandte sie sich dann an die Blondine. „Lasst euch nicht ablenken.“ Damit nahm sie ihren bereitliegenden Blutdruckmanchette und machte sich an Werk. „Chily dachte, etwas Sport könnte mir nicht schaden“, bestätigte Fireball die Aussage der Hebamme. Aus irgendeinem Grund glaubte es April zwar nicht so ganz, aber andererseits log Chily ja nicht. „Schön, dass du da bist“, meinte sie deshalb und streckte die Hand nach ihm aus. „Hast du mich vermisst?“ fragte er lächelnd „Natürlich“, erwiderte sie warm. „Es ist langweilig hier. Hast du was von Colt gehört?“ Den Was-hab-dir-gesagt-Blick, den Fireball nun der Hebamme zu warf, ignorierte diese geflissentlich, maß den Puls ihrer Patientin und trug etwas in die Krankenakte ein. „Tja, Süße, weißt du“, begann der Pilot mit Bedacht. „Unser Kuhtreiber hat mal wieder den Vogel abgeschossen.“ Er musste ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. „Oh, was ist passiert?“ hakte die Blondine besorgt nach. „Es ist gestern ganz schön brenzlig geworden, das weißt du. Und Colt ein bisschen übermütig, “ ergänzte er und umschloss ihre Hand fester. Die werdenden Mutter sah in abwartend an. Sie wollte mehr hören. Unterdessen tastete ihre Geburtshelferin den Bauch vorsichtig ab. „Mach dir bitte keine Sorgen um Colt, Süße. Sie haben ihn uns gestern vom Himmel geholt und er kann dich deswegen nicht besuchen, weil er ein paar Gänge weiter liegt, “ fügte Fireball daraufhin sanft hinzu. Dann schwieg er kurz und prüfte ihre Reaktion. April tat gefasst, als sie fragte, wie schlimm es um den Cowboy stand, aber Chily presste die Hände auf den Bauch der Schwangeren und runzelte die Stirn. Das gefiel ihr nicht so recht, was sie da spürte. Krämpfe. Vorsichtig begann sie den Bauch zu massieren. Dem werdenden Vater war das nicht entgangen. „Ein paar Schrammen und Brüche“, spielte er den Zustand des Freundes herunter. Die volle Wahrheit zu sagen schien ihm nicht so ratsam. „Aber sie lassen ihn halt nicht aus dem Bett, deswegen hat er dich bisher noch nicht besucht.“ Dann scherzte er noch leicht. „Saber hätte ja vorgeschlagen, dass ihr euch ein Zimmer teilt, aber Kerle haben auf der Gyn. nix verloren.“ Sein schiefes Grinsen weckte in April das Gefühl, dass dies eben nur die Hälfte der Tatsachen war. „Wie lange wird er dort bleiben?“ bohrte sie. „Ich hab keine Ahnung, Süße“, erwiderte er diesmal ehrlich. Die Navigatorin kannte Colt gut genug um jetzt sicher zu wissen, dass es schlimm um ihn stand und das löste genau die Aufregung in ihr aus, welche die Hebamme hatte vermeiden wollen. Sie erfühlte Krämpfe und das alarmierte sie. „Fireball, raus und hol Doc Madison. Sag ihm, dass ich dich geschickt hab und warte um Himmels willen vor der Tür, “ ordnete sie an. Der sprang auf und tat wie ihm geheißen. Der Arzt eilte ins Zimmer. Die Tür schloss sich und einmal mehr bangte der Rennfahrer um das Ungeborene. Ebenso Saber und Robin. Schließlich wusste keiner von ihnen, was genau los war. Sie waren nur dazu verdonnert im Gang zu warten. Eine halbe Stunde etwa, die besonders dem werdenden Vater wie eine Ewigkeit erschien. Dann öffnete sich endlich die Tür wieder. Die Drei hoben die Köpfe. Niemand hatte zu sprechen gewagt, und jetzt klang die Stimme des Arztes seltsam. Er sprach leise mit der Hebamme und verabschiedete sich. „Wie geht es ihnen?“ fragte Fireball und schien am liebsten sofort ins Zimmer stürmen zu wollen. Aber dann hätte er Chily umrennen müssen. „Es ist alles in Ordnung. War ein Fehlalarm. Ich wollte nichts riskieren. Mach dir keine Sorgen, “ erwiderte sie matt. Der Schreck saß auch ihr noch in allen Knochen. „Kann ich zu ihr?“ Die Frage hätte er gar nicht stellen brauchen, er versuchte auch ohne Antwort sich an ihr vorbei zu drängen. Chily schloss die Tür hinter ihrem Rücken und vor seiner Nase. „Nein“, entschied sie. „Sie würde dich ja doch nur nach Colt fragen und im Moment sollte sie wirklich dringend Ruhe haben. Ich werde hier bleiben.“ Schon setzte der Ungeduldige zu Protest an, aber die Hebamme legte ihm die Hand auf den Mund. „Jetzt fang nicht schon wieder an. Herrgott nochmal, es reicht wirklich. Geh nach Hause. Geh auf die Ranch. Von mir aus ruf sie heute Abend an, aber lass ihr jetzt erst einmal Ruhe, “ fuhr sie ihn streng an. Gut, er hatte Recht gehabt, dass konnte sie getrost zu geben. April hatte wissen wollen wie es Colt ging und es war gut, dass sie es wusste. Aber noch mehr Aufregung durfte nun wirklich nicht mehr sein. Das war nicht länger zu verantworten und Chily war entschieden, durchzusetzen, was das Beste für ihre Patientin war, auch wenn sie keine Lust und kaum noch Kraft für eine ähnliche Auseinandersetzung hatte. Aber dazu kam es nicht. Fireball antwortete schlicht „Okay“ und trottete mit hängenden Schultern davon. Das er einsah, dass es die richtige Entscheidung war, munterte ihn kaum auf. Saber schloss sich ihm an. Robin kehrte an Colts Krankenbett zurück und die Hebamme blieb auf ihrem Posten. Dabei tat es ihr leid, dass sie so streng sein musste. Aber sie hatte keine andere Wahl. Die folgende Woche lösten Saber und Fireball Robin gelegentlich am Krankenbett ab. Allzu lange hielt sie es jedoch nicht auf der Ranch aus und fand sich recht schnell wieder im Krankenhaus ein. Einen Tag vor Aprils Entlassung ließ Chily den Rennfahrer endlich wieder zu ihr. Sie hatte es so eingerichtet, dass er sogar über Nacht bleiben konnte und sie am nächsten Tag mit zur Ranch brachte. Bevor die Hebamme das Krankenhaus verließ, schaute sie noch kurz bei Robin und Colt vorbei. Wenn sich dessen Zustand auch nicht verändert hatte, so war er wenigstens nicht schlimmer geworden. Robin wachte tapfer, sich an diesen Umstand klammernd, an seinem Bett. Als Chily nach Hause kam, fand sie den Recken in einen Bericht vertieft vor. Fireball und April, natürlich auch Colt, waren von dem Fall abgezogen worden. Man erwartete, dass Saber in Bereitschaft blieb. Auch wenn der Wiederaufbau des Irokesen-Stammes begonnen hatte und die meisten Truppen abgezogen waren, blieb eine Einheit als Wachschutz vor Ort. Solange man nicht wisse, wann und wo die Phantomwesen wieder zuschlagen würden, solle er erreichbar bleiben. Es musste mal wieder mit allem gerechnet werden, denn diese Ruhe konnte nicht von allzu langer Dauer sein. Er seufzte leicht. Dass Chily neben ihm auf dem Sofa Platz genommen hatte, hatte er noch nicht bemerkt. Erst als sanfte Finger liebkosend über seinen Nacken fuhren, sah er auf. „Hey, du bist ja da“, lächelte er verlegen. Sie nickte nur. „Wie lange schon?“ fragte er. „Ein paar Minuten. Was liest du da?“ Er legte die Blätter auf den Couchtisch. „War nur ein Bericht“, erwiderte er, lehnte sich im Polster zurück und musterte die Hebamme. „Du siehst reichlich müde aus“, stellte er fest. „Sieht nur so aus.“ Damit zog sie ihre Beine aufs Sofa und schmiegte ihren Kopf an seine Brust. „Also, erzählst du mir, was in dem Bericht stand?“ Saber unterdrückte ein Grinsen. Er war überzeugt davon, dass sie höchstens noch zwei Sätze von dem mitbekam, was er sagte, aber er tat ihr dennoch den Gefallen. Einen flüchtigen Moment lang fiel ihm ein, dass Sincia nie nach solchen Dingen gefragt hatte. Dann hörte er ein leises Schnarchen. Hatte er es doch gewusst. Vorsichtig setzte er sich auf das Bett und weckte er sie mit einer Tasse Kaffee am nächsten Morgen. Jeder Zeit konnten April und Fireball eintreffen, da war es besser, wenn sie wach war. Sie spürte die Bewegung, sog den Kaffeeduft ein, linste träge zu ihm und murmelte: „Leg mir eine Infusion.“ Ein Kuss auf die Stirn hatte die gleiche Wirkung. Sie krabbelte aus dem Bett, schlüpfte in ihren Morgenmantel und fand sich genau zur rechten Zeit im Wohnzimmer ein um zu hören wie Fireball ganz Gentleman die Tür öffnete. „Willkommen zuhause, Süße“, hörte sie ihn sagen, dann erschien April im Türrahmen. „Du nimmst mir die Worte aus dem Mund. Wie geht es dir, Little Mama?“ Die lächelte leicht „Gut, danke“ und ließ sich von ihrem Freund hinein begleiten. „Schön. Freut mich zu hören. Schon gefrühstückt?“ Chily knotete den Gürtel ihres Morgenmantels fester zu. „Frühstück klingt gut, “ nahm die werdende Mutter das Angebot an. „Was krieg ich?“ – „Alles, was du dir wünschst. Also?“ Chily ging in Richtung Küche. „Pfannkuchen wären gut“, rief April ihr nach, dann schob Fireball sie auf die Couch und versprach: „Sollst du alles haben, meine Süße.“ Kaum war die Hebamme in der Küche verschwunden, trat Saber mit einer Tasse Kaffee in der Hand aus der selbigen. „Guten Morgen ihr beiden, “ grüßte er und setzte sich gleich zu ihnen auf das Sofa. Dafür stand der Rennfahrer auf. „Sorgst du kurz für Gesellschaft, edler Recke?“ Der hob die Brauen. „Du dringst in das Revier einer Frau ein, das ist dir klar.“ – „Ich helf ihr schon nicht beim Kochen, keine Sorge“, lächelte der Japaner zurück. „Ich mach mir eher Sorgen darum, wie du mit dem Phänomen der fliegenden Untertassen klarkommst, “ gab der Recke zurück und tauschte mit April einen bedeutungsvollen Blick. „Wird locker umschifft. Ich hab schon ganz andere Flugobjekte überlebt, “ grinste er und verschwand in der Küche. In der Küche hatte Chily Eier und Milch auf den Kühlschrank gestellt. Auf der Anrichte befanden sich Mehl, Zucker und ein Quirl. Eben holte sie die Pfanne aus dem Schrank und stellte sie auf den Herd. Dem Eintretenden schenkte sie keinen Blick. „Kaffee ist alle. Saber hat die letzte Tasse genommen. Ich mach gleich neuen, “ sagte sie und schaltete die Kochplatte an. „Du kannst Gedanken lesen, “ erwiderte Fireball und ging auf die Kaffeemaschine zu. „Kaffee kann ich auch aufsetzen, Chily. Kann ich dir helfen?“ Irgendwie musste er das Gespräch ja beginnen, dem sie seit ihrem Streit im Krankenhaus recht geschickt immer wieder auswich, dass ihm aber umso mehr auf dem Herzen lag. „Ja. Steh mir nicht im Weg.“ Sie schob sich an ihm vorbei zum Kühlschrank und nahm die Zutaten runter. Mit einem „Entschuldige“ zog er den Bauch ein, damit sie, mit Milch und Eiern in den Händen, besser an ihm vorbeikam. Er musste wohl einen neuen Versuch starten. Sie angelte sich eine Schüssel aus dem Schrank und begann die Zutaten zu mischen. „Meinen beiden geht es wieder gut. Danke, Chily, “ sagte er schließlich. „Hab ich gern für sie gemacht.“ Sie nahm eine Kelle und füllte den dickflüssigen Teig in die Pfanne, stellte einen Teller für die fertigen Pfannkuchen bereit. „Muss ich erst auf die Knie fallen, bevor du mir zuhörst?“ Sie konnte einem aber auch hartnäckig die kalte Schulter zeigen. Um Verzeihung zu bitten war nun wirklich nicht seine Stärke und nun hörte sie ihm nicht mal richtig zu. Fireball fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich will dir ehrlich gesagt nicht mehr zu hören. Ich habe meinen Job gemacht. Der tut sich natürlich am leichtesten, wenn jeder Mann davon ausgeht mein fachlicher Rat ist nichts als Schikane für ihn ist und nur dazu da um ihn zu kommandieren. Ich meine, es ist ja nicht gerade so, als wüsste ich wovon ich rede.“ Bei diesen Worten sah sie ihn nicht mal an. Er hockte sich auf die Arbeitsfläche. „Es tut mir doch leid“, meinte er geknickt. „Ich hab nie behauptet, dass es alles Quatsch ist, was du sagst. Dein Job ist wichtig und ich bin froh, dass eine gute Freundin April beisteht. Meine Nerven sind ein bisschen runter momentan. Hey, darf ich etwa keine Angst haben?“ Verlegen ließ er die Beine baumeln. „Lass ich meine an dir aus?“ Gekonnt wendete Chily den Pfannkuchen mit einer Bewegung der Pfanne. „Bist du wie ich?“ fragte der Rennfahrer und hob eine Augenbraue. Er sollte sich ihr wohl erklären. „Ich will doch bloß nicht, dass April und dem Kind was zustößt, oder dass sie mir jemand wegnimmt. Es macht mich krank, wenn ich nicht bei ihr sein kann.“ Eine Pause entstand. Der Plins briet fertig. Sie ließ ihn auf den Teller rutschen und füllte den Teig für einen neuen in Pfanne. „Ich will auch nicht, dass den beiden was passiert, und ich nehm dir gar nichts weg. Bist du jetzt beruhigt?“ seufzte sie. „Jein. Hör mal, ich wollte dich wirklich nicht beleidigen, oder anschreien, oder sonst was, “ erläuterte er ihr. Wieder rotierte die Pfanne. „Jein? Toll. Was beunruhigt dich denn noch?“ Sie hatte immer noch keinen Blick für ihn. „Es beunruhigt mich, wie ich aus der Haut gefahren bin. Ich wusste doch, dass du ihr und dem Kind nichts Böses willst, “ setzte er noch einmal zu einer Rechtfertigung an. „Aber... Ich kann es nicht kontrollieren, verstehst du. Da fällt wohl immer wieder ein Schalter um, wenn es um meine Süße geht.“ Chily schnaubte leicht. Verstand sie ihn denn nicht? „Dann lass dir noch ein paar Sicherungen einbauen“, schlug sie vor und drehte sich zu ihm um. „Ich kann mich nämlich nicht um deine beiden kümmern, wenn du mir dabei immer wieder Schwierigkeiten machst. Man, denkst du ich fand das lustig, dass ich dir bis gestern nicht erlauben konnte sie zu besuchen? Das tut mir doch auch in der Seele weh. Aber ich hatte keine andere Möglichkeit. Ich hab doch schon alles versucht und die Grenzen so weit ausgereizt, wie ich konnte. Aber auch ich unterstehe dem Arzt.“ Wieder kümmerte sie sich um das, von April gewünschte, Essen. Beschämt sah der Rennfahrer auf den Boden. So ganz bewusst war ihm das noch nicht gewesen. „Sorry“, murmelte er. „Meinem Schatz soll es gut gehen. Ich mach mir rund um die Uhr Sorgen um sie. Chily, ich kann es nur noch mal sagen, ich bin froh, dass eine gute Freundin ihre Hebamme ist. Naja, egal, “ fügte er seufzend hinzu. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie bedrück er war. „Das schlimmste ist jetzt erst mal überstanden für euch drei. Mach dir keine Sorgen, “ informierte sie milder und fügte etwas leiser hinzu. „Ich wünschte, alle Männer wären, wie du.“ Erstaunt riss er die Augen auf. Hatte er sich verhört? Gerade beschwerte sie sich über ihn und dann so eine Aussage. Dem konnte er nicht folgen. „Dann wäre jede werdende Mutter in den liebevollen Händen, die sie in dieser Zeit so sehr braucht. Und alle Kinder hätten gute Väter, “ erklärte sie und wies leicht auf die Kaffeemaschine. „Kaffee ist fertig.“ Er nahm eine Tasse aus dem Schrank und schenkte sich ein. „Ich hoffe, dass ich dem Kind ein guter Vater sein kann“, bekundete er seine Bedenken dabei. „Ganz bestimmt. Kein Zweifel. Wenn du nur nicht mit jedem Erzieher oder Lehrer eine Grundsatzdiskussion darüber führst, dass ihr eh das gleiche für es wollt, “ antwortete sie. Der Rennfahrer musste lachen. „Das kann ich dir nicht versprechen. Das hab ich als Schüler selber schon gemacht und wenn die Lehrer nix dazugelernt haben, wird es in sechs Jahren auch nicht besser.“ Er nahm einen großen Schluck Kaffee. „Du bist eine klasse Freundin“, zwinkerte er dann heiter. „Saber hat ein gutes Auge.“ – „Danke, wenn es ehrlich gemeint war.“ – „Ja, so wahr ich der jüngste Champion aller Zeiten war. Du passt schon sehr gut zu unserem Säbelschwinger, “ versicherte er ihr. Nach allem, was er ihr im Streit an den Kopf geworfen hatte, war es nicht so einfach für sie, das zu glauben. Immerhin hatte er sie als nicht ganz zurechnungsfähig betitelt und das war eben doch ein Unterschied im Vergleich zu nur verrückt sein. „Ich meinte, dass mit der klasse Freundin, “ sagte sie. „Du bist eine sehr gute Freundin, das mein ich ernst. Ich... meine Wortwahl ist wohl nicht immer die richtige, “ versuchte er seine erste Aussage zu bestärken. „Deine Wortwahl ist manchmal beschissen, “ versetzte sie mit Gedanken an den letzten Zwist. „Aber ich mag deine Freundin trotzdem. Und Saber.“ Er zog einen Schmollmund. „April versteht mich. Und du wirst dich an meine Ausdrucksweise schon noch gewöhnen, “ bemerkte er dann. „Das ist das Wichtigste, dass sie dich versteht. Und ich gewöhne mich nur an die Ausdrucksweise von Freunden, “ erhielt er zur Antwort. Allerdings war es nicht das, was er erwartet hatte. Sein enttäuschtes „Oh“ sagte ihr aber, dass er mit allem, was er ihr eben versichert hatte auch für sich gesprochen hatte und das beruhigte sie. „Ich sollte mal nach April sehen.“ Er leerte die Tasse, stellte sie in die Spüle und rutschte von der Arbeitsplatte. Als er an der Tür war, rief sie ihn zurück. „Fireball?“ – „Ja?“ – „Was verdient eigentlich eine Freundin und Hebamme, die alles für die Herzdame tut und trotz einiger Ausbrüche immer noch mit einem redet?“ Mit einem reumütigen Blick sah er sie an. „Ewige Dankbarkeit, und alles Glück auf Erden.“ Er trat einen Schritt auf sie zu. „Es tut mir leid, Chily.“ Jetzt musste sie wirklich lächeln. „Ich finde eine kleine Umarmung kannst du schon auch noch mit drauf packen.“ Erleichtert erwiderte er ihr Lächeln. „Da müssen wir zuerst die Tür schließen, nicht, dass Saber oder April auf dumme Gedanken kommen.“ Mit diesen Worten lehnte er die Tür wieder an. „Spielverderber“, grinste sie. „Na, komm her.“ Er legte die Arme um sie. „Sag mal, findest du nicht, dass es jetzt erst recht so aussieht, als hätten wir was zu verbergen?“ fragte sie, wobei sie die Umarmung erwiderte. „Haben wir doch, oder etwa nicht.“ Dafür, dass sie ihn so hatte zappeln lassen, musste er ihr eine kleine Lektion erteilen. „Hat dir April nicht erzählt, was ich für ein Casanova bin?“ Mit einem frechen Grinsen strich er ihr über den Rücken. Ihre linke Augenbraue zuckte nach oben. „Echt? Bist du? Seit wann?“ – „Immer schon.“ Dabei zog er sie noch ein Stück näher zu sich. Dann tat ihm Saber auch noch den Gefallen just in diesem Moment die Küche zu betreten. „Hey.“ Beinahe wäre er rückwärts wieder raus gestolpert. „Ich klopf noch mal, ja?“ kommentierte der Recke. Chily schoss die Röte ins Gesicht, worüber der Japaner sich hätte totlachen können. „Wart noch zwanzig Minuten damit, Säbelschwinger“, bemerkte er heiter. „Bitte?“ Chily sah ihn skeptisch an. „Dann bin ich fertig mit dir“, grinste er frech zurück. „Oder soll er doch lieber eine Stunde warten?“ Er nickte Saber leicht zu. Der verstand, was gespielt wurde. Chily verstand es auch. „Nein, besser zwei Stunden, “ entgegnete sie keck. „Oha, hoffentlich ist da schon die Kuschelzeit eingeplant.“ Er wandte sich wieder an den Blonden. „Sie kuschelt doch gerne, oder?“ hakte er nach. Der nickte. „Nö, keine Kuschelzeit. Ich hab schließlich seit einem Jahr Mangel, “ konterte die Hebamme schelmisch. Der Rennfahrer löste die Umarmung, schob sie zum Schotten und trat noch einen Schritt zur Sicherheit zurück. „Dann verzichte ich. So gut im Training bin ich nicht, “ vermeldete er darauf. Chily konnte sich das Lachen kaum verkneifen. „Schade“, gluckste sie. Saber fand es genauso komisch und stichelte: „Für ein Kind hat es gereicht.“ – „Ja“, bestätigte Fireball heiter. „Der Gentleman genießt und schweigt.“ Dieses Statement lud den Blonden regelrecht zu einem weiteren Kommentar ein. „Schön, dass du noch was dazugelernt hast“, schmunzelte er. „Lernen ist das halbe Leben“, war die Antwort. An dem Zwinkern konnte man den früheren Lümmel von der letzten Bank erkennen. „Ich schau zu meiner Süßen, bevor hier noch andere Gerüchte kursieren“, verabschiedete er sich darauf. „ Viel Spaß und nimm“ Chily langte nach dem Teller mit den Pfannkuchen und reichte sie ihm. „die mit.“ Mit Besteck aus der Schublade trat der werdende Vater endgültig ab. „Mach ich. Das heißt, die nächste halbe Stunde habt ihr nichts von uns zu erwarten.“ Über diesen Vorschlag konnte Chily nur kichern. „Ich brauch auch noch einen Kaffee“, stellte sie fest. „Ach. Die Zeit hast du, ganz sicher, “ gab der Rennfahrer über die Schulter zurück und blinzelte dem Schotten zu. „Er hier ist auch aus dem Training.“ Dann schlug die Tür hinter ihm zu. Die drohende Faust und das entrüstete „Fireball“ verhallten daran. Der Recke lachte. „Auch noch Kaffee?“ fragte Chily und grübelte, wie groß die Gefahr war, dass Saber den Vorschlag des Piloten ernsthaft in Erwägung zog. „Gern.“ Über den Piloten den Kopf schüttelnd befand er: „Der Kerl hat sie manchmal wirklich nicht alle.“ – „Das ist mal Fakt.“ Sie war also in Sicherheit. Er nahm die Tasse, die sie ihm reichte und schaute über ihre Schulter auf die aufgebrauchten Zutaten. „Sag mal, was hat an den Pfannkuchen jetzt so lange gedauert?“ Zucker folgte in ihre Tasse. „Das machen?“ Schelmisch linste sie zu ihm. „Das ist ein Argument“, gestand er. „April geht es gut, oder? Sie wirkt etwas müde.“ Langsam nickte sie. „Das ist normal. Ich hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt, sie noch im Krankenhaus zu lassen, wenn ich es bedenklich finden würde.“ Beide tranken erst mal einen Schluck. „Wollen wir beide uns zu den Turteltauben nach draußen setzen?“ fragte Saber. Die Hebamme wiegte den Kopf. „Ich glaube nicht. Die beiden sind Turteltauben und eine ganze Woche getrennt gewesen.“ Nachdenklich lächelte der Schotte. „Vor ein paar Monaten hätt ich noch gesagt, dass sind sie gewöhnt, aber seit April schwanger ist, ist einer anhänglich geworden.“ – „Oh ja, sehr“ Chily schob sich an ihm vorbei und trat auf die Terrasse. „Manapi?“ Er folgte ihr. „Ja, Jolene?“ – „Was stand noch mal in dem Bericht gestern? Und was bedeutet es für uns?“ wollte sie wissen. Ihr Blick glitt über die Koppel und ihre beiden Pferde. „Fireball und Colt wurden von dem Fall abgezogen“, fasste er das Wesentliche zusammen. „Ich soll in Bereitschaft bleiben.“ Vielleicht hätte Sincia einmal danach gefragt, aber ganz sicher kein zweites Mal. „Also hier in Tucson-City?” hakte die Hebamme nach. Er nickte. „Ich bezweifle allerdings, dass die Ruhe lange anhalten wird.“ Sie schaute zur Scheune hinüber. Die Erinnerung daran, wie sie Patamon dort gefunden hatten, kehrte zurück. Chily setzte sich. „Und wo wirst du bleiben?“ bohrte sie weiter. „Ich bleibe solange bei euch, ist doch selbstverständlich“, erwiderte er. „Wo genau? Wo wirst du übernachten?“ Dabei schaute sie ihn aufmerksam an und gab ihm ein Zeichen sich zu ihr zusetzen. Saber folgte der Aufforderung. „Ich schwanke noch. Einerseits will ich euch nicht unnötig einer Gefahr aussetzen, aber andererseits will ich euch auch nicht alleine hier lassen, “ ließ er sie an seinen Überlegungen teilhaben. „Was sagen denn deine Vorgesetzten oder die Dienstvorschrift?“ fragte sie weiter. „Die Dienstaufsicht sagt dasselbe, wie Commander Eagle: Tu, was du für richtig hältst, “ antwortete er und musterte sie von der Seite. „Naja, vielleicht sollte ich hier auf der Ranch bleiben, für alle Fälle.“ Wieder hakte sie nach. „Vielleicht?“ Jetzt runzelte er die Stirn. Konnte es sein, dass sie ihn nicht im Haus haben wollte? Auf seinen Vorschlag zusammenzuziehen hatte sie auch nicht gerade mit Begeisterungsstürmen reagiert. War es ihre Art ihm zu sagen, dass er ausquartiert werden sollte? „Soll ich nicht?“ wollte er deshalb verwundert wissen. Chilys Gedanken gingen gerade in eine andere Richtung. „Zumindest Fire und April sollten weggehen. Zur Kur. Wo sie es ruhiger hat und Fire wäre ja in Rufbereitschaft, “ meinte sie. „Ein bisschen Urlaub sozusagen. Haben die zwei sich einen Honeymoon überhaupt schon verdient?“ schmunzelte er, wurde aber gleich wieder ernst. „Was ist mit dir? Du solltest auch raus aus Tucson City.“ Die Hebamme dreht sich zu ihm. „Zwei Worte: Eh eh, “ erklärte sie entschieden. „Kleiner Starrkopf!“ tadelte der Starsheriff. „Colt und Robin sind auch noch hier. Ich bleibe in meinem Haus, “ begründete sie ihre Entscheidung. „Dann bleibe ich bei euch dreien, “ bestimmte er. „Im Haus?“ Der erfreute Unterton in ihrer Stimme verleitete ihn zum Necken. „Ja, sogar in deinem Bett“, entgegnete er verschmitzt. Schwungvoll stellte sie die Tasse ab und fiel ihm um den Hals. „Gott sei danke.“ Verblüfft verschüttete er den Inhalt seiner Tasse. „Mach ich doch gerne“, murmelte er warm. Sie drückte sich an ihn. „Ich hatte schon Angst, du erzählst mir was von wegen Dienstvorschrift und geht nicht“, kam es von ihr. „Du solltest dir die Dienstvorschrift eines Star Sheriffs wirklich mal genauer durchlesen. Arbeiten nach eigenem Ermessen, “ meinte er beruhigend. „Ich hab noch nicht mal den Titel gelesen, ich hatte sie nämlich noch nicht in den Händen.“ Damit rückte sie wieder von ihm ab. „Die verlassen das Oberkommando auch nicht. Dachtest du, ich würde dich ohne Begleitschutz hier lassen?“ fragte er und rutschte wieder näher zu ihr. „Was soll ich mit Begleitschutz? Ich will deinen Schutz, “ erklärte sie. Er legte den Arm um ihre Schulter und versicherte: „Ich werde dich beschützen. Aber du musst dich von mir auch beschützen lassen.“ Die Mahnung konnte er sich nicht verkneifen. „Ich glaube nicht, dass ich dir so einfach davon laufen kann, wie dem Wachposten im Hotel“, grinste Chily. „Nein, ich lass mich nicht so einfach ausspielen. Ich kann nämlich das.“ Damit drückt er ihr einen stürmischen Kuss auf die Lippen. Ihre Tasse kippte um. „Öhm“, begann sie. „Ich glaub, ich leg es trotzdem mal drauf an.“ Dabei hielt sie den Kopf gesenkt um dem Schalk in ihrem Gesicht zu verbergen. „Tu es nicht. Lauf mir nicht davon, “ bat er. „Doch.“ Sie grinste spitzbübisch und schlüpfte rasch an ihm vorbei die Stufen hinab. „Fang mich, wenn du kannst“, lachte sie. Also gut. Das Spiel spielte er mit. Er sprang ebenfalls auf. „Muss ich zu drastischeren Maßnahmen greifen? Willst du das, Jolene Adams?“ drohte er scherzhaft und folgte ihr. „Haha, dazu musst du mich erst mal erwischen.“ Chily lief an der Scheune vorbei und verschwand dahinter. Sie hörte seine Schritte und schlüpfte durch die Hintertür hinein. „Na, warte. Dich erwisch ich schon noch.“ Dann stand er auch im Schober. „Von wegen, “ hörte er sie necken. Die Hebamme hielt sich hinter eine Gerätekiste verborgen. Sie konnte ihn sehen, aber er sie nicht. „Komm raus, Jolene. Du hast ja doch keine Chance.“ Suchend sah er sich um, entdeckte sie aber nirgends und änderte seine Taktik. Er tat so, als würde es ihn nicht interessieren. „Ich hol mir noch einen Kaffee“, erklärte er. Vorsichtig schielte sie hinter ihrem Versteck hervor. Er hatte sich noch nicht mal zum gehen gewandt und stand mit dem Rücken zur Hintertür und ihrem Versteck. Die Tür war noch offen. Leicht stieß sie sie mit dem Fuß an und ließ sie zufallen. Achtete dabei sehr genau darauf, dass sie unbemerkt blieb. Als die Tür zuschlug, fuhr Saber herum. „Du kleines Biest willst mich einsperren?“ Er schritt auf den Hintereingang zu. „Die Masche zieht bei mir nicht.“ Darauf hatte sie nur gewartet. Leise schlicht sie in Richtung der Leiter, die hinauf zum Heulager führte, und stieg vorsichtig hinauf. Die dritte Sprosse knackte. Wieder fuhr der Blonde herum und hechtete zu ihr, bevor sie ihm entkommen konnte. Er erwischte sie am Fuß. „Hab ich dich“, triumphierte er. „Wie unhöflich. Du guckst mir ja unter den Rock, “ protestierte sie und versuchte seine Hand abzuschütteln. „Ehrlich?“ Keck lüftete er ihren Morgenmantel und gestattete sich einen anerkennenden Blick auf ihre Beine, die unter dem leichten Etwas von Nachthemd hervorschauten. „Stimmt“, bestätigte er und zog sie von der Leiter in seine Arme. „Also wirklich! Vielleicht ein Offizier, aber eindeutig kein Gentleman, “ empörte sie sich grinsend. „Wer sagt, dass man beides sein sollte?“ wollte er wissen und trat einige Schritte von der Leiter weg. „Keiner. Ich dachte, du wärst es, “ schmollte sie erheitert. „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, “ versicherte er. „Schlimm. Du hast mich doch erwischt. Und jetzt? Folgen nun die drastischeren Maßnahmen?“ stichelte sie und brachte ihn auf einen gar nicht so schlechten Gedanken. „Oh, ja, “ lächelte er und begann an ihrem Ohrläppchen zu knabbern. Sie tat gelangweilt. „Hm“, gähnte sie. „Wirst du das so lange machen, bis ich einschlafe? Weil nur dann wäre es eine Strafe.“ Die Kritik beherzigend ließ er seine Küsse ihren Hals hinab wandern. „So schlimmer?“ hakte er nach. „Ja.“ Sie strampelte sich von seinen Armen hinunter, weil es unbequem wurde und versuchte prompt noch einmal zu fliehen. Diesmal hatte sie wirklich keine Chance. „Halt, hier geblieben!“ Er schnappte sie am Handgelenk und zog sie wieder an sich. Mit der anderen Hand strich er den Morgenmantel über ihre Schultern und presste ihr einen Kuss auf die Lippen, der verriet, dass er allmählich Lust auf mehr bekam. „Und wenn ich nicht will?“ wollte sie wissen, wobei sie mit der freien Hand über seine Schulter und den Rücken fuhr. „Dann hab ich noch das hier als Argument“, versetzte er und streifte ihr das Kleidungsstück ganz ab. „Aha“, kommentiere sie trocken. „Ärgerst du mich noch länger?“ hakte er nach. „Das war der Plan“, raunte sie ihm ins Ohr und fing an am Ohrläppchen zu knabbern. Sabers Hand glitt ihren Oberschenkel entlang und schob das Nachthemd gleich mit hinauf. „Und wie länge hältst du das durch?“ murmelte er zwischen zwei Küssen. „So lange, wie ich ungeschoren davon komme“, flüsterte sie zurück. Dummerweise hatte er sich schon für den Tag angezogen, weshalb sie jetzt sein Hemd wieder aufknöpfen musste. Seine Hände schoben ihr Becken noch näher zu sich. „Ich hab heute keine Geduld“, bemerkte er. „Und das bedeutet?“fragte sie arglos und zog sein Hemd aus der Hose. „Du kommst nicht lange ungeschoren damit davon“, versprach er leise. Sie strich ihm das Kleidungsstück über die Schultern. „Was du nicht sagst“, wisperte sie neckisch. „Glaubst du mir nicht?“ Seine Küsse verteilten sich über ihre Schulter. „Kein Wort.“ Ihr Mund fuhr von seinem Hals über seinen Oberkörper. „Dabei war ich so ungezogen.“ Mit einem unterdrückten Seufzer hob er sie hoch und trug sie zu dem Heuhaufen neben dem Hintereingang. Vorsichtig bettete er sie darauf und beugte sich über sie. „Du warst sehr ungezogen, Jolene“, bestätigte er. „Ich glaube, ich muss dich bestrafen.“ Wieder schob er ihr Nachthemd nach oben. „Du traust dich ja nicht“, stichelte sie sanft. Sein Hemd flog zur Seite. „Glaubst du mir wieder nicht?“ Der Stoff des Nachthemdes rutschte über ihren Bauch. „Nein, du redest ja nur“, fuhr sie fort ihn zu reizen, während ihre Hände zu seinem Hosenbund wanderten. „Beweise“, forderte sie keck. Dafür musste sie sich von ihrem Kleidungsstück trennen. „Da hast du deine Beweise.“ Sie folgten in Form von vielen Küssen um ihren Bauchnabel und ersetzten allmählich ihren Verstand durch ein angenehmes Prickeln. „Manapi.“ Mehr als ein Hauchen brachte sie nicht fertig. Kurz schaute er zu ihr auf. „Genug Beweise?“ – „Du bist böse.“ Diese Feststellung zog eine weitere Strafe auf sich. Saber drückte ihre Handgelenke neben ihr ins Heu und fuhr mit der Zunge sachte Kreise um ihren Nabel. Sie schnappte nach Luft und wand sich unter ihm. Hatte sie noch zuvor versucht die Sträubende zu mimen, war jetzt offenkundig, dass sie es nicht war. Das Kribbeln wurde intensiver und wolliges Seufzen war von ihr zu hören. Zufrieden lächelte Saber vor sich hin und fuhr mit den Liebkosungen fort. Sie drehte ihre Hände aus seinem Griff und drückte ihn an den Schultern von sich. Oh man, was machte er mit ihr? „Böses Manapi“, hauchte sie. Er tat unschuldig. „Wieso denn? Ich hab gar nichts gemacht.“ – „Nein. Überhaupt nicht, “ grinste sie vielsagend und drückte ihn nun ihrerseits schwungvoll ins Stroh. Er stützte sich auf den Ellenbogen ab. „Hey, was wird das, wenn es fertig ist?“ Chily beugte sich über ihn. „Strafe“, erklärte sie bedeutungsvoll und öffnete seinen Gürtel. Saber lachte leicht. „Auf keinen Fall.“ Sie hockte sich auf ihn. „Oh doch. Jeder kriegt was er verdient, “ raunte sie und machte sich an dem Verschluss seiner Hose zu schaffen. Er lehnte den Kopf in den Nacken und schloss genüsslich die Augen. „Ich komm in den Himmel, ich weiß es genau.“ Kapitel 10: Oh cry out II ------------------------- Der Morgen hatte noch einiges mehr zu bieten als Versöhnung und Zweisamkeit, wie Fireball feststellte, als das Telefon klingelte. Da Chily nicht im Haus war und April sich auf dem Sofa noch ausruhen sollte, hechtete er zum Fernsprecher und nahm den Anruf entgegen. „Hallo?“ Eine aufgelöste Robin meldete sich. „Hi Fireball, bist du das? Sind die anderen auch da?“ Er runzelte die Stirn. Weshalb war sie so aufgeregt? „Ja und nein“, antwortete er. „Ich bin dran. Die anderen sind mir grad ein bisschen abhanden gekommen. Was ist denn los?“ – „Es geht um Colt.“ Die Lehrerin schluckte Tränen hinunter. Er wurde nervös, weil er nicht sehen konnte, wie gut oder schlecht die Braut des Scharfschützen sich fühlte. „Was ist mit ihm?“ wollte er wissen. „Er ist aus dem Koma.“ Die Stimme gehorchte ihr nicht. Sie holte Luft. „Er ist wieder aufgewacht.“ Fast hätte er den Hörer fallen lassen. „Sag das noch mal“, forderte er ungläubig. „Er ist wieder wach. Er ist wieder da.“ Diesmal war ihre Tonlage eindeutig in Freude getränkt. „Okay, jetzt hab ich es. Ich pack die anderen ein, in einer halben Stunde sind war da!“ Damit legte er den Hörer schwungvoll auf und stürmte freudestrahlend zu April ins Wohnzimmer. „Robin hat grad angerufen“, rief er. „Unser Viehtreiber riskiert schon wieder eine dicke Lippe.“ Überrascht stand die Blondine auf. „Wie bitte?“ Diese Information kam zu zusammenhangslos für sie. Er drückte sie aufs Polster zurück. „Setz dich wieder, Süße“, mahnte er. „Ich muss sowieso erst mal Chily und Saber auftreiben, bevor wir ins Krankenhaus zu Colt können“, sprudelte er dann hervor. April konnte sich noch immer keinen Reim auf diese Aussage machen. „Was ist denn jetzt mit Colt?“ bohrte sie. „Colt ist wieder wach“, gab er, schon halb wieder aus dem Raum, zurück. „Ich komm gleich wieder, muss nur die zwei Zauberkünstler mit ihrem Verschwindetrick finden. Lauf mir ja nicht weg, meine Süße.“ Dann überlegte er es sich anders und kam wieder zu ihr. „Aber nicht ohne einen Schmatzer.“ – „Na das denk ich doch“, lächelte sie und ließ ihre Erleichterung an ihrem Freund aus. „Das sind so gute Nachrichten“, entgegnete sie und drückte ihm einen herzhaften Kuss auf die Lippen. In der Scheune schmiegte Chily sich behaglich an Saber. Er lag auf dem Rücken und hatte einen Arm um ihre Schulter gelegt. Sie erhob sich ein wenig, stützte sich auf dem Ellenbogen ab und fuhr kraulend mit der anderen Hand über seinen Oberkörper. „Noch mal“, bat sie und schenkte ihm einen liebevollen Blick. Er zog sie näher zu sich, damit sie sich auf seine Brust legen konnte und versprach leicht lächelnd: „Nachher.“ Sie hatte sich noch nicht wieder richtig an ihn gekuschelt, da hörten sie den Rennfahrer draußen rufen. „Saber? Chily? Wo steckt ihr?“ Sie fuhren beide auf. „Er muss dringend an seinem Timing arbeiten, “ brummte der Recke. Die Schritte von außerhalb kamen schnell näher. Rasch schlüpften die beiden in die Kleidungsstücke, die sie finden konnten. Als der Japaner die Scheunentür öffnete, saßen Saber und Chily neben einander im Stroh und sahen ihn einigermaßen ertappt an. Unschuldig grüßte die Hebamme. „Hi.“ Der Eintretende warf einen genauen Blick auf die Szene. Der Schotte hatte seine Hosen angezogen, sein Hemd trug allerdings die kleine Hebamme. Deren Morgenmantel und das Nachthemd lagen noch, wo sie zuvor hingefallen waren. Das erklärte alles. „Hey. Eure halbe Stunde ist um! “ stellte der Rennfahrer verschmitzt fest. „Wir wollten grad kommen, “ versicherte Chily hastig. „Seid ihr doch schon, “ bemerkte Fireball. Der Versuchung das Paar vor sich damit aufzuziehen, konnte er nicht wiederstehen. „Ich unterbrech eure kleine Trainingsstunde wirklich nur ungern, aber unser Plappermaul quatscht Robin die Ohren schon wieder voll.“ Mit vielsagendem Blick auf die Jugendfreundin des Scharfschützen fügte er hinzu. „Sabers Hemd steht dir ausgezeichnet, Chily, aber fürs Krankenhaus solltest du dir dann doch was anderes anziehen.“ Der schoss die Verlegenheitsröte in ihrer dunkelsten Schattierung ins Gesicht. „Sehr taktvoll“, tadelte der Recke nüchtern. „Ich hätte auch was im Rennfahrerjargon fallen lassen können, wäre nicht ganz so taktvoll gewesen“, erklärte die Spottdrossel unbeeindruckt und drehte sich weg. „April und ich warten im Wohnzimmer auf euch. Aber beeilt euch bitte, ich hab keine Lust euer zweites Nümmerchen noch abzuwarten.“ Bloß gut konnten sie sein fieses Grinsen nicht sehen. Das musste er Colt einfach unter die Nase reiben. „Blanker Neid“, meinte Chily laut um die Verlegenheit zu überspielen. „Der kommt ja nicht mehr dazu.“ Saber nickte. „Schon länger nicht mehr, das stimmt.“ Chily war die erste, die Colts Krankenzimmer betrat. Mit einem Satz war sie auf seinem Bett und umarmte ihn mit einem „Bullet“, das einfach nur froh klang. Robin lehnte am Fensterbrett und lächelte milde. „Na, alles noch dran, Colt?“ fragte Saber beim Eintreten. „Der Schönheitsschlaf hat aber nix geholfen, wie man unschwer an deinem Bart erkennen kann, Numero Uno“, neckte Fireball, kaum das er mit April an der Hand, in den Raum gekommen war. Colt keuchte übertrieben. „Hilfe ... Ich ersticke...“ Aber Chily blieb, wo sie war. „Ich würde darauf tippen, dass du das jetzt ertragen musst, für den Schrecken, den du uns da eingejagt hast“, stellte der Recke schmunzelnd fest. „Allerdings“, bekräftigte April. „Tu dir keinen Zwang an Chily.“ Die schmiegte sich prompt noch ein wenig enger an ihren Schulfreund. „Ah, das tut doch weh, tut es doch“, protestierte der Kranke und sie lockerte die Umarmung wieder. „Ich weiß nicht, ich glaub, dass hast du verdient, “ befand die Navigatorin und trat zu Robin ans Fenster. „Oder?“ Die Gefragte nickte. „Mein armer Schatz.“ Noch immer lächelte sie über die beiden. Langsam wurde ihr leichter ums Herz, das war ihr anzusehen. „Sie kuschelt echt gern Boss. Aber mit einem andern? Dass das weder dir noch Robin zu denken gibt, “ bemerkte der Rennfahrer kopfschüttelnd und schlich am Fußende vorbei zu seiner Freundin. „Sie kuschelt auch mit dir. Und vor allem das sollte mir zu denken geben, “ kam es nüchtern zurück. Die beiden Blondinen am Fenster sahen den Fremdschmuser tadelnd an. „Was tut sie?“ hakte Colt vom Bett aus nach. Fireball sah an sich hinab und hob verständnislos die Schultern „Weshalb ist das jetzt abwegig?“ –„Es ist die falsche Frau. Wie wäre es damit?“ erwiderte Colt, konnte sich aber nicht aufrichten, weil Chily noch an ihm hing. „Vielleicht solltest du nur mit der Frau kuscheln, die den Baby trägt“, schlug die Lehrerin vor. „Ihr tut ja, als wären wir schon verheiratet“, muckte er, betrachtete seinen Finger, an dem kein Ehering steckte, und fügte hinzu. „Muss euch leider enttäuschen. Noch bin ich Junggeselle.“ April verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast gute Chancen es zu bleiben.“ Der Recke seufzte erleichtert. „Wenigstens hat er nicht gesagt, er schmuse wirklich nur mit Frauen, die sein Kind erwarten.“ Mit einem kurzen Blick auf den Schotten begann Fireball sich bei seiner Herzdame einzuschmeicheln. Er legte den Arm um ihre Taille. „Du weißt doch, wie ich es meine, Süße“, begann er. „Jaja.“ Sie schob ihn ab. „Jetzt auf einmal“, grinste sie. Anklagend wies er auf Chily. „Sie hat gesagt, wir sollen es nicht überstürzen, sonst würdest du schon längst Hikari mit Nachnamen heißen.“ Er lächelte sein unschuldigstes Lächeln und kombinierte es mit einem tiefen Blick in ihre blauen Augen. „Du weißt, was du mir bedeutest.“ Spöttisch verzog der Kuhhirte bei der Szene das Gesicht. „Bloß gut kann ich grad noch nicht aufstehen, sonst würde ich auf der Schleimspur glatt ausrutschen.“ Er grinste munter, als hätte er nie im Koma gelegen. Langsam fühlte er sich wieder gut. Sie waren hier. Sein Traumpaar, das Superschwert, seine beste Freundin und, am allerwichtigsten, seine Robin. Die erklärte jetzt. „Glaub mir, so weit kommst du nicht. Ich würde dich nämlich nicht aus dem Bett lassen.“ Sein Blick war vieldeutig. „Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?“ – „Wie hättest du es denn gerne?“ fragte die Lehrerin und hob spielerisch drohend die Faust. „Rate mal“, kam es von ihm. „Dann war es eine Drohung“, entschied sie lächelnd. Colt gab sich gekränkt. „Na, zum Glück hab ich noch jemanden, der sich nur freut, dass sich wieder wach bin“, meinte er zufrieden und strich seiner Schulfreundin leicht die Haare zurück. „Ich glaub, sie ist angewachsen“, stellte Saber fest und neigte grüblerisch den Kopf. Langsam könnte sie ihn ja ruhig wieder so umarmen. „Ich glaube auch“, gab Robin ihm Recht. „Ich sollte dem Arzt Bescheid sagen.“ Chily rührte sich nicht mal, als Fireball noch eins draufsetzte. „Sag ihm, wir bräuchten eine Notschlachtung, dann weiß er Bescheid.“ Dafür bekam er von Colt einen Hinweis. „Eine Hand um dir eine Überzubraten hab ich noch“, erinnerte der und unterstrich das Gesagte mit einem warnenden Blick. „Hau nicht mir eine runter, sondern dem da“, verteidigte der Japaner sich und wies mit dem Daumen auf den Schotten. „Der verführt neuerdings kleine Hebammen in der Scheune.“ „WAS?“ Der Cowboy fuhr in die Höhe, so ruckartig, dass die Hebamme von der Decke fiel und auf dem Boden zwischen Bett und Wand purzelte. „Aua“, klagte sie dort. „Das musste ja kommen. Hab mich schon gefragt, wie lange du die Klappe hältst, “ erwiderte der Blonde trocken. Robin und April guckten unter dem Bett durch zu Chily. „Wann?“ fragten sie zeitgleich. „Ist etwa eine halbe Stunde her“, grinste der Rennfahrer mit Blick auf die Uhr. Saber schlug sich die Hand vors Gesicht. Da konnte er ja noch von Glück sagen, dass Fireball nicht noch mehr Details wusste. „Ich kastrier dich eigenhändig“, knurrte der Scharfschütze ärgerlich. Chily erhob sich. „Untersteh dich, Bullet. Sei lieber dankbar, dass du noch nix da unten verloren hast, “ konterte sie. Jetzt fiel dem auf, dass sie in der Eile zuvor nur eben in den Schrank gegriffen und das erstbeste Kleid angezogen hatte und das war Mini. Mit der gesunden Hand zupfte er ihren Saum nach unten. „Zieh dir das Ding runter, kann ja jeder deinen Hintern begutachten“, nörgelte er kopfschüttelnd. Dann nickte er dem Recken zu. „Mit dir unterhalt ich mich später“, informierte er. Die Hebamme rollte die Augen. Ging das schon wieder los? „Das ist nicht länger. Das Model heißt nicht umsonst "Schneller Zugriff", “ parierte sie und sah zu, dass sie zu Saber ans Fußende des Bettes kam. „Ihr habt vorher wirklich noch Kaffee getrunken. Und danach auch noch eine Tasse, so wie ich das jetzt mit Schnell interpretieren konnte;“ grinste Fireball anzüglich. „Kein Wunder, wollte dich April nicht öfter als einmal im Monat sehen“, versetzte der Recke und schlug sich wieder die Hand gegen die Stirn. „Ich glaub die Milch in den Pfannkuchen war sauer“, grübelte Chily laut. „Nein“, beruhigte der weibliche Starsheriff sie. „Der Schaden war vor den Pfannkuchen schon vorhanden und ist irreparabel.“ Stirnrunzelnd hatte die Lehrerin zugehört. Das klang ja bedenklich. „Ich glaub, ich bin grad froh, dass ich hier war und nicht in dem andern Kranken Haus, “ bemerkte sie trocken. „Du meinst die Irrenanstalt, die sich Adams Ranch schimpft. Ja, ich bin auch grad ganz froh um mein Nickerchen, das ich hier machen durfte, “ blies der Scharfschütze in das gleiche Horn. „Hat es deshalb so lange gedauert?“ neckte sie. „Ich wollte mich mal richtig von dem Geplapper meiner Kameraden erholen, deshalb“, grinste er zurück. „Komm her, mein Schatz“, bat er dann und winkte sie zu sich. Sie folgte der Aufforderung und setzte sich zu ihm aufs Bett, bedacht darauf, weder den Infusionsschlauch abzuknicken, noch auf die eingegipsten Glieder zu drücken. So rutschte sie zum Kopfende hinauf und fuhr Colt liebevoll über die Locken, die sich endlich wieder krausten. Der schloss genießerisch die Augen. Fireball schloss April innig in die Arme und ließ seinen Blick dezent durch die Runde gleiten. „Endlich ist zusammen, was zusammengehört“, flüsterte er ihr ins Ohr. Sie schaute sich ebenfalls unauffällig um ehe sie nickte. „Ja, auch wenn die zwei da noch etwas zusammen rücken könnten“, raunte sie zurück und blickte noch einmal flüchtig zu Saber und Chily, die zwar beide am Fußende standen, jedoch noch ein größeren Abstand zwischen sich hatten. Der Rennfahrer verstand. „Kommt schon noch. Mussten wir beide schließlich auch erst lernen, “ murmelte er zurück und hauchte ihr einen kleinen Kuss auf die Nase. Eine Stille trat ein, die Chily nicht deuten konnte. Robin und Colt schmiegten sich aneinander. Fireball und April flüsterten sich etwas zu. Noch ein paar Augenblicke und Chily hätte das Gefühl, sie wäre nicht willkommen. Saber schien es ähnlich zu gehen. Die Hebamme räusperte sich. „Wie lange sagt der Arzt, musst du noch bleiben?“ wollte sie wissen. „Der hat gar nix zu sagen. Ich geh heute heim, aus, ende, “ grinste der Scharfschütze prompt zurück. „Quatsch. Weiß nicht genau, er wollte mir sein Geheimnis noch nicht anvertrauen, “ beruhigte er dann seine Freunde, die ihn ansahen, als würden sie ihm das wirklich zutrauen. „Du bindest ihn ans Bett, wenn er wirklich Unsinn machen will?“ fragte Chily die Lehrerin. „Ich hab Saber schon um ein paar Handschellen gebeten“, nickte die besänftigend. „Ich bin ja nicht Chily, die alles hasst, was sie in irgendeiner Form fesseln könnte.“ Colt schenkte Robin einen vieldeutigen Blick. „Oh, na dann wird es auch niemals Ringe für Chily geben. Sind schließlich die kleinsten Fesseln der Welt, “ stellte April mit einem leicht enttäuschten Unterton fest. Sie hatte immerhin für ihren ehemaligen Vorgesetzten zu hoffen begonnen, dass der in einer ernsthaften Beziehung nun endlich glücklich wurde. „Vielleicht ja doch“, schürte Robin diese Hoffnung. „Da war doch was mit Zusammen ziehen bei euch beiden?“ Fragend schaute sie die beiden an. „Ist nicht wahr?“ Colt knallte ins Bett zurück. Dort rührte er sich nicht mehr. Die Hebamme beobachtete ihn einen Weile und wollte dann vorsichtig wissen. „Ist er tot?“ – „Der tut nur so“, stellte Robin fest, als sie dem Cowboy über die Locken und das Gesicht strich. „Wann ist es soweit?“ bohrte sie dann. Colts Jugendfreundin schluckte verlegen und schaute den Recken an. Der hatte ihr zwar gesagt, dass er gern mit ihr in einer gemeinsamen Wohnung leben wollte, aber ab wann, hatte er nicht verlauten lassen. Nun griff er behutsam ihre Hand. „Wenn alles überstanden ist, sehen wir weiter“, erwiderte er unbestimmt. Chily runzelte die Stirn. „ So wie der Fall grad läuft? Also nie, “ bemerkte sie nüchtern. Der Kuhhirte fuhr augenblicklich wieder in die Höhe. „JUHU.“ – „Idiot!“ tadelte die Lehrerin und drückte in auf die Matratze zurück. „Zieht ihr hier her oder zu dir nach Yuma?“ fragte April neugierig. „Nach dem derzeitigen Stand der Dinge: nach Yuma.“ Der Schotte blickte die Kleine noch mal fragend an. Es war immerhin eine Großstadt, deshalb versprach er noch schnell. „Natürlich in eine Wohnung am Stadtrand.“ Erleichtert nickte sie. „Ich brauch ja Platz für Demon und Angel“, ergänzte sie. „So nennt man die Fluchtmöglichkeit jetzt also“, kommentierte der Rennfahrer spitz. „Nach Yuma? Gott sei Dank, “ meldete sich Colt. „Da bin ich ja in der Nähe.“ Das schien ihn zu beruhigen. „Nix da, du lässt die zwei in Ruhe! “ wies seine Braut ihn gleich in seine Schranken. „Tu ich doch. Ich halt mich aus dem Zickenterror zwischen dir und Chily raus, der zwangsläufig entstehen wird, wenn wir vier erst zusammen wohnen, “ erklärte er darauf sachlich. Er hatte den Satz kaum beendete, da ertönte ein ungehaltenes „COLT!!!“ gleichzeitig von Chily und Robin. „Ich liebe es, wenn Frauen meinen Namen rufen“, grinste er frech und mit sich vollkommen zufrieden. Dass die Lehrerin ihm eine Kopfnuss verpasste, störte ihn nicht. „Merkt man“, kommentierte der weibliche Starsheriff. „Egal, wie wütend, Hauptsache sie nennen deinen Namen.“ Unschuldig schaute der Kuhhirte sie an. „Ich hab eine Woche darauf verzichten müssen“, klagte er. „Und das willst du auf Biegen und Brechen nachholen. Sieht man, “ lächelte der Recke verständnisvoll. „Und dein Nachholbedarf deckst du am besten sonst wo, aber nicht an meiner Chily, “ warf Colt dem Blonden postwenden an den Kopf. „Wie ein Zuchthengst sieht er eh nicht wirklich aus, Colt, “ lachte Fireball munter. „Da fällt decken aus.“ – „Das reicht. Der ist tot.“ Chily machte Anstalten sich auf den früheren Schulfreund zu stürzen. Saber hielt sie fest und schüttelte den Kopf. „Schön zu sehen, dass du wieder der Alte bist“, seufzte er. Sanft strich Robin dem Vorlauten über die Wange. „Ja, er ist wieder ganz der Alte.“ Irgendwie wirkte dieses lose Mundwerk doch beruhigend. „Leider.“ Chily löste sich vom Schotten. „Das Narkotikum hat ihn auch nicht klüger gemacht“, versetzte sie dann keck. „Ist doch klar. Wo nichts ist, kann nichts werden, “ erklärte der Pilot und klopfte sacht auf den Kopf des Scharfschützen. „Siehst du, ist noch genauso hohl wie vorher.“ Die Nähe nutzte der sofort aus und schnappte sich den Kragen des Klopfers. „Gleichfalls Turbopfeife.“ Lachend befreit sich der Japaner aus dem Griff. Auch wenn er sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als es zuzugeben, aber diese Wortgefechte hatte er vermisst. „Nö, etwas mehr als du muss ich haben. Ich bin noch nie wie Blei vom Himmel gefallen, “ erklärte er munter. An diesen Absturz wollte der Kuhhirte lieber nicht denken. Er verzog das Gesicht und grummelte: „Dafür Felswände runter. Wo ist der Unterschied?“ Saber sah eine Möglichkeit es gleich beiden Großklappen heimzuzahlen. „Dir fehlt offenbar das Gedächtnis, das du verlieren kannst“, sagte er. Dafür erntete er nicht nur erstaunte Blicke von den beiden sondern einen leichten Seitenhieb von Chily. „Böse!“ rügte sie und zog die Augenbrauen missbilligend zusammen. „Mach so weiter und "Nachher" habe ich Kopfschmerzen“, fügte sie hinzu. Saber schoss eine leichte Röte ins Gesicht, als allen anderen in lautes, schadenfrohes Gelächter ausbrachen. „Solang es keine ausgewachsene Migräne ist“, murmelte er zurück. „Das liegt ganz bei dir“, gab sie zurück und lächelte sanft. „Aufhören! Jetzt krieg ich Kopfschmerzen, “ krähte der Scharfschütze und fügte angewidert „Pfui deibel“ hinzu. Chily krabbelte zu ihm aufs Bett. „Schon gut“, meinte sie friedfertig und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. „Ich muss leider gehen. Hab zu Haus noch zu tun, “ erklärte sie und krabbelte vom Bett runter. „Ich kann es mir vorstellen.“ Colt verzog das Gesicht. „Das Bild krieg ich nie wieder aus meinem Kopf. Danke!“ Chilys linke Augenbraue zuckte tadelnd nach oben. „Ich muss eine Patientin zur Kur schicken. Weißt du, gelegentlich arbeiten Leute auch noch, “ bekundete sie trocken. „Arbeit? Hab ich noch nie von gehört, “ warf er zurück. Dieses Thema setzte bei ihm Erinnerungen in Gang. Chily war Hebamme. Die Hebamme von April, weil die schwanger war. „Wie geht es dir eigentlich, April?“ fragte er dann. „Alles in Ordnung, dank Chily“, antwortete die Gefragte. „Freut mich zu hören. Unser Turbofreak wär sonst auf Ramrod schon in Tränen ausgebrochen.“ Damit lehnte sich der Cowboy wieder auf die Matratze zurück. Saber revanchierte sich für das fiese Ausplaudern des Kameraden über das, was er in der Scheune gesehen hatte, und ließ trocken verlauten. „Ist er doch.“ Ein breites spöttisches Grinsen breitete sich auf Colts Gesicht aus. „Er ist halt doch noch ein kleines Kind.“ – „Okay“, meinte Chily. „Zeit den Kindergarten zu verlassen und mich um meinen Job zu kümmern. Bis später Leute.“ Sie verließ den Raum. Die Tür war noch nicht ins Schloss gefallen, da erklärte der Recke. „Ich klink mich dann auch mal aus. Muss noch ein paar Dinge aufarbeiten.“ Mit großen Schritten folgte er ihr. „Worauf, Saber?“ rief Colt ihm nach. „Er meint, Akten muss er aufarbeiten. Dein Absturz hat ziemlich viel Papierkram verursacht, “ informierte der Rennfahrer und nahm Aprils Hand. „Wir zwei sollten auch zusehen, dass wir Land gewinnen. Ich sehne mich nach meiner Schlafstätte auf der Ranch.“ Seine Übernachtung im Krankenhaus war nur deshalb angenehm gewesen, weil er bei April gewesen war. „Irgendwie, freut ihr euch gar nicht, dass ihr mich wieder habt“, stellte der Kuhhirte fest. Der Japaner drehte sich auf halbem Wege noch mal um. „Nö, gar nicht. So war es wenigstens schön ruhig ein paar Tage, “ versicherte er grinsend und bekam dafür das Kopfkissen ins Gesicht. „Raus, du Spund, “ schimpfte der Cowboy lachend. „Willst du dein Kissen wieder haben?“ drohte der Beworfene auf den Scherz eingehend. „Robin.“ Weinerlich wand Colt sich an seine Zukünftige. Sie schüttelte mild den Kopf und meinte: „Gib es ihm wieder, Fireball. Ich will mir das Geheule nicht anhören müssen.“ Das Kopfkissen flog zurück und landete ebenfalls im Gesicht des Kuhhirten. „Danke“, nuschelte der darunter hervor. „Ich komme wieder, Kumpel“, drohte der Rennfahrer an. „Beeile dich nicht damit“, warf Colt zurück und stopfte sich das Kissen wieder dahin, wo es hingehörte und kuschelte sich behaglich darauf ein. „Hab ich viel verpasst?“ wollte er wissen. Sie umrundete die Schlafstatt und machte es sich an seiner gesunden Seite bequem. „Nein“, antwortete sie. „Nur das übliche. Streit mit der Hebamme, ich hab Saber angekeift“ Das gestand sie beschämt. „und April hat ein paar Gänge weiter gelegen. Colt? Ich hatte solche Angst um dich. Mach das bitte nie wieder, “ bat sie inständig sanft. Ihr Bräutigam hatte ihr zugehört, aber eine Sache hatte seine Aufmerksamkeit besonders erregt. „Du hast Saber angekeift? Weswegen?“ Er nahm sie fester in den Arm. Ihre Gegenwart wollte er genießen, nachdem er überhaupt von Glück sagen konnte, dass er noch unter den Lebenden und an ihrer Seite weilte. „Ja. Ich hab ihm die Schuld gegeben, dass er dich nicht heil zu mir zurückgebracht hat, “ gestand sie kleinlaut. „Es tut mir leid, ich weiß nicht, was da bloß in mich gefahren ist.“ Das war ihr sehr unangenehm, auch, wenn der Recke ihr Fehlverhalten offensichtlich überging, als nicht geschehen. „Colt, ich weiß, dass Saber daran keine Schuld hatte, aber“, versuchte sie sich zu rechtfertigen. Der Scharfschütze schob sie leicht von sich, um sie mustern zu können. Hätte er eine zweite Hand zur Hilfe gehabt, hätte er nur ihr Kinn gehoben, aber so war es nicht so leicht. „Du hast was?“ hakte er ungläubig nach. Robins Augen füllten sich mit Tränen. Sie wusste, dass ihr Zukünftiger sehr viel von seinem Boss hielt und gar nichts auf ihn kommen ließ. Einzig jemand aus dem Team hatte das Recht dem Schotten irgendwelche Vorwürfe zu machen. Ganz sicher würde der Scharfschütze ihr jetzt den Kopf waschen. Ganz sicher, da hörte seine Liebe auf. „Es tut mir leid, Colt“, schniefte sie. „Ich war krank vor Sorge um dich“, brachte sie schwach zu ihrer Verteidigung hervor. Colt grinste breit, bei dem Anblick der Reumütigen. Dabei dachte er nicht im Traum daran ihr dafür die Leviten zu lesen. Im Gegenteil. Er konnte sich die Szene lebhaft vorstellen. Robin, wie sie den Blonden wütend anfunkelte, ihm am liebsten in den Hintern getreten hätte und dies, obwohl sie eindeutig die Ansicht des Scharfschützen über Ramrods kommandierenden Offizier teilte. Herrlich. Seine Robin hatte ganz klar Pfeffer im Hintern und sich wie eine Löwin für ihn eingesetzt. Phantastisch. Was für eine Frau. „Du bist echt die Allerbeste.“ Damit zog er sie wieder zu sich hinunter und gab ihr einen stürmischen Kuss. Überrascht rappelte sie sich wieder auf. „Was? Aber wieso?“ fragte sie überrumpelt. „Weil du bist wie du bist“, erwiderte er. Wieder zog er sie zu sich und gab ihr einen weiteren feurigen Kuss. Sie schlang ihre Arme um ihn und erwiderte die Zärtlichkeit. „Endlich, ich hab gedacht, du willst noch ewig zappeln“, murmelte er. Sie schlug ihm sacht auf die gesunde Schulter. „Colt!“ – „Das ist ein ernstes Problem für mich. Ich hab grad nur einen Arm mit dem ich dich halten kann, “ meinte er ernst. „Du Knallkopf, “ lachte sie auf. „Denkst du auch mal an was anderes?“ Erstaunt hob er die Brauen. „Als an dich? Schatz, hör mal. Ich hab grad gedacht, ob man auch gleich hier heiraten kann?“ erklärte er ernst. „Wir sollten damit warten, Colt. Bis das alles hier vorbei ist, bis April ihr kleines Töchterchen zur Welt gebracht hat und bis du wieder ganz gesund bist, “ antwortete sie ebenfalls ernst. „Ja, du hast Recht, “ gab er seufzend zu. Dann grinste er wieder fröhlich. „Wenn ich gesund bin, haben wir auch mehr von der Hochzeitsnacht.“ Wieder lachte sie. „Du bist unverbesserlich“, stellte sie einmal mehr fest. „Und du ein verdammt guter Grund schnell wieder auf die Beine zu kommen.“ Dann schenkt er ihr einen der zärtlichen Blicke, die er nur für sie hatte, und die sie zu streicheln schienen. „Krieg ich jetzt einen Kuss, meine liebste?“ fragte er dann beinahe etwas hilflos. Behutsam bettete Robin seinen Kopf ihn ihre Hände. Das war ihr Colt. So, wie nur sie ihn kannte und es war das größte Glück für sie, dass sie ihn wieder hatte. Dieses Glück legte sie in den erbetenen Kuss, der für Colt nie hätte enden müssen. In diesem Morgen lag alles, was sie brauchten um die Herausforderung zu bestehen, die ihnen noch bevorstand. Es war genauso, wie bei dem Treffen, welches der Scharfschütze organisiert hatte um seine Freunde in seine Heiratspläne einzuweihen. Dass er verletzt war, störte ihn nur, weil er diese Pläne noch nicht umsetzten konnte. Wenigstens hatte er in seiner zukünftigen nicht nur eine liebevolle Pflegerin, sondern auch die beste Motivation. Robin wich kaum länger als nötig von Colts Krankenbett. Auf der Adams Ranch verkam sie gelegentlich ohnehin zum fünften Rad am Wagen Aber das registrierte sie ohne Groll. Sie gönnte Saber und Chily ihr Glück. In gewisser Weise wohnten die beiden nun doch schon zusammen. Tagsüber, wenn die Hebamme bei ihren Patientinnen war, schrieb er die liegengebliebenen Berichte. Da er von seiner Crew vorläufig höchstens noch auf den Rennfahrer zurückgreifen konnte, beantragte Saber beim Oberkommando Vertretung für den verletzten Scharfschützen und die schwangere Navigatorin. Die Zeit verlief so, wie er es sich in einer Beziehung immer vorgestellt hatte. Chily wollte alles von seiner Arbeit wissen, was er erledigt hatte, was noch zu tun war und hielt ihre Ansicht nicht zurück. Umgekehrt war es genauso. Sie tauschten sich über ihre Berufe aus. Im Gegensatz zu seiner vorherigen Beziehung, wo seine Tätigkeit nur als Geldquelle geduldet worden war, wollte Chily alles über seine Aufgabenbereiche wissen. Es war ihr wichtig, die Hintergründe zu kennen. Schließlich liebte sie nicht nur die Privatperson, sondern auch den Starsheriff an Saber. Wie sehr ihm das zuvor gefehlt hatte, wurde ihm jetzt erst so richtig bewusst. April und Fireball waren von der Hebamme auf Kur geschickt worden. Zum Wohl der werdenden Mutter, die dringend Ruhe brachte. Über den Kurort hatte der Rennfahrer schon wieder diskutieren wollen, aber der Blick der quirligen, kleinen Geburtshelferin hatte ihn daran erinnert, dass er sich dies verkneifen wollte. Außerdem hatte die eine gute Wahl getroffen. April legte in dem Erholungsheim am Michigan See in Indiana, dem Nachbarstaat Kentuckys, bald alle Sorgen ab und entspannte sich immer mehr. Das Bäuchlein wölbte sich zusehends und gelegentlich musste sie den Rennfahrer ermahnen, es nicht ständig zu streicheln. Seine Fürsorge war, bei aller Liebe, manchmal erdrückend. Sie einigten sich auf den Namen für eine Tochter. Sie sollte Charlene heißen. Eine kleine Hommage an Charles Eagle und Jolene Adams. Weil Chilys Verdacht auf eine Tochter schon ärztlich bestätigt worden war, zerbrachen sich die beiden gar nicht erst den Kopf über mögliche Jungennamen. Ein Monat verging. Man konnte schon glauben, alles sei überstanden. Doch die Erfahrung hatte gelehrt, dass es nur die Ruhe vor dem Sturm sein konnte. Die Sache war noch nicht erledigt. Pennyrile gehörte immer noch der kleinen Hebamme, war unverändert vom Irokesen-Stamm besiedelt und barg in seinen tiefen Gängen womöglich das so wichtige und gefährliche Alkalit. So lange dies so war, hatten die Outrider nicht aufgegeben. Sie würden zurückschlagen. Da es solange friedlich blieb, konnte man getrost davon ausgehen, dass das schlimmste noch bevorstand. Mit diesem Wissen im Hinterkopf saß Saber an seinem letzten Bericht an Board von Ramrod. Der Friedenswächter parkte auf der Wiese hinter dem Adams Grundstück. Wie immer waren die Abtaster am Abend eingeschalten um sicher zustellen, dass sich niemand unbemerkt nähern konnte. Jetzt piepten sie. Der Recke fuhr hoch. Damit hatte er schon fast nicht mehr gerechnet. Der Bericht rutschte von seinem Schoss auf den Boden und bliebt dort ungeachtet liegen. Der Blonde sah zu, dass er zum Haus kam. Er schritt die Rampe hinab und sah sich in der Abenddämmerung um. Nichts war zu erkennen. Zügig setzte er seinen Weg fort, achtete auf leise Schritte um einen möglichen Gegner nicht zu warnen. Als er die Hintertür der Küche erreichte, blieb er stehen. Die Tür war angelehnt. Durch die Scheibe sah er Chily am Herd stehen. Die kleine Hebamme war frohgemutes als sie das Abendessen vorbereitete. Es machte ihr Freude für den Blonden zu kochen. Sie genoss es mit ihm zu wohnen. Die Vorstellung an eine gemeinsame Wohnung auf Yuma gefiel ihr immer besser und so summte sie leicht vor sich hin, während sie kochte. Dass sie Besuch bekommen hatte, bemerkte sie erst, als er fragte: „Er wohnt bei dir?“ Chily fuhr herum und starrte erschrocken in Deans Gesicht. Mit ihm hatte sie überhaupt nicht mehr gerechnet. Was wollte der hier? Sie rang nach Fassung und konterte trocken. „Im Gegensatz zu dir.“ Der schüttelte den Kopf. „Das hättest du mir nie erlaubt“, stellte er enttäuscht fest. Auf seine, recht dominierende, Art liebte er sie. Das ein anderer Mann für sie wichtig werden konnte, missfiel ihm. Mehr noch aber der Umstand, dass dieser auch noch in ihr Reich durfte, was ihm in der Beziehung mit ihr verwehrt geblieben war. „Du hättest mich ja auch sofort festgekettet, damit ich dir nicht mehr weglaufen kann“, antwortete sie. Das war ein sehr entscheidender Grund, weshalb alles zwischen ihnen zerbrochen war. „Hätte ich es mal. Dann wärst du jetzt da, wo du hingehörst. Bei mir, “ entgegnete er und trat eine Schritt auf sie zu. „Ich gehöre, wenn, dann an seine Seite, “ entschied sie, wobei ihr das Wort gehören schon viel zu besitzergreifend klang. Ausweichen konnte sie nicht. Sie stand mit dem Rücken gegen die Arbeitsplatte. Jetzt packte Dean auch noch ihr Handgelenk. „Er kann dich nicht glücklich machen. Er weiß nicht, was du brauchst.“ Dabei zog er sie an sich und presste seine Hüften an ihre. Hatte sie es sich doch gedacht, dass er „glücklich machen“ nur über Begierde definierte. „Jedenfalls rattert er nicht wie eine Nähmaschine“, Sie funkelte ihn provozierend an. „so wie du.“ Verächtlich schnaubte er. „Seine Gentleman-Nummer spielt der doch jeder vor. Bald schon wird er nicht mehr der sein, den du gerne hättest, “ garantierte er ihr. Sie versuchte sich von ihm loszumachen, aber er hatte einen festen Griff. „Das weißt, weil du aus Erfahrung sprichst? Was ich selber denk und tu, trau ich auch den andern zu, nicht wahr?“ warf sie zurück. „Nein. Bei mir weißt du, was du bekommst. Auf keinen Fall eine solche Mogelpackung wie Mister Hochadel! Du bekommst von mir, was du verdienst.“ Dabei rückte er ihr noch näher und ließ einen bedeutungsvollen Blick über sie gleiten. Hotpants, ein leichtes, luftiges Top waren eine Einladung für ihn, die er nicht ausschlagen würde. Seine Hand wanderte unter ihr Oberteil und schob es zurück. Sie trug neuerdings Satin. Musste an diesem Typen liegen, aber der Anblick gefiel Dean deshalb nicht weniger. „Glaub mir, ich verdien dich nicht.“ Damit griff sie nach seiner Hand um sie dort weg zu schieben. „Pfoten weg“, forderte sie so energisch sie konnte. Aber es beeindruckte ihn wenig. Sie hatte keine Fluchtmöglichkeit. Er stand zu dicht vor ihr, drückte sie zu nah an den Küchentisch und sie war zu schwach um sich wirkungsvoll zu wehren. „Oh doch, genau das hier verdienst du, “ lächelte er und öffnete auch noch den Knopf ihrer Hotpants. „Lass mich los.“ Sie versuchte ihn von sich zu schieben, drückte ihre Hände gegen seine Brust und trommelte dagegen, als dies ergebnislos blieb. Das Hämmern war schwach. Er hatte ihr schon immer Angst gemacht, weshalb ihre Abwehr recht mutlos war. „Hörst du schlecht?“ ertönte es von der Hintertür. Ein Stoß riss Dean von ihr weg und von den Füßen. „Die Lady hat gesagt, du sollst sie loslassen!“ erinnerte Saber. Sofort brachte sich die kleine Hebamme hinter seinem Rücken in Sicherheit. „Das hast du nicht um sonst getan, “ gab Dean zurück, funkelte ihn drohend an und trat kräftig gegen das Schienbein des Schotten. Doch es brachte den nicht wie erhofft zu Fall. Zwar verzog er kurz das Gesicht, war aber als Starsheriff gut genug im Training um davon nicht gleich einzubrechen. „Verlass dieses Haus“ verlangte Saber fest. „Du hast hier nichts zu suchen.“ – „Und du hast hier nichts zu bestimmen“, schnappte der Dunkelhaarige und erhob sich. „Sie duldet dich nur. Offensichtlich testet sie was neues, wie so oft. Wenn du ihr erst langweilig wirst, kannst du deine Koffer packen.“ Chilys kleinen Hände krallten sich in das Hemd des Blonden. Der blieb beschützend vor ihr stehen. „Ein Mann braucht mehr Facetten als nur eine. Und wie ich bemerken darf, ist deine wirklich mies, “ gab er zurück. Dean musterte die beiden, unschlüssig, wie er nun fortfahren sollte. Dem Schotten vor sich konnte er wohl nicht zu einem Kampf aufstacheln. Also musste er das verbal austragen. „Als ob deine so viel besser wäre. Wie lange willst du ihr noch den edlen Ritter vorspielen?“ hakte er nach. „Das muss ich nicht, weil ich es bin“, erwiderte Saber gelassen und fügte provokant hinzu. „Außerdem sind wir schon beim einfallsreichen Liebhaber angelangt.“ Chily ließ ihn los. „Einfallsreich? Du? Nur vorher, was. Und wenn es drauf ankommt, ist nach einer Minute alles vorbei?“ parierte ihr Verflossener. „Das ist lediglich das, was du denkst. Dir fehlt wirklich jegliche Phantasie, “ bemerkte der Recke und konnte sich ein kleines fieses Lächeln nicht unterdrücken. Dean begriff, dass er jemanden vor sich hatte, der ihm überlegen war. „Du musst echt ein Spinner sein. Das wird nicht ewig halten. Irgendwann wirst du ihr zu langweilig, “ versprach er, aber es klang nicht mehr so überzeugt. Ihm schwante, dass er Chily ganz verloren hatte. Eine späte Erkenntnis, aber so langsam brach sie hindurch. „Dann kann ich immer noch mit meinem Einkommen punkten“, grinste der Schotte breit zurück. „Nicht bei ihr. Sie ist anders als die meisten. Wenn du sie kennen würdest, würdest du das wissen, “ antwortete Dean und sah an Saber vorbei zu Chily. „Willst du den echt?“ fragte er sie. „Vor allem will ich, dass du endlich gehst und dich hier nie wieder blicken lässt“, gab sie bestimmt zur Auskunft. „Du hast die Lady gehört. Sei so freundlich und mach jetzt die große Verschwinde, bevor ich dir ganz unhöflich die Tür zeigen muss.“ Saber verschränkte die Arme vor der Brust und stand breitbeinig wie ein Schutzwall vor der kleinen. „Nein, noch nicht. Chily und ich sind mit unserem Gespräch noch nicht fertig, “ beharrte Dean. „Doch, “ widersprach diese sofort. „Auf Wiedersehen, Dean.“ Der Schwertschwinger wies in Richtung Tür. „Obwohl ich ja hoffe, dich nicht mehr hier sehen zu müssen.“ Dean blieb uneinsichtig. Die Erkenntnis sie aufgeben zu müssen, mochte gekommen sein, wurde aber nicht akzeptiert. „Chily, ich“, begann er von neuem und wollte am Recken vorbei. Die Angesprochene wich vor ihm zurück. Saber hatte genug. Er packte Dean an den Schultern und schob ihn auf Armlänge vor sich. „Bei dir stößt man wirklich auf taube Ohren“, stellte er fest und fügte in einem Ton, der eigentlich jeden Widerspruch ausschloss fort. „Raus jetzt, aber tempo di flotti, sonst erinnerst du dich noch lange an diesen Moment hier.“ Der Angegriffene packte die Handgelenke des Starsheriffs und wollte ihn von sich fortdrücken. „Ich will nur mit Chily reden“, fauchte er. „Du hast mit ihr geredet. Sie hat mehr als deutlich Nein gesagt und jetzt gehst du!“ Saber verstärkte seinen Griff und schob den ungebetenen Gast zum Hintereingang. „Chily, wenn du von dem genug hast, du weißt, wo ich wohne“, rief der zurück. „Ja, bei Tausend-Tonnen-Tina“, antwortete sie trocken. „Das wird nicht passieren und jetzt geh!“ Damit bekam Dean einen endgültigen Stoß auf den Hof. Saber baute sich im Türrahmen auf. Einen Moment maß der Ausgestoßene ihn noch mit Blicken. Nein, dem war er dummerweise wirklich unterlegen. Wenn Dean auch nicht übermäßig helle war, er begriff, dass er jetzt besser ging, bevor sein hübsches Gesicht Schaden davon trug. Und so trollte er sich. „Danke“, murmelte Chily, allerdings klang es eher bedrückt, als erfreut. Saber warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. Sein „Bitte“ klang recht verunsichert. Was sollte er mit ihrer Reaktion anfangen? Sie schaute auf den Boden. „Sag mal“, begann sie verlegen und grübelte nach Worten. „Was denkst du, was du für mich bist?“ fragte sie dann. Das brachte ihn noch mehr durcheinander. „Dein... Freund?“ gab er mehr fragend als überzeugt zurück. Sein Herz begann nervös zu schlagen. „Definiere das“, forderte sie leise. „Ist das mehr oder weniger, als ein einfallsreicher Liebhaber?“ Er lehnte sich mit dem Becken gegen die Anrichte und schaute zu Boden. Das fühlte sich sehr unangenehm an. „Ich dachte, ich wäre mehr“, antwortete er mit einem beklemmenden Gefühl. „Ich dachte auch.“ Sie schaute ihn an. „Deshalb war ich schon platt, als du das gesagt hast. Ich dachte, du wolltest mehr für mich sein als "bloß" mein Liebhaber. Weil ein Liebhaber weniger als ein Partner ist und ich hätte dich lieber als Partner, “ erklärte sie. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. „Puh“, seufzte er erleichtert auf. „Ich hab gerade noch gedacht, du wolltest nicht mehr als das.“ Er lächelte. „Ich bin dein Partner, Jolene. Das werde ich auch bleiben, wenn du das willst.“ Sie fiel ihm um den Hals. „Und ob ich will“, versicherte die aus tiefstem Herzen und gab ihm einen genauso innigen Kuss. Er schloss sie in seine Arme. „Das will ich auch.“ – „Ich muss dich zwei Sachen fragen“, setzte sie an und drückte ihren Kopf an seine Schulter. „Wie viel von dem Gespräch zwischen Dean und mir hast du gehört?“ Mit der Frage hatte er gerechnet. „Alles“ entgegnete er. „Weißt du, Ramrods Sensoren haben ausgeschlagen, da bin ich sofort her.“ Entrüstet nahm sie ihren Kopf von seiner Schulter und schaute ihn mit gerunzelter Stirn an. „Und dann lässt du mich so lange mit ihm allein?“ – „Es tut mir leid“, behauptete er, was nicht ganz die Wahrheit war. Er hatte zum einen den rechten Zeitpunkt abpassen wollen. Zum anderen sehr interessant gefunden, was er so gehört hatte. „Ich dachte, du könntest dich wehren“, fügte er dann hinzu. „Der ist mir an die Wäsche gegangen. Oh, ich hasse dich.“ Sie stieß ihm die Faust gegen die Brust, was allerdings nicht weh tat. „Das hat sich vorhin noch ganz anders angehört“, schmunzelte er und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich hätte nicht zugelassen, dass er dir was tut.“ Sie schmiegte sich wieder an ihn. „Eine Frage hab ich noch.“ Er legte sein Kinn auf ihren Kopf und strich ihr übers Haar. „Welche denn?“ „Können wir Toto hier aufnehmen?“ fragte sie und schilderte die Sache. „DJ hat vorhin angerufen. Sie muss ein paar Tage weg. Sie sucht Käufer für die Pferde und kann ihn nicht mitnehmen. Natürlich ist die erste Wahl MomChi“ Sie grinste. „Ich hab ihr nur gesagt, dass ich das erst mit dir besprechen muss. ich war mir nicht sicher, ob es nicht vielleicht doch zu riskant ist. Noch bist du in Bereitschaft und das bedeutet auch, dass noch die Gefahr eines Angriffes besteht.“ Gedanklich staunte Saber einmal mehr über sie. Sie musste ihm aufmerksam zugehört haben, wenn er von seiner Arbeit gesprochen hatte, sonst hätte sie vielleicht sofort zugesagt und die gegebenen Umstände weniger berücksichtigt. „Das stimmt“, nickte er. „Aber willst du den kleinen Dreikäsehoch alleine lassen? Ich werde auf euch beide aufpassen, versprochen, “ fügte er hinzu. Es war für den Zeitraum nicht bedenklich den Knirps aufzunehmen, zu mal er auch noch Verstärkung erwartete. „Na dass kann heiter werden. Ich verspreche dir jetzt schon, dass er dich hassen wird, so bald er merkt, was du hier so alles tust. Vor allem mit mir. Denk nur an seinen Heiratsantrag. Es ist schon schlimm genug, dass er seinen Vater nicht mag, jetzt auch noch dich.“ Der kleine Mann konnte mitunter recht eifersüchtig auf andere Männer reagieren. Saber lächelte leicht. „Du musst ihm ja nicht erzählen, was ich mit dir tue“, meinte er und fügte recht zuversichtlich hinzu. „Das wird schon. Der kleine ist doch eh ein richtiger Sonnenschein.“ Wenn der Recke daran dachte, wie folgsam Toto bei der Reitstunde gewesen war, hatte er wirklich wenige Bedenken. Andererseits war der Bengel fix genug um festzustellen, dass sich ein paar Dinge geändert hatten. Mit etwas Glück reichte der Sympathiebonus, den der Recke eingeheimst hatte, für die paar Tage aus. „Ich werd es ihm nicht erzählen. Ganz sicher nicht. Es reicht, wenn er uns mal so sieht wie jetzt.“ Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute zu ihm auf. „Du wirst Schienbeinschützer brauchen. Der Kleine kann fies treten, “ warnte sie. „Ich werd sehen, was ich machen kann, “ gab er zurück. Wenn er Fußballer wäre, hätte er welche, aber so. Mal sehen. Vielleicht konnte er den Kurzen ja dazu bringen statt gegen Beine gegen Rugbybälle zu treten, sollte es den tatsächlich überkommen. Irgendwo auf Ramrod hatte er doch noch einen. Chily grinste ihn an. „Sehr tapfer“, lobte sie und gab ihm einen Kuss. „Warst du mit deiner Arbeit auf Ramrod schon fertig?“ wollte sie dann wissen. Er schüttelte den Kopf. „Nicht ganz“, gestand er seufzend und hatte im Augenblick nicht wirklich Lust sich um den letzten Bericht zu kümmern. „Okay, dann stell ich das Abendessen mal warm, “ meinte sie, wandte sich zum Herd um und begann dort zu handtieren. „Gib mir eine halbe Stunde, dann bin ich soweit, “ murmelte er und wollte aus der Küche trotten, aber sie hatte aufgehorcht. „Irgendwie klingt das grad frustriert. Hab ich was angestellt?“ hakte sie nach. „Nein, ganz bestimmt nicht“, versicherte er ihr über die Schulter. „Ich...“ Na gut, dass konnte man schon gestehen. „Es ist etwas öde, alleine auf Ramrod, das ist alles.“ Sie ließ ihren Blick wieder über die Arbeitsplatte schweifen und nickte leicht. „Das Essen steht im Wärmer. Da steht es auch, wenn ich nicht da bin, “ informierte sie und wollte dem eigentlich noch etwas hinzufügen, da hakte der Recke schon verwundert nach. „Wenn du nicht da bist?“ – „Ja, wenn ich nicht da bin“, wiederholte sie leicht nickend. Ihren bedeutungsvollen Blick verstand er nicht. „Wo willst du denn hin?“ fragte er mit einem leichten Anflug von Irritation. Sie musste sich das Grinsen verkneifen. Er sah zu hinreißend aus, wenn wer sie so irritiert ansah, und sie konnte nicht wiederstehen, dass ein wenig auszureizen. „Naja, ich hab noch eine recht kurzfristige Verabredung“, gab sie zu. Sie hatte sich eben dazu entschieden ihm an Board von Ramrod Gesellschaft zu leisten. „Darf ich fragen, mit wem?“ – „Mit einem gut aussehenden Mann“, erwiderte sie, was auch nicht gelogen war, sie fand den Recken attraktiv. Der versuchte einen kleinen Scherz. „Colt ist kein gutaussehender Mann“, lachte er unsicher und betete, dass sie den Cowboy gemeint hatte. Der Gedanke daran, dass sie womöglich die Absicht hatte, sich mit einem anderen zu treffen gefiel ihm nicht. „Ich rede nicht von Colt.“ Chily fiel es wirklich schwer noch ernst zu bleiben. Unter anderen Umständen wäre dem Blonden das auch aufgefallen, nur rührte dieses Gespräch gerade an dem Trauma, das Sincia ihm verpasst hatte und das bis heute schmerzte. So verschwand sein Lächeln und machte der Verwunderung Platz. Chily blickte zu Uhr. „Ich sollte langsam ...“ – „Wann kommst du wieder?“ wollte der Schotte noch wissen und schaute sie hilflos an. „Weiß ich noch nicht“, entgegnete sie unbestimmt. „Pass auf dich auf, Chily“, sagte er und hoffte, dass sie ihm vielleicht nur neckte und doch den Kuhhirten besuchen wollte. „Immer doch.“ Sie wandte sich zum Gehen. Saber resignierte. „Du willst mir nicht sagen, mit wem du dich triffst?“ fragte er beunruhigt. Denn jetzt war er sich fast sicher, dass er sie mit einem andern teilen musste, oder bald würde, und die Vorstellung daran tat höllisch weh. Chily dreht sich wieder zu ihm um. „Du kommst nicht drauf, oder?“ fragte sie ihn. Er hob die Schultern. „Nein.“ Sie grinste, schüttelte den Kopf und war mit einem Satz auf dem Recken. „Du!“ lachte sie. „Was?“ Jetzt begriff der Schotte gar nichts mehr. „Der einzige Grund, warum ich diese Küche verlassen wollte, war, um dir auf Ramrod Gesellschaft zu leisten“, klärte sie ihn auf und glitt von ihm hinunter. „Und du vermutest sonst was dahinter.“ Sie betrachtete ihn ernst. „Wirst du mir jemals vertrauen?“ Er hob die Brauen. „Tu ich doch!“ wiegelte er den Vorwurf sofort ab. „Ich dachte, du gehst vielleicht Colt besuchen oder zu DJ. Mehr vermute ich dahinter nicht, ich mach mir nur Sorgen, “ behauptete er. Ihre linke Augenbraue zuckte kritisch nach oben. „Nein, so stimmt das nicht. Du lässt dich sehr leicht irritieren. Egal was ich sage, wenn es nicht so klingt, wie du erwartest, vermutest du gleich, dass irgendwas mit meinen Gefühlen für dich nicht stimmt, “ präsentierte sie einmal mehr sein Seelenleben auf einem silbernen Tablett. „Das stimmt doch gar nicht, “ wehrte Saber ab und schob sie ein wenig von sich. „Du lügst mich gerade an. Oder warum werde ich auf einmal weggeschoben?“ gab sie sachlich zurück. „Wie kommst du jetzt darauf?“ Erschrocken ließ er sie los. „Oha.“ Mit den Augen folgte sie seinen Händen, die von ihren Armen zurückglitten, und ließ ihren Blick über ihn wandern. Der war ganz aus dem Häuschen, stellte sie fest, und versuchte das zu überspielen. „Saber, ganz am Anfang hast du mal gesagt, dass eine Beziehung nur dann funktioniert, wenn beide die Spielregeln kennen und sich daran halten. Eine wichtige Spielregel für mich ist: Lüg mich nicht an. Und wenn ich doch dabei erwische, streite es nicht auch noch ab, “ mahnte sie ihn. Betroffen blickte er zu Boden. „Sorry“, murmelte er. Chily trat auf ihn zu und strich ihm behutsam mit der Hand über die Wange. „Was macht dich nur so unsicher?“ fragte sie sanft. Er nahm ihre Hand in seine. „Die Ungewissheit“, gab er rau zurück. „Wovor?“ – „Dass mir eines Tages ein anderer die Tür zu deiner Wohnung aufmacht“, antwortete er. Oh, dass hätte sie bedenken müssen, dass er das noch nicht verwunden hatte. „Nein. Nicht meine Wohnung. Unsere, Manapi, unsere Wohnung, “ flüsterte sie sacht. „Unsere Wohnung, ja, “ seufzte er. Ihre zärtlich Art konnte noch nicht lindern, dass ihm gerade das Herz geblutet hatte. „Ja“, Wieder strich sie ihm übe die Wange. „Unsere Wohnung, auf Yuma, am Stadtrand, mit unseren Pferden in der Nähe …“ – „Ich freu mich schon“, erklärte er und gab ihr einen kleine Kuss auf die Wange, war aber immer noch distanziert. Sie spürte, wie er wieder begann, die so mühsam eingerissene Mauer um sein Herz zu errichten. Man, wie konnte sie nur so blöd sein. Leicht schmiegte sie sich an den Recken. Diese Wand durfte nicht mehr aufgebaut werden. „Es tut mir leid, Manapi. Ich hätte dich grad nicht so necken dürfen, “ meinte sie betreten und schenkte ihm einen entschuldigenden Blick. Er verzog das Gesicht. „Necken nennst du das? Das war schon ziemlich gemein, “ rügte er und das zu Recht. Sie schlug schuldbewusst die Augen nieder. „Ich weiß“, murmelte sie unglücklich und drückte sich ein wenig näher zu ihm. „Aber du sahst irgendwie so drollig aus, wie du mich so irritiert angeschaut hast, da konnte ich nicht wiederstehen“, rechtfertigte sie sich ungeschickt. „Drollig?“ hakte er verständnislos nach. „Was bin ich? Ein Schmuseteddy?“ Sie schaute ihn scheu wieder an. „So ähnlich. Ein Manapi, “ lächelte sie verlegen. „Ich mach es nie wieder, “ versprach sie aufrichtig. „Das will ich auch hoffen, “ gab er zurück und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Ihre Reue war echt und offenkundig, wie sollte er da noch länger böse sein. „Tu es einfach nicht noch mal“, mahnte er sie ernst. Ein Rest Schmerz blieb. „Ich werde lieb sein“, versprach sie. „Also, wie gesagt, dass Essen bleibt auch ohne mich warm und du hast ja noch zu tun.“ Er nahm ihre Hand und führte sie aus der Küche. „Na, dann komm mal mit und sieh dir unseren Arbeitsplatz mal aus der Nähe an“, meinte er. „Gern.“ Erleichtert ließ sie sich von ihm begleiten. Auf halben Weg blieb sie unvermittelt. „Ich liebe dich“, erklärte sie schlicht. Er sah sie verwundert an. Wie sie seine Hand hielt und ihn einfach nur offen und froh anschaute. Der Rest Schmerz verlor sich in diesem Blick. „Ich liebe dich auch“, entgegnete er dann und drückte ihr einen langen, liebevollen Kuss auf die Lippen. Am folgenden Tag brachte Robin Colt aus dem Krankenhaus mit. Gemeinsam mit dem kleinen Toto buhlte er nun um die volle Aufmerksamkeit der beiden Frauen. Die schüttelten leicht die Köpfe. Colt musste sich mit seiner Lehrerin begnügen, Chily hatte schließlich den Knirps und Saber, die gern beide etwas von ihr hätten. Der Zwerg spürte genau, dass irgendetwas an seiner MomChi anders war und konnte ziemlich schnell auch begreifen, dass es was mit de Recken zu tun hatte. In einem Anfall von kindlicher Eifersucht trat er tatsächlich nach dessen Schienbein, aber Saber wich aus und schaffte es, ihn zu einem kleinen Rugby-Training zu überreden. Da es Wunder wirken konnte, wenn man Kinder ernst nahm und ihnen das Gefühl gab, sie wären gleichberechtigt, hatte Chily nun genügend Zeit sich auf die Ankunft der beiden Vertretungen vorzubereiten. Suzie Soundso und Mandarin Wasweißich. Die Hebamme hielt es nicht unbedingt für nötig sich Nachnamen einzuprägen. Die meisten Menschen, mit denen sie es zu tun hatte, sprach sie mit dem Vornamen an. Nun hieß es das Gästezimmer zu richten, Einkaufen zu fahren und nicht die beiden Hausbesuche zu vergessen, die für heute auf dem Plan standen. Am späten Vormittag des folgenden Tages landeten zwei Gleiter des Oberkommandos auf dem Vorhof der Ranch. Ihnen entstiegen die beiden Bekannten der Ramrod Crew. Suzie, die sie mit ihrem Neffen Pierre damals im Ski-Urlaub kennen gelernt hatten, sollte Colt am Feuerleitstand vertreten und Mandarin, die ihnen bei der Befreiung von Commander Eagle so werftvolle Hilfe geleistet hatte, sollte für April an der Navigation einspringen. Die beiden Frauen sahen sich um. „War ja klar, dass der Kuhtreiber sich hier wohl fühlt“, bemerkte Mandarin und ließ ihren Blick über das Rancherhaus gleiten. So rustikal lebte Colt, daran hatte sie nie einen Zweifel gehabt. „Hier gibt es ja nichts als Felder und Wald.“ So schön der Anblick des weiten, endlosen Landes auch war, der Rotschopf war zu unternehmungslustig für so viel Ruhe. Auch Suzie ließ ihre Augen umherwandern. „So weit ab vom Schuss“, bemerkte sie schlicht. Sie ließen den ersten Eindruck noch auf sich wirken, während sie auf die Eingangstür zu schritten. Mandarin klopfte an. „Dann schau wir mal, ob sie auch alle da sind.“ Die Tür wurde geöffnete. Eine zierliche Blondine in Hotpants und Neckholdertop, barfuß und mit vielen, schmalen Lederbändern um den linken Knöchel stand darin. „Hi ... öhm ... Pumukel.“ Chilys Augen blieben in dem kräftigen roten Schopf von Mandarin hängen. Die konterte fröhlich. „Hi, ist Meister Eder auch da?“ Damit hatte die kleine Hebamme sie schon ins Herz geschlossen. „Klar, kommt rein.“ Damit öffnete sie die Tür weit. Das war die erwartete Unterstützung, wie man absolut unschwer an den Uniformen und den parkenden Gleitern erkennen konnte. „Du bist also Colts kleine Schulfreundin“ stellte der Starcaptain fest und musterte sie noch mal. Ungewöhnlich ja, Konkurrenz für sie, nein. „Ihr habt also die Elite eilt zur Verstärkung der vier Aushilfen schon erwartet.“ – „ Ja und logisch“, antwortete Chily. „Kein Wunder wird Verstärkung gebraucht, wenn man Amateure vorausgeschickt hat“, ging sie auf den Scherz ein und führte die beiden ins Wohnzimmer, wo Colt und Robin auf dem Sofa saßen. „Was haben sie denn mit dir gemacht, Kuhhirte?“ fragte Mandarin erstaunt, musterte Colt kurz und drückt ihn dann leicht zur Begrüßung an sich. „Das war sie.“ Neckend wies der Gefragte auf Robin und grüßte über die Schulter des Rotfuchses hinweg auch Suzie. Seine Braut stieß ihm leicht auf die Schulter. „Sehr komisch“, meinte sie, während auch Suzie mal den Mund aufbrachte und das Hallo des Kuhhirten erwiderte. Unterdessen hatte Chily Saber und Toto in ihrem neuerlichen Rugby-Training unterbrochen und ins Haus geholt. Die drei traten durch die Küche ins Wohnzimmer. „Boah“, rief der kleine Mann beeindruckt. „Eine Hexe“ Er zeigte auf Mandarin. „und ihr Besen.“ Sein kurzer Finger wanderte zu Suzie. Die beiden schauten ihn einen Augenblick lang verdattert an. „Pass auf, der Besen beißt“, gab der Starcaptain zurück, trat zu Saber und umarmte auch ihn zur Begrüßung. „Hey, der edle Recke ist auch noch da!“ Suzie blieb, wo sie war und zupfte dezent, weil irritiert von der Aussage des Knirpses, an ihrem Dutt. „Hallo, Saber“, sagte sie. „Gut siehst du aus. Dein Lümmel?“ Bei der Frage deutete sie auf Toto. Saber kam gerade dazu, „Hallo ihr beiden, “ zu erwidern, da bellte der Kleine beleidigt dazwischen. „Ich bin ihrer.“ Stolz wies er dabei auf Chily. „Kapiert?“ – „Toto, immer schön nett sein“, mahnte Chily, aber es klang nicht danach, als müsse der das auch ernst nehmen. Irgendwas an dieser Bohnenstange mit dem albernen Bananen-Dutt, der ihre dünne, hohe Gestalt noch mehr betonte, gefiel der Hebamme nicht. „Wo ist der Rest der legendären vier?“ wollte Mandarin wissen. Sie schaute sich noch einmal suchende um. „Ich sehe nur fünfzig Prozent der Helden von Ramrod.“ – „In den Flitterwochen“, gab Colt munter zur Antwort. „Obwohl, geflittert haben sie ja schon vorher kräftig“, fügte er grinsend hinzu. Erstaunt blickten die beiden Neuankömmlinge sich an. „Gibt es für Mitglieder eures Teams etwa Ausnahmen von der berühmten Regel?“ wunderte Suzie sich. „Fireball ist Rennfahrer, die Regeln haben sich geändert“, klärte Saber die beiden auf. „Aprils Umstände auch,“ ergänzte Chily. „Deswegen bin ich also hier“, kapierte der Rotfuchs die Anspielung. „Dann erledigt sich die nächste Frage von selbst“, lächelt die Große. Toto tippte sie leicht an. Mit einem unschuldigen Blick wies er auf ihre Frisur und fragte: „Wieso wächst dir eigentlich Stroh aus dem Kopf?“ Die Gefragte riss überrascht die Augen auf. „Tja, ich schätze mal, weil es im Kopf keinen Platz mehr hat, Knirps“, antwortete der Rotschopf dafür. „Danke, sehr nett mir vor dem Bengel in den Rücken zu fallen. Pierre hätte von mir eine hinter die Löffel bekommen, “ murrte Suzie. „Ja, wie geht es dem Lausebengel denn eigentlich?“ lenkte Colt das Thema an dem Punkt doch gleich mal in eine andere Richtung. „Ja genau. Fährt er immer noch so gut Ski?“ hakte auch der Recke nach, bevor der Zickenterror richtig ausbrechen konnte. „Er wird immer schneller. Ein richtiger kleiner Skirennläufer ist er mittlerweile, “ berichtete die Gefragte nicht ohne Stolz. „Und bei euch? Keine Kinder unterwegs?“ Aber das hätte sie sich besser verkniffen. Prompt trat Toto ihr gegens Bein und deutete auf sich. „Und was bin ich. Ein Hund?“ wollte er verstimmt wissen. Er hasste es nicht beachtet zu werden und genau dieses Gefühl hatte die hochgewachsene Blonde ihm gerade vermittelt. Chily zog ihn zurück. „Hör auf.“ Diesmal war ihre Mahnung ernsthafter, wie die Gekickte feststellte. „Ich hab die beiden Männer gemeint. Du gehörst ja weder zu Saber noch zu Colt, oder etwa doch?“ Dabei hob sie fragend die Augenbrauen. Skeptisch betrachte Chily sie. „Und wenn es so wäre, was geht es dich an?“ Ähnlich wie die Hebamme, litt auch die Lehrerin unter einem Anflug von Eifersucht. Beide fragten sich, auf wen von den beiden anwesenden Herren Suzie wohl Ansprüche erhebe. Mandy beugte sich zu dem Dreikäsehoch und erklärte ihm grinsend, um ihn zu beruhigen: „Keiner von beiden ist dein Papa, das sieht man doch! Du bist doch viel zu süß, um von Colt oder Saber zu sein“ Leise, aber nicht leise genug raunte der Chily zu. „Die mag ich.“ Der Scharfschütze lachte munter. „Junge, dann hast du was mit Matchbox gemein.“ Das fand er zu komisch. Toto hatte er damit aber einen gewaltigen Schrecken eingejagt. „Was?“ rief der fünfjährige ganz geschockt. „Heißt das, wenn ich die anfass, sieht sie auch aus, als hätte sie einen Luftballon verschluckt?“ Während der Rotfuchs ganz verdattert die Augen aufriss, konnte der Rest der Runde nur vor lachen brüllen. Chily versuchte sich zu beruhigen. „Dazu bist du noch nicht groß genug. Keine Angst. Da passiert gar nichts, “ gluckste sie. „Nö, “ versicherte auch Mandarin. „Da kann nix passieren, Junge.“ Die kleine Hebamme beugte sich leicht zu Saber und raunte ihm zu. „Ich mach mal das Mittagessen.“ Er nickte. „Mach das“, erwiderte er. „Ich weise die beiden Damen so lange in ihre Arbeit ein.“ Dabei hatten sich die beiden leicht an den Armen berührt. Sofort schob Toto sich zwischen sie und drohte dem Recken böse mit dem kleinen Zeigefinger. „Wehe.“ Der Blonde lächelte: „Was mach ich denn, Toto?“ Der rollte die Augen. Das man Erwachsenen aber auch alles erklären musste. „Sie anfassen. Dann kriegt sie vielleicht so ein Bauch“ Mit seinen Händen bedeutete er dabei, wie monströs der sein konnte. „und das geht nicht. Das ist meine MomChi, “ stellte er klar. Der Schotte mochte den Zwerg sehr und hockte sich deshalb zu ihm. „Sie bleibt auch deine MomChi. Und sie kriegt von mir bestimmt keinen Bauch, versprochen, Toto, “ lächelte er väterlich mild. „Du bist ja da und passt auf.“ Als er sich wieder aufrichtete, wisperte Chily: „Ich weiß nicht, ob mir das gefällt.“ Gleich darauf forderte sie den Knirps in normaler Lautstärke auf: „Komm, hilf mir, Kurzer.“ Der jubelte und sprang in die Küche voraus. „Ihrer?“ wollte der rothaarige Starcaptain stirnrunzelnd wissen, als die beiden in der Küche verschwunden waren. „Mehr oder weniger. Der Sohn einer Freundin. Sie kennt ihn von Geburt an, “ informierte der Blonde. „Ist auch besser so, “ kommentierte Suzie mit einem gewissen Argwohn, wodurch Robin das Gefühl hatte, sie müsse für die Freundin sprechen. „Warum? Sie wäre eine tolle Mutter, “ meinte sie skeptisch. „Sie sieht nicht aus, wie eine Mummy, “ rechtfertigte die Große sich. „Na und. April auch nicht, trotzdem ist sie bald eine, “ schnappte die Lehrerin. „Das kann ich mir gleich noch weniger vorstellen. Das geht irgendwie überhaupt nicht.“ Das Kopfschütteln dazu unterstrich, wie wenig das in ihr Hirn wollte. „Schätze Toto hatte Recht, dass ist Stroh, das dir da aus dem Kopf wächst, sonst wüsstest du, das es geht,“ versetzte Robin recht schnippisch, was ihr nicht schwer fiel, da sie wusste, dass es zwischen Suzie und Colt eine Vorgeschichte gab, die der Lehrerin sauer aufstieß. „Och, Robinschatz. Jetzt hab dich nicht so, “ mischte sich Colt ein und schlug sich ihrer Ansicht nach auf die falsche Seite. „Ist ja wirklich irgendwie komisch, dass unser Rauscheengel Mama wird.“ – „Wenn du meinst“, murmelte sie unbestimmt. „Ja, mein ich.“ Er schmunzelte dem Schotten vielsagend zu. „Wenn von uns schon einer Papa werden sollte, dann doch der edle Recke da.“ Der hob gründlich überrascht die Brauen. „Jaja, du hast mich schon richtig verstanden, Säbelschwinger. Ich bin eindeutig noch zu jung für Kinder und Fire, “ Das Grinsen des Kuhhirten wurde breiter. „naja, der steht schon außer Konkurrenz, der kleine Unfallverursacher.“ Jetzt musste der Recke ein Grinsen unterdrücken. „Dir ist hoffentlich klar, wer die Mutter dazu wäre“, erinnerte er ihn. Das wäre nämlich die von dem Scharfschützen so wohl bewachte Hebamme. Als Colt das aufging, drohte er, wie zuvor Toto, dem Blonden. „Nö, nicht meine Chily. Wehe dir!“ War ja klar, dass so ein Statement kommen musste. „Bloß gut, weißt du, was du willst“, kommentierte Saber trocken und wandte sich an Suzie und Mandarin. „Ich sollte euch langsam mal eure Arbeitsplätze zeigen. Ladies First.“ Die Rothaarige ließ der Blonden den Vortritt. „Ich fühl mich nicht so alt, also bitte, du zuerst“, meinte sie scherzend, aber das missfiel der. „Zu gütig“, schnappte sie. Dann verließen die drei das Wohnzimmer und machten sich auf den Weg zu Ramrod. Robin und Colt blieben allein zurück. Die Lehrerin nutzte die Gunst des Augenblickes und hakte nach. „Was genau lief da noch zwischen dir und Suzie?“ Der kratzte sich am Kopf. „Ich war mit ihr einen Kakao trinken und Skilaufen. Pierre, ihr Neffe hat mir die Tour vermasselt …“ Im nächsten Moment biss er sich auf die Lippe. Sowas erzählte man doch nicht der Braut. Die war schon von ihm abgerückt und gab bissig zurück. „Zu schade aber auch.“ Hastig versicherte er. „Aber das war lang vor deiner Zeit, mein Schatz.“ Er rückte nach. „Komm wieder zu mir. Ich mag Suzie doch gar nicht, “ schwor er treuherzig. Doch das allein zog nicht. Robin stand auf und trat vom Sofa weg. „Hab ich gemerkt.“ Etwas umständlich rappelte er sich ebenfalls auf. „Robin, bleib bei mir. Ich will doch nur dich heiraten, “ kam es jammernd von ihm. Er erinnerte mit diesem Flehen mehr an einen kleinen Jungen, dem man sein Spielzeug weggenommen hatte, als an einen Mann, der sich mit Heiratsabsichten trug. Robin wich noch ein Stück von ihm weg. „Und was heißt das, wenn du noch nach anderen Frauen guckst?“ wollte sie wissen. Die gelegentlichen Anflüge von Eifersucht konnte sie nicht abwenden. Das Vorleben ihres Bräutigams war doch recht bewegt und machte es ihr schwer daran zu glauben, dass er ihr wirklich treu bleiben würde. Obwohl er gerade das schon recht oft bewiesen hatte. So befand sie sich doch in einem Zwiespalt und kam sich mehr als einmal recht albern dabei vor, wenn die Eifersucht wieder über sie hereinbrach. „Schauen tut doch niemand weh. Und weder nach Suzie noch nach Mandarin gucke ich. Die sind nicht meine Kragenweite. Ich schwöre es.“ Colt hob die gesunde Hand zum Eid. „Bei was? Den Satteltaschen deiner Großmutter, die gar nicht reiten konnte.“ Aber schon kam sich die Lehrerin wieder lächerlich vor. Sie kannte ihren Kuhhirten doch. „Nein, bei Chilys Lenden, die ich niemals berührt habe“, schwor er unschuldig und auf diese Worte konnte Robin bauen. Das hatte er ja wirklich nie getan. „Knallkopf“, grinste sie unwillkürlich. „Aber jetzt glaubst du mir, oder?“ Sollte einer die Frauen manchmal verstehen. „Vorläufig“, ließ sie ihn noch ein wenig zappeln. Er hauchte ihr einen Kuss zu. „Das reicht mir nicht;“ erklärte sie. Aber man konnte ja das Notwendige mit dem Vergnügen verbinden. Colt musste das Gehen wieder üben, da konnte er doch ruhig zu ihr kommen. „Du willst mehr?“ fragte er und machte einen vorsichtigen Schritt in ihre Richtung. „Du willst deine Streicheleinheiten, dann komm und hol sie dir, “ lächelte sie herausfordernd und so ließ er sich gern befehlen. „Ja, die will ich.“ Seine nächsten beiden Schritte waren für das Tempo, dass er einlegte zu unsicher. Beinahe wäre er gestolpert. Doch Robin war schnell genug bei ihm um ihn zu stützen und einen Sturz zu verhindern. Dann trat sie wieder an das zweite Sofa zurück, das dem gegenüber stand, auf dem die beiden eben noch gesessen hatten. „Und gleich noch mal“, ordnete sie lächelnd an. „Du quälst mich“, klagte er bei seinem nächsten Schritt. „Nein, wir üben nur den Gang zum Altar. Na komm, “ lockte sie liebevoll. „Dann sollte ich eher versuchen, in die andere Richtung zu flüchten, “ entgegnete er neckend. „Da gibt es keine Streicheleinheiten. Und das hier auch nicht.“ Langsam begann sie ihr T-Shirt zu heben und gewann seine volle Aufmerksamkeit. Je näher er auf sie zu tapste, desto höher schob sie das Oberteil und desto mehr Mühe gab er sich, sie bald zu erreichen. Schon blitzte der BH. Was für eine Verlockung. Ein letzter unbeholfener Schritt, dann schlang sie ihre Arme um ihn und gab ihm einen zärtlichen Kuss. „Also muss ich nackt am Altar stehen, damit du sicher in die richtige Richtung läufst“, bemerkte sie. „Ich glaub, das krieg ich auch gebacken, wenn du ein Kleid trägst, aber du könntest mich damit ködern, was du unten drunter tragen wirst, “ grinste er zurück und ließ seine gesunde Hand um ihre Taille gleiten. Vorsichtig half sie ihm sich auf dem Sofa zu platzieren und hockte sich auf seinen Schoss. „Soll ich überhaupt was drunter tragen?“ wollte sie wissen. „Nö“, grinste er prompt noch breiter zurück. „Dacht ich mir.“ Sanft nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn noch einmal innig. „Häschen“, raunte sie neckend. Er erwiderte den Kuss. „Da bin ich doch gern ein Karnickel, bin ich da doch“, meinte er leicht und ärgerte sich über den Umstand, dass Chily und Toto neben an waren und seine Verletzungen noch zu deutlich spürbar waren und solch traute Zweisamkeit empfindlich verhinderte. Wenn er doch nur bald wieder fit wäre. „Na, wie läuft es?“ fragte Chily und trat in die Kommandozentrale. Das Essen war fertig und sie war gekommen, ihnen Bescheid zu sagen. „Sieht vielversprechend aus“, erwiderte Saber. „Ich hoffe, du redest von der Arbeit“, grinste sie. „Von nichts anderem“, versicherte der Recke und erhob sich aus seiner Satteleinheit. „Brav.“ Sie warf ihm eine Kusshand zu. Er fing sie auf. „Danke.“ Suzie baute sich ebenfalls neben Colts Sitz auf. „Ist das hier dein Arbeitsplatz oder dein Liebesnest?“ fragte sie und verzog das Gesicht. „Ich tippe auf beides“, lachte Mandarin und fuhr den Computer herunter. „Dann hast du einmal daneben getippt“, grinste Chily. Dass der Rotfuchs tatsächlich recht hatte, musste die Hebamme ja nicht unbedingt zugeben und bevor sie in diese Verlegenheit kam, fügte sie schnell hinzu. „Das Essen ist fertig. Kommt ihr?“ – „Ich hoffe, du willst uns nicht vergiften“, ließ die Große sich vernehmen. Chilys Art bei der Begrüßung hatte ihr deutlich gezeigt, dass die Kleine sie nicht mochte. Dabei hatte sie der Hebamme keinen Grund für deren Ablehnung geliefert. „Oh, wenn du da bedenken hast, koch in Zukunft für dich selbst. Es gibt ein Sumpf hier in der Nähe. Da findest du sicher die passenden Zutaten aus deinem Hexenbuch, “ antwortete diese keck. „Da steht die Hexe, Kräutertante, “ schnappte die. „Dann hast du ja erst recht keine Probleme. Besen essen nichts. Glück für dich, dass nicht Winter ist und wir dich nicht verheizen können, “ kam der nächste verbale Schlag. Mandarin trat zu Saber und stieß ihn sacht an. „Das nenn ich wahre Liebe“, kommentierte sie. Der nickte. Es war besser, dass nicht ausufern zu lassen. „Kommt, gehen wir“, meinte er und verließ den Raum. Mandarin folgte ihm. „Sag mal, wann kommt der schnellste Daddy aller Zeiten?“ fragte sie. „Den hab ich noch nicht gesehen.“ – „Vorläufig nicht. Chily hat die beiden zur Kur geschickt. Die geht noch zwei Wochen, “ antwortete der Recke. Da kam Chily den beiden auch schon nachgelaufen. „Lasst mich mit Der doch nicht allein“, klagte sie dabei. „Na, hoffentlich bringt er keinen Kurschatten mit“, scherzte der Rotfuchs mit einem Zwinkern. „Glaub ich nicht. Der wird von April keinen Meter weiter als nötig weggehen.“ Sabers Finger glitten in die der Hebamme. „Außer er sieht einen heißen Ofen“, lachte der Starcaptain. „Na, dass wird ihr lieber sein, als wenn es eine andere Frau ist, “ meinte Chily grinsend. „Wo bin ich da nur hingeraten? Ein Haufen Komiker hier.“ Suzie schloss zu ihnen auf, als sie die Rampe erreichten. „Wenn es nach mir geht, kannst du wiedergehen. Ich zwing dich nicht zum bleiben, “ erklärte Chily unbekümmert. Der Recke drückte leicht ihre Hand. „Bitte“, mahnte er sacht. „Wir brauchen Susie.“ Die Hebamme tat erstaunt. „Als was? Vogelscheuche? Kinderschreck? Brechmittel?“ – „Munition“, schlug Mandarin vor. „Dann solltet ihr mal einen Probeschuss abgeben“, riet Chily. Saber musste schmunzeln. Das war zu komisch. Laut zu lachen verkniff er sich jedoch. „Nein, lass mal“, sagte er dann. Die Hebamme verlangsamte ihre Schritte, hielt aber seine Hand weiter fest, so dass er sich ihrem Tempo anpassen musste. „Als Zielscheibe taugt sie sicher auch“, stichelte sie weiter. Sie konnte ihre Ablehnung nicht verbergen. Die dünne Blondine mochte sie nicht. Sie hätte nicht mal genau begründen können, wieso. Nur ihre Intuition bekundete laut und deutlich, dass es Grund dafür gab. „Ich benutz dich gleich als Zielscheibe für meine Schießübungen!“ konterte Suzie nun trocken. „Als ob du treffen würdest“, parierte die Hebamme. „Besser als du glaubst“, warf die Große zurück. „Mit der Kirche hab ich es nicht so.“ Chily verlangsamte ihr Tempo weiter. Das Gezanke der beiden begann den Schotten zu nerven. Ein Glück war April nie so eine Zicke gewesen. „Dann solltest du dich mal einlesen, ist das richtige für dich“, folgte die Retourkutsche von Suzie. „Das einzig sinnvolle, was mir so spontan einfällt mit einer Bibel zu tun, ist, sie dir dahin zu schieben, wo die Sonne nicht hin scheint“, erklärte Chily und überspannte den Bogen damit. Das ging für Saber zu weit. Das war definitiv kein Spaß mehr. Hier gab es mehr als offensichtlich böses Blut. „Chily, hör auf“, ermahnte er seine Freundin fest. „Und ihr zwei haltet euch an die Regeln“, erinnerte er auch Mandarin und Suzie an die Vorschriften. Jetzt blieb Chily endgültig stehen. „Den Weg zum Haus findet ihr ohne uns“, wandte auch sie sich an die beiden. Mandarin lachte. „Ich streu Strohkrümel, damit ich nachher wieder zu Ramrod finde.“ Dabei deutete sie auf Suzie, die weiter voranstapfte. „Keine Sorge, ihr geht uns nicht ab“, warf sie bissig zurück. Schon wollte die Hebamme das kommentieren, aber Saber packte sie am Arm und funkelte sie böse an. Die Warnung in seinem Blick war unverkennbar. Chily schluckte erschrocken den frechen Spruch runter und machte sich von dem Schotten los. Der schnaubte verstimmt. „Ich muss mit Hexe und Besen arbeiten, nicht du“, grollte er. „Ich hab sie im Haus, so viel besser ist das auch nicht“, antwortete sie aufgebracht. „Übertreib es nicht, Chily“, mahnte er sie energisch. Sie schwieg betroffen und senkte die Augen. Seine Heftigkeit tat ihm leid. „Susie hat mit Colt angebandelt und Mandarin mag unseren Kleinen ein bisschen zu sehr. Mach die Sache nicht komplizierter, bitte, “ seufzte er dann. Unbeholfen strichen ihre Finger über seine Arme. Sie wollte nicht mit ihm streiten, wollte nicht, dass er böse auf sie war. „Ich mag sie nicht“, murmelte sie etwas verzagt. Er zog die Brauen hoch. „Wie? Alle beide?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nur diese Suzie.“ Sie suchte nach Worten. „Die stinkt.“ Verständnislos sah er sie an. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. „Ich glaube, sie ist nicht ehrlich“, gestand sie dann. Daher wehte der Wind also. „Nein, da irrst du dich. Suzie ist eine sehr gute Bekannte von April, “ versuchte er ihre Bedenken zu zerstreuen. „Sie ist nur ein bisschen unterkühlt.“ Jetzt hob sie die Brauen. „Nein, unterkühlt bist du, wenn du mal wieder daran zweifelst, ob ich dich liebe. Die ist abweisend. Ob sie mit April befreundet ist, spielt dabei doch keine Rolle, “ erwiderte sie bestimmt. „Sie bleibt ja nicht ewig, “ erinnerte er sie und bat. „Sei etwas netter zu ihr, ja?“ Chilys Gesicht verzog sich unwillig. „Muss das sein?“ klagte sie weinerlich. Er boxte ihr leicht gegen die Schulter. „Ja.“ – „He, wie gehst du denn mit mir um. Pöh.“ Sie tat empört und wandte sich ab. „Das hab ich von Colt gelernt“, informierte er lächelnd. „Gott, wenn ich Colt wollte, hätte ich ihn mir geangelt und nicht dich.“ Wenigstens grinste sie jetzt kurz. „Klar“, lachte er fröhlich. Sie schlang die Arme um seine Taille und setzte den Weg zum Haus mit ihm fort. „Manapi, tust du mir einen Gefallen?“ Er legte den Arm um ihre Schulter. „Gerne.“ Sie wagte kaum zu ihm hoch zu schauen und ahnte, dass ihm ihre nächsten Worte nicht gefallen würden. „Vertrau ihr nicht“, bat sie dennoch. Unwillkürlich schüttelte er den Kopf. Eben hatte er gedacht, das Thema sei erledigt, da fing sie wieder davon an. „Sie ist ein Star Sheriff“, betonte er eindringlich. „Sie kann der Papst sein, deswegen ist sie trotzdem falsch.“ Chily sah ihn mit großen Augen an, die ihm verrieten, dass ihr völlig klar war, wie seltsam ihm das erscheinen musste und wie sie nicht umhinkam ernsthaft beunruhig zu sein. „Ich sag ja gar nicht, dass du sie wegschicken sollst. Ich sag nur, prüf bitte zweimal, nein dreimal, was sie sagt oder macht, “ unterbreitete sie ihm dann einen Kompromiss, weil sie einsah, dass sie ihn nicht davon überzeugen konnte, Suzie nur aufgrund ihrer Intuition fortzuschicken. „Okay, “ nickte er. „Tu es bitte wirklich, “ beschwor sie ihn. Warum war es ihr nur so wichtig? „Versprochen.“ Versöhnlich wollte sie dann wissen: „Kuss drauf?“ – „Kuss drauf.“ Ihre Eingebung war sicher oft genug richtig. Das hatte sie auch schon oft genug bewiesen. Doch auch sie konnte mal falsch liegen. Sie würden schon noch herausfinden, wer hier auf dem Holzweg war. Da mussten sie jetzt nicht deshalb streiten. Kapitel 11: I see lies ---------------------- I see lies Irgendetwas hatte Colt nicht schlafen lassen. Er hinkte die Treppen hinab in die Küche. „Morgen, Bullet“, grüßte seine Schulfreundin, die wie immer um diese Tageszeit schon gut gelaunt war. „Dir auch, “ murmelte er verschlafen zurück und ließ sich auf einen der Stühle am Esstisch nieder. Die Morgenpost lag darauf. Während sie zwei Tassen Kaffee eingoss, sah er den Stapel durch. Briefe, Wurfsendungen, Fachzeitschriften und … Was war das? Da lag ein zusammen gefalteter Zettel dazwischen. Er runzelte die Stirn und schlug ihn auseinander. Beinahe wäre er vom Stuhl gefallen, als er ihn gelesen hatte. Auf jeden Fall war er jetzt wach. „Hier bitte.“ Chily stellte ihm eine Tasse Kaffee hin. Hastig schob er das Papier in die Hosentasche. „Danke“, erwiderte er und nahm einen Schluck. Es war ihr wohl nicht aufgefallen, stellte er fest. „Chily, meine Schote“, begann er. Sie schaute ihn aufmerksam an. „Tust du mir einen Gefallen?“ Sie nickte. „Die Unterlagen über Pennyrile, kannst du sie wegbringen?“ – „Wieso?“ fragte sie erstaunt. „Ach, wer weiß wozu es gut ist. Ist mir auch egal, wann du sie wohin bringst. Nur ist es vielleicht besser, wenn sie nicht im Haus sind, “ meinte er und gab sich Mühe gleichgültig zu klingen. „Okay.“ Sie konnte diese Bitte nicht einordnen, aber etwas sagte ihr untrüglich, dass Colts Gleichmut gespielt war und er ihr nichts erklären würde. Weiteres Nachfragen sparte sie sich daher. Sie wusste, dass die Angelegenheit um das alte Kohlegebiet noch nicht geklärt war. Colts Anliegen kam recht plötzlich, war aber vermutlich längst überfällig. „Verlass dich drauf. Ich erledige das, “ versprach sie und verließ die Küche um sich für den Tag zu richten. Colt hatte keine Möglichkeit Saber von dem Zettel zu erzählen. Der Recke war damit beschäftigt, Mandarin und Suzie in Ramrods Funktionen einzuweisen und war, kurz nach dem Chily das Haus verlassen hatte, mit den beiden in der Kommandozentrale des Riesenbabys verschwunden. Weder Robin, noch Chily wollte der Scharfschütze von seinem Fund erzählen. Es würde die beiden zu sehr beunruhigen. Es hatte ihn beunruhigt. Was genau hatte das zu bedeuten? Es konnte doch nur eine Warnung von Jean-Claude sein. Schließlich hielt der Kuhhirte es nicht mehr aus und humpelte am späten Nachmittag die Rampe des Friedenswächters hinauf. Kaum war er oben angekommen, lief ihm der Recke über den Weg. „Chefchen, hast du mal eine Minute für mich? Nur wir beide?“ fragte er. Der Gefragte hob erstaunt die Brauen. „Klar. Worum geht es?“ Noch erstaunter folgte er Colt, der in das Quartier der Jungs voran hinkte und dann auch noch die Tür schloss. „Ich will mit dir nur mal ein Gespräch von Mann zu Mann führen“, meinte er dort. „Über Bienen und Blüten, du verstehst.“ Der Blonde rollte die Augen. „Was mit Chily und mir ist, geht dich gar nichts an Colt“, erinnerte er seinen Scharfschützen. „Nein, die Bienen haben mir was anderes geflüstert, Boss“, grinste er. „Ich hab das heute in der Post gehabt.“ Damit zog er den Zettel aus seiner Hosentasche und reichte ihn Saber. „Es ist noch nicht vorbei.“ Der Blonde legte die Stirn in Falten. „Das war in der Post?“ hakte er nach. „ Ja“, bestätigte der Lockenkopf. „Ich dachte, es könnte wichtig sein. Hab irgendwie ein ganz ungutes Gefühl, hab ich doch da.“ Der Schotte schob den Zettel in die eigene Hosentasche und fragte: „Hast du es Chily oder Robin gezeigt?“ Colt riss die Augen auf. „Bist du wahnsinnig?“ rief er. „Damit sie sich gleich wieder Sorgen machen und Angst kriegen. Ich will es auch nicht unbedingt unseren Vorzeigemädels präsentieren, wenn ich ehrlich bin, “ erklärte er dann. „Ich muss das fragen. Chily holt morgens als erstes die Post. Es hätte ja sein können, dass sie es gesehen hat, “ rechtfertigte der Recke sich. „Nein, heute war ich mal schneller mit dem Durchgucken. Als ob ich es gerochen hätte.“ So schien es wirklich. Saber setzte sich auf das untere der drei Betten und stützte sein Kinn auf die Hand. „Was hältst du davon?“ Der Gefragte wiegte den Kopf. „Weiß nicht. Könnte ein saublöder Scherz von irgendwem gewesen sein, oder aber unser aller Freund Jean-Claude ist wieder da, “ grübelte er laut. „Ich meine auch, es ist entweder von Jean-Claude oder ein geschmackloser Scherz von Dean, “ stimmte Saber zu. „Wie kommst du jetzt auf den Flachmaaten?“ wunderte der Kuhhirte sich. „Oh, hab ich ganz vergessen dir zu erzählen.“ Verlegen räusperte sich der Recke. Er hatte tatsächlich nicht mehr daran gedacht, aber das würde Colt nicht davon abhalten ihm dafür den Kopf runter zu reißen. „Ach echt? Was hast du denn vergessen, edler Recke?“ bohrte der sofort an diesem Punkt nach. „Dir zu erzählen, dass Dean hier war“, gestand der Gefragte. „Wann? Der traut sich noch hier her?“ Über den Mut, oder Größenwahn, konnte der Cowboy nur stauen. „Ein Tag bevor du gekommen bist. Dann hast du hier die Mädels kirre gemacht, gestern kam mit Mandarin und Suzie auch das Gezicke ins Haus, weshalb ich es vergessen hab, “ berichtet Saber wahrheitsgetreu. „Was wollte der Kronleuchter für Arme?“ setzte Colt sein Verhör fort. „Er hatte wohl Sehnsucht nach Jolene.“ Saber fragte sich, wie gesund es für ihn war, die ganze Geschichte zu erzählen. „Von mir aus kann er vor Sehnsucht vergehen“, schnaubte der verächtlich. „Also, was war los? Hat Deanilein Stunk gemacht?“ – „Er hat es versucht.“ – „Ein bisschen genauer bitte“, drängte Colt. „Stunk kann von ein bisschen stänkern bis hin zu Attacken meiner Chily gegenüber alles gewesen sein, “ fügte er mit grimmigem Blick hinzu. „Nein, keine Attacken, “ wich der Blonde aus, aber das Gesicht seines Scharfschützen verriet so viel Ungeduld, dass er doch lieber alles erzählte. „Sagen wir es so: Er weiß jetzt, was sie für Unterwäsche trägt.“ Mehr konnte der Schotte nicht berichten. „Er hat sie an gegrabscht?“ entfuhr es dem Kuhhirten ungehalten. „Wo zur Hölle warst du da?“ Egal, wie gehandikapt der Scharfschütze im Augenblick war, wenn Saber jetzt erzählen würde, dass er ihr nicht geholfen hatte, würde er es nicht überleben. „Glaubst du, ich lass das zu. Er hat seine Flugstunden bekommen, “ parierte der Recke diese stumme Unterstellung. „Hast noch mal Glück gehabt, “ brummte Colt. „Sag mir mal bitte, wie der Kandidat für Jolene sein muss, damit du nichts mehr zu nörgeln hast, “ seufzte der Recke frustriert. So oft wie der Cowboy Kommentare gegen diese Beziehung vom Stapel ließ, fragte sich Saber, ob er in dessen Augen überhaupt etwas richtig machen konnte. Ihnen beiden war die kleine Hebamme sehr wichtig, waren sie gleichermaßen an deren Glück interessiert, doch hatte es den Anschein, dass der Blonde bestimmte Anforderungen nicht erfüllen konnte. Das schmerzhafte daran war, dass Colt es war, der diese Anforderungen stellte. „Den gibt es nicht, ganz einfach, “ grinste der breit zurück und fügte dann ernster hinzu. „Nein, wenn auf sie aufpasst und gut zu ihr bist und ich dich auch noch leiden kann, hast du schon gute Karten.“ Jetzt zwinkerte er wieder schelmisch. „Fehlt nur noch das Bestechungsgeld auf meinem Konto.“ Der Schwertschwinger nickte verstehend. „Was muss ich auf den Scheck schreiben, damit du mir für solche Vorfälle nicht wieder den Kopf runter reißt?“ wollte er wissen. „Schreib was Nettes drauf“, bekam er zur Antwort. „Das wird ein Blanko-Scheck“, grinste er nun. „Nee, Balkon mag ich nicht“, wiegelte der Kuhhirte ab. „Jetzt zum Thema zurück. Boss, ich glaube nicht, dass es Dean war. Dafür fehlt ihm der Grips und der Schneid, “ meinte er sachlich. „Das hatte ich befürchtet. Dann sollten wir doch Mandarin und Suzie einweihen. Es gilt die Augen offenzuhalten, “ bemerkte der. „Wie wär es, wenn du erst mal unseren Piloten aus dem Urlaub herholst?“ schlug Colt vor. „Das werde ich nicht ohne die Erlaubnis der Hebamme tun“, entgegnete Saber. „Ist neuerdings Fireball schwanger? April kann doch auf Kur bleiben, oder?“ Das verstand der Scharfschütze gerade nicht. „Jolene hat die beiden nicht umsonst gemeinsam geschickt. Also werde ich Fire nicht ohne ihr Okay von April trennen, “ erklärte der Blonde. Er zweifelte nicht, an den Beweggründen seiner Freundin für diese Maßnahme. „Siamesische Zwillinge sind leichter zu trennen, als die zwei. Ich hab es ja schon immer gesagt, aber auf mich hört ja keiner, “ mimte der Lockenkopf den Verstimmten. „Entschuldigung, hast du was gesagt, “ wurde er prompt aufgezogen. „Nö, ich hab meine Lippen nur des Spaßes wegen bewegt, “ lachte er. „Nein, jetzt im Ernst. Wie willst du Chily erklären, dass wir Fire hier bräuchten, ohne sie einzuweihen? Willst du ihr sagen, dass die Triebwerke mal gewartet werden sollten? Das würd sie nicht mal dir glauben. Sie hat gesehen, wie fix unser Rotschopf in Sachen Technik ist, “ wandte Colt noch ein. „Wir brauchen Fireball hier. Wir haben keinen Piloten und die Mädels können besser mit Ramrod trainieren, wenn wir in voller Besetzung sind, “ lautete die simple Erläuterung des Recken. Schulterzuckend musste der Cowboy zugeben, dass dies einleuchtend war. „Ist schon wahr“, gab er zu. „Aber warum erst jetzt und nicht schon, seit Mandy und Suzie angekommen sind, hm?“ – „Erst die Theorie, dann die Praxis“, erwiderte Saber trocken. „Klugscheißer, elender.“ Der hatte doch wirklich für alles eine Antwort. „Was will Fire den zweien denn in der Praxis zeigen? Kinder kriegen, “ lachte Colt fröhlich. „Mal nicht den Teufel an die Wand. Dann kastrier ich ihn.“ Saber erhob sich wieder. „Ach, alles halb so schlimm. Du musst nur Mandy einen Keuschheitsgürtel umlegen, “ versetzte der Kuhhirte munter. „Kein Bedarf, “ versicherte der Schotte. „Ich verzichte auf die seelische Grausamkeit, die mir Jolene antun wird, wenn sie erfährt, dass ich Mandy so nah gekommen bin.“ Deren Schulfreund nickte zustimmend. „Sollen wir Hexe und Besen jetzt ein Ton von dem Liebesbrief sagen?“ wollte er dann wissen. „Ich schätze, wir müssen.“ Saber öffnete die Tür. „Dein Job. Ich bin im Krankenstand, “ erinnerte Colt ohne Umschweife. „Von wegen, fauler Sack.“ Damit machten sie sich auf den Weg in die Kommandozentrale. Der Cowboy protestierte: „Hey, ich bin doch wirklich nicht einsatzbereit. Und dabei würd ich so gern mit von der Partie sein.“ Er zog einen Flunsch. „Offengestanden, nach deiner letzten Aktion bin ich froh, dass du es nicht bist. Du hast dich da draußen nämlich nicht konzentriert und ich will doch lieber auf deiner Hochzeit tanzen, nicht auf deiner Beerdigung, “ bemerkte der Highlander und bekam einen leichten Schlag auf die Schulter. „DU würdest auf meiner Beerdigung tanzen? So wenig würdest du um mich trauern? Das ist echt gemein von dir, weißt du das?“ Das konnte Colt kaum fassen. „Klar, würd ich tanzen. Ich weiß doch, wie du Trauermienen hasst, “ rechtfertigte der Blonde sich. „Du bist zu gütig, Säbelschwinger. Aber jetzt erheitere mich bitte noch, so lange ich lebe und bring unseren beiden Kampfbienchen die Neuigkeiten.“ Damit betraten sie die Brücke. „Sieh mal einer an, wer uns da beehrt“, lächelte Mandarin aus Aprils Satteleinheit und wies auf die beiden Männer. „Wow, das man euch beide noch mal zu Gesicht bekommt“, ließ sich Suzie vernehmen. „Was verschafft uns das fragwürdige Vergnügen?“ Der Scharfschütze hinkte zu seiner Satteleinheit. „Ich muss doch auch mal aus dem Krankenbett“, meinte er dabei. Suzie schwang sich behände aus dem Sitz. „Ich bin aber nicht deine Krankenschwester, Freundchen“, erinnerte sie. „Was treibt euch jetzt gemeinsam zu uns, meine Herren?“ Der Kuhhirte ließ sich langsam in sein Modul gleiten. „Ach wie hab ich das vermisst“, seufzte er theatralisch. „Da hat jemand einen Liebesbrief geschrieben“, antwortete Saber auf die Frage der Hochgewachsenen. Prüfend linste Mandarin aus Aprils Satteleinheit zu ihm. „Klingt aber nicht so, als wär der Liebesbrief erwünscht“, stellte sie fest. „Na ja, “ räumte er ein. „Jemand hat eine etwas seltsame Vorstellung von Treue.“ Auf die erstaunten Blicke der beiden reichte er ihnen den Zettel. „Bitte. Das war in der Morgenpost. Colt hat es gefunden.“ Verwundert schaute Suzie zu dem Kuhhirten. „Du? Ist ja ganz was Neues?“ wunderte sie sich. „Wieso? Ärger findet der gute Colt doch zu jeder Tages und Nachtzeit, “ grinste Mandarin und als sie dessen gerunzelte Stirn sah, gleich noch etwas breiter. „Na ja, war schon besser, dass ich den Liebesbrief gefunden hab. Chily wär das Herz in die Hose gerutscht, “ meinte er dann nur. „Ja, haltet die Augen offen, aber beunruhigt Jolene und Robin nicht.“ Saber sah die beiden eindringlich an. „Ich dachte, die beiden kann man nur mit eurer Gegenwart beunruhigen?“ neckte der Starcaptain leicht. „So charmant das klingt, halte dich bitte trotzdem daran“, mahnte er. „Aber immer doch“, salutierte sie darauf mit einem Augenzwinkern vor ihm. Sie nahm diese Order ernst. Ihr Scherzen diente nur dazu, den Recken etwas aufzumuntern. Er schien sich doch sehr große Sorgen zu machen. „Keine Sorge. So viel wie Chily und Robin mit mir reden, werde ich wohl kaum Gelegenheit haben, sie zu beunruhigen, “ kommentierte Suzie trocken und rollte die Augen. „Wow.“ Beeindruckt kletterte Colt aus seinem Sitz. „Da hat dieses Gezicke direkt ja was Gutes.“ – „Was? Ist das meine Schuld, dass Robin extrem eifersüchtig ist und Chily offensichtlich nur ein Vakuum im Kopf hat?“ empörte sich die Blondine. „Mäßige deinen Ton bitte, Suzie. Das ist nicht angebracht“, mahnte Saber scharf. Auch Colt nahm seine beiden wichtigsten Frauen energisch in Schutz. „Viel mehr kannst du aber auch nicht haben. Schraub deine Arroganz ein bisschen herunter und behandel meine Zukünftige und meine beste Freundin nicht wie doofe Hühner, “ grollte er finster. „Das mit Robin nehm ich zurück, “ entgegnete Suzie und wandte sich dann verstimmt an Saber. „Aber unangebracht ist das, was dein Betthäschen so vom Stapel lässt. Sogar du musstest sie schon ermahnen.“ Mandarin riss die Augen auf. Colt stand inzwischen neben ihr und sie stützte sich leicht auf ihm ab. „Jetzt wird es interessant“, raunte sie ihm beeindruckt zu. Saber anzuschnauzen war ganz sicher keine gute Idee, nicht im beruflichen Bereich und schon zweimal nicht im privaten. Er mochte ruhig und ernst sein, aber er war auch energisch und wies einen in die Schranken, wenn man so freundlich darum bat, wie Suzie eben. „Ich merke, ihr beide mögt euch nicht“, begann der Blonde nun sehr ruhig. „Das soll mir recht sein. Aber dann hab du wenigstens so viel Respekt vor deiner Gastgeberin und stichel nicht auch noch die ganze Zeit, Suzie. Ich möchte nur ungern etwas über dein Fehlverhalten in meinem Bericht erwähnen, “ fügte er mit einem kühlen Lächeln hinzu. „Das heißt, ich muss die Launen deines Liebchens aushalten und darf mich nicht dagegen wehren. Tut mir leid, wenn du das nicht hören willst, aber sie ist es, die mich von Anfang angefeindet hat, “ schnappte die Getadelte aufgebracht. „Benimm dich einfach, wie man es von einem Starsheriff erwarten kann. Mit Chily werde ich noch einmal reden. Sie wird dich nicht mehr anfeinden, darauf hast du mein Wort, “ entgegnete er. „In Ordnung.“ Suzie gab sich geschlagen und salutierte leicht. Der Schotte nickte zufrieden und ging von der Brücke. Einmal mehr von ihm tief beeindruckt murmelte Mandarin. „Sauber.“ Saber saß schon ihm Bett, mit dem Kissen im Rücken, als Chily aus dem Badezimmer kam. Sie ging zum Fenster, öffnete es leicht und ließ ihren Blick über den Sternenhimmel gleiten. Schwer vorstellbar, dass er lange dort oben ihr, ihrer aller, Schutzengel gewesen war. „Jolene?“ begann er vorsichtig. „Es wird Zeit, dass Fireball wieder zu uns stößt. Wir brauchen ihn auf Ramrod. Kann ich ihn zurückbeordern, oder sollte er noch bei April bleiben?“ schnitt er diplomatisch das erste der beiden Themen an, über die er noch mit ihr sprechen musste. „Hm, April hat noch etwas mehr als eine Woche. So wie sie sich am Telefon angehört hat, ist es für sie kein Thema. Little Daddy ist wohl gelegentlich zu anhänglich, “ antwortete sie leicht. Ihre Augen wanderten vom Himmel über die Einfahrt der Ranch. Der Recke lächelte leicht. „Das kann man sich bei Fireball kaum vorstellen. Also kann ich April damit eigentlich was Gutes tun. Sozusagen eine Kur von der Kur, “ bemerkte er. „Ich werd Fireball morgen anrufen. Er soll wieder zurückkommen.“ Dass es so einfach werden würde, hatte er nicht erwartet. Aber dafür hatte es das andere Problem wahrscheinlich umso mehr in sich. Jetzt drehte Chily sich zu ihm um. „Für April wird es nicht das Problem sein“, grinste sie. „Für Fireball schon eher.“ Damit stieß sie sich vom Fensterbrett ab und kam zum Bett. „Wenn er eine Aufgabe hat, wird es ihm nicht so schwer fallen“, entgegnete der Blonde. „Was ist denn seine Aufgabe?“ fragte sie und krabbelte auf ihn zu. „Er muss mir helfen, die zwei noch richtig einzuschulen. Theorie ist eine Sache, aber unser Baby zu fliegen eine ganz andere. Mir ist einfach wohler, wenn wir da zumindest zu zweit sind, “ erklärte er. „Mhm. Dann mach mal.“ Sie drückte ihren Kopf sanft an seine Brust. „Heut war ein komischer Tag. Ich hab das Gefühl, es wäre was passiert, “ murmelte sie. Da war sie wieder, ihre Intuition. Er legte den Arm um sie. „Kommt dir nur so vor“, wiegelte er ab und bog das Gespräch in eine andere Richtung. „Mandarin und Suzie waren heute auch ein bisschen wetterfühlig. Weißt du, Suzie verträgt nicht soviel Spaß wie Colt, Mandarin oder ich, “ schnitt er diesen Punkt an. Chily stieß einen unzufriedenen Laut aus und ließ sich, halb auf ihn, halb auf die Matratze sinken. „Die verträgt gar nichts. Der kann man nicht mal Hallo sagen, ohne dass sie beißt, “ erklärte sie abschätzig. „Jolene, bitte. Feinde sie nicht so an. Suzie hat dir doch gar nichts getan.“ Er schob ihr ein paar Strähnen zurück, die auf seinem Oberkörper kitzelten. „Ich möchte keinen Streit haben, solange die beiden Mädels hier sind, ja?“ fügte er hinzu. Sie richtete sich leicht auf. „Ich mag sie aber nicht“, betonte sie trotzig und zog die Stirn kraus. Das hatte er befürchtet. Leicht seufzend appellierte er an ihre Vernunft: „Sie mag dich auch nicht. Soviel vorne weg. Aber bitte, bitte, hört auf, euch anzugiften und anzufeinden. Es fördert das Klima kein bisschen. Jolene, bitte sei in Zukunft netter zu Suzie.“ Verärgert hakt sie nach: „Warum? Weil es sich gehört? Ich gifte sie doch gar nicht an. Ich sage nur, was ich denke, wie zu jedem andern auch.“ Warum mahnte er sie schon wieder deswegen? Sie hatte doch wirklich versucht, sich zurückzuhalten. War ihm das nicht aufgefallen? „Das kommt angiften in dem Fall aber gleich. Bitte reiß dich ein bisschen mehr zusammen, Jolene. Weil es sich wirklich gehört und ich es so möchte, “ beharrte er und ergänzte erläuternd. „Ich muss mit Suzie zusammenarbeiten und mit dir verbringe ich meine freie Zeit. Wenn ihr euch beide die ganze Zeit über anfeindet, bin immer ich der Esel dabei. Ich habe Suzie schon gesagt, dass sie sich zusammenreißen soll. Sie wird damit also aufhören. Und darum bitte ich dich auch noch mal. Bitte hör auf sie anzugiften, Jolene.“ Müde rieb er sich die Augen und rutschte ganz in Bett. Frustriert schnaubte sie. „Wie viel netter soll ich denn noch zu ihr sein? Die ist nicht ehrlich und ich soll so tun, als wäre alles super?“ Das ging ihr eindeutig gegen den Strich. „Wie kommst du überhaupt darauf, dass Suzie nicht ehrlich ist?“ wollte er wissen. „Das sehe ich an ihren Augen. Sie mag dir tatsächlich versprochen haben friedlich zu bleiben, aber ich kauf ihr nicht ab. Die stichelt anders weiter.“ Davon war die Hebamme überzeugt. Er zog sie wieder zu sich. „Dann steh drüber und geh nicht darauf ein. Du bist doch klüger und reifer als so viele Frauen, “ verlegte er sich aufs schmeicheln und hauchte ihr einen liebevollen Kuss aufs Haar. „Tu es für mich, bitte.“ – „Ich würd sie lieber in die Phantomzone schicken, als eine Minute länger mit ihr unter einem Dach zu leben“, brummte Chily trotzig vor sich hin. Das war ein Starrsinn, wie ihn sonst nur Colt hatte. Unglaublich, dass es das zweimal gab. „Jolene, bitte.“ Der Ton war nicht nur sehr eindringlich, sondern verriet ihr auch, dass sie ihre Streicheleinheiten vergessen konnte und er im Ernstfall auf Ramrod übernachten würde, wenn sie nicht einlenkte. Das wollte sie auf keinen Fall. „Es tut mir leid, Manapi“, antwortete sie deshalb versöhnlich. „Aber ich kann dir nur versprechen, dass ich mir Mühe gebe, nicht dass es mir gelingt.“ Das war ehrlich und besser, als wenn sie es nicht mal versuchen würde. „Gut“, seufzte er. „Solange du nicht mit irgendwelchen fiesen Methoden hinter meinem Rücken agierst.“ Er hatte das noch nicht ganz ausgesprochen, da war sie aufgefahren. „Ich kann auch woanders schlafen“, drohte sie aufrichtig gekränkt. „Musst du nicht.“ Schwungvoll zog er sie wieder an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Sei einfach etwas netter zu ihr, ja?“ Er spürte, wie sie an seinem Oberkörper nickte und langte er nach dem Lichtschalter neben dem Bett um die Beleuchtung auszuknipsen. „Schlaf gut, Jolene“, murmelte er. Die folgenden beiden Tage verliefen ohne Zwischenfälle. Chily bemühte sich sehr, Suzie ihre Abneigung nicht zu zeigen. Aber man merkte, dass es ihr nicht leicht fiel. Fireball kehrte zurück. Er war nicht allzu glücklich darüber und wäre lieber noch bei April geblieben, aber grundlos war er nicht gerufen worden, deshalb murrte er nicht. Mit Ramrods neuer Besatzung ging es zu den Trainingsflügen. Toto hielt tagsüber Chily auf Trab, während Colt und Robin sich an die Anordnungen des Arztes hielten und die Krankengymnastik sehr ernst nahmen. Am Abend des zweiten Tages, als Toto, Colt und Robin bereits schliefen, saß Chily noch im Wohnzimmer auf der Couch und las. Saber, Fireball, Suzie und Mandarin waren auf einem nächtlichen Übungsflug und die Hebamme wartete auf ihre Rückkehr. So saß sie in das Buch vertieft und merkte nicht, dass mit der Nacht auch der Schlaf über sie hereinbrach und ihr die Augen zu fielen. Erst, als sie etwas klacken hörte, fuhr sie auf und registrierte verschlafen, dass sie sich in der völligen Dunkelheit des Wohnzimmers befand. Sie seufzte unterdrückt. Die vier waren noch nicht zurück, stellte sie fest. Dann knackte etwas. Unwillkürlich stellten sich ihr die Nackenhaare auf. Leise, kaum wahrnehmbar, war das Geräusch und doch gut genug hörbar um die folgende Stille unheimlich erscheinen zu lassen. Nur ihr eigener Atem unterbrach sie. In dieser Finsternis und mit dem Gedanken an Colts Bitte betreffs der Pennyrile-Unterlagen war es für Chily nicht sehr beruhigend. Nein, es wirkte nur noch unheilvoller. Angst kroch in ihr hoch, als sie tiefe Atemzüge vernahm. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Das Schnaufen hörte auf. Sie hatte es verursacht. Dummes Huhn, schalt sie sich gedanklich und wollte aufstehen, erstarrte aber in der Bewegung, als eine verzerrte Stimme flüsterte.„Ich bin näher, als du denkst, Herzchen.“ Eine Welle der Panik erfasste sie und schlug über ihr zusammen. Sie langte nach der Lampe auf dem Beistelltisch und schaltete diese an. Das Licht war jedoch nicht tröstlicher als die Schwärze um sie herum, sondern warf Schatten, die der Verängstigten noch bedrohlicher erschienen. Wieder knackte es. Chily fuhr herum. Nichts war zu sehen. Sie war allein. „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen“, wisperte die verstellte Stimme drohend. Chily langte hastig unter das Sofa und zog die Winchester hervor. Sie sprang auf, spürte das Rasen ihres Herzens und das unkontrollierte Zittern ihres Körpers. Knack. Wieder fuhr sie herum. Verdammt, was war das bloß? „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen.“ Chily drehte sich zur Eingangstür und richtete die Waffe darauf. Klack. Von irgendwoher versuchte sie genug Mut aufzubringen um auf die Tür zuzugehen. Sie schritt vorsichtig am Sofa vorbei. Etwas knarrte. Sie hörte Schritte. Schritte aus der Küche. Sie fuhr in die Richtung herum und versuchte das Beben in sich zu unterdrücken. Da oben schliefen drei, die sie liebte und beschützen musste. Sie musste sich zusammen reißen und sich etwas Gutes einfallen lassen. Sie keuchte. Eine Gestalt erschien in der Tür. Chily nahm die Winchester in den Anschlag. „Chily, um Himmels Willen leg das Gewehr weg.“ Die erschrockene Stimme gehörte Fireball. Mit einem Satz war er bei der Geschockten und riss ihr die Waffe aus der Hand. Die Hebamme brach in die Knie, als sie erkannte, dass Mandarin, Suzie und Saber eintraten und zitterte wie Espenlaub. Saber war sofort bei ihr und zog sie in seine Arme. „Sch, beruhige dich“, flüsterte er. „Was ist denn passiert?“ Statt einer Antwort ließ sie ihren Kopf an seine Brust sinken. „Jolene“, hörte sie ihn eindringlich sagen. „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen“, wiederholte sie tonlos die Worte, die ihr so unglaubliche Furcht eingeflößt hatten. Sofort schalteten Mandarin und Fireball und begannen sich auf dem Hof umzusehen. Suzie holte ein Glas Wasser aus der Küche und reicht es Chily. „Trink erst mal was und beruhige dich“, sagte sie sanft. „Lass mich in Ruhe.“ Die Hebamme hatte nicht die Kraft ihre Ablehnung gegen die große Blondine jetzt zu unterdrücken. „Trink! Sonst kommst du nie von deinem Trip runter, “ beharrte Suzie. Im nächsten Moment riss ihr die aufgewühlte Hebamme das Glas aus der Hand und kippte ihr den Inhalt ins Gesicht. „Ich sagte, lass mich in Ruhe, du Heuchlerin, “ fuhr sie sie an. Saber nahm ihr das Glas aus der Hand, ehe es noch womöglich noch in Richtung der Hochgewachsenen fliegen konnte. „Jolene, bitte beruhige dich. Komm wieder zu dir! Suzie tut dir nichts, “ beschwor er sie. Doch sie konnte sich nicht beruhigen. „Sie soll mit ihrem scheinheiligen Getue sonstwem auf den Geist gehen, aber nicht auch noch mir.“ Wenn sie doch nur zu zittern aufhören könnte. „Suzie, geh raus und sieh nach, ob du Fireball und Mandarin helfen kannst“, meinte der Recke. Es war klar, dass Chily sich in deren Anwesenheit nicht wieder fassen würde. „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen. Wieso Herzchen?“ murmelte sie vor sich hinstarrend. „Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin da“, raunte Saber ihr zu und zog sie fester in seine Arme. Was sie gesagte hatte, beunruhigte ihn ebenfalls. Herzchen. Das musste einen Grund haben. „Er war hier, ganz sicher. Ich hab es klacken gehört, und knacken und klacken ... Er war hier ...“ Chilys Stimme brach. Hatte sie klacken gesagt? Klacken, knacken und wieder klacken? „Aber jetzt ist er nicht mehr hier, Jolene. Ich bin da und ich bleibe bei dir, “ versuchte er sie zu beruhigen. Sie krallte sich an ihm fest und holte tief Luft. „Wieso Herzchen?“ fragte sie wieder. „Soll ich so enden wie Dooley?“ Saber riss die Augen auf. Er hat schon fast nicht mehr daran gedacht. Dooley war das Herz entnommen worden. Den Anblick würde sie ihr Leben lang nicht vergessen. „Nein, ganz sicher nicht“, behauptete er, musste aber leider zu geben, dass sie mit dieser Annahme nicht so falsch lag. „Er wollte dir nur Angst machen. Jolene, niemand wird dir etwas tun, solange ich hier bin, “ versicherte er ihr sanft. „Aber du warst nicht hier.“ Nur dieser Umstand war so beängstigend. „Ich werde nicht mehr von deiner Seite weichen. Versprochen.“ Er hatte gesehen, wie sie die aufgewühlte Robin sacht gewiegt hatte. Er tat es jetzt auch mit ihr. Es schien zu wirken. Ihr Beben ließ nach und sie schmiegte sich näher an ihn. „Ich bin da“, flüsterte er, presste ihren Körper noch enger an seinen. Es beruhigte ihn ebenfalls. Sie so aufgelöst zu sehen, hatte auch ihm einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Aber jetzt atmete sie wieder ruhiger, gewann sie ihre Fassung zurück. „War nichts zu finden.“ Mit diesen Worten traten Fireball und Mandarin wieder ein. Der Rennfahrer kam zu Saber und Chily und strich ihr noch einmal besänftigend über den Kopf. Sie lächelte ihn verlegen an. Sein Blick war verständnisvoll und warm. Suzie stürmte ins Haus. „Ich hab was gefunden. Das solltet ihr euch ansehen, “ meinte sie bewegt. Sie setzten sich an dem Esstisch in der Küche zusammen, um weder Robin, noch Colt oder Toto doch noch zu wecken, und schauten neugierig auf die flache, schwarze Box, die die Hochgewachsene gefunden hatte. „Was ist das?“ Mit dieser Frage brach der Recke das Schweigen. „Sieht wie ein Recorder aus“, stellte Mandarin fest und wandte den Kasten nach allen Seiten. „Sehr klein, sehr kompakt ...“ – „… sehr kompliziert.“ Fireball nahm ihr das Gerät ab und begutachtete es ebenfalls. „Die Technikfreaks müssen es ja wissen“, meinte Suzie trocken und fragte dann. „Könnt ihr ihn auch abspielen? Vielleicht ist da etwas drauf.“ Die beiden Technikbegeisterten nahmen den Apparat genauer unter die Lupe. „Ich würde zu gerne wissen, wer den hier verloren hat“, überlegte Saber unterdessen laut. „Und warum jetzt?“ warf Chily ihren Gedanken ein, den ihr Freund postwendet beantwortete. „Um dich einzuschüchtern. Die Outrider sind immer noch hinter dem Alkalit her und es ist zu befürchten, dass sie bald wieder angreifen.“ Sie schaute ihn an, als wollte sie etwas sagen, verkniff es sich jedoch. Dann ertönte es zufrieden von dem Starcaptain „Na, bitte. Geht doch“ und das Gerät war aktiviert. Es klackte. Dann Stille. Die Stimme sprach. Chily griff nach Sabers Hand. Es wirkte immer noch beängstigend. Es knackte. Die Zeitanzeige fuhr zurück. Dann wieder die Worte. Das Herz der Hebamme setzte kurz aus. Ihr Freund erwiderte den Druck ihrer Hand. Es knackte erneut. Die Zeitanzeige zählte wieder rückwärts. Noch einmal die Drohung, dann klackte es wieder. Chily war kalt geworden. „Das war clever eingefädelt, wenn ihr mich fragt“, sagte Fireball. Es benötige schon einiges technisches Verständnis um einen so ausgefeilten Recorder vernünftig zu programmieren und eine gewisse Anerkennung im Ton konnte der Rennfahrer nicht verhindern. „Da kann man nicht erkennen, wer dir zur Minne gesungen hat“, bemerkte die große Blonde nüchtern. „Auf die Minnesänge kann ich verzichten“, brummte Chily und versuchte ihr Unbehagen einzudämmen. „Mir reicht es. Ich will ins Bett, “ gestand sie dann. Saber schaute fragend in die Runde. Dass sie jetzt nicht allein sein wollte, war jedem klar. „Wir sollten uns morgen den Kopf darüber zerbrechen. Macht euch für das Bett fertig. Wir sollten schlafen gehen, “ meinte er schließlich. Aber für den Japaner klang es nicht so, als müsse dies sofort getan werden. „Dann schlaft mal gut ihr beiden. Ich bleib noch ein bisschen auf, “ antwortete er ohne von dem Recorder aufzusehen. Auch Mandarin schickte ein abwesendes „Gute Nacht“ an die beiden. Sie saß dicht bei Fireball und betrachtete aufmerksam den Kasten, linste aber auch mal kurz in dessen braune Augen. Nicht nur Saber fiel das auf. „Ich bleibe noch eine Weile bei den beiden sitzen, bis ich mir sicher sein kann, dass sie sich wirklich nur um den Fund kümmern“, ließ Suzie verlauten. „Na ein Glück stichelt die nicht“, raunte die Hebamme halblaut. „Sch.“ Saber stieß sie rasch durch die Tür. „Schlaft gut. Und jagt uns nicht mit dem Ding in die Luft, “ scherzte er. Dann fiel die Küchentür hinter den beiden zu und Chily machte ihrer Empörung auf dem Weg durchs Wohnzimmer Luft. „Was schtest du mich da an? Die hat ja wohl eindeutig gestichelt, “ begehrte sie auf. „Wie kommst du darauf? Wie hat sie denn bitte gestichelt?“ Eine damit vergleichbare Aussage war ihm nicht aufgefallen. Chily war bereits auf der ersten Stufe nach oben und er musste rasch aufschließen. „Ich bleib noch sitzen, bis ich sicher bin, dass die sich NUR um den Fund kümmern, “ äffte die Hebamme die Hochgewachsene nach und erläuterte dann im normalen Tonfall. „Das meine ich damit. Was sollte denn der Kommentar?“ Skeptisch zog er die Brauen hoch. „Sie zieht die beiden ein bisschen auf. Das tun wir doch ständig, Jolene. Weshalb stört es dich bei Suzie so derart?“ entwertete er ihre Aussage. „Weil es kein Aufziehen bei ihr ist.“ Frustriert seufzend lehnte sie sich gegen das Geländer. „Ja, ich weiß. Natürlich ist es das, sie ist ja schließlich ein Starsheriff, da kann sie nicht auch noch ein Miststück sein.“ Er würde ihr wahrscheinlich doch nicht glauben. „Dann bin ich eben eine neurotische Kuh oder so was.“ Geknickt stieg sie die Treppe hinauf. Er grübelte aber über ihre Worte nach. Es musste doch einen Grund geben, warum sie davon so überzeugt war. Einen anderen, als ein schlichtes „Ich kann die eben nicht ausstehen“, denn der schien die Ursache für diese Ablehnung zu sein. „Was ist es dann? Hey, Jolene.“ Sie war schon am oberen Treppenansatz angekommen. Er eilte ihr hinterdrein. „Was hast du gesehen, was ich noch nicht mitgekriegt hab?“ wollte er wissen und verzog leicht das Gesicht. Es wäre ja schon peinlich, wenn ihm, dem erfahrenen Starsheriff, etwas entgangen wäre. Doch sie ging enttäuscht auf ihr Zimmer zu. „Nein, ich hab nichts, außer dem, was ich dir schon gesagt hab. Sie hat etwas in ihren Augen, weshalb ich ihr nicht vertrauen kann, “ gab sie leise zurück. „Okay.“ Wieder folgte er ihr rasch und nahm ihre Hand liebevoll in seine. Sie drehte sich zu ihm um. „Es wird sich schon alles einrenken. Wenn erst alles vorbei ist, sind Suzie und Mandy auch wieder aus deinem Leben verschwunden, “ versicherte er ihr. Sie zog ihre Hand zurück. Es behagte ihm nicht. Er wollte nicht mit ihr streiten, doch offenkundig hatte er schon etwas gesagt, dass sie verletzt hatte. „Was willst du denn hören?“ fragte er und erklärte sich. „Ich kann es einfach nur schlecht glauben, Jolene. Wir arbeiten seit Jahren mit Suzie zusammen und es hat nie Probleme gegeben.“ Sie nickte. Das war ihr schon bewusst. „Hm, ich hab mir nur irgendwie gewünscht, dass du mehr zu mir halten würdest. Aber das Gefühl hab ich nicht. Eher scheinst du mich für eine übergeschnappte Zicke zu halten, “ antwortete sie und es war hörbar, dass ihr dies weh tat. „Nein, das tu ich nicht. Ich tu mir nur schwer damit, deine Intuition zu verstehen, wenn meine jahrelange Erfahrung etwas anderes sagt. Es tut mir leid, Jolene, ehrlich.“ Wieder griff er nach ihrer Hand. Er hauchte ihr einen warmen Kuss auf die Finger. „Wundert sich deine jahrelange Erfahrung nicht darüber, dass die Drohungen wieder beginnen, kaum das die beiden hier sind?“ hakte sie nach. „Das muss noch lange nicht bedeuten, dass es Suzie oder Mandarin ist. Oder gar beide, “ verwarf er diesen absurden Gedanken. „Ich weiß nicht, was es bedeutet. Ich weiß nur, dass ich Angst habe, seit sie da sind. Besonders vor Suzie. Das ist alles, “ hielt sie an ihrer Meinung fest. „Das respektiere ich auch...“ Weiter kam er nicht. „Ja, deshalb soll ich ja auch nett zu ihr sein, “ entgegnete sie gequält, wandte sich von ihm ab und verschwand im ihrem Zimmer. Wieder folgte er ihr sofort. „Was soll denn das, Jolene? Ich weiß, dass dir weder die Situation noch der Umstand behagen, zu Suzie nett sein zu müssen, aber willst du denn nicht sehen, dass Streit unsere Arbeit noch mehr erschwert?“ Er setzte sich zu ihr aufs Bett und berührte sie sacht an der Schulter. „Schatz, ich werde Suzie noch einmal sagen, dass sie sich zusammenreißen soll, aber bitte, bitte gib ihr keinen Grund, eine schlechte Meinung von dir zu haben“, beschwor er sie eindringlich aufs Neue. Er wusste, dass er sich sonst in dem bühnenreifsten Gezanke wieder finden würde, das die Welt je gesehen hatte und dies sicher noch schneller als er „Jolene“ sagen konnte. Träge erhob sie sich um sich auszukleiden. Dabei musterte sie ihn, wie er es ihr gleich tat. Der Tag und vor allem die nächtlichen Ereignisse zeigten ihre Wirkung und schoben die Müdigkeit in jedes Glied ihrer Körper. Aber das Gehirn der Hebamme funktionierte noch sehr gut. Natürlich war es für einen so logisch denkenden, sachlich argumentierenden, vorsichtig abwägenden Menschen wie ihn nicht leicht sich nur auf Intuition zu verlassen, die man nie wirklich begründen konnte. Er war der Verstand, sie das Herz und nur gemeinsam waren sie unschlagbar. Zudem bemühte er sich wirklich sehr sie zu verstehen. Ihr Manapi, das in Shorts unter die Bettdecke schlüpfte. Mhm. Sie lächelte leicht vor sich hin und warf sich ein leichtes Top über. Dann kroch sie ihrerseits zu ihm unter die Decke. „Ich tu, was ich kann“, lenkte sie ein. Er brauchte einen kurzen Moment um zu verstehen, dass sie auf seine Bitte geantwortet hatte und drückte ihr einen leichten Kuss auf die Stirn. „Braver Schatz“, murmelte er müde. „Du färbst wohl auch auf mich ab.“ Sie kuschelte sich an ihn. „So soll es in einer guten Beziehung auch sein.“ Er legte einen Arm um sie, nahm mit der anderen Hand ihre und legte sie auf seine Brust. So war es behaglich. „Du weißt doch“, meinte er dann und begann leise. „You have to give a little … take a little... let your poor heart break a little…“ Sie schlug ihm rasch und erschrocken die Hand auf den Mund. „Wenn du nicht willst, dass ich aufs Sofa auswandere, hörst du sofort auf zu singen“, warnte sie. Unglaublich wie man lausige drei Zeilen so furchtbar falsch singen konnte. „Schade“, meinte er schmunzelnd. „Dabei wäre ich der geborene Popstar.“ – „Der geborene Poppstar“, korrigierte sie. „Aber nur bei mir.“ Unterdessen tüftelten Mandarin und Fireball weiter an dem Recorder herum, wobei sie sich das Gerät immer wieder gegenseitig aus den Händen rissen und sich munter dabei neckten. Mit skeptischer Miene beobachtete Suzie sie dabei. Eben hatte der Rotfuchs den Apparat wieder an sich gerissen. „Gib her. Du kleiner Blindfisch, findest ja doch nichts, was uns weiterhelfen könnte.“ – „Aber du.“ Fireball nahm ihr den Kasten wieder ab. „Wo ist jetzt der Chip mit der netten Stimme?“ Aufmerksam untersuchte er ihn wieder. „Meine Güte, bei euch könnte man zwei Vermutungen kriegen, ehrlich. Entweder einer von euch hat das Dingens gebaut, oder aber ihr genießt es, dass April nicht dabei ist, “ kommentierte Suzie. „Wer ist April?“ grinste er schelmisch. „Muss ich deine Erinnerung auffrischen? Die Frau, die einen kugelrunden Bauch vor sich herträgt und glücklich ist, deine Freundin zu sein. Obwohl ich mich ja schon ernsthaft frage, ob sie das hier weiß, “ kam es ein wenig empört von der großen Blonden zurück, wobei sie auf ihn und den Starcaptain deutete. „Ich werde sie doch nicht mitten in der Nacht anrufen und ihr das erzählen.“ Der Rennfahrer schüttelte den Kopf. Sollte er seine schwangere Freundin etwa aus dem Bett klingeln um ihr zu erzählen, dass jemand sehr ausgeklügelt und erfolgreich Chily in Angst und Schrecken versetzt hatte? Das würde auch April sehr aufregen und sie konnte das doch nun wirklich nicht brauchen. „Sind ja nicht unbedingt Dinge, die man gerne erzählt“, bestätigte Mandarin und drehte mit einem spitzen Küchenmesser eine Schraube heraus. „Sei vorsichtig mit dem Ding. Du machst ja noch was kaputt, “ mahnte er und schlug ihr leicht auf die Finger. „Wir brauchen den Chip am Stück.“ Sie legte das Messer weg und nahm vorsichtig die Schraube aus der Fräse. „Als ob deine Wurstfinger sind zart genug dafür wäre. Komm, lass mich wieder an das Ding, Fireball, sonst muss ich dich leider bestrafen.“ Wer nur die Dialoge hörte und nicht wusste, was sie einen Recorder auseinander bauten, konnte sich schon wundern. „Wollt ihr nicht eine Münze werfen, wer zuerst darf?“ fragte Suzie genervt. „Ladies First.“ Mandarin drückte dem Rennfahrer bereitwillig das Gerät in die Hand. „Alter vor Schönheit.“ Er schob es zu ihr zurück. „Lady bist du ja wirklich keine.“ Grinsend entfernte Mandarin die letzten Schrauben und hob die Abdeckung hoch. „Also schön, du Schlingel. Dann pass gut auf. Von mir kannst du noch was lernen.“ Dann hielt sie einen Chip zwischen Daumen und Zeigefinger. „Wär ja doof, wenn ich von einer Frau deinen Alters nichts mehr lernen würde“, neckte er zwinkernd und schaute auf den Datenträger. „Verdammt klein das Ding.“ – „Deswegen kann es trotzdem so einiges drauf haben, das Dingelchen“, meinte der Rotfuchst. „ Es braucht viel Geschick und zierliche Finger um so etwas zu bauen. Und so wie es aussieht auch reichlich an technischem Verständnis. Das kann nicht jeder, “ bemerkte Suzie beiläufig und erntete einen verwunderten Blick von ihrer Kollegin. „Willst du auf was Bestimmtes raus?“ Die nickte. „Es braucht für den Bau eines solchen Gerätes ganz offenbar spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten, die nicht jeder haben kann. Und das nötige Werkzeug. Das lässt sich bei euch beiden im Werkzeugkasten sicherlich finden, oder?“ Sie hob die Augenbraue anerkennend. „Du hast den Chip ziemlich fix rausgeholt“, fügte sie hinzu. Mandarin warf einen kritischen Blick auf ihre Arbeit. „Eine halbe Stunde nennst du fix? Und ohne Fire hätte ich das auch nicht geschafft, “ erklärte sie mit sich selbst unzufrieden. „Mit dem richtigen Werkzeug wär es schneller gegangen, ja, “ stimmte der zu. „Aber hingekriegt hättest du das auch ohne mich, Mandy, “ ergänzte er lobend. Suzie erhob sich träge. „Ich hätte es jedenfalls nicht geschafft. Aber ihr zwei seid super. Wirklich.“ Sie gähnte. „Na, dann mal gute Nacht.“ Fireball winkte kurz. „Schlaf gut, Suzie“ und wandte sich dann an den Starcaptain. „Jetzt bin ich überdreht, wie soll ich da noch schlafen können?“ Die verabschiedete sich auch von der Hochgewachsenen. Irgendwas an deren Bemerkungen musste sie falsch verstanden haben. Einen Momentlang kam es ihr doch tatsächlich so vor, als wäre sie zur Verdächtigen mutiert. Egal. „Irgendwas wird uns schon noch einfallen. Die Nacht ist noch jung, “ entgegnete sie dann an den Japaner gerichtet. Die Tür fiel hinter Suzie ins Schloss. „Wie wäre es mit einem Drink an der Bar?“ schlug die Rothaarige vor. „Ein kleiner gute Nacht Trunk?“ Das klang ganz gut. Die beiden verließen die Küche und schlenderten zur Hausbar. Fireball verschwandt hinter dem Tresen und kramte dahinter herum, als wäre es seine Bar. Er wusste ja, dass Chily nichts dagegen hatte. „Dann schau wir mal, was unsere Gastgeberin für uns da hat“, murmelte er dabei und zog eine Flasche hervor. „Likör, Baby?“ Er überflog das Etikett. „Oh, Kleiner. Wenn das April wüsste, dass du dich hier mit mir amüsierst während sie unter ihrer Schwangerschaft leidet, “ bemerkte Mandarin leicht lachend. An ihrer Schwäche für ihn hatte sich nichts geändert. Noch immer wurden ihre Knie weich, wenn sie in seine braunen Augen sah und kribbelte es in ihr, wenn er sie Baby nannte oder lächelte. Jetzt kam sein Kopf wieder zum Vorschein. Er nahm zwei Gläser, stellte sie auf die polierte Theke und schenkte ihnen ein. „Sie leidet nicht. Sie ist ganz froh, dass sie mich mal wieder loshat. Und dagegen“ Er zeigte auf sie und die Gläser. „hat sie bestimmt nichts.“ Zufrieden lächelte die Rothaarige nun. Es schien doch tatsächlich so, dass es zwischen ihm und April nicht mehr so lief, was wahrscheinlich an deren unerwarteter Schwangerschaft lag. Offensichtlich hatte das zu einem Bruch geführt. Oder warum sonst sollte die werdende Mutter froh sein ihn loszuhaben? „Aha, dann muss ich mir ja keine Gedanken machen“, stellte sie fest, kam zu ihm hinter die Theke und nahm ihm eines der Gläser ab. „Nö, musst du nicht. April versteht das, “ versicherte der Rennfahrer naiv. Mandarin trat noch ein Stück näher zu ihm. War das zu glauben, dass sie endlich doch eine Chance bekam? „Dann auf uns“, schlug sie ihm zu prostend vor und hakte ihren Arm in seinen um auf Bruderschaft zu trinken. Arglos hakte er ebenfalls ein, nahm einen Schluck und gab ihr den zu der Zeremonie gehörenden kleinen Kuss. „Auf uns als Dreamteam, Baby“, grinste er munter. „Du sagt es.“ Mandarin legte ihre freie Hand in seinen Nacken, zog ihn zu sich und drückte ihm einem längeren, zärtlichen Kuss auf die Lippen. „Mandy?“ murmelte er überrascht. „Was denn, Kleiner?“ Wieder zog sie ihn zu sich. Irgendetwas knarrte. Fireball schob die Rothaarige auf Armeslänge von sich. „Du hast mich geküsst“, stellte er überrumpelt fest. „Himmel, Baby, wieso machst du das?“ Das ging nicht in seinen Kopf. Was hatte sie denn nur auf diese Idee gebracht? „Ich dachte, weil wir, “ stammelte sie perplex. Dem Rennfahrer schoss tiefe Röte ins Gesicht. „April reißt mir den Kopf ab, wenn ich ihr das erzähle“, wurde ihm klar und gleich darauf folgte eine weitere Erkenntnis. „Das kann ich ihr gar nicht sagen!“ Jetzt verstand Mandarin überhaupt nichts mehr. „Aber du hast doch gesagt, es macht ihr nichts aus und sie versteht das“, erinnerte sie ihn erstaunt. „Ich meinte, sie ist ganz froh, dass ich sie nicht mehr beglucken kann, weil ich wieder hier bin. Aber das wird sie eher weniger verstehen, “ erwiderte er. Jetzt begriff die Rothaarige alles. Einer der Dinge, die sie so schwach machten, war seine Naivität und die hatte gerade für ein gewaltiges Missverständnis gesorgt. Er hatte nicht mal geahnt, was ihre Absichten waren, als sie ihn ausgehorcht hatte. Sie schlug sich die Hand an die Stirn. In eine funktionierende Beziehung hatte sie sich nicht drängen wollen. „Oh Gott. Fireball, es tut mir leid. Ich hab das falsch verstanden. Ich dachte, dass mit euch liefe nicht mehr so, “ versuchte sie sich zu erklären und hätte sich vor Scham am liebsten in Luft aufgelöst. „Nein, nein, “ stellte er hastig klar. „Ganz im Gegenteil! Ich liebe sie und entgegen aller Vermutungen freu ich mich auf unser Töchterchen, “ versicherte er ungestüm. Dann kam ihm noch eine Erleuchtung. Offensichtlich hatte er, wenn auch unbeabsichtigt, sie überhaupt erst auf die Idee gebracht und ihr falsche Signale gesendet. „Mandy, ich hab es nicht mit Absicht getan...“ brachte er dann hervor und wollte ihr die Hand auf die Schulter legen, aber sie wich einen Schritt zurück und starrte auf den Boden. „Schon gut, “ gab sie verlegen zurück. „Ich hätte wohl genauer nachfragen sollen.“ Sie nahm einen Schluck und wechselte das Thema auf ein weniger peinliches. „Ein Töchterchen also. Wie soll es heißen?“ – „Charlene“, erwiderte er und fuhr sich durch die Haare, als könne er so die Verlegenheit fortfegen. Seinen Drink leerte er ebenfalls. „Charlene? Hübscher Name. Wie seid ihr darauf gekommen?“ fragte Mandarin leise. „Wir wollten Chily damit für ihre Fürsorglichkeit danken“, erklärte er. „Und es ist auch eine kleine Hommage an Aprils Dad. Charles und Jolene. Daraus ist ganz schnell Charlene geworden, “ lächelte er dann. „Auf einen japanischen Namen wollte sich Madame nicht einlassen.“ Es war ihm anzusehen, dass er sich auf dieses Kind freute und schon jetzt stolz darauf war. Ein leichtes Linsen in seine Richtung hatte der Rothaarigen dafür genügt. „Und wann ist es soweit?“ Er rechnete nach. „Es wird noch drei Monate ungefähr dauern. Vorausgesetzt natürlich, es kommt nichts Unerwartetes oder schwer belastendes mehr vor.“ – „Das freut mich für euch. Ehrlich, “ versicherte sie und leerte ihr Glas ebenfalls. „Hör mal, können wir beide so tun, als wäre gar nichts passiert. Es ist mir unangenehm und ...“ Sie brachte es kaum fertig weiter zu sprechen, so unerträglich war ihr das. „Da bin ich sofort dabei.“ Der Rennfahrer räumte die Gläser in die Spüle. „Mir ist das wirklich sehr... naja...“ Wieder wurde er rot. "So sind die Rennfahrer. Überall, wo sie hinkommen, brechen sie die Herzen der stolzesten Frauen, ohne es zu merken", hatte Colt mal behauptet. Hatte er tatsächlich so einen dicken Bonus bei Mädels, dass er sie alle haben könnte? Das konnte gar nicht sein. „Dann gute Nacht“, sagte Mandarin und verließ die Bar eilends. „Bis morgen dann“, rief er ihr nach und verschwand in die andere Richtung. Ein paar Minuten an der frischen Luft auf der Veranda brauchte er noch, ehe er wirklich schlafen konnte. Menschen und ihre Gefühle – wer sollte das verstehen. Aber musste man sie überhaupt verstehen, oder reichte es, wenn beide dazu beitrugen einen ans Ziel zu bringen? Die Hauptsache war und blieb das Ergebnis. Nur, weil er den Plan hatte ändern müssen, hieß das nicht, dass er nicht erreichte, was er wollte. Er hatte ja ihre Hilfe. Diese dumme Gans glaubte tatsächlich das, was er ihr versprochen hatte. Als ob er wüsste, was Liebe ist. Jean-Claude lächelte abfällig. Dass sich irgendetwas zwischen Fireball und Mandarin geändert hatte, fiel allen auf. Jeder wusste, dass der rothaarige Starcaptain eine Schwäche für den Rennfahrer hatte. Genauso war bekannt, dass für den nur seine April und das Kind, welches die beiden erwarteten, zählte. Nicht grundlos war er tausend Tode um die beiden gestorben. Deshalb konnte sich keiner einen Reim auf das machen. Wann immer Fireball und Mandarin darauf angesprochen wurden, blockten sie ab oder spielten es herunter. Chily bemühte sich Gelassenheit zu wahren, was ihr jedoch recht schwer fiel, weil sie ihre Abneigung gegen Suzie nach dem Vorfall mit dem Recorder kaum mehr unterdrücken konnte. Sie versuchte Toto und Robin weiß zu machen, sie hätte nur schlecht geschlafen, aber eine überzeugende Lügnerin war sie eben nicht. Nach dem Mittagessen begannen Colt und Robin mit der Krankengymnastik. Fireball und Mandarin versuchten auf Ramrod die unkenntlich gemachte Stimme wieder herzustellen. Suzie telefonierte und Chily kümmerte sich um den Abwasch. Der Recke wollte gerade den beiden auf Ramrod helfen gehen, als Toto ihn an der Scheune abfing und ihm am Ärmel zupfte. Saber hockte sich zu dem kleinen Mann, der offenkundig etwas auf dem Herzen hatte. „MomChi ist unglücklich“, sagte Toto. Der Blonde nickte. „Ich fürchte, da hast du Recht“, erwiderte er. „Dann mach was, damit sie wieder lacht“, forderte der Knirps und stieß dem Schotten die kleine Faust vor die Brust. „Du kannst das bestimmt.“ – „Bist du sicher?“ fragte Saber. Toto nickte mit kindlicher Überzeugung. „Du hast sie doch lieb“, meinte er darauf, „dann kannst du auch machen, dass sie wieder lacht.“ Dass man Erwachsenen aber auch immer alles erklären musste. „Wie wäre es, wenn du mir dabei hilfst“, schlug Saber ihm vor. „Du meinst, ich kann das?“ fragte der Zwerg erstaunt. „Warum denn nicht?“ – „Na, weil MomChi dich wohl lieber mag, als mich“, antwortete Toto. Der Kleine hatte gemerkt, dass er die Aufmerksamkeit seiner MomChi nicht mehr für sich allein hatte, sondern sie mit dem Recken teilen musste. Ihm war auch nicht entgangen, dass sie in dessen Gegenwart glücklicher war, als früher bei anderen Männern. Das war ein Grund, weshalb der Zwerg den Starsheriff mochte und ihn nur einmal mit Tritten oder ähnlichem attackiert hatte. Aber genau deshalb musste er auch etwas von der gewohnten, uneingeschränkten Zuwendung seiner MomChi hergeben und das fiel eben nicht leicht. „Ich glaube, sie hat uns beide gleich lieb“, antwortete Saber nun. Ein erfreutes Glänzen erschien in den Augen des Jungen. „Ja?“ hakte er nach. „Bestimmt sogar“, versicherte der Recke. „Also, hilfst du mir nun?“ Eifriges Nicken war die Antwort. Colt war nicht ganz bei der Sache, wie Robin feststellte. Die Übungen führte er halbherzig und ungenau aus. Mit seinem Kopf war er woanders. Am Morgen hatten Saber und Fireball ihn zur Seite genommen und ihn über die Drohung der vergangen Nacht informiert. Es machte den Scharfschützen unruhig, dass er nicht aufgewacht war. Gleichzeitig war er sehr froh, dass Robin es ebenfalls nicht bemerkt hatte. Noch wusste sie nichts von den Drohungen, ahnte es allerhöchstens. Der Kuhhirte wollte es auch dabei belassen, damit sie sich nicht unnötig Sorgen machte. Er sorgte sich genug für beide. Die Botschaft nahm er sehr ernst. „Ich bin näher, als du denkst, Herzchen.“ Wieso Herzchen? Was hatte das zu bedeuten? Colt befürchtete, dass es wahr war, dass der Gegner näher war, als ihnen allen lieb war. Jemand wusste verdammt genau, wann er wie die Nachrichten an wen überbringen musste. Und so abwegig ihm das auch erschien, die Drohungen kamen mit Mandarin und Suzie, also musste wenigstens eine von ihnen etwas damit zu tun haben. Augen offen halten, Colt. Saber war bewusst, dass er eigentlich Fireball und Mandarin helfen sollte. Aber genauso war ihm klar, wie sehr Chily unter der augenblicklichen Situation litt. Es war nicht nur die Drohung und ihre Abneigung gegen Suzie, sondern auch ihr Eindruck, er würde nicht zu ihr halten. Aber das durfte sie nicht von ihm denken, nicht, wenn er sie noch länger an seiner Seite wissen wollte. Und das wollte er. Nur deshalb ritt er mit ihr und Toto nun in Richtung Ohio-River. Sie blickte gedankenverloren über die Landschaft. Diese Weite, diese Ruhe, das Gefühl grenzenlos frei zu sein hatte sie vermisst. Saber konnte es an ihrem Gesicht erkennen. Sie ließ los, ließ ihren Kummer fahren und entspannte sich mit jedem Schritt, den die Pferde sie weiter von der Ranch wegtrugen. An dem Steg, von dem aus sie den Recken damals ins Wasser gestoßen hatte, breitete der nun eine Decke aus. Toto half ihm beim Tragen des Picknick-Korbes und verteilte das Geschirr für die Drei. Langsam ließ sich Chily von Demons Rücken gleiten, kam zu ihnen herüber und ließ sich auf der Decke nieder. Der Schotte kam nicht dazu, sich zu ihr zu setzen. Toto hatte den Rugby-Ball eingepackt und bestand nun mit kindlicher Überzeugungskraft darauf, das Tackeln zu üben. Ein Abschlagen dieser Bitte war schlicht nicht in Erwägung zu ziehen. Chily beobachtete die beiden und musste mehr als einmal laut auflachen. Es war doch immer wieder drollig, mit wie viel Energie und Anstrengung der Zwerg versuchte den Recken zu Fall zu bringen. Aber schon allein Gewicht und Größe seines Gegners machten ihm dabei zu schaffen. Wenn der Ansatz zu dem Manöver gut war, tat der Blonde dem Kleinen auch den Gefallen zu stürzen und knabenhafter Jubel ertönte am Ufer des Ohio. Chily lächelte glücklich. Dass sich die beiden so gut verstanden, erleichterte sie sehr. Endlich kamen von Toto keine Beiß-, Kratz-, Spuck- oder Trittattacken. Offenbar hatte sie seinen Segen. Abgekämpft kamen die zwei wieder zu ihr. Zeit sich zu stärken und dafür förderten sie eine Obstsalat, belegte Brötchen und einen reichlich überzuckerten Schokopudding für die Naschkatze Chily aus dem Korb. Die verkniff sich jedoch wohl weißlich mit einem Ton zu erwähnen, dass sogar ihr dieser Nachtisch viel zu süß war. Dass sich die beiden soviel Mühe gegeben hatten, rührte sie einfach nur sehr und sie konnte es nicht wirklich in Worte fassen. Toto hielt es nicht lange bei ihnen aus. Mit seiner Tritttechnik war auch sehr unzufrieden und so schlang er rasch ein Brötchen hinunter, ehe er sich den Ball wieder schnappte und sein Training fortsetzte. „Herrlich hier, nicht wahr?“ meinte Saber, während sie das Geschirr wieder zusammen räumten um mehr Platz zu haben. „Ja. Wunderschön, “ bestätigte sie. „Ich liebe es hier zu sein.“ Sie wickelte das genutzte Besteck in ein Geschirrtuch. „Mir gefällt es hier auch. Solang du mich nicht wieder in den Fluss stößt, “ lächelte er leicht. Ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht, als sie sich an diesen Tag erinnerte. „Nein, ich hatte vor dich anders da rein zu befördern“, erwiderte sie. „Hast du diesmal an Badesachen gedacht?“ wollte sie dann wissen. „Aber logisch“, lachte er, schob den Korb von der Decke und wies auf die Tasche, die an Steeds Flanke befestigt war. Ihre Augen blitzten. „Na dann, worauf warten wir?“ hakte sie nach und wollte aufstehen, aber er hielt sie zurück. „Weiß nicht“, entgegnete er. „Vielleicht gibt es einen guten Grund, noch nicht ins Wasser zu gehen.“ Er warf einen kurzen Blick über die Schulter. Toto war in das Kicken des Balles so vertieft, dass er nichts sah oder hörte. Saber wandte sich wieder zu ihr, legte seine Hand in ihren Nacken, zog sie näher zu sich und gab ihr einen liebevollen Kuss. Beeindruckt hob sie die Brauen. „Ein ganz guter Grund“, gab sie zu, ehe sie die Liebkosung erwiderte. Der Schotte rutschte auf der Decke herum, so dass er hinter ihr saß und legte die Arme um sie. „Gefällt dir das?“ hakte er nach. Sie schmiegte sich wohlig an ihn. „Ja. Ich liebe diese weite, endlose Natur, “ seufzte sie leicht. Er ließ sie wieder los. „Ja, ist schon beeindruckend“, beteuerte er. Verwundert richtete sie sich wieder auf, drehte sich zu ihm um und fragte: „Was ist los?“ – „Nichts, nichts“, wich er prompt aus. „Ich dachte, so kann die weite Natur besser auf dich wirken.“ Sie glaubte ihm kein Wort. „Du schwindelst ja schon wieder“, erklärte sie ihm auf den Kopf zu. „Würdest du mir bitte sagen, was ich falsch gemacht hab, dass du mich loslässt, als wäre ich eine heiße Kartoffel?“ Unglaublich, wie sie ihn jedesmal entlarven konnte. „Ich mach mir ein paar Sorgen“, wich er auf. „Du bist momentan auf der Ranch ziemlich eingespannt und eingesperrt. Es tut dir nicht gut und... naja, ich will halt nur nicht, dass du irgendwann die Flucht ergreifst, “ erklärte er sich und fügte gedanklich „vor mir“ hinzu. Sie legte die Stirn in Falten und fragte. „Warum sollte ich vor dir die Flucht ergreifen?“ – „Hab ich das laut gesagt?“ Erschrocken schlug er sich die Hand vor den Mund. Missbilligend verzog sie das Gesicht. „Das hab ich dir angesehen, dass du das gedacht hast.“ Sie setzte sich im Schneidersitz auf die Decke. „Also, warum sollte ich die Flucht vor dir antreten wollen?“ bohrte sie. Wozu noch abstreiten? Sie hatte in ihm gelesen, wie in einem offenen Buch. Einmal mehr. „Es ist eng auf deiner Ranch geworden. Mandy und Suzie da sind und ich kann sie nicht einfach wieder wegschicken. Colt ist verletzt und hat sich mit Robin einquartiert. Bald kommt April auch zurück. Fireball ist da und Toto. Dir wurde gedroht. Und wenn du von alldem weg willst, kommt es einem vor mir fliehen gleich, “ erläuterte er. „Ich kann damit leben, so lange ich dich hab, “ wehrte sie ab. „Nur, dass, was du grade tust, kann dafür sorgen, dass ich dich nicht mehr lange hab, “ meinte sie dann. Verwirrt sah er sie an. „Was tue ich?“ fragte er. „Du lügst mich an“, antwortete sie unumwunden und war wieder in seinem Kopf gelandet. „Ich lüge dich nicht an“, behauptete er wenig überzeugend. „Oh bitte“, fuhr sie leidenschaftlich auf. „Du fragst mich, ob mir das gefällt, das Picknick und das Kuscheln. Ich sage, ja und füge hinzu, dass ich diese Umgebung liebe. Und was machst du? Vor lauter Angst, du wärst mir nicht mehr wichtig und ich könnte dich verlassen, interpretierst du da hinein, dass ich meine Freiheit wieder will.“ Ratlos musterte sie ihn. „Warum?“ Eine Antwort darauf brachte er nicht heraus, sah sie nur betrübt an. Sie krabbelte auf ihn zur, drückte ihre Stirn gegen seine. „Wie soll ich dir nur zeigen, dass ich dich liebe. Was muss ich tun, damit du es verstehst, mein Manapi?“ Behutsam legte sie ihm die Arme um den Hals und fragte sanft: „Sind die Wunden wirklich so tief?“ Seine Augen hefteten sich auf die hellblauen Linien, die sich über den tannengrünen Stoff der Decke zogen. Kaum hörbar erwiderte er. „Ich wollte sie heiraten.“ Sie hätte mit so ziemlich allem gerechnet, aber nicht damit. Erschrocken fuhr sie von ihm zurück und starrte ihn verdattert an. Natürlich musste es das gewesen sein. Er verschenkte sein Herz nicht an irgendwen. Man musste schon etwas besonderes sein. Sincia, dass wurde der Hebamme jetzt klar, war so jemand besonderes gewesen. Die hohle Nuss hatte es nur nicht gemerkt, dass der Recke alles für sie getan hätte, für sie gestorben wäre. Und völlig verständlich nun für Chily, warum er sich so schwer damit tat ihr zu vertrauen. Diese hohle Nuss, und der Hebamme fiel kein anderes Wort dafür ein, hatte ihm nicht das Herz aus der Brust gerissen. Nein, raus gekratzt hatte sie es, mit einem Teelöffel, und diese Streifen dann auch noch filetiert. Kein Wunder war er so verunsichert. Kein Wunder brauchte er so viel Zeit. Die Frau sollte die Mutter seiner Kinder werden. Er hatte mit ihr den Rest seines Lebens verbringen wollen. So ergab sein Verhalten einen Sinn. Nur so. Wieso war sie nicht früher darauf gekommen? Und war wirklich sie diejenige, die diesen Schmerz lindern konnte? Reichte ihre Liebe und Zuneigung, oder brauchte er noch viel mehr, als sie ihm geben konnte? Dass sie so heftig abgerückt war, brachte ihn noch mehr aus dem Konzept. Oder doch nicht? Man erzählte schließlich nicht von der Vorgängerin. Das, was er ihr gesagt hatte erst recht nicht. „Es tut mir leid, ich hätte nicht damit anfangen sollen“, entschuldigte er sich, aber sie reagierte nicht darauf. Zwar hatte sie ihn gehört, musste aber ihre Gedanken sortieren. Beklommen erhob sich der Recke. „Ich sollte... mal nach Toto sehen.“ Er wandte sich zum gehen. „Nein, warte, bitte“, rief sie und sprang auf. Er blieb stehen, mit dem Rücken zu ihr, den Blick auf die Kiesel am Flussufer gerichtet. Ihre Arme schlangen sich ungestüm um ihn. Ihr Kopf drückte sich innig an seinen Rücken. „Du darfst mich nicht alleine lassen.“ Die Tränen in ihrer Stimme brachten ihn dazu, sich in ihrer Umklammerung umzuwenden und auch die Arme um ihre Schultern zu legen. „Ich lasse dich nicht alleine“, antwortete er rau. „Ich will nicht ohne dich sein. Ich will das nicht, “ murmelte sie, der Kopf, den sie gesenkt hielt, flog nun hoch. Tränen glänzten in ihren Augen. „Hörst du mich? Ich will nicht ohne dich sein.“ Er schluckte überrascht. „Das musst du auch nicht“, sagte er. „Dann rede nie wieder solchen Unsinn.“ In ihrem Ton war zu hören, dass sie dem Aufruhr ihre Gefühle kaum Herr wurde. Sie hätte nicht gewusst, was alles durch sie hindurch jagte. Nur eines wusste sie genau, sie liebte ihn. Er nickte leicht. Wieso nickte er nur? „Ich bin nämlich nicht Sincia. Und ich will auch nicht so sein wie sie, “ fuhr sie ihn an. Sie wollte ihm niemals weh tun. „Ich weiß“, schluckte er. „Ich wollte dich nicht mit ihr vergleichen.“ Aber genau das hatte er oft genug getan. Unbewusst hatte er immer wieder festgestellt, dass Chily genau die Dinge tat, die Sincia nie getan hätte. Und dennoch hatte er der Hebamme dasselbe Verhalten unterstellt. „Ich bin ehrlich. Sie war es nicht, “ führte sie selbst einen Vergleich an. „Ich liebe dich.“ Die Tränen bahnten sich ihren Weg. „Es tut mir aufrichtig leid, Jolene“, sagte er wahrheitsgemäß. „Es ist nur so schwer, wieder Vertrauen zu fassen, es wieder zu lernen...“ Mehr brachte er zur Erklärung nicht hervor. Es war auch nicht nötig. Sie verstand ihn. Etwas zittrig, weil sie so aufgewühlt war, strich sie ihm über die Wange. „Du wirst es lernen, mein Manapi. Ich werd es dich lehren, “ flüsterte sie. Erleichtert beugte er sich zu ihr hinunter und drückte ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Ich weiß“, murmelte er zurück. „Aber bitte habe Geduld mit mir.“ Er hatte sie noch nicht verscheucht, stellte er beruhigt fest und es war so gut, dass sie ihn nicht aufgab. Keiner der beiden bemerkte Toto, der mit düster gerunzelter Stirn zu ihnen trat. „MomChi weint“, stellte der kleine Mann fest, trat gegen Sabers Knie und stürzte sich tobend auf ihn. „Was hast du mit MomChi gemacht? Warum weint sie?“ schrie er aufgebracht. Dem ersten Kick hatte der Recke nicht ausweichen können, dem Angriff schon. Er wich zur Seite und nahm den Jungen bei den Schultern. „Ja, MomChi weint“, versuchte er ihn zu beruhigen. „Es tut mir leid, Toto.“ Aber der Zwerg hörte nicht zu, sondern zeterte weiter. „Du solltest sie wieder fröhlich machen. Du, du ...“ Unbeholfen versuchte er den Blonden zu treten oder zu schlagen, aber da er ihn auf Armlänge von sich weghielt, blieb es beim Versuch. „Ich gebe mein Bestes, Toto“, setzte der von vorn an. „Ehrlich, ich will deiner MomChi nicht weh tun. Sie gefällt mir doch auch viel besser, wenn sie lacht.“ Der kleine Vulkan vor ihm wollte sich losreißen. „Ich kann dich nicht mehr leiden“, schrie er und schlug das Kindergebiss in den Unterarm des Schotten. Der verzog das Gesicht und die Hand zurück. „Toto.“ An der anderen Schulter hielt er ihn noch. „Bitte. Ich wollte Jolene nicht weh tun. Ich mag sie doch. Ich mag euch beide, “ versicherte er und flehte Chily gedanklich um Hilfe an. Dieser tobende Racker schien nicht zu beruhigen. Sie hatte sich jetzt wieder unter Kontrolle und griff ein. Energisch trennte sie Toto von Saber und zog den kleinen Mann ihn ihre Arme. „Schatz, hör auf. Beruhige dich.“ Sie wiegte ihn leicht. „Ist doch alles gut.“ Dennoch kickte der noch einmal böse nach dem Recken. „Der macht dich traurig, MomChi. Er soll gehen, und uns in Ruhe lassen! Bäh, “ streckte er dem Blonden noch einmal die Zunge raus. „Nein, Schatz, nein. Ich hab war nicht traurig, weil Saber ich traurig gemacht hat, sondern, weil das jemand mit ihm gemacht hat. Und du weißt doch, so was tut man nicht, “ erklärte sie sanft. Mit einem kleinen Sicherheitsabstand beugt der sich erneut zu dem Jungen. „Deine MomChi passt auf mich auf. Sie tröstet mich. Und es tut mir leid, dass ich sie damit traurig gemacht hab, “ fügte er ihr hinzu. „Aber das solltest du nicht, “ beharrte der Knirps. Immerhin hatte er seine Attacken eingestellt. „Ich weiß, ich sollte sie wieder fröhlich machen. Aber jeder ist irgendwann mal traurig, das ist ganz normal. Schau mal, sogar Colt ist manchmal traurig.“ Toto verstand das, erst recht, als Chily diese Aussage bekräftigte. „Er hat recht. Schatz, du bist auch mal traurig. Das wichtigste ist, das man dann nicht allein ist und hinter her wieder lachen kann.“ Mit dem letzte Rest Starrsinn, denn stur zu bleiben fiel ihm schwer, wenn seine MomChi so mit sprach, trotzte er: „Aber ich bring dich dann nicht zum weinen. Das soll er lassen, sonst tret ich ihm in den …“ – „Toto! Dann machst du mich aber sehr traurig. Außerdem bringt Saber mich auch wieder zum Lachen. Deswegen habt ihr euch das mit dem Picknick doch überlegt, nicht wahr, “ erinnerte sie ihn sanft. „Ja, “ gestand er verlegen. „Du warst so gar nicht mehr fröhlich auf der Ranch. Der blöde Besen …“ Ihr Blick hielt ihn davon ab, diesen Satz zu beenden. „Na, dann wird es jetzt aber Zeit, dass ihr mich zum Lachen bringt“, fügte sie munter hinzu. „Ich hab nichts dagegen“, stimmte Saber zu. „Toto? Holst du den Ball?“ Eine Runde Wasserball zu dritt war wahrscheinlich die beste Ablenkung. Er begann sein Hemd aufzuknöpfen. Toto sprang davon, den Ball zu holen. Chily trat auf den Recken zu und half ihm beim öffnen der Knöpfe. „Das war sehr lieb von dir“, sagte sie leise. Er ließ die Arme sinken und überließ ihr die Arbeit ganz. „Ach, meine Schienbeine sind das gewöhnt, April und Colt treten auch öfter danach“, versuchte er lächelnd herunterzuspielen, was eben geschehen war. „Ich meine nicht nur, wie du grad mit Toto gesprochen. Ich meine, den ganzen Ausflug, “ antwortete sie leicht. „Dieser Ausflug war nötig, sonst wärst du geplatzt, Jolene.“ Sie streifte ihm das Hemd über die Schultern, schmiegte sich kurz an ihn und hauchte ihm einen kleinen Kuss auf die Brust. „Deswegen bin ich dir ja so dankbar“, meinte sie. „Sei mir nicht dankbar“, wiegelte er ab und schloss sie in seine Arme. „Ich liebe dich und nur deswegen habe ich das gemacht.“ Sie lachte leicht an seiner Brust. Genau deshalb war sie ihm doch so zugetan. Dann lösten sie sich von einander und wechselten in die Badebekleidung. „Manchmal bist du doof, obwohl du so klug bist“, grinste sie dabei und gab ihm, als sie in ihren Bikini und er in die Badehose geschlüpft waren, einen Kuss auf den Mund. „Ich liebe dich auch und dieser Nachmittag allein, ist Grund genug bei dir zu bleiben.“ – „Na, danke aber auch“, lachte er leicht. „Komm, ab ins Wasser. Dieses Mal kannst du mir nicht vorhalten, ich solle lockerer werden.“ – „Wollt ihr noch ewig knutschen?“ beschwerte sich Toto. „Wow und ich hab noch nicht mal einen Tritt dafür kassiert“, wunderte sich der Schotte. „Jetzt bin ich endgültig erstaunt.“ Chily lachte. „Der mag dich eben wieder.“ Dann stemmte sie sich gegen ihr und schob ihn in Richtung Fluss. „Und jetzt ins Wasser mit dir.“ Lachend salutierte er „Zu Befehl“ und tauchte ab. Suzie hatte sich, als alle das Haus verlassen hatten, das Telefon gegriffen um April an zu rufen. Sie war immerhin eine alte Freundin und langsam sollte sie sich um sie kümmern. So tippte sie die Nummer des Kurhauses ein, die neben dem Fernsprecher lag, und schlenderte zum Sofa. Es tutete einmal. Die Hochgewachsene ließ sich auf die Couch fallen. Das zweite Tuten. April nahm ab. „Na, April. Wie geht es der werdenden Mutter?“ grüßte sie locker. „Oh, hi Suzie, “ erklang es erfreut vom anderen Ende der Leitung. „Danke mir geht es gut. Die Ruhe hier habe ich wirklich gebraucht.“ Suzie schwang ihre Beine auf das Polster. „Das freut mich zu hören. Ich könnte auch eine Kur gebrauchen. Deine drei Jungs nerven an einem Stück, “ lachte sie leicht. „Ja, dass haben sie so an sich, “ lachte die werdende Mutter zurück. „Wie geht es bei euch?“ Deren Freundin wiegte den Kopf. „Ziemlich verworren im Moment. Tut mir leid, April, “ berichtete sie bedauernd. Das wunderte die Navigatorin. „Verworren? Was meinst du damit? Hast du Ärger mit Robin?“ Das war für sie das einzig Vorstellbare. Colts Braut dürfte es wenig behagen, eine Verflossene im Haus zu haben. „Nein. Es ist eher Mandarin, die Schwierigkeiten macht. Genau genommen bringt sie einiges durcheinander. Vor allem bei deinem Schatz…“ Suzie biss sich auf die Lippe. „Das ist nicht sonderlich schwer. Seit wir wissen, dass wir ein Kind bekommen, ist er doch recht aus dem Häuschen, “ grinste dessen Freundin. „Hm, weißt du, “ setzte die große Blonde an. „ich habe den Verdacht, dass Mandarin uns allen etwas vorspielt und nicht ehrlich ist. Naja, sie bringt Fireballs Hormonhaushalt durcheinander, April. Mandarin wickelt ihn regelrecht ein. Er merkt noch nicht einmal, was sie mit ihm macht, “ brachte sie schließlich hervor. „Bitte?“ Verwundertes Schweigen folgte. „Da hast du sicher was falsch verstanden“, meinte April. Alles andere wollte sie lieber nicht glauben. Das würde einen Fehltritt seinerseits bedeuten und das konnte nicht sein. „Ich wünschte, ich hätte da was falsch verstanden, aber es war eindeutig“, erwiderte die Große. „Dein Freund ist nicht ehrlich zu dir, April.“ Die Geräusche am anderen Ende ließen vermuten, dass April sich setzte. „Hast du irgendwas gesehen oder gehört, dass du dir so sicher bist?“ fragte sie ahnungsvoll. Suzie gab einen bedauernden Laut von sich. „Leider ja“, gestand sie bemitleidend und rückte mit der Sprache raus. „Wir haben neulich nach einem Nachtflugtraining einen Recorder gefunden. Der war von einem technischen Genie gebaut worden. Nicht einmal Fireball hat den Chip rausbekommen, Mandarin aber sehr wohl. Saber und seine Freundin sind schlafen gegangen, ich kurz nach ihnen. Als noch mal runter bin, weil ich was trinken wollte, hab ich gesehen, dass...“ Sie brach ab und kaute auf ihrer Unterlippe. „April, willst du das überhaupt hören? Es tut mir so leid für dich.“ Der schwante übles. Wollte ihr die Freundin erzählen, dass Fireball ihr nicht treu war? „Suzie, bitte, wenn du meine Freundin bist, dann sag mir die Wahrheit“, kam es flehentlich von ihr. „Also, wie gesagt, ich wollte noch mal einen Schluck trinken, da hör ich aus der Bar Stimmen. Neugierig wie ich bin, wollte ich wissen, wer sich da noch so gut unterhält.“ Sie seufzte schwer. „Fireball hat Mandarin geküsst. Und ich rede nicht nur von einem kleinen Kuss auf die Wange. Er hat sie leidenschaftlich geküsst und sie gegen die Bar gedrückt. Mehr wollte ich nicht sehen, April. Es hat mir gereicht um zu wissen, was die beiden als nächstes tun würden.“ Aufgebracht setzte sie hinzu. „Er betrügt dich, April. Du trägst sein Kind in dir und er betrügt dich mit Mandarin.“ Die werdende Mutter schnappte nach Luft. „Das darf nicht wahr sein. Suzie, du muss dich geirrt haben. Das kann ich nicht glauben. Das will ich nicht glauben.“ Tränen stiegen ihr in die Augen. Das wollte sie nicht von Fireball denken. Er würde sowas nicht tun. Aber warum sollte Suzie lügen? „Das musst du aber. Fireball ist kaum ein paar Tage hier, da lässt sich Mandarin schon von ihm flach legen. Obwohl... Naja, ich weiß, zu so etwas gehören immer zwei und ich glaube auch, dass Mandarin ihm unentwegt schöne Augen gemacht hat, so wie sie es immer schon getan hat. Sie hat sich in deine Beziehung gedrängt April und sie drängt sich auch auf deinen Platz an Board von Ramrod, “ berichtete die Hochgewachsene atemlos vor Aufregung. „Mein Platz auf Ramrod ist zu vergeben. Ich werde Mutter, “ schniefte die Navigatorin. „Gott, ich dachte, er freut sich auf unser Kind. Er war so fürsorglich, als er hier war.“ Sollte das wirklich nur Hormonüberschuss gewesen sein? Das Bild, welches Suzie ihr beschrieben hatte, stieg vor ihrem geistigen Auge auf und es gefiel ihr überhaupt nicht. Sie sträubte sich dagegen, dass als Wahrheit zu betrachten. Es war nur ein Albtraum. Ganz bestimmt. „Mandys Chancen deinen Posten dauerhaft zu bekommen, stehen sehr gut. Sie hat deine Jungs alle voll im Griff. Vor allem eben Fireball, “ bemerkte Suzie trocken und mahnte die Schwangere dann. „Ihr seid so jung, April. Und Fireball ist wahrscheinlich ganz einfach nicht reif für ein Kind. Er hat sich von der erstbesten einlullen lassen, wenn er dich und euren Zwerg nicht sogar wegen ihr verlassen wird. Ich fürchte, diesen Gedanken musst du in Erwägung ziehen, bevor es zu spät ist, April. Fireball wird vielleicht kein Vater für das Kind sein wollen.“ Einen Moment lang stutzte die Schwanger. „Die Jungs voll im Griff?“ wiederholte sie leicht ungläubig. Nicht mit Chily und Robin an der Seite. Nein. Aber Fireball. Er war in letzter Zeit sehr anschmiegsam und hatte ein sehr großes Liebesbedürfnis. Mit der richtigen Strategie war es leider nicht so unrealistisch, dass Mandarin erfolgreich gewesen war. Das Bild wurde klarer in ihrem Kopf, als wäre es auch wahrer. April brach ein. Eine Weile hörte Suzie nur hemmungsloses Schluchzen vom andern Ende der Leitung. Sie schwang ihre Beine wieder vom Polster. „Das kann er mir nicht antun“, beharrte April unglücklich. Die Hochgewachsene rollte ungeduldig die Augen. „Er tut es aber. Und er hat sicher nicht vor, dir einen Ton davon zu sagen. Deshalb tu ich es ja.“ Weniger streng fuhr sie fort. „Bitte nicht weinen, April. Er ist es nicht wert, wenn er dich bei der erstbesten Gelegenheit betrügt und hintergeht.“ Hilflos klagte die werdende Mutter. „Das ist doch auch sein Kind. Wie kann er das tun?“ Die Hochgewachsene überdachte ihre folgenden Worte. „Ich weiß es nicht. Ehrlich nicht. Aber er hat es getan. Und wer einmal betrügt, der wird es immer wieder tun, “ beschwor sie die Freundin. „Du darfst nicht nur wegen eures Kindes bei ihm bleiben, April. Er wird dich immer wieder betrügen, egal ob es nun seine Mandarin ist oder jemand anderes. Du darfst dir nicht so wehtun lassen.“ Ein paar Mal wurde herzhaft geschnieft. April versuchte ihre Fassung zurück zu gewinnen, doch auch das kräftige Schnäuzen half nur wenig. „Ich brauch etwas Zeit. Das muss ich erst verarbeiten, “ brachte sie schließlich hervor. „Mach das, “ antwortete Suzie verständnisvoll. „Aber lass dich bitte nicht ausnutzen, April.“ Erneutes Schniefen. „In zwei Tagen bin ich bei euch. Dann sehen wir weiter. Tschüs Suzie. Und danke, dass du so ehrlich warst, “ kam es mit zittriger Stimme von der Navigatorin. „Wir sind doch Freunde April, “ erklärte die andere mild. „Bis in zwei Tagen, also.“ Sie legte auf. Das gab sicher eine hübsche Szene, wenn April wieder zurück war. Am Abend war Colt glücklich wieder in seinem Bett zu liegen. Seine Verletzungen wollten nicht in dem Tempo heilen, das er gern gehabt hätte. Denn dann wäre er schon längst wieder fit und könnte sich aktiver an dem Fall beteiligen. Auch wenn die Schmerzen nicht mehr so intensiv waren, war doch alles, was er tat anstrengender als er zu geben wollte. Er kam sich schon mehr oder weniger nutzlos vor und das störte ihn gewaltig. Es musste ihm doch gelingen herauszufinden, was in diesem Haus vor sich ging. Die ganze Stimmung hatte sich geändert, seit Mandarin und Suzie angekommen waren. Die Atmosphäre schien zu knistern und zwar bedrohlich. Und dann wieder diese Botschaften … Robin kletterte zu ihm aufs Bett und schenkte ihm einen aufmerksamen Blick. „Du willst mir nicht erzählen, was dir heute so durch den Kopf geht“, stellte sie fest. „Schatz, du weißt doch, ich denke nur an das Eine“, gab er grinsend zurück. „Von wegen. Daran denkst du nicht mehr, seit Suzie und Mandy hier sind, “ erwiderte sie. Glaubte er wirklich, er könne ihr noch etwas vormachen? „Was muss ich tun, damit du mich einweihst?“ wollte sie wissen, setzte sich vorsichtig auf seinen Schoss und schmiegte sich behaglich an ihn. Der Kuhhirte kannte die Art, mit der sie das tat, wenn ihre vordere Rundung dabei sanft über seinen Oberkörper strich. „Willst du das wirklich wissen?“ fragte er zurück. „Auch“, flüsterte sie. „Zählt das eigentlich zur Krankengymnastik?“ hakte er nach. „Mehr oder weniger.“ Sie verschloss ihm den Mund mit einem zärtlichen Kuss. Colt gab dieser anschmiegsamen Art gern nach. Er überließ ihr gern die Führung und genoss zu sehr ihre Hingabe. Jedes Paar hatte Momente von besonderer Nähe, besonderem, nicht zu beschreibenden Zauber. Dieser hier gehörte eindeutig dazu. Ihre Haut fühlte sich so herrlich weich an und dieses Ausmaß an Zärtlichkeit hatte es schon eine Weile nicht mehr gegeben. Er sollte wohl öfter im Koma liegen, wenn sie ihm anschließend so bewies, wie sehr sie sich freute ihn wieder zu haben, mit diesen ungestümen Küssen, mit diesem sanften Saugen und Knabbern, mit den süßen Liebkosungen ihrer Zunge und den zärtlichen Berührungen ihrer Finger. Er schloss die Augen und genoss den angenehmen Schauer, der ihn durchfuhr, ihren warmen Mund auf seinem und ihr inniges Anschmiegen an seine Brust. Für diese Frau würde er sterben, wenn es sein musste. Aber noch lieber wollte er mit ihr sehr viele, lange, glückliche Jahre verbringen. Er schloss sie in seine Arme und strich ihr sanft über den nackten Rücken. Nur fest halten. Nur sie halten und glauben, dass dieser Moment nie vergehen würde. Er musste sie beschützen. Saber schlief lange am nächsten Morgen. Als er endlich aufwachte, fand er das Bett neben sich leer. Chily war bereits unterwegs. Halb verschlafen registrierte er das und wollte sich noch einmal umdrehen, da fiel ihm der Zettel auf ihrem Kopfkissen auf. Er stützte sich auf die Ellenbogen, runzelte die Stirn und griff danach. „Es gibt mindestens 1.000 Gründe für mich an deiner Seite sein zu wollen. 1. Mit dir einzuschlafen, 2. Neben dir aufzuwachen, 3. Mir bildlich vorstellen zu können, wie du grad verdattert den Zettel anguckst mit 4. Deinen Manapi-Augen … Hab dich lieb.“ Schmunzelnd drehte er das Blatt Papier herum. Da stand ja noch etwas auf der Rückseite. „Ich weiß, dass du jetzt lächelst.“ Saber, Fireball, Mandarin und Suzie statten Sheriff Borland einen Besuch ab, der den ganzen Tag dauerte und dazu diente, die Mädchen auf den momentanen Stand der Ermittlungen zu bringen. Sie studierten die Berichte, suchten nach Hinweisen auf die neue Vorgehensweise des Gegners und besahen die Tatortfotos vom ermordeten Dooley und BooYeah. Mandarin verlor dabei etwas an Farbe, nahm es aber relativ gefasst auf. Die Berufserfahrung lehrte so was. Offenbar recht gut, wie die Männer auch an Suzies Reaktion feststellten. Die beiden berufserfahrenen Frauen konnte man eben nicht mit der emotionsgeladenen Hebamme vergleichen. Natürlich brachen die nicht in hysterisches Geschrei aus oder übergaben sich. Die Routine härtete ab. Als die Vier am Abend heimkehrten wurde ihnen die Tür geöffnet, kaum das der Recke den Hausschlüssel aus der Hosentasche gezogen hatte. Ein hochgewachsener Mann mit schwarzem, lockigem Haar und dunklen Augen stand vor ihm. Er war sportlich und sah, mit seinem breiten, vollen Mund, der sich zu einem sympathischen Lächeln verzog und dabei auch noch eine Reihe perlweißer Zähne blitzen ließ, ziemlich gut aus. Saber durchlebte unweigerlich ein Déjà-vu. Gleich musste Chily sich nähern, dem die Arme um die Taille legen und sich verliebt an ihn schmiegen. Ganz sicher. Dem Schotten wurde kalt. „Du musst Saber sein“, stellte der Schwarzhaarige fest. Lahm nickte der Angesprochene. „Ich soll dir von Chily was ausrichten“, sagte der Mann in der Tür. Gleich kommt es, schoss es dem Blonden durch den Kopf. „Sie ist zu einer Entbindung gerufen worden. Ich sollte hier warten und dir Bescheid geben, damit du dir keine Sorgen machst, “ erklärte der Lockige darauf. „Eine Entbindung?“ wiederholte Saber ungläubig. Dem Fremden fiel auf, dass er immer noch den Eingang versperrte und trat einen Schritt zur Seite um die Vier endlich herein zu lassen. „Ja“, bestätigte er dann. „Das Kind meiner Schwägerin hatte es wohl auf einmal sehr eilig auf die Welt zu kommen. Mein Bruder musste auf dem Weg zum Krankenhaus hier vorbei und hat Chily gleich mitgenommen, sonst hätte sie dich angerufen. DJs Kleinen haben die anderen beiden Heim gebracht, “ schilderte der die Ereignisse. Das war alles. Eine Geburt. Mehr nicht. Saber unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. „Und wann wird sie wieder hier sein?“ fragte er dann mit wieder gefundener Fassung. Ihm wurde klar, dass sie ziemlich umsichtig gehandelt hatte. Wäre sie fort gegangen ohne eine Nachricht dazulassen, hätte er vor Sorge tatsächlich Tucson-City auf den Kopf gestellt um sie zu finden. Das hatte vermeiden wollen. Dass sie ihm einen Schock damit einjagte, wenn sie den Schwager der Patientin bat auf den Blonden zu warten, hatte sie in dem Augenblick nicht bedenken können. Sie hatte sich auf ihren Job konzentrieren müssen, seine Jolene. „Ich weiß nicht, wie lange es dauert“, antwortete der Lockige. „Vielleicht hat es sich mein Neffe ja auch wieder anders überlegt. Ich werde mal ins Krankenhaus fahren.“ Sie riefen ihm noch ein Taxi und anschließend den Pizzaservice. Nach diesem Tag, da ihnen von den ganzen Berichten der Kopf schwirrte, hatte keiner Lust, die Küche der Hebamme in Flammen aufgehen zu lassen. Mit dem Pizzaservice kamen auch Colt und Robin zurück. Sehr viel später auch Chily, die es nicht geschafft hatte, der dankbaren Schar Verwandtschaft zeitiger zu entkommen. Die Schwangerschaft der Patientin war von Anfang an mit Komplikationen belastet. Sie und ihr Mann hatten zuvor mehrere Fehlgeburten durchstehen müssen. Da sie jetzt endlich einen gesunden Sohn hatten, war dieser sehr glückliche Moment gleich vor Ort mit Sekt gefeiert worden, was den Schwips erklärte, den Chily nach Hause brachte. Fix und fertig hatte sie nur ein träges Winken als Gruß und trollte sich die Treppe hinauf ins Bett. Sie plumpste gerade hinein, als Saber eintrat. „Entschuldige, Manapi. Hatte keine Frau da, die dir die Tür hätte öffnen können, “ murmelte sie und war im nächsten Moment eingeschlafen. Mit einem milden Lächeln deckte er sie zu. Kapitel 12: I see lies II ------------------------- Es schien Colt, als hätten seine Kollegen vergessen, dass er Teil des Teams war und den Fall genauso bearbeitete wie sie. Er hatte sich schon vorgenommen ihnen dafür gehörig die Leviten zu lesen, als er sich an etwas erinnerte, was Dooley ihm oft gesagt hatte. Gelegentlich war es von Vorteil übersehen zu werden. Denn dann konnte man besser beobachten. Und genau das würde er tun. Wenn es seinen Freunden nicht auffiel, wie er in einer Ecke saß und ein Auge auf alles hatte, würden es Suzie und Mandarin ganz sicher noch weniger bemerken. Was man da so beobachten konnte, war schon interessant. Zum Beispiel seine Jolene und Saber, die so lange sie ihre Arbeit hatten, sich problemlos darauf konzentrieren konnten. Wenn sie sich sahen, klebten sie nicht wie Kletten an einander, fanden aber oft genug Grund sich kurz liebevoll zu streicheln oder zu küssen. Er musste zu geben, dass die zwei ein süßes Paar waren, aber nur vor sich selbst, aussprechen würde er das nie. Suzie, so stellte er fest, betrachtete oft ein Foto mit verträumtem Blick. Es schien, als vermisse sie ihren Freund. Fireball behandelte Mandarin wie ein rohes Ei und stellte beinahe jede Aussage klar, damit es ja keine Missverständnisse gab. Der rothaarige Starcaptain verhielt sich ungewöhnlich befangen, als hätte sie Angst eine Grenze zu überschreiten. Das war gar nicht ihre Art. Wie genau diese Beobachtungen zu werten waren, wusste Colt noch nicht. Aber brauchbar waren sie sicher. Mit der Behauptung er wolle Robin eine kleine Pause gönnen, bat Colt seine beiden Freunde ihm zum Arzt zu begleiten. Die beiden glaubten ihm die Begründung zwar nicht, doch nach den jüngsten Vorfällen war klar, dass dem Kuhhirten etwas unter den Nägeln brannte. Nachdem sie die Praxis verlassen hatten, schleifte er sie in ein Steakhause und platzierte sie in einer abgelegenen Nische am Ende des Lokals. „Meine Güte, du machst vielleicht einen Aufstand nur weil Chily dir zu gesund kocht“, stichelte der Rennfahrer, als sie bestellt hatten. Der Scharfschütze wischte das Statement mit einer Handbewegung zur Seite. „Nein, Fireball, ich glaube, diese Geheimniskrämerei hat eine andere Ursache“, meinte der Recke und war gespannt auf das, was kommen würde. Der Cowboy nickte. „Natürlich“, erwiderte er. „Oder bin ich der einzige, der sich wundert, dass die Botschaften wieder angefangen haben seit wir unsere Unterstützung im Haus haben?“ Überrascht schaute Fireball ihn an. „Was soll das heißen?“ fragte er, obwohl er sich die Antwort denken konnte. „Dass wir vielleicht en Stinktier im Haus haben, dass für einen guten Pups seine ganze Sippe verrät“, kam es ungeduldig zurück. „Ich hab es ja nicht im Kopf. Ich sehe doch, dass Chily und Robin algerisch auf Suzie sind. Und mit dir und Mandy ist auch was nicht in Ordnung, “ führte Colt nun aus und wies dabei mit dem Finger auf den Japaner. Der wurde rot. „Kommt schon, Jungs“, fuhr er fort dann. „Das kann euch nicht entgangen sein.“ Saber schüttelte den Kopf. „Nein, diese Spannungen sind deutlich. Aber das heißt nicht, dass eine der beiden in den Fall verwickelt ist. Wir haben mit beiden schon zusammen gearbeitet und wissen deshalb, dass sie gute Starsheriffs sind, “ antwortete er. Colt schaute ihn an, als hätte er gesagt, dass der Himmel grün und das Gras blau sei. „Was bist du denn für ein Genie?“ wunderte er sich aufrichtig. „Das ist weit über ein Jahr her. Sehr weit. In der Zwischenzeit kann sich einiges geändert haben. Sieh doch nur uns an. In den letzten sechs Monaten wurden wir ins Koma befördert“ Dabei deutete er auf sich. „haben uns in Hebammen verknallt“ Sein Finger wanderte auf den Recken. „und deren Arbeitsplatz gesichert.“ Er zeigte jetzt auf den Rennfahrer. „Und das ist nur das, was geschehen ist, seit wir uns wiedergesehen haben. Was ist also alles in der Zeit davor und nach unserem Abschied passiert? “ erklärte er und schüttelte fassungslos den Kopf. Wieso war das denn bitte so unlogisch? Der Schotte staunte nicht schlecht. Das war offensichtlich, was Colt sagte. So offensichtlich, dass er es übersehen hatte. „Dann sollten die Pennyrile-Akten aber aus dem Haus verschwinden“, erwiderte er. Bevor er etwas ergänzen konnte, sagte der Cowboy. „Schon geschehen. Nach der ersten Botschaft hab ich Chily darum gebeten.“ Weder der Blonde noch der Japaner konnten ihre Verwunderung länger verbergen. Colt war ihnen ja ein gutes Stück voraus. „Wohin?“ fragte Fireball. „Wohin hat sie sie gebracht?“ Der Kuhhirte hob die Schultern. „Weiß ich nicht. Ich habe ihr gesagt, es sei egal, wann die wohin verschwinden. Sie hat es inzwischen längst erledigt. Spätestens nach dem netten Liebesgeflüster. Und bevor ihr fragt: Sie weiß nichts von dem Liebesbrief. Wenn es drauf ankommt, ist sie einfach nur da.“ Die ungläubigen Gesichter seiner Freunde waren kaum mehr zu überbieten. „Wir sollten dich regelmäßig ins Koma legen“, brachte Fireball nach einer Weile hervor. „Okay, ihr Trantüten. Wie soll es weiter gehen?“ Eine Weile herrschte Schweigen. Gedankenverloren aßen sie. „Das ist“, begann Saber dann. „sicher nicht die netteste, aber wohl die wirkungsvollste Methode. Wir verpassen den beiden einen Sender. Darüber können wir sie überwachen und sollten am schnellsten und sichersten rausfinden, wann sie wo sind und was sie tun. Das wird die ganze Angelegenheit hoffentlich bald klären.“ – „Und unsere Mädchen?“ wollte Fireball wissen. „Chily ist schon aufgeregt deshalb. Für April wird das nicht so gut sein und Robin soll nur weiter so versuchen, etwas aus mir herauszubekommen.“ Bei den letzten Worten umspielte ein anzügliches Lächeln Colts Lippen. Verwirrt begann der Rennfahrer: „Will ich wissen …?“ – „Nein, willst du nicht“, unterbrach ihn der Blonde. Die Gedanken des Kuhhirten standen dem schließlich ins Gesicht geschrieben. In der Zwischenzeit hatten Mandarin und Suzie versucht, die Stimme auf dem Recorder zu entzerren. Jedoch erfolglos. Die Software, die für die Unkenntlichkeit der Töne verantwortlich war, weigerte sich hartnäckig den Sprecher zu entlarven. Frustriert schlenderten die Beiden für eine kleine Pause zum Haus und traten durch die Hintertür in die Küche. Dort waren Chily und Robin dabei Ordnung darin zu schaffen. Der Tag war sonnig und warm und lud förmlich dazu ein, an etwas Schönes zu denken. Fröhlich begann die Hebamme zu singen. „Lost in kaleidoscope skies, I am hypnotized … when you look in my eyes … Lost in kaleidoscope skies, I get so high … when you look in my eyes.” Damit steckte sie Robin an, die das Geschirr abtrocknete. „Drippin' away, when you look in my eyes … In a kaleidoscope of dangle hope … and Chrystal lullabies.” Sie lächelten sich zu. „You've spoken truth, you've spoken lies …” Mandarin hätte gleich mit summen können, aber für Suzie schien die gute Laune nur Salz in der Wunde des Frustes zu sein. „Oh bitte, sind wir hier beim Supertalent?“ Erschrocken verstummte die Lehrerin. Chily ließ sich nicht beirren. Sie brauchte eine gewisse Leichtigkeit zurück, oder sie würde bald unter der Situation einbrechen. „I finally realize that ...“ Harsch unterbrach die Hochgewaschene sie. „Könntest du jetzt mal realisieren, dass mir dein Gefiepe auf die armen Ohren geht?“ Das wirkte in etwa so, als hätte jemand den Stecker aus der Musikbox gezogen. „Könntest du realisieren, dass mir egal ist was du willst“, gab sie zurück. „Das merkt man“, schnappte die große Blonde unwirsch. „Wie kommt ihr überhaupt dazu, so einen Krach zu veranstalten?“ Erstaunt sah die Hebamme sie an. Hatte sie gerade richtig gehört? Sie hatte Saber versprochen, sich zurückzuhalten, aber das musste sie doch wirklich nicht einfach einstecken. „Tickst du eigentlich noch ganz richtig im Oberstübchen. Das ist immer noch mein Haus. Ich kann hier so viel und so laut und so falsch singen wie ich will, “ antwortete sie und versuchte ihren Ärger zu unterdrücken. Suzie tat das nicht. „Bei dir wird bald etwas ganz anderes singen, das versprech ich dir“, grollte sie. „Soll ich Saber sagen, dass du mir Ärger machst?“ Dieser Besen mochte vor ihr keine Achtung haben, vor dem Recken hatte sie die jedoch und eine kleine Erinnerung würde hoffentlich für Ruhe sorgen. Auch Mandarin versuchte zu vermitteln. „Hört doch auf, euch anzugiften. Man könnte ja glauben, ihr buhlt beide um den Säbelschwinger, “ scherzte sie, aber mit gegenteiliger Wirkung. Suzie sah sie nicht mal an, sonder streckte nur den Arm leicht in deren Richtung, den Zeigefinger voraus. „Der Besen sagt der Hexe jetzt zum allerletzten Mal, dass sie sich da raushalten soll. Geh und verschönere Fireball die freie Zeit, Mandarin, aber geh mir nicht auf die Nerven, “ fauchte sie die Kollegin an, die sofort erschrocken zusammen fuhr, und ließ ihren Arm auf Chily deuten. „Und du, kleine Freundin von unserem aller Helden, hör gefälligst auf, mich anzumaulen, “ verbat sie sich. Empört schoss die zurück. „Wer mault hier wen an? Ich sing nur vor mich hin und du machst ein Drama draus.“ – „Es wär kein Drama, wenn du nur eine einzige Note treffen würdest“, parierte die Hochgewachsene. Würde sie die Gegenwart des Besens nicht so sehr stören, hätte sie sich womöglich beherrschen können, doch nun war diese Antwort der Tropfen gewesen, der das Fass zum überlaufen brachte. „Gleich treff ich was anderes.“ Die Bratpfanne vom Abwasch, die sie beim Eintreten der beiden Frauen hatte aufräumen wollen, hatte sie noch in der Hand und holte nun aus. Robin fuhr rasch dazwischen und griff nach der Pfanne in Chilys Hand. „Lass die Pfanne los, Chily. Lass sie los, “ beschwor sie die Hebamme. Suzie war einen Schritt zurück gewichen. „Du erkennst deinen Angreifer nicht, selbst wenn er vor dir stünde“, spottete sie. „Der Besen hat mehr Glück als Verstand“, brummte Colts Jugendfreundin und ließ die Pfanne los. „Ist ja auch logisch.“ Chily wandte sich ab und wollte mit ihrer Arbeit fortfahren, als die Hochgewachsene feststellte: „Du hast Glück, dass wir hier sind.“ Gab die denn keine Ruhe? „In deinem Fall ist es eine Strafe“, fuhr die Hebamme herum. „Ich erkenne einen Angreifer nicht, wenn er vor mir steht? Ich schaue gerade einen an, Suzie Skrupellos.“ Zum ersten Mal hatte sie den Grund für ihre Abneigung ausgesprochen. Nur konnte sie den wiederum nicht beweisen. Aber die Angesprochene fragte auch nicht danach. „Skrupellos sind diejenigen, die euch ans Leder wollen. Obwohl ich sie sehr gut verstehen kann, “ stichelte sie weiter. „Jetzt hör endlich auf! Kaum sind die Jungs mal unterwegs musst du das Gezicke nachholen, dass du sonst unterdrückst, “ begehrte auch Robin, ihrer Freundin beistehend, auf. „Dein lieber Fastgatte sagt dir doch die Hälfte nicht, Robin. Nein, er erzählt dir maximal ein Drittel, “ grinste sie fies zurück. „Als ob du etwas über ihn wüsstest, dass ich noch nicht weiß“, schnappte die Lehrerin. „Oder das interessant genug wäre, es zu wissen“, ergänzte Chily. Mandarin hätte gern auch etwas dazu gesagt, doch der Tiefschlag, den Suzie ihr verpasste hatte, hatte gewirkt. Der ganze Vorfall mit Fireball war ihr unsagbar peinlich und ganz sicher wollte sie nicht, dass irgendwer davon erfuhr. Es war schon schlimm genug, dass ihre Kollegin wohl etwas mitbekommen hatte. „Genug, meine Damen, genug, “ versicherte die gerade von oben herab. „Ja, klar. Du lügst doch, wenn du den Mund aufmachst. Gar nichts weißt du.“ Damit rauschte Chily aus der Küche und rief zurück. „Robin? Mandy? Helft ihr mir kurz auf der Koppel?“ Bloß schnell ablenken und sich beruhigen, sonst konnte sie für nichts mehr die Verantwortung übernehmen. „Sofort!“ Der Rotfuchs eilte ihr nach. „Bring nicht noch mehr Zwist rein, Suzie, ich warne dich.“ Dann folgte auch Robin den beiden. „Mach dir nichts aus dem blöden Spruch. Robin und ich wissen, dass die Eule da drinnen Unsinn erzählt, “ beruhigte Chily auf dem Weg Mandarin. Deren Betroffenheit war ihr aufgefallen auch wenn sie nicht wusste, was genau sie daran so berührt hatte. Sie war zu aufgebracht um es der Schweigsamen anderweitig ansehen zu können. Die Angesprochene nickte nur. „Haltet ihr Demon und Angel“, sagte Colts Jugendfreundin. „Ich muss den Boden harken.“ Dann verschwand sie in der Scheune und holte das Gerät. Robin griff nach Angels Zügel und führte die Stute aus dem Gatter. Mandy tat dasselbe mit Demon. „Ich könnt Suzie manchmal“, machte die Lehrerin ihrem Unmut Luft. „Allmählich bin ich ganz froh, wenn die Herren der Schöpfung wieder kommen“, bestätigte der Starcaptain dunkel. „Wem sagst du das?“ Chily trat aus der Scheune und begann den Boden der Koppel zu lockern und zu ebnen. „Kommt ihr gut mit dem Fall voran?“ fragte sie dabei um auf ein anderes Thema zu kommen. „Ja, so mehr oder weniger“, wich Mandarin aus. „Aha, du sollst nicht drüber reden um uns“ Sie zeigte auf die Lehrerin und sich selbst. „zu beunruhigen“, erkannte sie sofort. „Wir reden nicht darüber, weil ihr Hühner uns sonst im Weg seid und unsere Arbeit behindert“, erklärte Suzie, die sich unbemerkt den dreien genähert hatte, kalt und trat zur Hebamme ins Gatter. „Davon musst du ja was verstehen. Du tust es nämlich grad. Hau ab da, “ wurde sie angeschnauzt. War die schon wieder da? Das konnte nicht gut gehen. „Ja, Koppel ausmisten ist ja auch ein Dienst an der Menschheit, wirklich“, bemerkte die Hochgewachsene hochnäsig. „Ehrlich, dich sollten wir in der Nacht aussetzen, damit sie dich auch wirklich erwischen.“ Robin zog die Brauen hoch. Wie war die den drauf? „Beweg deinen Arsch zur Seite, bevor ich nachhelfe, du Wichtigtuerin, “ warnte Chily, die ihre Grenze erreicht hatte. Noch ein falsches Wort, noch eine Provokation und sie würde die Kontrolle verlieren. „Nach Botschaft eins und zwei von deinem heimlichen Verehrer solltest du dich dankbar zeigen, dass ich immer noch auf dich aufpasse“, kommentierte Suzie und stellte sich genau auf die Stelle, an der die Hebamme arbeitete. Die sah Rot. „Es reicht.“ Mit der Harke fuhr sie vor und schlug nach dem Bein der großen Blondine. Die hob es um dem Schlag zu entgehen, verlor aber das Gleichgewicht und fiel rittlings zu Boden. Robin schnappte erschrocken nach Luft. Nicht nur, dass Chily wie Colt unberechenbar war, wenn man sie bis zum äußersten reizte, auch von zwei Botschaften hatte sie noch nichts gewusst. „Suzie!“ Mandarins Mahnung kam zu spät. „Um dich ist wirklich nicht schade“, schimpfte die Hochgewachsene nun ungehalten. „Da war Dooley schon mehr wert!“ Dann schwieg sie abrupt. Chily presste ihr mit zornfunkelnden Augen die Harke auf Dekolleté, so dass die Zinken auf das Gesicht der von ihr so Verabscheuten zeigte. „Du bist das mistigste, hinterhältigste Stück, das mir je begegnet ist“, schrie sie außer sich. Im nächsten Moment riss ihr jemand die Forke aus der Hand und von Suzie weg. „Hey!“ rief Fireball erschrocken. Saber umfasste Chily von hinten her so, dass er ihre Arme an ihren Oberkörper drückte um sie von weiteren Gewalttaten abzuhalten. „Was soll denn das?“ Er zog sie ein Stück von der Liegenden weg und ließ diese sich erheben. „Kann man Frauen echt keine fünf Minuten alleine lassen?“ schimpfte Colt und kam eilends zur Koppel gehumpelt. Chily wütete und tobte in dem Griff des Recken und versuchte sich zu befreien, doch der ließ sie nicht los. „Ist gut, hör auf jetzt“, mahnte er sie energisch, doch vergebens. „Der Zickenterror steht mir langsam bis hier!“ grollte Colt und deutete ein reichliches Stück über die Hutkrempe an. Währenddessen schaffte Chily es sich heftig vom Recken zu lösen und fuhr den Scharfschützen an. „Frag mich mal, Bullet. Frag mich mal.“ Dann rauschte sie zum Haus. Sie musste sich beruhigen. Saber folgte ihr sofort. Fireball half Suzie auf die Füße. Die klopfte sich mit beiden Händen den Dreck von der Uniform. „Mich interessiert das jetzt brennend“, begann er und schaute Mandarin an, weil er darauf hoffte, dass sie die unparteiischste Antwort auf seine Frage geben würde. „Wer hat angefangen?“ – „Was spielt das für eine Rolle?“ fragte statt dessen Robin zurück. „Es ist eskaliert.“ Sie hob die Harke auf und brachte sie zurück in die Scheune. „Auch wieder wahr“, gab er zu. „Aber andere Männer müssen für so ein Schauspiel eine Menge Moos hinblättern“, versuchte er zu scherzen. „Da ihr nichts gezahlt habt, habt ihr das Beste verpasst“, murmelte der Rotschopf ohne ihn anzusehen und trollte sich auf Ramrod zurück. „Was hab ich genau verpasst?“ wollte Colt nun von Suzie wissen. „Nur das Theater, dass“ Sie blickte zur Scheune, aus der Robin wieder auf den Hof trat. „Das Wortgefecht vorher“, antwortete sie dann. „Klar“, meinte der Rennfahrer spöttisch. „Weswegen wollte dich Chily zu Stroh verarbeiten, mein kleiner Besen?“ Die schaute ihn düster an. „Ich hab mich nur verteidigt. Das wird ja noch erlaubt sein.“ „Colt! Wir zwei haben zu reden.“ Der Ton mit dem Robin ihm das mitteilte verhieß nichts Gutes. „Echt?“ fragte er unschuldig und bekreuzigte sich gedanklich. „Ja!“ antwortete die Lehrerin streng. „Und jetzt flott!“ Auf die Erklärung zu seinem Schweigen bezüglich der Botschaften war sie doch sehr gespannt. „Flott geht grad nicht. Aber ich tu, was ich kann.“ So schnell er konnte hinkte er auf sie zu. „Wovor?“ bohrte der Rennfahrer weiter. „Um Gottes Willen, Suzie, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, sonst verlier ich die Geduld.“ Kühl sah ihn die Angesprochene an. „Verbal verteidigen. Dass mit deiner Geduld nicht soweit her ist und du nicht auf April warten kannst, hat Mandy schon erwähnt, “ konterte sie dann. „Ist das dein Bier?“ fragte er empfindlich getroffen. „Mein Bier hol ich mir jetzt in einer Bar. Bis später.“ Damit verließ sie scharfen Schrittes das Grundstück. „Weiber!“ Hatte Mandarin sie etwa eingeweiht, oder warum wusste Suzie von etwas, dass sie nicht wissen sollte? „Fireball, kannst du bitte“ Robin wies mit dem Kopf aufs Haus. „Der lahmt.“ Sie deutete auf ihren Zukünftigen. „Ich geh lieber da lang“, meinte er und schlug den Weg zu Ramrod ein. Was auch immer Robin so verstimmte, es war sicher gesünder weit weg von ihr zu sein. Die Hintertür flog so schwungvoll ins Schloss, das es keine Zeit zum Zuschnappen hatte und die Tür wieder aufging, gerade damit der Recke nach Chily hindurch gehen konnte. „Was war los?“ verlangte er fest zu wissen. „Nichts“, antwortete die Hebamme bissig und rang um Ruhe. „Krieg ich fürs nächste Nichts auch die Mistgabel an die Brust gesetzt?“ Da sie mit dem Rücken zu ihm stand, drehte er sie nun zu sich herum. „Was war los?“ wiederholte er eindringlich und sah sie mahnend an. „Das war eine Harke“, schnaubte sie zurück und machte sich von ihm los. „Macht es auch nicht besser“, bemerkte er. Sie schwieg verbockt. Das musste er anders beginnen, wenn er brauchbare Antworten wollte. „Was hat Suzie getan?“ Mit düsterer Miene presste die Hebamme zwischen den Zähnen hervor. „Nichts.“ Gott, wieso konnte sie nicht endlich ruhiger werden? „Wie war das noch mal mit der Wahrheit zwischen uns?“ versuchte Saber den Vorfall nun anders zu ergründen. Deswegen war es ihr so schwer. „Die willst du doch gar nicht hören“, schrie Chily rasend. „Du willst nicht hören, dass Suzie einen Streit vom Zaun gebrochen hat, nur weil ich in meinem Haus gesungen hab. Du willst auch nicht hören, dass sie mich eben absichtlich bei der Arbeit behindert hat, genauso wenig wie du hören willst, dass sie der Meinung ist Dooleys Verlust sei tragischer als meiner. Das willst du doch gar nicht hören. Suzie tut sowas nämlich nicht. Sie ist nämlich ein Starsheriff.“ Die Lautstärke schwoll mit jedem Wort mehr an und zu guter Letzt überschlug sich ihre Stimme beinahe. So war es nicht schwer für ihn alles genau zu hören. Dann packte er sie energisch an den Oberarmen. „Beruhige dich doch! Du weißt nicht, was ich hören will. Und ja, sie ist ein Star Sheriff, aber die sind nicht unfehlbar. Kein Mensch ist unfehlbar, Jolene. Ich bin es auch nicht.“ Sein Kopf suchte nach einer Lösung. So konnte es nicht einen Tag länger weiter gehen. „Ich werde euch beide voneinander trennen“, meinte er dann. Verstimmt befreite sie sich wieder aus seinem Griff. „Ja, genau. Toll. Sperr deine hysterische, paranoide Freundin sonst wohin, “ grollte sie und tigerte aufgebracht durch die Küche. „Das hab ich mit keinem Wort behauptet, “ musste er entschieden klarstellen. Du lieber Himmel, wer hätte gedacht, dass seine Jolene so aus der Haut fahren konnte. Er fuhr sich durchs Haar. „Suzie bleibt von jetzt an auf Ramrod“, bestimmte er dann. „Nein, Saber“, setzte sie sofort zum Widerspruch an. „Ich will, dass sie verschw ...“ Nein! Halt! Stopp! Das ging nicht! Sie konnte nicht von ihm verlangen, dass er Suzie, die er als Verstärkung angefordert hatte, mit der Begründung zurückschickte, dass seine Freundin sie nicht ausstehen konnte. Das war lächerlich. Das war indiskutabel. Das wusste sie, trotz ihrer Wut. „Okay“, lenkte sie knurrend ein. „Ramrod.“ – „Danke“, antwortete er erleichtert. Er hatte schon eine unschöne Debatte befürchtet. „Ihr zwei könnt absolut nicht miteinander, das hab ich jetzt eingesehen“, gestand er dann. Chily wurde laut. „Lang genug hat es gedauert. Ich habe es dir gleich gesagt ...“ Sie brach ab. Nein, sie würde gleich nur Unsinn von sich geben, denn sie ja doch nicht so meinte. Außerdem spürte sie Tränen der Wut in ihren Augen. Schwungvoll drehte sie sich um und verließ die Küche. Wiederum folgte er ihr. „Ja, hast du. Und es tut mir leid, “ lenkte er ein. „Das nächste Mal hör ich sofort auf dich.“ Chily blieb stehen und schüttelte den Kopf. „Hahaha“, kam es bitter von ihr. „Das kannst du gar nicht, egal, wie sehr du es versuchst. Mach dir doch nichts vor.“ In dieser Aussage steckte das Gefühl, er hätte sie seither nicht zu ihr gehalten, wenn es um Suzie gegangen war. Sie klimperte die Tränen weg und drehte sich zu ihm um. Ihre Aussage war offensichtlich auch ein fieser Treffer geworden. „Scheint so“, erwiderte er knapp. Da hatte sie was angerichtet. „Wir wissen beide dass es stimmt. Du bist der Verstand, ich das Herz, “ versuchte sie ihn rasch zu beschwichtigen. „Allein taugen wir nicht viel aber zusammen ...“ Ach Blödsinn, dass half nichts. Sie senkte den Kopf „Ich hab es nicht so böse gemeint, wie es geklungen hat. Verzeih mir bitte, “ murmelte sie kleinlaut. „Weißt du, was mein Verstand dazu sagt?“ fragte er kühl und machte in Richtung der Küche kehrt. Statt der heißen Wut, die bis eben in Chily getobt hatte, erfüllte nun kalte Angst sie. Sie ging ihm nach. „Ich sage, was ich denke. Wenn ich wütend bin, denke ich nicht mehr, “ erklärte sie zaghaft. „Saber bitte.“ Er stand in der Tür und hob die Hand, mit der Innenseite zu ihr. „Gib mir fünf Minuten, sonst sind sich Herz und Verstand einig“, sagte er. Beschämt ließ sie sich auf das Sofa neben ihr sinken. „Es tut mir so leid“, entschuldigte sie sich so leise wie aufrichtig. „Ich weiß.“ Die Küchentür schloss sich hinter ihm. Was sie gesagte hatte, stieß ihm sauer auf. Der ganze Fall, vor allem, dass er keinen der Fehlschläge hatte verhindern können oder auch nur einen Schritt näher an Jean-Claude und Maddox herangekommen war, rieb seine Nerven auf. Hinzu kam die Sorge um seine Freunde und seine Jolene. Colt war verletzt worden. Aprils Schwangerschaft wurde immer wieder gefährdet und Jolene wieder bedroht. Als ob dies aber noch nicht reichen würde, musste die reizende Hebamme sich auch noch mit Suzie permanent in den Haaren liegen. Er wollte lieber nicht wissen, was neuerdings auch noch mit Mandarin los war. Zu all dem Übel hatte er wahrscheinlich noch einen Verräter im Team. Dieser Streit mit Jolene war unter diesen Umständen ganz einfach mehr als er vertragen hatte. Seine Nerven lagen blank. Das einzige Ventil für ihn war nun, hier wo ihn hoffentlich niemand hörte, zu fluchen, was sein förmlicher Sprachschatz hergab. Warum um alles in der Welt hatte seine Jolene ihm auch noch widersprechen müssen? Sie machte ihn wahnsinnig und in diesem Fall war das nicht positiv. Genauso wenig wie ihre unbezähmbare Leidenschaft, die im Augenblick mehr Fluch als Segen war. Diese kleine, Furie. Warum konnte sie nicht einfach machen, was er gesagt hatte? Weil sie ihren eigenen Kopf hatte. Sie war viel zu unabhängig um sich an Anweisungen zu halten, die für sie keinen Sinn machten oder die sie in irgendeiner Form für ungerechtfertigt hielt. Und weil sie es nicht konnte. Wie sehr auch ihre Nerven angespannt waren, war eben deutlich geworden. Trotzdem hatte sie eingelenkt, nachgegeben. Teilweise nur ihm zu Liebe. Sincia hätte das nie getan. Egal. Jolene hätte sich nie gefügt, wenn sie ihn nicht lieben würde und ganz bestimmt hatte sie aus diesem Grund auch versucht sich zu beherrschen. Was hatte sie gesagt? „Ich verspreche dir, es zu versuchen, nicht das es klappt.“ Eine ehrliche Antwort. Ehrlich, wie sie eben war. Saber blickte zur Uhr. Die fünf Minuten waren um. Zeit zurück zu gehen. Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer wieder. „So, da bin ich wieder, “ murmelte er. Sie antwortete nicht. Noch immer saß sie auf dem Sofa, hatte aber ihre Beine angezogen und ihre Arme darum geschlungen. Jetzt hob sie den Kopf und sah ihn an. Die letzten fünf Minuten hatte sie nur geweint. So sah sie aus. „Hast du geweint?“ fragte er sie, als er sich zu ihr setzte. Sie schüttelte den Kopf und schluckte die Tränen runter. Offensichtlich, dass sie log. „Wegen Suzie?“ wollte er wissen. „Nein“, kam es jammervoll zurück. „Dann tut es mir leid“, antwortete er. Seine Gelassenheit hatte er wieder. „Was ... was meinst du?“ stammelte sie verunsichert und betete, dass er ihr jetzt nicht sagte, dass er genug von ihr hatte. „Dass ich dich zum Weinen gebracht hab, das tut mir leid“, erwiderte er. „Ich hab noch mehr als das verdient“, gab sie einsichtig zu. „Ach quatsch“, wiegelte er ab. „Bilde dir nichts ein“, lächelte er schief. Die Flüche hatte sie doch hoffentlich nicht gehört. „Ich bilde mir nichts ein. Du schwindelst schon wieder, “ sagte sie und schniefte unglücklich. „Konntest du mich hören?“ hakte er vorsichtig nach. „Nein, ich kann es mir denken. War wohl besser, dass ich nichts gehört hab.“ Natürlich, ihre Intuition. „War nicht sehr schottisch“, gestand er und legte ihr die Hand auf den Arm. „Also, wieder alles vergeben und vergessen?“ fragte er versöhnlich. „Das muss ich dich fragen“, schniefte sie kleinlaut zurück. „Ich weiß, ich hab Müll von mir gegeben und ich hatte überhaupt ... ich meine, ich weiß, du versuchst mich zu verstehen und, “ stammelte sie aufgewühlt. „Ja, da ist er wieder, der Verstand.“ Saber lehnte sich zurück. „Was hab ich falsches gesagt?“ Ratlos sah sie ihn an. Leicht schüttelte er den Kopf „Ja, ich versuch dich zu verstehen. Aber nur, weil ich das nicht immer kann, weil meine Erfahrung etwas anderes sagt, als deine Intuition darfst du mich nicht gleich wieder anfahren. Ich kann für meinen Überschuss an Verstand nichts, damit bin ich geboren worden, verstehst du?“ erinnerte er sie eindringlich. Sie legte ihre Beine auf den Sitz und kam leicht auf ihn zu. „Kann ich ihn haben?“ fragte sie betreten. Alles vergeben und vergessen. „Gibst du mir denn auch deinen Überschuss an Herz?“ fragte er zurück und breitete die Arme aus. „Kannst alles haben.“ Erleichtert ließ sie sich an seine Brust sinken. „Meine Jolene“, murmelte er in ihr Haar und schloss sie in seine Arme. Wieder brach sie in Tränen aus. Er wischte sie ihr liebevoll fort. „Nicht weinen, Jolene. Nicht weinen.“ – „Ich dachte, du“, schniefte sie. „Ich dachte, jetzt wär es vorbei.“ Er drückte sie wieder an sich. „Da braucht es schon mehr als verletzende Worte, Jolene.“ Sie presste sich noch näher an ihn. Sie hatten gestritten. Sie hatten sich versöhnt. Sie hatten sich. Was wollten sie mehr? Der Recke war nicht der einzige, der sich einer unliebsamen Auseinandersetzung stellen musste. Colt behagte es überhaupt nicht, wie Robin sich drohend vor ihm positionierte und auch noch die Fäuste in die Hüften stemmte. „Okay. Erkläre mir!“ forderte sie scharf. Der Cowboy schaltete auf naiv. „Ich war mit Fire und Saber beim Arzt.“ Aber die Lehrerin hatte kein Verständnis für seine Verharmlosung. „Du kannst gleich noch mal gehen“, erklärte sie laut und zwang sich gleich wieder zur Ruhe. „Wieso weiß ich nichts von ZWEI Drohungen?“ wollte sie dann wissen. „Suzie hat Chily zwei Mal gedroht? Echt?“ tat er unschuldig. „Tu nicht so, Colt. Du weißt verdammt genau was ich meine, “ fuhr sie ihn an. Der Kuhhirte wusste, dass sie gleich platzen würde vor Wut und Ungeduld. Es war klüger einzulenken. „Chily hat einen Kassettenrecorder gefunden“, begann er. Ihre Augenbrauen zogen sich erstaunt nach oben. „Vorm Haus.“ Es war offensichtlich, dass er versuchte, sich aus der Affäre zu ziehen. „Du windest dich wie die Klapperschlange mit der du alles und jeden vergleichst“, bemerkte Robin trocken. „Aber wenigstens bin ich nicht so krumm, dass ich mich im Schatten eines Korkenziehers verstecken könnte“, versuchte er zu scherzen. Ihr strenger Blick mahnte ihn. „Na gut, es hat zwei Drohungen gegen uns gegeben“, gab er deshalb zu. Seine Braut wurde blass. „Wann?“ Ihr Zorn begann in Aufregung zu kippen, die irgendwann sicher in Angst umschlug. „Nachdem Hexe und Besen aufgetaucht sind, hat es angefangen“, räumte er ein. „Warum hast du mir nichts gesagt?“ bohrte sie weiter. „Weil ich dir keine Angst machen wollte, ganz einfach“, antwortete er seufzend. Was für ein Verhör. „Dafür erfahr ich es von Suzie. Ich hätte es lieber von dir gehört, “ erklärte sie bestimmt. „Suzie“ Den Namen dehnte er bis zur Unkenntlichkeit. „hätte ja auch gar nichts sagen dürfen. Ich kann doch wirklich nicht riechen, dass sie sich nicht an Befehle hält, “ verteidigte Colt sein Verhalten. Die Art, wie er das machte, verhinderte den Umschwung von Robins Aufruhr zur Furcht. „Komisch, du schließt doch sonst immer von dir auf andere“, konterte sie schnippisch. „Das war unfair, Schatz. Ich wollte doch nur nicht, dass du dir Sorgen machst.“ Verunsichert schielte er unter der Hutkrempe hervor. „Das war dann wohl nichts. Colt, bitte. Dir musste doch klar sein, dass ich irgendwann mal darauf komme, “ fuhr sie fort ihn unter Druckt zusetzen. „Wär alles so gelaufen, wie es hätte sollen, hättest du nie davon erfahren, “ entgegnete er etwas patzig. Wieso hatte Suzie ihre Klappe so weit aufreißen müssen? Jetzt hatte er einen Ehestreit am Hals und war noch nicht mal verheiratet. Dabei hatte er seine Zukünftige nur schützen wollen. „Oder erst dann, wenn der Typ auf die Idee gekommen wäre, Chily nicht nur zu drohen, sondern dem auch Taten folgen zu lassen, “ schnaufte die nun. „Wie hättest du mir bitte erklären wollen, wenn sie womöglich angegriffen worden wäre?“ Eine gute Frage. Er schluckte leicht. „So weit wird es nicht kommen, Schatz. Niemand wird hier angegriffen, solange wir hier sind, “ versicherte er darauf. „Genauso wenig, wie jemand bedroht wird, solange ihr hier seid. Richtig?“ schoss sie ihm eine unangenehme Feststellung um die Ohren und drehte sich um. „Ich hoffe, der Arzt kenn noch einen guten Chiropraktiker. Du wirst heute nämlich auf der Couch schlafen, “ erklärte sie über die Schulter. „Baby, bitte. Nicht das!“ flehte er unglücklich. „Es tut mir leid, hörst du? Ich konnte ja nicht ahnen, dass das Wort Zickenterror hier so wörtlich zu nehmen ist. Ich wollte dich doch nur nicht beunruhigen, dir keine Angst machen, “ beschwor er sie. „Tja, das hast du auch nicht, sondern Suzie. Dafür muss ich leider feststellen, dass du mir immer noch nicht alles erzählst und eigentlich hatte ich gedacht, dass du aus unseren letzten Gesprächen zu dem Thema irgendwas begriffen hättest, “ meinte sie dumpf. „Das hab ich doch auch... Aber... Aber...“ Wie sollte er das wieder in Ordnung bringen? Im Moment schien er sich von Robin eher entfernt zu haben, als das er ihr noch etwas näher gekommen wäre. Aber sie durfte nicht gehen. Sie sollte die Mutter seiner Kinder werden. Irgendwann einmal. „Du hast heute das Gegenteil bewiesen.“ Damit schritt die Lehrerin auf das Haus zu. Sie selbst war aufgebracht und enttäuscht über sein neuerliches Schweigen. Eilig humpelte er ihr hinterher. So durfte sie nicht gehen. Es musste doch noch einen Satz geben, der sie davon abhielt ihn so einfach zurück zu lassen. „Ich liebe dich, mein Schatz. Und ich wollte dich schützen. Ich wollte nicht, dass dir etwas passiert, Robin. Zählt die gute Absicht dahinter denn gar nichts?“ rief er ihr nach und Hilflosigkeit schwang darin mit. Er musste sie erreichen. Wieso konnte er nicht schneller vorwärts kommen? Er setzte die Krücke auf den Boden und stütze sich darauf, doch zu hastig. Die Stelze bot nicht die nötige Sicherheit, war nicht fest genug auf dem Boden und Colt fiel der Länge nach hin. Robin fuhr herum. „Colt, alles okay?“ Mit einem Satz war sie bei ihm und half ihm wieder auf die Beine. Egal, wie verärgert sie gerade war, sie konnte ihn so nicht liegen lassen. „Jetzt kriech ich vor dir im Staub und du verzeihst mir nicht“, klagte er. „Dabei tu ich das alles doch nur, weil ich dich liebe.“ – „Dann lieb mich lieber nicht, wenn es bedeutet, dass du mir nicht die Wahrheit sagst“, erwiderte sie und drückte ihm die Krücke in die Hand. Doch die interessierte ihn gerade gar nicht und fiel auf den Boden zurück. Er griff nach Robins Hand. „Robin, bitte. Ich will dir ja die Wahrheit sagen, aber nicht, wenn ich dabei Angst um dich haben muss. Ich will dich nicht verlieren, weil ich mit dir alt werden will. Ich will dich nicht verlieren, nur weil ich dich beschützen wollte, “ flüsterte er warm, aber mit gesenktem Kopf. Mit der anderen Hand stützte er sich, leicht wankend, an ihrer Schulter ab. Zärtlich fuhr sie mit ihrer freien Hand über seine Wange und ließ sie in seinen Nacken gleiten. „Und ich will mit dir zusammen sein. In guten wie in schlechten Tagen. Wie kann ich das, wenn du so tust, als würde es keine schlechten geben. Colt, ich weiß, du wolltest nur mein bestes, aber das will ich auch für dich und das bedeutet, dass wir das hier vor allem zusammen durchstehen sollten. Wenn ich nicht weiß, dass ich in Gefahr bin, wie soll ich dann selbst auf mich aufpassen in den Momenten, in denen du mal nicht bei mir bist? Wenn ich nichts weiß, bin ich doch erst recht eine leichte Beute. Und dann hat sich das mit dem Alt werden schneller erledigt, als wir wollten, “ erklärte sie eindringlich. Der Scharfschütze schloss die Augen und genoss ihre Liebkosung. Wie klug und zärtlich sie doch war. „Es tut mir leid, mein Schatz.“ Er hob ihre Hand zu seinem Mund hinauf und hauchte einen Kuss darauf. „Ich werde mich ändern“, versprach er, wagte aber noch nicht sie anzusehen. „Ich weiß, dass wirst du.“ Mit der geküssten Hand hob sie sein Kinn, so dass er sie ansehen musste. „Ich liebe dich.“ Ihren warmen Kuss erwiderte er erleichtert. „Ich liebe dich doch auch, Robin.“ Der Arm, mit dem er sich auf sie stützte glitt weiter ihren Rücken hinab und zog sie näher zu sich. Sie sollte ja schön nah bei ihm bleiben. Robin lächelte leicht. „Deswegen fällt dir das Denken ja manchmal so schwer.“ – „Das muss es sein, ja“, bestätigte er ebenfalls lächelnd und hatte sich noch einen Kuss verdient. „Na, komm. Lass uns rein gehen, “ schlug sie vor. „Ja, aber nicht so schnell, dein Humpelstielzchen fällt sonst wieder um, “ meinte er, aber da ein Arm schon auf ihrem Rücken war, musste sie sich nur leicht drehen um ihn sicher zu stützen. „Das weiß ich zu verhindern.“ Vorsichtig begleitete sie ihn zum Haus. Man, was für ein Tag. Immer, wenn man glaubte, schlimmer können die Dinge nicht werden, wurden sie es. Es hatte alles damit angefangen, dass sie hierher gerufen worden war. Als Vertretung für den legendären Colt und die genauso legendäre April des noch legendäreren Team Ramrod. Das war schon unglaublich. Dann erst ihre Kollegin, ebenfalls als Ersatz gerufen. Man, hatte die sich verändert. Alle hatten sich verändert. Alles hatte sich verändert. Es war verwirrend. Langsam musste Sie Ihre Gedanken ordnen. Da war als erstes der Fall selbst. Eine Mine in der es Alkalit geben sollte und deren Umgebung von einem Irokesen-Stamm bewohnt wurde. Native, die sich auf ihre Wurzeln zurück besonnen hatten. Das verlangte Respekt. Natürlich konnte man sie nicht einfach umsiedeln. So viele Menschen und mit dem Recht auf ein Leben nach ihrer Entscheidung. Der freien Entscheidung eines jeden Menschen dort und so zu leben, wie er es für richtig empfand. Es ging nicht darum, wie man selbst dazu stand, sondern, ob es einen selbst in seiner Freiheit einschränkte oder gefährdete, ob man Schaden nahm. War dies nicht der Fall, galt das Prinzip des leben und leben lassen. Wurde anderen Schaden zu gefügt, wurde der Verursacher zur Rechenschaft gezogen. Auf diesem simplen Grundsatz war das Neue Grenzland aufgebaut und für den stand sie selbst ein. Dann waren da noch die Bewohner der Ranch. Zunächst die schwangere, momentan abwesende, April. Diese wunderschöne, intelligente, junge Frau erwartete ein Kind. Sie hatte sich ohne große Schwierigkeiten für die Familie und gegen eine weitere Karriere entschieden. Dazu gehörte Mut. April war jung. Ein Kind bedeutete eine große Veränderung. Und erst die Verantwortung. Offenbar war sie bereit sich darauf einzulassen. Ob es die richtige Entscheidung war, stand Ihr zu beurteilen nicht zu. Fireball, der Vater in spe, schien sich genauso entschieden zu haben. Er liebte die Blondine abgöttische, das war kaum zu übersehen. Die Schwangerschaft schien die beiden noch enger aneinander zu binden, ihre Liebe zu stärken. Schwer vorstellbar bei dem jungen Hitzkopf, der so lebhaft war. Der? Ein sesshafter Familienvater? Nein, dass glaubte sie erst, wenn sie es sah. So ungestüm und risikofreudig wie er war, würde er April noch viel Kummer machen. Nein, er war ruhiger geworden. Doch hatte er wirklich begriffen, was Vaterschaft hieß? Ganz anders Colt. Die bevorstehende Hochzeit mit Robin schien ihn nicht davon abzuhalten, sich ungezügelt ins Getümmel zu stürzen. Oder war das genau der Grund gewesen, weshalb man ihn vom Himmel hatte holen können? Seine Liebe? Er krähte jedenfalls noch genauso unbedarft wie eh und je durch die Gegend, was er gerade dachte. So offen kannte sie ihn. Aber offen war er auch in einem anderen Punkt, denn dass er seine Zukünftige liebte, war unverkennbar. Robin jedenfalls schien eindeutig der Ruhepol in seinem Leben und lenkte es durch ihre feste Liebe in geordnete Bahnen. Sanft und bestimmt. Eine gesunde Mischung aus Zärtlichkeit und Regeln, das war es, was sie zu einem perfekten Gegenstück des Kuhhirten machte. Und doch konnte sie aus der Haut fahren und ließ sich nicht unterbuttern. Nein, die Frau wusste was sie wollte. Colts Liebe und Freunde um sich, auf die sie zählen konnte. So wie Chily, die Freundin des Cowboys, an die ausgerechnet Saber sein Herz verloren hatte. Es gab wohl kaum ein Paar, das auf den ersten Blick so wenig zusammen passte, wie die beiden. Sie war Feuer, er Eis. Er dachte sachlich, war logisch und realistisch. Mit jedem Jahr mehr, wie es schien. Wie er es immer wieder schaffte, berufliches von privatem zu trennen – und das war in diesem Fall besonders schwer – forderte Ihr nur Respekt ab. Er ließ sich nie aus der Ruhe bringen und blieb unbeirrbar auf dem Weg, den er sich entschieden hatte zu gehen. So distanziert, wie er wirkte, konnte er aber nicht sein, sonst würde er sich nicht ausgerechnet zu der Hebamme hingezogen fühlen. Und die schien es in sich zu haben. Ihre hervorstechendsten Eigenschaften waren wohl Liebe, Intuition, Direktheit und Leidenschaft, wobei die letzteren beiden auch ihre größten Schwächen waren, wie sie heute bewiesen hatte. Sie musste eine treue, zuverlässige Freundin sein, nach dem, was die anderen über sie sagten und wenn sie bereit war, mit der gleichen Leidenschaft für ihre Freunde einzustehen. Das durfte auch Reibereien mit dem Recken geben, der mit solchen Ausrastern ganz sicher nicht einverstanden war. Aber bei näherer Betrachtung war es genau das, was die beiden brauchten. Sie musste gezähmt werden. Er brauchte jemanden, der Wind in sein Leben brachte, manchmal auch Sturm. Beide waren, wie auch Colt und Robin, selbständig und unabhängig genug, den anderen nicht einzuschränken. Vielmehr stützten und förderten sie sich gegenseitig. Ein wohlgesinnter Betrachter würde diese Verbindungen als Symbiose bezeichnen, ein kritischer als Parasitismus. Und ihre Kollegin? Augenscheinlich war sie verliebt, in einen Typen, dem sie nicht nah sein konnte. Sie litt darunter. Nur deswegen war der Streit heute so gelaufen, war es überhaupt dazu gekommen. Unglaublich, wie Chily ausgerastet war. Damit hatte sie im Leben nicht gerechnet. Aber so viel stand fest. Das würde Folgen haben. Nur welche, Saber würde den beiden Streithähnen sicher den Kopf waschen, blieb abzuwarten. Fireball war Mandarin gefolgt und fand sie, in Gedanken versunken, in Aprils Satteleinheit vor. Im Computer der Chip mit der verzerrten Stimme. Sie war dabei einen weitern Versuch in Sachen Dekodierung zu starten und schien ihn nicht bemerkt zu haben. „Ist Zickenterror neuerdings Mode oder gehört das zur Ausbildung im Oberkommando?“ versuchte er zu scherzen. „Das wird uns Frauen in die Wiege gelegt. Wir verfügen über ein spezielles Anderen-Auf-Die-Nerven-Gen, “ antwortete sie ohne die Augen vom Monitor zu nehmen. „Und manche haben davon reichlich.“ Mit dem Daumen wies er nach draußen. „Was war da jetzt grade los?“ wiederholte er die Frage, die sie vorhin nicht beantwortet hatte. „Wenn ich das so genau wüsste“, seufzte sie, schloss kurz die Augen und starrte wieder auf den Computer. Fireball kam zu ihr und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann hast du also auch keine Ahnung, wie Suzie darauf kommt, dass du und ich…“ begann er. Erschrocken, beinahe wie ertappt, fuhr ihr Kopf herum. „Nein.“ Er trat einen Schritt zurück und musterte sie. „Was siehst du mich da jetzt so an? Ich hab ihr das bestimmt nicht gesagt!“ stellte er fest. „Denkst du ich hab es ihr gesagt?“ wollte sie wissen. Er hob die Schultern. „Bei euch Frauen kann man nie wissen“, tat er dann diesen Punkt als erledigt ab. Ihre Antwort reichte ihm. Sie hatte es Suzie nicht gesagt, also konnte er sich nun auf den Streit zwischen der Hochgewachsenen und Chily konzentrieren. „Irgendwelche Vorschläge, wie wir das alles wieder grade biegen?“ Mandarin stand auf. Sitzen bleiben konnte sie nicht. Sie war zu aufgewühlt, also ging sie ein wenig im Kontrollraum auf und ab. „Nein, im Moment nicht. Ist schwer abzusehen, wie es ausgehen wird. Bei uns Frauen kann man ja nie wissen.“ Dass der Rennfahrer das Thema gewechselt hatte, war ihr nicht klar. „Da werden Köpfe rollen“, überlegte sie laut und fragte sich, wem April den selbigen wohl zu erst runter reißen würde. Der Pilot lehnte sich auf die Kanzel der Satteleinheit, verschränkte die Arme und legte den Kopf darauf. „Zwangsläufig“, murmelte er. „Irgendeiner muss seinen Kopf für das Theater hier hinhalten und ich bin mal ganz frech und tippe auf Saber.“ Er lächelte gequält. Mit dem Recken wollte er gerade gar nicht tauschen. Die Verantwortung für alles lastete voll und ganz auf dem und konnte ihn nur ins Fegefeuer oder ganz in die Hölle bringen. „Saber? Was hat der damit zu tun?“ fragte Mandarin erstaunt. Der Japaner hob die Brauen. „Er ist der Boss? Und er hat es mit angesehen, “ antwortete er verwundert. Entsetzt riss die Rothaarige die Augen auf. „Soll das heißen, er weiß es?“ Sie schlug sich die Hand vors Gesicht und wandte sich von ihm ab. „Das halte ich ja nicht aus“, murmelte sie. Irritiert beobachtete Fireball die Reaktion. „Na ja, ja. Wie alle vor zehn Minuten.“ Schlaff ließ der Starcaptain den Arm sinken und schüttelte den Kopf. „Wir beide haben ein schweres Kommunikationsproblem“, bemerkte sie dann. „Wieso?“ Er konnte ihr gerade nicht folgen. „Weil ich gedacht habe, du redest von dem Zwischenfall in der Bar“, erklärte sie und dreht sich wieder zu ihm um. „Nein. Ich hab eigentlich über den Streit gesprochen, der grad so herrlich schön eskaliert ist.“ Drückte er sich denn wirklich immer so falsch aus? „Das ist mir jetzt auch klar.“ Noch einmal schüttelte Mandarin den Kopf. „Also, wieso glaubst du, muss Saber dafür den Kopf hinhalten?“ hakte sie dann nach. Etwas träge ließ er sich in das Sattelmodul seiner Freundin plumpsen. „Der edle Recke ist unser aller Boss. Egal, wie es ausgeht, es fällt ihm auf den Kopf. Entweder deswegen, weil sich das mit der Hebamme irgendwann nicht mehr einrenkt, oder aber weil das Theater hier unserem Team schaden wird. Ist vielleicht noch nicht aufgefallen, aber uns fehlen sowohl ein Scharfschütze als auch eine Navigatorin. Wobei letztere nicht mehr zurückkommen wird, “ gab er zur Antwort. Wenigstens hatte sich nicht verplappert, was den Verdacht des Scharfschützen betraf. „Dann also eher, weil es zwischen ihm und diesem Wirbelwind nicht einrenkt. Für Colt und April habt ihr ja Ersatz, “ erwiderte sie. Er grinste. „Ja, Ersatz der alles noch mehr durcheinander bringt und Zwist streut.“ Mandarin verzog das Gesicht, ging zum Panorama-Fenster und schaute auf die Ranch. Ein schöner, friedlicher Ort. Oder doch das Tor zur Höllen? Zumindest ein Katastrophengebiet. „Aber Saber kann uns nicht einfach zurück schicken, nachdem er uns geholt hat, und das weiß er“, meinte sie nach einer Weile. „Eben“, stimmte er ihr zu. „Und daher wär von Vorteil, wenn ihr euch beide an die Regeln haltet, die hier gelten.“ Er hatte die Beine aus dem Sitz geschwungen und die Arme darauf gestützt. Einen Moment lang sah es so aus, als würde sich der Körper der Rothaarigen anspannen, versteifen. Dass er irgendetwas Falsches gesagt hatte, war ihm nicht bewusst. „Ganz wie Sie wünschen“, antwortete sie nun betont dienstlich. Fireball grinste leicht. „Das ist doch schon mal ein Anfang.“ Er stand auf. „Muss nur noch Suzie mitziehen und wir kommen vielleicht endlich mit dem Fall weiter.“ Das war immerhin langsam mal fällig. „Ja, Sir“, erwiderte sie düster. Sie fühlte sich zu Recht gewiesen und verstand nicht, warum er, der ihr seither wie ein verlässlicher Kumpel gewesen war, sie auf einmal so von oben herab behandelte. Saber und er hatten in diesem Fall das Sagen, durften Befehle geben. Sie hätte nicht erwartet, dass er ihr das so vor Augen führen würde, nur weil er glaubte, sie hätte ihr Wort gebrochen. Da er schon halb aus dem Raum war, wandte er sich nun zu ihr um. „Fireball reicht, Mandy“, sagte er. Der Spaß musste ja nicht übertrieben werden. „Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie einen Starcaptain vor sich haben? Diese Ausdrucksweise ist laut der Dienstregeln unangebracht, “ ließ sie sich vernehm und drehte ihm wieder das Gesicht zu. Dabei hatte sie Haltung angenommen, als würde sie mit irgendeinem Vorgesetzten reden und nicht mit einem Kollegen, den sie eigentlich mochte. „Wieso kommst du mir jetzt mit den Dienstregeln?“ hakte er verwundert nach. „Ich zitiere Sie: Und daher wär von Vorteil, wenn ihr euch beide an die Regeln haltet, die hier gelten. Mehr tu ich nicht, “ antwortete sie förmlich. Nun ging ihm ein Lichtchen auf. „Du bist eingeschnappt, sehe ich das richtig? Was hab ich jetzt wieder gemacht, Mandy?“ Das wollte er als guter Freund regeln. „Ich habe weder Zeit noch Bedarf mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich habe noch zu tun.“ Damit stelzte Mandarin zur Satteleinheit der Navigatorin und fuhr mit der Arbeit fort, bei der er sie gestört hatte. „Die Zeit hab ich allemal!“ Mit wenigen Schritten war er bei ihr. „Hey, Mandy, womit hab ich dich jetzt beleidigt?“ Dabei hockte er sich neben ihren Arbeitsplatz und schaute sie recht unschuldig an. Sie linste leicht zu ihm. Wie sollte sie da nicht weiche Knie bekommen? Aber die waren ihr überhaupt nicht dienlich. „Lass es einfach“, seufzte sie leise. Es würde ja doch nur alles verschlimmern, wenn sie nicht endlich eine gewisse Distanz zwischen ihm und sich schuf. „Was soll ich denn lassen?“ fragte er verwirrt. Mandarin blieb die Antwort schuldig und starrte verbissen auf den Monitor. Die nächste Zicke. War das denn die Möglichkeit? „Okay.“ Verstimmt erhob er sich wieder. „Sollte der Starcaptain was brauchen, ich bin in der Küche.“ Sie nickte nur und tippte auf der Tastatur herum. Er schüttelte den Kopf und verschwand in Richtung Tür. Kaum hatte die sich hinter ihm geschlossen, warf er die Arme frustriert in die Luft. „Ich werd einfach nicht schlau aus Frauen.“ Noch in der gleichen Nacht verbargen er und Saber Sender in den Stiefelabsätzen von Suzie und Mandarin. Es fühlte sich seltsam an. Beide waren alte Bekannte, denen sie hatten vertrauen können. Doch schien es, als hätte Colt Recht. Es konnte viel passiert sein und zumindest seit der Ankunft der beiden war genügend geschehen, dass die Zusammenarbeit erschwerte und unter diesen Bedingungen Misstrauen nur noch weiter schüren konnte. Wenn sie falsch lagen, mussten sie einiges erklären. Wenn ihr Verdacht bestätigt wurde, konnte es das Schlimmste verhindern. Sie stellten auf Ramrod die Verbindung zum Computer her und würden so genau sehen können, wann welche der beiden sich wo auf hielt. Man nächsten Tag war die Stimmung unter einander sehr frostig. Suzie verzog das Gesicht, kaum das sie Chily sah. Die warf einen Blick auf ihren Recken, seufzte leicht, fuhr mit dem fort, was sie gerade tun wollte. Sie fuhr in die Stadt um April abzuholen, die heute aus der Kur zurückkehrte. Anschließend untersuchte sie die werdende Mutter in ihrer Praxis auf Donna Joes Ranch ehe es zurück zu den anderen ging. Das erste, was der Navigatorin dort auffiel, war das seltsame Verhältnis zwischen Fireball und Mandarin. Die beiden sprachen recht verkrampft mit einander und vermieden es tunlichst, sich anzusehen. Damit sah April Suzies Verdacht bestätigt. Die beiden hatten ein schlechtes Gewissen und versuchten ihr etwas vorzumachen. Ihr lockerer Umgang, den die beiden normalerweise hatten, stand diesem Verhalten in einem zu extremen Gegensatz. Das konnte nur heißen, dass April tatsächlich ersetzt worden war. Deshalb ließ sie Fireball, der ihr entgegen kam, stehen und ging rasch nach oben auf das Gästezimmer, das sie sich dort teilten. Für sie stand nun fest, dass er sie betrogen hatte und sie würde mit der Nebenbuhlerin keine Minute länger unter einem Dach verbringen. Mit erstaunten Gesichtern beobachteten alle Anwesenden diese Reaktion. Suzie hob die Schultern und verzog sich gemäß der Anordnung des Schotten auf Ramrod. Mandarin folgte ihr. Die Erfolglosigkeit der Dekodierungsarbeit ließ sie nicht in Ruhe. Der Rennfahrer flitzte sofort seiner Freundin hinterher. In dem gemeinsamen Zimmer fand er sie, wie sie gerade ihre T-Shirts in ihren Koffer auf dem Bett packte. „Süße, was hast du denn?“ Auf ihr Verhalten gab es für ihn keine logische Erklärung. Er trat zu ihr und griff nach ihrer Hand. „Als ich das letzte Mal mit dir telefoniert hab, war noch alles in Ordnung. Schatz?“ Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Was war denn nur in sie gefahren? „Genug von dir“, antwortete die Blondine düster. „Ja, als wir das letzte Mal telefoniert haben, war alles in Ordnung. Aber das war bevor ich einige interessante Dinge erfahren habe.“ Sie riss sich von ihm los. „Und jetzt lass mich packen.“ Verblüfft und hilflos blieb er neben dem Bett stehen und versuchte, diese, für ihn zusammenhangslose, Aussage irgendwo einzuordnen. „Welche Dinge? April, wovon redest du?“ fragte er bekümmert von ihrer distanzierten Art. „Das solltest du noch viel besser wissen als ich, also tu nicht so unschuldig“, schnappte sie heftig und fuhr fort zu packen. „Was hab ich denn getan?“ Er war sich nur eines Vergehens bewusst, weshalb ihm die Ohren zu glühen begannen, aber davon konnte April eigentlich noch gar nichts wissen und so stand er vor einem Rätsel. „Was hast du nicht getan. Du warst nicht treu.“ Hosen und Röcke landeten schwungvoll im Koffer. Er zuckte zusammen und zog unweigerlich den Kopf ein. „Wie?“ Mehr brachte er nicht über die Lippen. „Das Wie will ich ganz sicher nicht auch noch wissen. Und das Wie oft und Wo schon zweimal nicht, “ fauchte sie. Unterwäsche folgte den andern Kleidungsstücken. Er schluckte. Was auch immer sie gehört hatte, konnte nicht so ganz den Tatsachen entsprechen. Wenn er wollte, dass sie blieb, musste er ihr sagen, was wirklich geschehen war. „Es war nur ein einziger Kuss und ich schwöre, Schatz, bei allem was mir Heilig ist, sonst nix. Mandarin hat wohl gedacht, dass bei uns zweien irgendwas nicht passt.“ Ob der Starcaptain Hellsehen konnte? „Wir haben Bruderschaft getrunken. Absolut nichts dramatisches, “ beteuerte er. „Ja, klar. Wer es glaubt wird selig. Das schlechte Gewissen steht euch doch im Gesicht geschrieben. Ehrlich Fireball, dass du mir das antust, hätte ich nicht gedacht. Und ausgerechnet jetzt, “ begehrte sie auf und wies auf ihren Bauch. Sie stopfte die Sachen in den Koffer. Der Rennfahrer packte sie bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. Eindringlich sah er sie an und erklärte: „Glaube mir doch bitte. Schatz, ich liebe dich, niemals im Leben würde ich dir und dem Kind antun, was du mir eigentlich unterstellst.“ Doch schon streifte sie seine Hände ab. „Fass mich nicht an.“ Wieder versuchte sie den Kleidungsberg auf ihrem Koffer in diesen hinein zu quetschen. Wieder kam sie nicht weit damit. Fireball schob sie beiseite, schloss das Gepäckstück und nahm es vom Bett. Tatenlos würde er nicht zu sehen, wie sie ihn verließ, kaum dass er sie zurück hatte. Niedergeschlagen fuhr er sich durchs Haar. „April, bitte. Jetzt lass mich doch erklären, “ begann er, aber schon schnitt sie ihm das Wort ab. „Spar dir das. Ich weiß schon mehr darüber als mir lieb ist und jetzt gibt mir den Koffer wieder.“ – „Ich werd dir gar nichts wieder geben! Was weißt du und von wem weißt du es?“ wollte er wissen. Noch war ihm nicht so genau klar, was ihm unterstellt wurde. So lange konnte er es auch nicht richtig stellen. „Von jemandem, der mich nie anlügen würde, weiß ich von dem ach so harmlosen Auf Bruderschaft trinken. Oder willst du mir jetzt erzählen, Mandarin hätte dich nicht angemacht? Das tut sie doch jedes Mal, wenn sie dich sieht. Oder bist du wirklich so naiv, dass du das nicht gemerkt hast?“ In ihren blauen Augen funkelten Wut und Enttäuschung. Verständnislos erwiderte er. „Wenn du mir sagst, was ich hätte merken sollen, kann ich dir darauf eine Antwort geben.“ Die werdende Mutter rollte die Augen. „Ich weiß von den netten kleinen Zweideutigkeiten, die ihr vom Stapel gelassen habt, als ihr an diesem Rekorder rumgewerkelt habt. War das immer das Vorspiel?“ Dummerweise grenzte diese Aussage den Zeitraum nicht wirklich ein, da Fireball und Mandarin inzwischen schon häufiger an dem Gerät gearbeitet hatten. „Vorspiel wofür? Sag mal, kannst du mir mal so vorwerfen, was ich getan haben soll, dass ich dich auch verstehe?“ fragte er, ihr überhaupt nicht folgen könnend. „Das gleiche, was du mit mir getan hast, bevor mein Bauch aufgegangen ist, wie ein Hefekloß. Jetzt gib mir endlich den Koffer. Ich ertrag deine Gegenwart nicht mehr, “ entgegnete sie harsch. „Dass du auch noch so tun kannst, als sei überhaupt nichts gewesen. Wenn du schon fremdgehst, dann gib es wenigstens zu.“ Das enttäuschte sie am meisten. „Fremdgehen?“ Jetzt war ihm alles klar. „Süße, sieh mich an. Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du mir das zutraust.“ Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie so etwas wirklich von ihm dachte. Aber sie sah ihn nicht an. Wenn er ihr das wirklich angetan hatte, wollte sie auf keinen Fall schwach werden und ein Blick in seine Augen hätte dafür genügt. „Gib mir den Koffer!“ verlangte sie nur. Ein wenig ermutigt, weil ihre Stimme nicht mehr ganz so abweisend geklungen hatte, versuchte er ihr wieder nahe zu kommen. Leicht strich er ihr mit den Fingern über die Oberarme und schaute sie zärtlich an. „Hör mal, Schatz. Du hast mich grad gefragt, ob ich wirklich so naiv bin, wie ich tue. Ja, bin ich. Hey, Süße, ich krieg das keinen Meter weit mit, ob mir eine schöne Augen macht! Warum sollte ich dich denn betrügen, wenn du bist alles, was ich brauche, alles, was ich will? Du gehörst zu mir und keine andere, “ versicherte er ihr eindringlich. Sie hatte die Lider gesenkt. Auf keinen Fall hätte sie ihn angesehen. Seine Worte machten sie ohnehin schon weich. „Das machst du nicht noch mal. Brich einer anderen mit deinem Hundeblick das Herz. Mit mir machst du das nicht noch mal.“ Schon nicht mehr ganz so energisch war ihre Tonlage. Sie wollte sich an ihn schmiegen, an den Vater ihres Kindes. Doch wenn er sie wirklich betrogen hatte, was für ein Vater wäre er dann. Wie würde er zu dem Kind stehen? Wie würden sich Streitereien wegen Untreue, oder dem Verdacht darauf, auf das Töchterchen auswirken und von vornherein sein Verhältnis zu Männern und zu seinem Vater beeinflussen. Nein, wenn sie das beste für dieses Mädchen wollte, musste es in einem stabilen Umfeld aufwachsen. Und da noch Zweifel in ihr waren, war Fireball gerade kein Teil dieses Umfeldes. April drehte sich um und verließ das Zimmer. Sie hatte in Yuma noch genug Klamotten. Sie brauchte die hier nicht. Aber sie würde gehen. Mit diesem Vorsatz stürmte sie die Treppen hinunter, an Colt, Robin, Saber und Chily vorbei, und aus dem Haus. Fireball folgte ihr auf dem Fuße. „April. Bitte bleib da!“ Die Haustür knallte zu um gleich darauf wieder aufzugehen. Ein neugieriger Rattenschwanz schlich auf die Veranda. „Bleib stehen, Süße. Ich hab dich nicht betrogen, nie im Leben würde mir das einfallen, “ rief der Rennfahrer April nach. Die ging weiter, aber nicht mehr ganz so schnell. Nicht alle Männer würden so hinter den Frauen her rennen, die sie betrogen hatten. Auf der Hälfte der Auffahrt holte er sie ein und griff wieder nach ihrer Hand. „Schatz, bitte! So bleib doch stehen und hör mir zu.“ Sie hielt. „Ich hab dich nicht betrogen. Nicht mit Mandy und auch mit keiner anderen. Ich... sie... wir haben uns geküsst, ja. Aber das ist auch schon alles. Bitte glaub mir doch. Ein flüchtiger kurzer Kuss. Nicht mehr. Ich könnte dich niemals betrügen, “ sprudelte er die Wahrheit inständig hervor. Aber sie wandte sich nicht zu ihm um, sondern stellte ihm die eine Frage, die kommen musste. „Und warum hast du sie geküsst?“ Allmählich sank sein Mut und die Hoffnung sie würde bleiben. „Wir haben uns noch an Chilys Bar bedient. Wir haben uns unterhalten und das was ich gesagt habe, muss bei Mandy anders angekommen sein, als ich es gemeint habe. Du weißt, dass ich mich mit dem Starcaptain gut verstehe. Wir haben auf Brüderschaft getrunken und da... naja, haben wir uns geküsst. Aber Schatz, ehrlich, das war ein Kommunikationsfehler.“ Egal, ob es wirklich so abgespielt hatte oder nicht, sie würde es ihm nie glauben. Sie sah ihn ja nicht mal an. Er hatte sie verloren. „Ich will doch nur dich“, murmelte er unglücklich und berichtigte sich mit einem traurigen Blick auf ihr Bäuchlein. „Euch.“ Würde er seine Tochter jetzt nie auf dem Arm halten? Aber April hatte ihn aus dem Augenwinkel beobachtet. Und diesen Blick kannte sie. Wenn sie sich mal gestritten hatten und er sich mit ihr versöhnen wollte, hatte er ihn immer. Sie wusste, dass es keine Strategie war, sondern ein Blick in seine Seele. Was er dann sagte, war ganz sicher die Wahrheit. „Das soll ich dir glauben? Wie kann jemand, der diesen kleinen Kuss gesehen hat, darauf schließen, dass dem noch wesentlich mehr gefolgt ist?“ fragte sie. „Wer hat das gesehen?“ fragte er erstaunt. „Mandy und ich waren allein im Wohnzimmer.“ Etwas unwirsch fragte April zurück. „Was spielt das für eine Rolle? Jemand, der mich nicht anlügen würde.“ Noch bevor er aufbrausen konnte, ob er sie je anlügen würde, zeigte sein bedripster Blick Wirkung. Diesen Kulleraugen konnte sie nicht wiederstehen. „Suzie war es“, erwiderte sie. „Susie? Wie kommt sie nur darauf, dir sowas zu erzählen?“ Verständnislos verzog er das Gesicht. „Noch dazu, wo es nicht wahr ist. Kein Wort ist wahr, bis auf den Kuss halt. April …“ Er legte die Arme um ihre Schultern, wollte sie endlich wieder spüren. „Das ist die Frage. Wie kommt sie darauf mir sowas zu erzählen? Ich kann mir bei keinem von euch beiden vorstellen, dass er mich anlügt, aber, einer von euch beiden tut es, “ meinte sie und ihm rutschte das Herz in die Hose. „Ich lüge nicht. Ich kann doch gar nicht lügen, “ beschwor er sie und strich eine Strähne aus ihre Gesicht, die der Wind gleich wieder aufwirbelte. „Verzeih mir, dass ich es dir nicht gleich gesagt hab. Ich wollte dich nicht verletzen. Es hat nichts bedeutet, ehrlich.“ Vorsichtig zog er sie noch etwas näher an sich. „Warum sollte Suzie mir erzählen, dass Mandarin mich schon vollständig ersetzt hat, wenn es nicht stimmt?“ hakte die Navigatorin nach. Sie schien nicht mehr böse zu sein, eher verwundert. „Ich versteh nicht, weshalb Suzie dir sowas erzählt. Mandarin ist die Aushilfe an Board, genau wie sie selbst. Niemand hat deinen Platz eingenommen. Nicht auf Ramrod und...“ Scheu hauchte er ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. „nicht bei mir. Das musst du mir glauben. Weißt du denn immer noch nicht, wie sehr ich dich liebe?“ entgegnete er verlegen. April musste lächeln und erwiderte die Umarmung. Das war ihr Fireball. „Na ja, manchmal würd ich es gern öfter hören, “ gestand sie und küsste ihn leicht auf die Wange. „Ich hab dich wieder, “ murmelte er erleichtert und tastete behutsam mit seinen Lippen nach ihren. „Ja, hast du.“ Ihr Mund kam ihm entgegen und verschloss seinen liebevoll, nur leider nicht lang genug, weil nicht endlos. „Lass uns wieder reingehen“, schlug sie dann verlegen lächelnd vor, fühlte sich ein bisschen, wie eine Idiotin, ernsthaft an ihm gezweifelt zu haben. „Und deinen Koffer wieder auspacken“, ergänzte er leicht grinsend. Sie wandten sich zum Haus um und hielten erstaunt in der Bewegung inne, als sie Saber, Chily und Robin, auf der Veranda sitzend, und Colt, hinter den beiden Frauen stehend, sahen. Die Hebamme hatte die Ellenbogen auf ihre Knie gestützt und ihren Kopf ihn ihre Handflächen gelegt. Ganz verzückt schaute sie auf die werdenden Eltern vor sich und grinste von einem Ohr zum anderen. „Aw, sind die süß“, erklärte sie. Im nächsten Moment schoss ein Arm hinter sie auf Colt zu und rieb fordernd die Finger gegen einander. „Und jetzt gibt mir meine 50 Schleifen. Die Wette hab ich ganz klar gewonnen, “ kam es trocken. Mit einem verstimmten Gesicht zückte er das Portemonnaie und drückte ihr das Geld in die Hand. „Und ich dachte dieses Mal wirklich, dass sie den Mumm hat, ihm den Laufpass zu geben. Verdammte Kacke hier, “ brummte er grinsend. Mit hochroten Köpfen folgten April und Fireball ihren Beobachtern ins Haus. Dort drückte Chily die Schwangere in einen Sessel und ein Paar Kopfhörer auf ihrem Bauch. Aus einem tragbaren Player kam leise Musik. Verwundert verfolgte der Rennfahrer das. „Was soll das?“ wollte er wissen. „Das Kind hört schon“, erklärte sie munter. „Ein bisschen Musik kann ihm nicht schaden. Da lernt es gleich mal guten Sound zu schätzen.“ Skeptisch nahm Fireball die Hörer von Aprils Bauch und hörte hinein. „Das ist Entre dos Tierras, “ stellte er fest, allerdings nicht begeistert, weil es nicht sein Musikgeschmack war. „Na und? Gib deiner Tochter eine Chance cool zu werden, “ versetzte die Hebamme unbeeindruckt. Er runzelte die Stirn. „Die ist von mir“, erinnerte er die Geburtshelferin. „Eben.“ Vorsichtig setzte sie die Hörer wieder auf die Wölbung. „Gib ihr eine Chance um COOL drauf zu kommen. FIREball. “ Damit stimmte sie an der Stelle des Songs ein, die sie gerade gehört hatte, ließ ihren Kopf im Takt wippen und verschwand in der Küche. „Sie singt im Ansatz nicht so schlecht, wie Suzie behauptet hat, “ kommentierte Robin. „Suzie hat auch keine Ahnung, “ warf Colt schulterzuckend zurück. Robin bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. „Ich weiß“, rollte er die Augen. „Keinen Streit vor dem Baby. Also Fire, raus mit dir.“ So fern es unter den augenblicklichen Umständen möglich war, kehrte der Alltag wieder ein. April und Fireball verbrachten den Rest des Tages damit in der Stadt nach Möbeln für ein Kinderzimmer zu sehen. Chily nahm ihre Termine wahr. Colt und Robin pflegten die Krankengymnastik und die anderen Drei arbeiteten auf Ramrod an den wenigen Hinweisen und versuchten etwas Brauchbares aus ihnen zu entnehmen. Doch genauso hätten sie versuchen können zu ergründen, warum der Baum nun Baum hießt und nicht Busch oder Haus. Die Stimmung war und blieb angespannt, was die Arbeit nicht eben erleichterte. Jeder wünschte sich, man könne einfach den Stecker eines Spielautomaten ziehen um ihn dann wieder anzuschließen und das Spiel von vorn zu beginnen. Suzie spürte auch, dass April ihr auswich, was eindeutig mit ihrem Anruf bei der werdenden Mutter zu tun hatte. Sie fühlte sich immer weniger akzeptiert und aufgenommen. Viel anders ging es auch Mandarin nicht, seit sie mit dem Rennfahrer aneinander geraten war. Die beiden Frauen konnten sich nicht mal gegenseitig stützen, weil zu viel gesagt und angefeindet worden war, als dass es noch möglich war. So litten alle, lagen alle Nerven blank und war die Atmosphäre so geladen, dass sie jeder Zeit explodieren konnte. Am folgenden Tag nach dem Mittagessen fuhr April gemeinsam mit Mandarin und Suzie in die Stadt. Die schwangere Navigatorin wollte sich noch nach ein paar Sachen für ihr Baby umsehen. Ihr Ersatz wollte nur fort von der Ranch um auf andere Gedanken zu kommen und auch Suzie brauchte Ablenkung. So trennte sich die drei und bummelte jede für sich durch Tucson-City. Auf der Adams Ranch kümmerte Chily sich um Demon und Angel in der Scheune. Robin döste im Schatten der Veranda, als sie hörte, wie die Jungs im Wohnzimmer zusammen kamen und sich über die aktuelle Lage unterhielten. Unbewusst horchte die Lehrerin auf, als der Recke, sachlich wie immer, erklärte: „Suzie liefert schon genügend Verdachtsmomente.“ Worauf Fireball naiv nachhakte: „Sie verhält sich verdächtig, weil sie eine Zicke ist?“ Robin schüttelte leicht den Kopf. „Das trifft auf alle Frauen hier zu“, bemerkte der Schotte trocken und sprach aus, was die Lehrerin eben gedacht hatte. Die Jacke konnte sich hier wirklich jede anziehen. „Nein, mit Suzie stimmt etwas nicht. Und ich fürchte, wir zählen auch Mandarin zu den Verdächtigen. Sie verhält sich auch etwas merkwürdig, “ erläuterte der Blonde wieder. Robin schluckte leicht. Alle beide? Na gut, Saber hatte recht. Es gab bei beiden etwas, dass nicht so recht ins Bild passen wollte. Sie kam jedoch nicht dazu sich darüber Gedanken zu machen. Sie hörte ihren Zukünftigen sticheln. „Sag mal, wie genau hat Mandy versucht dich zu verführen. Hat sie dir alle deine Rekorde ins Ohr geflüstert um dich rum zu kriegen?“ Die Braut wusste, dass er unverschämt breit grinste. Egal, wie unpassend Saber die Formulierung vielleicht fand, so uninteressant war die Frage an sich nicht. „Was geht dich das an?“ schnappte der Rennfahrer prompt. Du lieber Himmel, hatte der April etwa doch nicht die Wahrheit gesagt? Da konnte man ja den Eindruck gewinnen, er hätte doch noch etwas zu verbergen. „Ah, sie trägt also Dessous mit Rennauto-Motiven oder FIREBALL-Logo? Hat sie versucht einen Gang höher zu schalten? Oder einen Tiefer?“ Die Frage konnte nur von Colt kommen. Nur ihr Verlobter würde so unverschämt fragen. „Kannst du jetzt mal die Klappe halten? Mandy und ich haben nur aneinander vorbei geredet, sowas soll es geben, “ verteidigte sich der Rennfahrer gleich. Robin musste grinsen. „Aha, so nennt man das jetzt, wenn sich die Zunge einer Frau in den Hals eines Mannes verirrt“, konterte der Scharfschütze unbeeindruckt. „Du solltest das langsam mal erzählen, wenn wir sie von der Liste der Verdächtigen streichen wollen.“ Die Lehrerin glitt leise von dem Stuhl, auf dem sie saß und platzierte sich nah an der Wand zum Wohnzimmer. Das war zu interessant und ihr Lauschen war nicht nur weibliche Neugier sondern für sie wichtig um zu wissen, vor welchen der beiden Ersatzfrauen sie sich hüten musste, wenn Colt mal doch durch Abwesenheit glänzen sollte. „Wieso sollte sie das mit Absicht getan haben? Was sollte ihr das bringen, außer Stress mit mir und April?“ wollte der Rennfahrer nun wissen. „Alte Cowboy-Weisheit, Kleiner. Wenn eine Frau die Oliven zu deinem Martini in den Händen hält, hast du keine Chance mehr. Komm schon, Turbo. Du willst mir doch nicht erzählen, dass April dich mit dem entsprechenden Blick und der richtigen Überzeugungsarbeit noch nie zu irgendwas überredet hat. Ich meine, dass tun alle Frauen mit ihren Männern und wir lassen uns SO doch gern überreden, “ erklärte der Cowboy und fügte hinzu. „Wenn ihr jetzt allen Ernstes was anderes behauptet, seid ihr miese Heuchler.“ Robin errötete unter dem Fenster. Ja, das war auch ihre Taktik gewesen um Colt etwas über den Fall zu entlocken, dass sie wissen musste. Na ja, und weil sie ohnehin das Bedürfnis nach dieser Zweisamkeit gehabt hatte. „So unrecht hat der Kuhhirte gar nicht“, meldete sich nun Saber wieder zu Wort. „Mandarin kennt deine Schwächen, da brauchen wir uns nichts vorzumachen, Fire. Es hat ihr dann noch zusätzlich in die Hände gespielt, dass April nicht da war. Wozu sie dich auch immer überreden wollte, sie hat es geschickt angestellt. Du beschützt sie nämlich und es fällt dir noch nicht mal auf.“ Das hatte er in einem warmen Ton gesagt. Die Lehrerin konnte sich gut vorstellen, wie der Schotte nachsichtig lächelte und der Rennfahrer rot wurde. „Ich beschütze sie überhaupt nicht. Wir haben nur an dem Recorder gearbeitet sonst nichts, “ wiegelte er ab. „Und du wunderst dich, warum wir skeptisch sind? Der Recorder war irrsinnig kompliziert aufgebaut, oder?“ bohrte der Recke. „Wenn man technisch was drauf hat, dann nicht. Außerdem arbeitet sie seither schon an der Dekodierung der Stimme und hat sie immer noch nicht entschlüsselt, “ wiederlegte der Rennfahrer. „Damit wir nicht dahinter kommen, dass es ihre eigene ist?“ grübelte Colt laut, aber das entkräftete gleich darauf der Säbelschwinger. „Sie kann es tatsächlich nicht entschlüsseln. Ich hab es nämlich auch schon versucht. Ramrod hat die richtige Dekodierungssoftware nicht. Aber das macht sie auch nicht unverdächtiger. Suzie hat das Ding gefunden und immer wieder betont, dass sie das nicht könnte. So ganz kaufe ihr das auch nicht ab, immerhin arbeitet Suzie normalerweise bei einer Spezialeinheit.“ – „Ja, die Sondereinheit für Terrorzicken“, kommentierte der Scharfschütze. „Von der Einheit hab ich noch nie gehört“, gestand Saber. „Aber die Ausbildung muss gut sein, wenn ich Suzie da so betrachte.“ Robin unter dem Fenster grinste in sich hinein. Geplänkel folgte. „Tja, Numero Uno. Mit Suzie müssten wir uns nicht rumschlagen, wenn du mal landen gelernt hättest, “ stichelte Fireball. „Hab ich doch. Nur fallen noch nicht, du Unfallverursacher, “ konterte der. „Unfallverursacher? Ich?“ Aus dem lockeren Schlagabtausch wurde auf einmal ein Streit. Die Lehrerin horchte erschrocken auf. Grundgütiger, gingen die sich an. „Dürfte ich erfahren, was das mit dem Fall zu tun hat?“ versuchte der Recke den Disput zu beenden. Der Rennfahrer ließ sich wieder vernehmen. „Das ich Vater werde scheint für euch echt ein Problem zu sein! Es ist ja meine Schuld, dass Mandy jetzt statt April da sitzt.“ Seine Stimme war deutlich gereizt. „Na, für dich scheint es ja keinen Unterschied zu machen, wer da im Modul hockt“, versetzte Colt und Robin starrte erschrocken über so viel Bissigkeit von ihm die Wand an, als könne ihn so ihr Blick zur Ordnung rufen. „Was willst du mir jetzt wieder unterstellen, Viehtreiber“, brauste der Japaner auf. „Ich kann im Gegensatz zu dir, meine Finger bei mir behalten! Herrgott, jetzt hast du wieder was gefunden, wo du ewig drauf rumreiten kannst, herrlich.“ – „Nein, ich glaube das mit dem Reiten trifft eher auf dich zu, Matchbox“, frotzelte der Cowboy prompt. Oha. Was folgte war Stimmengewirr, Geräusche von Möbel, die zur Seite geschoben wurden und dumpfe, schnelle Schritte. Saber fuhr energisch zwischen die beiden Hitzköpfe, die sich offenbar gleich prügeln würden. Doch blind vor Wut reagieren die Streithähne nicht auf den Recken. Robin war überrascht. Ausgerechnete dieses Team konnte sich so dermaßen in den Haaren liegen. Andererseits, wie viele Fälle oder Missionen zuvor waren so persönlich gewesen, wie der. Abgesehen von der Entführung von Commander Eagle, Aprils Vater, während des Outriderkrieges. Doch damals hatten sie sich nicht gegenseitig zerfleischt. Was war bloß los mit ihnen? Jetzt hörte sie schnelle Schritte, die Tür zur Veranda flog auf und Saber schleifte Fireball mit sich. „Jetzt beruhig dich wieder“, mahnte er ihn eindringlich. Aber die Aufregung war ihm anzusehen. Dem Rennfahrer genauso. Er holte tief Luft um sich zu zügeln, warf dann aber die Hände in die Luft. „Wie soll ich mich bei dem Affen da drin beruhigen?“ fuhr er den Blonden an. „Deswegen bist du jetzt hier.“ Er gab ihm ein wenig Zeit, damit er runterkommen konnte, dann begann er vorsichtig von Neuem. „Fireball, ich muss das fragen, also spring mir nicht gleich an die Gurgel: Was war zwischen dir und Mandy? Nur der Kuss?“ Düster wurde er dafür angefunkelt. Der werdende Vater stemmte die Hände in die Hüften und schnauzte ihn an: „Ich spring dir gleich wirklich an die Gurgel. Wieso glaubst du mir das nicht?“ Der Schwertschwinger rollte die Augen. „Herrgott, sag einfach ja oder nein.“ – „Ja, Scheiße verdammte.“ Nur, weil die beiden so sehr in diese Auseinandersetzung vertief waren, bemerkten sie Robin nicht, der nichts entging. Saber schlug sich die Hand gegen die Stirn. „Oh, man ich will es ja kaum fragen. Aber: Ja Was?“ Der Kerl war echt bedauernswert, fand die Lehrerin. Wirklich jeder diskutierte oder stritt mit ihm. Wenn er alles hinwarf, war sie die letzte, die ihm das verübeln würde. „Ja, das was ich April schon gesagt hab. Es war nur ein einziger kleiner Kuss. Echt, mehr Drama hätte auch eine schwangere Frau nicht daraus machen können, als Colt und du, “ grollte der Japaner. „Du musst ja nicht in deinen Sturkopf bringen, dass ich jede Möglichkeit erwägen und ausschließen muss. Also wenn es dir Spaß macht, wirf mir weiter den ganzen Quatsch vor, den du mir schon die ganze Zeit vorwirfst, deswegen werd ich trotzdem tun, was nötig ist um den Fall zu beenden, “ schnaubte der Schotte zurück. Der Pilot schuf Abstand zu ihm, fühlte sich offenbar angegriffen und erkannte nicht, was wirklich mit seinem Vorgesetzten los war. „Davon hält dich auch keiner ab. Am allerwenigsten ich, weil ich langsam aber sicher die Geduld verliere. Mein Sturkopf sagt mir, dass wir eine linke Bazille bei uns haben, aber es ist nicht Mandy. Und weil es keiner von uns dreien sein kann, bleibt nur Suzie. In Mathe war ich nämlich gut, “ bellte er. „Dann beweise es. Finde hieb- und stichfeste Beweise und leg sie vor, “ erwiderte Saber und zwang sich sichtlich zur Ruhe. „Mit allem anderen kommen wir nämlich nicht weiter. Vor allem nicht, mit den Streitereien und der Tatsache, dass du alles persönlich und vor allen Dingen als Beleidigung auffasst, was ich sage.“ Noch ein falsches Wort und er würde die Geduld verlieren. „Dann sag dem Bruchpiloten da drinnen, dass er nicht dauernd persönlich werden soll!“ Fireball wies nach innen zu Colt. „Eins ist klar, ich brauch nach dem Fall Urlaub von euch!“ Damit stapfte er wieder hinein. „Sag es ihm selber. Ich hab genug von euerm Mist, “ rief Saber und marschierte seinerseits in Richtung Koppel. Dort nahm er Steeds Zügel, schwang sich auf dessen Rücken und ritt davon. Chily, die in der Scheune das Gespräch auf der Veranda mitbekommen hatte, folgte ihrem Recken mit Demon. Robin setzte sich wieder. Sie hatte eben dasselbe tun wollen. Drinnen hörte sie wieder Stimmen. „Colt, jetzt hör mir mal zu...“ setzte der Rennfahrer an. „Er hat genug von unserem Mist?“ wiederholte der ungläubig, als hätte er Fireball gar nicht gehört. „Jupp.“ Der Japaner ließ sich in einen Sessel fallen. „Scheint dich nicht anzuheben“, stellte Kuhhirte leicht verwundert fest. „Nicht wirklich. Weil ich es ihm gern gleichtun würde, nur ist hier leider keine Rennstrecke in der Nähe, “ maulte der. „Die Highways hier draußen sind elendig lang und kaum befahren.“ Die Krücke setzte auf dem Boden auf. Offenbar erhob Colt sich. „Also, willst du noch irgendwas an mich loswerden?“ Auch der Rennfahrer erhob sich wieder. „Wo sind die Radarkästen?“ Seine Schritte entfernten sich. Dann blieb er doch noch stehen. „Kannst du mit deinen saublöden Sticheleien aufhören?“ – „Sollte ich wohl, bevor ich zum Stachelschwein werde.“ Ein schlurfender Schritt. „Was ist ein Radarkasten?“ fragte er dann, als hätte er noch nie etwas davon gehört. „Dann bin ich in einer Stunde oder so wieder da, ich platz sonst. Und verkneif es dir, es April zu erzählen, das mag sie nämlich noch weniger, als wenn mich Mandarin küsst.“ Das glaubte Robin sofort. „ Jaja, so dämlich bin ich dann doch nicht?“ Die Haustür schlug zu. Fireball war verschwunden. „Robin?“ rief er. „Schatz?“ klang es jetzt flehentlich. Er brauchte sie. Vielleicht würde sie ihm den Kopf für diesen Streit waschen, aber erstens hatte er es dann verdient und zweitens brauchte er sie jetzt einfach. Sie trat von der Veranda herein und schüttelte leicht den Kopf. „Männer sind so dämlich.“ Dann zog sie ihren Kuhhirten in ihre Arme. Natürlich war das mit früher nicht vergleichbar. Colt und sie wollten heiraten. April und Fireball wurden Eltern. Saber schien Chily nicht mehr hergeben zu wollen. Es stand nicht nur der Fall auf dem Spiel. Es ging um ihrer aller Leben, weit mehr, als jemals zuvor. Die Verantwortung war größer. Saber ritt so schnell er konnte von der Ranch fort, durch die Wälder und erreichte das Ufer des Ohio-River ehe er sich richtig darüber im Klaren war. Er glitt vom Rücken des Robopferdes und benötigte nur wenige Sekunden um sich bis auf die Shorts zu entkleiden. Dann rannte er auf den Steg und ließ sich aufs Geratewohl in Wasser fallen. Tief und schwerelos tauchte er in die Flut. Stille umfing ihn. Er genoss es. Es wirkte befreiend, erleichternd, als würde er leergespült. Zwei Hände griffen nach seinen Schultern. Er fühlte zart weiche Rundungen auf seinem Rücken und wandte sich um. Chily schwebte leicht über ihm im Wasser. Einen Moment lang standen sie regungslos im Nass und schauten sich tief in die Augen. Einer verstand den anderen. Sie glitt über ihm hinauf zu Oberfläche. Er blieb, wo er war. Noch einen Augenblick braucht er diese Leichtigkeit und Stille. Dann verlangte sein Körper nach Atem und er tauchte auf. Auf dem Rücken ließ er sich treiben, fühlte sich grenzenlos, wie der Himmel über ihm, glitt er nur, war leer und entspannt. All das beobachtete Chily vom Steg aus, sah wie er los ließ. Irgendwann kletterte er zu ihr auf die Brücke. Rasch kam er auf sie zu, kniete sich vor die Sitzende und drückte sie mit einem ungestümen Kuss auf die Bretter. Sie ließ ihn gewähren, schwieg. Seine Lippen fuhren ihren Hals entlang zwischen ihre Brüste. Er drückte die Stirn gegen die liebkoste Stelle und brach zusammen. Dass sie die Arme um ihn schloss, tat ihm gut. Dass sich ihm hilflose Tränen über das Gesicht stahlen, würde niemand erfahren. Dass seine Umarmung beinahe schmerzte, ertrug sie. Wie lange sie fort waren, hätten sie nicht mehr sagen können. Jemand war durch das Zimmer geschlichen. Mit diesem Gefühl wachte Chily auf. Müde rieb sie sich die Augen und richtete sich auf. Saber lag neben ihr und schlief tief und fest. Er war es also nicht. Oder hatte sie sich die Bewegung, den Luftzug nur eingebildet? Machte die letzte Drohung sie so nervös, dass sie anfing Gespenster zu sehen oder zu hören und den schwarzen Mantel der Nacht als bedrohlich zu empfinden? Sie horchte ins Dunkel. Nichts. Kein Geräusch, kein Luftzug. Bloß ihre Einbildung. Sie schloss die Augen und drehte sich auf den Rücken. Nur weiter schlafen. Doch irgendetwas hatte sich verändert. Ganz sicher. Das Gefühl war zu stark um ignoriert zu werden. Sie schlug die Augen wieder auf und starrte an die Decke. Nein, sie durfte die Angst nicht über Hand nehmen lassen. Es war doch gar nichts. Oder doch? Im Augenwinkel bemerkte sie etwas, dass ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie wandte sich zum Fenster und sog erschrocken Luft ein. Im nächsten Moment saß sie im Bett und rüttelte den Recken, der sofort hellwach war. „Jolene, was ist los?“ Doch vor Schreck brachte sie keinen Ton raus sonder wies wortlos zum Fenster. Mit den Augen folgte er ihrem ausgestreckten Arm und verstand, was sie so in Aufregung versetzte. Mitten am oberen Fensterrahmen hing eine Henkersschlinge und baumelte innen an der Scheibe vor dem nächtlichen Himmel. Innen. Jemand musste also hier drinnen gewesen sein. Hatte der Recke bis dahin Zweifel an einem Verräter gehabt, waren diese nun beseitigt. Er sprang aus dem Bett und riss die Schlinge vom Fensterrahmen. Dabei fühlte er einen Zettel in der Schlaufe. Er zog ihn heraus und faltete ihn auseinander. „Das ist das einzige, dessen du dir sicher sein kannst.“ Saber schluckte hart. „So nah ist er also, “ flüsterte Chily jetzt und starrte auf ihr Kopfkissen. Er ließ Schlinge und Zettel fallen und kam zu ihr aufs Bett zurück. Wortlos nahm er sie in die Arme und sie schmiegte sich an ihn. „Vielleicht nur ein gemeiner Scherz von Suzie“, murmelte sie. Das wollte sie sich lieber einreden, als zu glauben, dass jemand mit Tötungsabsichten unbehelligt durch ihr Haus schlich. Kapitel 13: True Colour shining through --------------------------------------- True Colours shining through Chily löste sich leicht aus Sabers Armen. „Was musst du jetzt tun?“ fragte sie. „Ich sollte die anderen wecken“, gab er rau zurück. „Dann tu das. Ich komm klar.“ Saber musterte sie im Dunkel. Sie versuchte tapfer zu sein, presste die Lippen aufeinander, aber ihre Augen verrieten ihre Angst. „Jolene, wenn ich …, “ begann er, aber sie legte ihm die Hand auf den Mund. „Tu, was du tun musst. Ist okay. Wirklich.“ Saber schlüpfte in seine Hose und verließ das Zimmer. Wenig später saßen Robin und April bei Chily. Jetzt war es an ihnen für sie dazu sein. Colt und Fireball fanden sich im Wohnzimmer ein, während der Recke über die Hintertür auf die Veranda trat. Beinahe wäre er über Mandarin gestolpert, die mit einer Decke um die Schultern auf der unteren der beiden Stufen saß. Er schickte sie ins Haus und holte Suzie von Ramrod. Sie trafen sich am Esstisch im Wohnzimmer, wo der Blonde im Vorbeigehen die Schlinge und den Zettel darauf abgelegt hatte. Suzie hatte sich kaum zu den anderen gesetzt, da fragte der Schotte schon. „Hat eine von euch beiden eine Idee, wie das“ Er wies auf die beiden Teile der Botschaft. „in Jolenes Zimmer gekommen ist?“ Abwartend stützte er sich auf die Tischplatte auf. Suzie rieb sich die Augen. „Was ist das?“ wollte sie träge wissen. Er rollte die Augen. „Eine Halskette jedenfalls nicht.“ Erstaunt über diese rüde Antwort blickte Mandarin ihn an. „Wow, komm mal runter!“ Dann griff sie nach dem Zettel und las ihn aufmerksam durch. „Folgt dem Muster der letzten zwei Drohungen“, stellte sie fest. Colt nahm ihr das Papier aus der Hand. „Könnte eine Leine sein, aber dann war sie im falschen Zimmer“, meinte er mit Blick auf die Schlinge. „Also, auf die Erklärung bin ich auch gespannt.“ Wenn diese Botschaft im Zimmer gefunden worden war, lag für ihn auf der Hand, dass nur eine der beiden sie dort platziert haben konnte. Wäre es ein Fremder gewesen, hätten die Abtaster von Ramrod Alarm geschlagen. „Sieht so aus, als wollte derjenige, der die kleinen Liebesbriefe dalässt, Ernst machen“, überlegte die Rothaarige. „Und er ist gut.“ Saber krallte sich an der Tischplatte fest. Er hatte nicht die Ruhe um sich hinzusetzen. „Und größenwahnsinnig, sonst hätte das Ding nicht innen im Fenster gehangen“, bemerkte er. „Also war es jemand, der Zutritt hat“, schlussfolgerte die Hochgewachsene. „Bist wohl immer noch nicht so glücklich darüber, dass sich deine kleine Schulfreundin in den Boss verguckt hat, was, Colt?“ Der fand diesen Scherz jedoch überhaupt nicht angebracht. „Wahnsinnig witzig. Hast du dir die Botschaft durchgelesen? So einen Schund würd ich nie schreiben, “ schnappte er sofort und runzelte leicht die Stirn. Tatsächlich war ihm nicht aufgefallen, dass Suzie auch nur im Ansatz die Schlinge und die Nachricht betrachtet hätte. „Naja, für deine literarischen Ergüsse bist du nicht berühmt, Kuhtreiber“, erwiderte sie unbeeindruckt. Müde kommentierte der Rennfahrer: „Für Taktgefühl auch nicht.“ Er lehnte im Stuhl und hatte Mühe, die Augen offen zu halten. „Fangt nicht schon wieder an.“ Noch eine Auseinandersetzung wie am Nachmittag brauchte er beim besten Willen nicht. „Aber es war hundertprozentig jemand, der sich hier frei bewegen kann. Das schränkt den Kreis der Verdächtigen erheblich ein, findet ihr nicht?“ lenkte auch der Starcaptain das Gespräch wieder aufs Thema zurück. Genauso wie beim Recken war auch ihr Bedarf an Streit gedeckt. „Ganz genau. Wäre es eine fremde Person gewesen, hätte Ramrods Sensoren Alarm geschlagen und hätte zumindest Suzie aus dem Schlaf gerissen, “ bestätigte er und schaute dann verwundert auf die Rothaarige. Wieso war er eigentlich auf der Veranda fast über sie gefallen? „Und wo war Pumukel? Etwa bei Fire unter der Bettdecke?“ wollte der Scharfschütze gehässig wissen. Der Rennfahrer war jetzt richtig wach. „Ja, gleich neben April“, warf er düster zurück und schaute den Kuhhirten böse an. Er hatte ihm doch versprochen sich zusammen zu reißen. Warum stichelte er schon wieder? Genauso verstimmt sah auch Mandarin auf den, der eigentlich nur besorgt um seine beste Freundin war. „Ich will doch nicht zu jedem unter die Decke“, stellte sie klar. Etwas verlegen räusperte sich Saber. Er tat es nicht gern, aber er musste sie ins Verhör nehmen. „Sag uns einfach nur, wo du warst. Hast du die ganze Zeit da auf der Veranda gesessen?“ – „Ja“, antwortete sie. „Ich wollte endlich die Stille hier genießen.“ Er nickte. Das konnte er nur zu gut verstehen. „Und warst du noch spazieren?“ hakte Colt nach. „Nein, ich hab auf der Veranda gesessen und der Nachtigall zugehört.“ Bei dieser Antwort war sie ein wenig verlegen. Sie scheute sich zu zugeben, wie elend sie sich eigentlich gefühlt hatte und dass sie, mit dem Gesicht in den Händen, in sich hinein geheult hatte. „Hast du irgendwen gesehen, Mandy?“ bohrte nun der Rennfahrer, aber ihm war anzuhören, dass er zu ihr hielt. „Nein?“ war ihre Antwort. Fireball lächelte aufmunternd „Du machst es schon wieder!“ empörte sich Colt. Verwundert schaute ihn der Japaner an. Ihm war nicht aufgefallen, dass er getan hatte, was ihm am Nachmittag vorgeworfen worden war. Er hatte nahm sie wieder in Schutz, hielt zu ihr aus Sympathie und war nicht objektiv. „Komm wieder runter, Colt. Das war eine ganz normale Frage. Die hätte ich auch gestellt, “ würgte der Recke den Protest des Scharfschützen ab. Es war ihm genauso aufgefallen, aber einen Streit vor zwei Verdächtigen auszutragen war alles andere als ratsam. „Ja, klar. Und ich bin der Nikolaus!“ parierte der Kuhhirte grimmig. Im Moment konnte er nur Feinde sehen, die seine beste Freundin bedrohten. Das machte es ihm schwer sachlich zu bleiben. „Jeder, der ins Haus will, muss theoretisch an der Veranda vorbei“, grübelte Suzie laut. „Das Haus hat auch eine Vordertür, durch die man gehen kann“, widersprach der Recke. „Aber die Vordertür ist schwer und aus altem Holz. Man hört sie, wenn sie aufgemacht wird, “ setzte sie ihre Gedanken fort. „Jolene hat sie vor ein paar Tagen geölt, dass hast du doch gesehen, “ wurde auch diese Aussage von dem Blonden entkräftet. „Versperrt deine Jolene die Vordertür nicht jeden Abend, seit der letzten Drohung?“ fragte die Hochgewachsene, wobei der Name eine abfällige Betonung bekam. „Mit einer guten Haarklemme ist es nicht schwer, das Schloss zu knacken, wenn man etwas geschickt ist. Das kann ja selbst ein Anfänger.“ Mandarin biss sich sofort auf die Unterlippe. Diese Feststellung konnte sie im Moment nur noch mehr in Verdacht bringen, als sie ohnehin schon zu stehen schien. „Da hast du recht, Mandy“, pflichtete der Recke ihr nun bei. Objektiv zu bleiben war gerade ein Drahtseilakt, aber es gelang ihm doch. „Was für ein Argument, Suzie. Du, als Starsheriff, solltest das besser wissen, “ ergänzte er dann kopfschüttelnd. „Ich weiß es auch besser, “ schnappte die Angesprochene sofort. „Aber wir reden hier von jemand, der alle Tricks und Kniffe kennt. Von jemanden, der sowieso freien Zutritt hat und der sich hier im Haus sehr gut auskennt. Denkt ihr nicht, dass ein Fremder in völliger Dunkelheit den einen oder anderen Gegenstand umrennen würde?“ fügte sie hinzu. „Genau deshalb habe ich euch gefragt“, antwortete er kühl. Suzie zuckte mit den Schultern. „Ach so, ja, klar. Weil ich mich nachts von Ramrod schleiche, vorbei an der Hexe, die auf der Veranda sitzt und vor sich hin heult, durch ein stockdunkles Erdgeschoss hinauf, zu dir und deiner Chilyschote, um sowas“ Jetzt nahm sie die Schlinge und den Zettel in die Hand. „dort zu lassen? Werd ein bisschen kreativer, Saber.“ Es klang lächerlich, so wie sie es sagte. Colt kam nicht umhin die Stirn in Falten zu legen. „Woher willst du wissen, ob Mandy geheult hat?“ wollte er wissen. „Grundausbildung zum Star Sheriff. Entweder hat sie sich Drogen eingeworfen oder sie hat geheult. Sieht man doch an den roten Augen.“ Genervt deutete die große Blonde auf ihre Kollegin. Die Stirn des Scharfschützen glättete sich jedoch nicht. „Klar“, kommentierte er und zog das Wort endlos lang. „Okay, so kommen wir nicht weiter. Suzie, Mandy, “ stellte Saber resignierend fest. „Am besten ihr geht wieder ins Bett. Das klären wir morgen, wenn wir alles etwas klarer im Kopf sind.“ Er hätte sich denken sollen, dass es keiner gewesen sein wollte, egal, wie offensichtlich das Gegenteil war. „Okay, ich troll mich.“ Colt stützte sich auf seine Krücke und humpelte davon. Das, was er eben mit bekommen hatte, musste er in Ruhe auswerten. „Da sag ich nicht nein, ohne meine acht Stunden Schlaf bin ich kein richtiger Mensch“, bemerkte auch Suzie und erhob sich. „Macht das.“ Auch der Schotte stand auf. „Wir klären das morgen nach dem Frühstück. Ich erwarte gute und konstruktive Antworten, “ informierte er an die beiden Mädchen gewandt. „Jaja, “ murmelte Suzie halbherzig und ging. „Du bist solange unschuldig, bis deine Schuld bewiesen ist, Mandarin. Im Augenblick bist du genauso verdächtig, wie es Suzie ist. Wir werden den Schuldigen finden, das weiß ich.“ Saber brachte es nicht fertig zu gehen, ohne dem Starcaptain etwas einigermaßen Aufbauendes zu sagen. Eine Verdächtigung war hart, egal, ob berechtigt oder nicht. Die schluckte leicht. „Werden wir“, meinte auch sie. Sie machte ihm keinen Vorwurf. Er tat, was er tun musste, was jeder andere auch getan hätte. „Ja. Aber nicht vor morgen früh. Wir sollten ins Bett gehen. Gute Nacht.“ Damit ließ er Mandarin und Fireball zurück. „Gute Nacht“, rief die Rothaarige ihm nach und machte sich auf den Weg in die Küche um etwas zu trinken. Sie öffnete grade die Tür, als Fireball sie an der Schulter fest hielt. „Hast du noch kurz fünf Minuten für mich?“ Sie seufzte unterdrückt. „Wenn es sein muss“, antwortete sie. „Geht es dir nicht gut?“ fragte er unbeholfen. Sie rollte die Augen und verschwand in der Küche. Diese Frage hatte er sich sparen können, die Antwort war doch offensichtlich. Mandarin fühlte sich mies und müde. Aber der Rennfahrer hatte die rhetorische Frage nur gestellt, weil er nicht recht wusste, wie er ein Gespräch mit ihr beginnen sollte, nachdem das letzte so aus dem Ruder gelaufen war. Jetzt folgte er ihr und wollte direkter wissen. „Weshalb hast du geweint?“ Sie versuchte auszuweichen. „Ich hatte was im Auge.“ Im Augenblick wollte sie nicht mehr reden. Mit niemandem. Sie musste ja erst mal selbst für sich ordnen, wie sie mit der Situation umgehen sollte, in die sie rein geraten war, ohne zu wissen wie. Als sie gerufen worden war, hatte sie nicht im Traum daran gedacht, dass sich die Dinge so entwickeln würden. Ihr war klar gewesen, dass es schwierig werden würde, mit dem Piloten zusammenzuarbeiten, für den sie tiefere Gefühle hegte. Professionalität hatte da leider nicht geholfen. Sie hatte sich hinreißen lassen, als sie geglaubt hatte, dass sie ihm näher kommen könnte. Ein Blick in seine Augen hatte genügt um alle guten Vorsätze, sich nur auf diesen Fall zu konzentrieren, fahren zu lassen. Das hatte sie nun davon. Sie hätte den Fall aus Befangenheit ablehnen sollen. Aber die Ramrodcrew bestand aus Freunden und sie hatte sie nicht im Stich lassen können. Nur deshalb war sie gekommen. Und Fireball ließ nicht locker. „Hör mal, Mandy. Ich merke doch, dass dich was bedrückt, “ begann er sanft. „Nein, eigentlich bin ich frei.“ Sie versuchte unbekümmert zu klingen, doch so unglücklich, wie sie sich gerade fühlte, konnte sie nicht verhindern, dass ihr dies auch entschlüpfte. „Von aller Unschuld und allen Freunden“, murmelte sie leise. „Das ist nicht wahr. Du hast Freunde, sehr gute sogar, “ wiedersprach der Rennfahrer und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Niemand hier hält dich für schuldig und das ist auch nicht das Hauptproblem, denn geweint hast du vorher, “ ergänzte er dann. „Ach komm hör auf. Seit ich hier bin, hab ich mich in eine Beziehung gedrängt, wird mir ein ganzes Verhältnis angedichtet und jetzt soll ich es auch noch sein, die Chily bedroht. Und du.“ Mutlos wischte sie ihre Aussage mit der Hand zur Seite. „Ach, egal.“ Auch wenn niemand direkt mit dem Finger auf sie gezeigt und den Vorwurf ausgesprochen hatte, er war da. Für sie hätte ein Stich ins Herz nicht schmerzhafter sein können. Dabei mochte sie die kleine Hebamme. Wie konnten sie wirklich glauben, dass der Rotfuchs sie bedrohen würde? Andererseits war verständlich, dass sie nichts ausschließen durften und vor allem Colt nur seine beste Freundin schützen wollte. Hätte sie selbst denn anders gehandelt? Fireball stieß sich leicht vom Rahmen ab und kam etwas näher auf sie zu. „In die Beziehung hast du dich nicht reingedrängt“, beschwichtigte er sie. „Und das Verhältnis ist dir und mir gleichermaßen angedichtet worden, und zwar von Suzie“, fuhr er dann fort. Nein, so ließ er sich nicht abkanzeln. Sie waren immerhin Freunde. Was immer sie bedrückte, sie war nicht allein damit. „Und ich was? Es ist nicht egal, Mandy.“ Er musterte sie. Sie wandte sich rasch ab und nahm sich ein Glas aus dem Schrank. „Von Suzie“ wiederholte sie erstaunt und schüttelte unwillkürlich den Kopf. „Was ist nur los mit der?“ So hatte Mandarin die Kollegin nicht in Erinnerung. „Das fragst du den falschen. Ich bin in letzter Zeit derjenige, der aus Frauen überhaupt nicht mehr schlau wird.“ Entschuldigend hob er die Hände. „Das ist auch der Grund, weshalb das mit uns beiden grade so fürchterlich schief läuft. Ich weiß weder, was ich getan habe, noch verstehe ich, wieso du so reagierst, wie du es eben tust. Ich hab keine Ahnung, wieso sich mein Lieblingsstarcaptain die Augen aus dem Kopf heult, “ gab er zu. „Du hast doch gesagt, dass der Ersatz, also Suzie und ich, nur alles durch einander bringen und uns lieber an die Regeln halten sollen,“ erinnerte sie ihn, drehte den Wasserhahn auf und füllte ihr Glas. Er hob die Augenbrauen. „Seit wann hörst du auf mich?“ wollte er dann ehrlich verwirrt wissen. „Ich hielt es für besser, nicht nur weil du es gesagt hast.“ Mandarin trank einen Schluck. Die Kühle tat gut und klärte ein wenig. Fireball wurde aus ihren Antworten nicht schlau. „Mandy, seit ich dich jetzt kenne, bist du ein aufgewecktes und gleichzeitig nettes Mädel. Du warst nie zickig oder mies drauf. Vom Heulen warst du immer meilenweit entfernt. Und du hast nie alles, was ich sage, todernst genommen. Du legst seit dem Zwischenfall jedes Wort von mir in die Waagschale und, verdammt, dabei steig ich nicht gut aus und dir geht es auch nicht gut.“ Nein, die weibliche Mystik verstand er ganz und gar nicht. „Nein, mir geht es nicht so gut dabei. Fireball, du weißt, ich mag dich und du weißt auch, dass ich dich etwas zu sehr mag. Und genau davon muss ich langsam wegkommen. Ich brauche etwas Abstand zu dir. Du hast deine April, wirst Vater. Glaubst du, ich möchte für den Rest meines Lebens die unglücklich Verliebte bleiben. Irgendwie…“ Sie warf die Arme in die Luft. Wie sollte sie das nur erklären? Jetzt kam er noch ein Schritt auf sie zu. „Ja, ich werde Vater und ich habe April an meiner Seite. Aber glaubst du nicht, dass uns beide etwas anderes verbindet, als etwas … ähm, körperliches? Ich meine, bist du dir sicher, dass du mich etwas zu sehr magst? Wieso solltest du das denn überhaupt? Du wirst unter Garantie nicht den Rest deines Lebens als unglücklich Verliebte verbringen. Mandy.“ Ihren Name sprach er fast schon flehend aus und legte ihr leicht die Hand auf die Schulter. Traurig schüttelte sie den Kopf und wischte seine Hand weg. „Hast du wirklich nie gemerkt, dass ich für dich gern das gewesen wäre, was April ist? Aber du hast sie und bist glücklich. Mehr ist nicht von Bedeutung. Ich komm schon klar. Ich brauch nur etwas Distanz, bevor ich es noch schaffe unsere Freundschaft zu ruinieren, “ erklärte sie ihm. Erschrocken fuhr Fireball einen Schritt zurück. Das hatte er wirklich nicht erwartet. Perplex stammelte er: „Es tut mir leid, Mandy... Ich wollte nicht... Ich hab nicht gedacht, dass ich...“ Unbeholfen schuf er räumliche Distanz und öffnete die Küchentür. Wie sollte er denn darauf reagieren? „Solltest du dich danach fühlen, ich bin da, Mandy. Für meine Freunde hab ich immer Zeit, “ fügte er dann hinzu. Was für eine unangenehme Situation. Je hilfloser er damit umging, tapsig Raum zwischen ihnen schuf, sie befangen anschaute und offensichtlich in seinem Kopf überhaupt nicht begreifen konnte, was sie gesagt hatte, desto liebenswerter fand sie ihn. „Danke Fire“, grinste sie, amüsiert von seinem Verhalten und erleichtert, dass wenigstens er noch zu ihr hielt. Jetzt kratzte er sich noch verlegen am Hinterkopf. Hier ging es eben um Gefühle und nicht um das Innenleben des Friedenswächters oder sonstigem technischem Gerät. „Ich werd dann nach oben zu April gehen, nicht dass sie noch eine Vermisstenanzeige aufgibt. Sollte was sein, du weißt, wo ich bin. Ich weiß, dass du Chily nicht gedroht hast. Du hast ein viel zu gutes und großes Herz, Baby, “ versicherte er, als er rückwärts aus der Küche schritt. Sie nickte leicht. Auch Saber war nicht unbedingt von ihrer Schuld überzeugt gewesen, fiel ihr ein. Er hatte nur getan, was sein musste. Das konnte sie ihm nicht vorwerfen und durfte es nicht allzu persönlich nehmen, wobei dies schwer war. „Geh schon. Mir geht es gut, “ betonte sie. Dass er nicht über seine eigenen Füße stolperte war erstaunlich, so wie er neben sich stand. „Pass auf dich auf, versprich mir das. Ja?“ Ah, jetzt stieß er doch gegen das Sofa. „Immer“, rief sie und musste ein Lachen unterdrücken. Blieb nur noch zu hoffen, dass Chily genauso wie Fireball zu ihr stand. Aber das war wohl zu viel gehofft, wenn man sich versuchte vorzustellen, wie sich die Hebamme wohl fühlen musste. Die fühlte sich schutzlos. Der Trost von Robin und April hatte ihr über den ersten Schreck hinweggeholfen und ihr wieder etwas Fassung gegeben. Dennoch konnte sie das Gefühl von Wehrlosigkeit nicht abschütteln. Eben hatte Colt zu ihnen reingeschaut und seine Zukünftige mit genommen. Dass er nicht ein aufbauendes Wort für die Hebamme hatte, lag daran, dass er damit beschäftigt war, seine Gedanken zu den Geschehnissen zu sortieren. Chily wusste, dass er sich Sorgen machte und sie am liebsten in den Hochsicherheitstrakt von Fort Knox oder sonstwohin gesteckt hätte. Aber dass er so etwas nicht mal im Scherz aussprach, hieß für sie auch, dass er sich in dem Punkt auch auf Saber verließ. Der klopfte nun und öffnete dann die Tür. „Hey.“ Vorsichtig um sicher zu sein, dass er gerade nicht störte, lugte er herein. Es war immerhin möglich, dass er ein Frauengespräch unterbrach, welches vielleicht geführt wurde um Chily auf andere Gedanken zu bringen. Doch kaum sah sie ihn, streckte sie schon die Arme nach ihm aus. „Manapi.“ Mit zwei Schritten war er bei ihr, setzte sich zu ihr aufs Bett und nahm sie in die Arme. „Es ist alles gut, Jolene.“ Sie schmiegte sich erleichtert an ihn. Ihr Schutzengel war wieder da. April staunte nicht schlecht. So hatte sie ihren Boss noch nie erlebt. Er, der besser als jeder andere verstand seine Gefühle zu unterdrücken, hielt seine Freundin so liebevoll und selbstverständlich. Nie hätte sie gedacht, dass sie ihn mal so sehen durfte. Denn trotz der Gefahr, die drohte, schien er glücklich bei ihr zu sein und zu vergessen, was um sie herum war. „Sie ist tapfer“, presste April hervor. Er nickte leicht. „Ich weiß.“ Klang da eben so etwas wie Stolz mit? Saber strich der kleinen Hebamme beruhigend über den Rücken. „Ich bin da, mein Schatz,“ raunte er ihr zu und einen Moment lang war er wirklich der Ritter in der goldenen Rüstung, der seine Prinzessin vor dem bösen Drachen rettete, wie April etwas ungläubig, aber erfreut feststellte. Chily hob leicht den Kopf. „Und jetzt? Wie jetzt weiter?“ wollte sie wissen und erwischte ihn damit kalt. So weit hatte er noch nicht gedacht, weil seine Hauptsorge war, ob es ihr gut ging und nicht, wie es sein sollte, die Lösung des Falles. „Wir warten bis morgen früh, bis wir alle ausgeschlafen sind und dann besprechen wir das in aller Ruhe noch einmal“, erwiderte er dann. „ Es kommen nur Mandarin und Suzie in Frage, richtig? Oder noch jemand anderes, an den ich grad nicht denke?“ hakte sie nach. Sie musste wissen, was sie zu erwarten hatte, damit es sie nicht mehr so heftig schocken konnte. „Richtig, es kann nur eine der beiden gewesen sein. Entweder, diejenige erlaubt sich einen richtig bösen Scherz, oder aber sie steckt bis zum Hals in der Sache drin, “ bestätigte er. Betretenes Schweigen folgte. Dass ausgerechnet Freunde in diesen Fall verwickelt sein sollten, war beunruhigend und behagte niemandem. Draußen waren Fireballs Schritte zu hören. „Ich lass euch mal allein“, verabschiedete sich April. „Schlaft gut.“ Damit war sie zur Tür raus. „Schlafen?“ murmelte Chily an der Brust des Recken. „Der war gut.“ – „Versuch es“, ermahnte er sie sanft. „Und wenn ich dann die Augen wieder auf mache, was werd ich dann sehen?“ wollte sie wissen, drückte ihr Kinn an seinen Oberkörper und sah zu ihm auf. In ihren grünblauen Augen, die gerade mehr grün, als blau schimmerten, las er noch etwas Angst, aber hauptsächlich Freude, darüber, dass er bei ihr war. Der Recke lächelte sanft. „Mich“, versprach er. „Ich werde auf dich aufpassen.“ – „Aha, du schläfst nicht“, stellte sie fest. Er schüttelte den Kopf. Sie löste sich leicht von ihm und fragte verwundert: „Ernsthaft?“ Jetzt nickte er. „Ich werde wach bleiben, damit ich dich beschützen kann, sollte etwas sein“, erklärte er ihr. „Aber du musst auch mal schlafen“, wandte sie ein. „Wann willst du das tun?“ Sein Lächeln wurde wärmer. Eben hatte sie sein Wohlergehen über ihre Angst gestellt. Wie viele Frauen taten das in so einem Moment schon? „Ich schlafe dann, wenn Colt auf dich aufpassen kann. Ein kleines Nickerchen am Vormittag wird mir reichen, “ erwiderte er. „Aber nicht auf Dauer, “ protestierte sie mild. „Es wird nicht so lange dauern. Versprochen.“ Damit lehnte er sich gegen die Wand, legte die Beine auf das Bett und zog sie leicht zu sich. „Aber“, setzte sie erneut an, unterbrach sich aber selbst. „Ich brauch gar nicht zu widersprechen, nicht wahr. Das hast du dir jetzt in Kopf gesetzt, das machst du jetzt auch so.“ Gelegentlich war es wirklich von Vorteil, dass sie seine Gedanken las. Jetzt musste er wenigstens nicht mit ihr streiten. „Ja, ich kann auch stur sein“, erinnerte er sie. „Und jetzt versuch zu schlafen.“ Damit zog der Blonde sie endgültig zu sich. „Okay.“ Ergeben schmiegte sie sich an ihn, kuschelte sich an seinen Bauch. „Manapi?“ – „Ja?“ – „Streichel mich bitte ein bisschen“, bat sie leise. „So?“ Leicht glitten seine Fingerspitzen über ihre Schulter. „Perfekt“, gähnte sie unterdrückt. „Wenn ich das jetzt noch fünf Minuten so mache, dann schläfst du endlich?“ Undeutliche Laute sollten wohl die Bestätigung sein. „Schlaf gut, mein Schatz.“ Zufrieden betrachtete er sie, wie sie sich an ihn schmiegte, als sei er der sicherste Ort, den es gab. „Lieb dich“, gähnte sie an seinem Bauch. „Ich dich auch.“ Ihre Atemzüge verrieten ihm, dass die Müdigkeit doch stärker gewesen war, als die verständliche Furcht davor, was sie beim Aufwachen sehen würde. Sie sollte ihn sehen und wissen, dass er immer auf sie Acht geben würde. Nach diesem Vorfall schliefen alle schlecht. Saber kaum. Ihm fielen, entgegen seines Vorsatzes, die Augen zu, als Chily langsam aufwachte. Sie grinste leicht. Hatte sie doch gewusst, dass er auch nur fix und fertig war, wie alle anderen auch. Vorsichtig schob sie ihm ein Kissen in den Rücken, damit er es bequemer hatte und stand auf. Die erste, die ihr an diesem Morgen über den Weg lief, war Mandarin. Der Starcaptain hatte wohl am schlechtesten geschlafen. Dafür sprachen das Gesicht, welches noch bleicher als sonst war, und die Augenringe, die schier bis zu den Wangenknochen reichten. Nachdem sie in der Nacht verdächtigt worden war, die Hebamme zu bedrohen, waren deren fröhliche Begrüßung und das liebevoll gemachte Frühstück wie Balsam für das verletzte Herz des Rotschopfes. Chily war nicht der Mensch, der sich darauf verstand, gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Würde sie sich tatsächlich von Mandarin bedroht fühlen, würde sie dies auch offen zeigen. Aber so saßen sie zusammen und unterhielten sich, als wären sie schon länger befreundet. Von der vergangenen Nacht sprachen sie nicht. Es war gut, dass die Gedanken wenigstens für eine Weile in recht unverfängliche Bereiche geleitet wurden. Als schien Chily zu spüren, dass es genau das war, was Mandarin brauchte. Der Rotfuchs half ihr noch beim Abräumen des Geschirrs und während Chily begann, das Frühstück für die anderen vorzubereiten, sah Mandarin zu, dass sie mit den Ermittlungen vorwärts kam. Allein für diese Geste musste sie den Fall endlich lösen. Noch einmal machte sie sich an das Dekodieren der Stimme. Diesmal versuchte sie es aber von Saber Sattelmodul aus, da der die größere Datenbank hatte. Kaum hatte sie den Computer hochgefahren, stieß sie auf eine Datei, die sie noch nicht bemerkt hatte. Neugierig öffnete sie sie und hielt einen Moment die erschrocken den Atem an. Was Mandarin sah, enttäuschte sie einerseits maßlos, war andererseits völlig verständlich und außerdem die Bestätigung ihrer Aussage. Suzie und sie wurden überwacht. Irgendwo hatten die Jungs ihnen Sender verpasst, wovon einer nun laut Plan in der Satteleinheit des Recken blinkte und der andere irgendwo in der Pampa. Zudem zeigten die Daten auch, dass weder sie noch die Hochgewachsene zur fraglichen Zeit in Chilys Zimmer gewesen war um die Botschaft dazu lassen. Da stellten sich für Mandarin zwei Fragen. Wie lange schon war das Misstrauen so groß, dass sie verwanzt wurden? Wahrscheinlich seit der ersten Botschaft. Und, konnte es sein, das mit den Abtastern etwas nicht in Ordnung war? Sofort prüfte sie das, stellte bald fest, dass die Wanzen nach ihrem Streit mit Fireball und Suzies Auseinandersetzung mit der Hebamme angebracht wurden und die Abtaster völlig in Ordnung waren. Verdammt. Wie war das möglich? Wo lag des Rätsels Lösung? So vertieft war Mandarin in ihr Tun, das sie vergaß zu der Besprechung zu gehen, die Saber angeordnet hatte. Auch Suzie glänzte durch Abwesenheit. Einen Moment lang wollte er die beiden zusammen trommeln, dann überlegte er es sich anders. Vielleicht war es ganz gut, die Köpfe noch etwas ausrauchen zu lassen. Falls das überhaupt möglich war, fügte er gedanklich hinzu, als er einen Blick auf Colt, der ihm am Tisch in Ramrods Küche gegenüber saß, und dann auf Fireball warf, der gerade den Kühlschrank nach Lebensmitteln durchsuchte. „Einkaufen wär mal eine Idee“, bemerkte der Rennfahrer dabei. „Der ist total leer.“ Das Schweigen, das bis zu dieser Aussage geherrscht und gedrückt hatte, war endlich gebrochen. „Die Zicken sind doch alle viel zu sehr mit dem Terror beschäftigt“, kommentierte Colt trocken. „Wenn du schon stehst, bring uns doch bitte was zu trinken mit, “ meinte der Recke träge. Er hatte nur mit halben Ohr zu gehört. Etwa eine halbe Stunde nach dem Chily aufgestanden war, war er ebenfalls wach geworden, weil der Scharfschütze geklopft hatte. Damit hatte der Recke eine maximale Schlafzeit von fünfundvierzig Minuten gehabt. Eindeutig zu wenig, wie er gerade feststellte. „Ja, genau Schatz“, versuchte Colt nun diese lahme Truppe munter zu machen und klimperte Fireball theatralisch an. „Sei so gut.“ Der schlug scheppernd die Kühlschranktür zu und drehte sich grinsend um. „Tja, meine zwei Süßen, da habt ihr leider Pech gehabt. Der ist leer, hab ich doch schon erwähnt, oder? Ist Kaffee auch genehm?“ bot er als Alternative. „Leg mir ein Infusion“, zitierte Saber seine Herzdame gähnend. „Dann muss ich vorher noch gucken, ob unser Arzneischrank mehr hergibt, als unser Kühlschrank“, lachte der Rennfahrer und schaltete die Kaffeemaschine ein. „Die Schlafstörungen wird mein Arzt nicht tapezieren können“, stellte Colt fest und stützte sich auf der Tischplatte auf. „Die will er doch auch sicher nicht an seinen Wänden hängen haben, Colt“, grinste Saber leicht. Der Scharfschütze würde es nie lernen. „Therapieren, nicht tapezieren“, berichtigte er dann und fragte ihn und den Rennfahrer. „Wie habt ihr den Nachmittag gestern rumgebracht?“ Er wollte das Gespräch, das glücklicherweise entstanden war am Laufen halten. Seit sie sich am Vortag so heftig gestritten hatten, waren sie sich erfolgreich aus dem Weg gegangen und in der Nacht hatte es Wichtigeres gegeben. Folglich war es nicht zu einer Aussprache gekommen, die, wie der Recke geschworen hätte, allen dreien am Herzen lag. Colt legte den Kopf auf die Tischplatte. „Der da hat Rennfahrer gespielt und ich Onkel Doktor, “ gab er zur Antwort, nuschelte aber die letzten beiden Worte recht undeutlich. „Und ich glaub, die haben mich geblitzt, Viehtreiber. Die kleine Geschwindigkeitsübertretung von knapp hundertfünfzig Kilometern pro Stunde zu erklären, dürfte schwierig werden, “ informierte Fireball und stupste den Cowboy an. Der Japaner hatte die endlos weite, lange Straße genutzt und war darüber gerast, als wollte er Ramrod die nötige Stargeschwindigkeit geben. Nur war es eben keine Startbahn und der Fury Racer hob auch nicht wirklich ab. Dennoch hatte es den Kopf frei gemacht und Frust abgebaut. „Dann hast du dasselbe Problem wie ich gestern bei Robin“, murmelte der Kuhhirte zurück. „Was musstest du ihr denn schon groß erklären?“ hakte Fireball nach. Genau wie Saber hatte er den Cowboy trotz der unklaren Aussprache gut genug verstanden. „Na ja, “ räumte der jetzt ein. „Doktor spielen trifft es nur halb. Es war eher eine Runde Siegmund und Freud. Meine Maus hat so ziemlich alles gehört. Habt ihr auch nur im Ansatz eine Ahnung wie sie mich danach gepsychodingbumst hat.“ Die Tonlage machte vollkommen klar, wie unangenehm das für Colt gewesen war. Welcher Mann schüttet schon gern sein Herz aus und entblößte sein Seelenleben vor einer anderen Person, als sich selbst. Er jedenfalls gehörte überhaupt nicht zu dieser Minderheit. „Du redest von Psychoanalyse?“ wollte der Schotte wissen. Der Gefragte hob träge die Schultern. Seine Freunde verstanden ihn auch so. Wozu sich also die Mühe machen irgendwelche Fremdworte richtig auszusprechen? Ganz besonders, wenn diese Seelentherapie von Robin dazugeführt hatte, dass er den beiden Anwesenden eine Entschuldigung und eine Erklärung geben wollte. Der Recke hob die Augenbrauen, als ihm in seiner Müdigkeit aufging, was Colts Worte noch bedeuteten. „Wir waren gestern wohl ziemlich laut, (Wir haben uns wohl benommen, wie die Axt im Wald.)“bemerkte er verlegen. Der Scharfschütze hielt den Blick gesenkt. „So wortgetreu, wie sie die Gespräche wiederholt hat, könnte man meinen, sie hat es aufgenommen, (Oh man, du hast ja so Recht.)“ erwiderte er. Wie ertappt schaute Fireball von einem zum anderen. „Da bin ich doch gleich noch mal so froh, dass April gestern unterwegs ist. Scheint, als hätt ich meinen Kosenamen nicht umsonst, (Hätte sie das gehört, hätte sie mir den Kopf gewaschen und das auch noch zu Recht. Ich sollte endlich ruhiger werden.)“ kommentierte er. „Kosenamen? Du meinst "Baby"? (Allerdings, solltest du. Hast dich benommen wie eins.).“ Den Kopf immer noch auf der Tischplatte schielte er zu dem Hitzkopf. „Solang ich kein Riesenbaby bin, (Du hast dich auch nicht grad besser verhalten. War ganz schön fies von dir.)“ versetzt der Japaner postwendend, aber nicht gereizt sondern nüchtern. Jetzt lehnte der Kuhhirte sich in der Bank zurück und schob seinen Hut tief ins Gesicht. „Das galt dir Boss, (Jaja, ich weiß. Ist mir peinlich. Aber wir sind gestern auch wirklich alle ausgetickt.)“ brummte er etwas missmutig. „Das glaub ich nicht, Colt.“ Der Blonde stützte die Ellbogen auf den Tisch. „Ist der Kaffee schon fertig? (Meine Nerven liegen blank, Jungs.)“ wollte er daraufhin wissen. „Dann galt es den Weibern. (An dem Mist sind wir selber Schuld.)“ Colt zog seinen Hut noch ein wenig tiefer „Hot stuff, sei so gut, (Meine auch, aber wenigstens gibt es jetzt Kaffee.)“ meinte er, nachdem er darunter hervor auf die Kaffeemaschine gelinst hatte und feststellte, dass der Muntermacher fertig war. Bereitwillig erhob sich der Rennfahrer wieder, stellte drei Tasse auf den Tisch, ließ je einen Löffel hineinfallen und schenkte ein. „Milch ist leider wie alles andere alle, (Tut mir leid, wie ich euch angeschrien hab. Bin wohl ein bisschen mitschwanger.)“ verkündete er dabei. „Hauptsache wach, (Schon gut, Kleiner.)“ winkte Colt ab. „Hauptsache stark, (Es ist ja nicht so, dass wir dich nicht verstehen könnten.)“ ließ sich auch der Schotte vernehmen. „Ich wollte ja schließlich richtigen Kaffee und nicht so ein Lattenmaniken-Zeug, (Bin ja selber grad überempfindlich.)“ erklärte der Kuhhirte nachdem er einen Schluck getrunken hatte. „Für einen Latte Macchiato hätte die nicht vorhandene Milch aufgeschäumt werden müssen, und soviel Service kann ich leider nicht anbieten, (Merkt man, dass du überempfindlich bist.)“ Fireball setzte sich zu ihnen. „Aber dir reicht er schwarz und stark, Boss? (Wir passen schon auf, dass Chily nichts passiert.)“ wandte er sich an Saber. „Jaja. Mehr muss nicht sein, (Beruhigend zu wissen, aber das ist nicht mein einziges Problem.)“ murmelte er leicht. „Diese ganzen Kaffee-Neuheiten schmecken doch eh nicht wirklich, (Mich wundert, dass du den Fall noch nicht hingeschmissen hast, Boss.)“ kommentierte der Scharfschütze und richtete seinen Hut wieder dahin, wo er eigentlich hingehörte. Der Japaner hatte in zwischen die halbe Tasse geleert. „Ach, so ein Irish Coffee wär mir heute ganz recht gewesen. Der weckt nach einer Nacht wie der gestrigen die müden Knochen, (Macht es nicht grad einfacher, wenn sich die besten Freunde in die Wolle bekommen. Wir werden alles hinbekommen, ganz sicher.)“ behauptete er nun. „Jolene hat noch Scotch da, wenn du was Hochprozentiges brauchst, (Nein, einfacher auf keinen Fall, aber sonst hast du hoffentlich Recht.)“ wies Saber ihn hin. „Wisst ihr, ich trau mich neuerdings nicht mehr alleine an Chilys Bar ran, “ lachte Fireball nun. Es war befreiend, so zusammen zu sitzen und über alles zu reden. Sie alle hatten befürchtet, ihre Freundschaft, an der ihnen so viel lag, wäre endgültig über den Jordan. Doch offensichtlich war noch genug Verständnis, Einsicht und Toleranz da um sie noch nicht aufgeben zu müssen. „Bist du nicht eh im Dienst?“ hakte Colt grinsend nach. Auch der Schotte schmunzelte. „Davon mal ganz abgesehen.“ – „Nicht mal das ist mir vergönnt“, schmollte der Jüngste prompt. „Wenn das alles vorbei ist und alles wieder läuft, wie es soll, müssen wir drei einmal auf einen kleinen Umtrunk gehen, (Frieden?)“ schlug er dann heiter vor. „Kennt ihr etwa jemanden, der uns verpfeifen würde? (Warum warten? Mir ist die Dienstvorschrift grad egal.)“ Fragend hob Saber die Brauen und stellte die geleerte Tasse auf den Tisch. „Die sind eh alle unterwegs, (Ausspucken würd ich grad auch nix)“ bemerkte der Scharfschütze. „So waren auch meine Informationen, (Wir reden hier schließlich von einem Drink nicht von einem Besäufnis und die Friedenpfeife raucht man, wenn sie einem gereicht wird.)“ stimmte der Blonde zu. Einen Moment lang schauten sie sich, ein wenig wie Verschwörer, an, dann standen sie auf. „Dann lasst uns die Gunst der Stunde nutzen, (Wer weiß, wie lange der nächste Krach auf sich warten lässt.)“ meinte Fireball und reckte sich ausgiebig. „Wird dann sicher ein schöner Tag, (Kann ruhig dauern, hab nicht vor einem von euch den Barhocker überzuziehen.)“ versicherte Colt und stützte sich auf seine Gehhilfe. „Viel schlechter sollte er nicht mehr werden können, (Es steht in den Sternen, wie lange die Ruhe wirklich andauert.).“ Saber räumte das Geschirr in die Spüle. „Ach was, die Sonne scheint, (Wird schon, wenn wir uns ab jetzt zusammen reißen.)“ Zuversichtlich grinsend humpelte der Scharfschütze zur Tür. „Und wenn das schon mal unser Strahlemann sagt, muss was dran sein, (Wir sind immer noch die besten Freunde.)“ entgegnete Fireball und folgte ihm. „Logo. Ansonsten gibt es ja noch Regenschirme. (Klar sind wir das, deshalb werden wir uns auch beherrschen und unsere Süßen schützen. Das ist schließlich das wichtigste.)“ erklärte er mit seiner gewohnten guten Laune, die er wohl mit dem Kaffee zu sich genommen hatte. „Dann hoffen wir mal, dass kein Hagel kommt, (Geschwister könnten sich nicht mehr mögen, als wir.)“ grinste der Schotte und schloss zu den beiden auf. „Na, dann mal los, (Man, bin ich froh, dass das geklärt ist. Noch ein paar Minuten länger und würd noch vor Freude heulen.)“ drängte Colt und hinkte vor Fireball und Saber her. „Da wird er plötzlich schnell, der gute Colt, (Ich bin froh, solche Freunde wie euch zu haben.)“ grinste der Rennfahrer und sah dem Humpelnden nach, der schon fast die Rampe erreicht hatte. „Ja, wie immer eben, (Wenn ich jetzt glasige Augen habe, dann weil ich müde bin. Das sind Keine Freudentränen, die da glänzen)“ grinste der Recke. Langsam steckte die erleichterte Stimmung an. „Dann lass uns die Nacht mal runterspülen, bevor uns Colt doch noch zuvor kommt und die ganze Flasche aussäuft, (Die Pipi in meinen Augen sind alles Vatergefühle, ich schwör es.)“ erwiderte der Rennfahrer. „Gute Idee. (Jetzt aber schnell diese Rührseligkeit runterspülen.)“ Saber nickte und die beiden beeilten sich den flüchtigen Scharfschützen einzuholen. „ Kommt ihr endlich? (Echt, gleich mach ich euch noch Heiratsanträge.)“ Ungeduldig mit der Krücke auf den Boden klopfend, stand der am Aufgang und wartete. Prompt lief der Rennfahrer los, an dem unruhigen Geist vorbei, die Rampe hinab. Der leichte, warme Wind dieses sonnigen Tages wehte nicht nur aus ihm die letzten trüben Gedanken hinaus, sondern auch aus den beiden Freunden. Es war doch alles gut. „Die Frage ist wohl eher, wo du bleibst, Krücke?“ rief der Jüngste übermütig zurück. Prompt flog die Gehhilfe auf ihn zu, begleitet von Colts lachendem „Wer bittet, dem wird gegeben“. Der Japaner fing das zweckentfremdete Stück auf, verlor dabei aber das Gleichgewicht und landete auf dem Hosenboden. „Deine Stütze ist da“, lachte er und wies mit der Gehhilfe auf den Recken neben Colt. „Ja, er ist doch auch unser aller, große, starker Held.“ Theatralisch klimperte der dem zu. „In der Tat, das bin ich“, bestätigte der Blonde, als hätte es nie Zweifel daran gegeben. „Na, dann trag mich mal über die Türschwelle, edler Recke“, schmachtete der Kuhhirte treuherzig. „Beweg dich, ist gesünder für meinen Rücken“, grinste Saber und stützte den Freund. Gemeinsam kamen sie, leicht schwankend und mit weiteren Scherzen die Rampe hinunter zu Fireball, der nicht weniger neckte. In dem Geplänkel bemerkten sie nicht, wie Robin, Chily und April von der Ranch her auf sie zu schlenderten. „Wenn kleine Kinder spielen, sind sie gesund“, meinte die Hebamme leicht hin, mit Blick auf die drei Scherzkekse. „Wenn große Kinder spielen, sollten sie heiraten“, fügte die Lehrerin mit Seitenblick auf ihren Zukünftigen hinzu und April ergänzte. „Oder Vater werden.“ Wobei sie sich auch Fireballs überraschtes Gesicht nicht entgehen ließ. Die Jungs schauten so belämmert aus der Wäsche, dass die Mädchen sich nur schwer beherrschen konnten um nicht wie Teenager los zu kichern und gelassen ihren Spaziergang fortzusetzen. Aber wenigstens sah die holde Weiblichkeit nun nicht mehr die Verlegenheitsröte in den Gesichtern der Drei, worüber sie sich sonst ganz sicher schlapp gelacht hätte. Immerhin konnte weder Fireball, noch Saber oder Colt sagen, wie viel ihre Herzdamen von einer Aussprache mitbekommen hatten, von der sie eigentlich nichts bemerkt haben durften, da sie doch eigentlich gar nicht anwesend waren. Du lieber Himmel, das verlangte nach einem Drink. Ausgenommen Mandarin, die fieberhaft daran arbeitete, die gefundenen Daten zu analysieren, die Stimme zu dekodieren und dabei ignorierte, wie verletzend ihre Entdeckungen waren und dass sie Hunger hatte, hatten sich alle anderen mehr oder weniger eine Auszeit genommen um nicht völlig verrückt zu werden. Suzie war aus diesem Grund in die Stadt gefahren und von dort aus weiter Richtung Westen, an der verlassenen Tankstelle vorbei. Nur weg von der Ranch und dem Chaos. Nur die Gedanken sortieren und überlegen, wie fortzufahren war. Als erstes musste sie mit April reden. Das war sehr wichtig, denn die ging ihr seit ihrer Rückkehr von der Kur recht geschickt aus dem Weg. Eine Aussprache unter vier Augen war so nicht möglich, obwohl sie für Suzie so dringend war. Deshalb führt ihr Weg, als sie am späten Nachmittag doch zur Ranch zurückkehrte, direkt in das Gästezimmer, in dem April und Fireball schliefen. Wie sie gehofft hatte, fand sie die Schwangere allein vor, als diese in einem Buch über Neugeborene las. April saß auf dem Hocker am der Frisierkommode. Da der Rennfahrer seine Freundin dazu genötigt hatte, sich nach dem Mittagessen ein wenig hinzulegen, fiel Suzies Blick nun auf das Bett auf dem beide Decken am Fußende zusammen geschoben waren. „Du und Fireball, ihr vertragt euch wieder?“ bemerkte die Hochgewachsene deshalb. April legte die Lektüre zur Seite. „Ja tun wir. Ist das ein Problem für dich?“ fragte sie nicht übermäßig freundlich. „Nein, ganz und gar nicht. Ich freu mich für dich, wenn es passt, “ versicherte Suzie, löste sich aus dem Türrahmen und lehnte diese leicht an. April musterte sie dabei. „Irgendwie erwarte ich grade noch ein Aber, “ meinte sie skeptisch. Immerhin hatte die Eintretende ja den Verdacht ausgesprochen, dass der Rennfahrer ein Verhältnis mit dem Starcaptain hatte. Folglich konnte sie davon immer noch überzeugt sein, auch wenn sich das Paar ausgesöhnt hatte. „Da kommt keines, wenn du ihm vertraust“, erwiderte die Große nun. „Ja, ich vertraue ihm. Genauso wie dir und im Gegensatz zu dir, “ erklärte April nüchtern. Suzie ließ sich auf das Bett fallen. „Es gibt auch keinen Grund, weshalb du mir nicht vertrauen solltest. Wir beide sind Freundinnen, April. Aber du hast Recht. Ich vertraue Fireball tatsächlich nicht so, wie du es tust, “ gab sie unumwunden zu. „Das ist mir zwar nicht verständlich, aber es ist auch nicht wichtig. Entscheidend ist, dass ich dem Vater meines Kindes vertraue, “ betonte die werdende Mutter. Sie war nicht bereit sich aufs Neue verunsichern zu lassen. Egal, von wem. Eine intakte Beziehung war zu wertvoll, besonders für ein Kind, und April würde diese deshalb nicht noch einmal aufs Spiel setzen. Ganz besonders deshalb nicht, weil sie Fireball glaubte. „Hauptsache ist, dass er sich um euch kümmern wird“, meinte ihre Freundin auf dem Bett und schenkte ihr einen leicht besorgten Blick. „Das tut er und es ist nicht an dir, das zu be- oder zu verurteilen. Du weißt nämlich nicht genug über unsere Beziehung.“ So viel Nachdruck und Distanz hatte Suzie nicht erwartet. Sie fühlte sich ein wenig überfahren von der frostigen Atmosphäre zwischen ihnen. „Das tue ich doch auch gar nicht. Ich will, dass es dir gut geht, sonst nichts. Ich freue mich für dich, dass du die Liebe deines Lebens gefunden zu haben scheinst, “ beteuerte sie und verzog verletzt den Mund. „Es fällt schwer das zu glauben, nachdem es eher so scheint, als hättest du versucht einen Keil zwischen uns zu treiben, “ erklärte April und damit auch ihr Verhalten der Hochgewachsenen gegenüber. Diese schoss empört in die Höhe. „Ich habe was?“ – „Es gibt Leute, die sind dieser Ansicht“, räumte April unbeeindruckt ein, da sie selbst dazu gehörte. „Und wieso sollte ich das machen?“ fragte Suzie. Die Schwangere hob nur die Schultern. Den Sinn konnte sie sich selbst nicht erklären, doch das wachsende Misstrauen war nicht zu ignorieren. „Ich bin nicht Mandarin, dass ich unbedingt deinen Freund haben will“, erinnerte Suzie nun. Die Schwangere verzog abschätzig das Gesicht. „Da gehören zwei dazu“, antwortete sie. „Da waren auch zwei dabei, oder nicht? So ganz abgeneigt ist der werte Herr Rennfahrer ja nicht von Mandarin. Bei jeder Kleinigkeit nimmt er sie in Schutz.“ Die Information hatte einen seltsamen Unterton, warnend oder drohend. April runzelte die Stirn. „Immer dann, wenn du sie angreifst“, entgegnete sie. In dem Moment, da sie es aussprach, wurde es ihr bewusst. Fireball hatte ihr in der Nacht von der Debatte um die letzte Drohung erzählt. Auch von dem Gespräch, das bei der Untersuchung des Recorders geführt worden war, wusste die Freundin des Rennfahrers. „Nein, so ist das nicht ganz richtig, April, “ wehrte die Hochgewachsene ab. „In der Nacht, in der Chily die hübsche Kette im Fenster hatte und Saber die Hexe und den Besen verdächtigt hat, wurde der Hexe sofort geholfen. Und zwar von Fireball. Der ist sich zu hundert Prozent sicher, dass sie es nicht war, aber das kann er nicht, wenn er hier bei dir war, “ erklärte sie. „Wo, als bei mir, sollte er sonst gewesen sein?“ fragte Ramrods Navigatorin. „Weißt du ganz sicher, dass der Rennfahrer die ganze Nacht neben dir verbracht hat? Wo war er schon, wenn er Mandarin so energisch in Schutz nimmt, als bei ihr?“ Suzie biss sich auf die Lippe. War sie zu weit gegangen? Ja, war sie. Das verriet ihr der Blick ihrer Freundin. „Er war hier, dass weiß ich. Aber er und Mandy waren schon immer gute Freunde und Fire nimmt Freunde immer in Schutz. Er kann gar nicht anders, “ verteidigte die den Vater ihres Babys. „Das möchtest du jetzt nur gern wissen, sicher kannst du dir nicht sein, April. Das kannst du nicht, “ beharrte die große Blondine. „Doch. Kann ich. Er hat überhaupt keinen Grund zu einer anderen zu gehen, “ wiedersprach diese heftig. Sie wusste es auch bestimmt. Nur konnte sie der Skeptikerin schlecht erklären, woher sie diese Sicherheit nahm. Sonst hätte sie ihr erzählen müssen, was geschehen war und über solche Intimitäten wollte sie Suzie nicht ins Vertrauen ziehen. „Du denkst doch sonst so logisch, April. Und wenn du nur ein bisschen was von deiner Ausbildung zum Starsheriff noch weißt, dann weißt du, dass man sich nur an Fakten halten kann. Und Fakt ist, Fireball nimmt Mandarin in Schutz. Ob er in der fraglichen Zeit bei ihr war, ist Spekulation, aber nicht so weit her geholt, wie du tust, “ hielt die wiederum an ihrer Ansicht fest. Jetzt fuhr April auf. „Es ist nichts, als deine Phantasie, Suzie. Er war bei mir und fertig. Und Fakt ist auch, dass Fireball nicht zu ihr halten würde, wie auch ich mal nebenbei bemerkt, wenn er wirklich Grund für Zweifel hätte, “ begehrte sie auf. Die Angefahrene straffte unwillkürlich die Schultern und drückte den Rücken durch. Noch nie hatte April so mit ihr geredet. Das überraschte sie. „Ich finde, wir sollten damit warten, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Ich find es nur seltsam, dass die Colt und Saber da objektiver sind. Sie verhalten sich komplett neutral, dabei ist Mandarin auch eine gute Freundin von ihnen, “ entgegnete sie kühl. Die werdende Mutter setzte sich wieder. „Ja, warten wir ab und sehen wir, wer Recht hat. Saber war schon immer objektiv, egal, wie persönlich es war. Und Colt hat nur das Wohl seiner besten Freundin im Auge. Also bist du für ihn mindestens genauso verdächtig wie Mandarin. Aber warten wir, “ gab sie etwas erschöpft zurück. Die Schwangerschaft war etwas anstrengender in der letzten Zeit und der Zwist, der seit ihrer Rückkehr um sie herrschte, machte es nicht leichter. In ihrem Bauch bewegte sich das kleine Wesen. Vielleicht hatte sie es auch aufgeregt. Aber es sollte sich wohl fühlen. Es bekam schon jetzt etwas von seiner Umwelt mit und sollte sie so harmonisch wie möglich erfahren. Beruhigend strich April über die Rundung. Aufmerksam beobachtete Suzie es. „Fühlst du dich nicht wohl?“ fragte sie und wies auf die Wölbung. „Mir würde es besser gehen, wenn ich nicht von Streit umgeben wäre und nicht eine meiner besten Freundinnen gegen den Vater von Charlene reden würde.“ Mit kreisenden Bewegungen strich sie leicht massierend über ihren Bauch. „Charlene? Du kriegst also ein kleines Mädchen, “ lächelte Suzie leicht. „Ja, wie Chily von Anfang an gesagt hat.“ Das wunderte sie noch immer. „WIR haben uns für Charlene entscheiden, weil wir Daddy und Jolene sehr dankbar sind, “ informierte sie ohne die andere anzusehen. „Ja, dein Dad hat da eine riesige Ausnahme für dich und Fireball gemacht. Ihr beide arbeitet fürs KOK, auch noch in derselben Einheit. Eine Beziehung wird doch für gewöhnlich weder gern gesehen noch toleriert. Noch dazu, wo bei euch mit deiner Schwangerschaft gleich ein Viertel des Teams ausfällt und durch jemand anderen ersetzt werden muss, “ nickte Suzie verstehend. „Nachdem letzten Gefecht gegen Nemesis brauchten wir einen Monat für die Berichte. Danach sind sowohl Fireball, als auch Colt ausgetreten, und er und ich haben uns öfter getroffen. Aber da war er kein Starsheriff mehr. Ich war längst schwanger, als er und Colt wegen dieses Falles zurückbeordert wurden. Wir haben also keine Regel gebrochen, “ stellte April richtig. „Ach so.“ Die Hochgewachsene hob die Schultern. „Da hat die Gerüchteküche im KOK wohl wieder mal übergekocht.“ – „Wenn einer kräftig rührt, geht es bekanntlich schneller.“ – „Da rühren schon mehrere. Die Gerüchteküche erlischt bekanntlich nie und gerade bei den berühmten Starsheriffs scheint es so, als wäre mehr als genug Tratsch im Umlauf. Ich kann ja nur nachplappern, was ich so höre, April.“ Wieder setzte sie sich aufs Bett. „Natürlich.“ Aprils Blick verriet Zweifel an den Worten der Freundin. „Weißt du, das seltsame ist, dass ich das Gefühl hab, Chily hat Recht. Sie sagt, du stichelst, indirekt. Bei dir wüsste man nicht, ob du meinst was du sagst, oder etwas Bestimmtes damit bezweckst. Ich kenne das nicht von dir, aber das Gefühl hab ich eben trotzdem, “ sagte sie dann und beobachtete ihre Gesprächspartnerin genau. „Das kommt dir vielleicht grad nur so vor, April. Chily hat dir einen Floh ins Ohr gesetzt und im Augenblick bist du besonders überempfindlich, eben weil du ein Kind in dir trägst, “ wiegelte die ab. „Ich bin schwanger, aber nicht blöd. Warum sollte Chily das grundlos behaupten?“ Die werdende Mutter lehnte sich leicht gegen die Kante des Kosmetiktisches. „Das weiß ich nicht“, erwiderte Suzie ruhig. „Wir beide mögen uns nicht wirklich. Ich kann es nicht erklären, aber Chily hat etwas an sich, womit ich nicht umgehen kann. Vielleicht deshalb, “ gestand sie dann. Etwas anderes würde ihr sowieso keiner glauben. Es brachte also nichts, es zu beschönigen, nur weil April die Hebamme offensichtlich mochte. „Ist dieses undefinierbare Etwas der Grund, warum du sie soweit gereizt hast, dass sie mit der Harke auf dich losgegangen ist? Bei dem Streit war Robin anwesend, Mandy und sie. Warum hast du dich ausgerechnet mit ihr angelegt? Ich kenne ihre Version. Ich will deine hören.“ Unbehaglich rutschte die Hochgewachsene auf dem Bett nach vorn. „Ich gebe zu, ich war gereizt und genervt. Wir kommen mit dem Fall überhaupt nicht weiter, wir konnten die Stimme immer noch nicht entschlüsseln, werden von Drohung heimgesucht und allmählich kristallisiert sich heraus, dass nichts so ist, wie es am Anfang ausgesehen hat. Es frustriert mich unheimlich, weil der Fall zermürbend ist. Für uns alle.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Mit Mandy bin ich auf Ramrod schon aneinandergeraten. Und Chily hat mich mit ihrer Art dann so gereizt. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Ich kann einfach nicht fröhlich ein Liedchen singen, wenn rings um mich das Chaos, der Tod und der Krieg herrschen. Ich hab wohl überreagiert, “ erklärte sie sich mit gesenktem Blick. Nun nickte April verstehend. „Hast du dich bei ihr entschuldigt?“ Betreten schüttelte die Gefragte den Kopf. „Ich weiß nicht, wie, wenn ich ehrlich bin.“ Ihre Augen blieben auf den Boden geheftet. „Geh einfach hin und sag es ihr, “ schlug die Schwangere mehr auffordern, als aufmunternd vor. „Wenn du dabei bist, kannst du sie gleich mal raufschicken. Ich muss mit ihr reden.“ Suzie presste die Lippen auf einander und stand auf. „Wir sehen uns beim Abendessen, April. Ich sollte Mandarin mal helfen, bevor sie meutert, “ antwortete sie und ging zur Tür. Sie hatte die Klinke schon in der Hand, als ihre Freundin nachhakte. „Heißt das jetzt, dass du dich bei Chily entschuldigst und sie zu mir schickst, oder es vorziehst zu Mandy zu gehen?“ Kurz schaute die große Blondine auf sie. „Ich gehe zuerst zu Chily und dann zu Mandarin.“ Damit verließ sie das Zimmer und stieg die Treppen hinab. Sie sollte sich tatsächlich bei diesem übergeschnappten Huhn entschuldigen. War das zu fassen? Ihre Laune war ohnehin schon nicht die beste und nun auch noch das. „Hey, beweg deinen breiten Hintern mal zu April. Ihr geht es nicht gut, “ sagte sie frostig zu der Hebamme, als sie durch die Küche, in der die gerade das Abendessen vorbereitete, das Haus verlassen wollte. „Mein Hinter ist nicht breit, der ist normal. Wenn du einen in der Hose hättest, wüsstest du das, “ versetzte diese beinahe fröhlich. „Oder so, ja, “ kam es unbeeindruckt zurück. „Sieh mal nach April, alles andere ist mir egal.“ Suzie öffnete die Hintertür. „Was du nicht sagst. Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen.“ Chily verließ die Küche in Richtung Wohnzimmer und der weibliche Starsheriff über die Veranda in Richtung Ramrod. So ein dummes Frauenzimmer. Das war es. Sie hatte es geschafft. Endlich. Damit war sie einen großen Schritt weiter. Sie hatte den Fall noch nicht gelöst, aber eine Erklärung für die Vorfälle gefunden und das würde entscheidend weiterhelfen. Das musste sie sofort den anderen sagen. Halt! Nein! Besser erst eine Sicherungskopie anfertigen. Wenn sie sich doch nur wieder beruhigen könnte und ihre Finger nicht vor Aufregung so zittern würden. Dann wäre es ein leichtes den Chip einzulegen. Jetzt. Geschafft. Und kopieren. Daten werden übertragen. Gut. Man musste auf alles gefasst sein. Es war einfach besser. Seit sie sich heut morgen hier hin zurückgezogen und gearbeitete hatte, hatte sie mehr als eine Sache entdeckt, die sie überrascht oder geschockt hatte. Ebenso dieses Ermittlungsergebnis. Aber es war nicht der Zeitpunkt, sich darüber zu beklagen, wie sehr man sich in den anderen getäuscht hatte. Es stand vorläufig noch wichtigeres auf dem Spiel, als sich mit solchen Nebensächlichkeiten zu beschäftigen. Das konnte man danach noch in Ruhe klären. Datenübertragung abgeschlossen. Der Chip wurde ausgeworfen. Sie zog ihn aus der Verbindung und horchte auf. Hatte sie Schritte gehört? Oder spielte ihr die frühere Dämmerung und ihr überarbeiteter Kopf einen Streich? Rasch schob sie den Datenträger in ihren linken Stiefel und stand auf. Rotgoldenes, warmes Sonnenlicht fiel durch das Panoramafenster und war endlos lange, schwarze Schatten der vorderen drei Satteleinheiten durch den Raum. Für eine Pause war es höchste Zeit. Die Tür zur Kommandozentrale öffnete sich. Sie fuhr herum. „Du?“ Das konnte nichts Gutes bedeuten. „Ja“, antwortete die Person in der Tür schlicht. „Was ist?“ fragte sie dann. „Du guckst, als hättest du einen Geist gesehen.“ Die Gestalt trat aus dem Eingang auf sie zu. „So ähnlich, ja.“ Vorsichtig legte sie die Finger an den Griff ihrer Dienstwaffe. „Du weißt es also“, stellte der unerwartete Besucher fest und musterte sie kühl. Ein knappes Nicken war die Antwort. „Damit kommst du nicht durch.“ – „Doch.“ Ehe sie den Blaster ziehen konnte, traf sie der Tritt eines langen Beines kräftig und schwungvoll im Bauch und brachte sie zu Fall. Sie landete rittlings auf dem Boden und ließ durch die Wucht des Aufpralls ihre Waffe los. Im nächsten Augenblick saß ihr Angreifer schon auf ihr. Keine Zeit um die Überraschung abzuschütteln. Eine Klinge blitzte im Abendlicht und stieß auf sie zu, bevor sie sich von dem Sturz erholt hatte und ihre Hände zur Abwehr heben konnte. Verdammt, sie war doch so nahe dran. Ihr erschrockener Aufschrei erstickte, verkam zu einem Röcheln. Mit dem Blut, welches aus der Halswunde strömte, floss das Leben aus ihrem Körper. Die Kraft schwand. Sie hatte getan, was sie konnte. Der Rest blieb ihnen überlassen. Sie mussten sie einfach schützen. Warum war sie darauf nur nicht vorbereitet gewesen? Dass der Angreifer die Daten an ihrem Computer löschte und den Raum verließ, erlebte sie nicht mehr. Das einzige, das an diesem Abendessen ungewöhnlich war, war Mandarins Abwesenheit. Auch wenn es Schwierigkeiten gegeben hatte, war sie dennoch zu den gemeinsamen Mahlzeiten erschienen. Aber heute hatte sie sich abgekapselt. Die Jungs tauschten einen unauffälligen, bedeutungsvollen Blick untereinander. Das war eine Besonderheit zu viel. Suzie blieb schweigsam, was ebenfalls mit in Falten gelegter Stirn zur Kenntnis genommen wurde. Chily machte diese eigenartige, gespannte Atmosphäre nervös. Irgendetwas passierte heute noch. Daran hatte sie keinen Zweifel. Erleichtert sprang sie auf, als das Telefon klingelte. Nur weg von dieser unheimlichen Stimmung, welche Robin und April zu ignorieren versuchten. Weil die Hebamme noch mit dem Telefon am Ohr durchs Haus lief, räumten ihre beiden Freundinnen den Tisch ab. Saber wies Suzie an, im Wohnzimmer zu warten. Die Lagebesprechung sei nur aufgeschoben und würde stattfinden, sobald die Jungs Mandarin geholt hatte. Widerspruchslos setzte sich die Hochgewachsene. Die drei Freunde liefen zu Ramrod hinüber. Es war am wahrscheinlichsten, dass der Rotfuchs dort war und alle drei hatten ihr etwas zu sagen. Der Friedenswächter lag still da. Nichts deutete darauf hin, dass jemand an Board war. Die drei teilten sich auf. Fireball und Saber prüften die Unterkünfte. Colt hinkte in die Kommandozentrale, da die der Rampe am nächsten lag. Als sich die Tür öffnete, war der Raum vor ihm fast nur in Schatten gehüllt. „Mandy?“ Stille. Er hinkte hinein. Drei Schritte, dann sah er sie. Der Starcaptain lag am Boden hinter Aprils Satteleinheit, die Beine leicht angewinkelt, die Arme, als hätte sie sie gegen einen Angreifer erhoben und dann fallen lassen. Die Augen waren blicklos auf die Decke gerichtet. In ihrem Gesicht eine seltsame Mischung aus Verwunderung und Sorge. Links neben ihrem Hals dehnte sich eine riesige Blutlache aus. Der Cowboy schluckte hart. „Könnt ihr beiden einmal herkommen?“ rief er und humpelte näher zum Rotfuchs. „Was ist denn?“ fragte der Recke, der als erster angerannt kam. „Wir äh... brauchen eine neue Navigatorin, Saber. Mandy, sie ist...“ Colt musste noch einmal schlucken, als der die Augen wieder über die Kollegin gleiten ließ. Die Stofffalte am linken Stiefel sah etwas seltsam aus. Der Scharfschütze hockte sich hin. Saber blieb erschrocken hinter ihm stehen. Dann eilte auch Fireball herbei. „Was ist mit Mandy?“ – „Nicht hinsehen, Matchbox.“ Der Kuhhirte langte vorsichtig in die Innenseite des Schuhs und zog den Chip hervor. „Wir kommen zu spät“, erklärte er tonlos und schob das Fundstück in die Hemdtasche. Entgegen der Warnung trat der Rennfahrer zu ihnen. „Oh mein Gott, “ entfuhr es ihm. Geschockt starrte er auf Mandarin, reichte Colt aber noch abwesend die Hand um ihm wieder aufzuhelfen. „Langsam geht mir die Hutschnur hoch. Wir haben genug Freunde verloren, mir reicht es.“ Die Hand, mit der er die Krücke hielt, umschloss diese so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Die freie ballte Colt zur Faust. „Das muss ein Ende haben.“ Auch die Miene des Rennfahrers verdüsterte sich nach dem ersten Schreck. „Allerdings“, brummte er zustimmend. „Wer war als letztes hier?“ fragte Saber distanziert. Er musste sachlich bleiben, bevor die ganze Situation kollabierte. Kurz schloss er die Augen. Wer? Colt überlegt laut. „Chily meinte doch vorhin, dass Mandy schon seit heut morgen hier ist. Wir waren heute Vormittag hier. Chily hat Mittagessen hergebracht und danach... Suzie kam von hier zum Abendessen.“ Und dann folgte die Erkenntnis. „SUZIE!“ fauchte der Scharfschütze so finster, als würde er sie ohne weitere Diskussion lynchen wollen. Bevor irgendeiner der Drei etwas sagen konnte, hörten sie Schritte, die schnell näher kamen. „Saber, Saber.“ Völlig aufgeregt und ganz außer Atem blieb Chily an der Tür zur Kommandozentrale stehen und rang nach Luft. „Jolene?“ Mit einem Satz war der Blonde bei ihr und versperrte ihr die Sicht auf den Raum. Ihre Aufregung hatte ihnen einen Schrecken eingejagt. „Mein Gott, was ist passiert?“ sprach der Recke die Frage für seine Freunde aus und musterte die Hebamme besorgt. „Ich“, keuchte sie. „Mein.“ Wieder holte sie Luft, legte sich die Hand auf die Brust, die von dem ungewohnten Sprint bebte, und hob den Kopf wieder. „Was ist hier los?“ wollte sie dann wissen, als sie einen kleinen Blick auf den Raum erhaschte. „Erzähl du zuerst, hier ist sowieso alles zu spät“, drängte Colt entschieden. Wenn etwas im Haus geschehen war, sollte sie endlich mit der Sprache raus rücken. „Ich war grad im Bad“, begann sie. „und ... egal.“ Sie wischte das Gesagte mit einer Handbewegung fort. „Mein Sanitätskoffer war nicht richtig zu, also hab ich ihn genauer angesehen.“ Sie musste noch einmal unterbrechen. „Ja?“ Zum ersten Mal verstand Saber die Angewohnheit des Piloten die Hebamme zu schütteln. Er war selbst gerade ungeduldig genug um es zu tun, beherrschte sich aber. „Ein Skalpell fehlt“, platzte sie dann heraus. Fireball warf einen Blick hinter sich und murmelte leise. „Das ist hier.“ Rasch schob Chily sich an dem Recken vorbei und trat in den Raum. Als sie Mandarin sah, schlug sie sich erschüttert die Hand vor den Mund. Tatsächlich lag ihr Skalpell auf der Brust der Ermordeten. Ironischer Weise ein offenkundiger Beweis, als wäre der Täter überzeugt, dass man ihn ohnehin nicht überführen würde. „Nein“, hauchte die Hebamme fassungslos. Der Scharfschütze musterte seine beste Freundin. Sie hatte geahnt, dass ihre Entdeckung wichtig sein konnte, ganz besonders in der augenblicklichen Lage und hatte umsichtiger Weise sofort Alarm geschlagen. Ihr Sanitätskoffer enthielt die gesamte Notfallausrüstung eines Rotkreuzhelfers und war für jeden frei zugänglich im Haus. Dass jemand mal einen Mord damit verüben würde, hatte sie ja nicht ahnen können. Moment. Im Haus? „April und Robin sind alleine!“ rief Colt entsetzt und humpelte so schnell er konnte aus der Kommandozentrale. Saber drehte seine Jolene von dem Anblick weg und nahm sie leicht in den Arm. Sie hielt sich kurz an ihm fest und zwang sich zur Ruhe. „Schon okay“, murmelte sie. „Colt hat Recht.“ Ein leichtes Nicken, dann folgten die drei dem Kuhhirten. Colt hatte die Strecke zum Haus, trotz seiner momentanen Beeinträchtigung, schon halb zurück gelegt, als Saber, Chily und Fireball die Rampe herunter rannten. Plötzlich ergab alles einen Sinn, war klar, wer für all den Ärger verantwortlich war. Colt stürmte ins Haus. „Mädels?“ Seine Stimme verriet deutlich, dass etwas nicht in Ordnung war. Robin fuhr auf. „Colt, was ist los?“ Der hinkte sofort zu seiner Verlobten und schob sich wie ein Schutzschild vor sie. Sie, Suzie und April saßen im Wohnzimmer, jede auf einem der Sofas, die um den Fernseher standen. April hockten auf dem, das der Tür am nächsten war, die Lehrerin ihr gegenüber und die Hochgewachsene in der Mitte. Jetzt funkelte der Scharfschütze diese an. „Du elende Heuchlerin!“ spie er verächtlich aus. Er verzieh Freunden ja so einiges und hatte so gar für Lügen Verständnis, wenn man ihm erklärte, warum man die Wahrheit nicht hatte sagen können. Doch Verrat war für ihn absolut unverzeihlich. Kombiniert mit Mord, nun das war absolut indiskutabel. Suzie schaute ihn erstaunt an. „Bitte?“ Für diesen Überfall und diesen Vorwurf gab es für sie keinen erkennbaren Grund. Ehe sie jedoch etwas dazu sagen konnte, kamen aus die anderen Drei zur Küchentür herein gestürmt. „Es ist vorbei, Suzie. Hörst du, es reicht, “ erklärte Saber und schob sich ebenfalls leicht schützend vor Chily. Jetzt sprang die Beschuldigte entrüstet auf. „Wovon redet ihr?“ „Von meinem fehlenden Skalpell, dass in Mandys Hals steckte“, antwortete die ehemalige Sanitäterin und jetzige Hebamme einigermaßen sachlich. „Was?“ Auch die werdende Mutter hielt es nun nicht mehr auf dem Sitz. Sollte das etwa alles bedeuten, dass Mandarin tot und Suzie die Mörderin war? „Woher soll ich wissen, wie das in ihre Halsschlagader gekommen ist?“ schnappte diese sofort ungehalten wie immer, wenn Chily sie ansprach. Doch diese wurde gerade noch ruhiger. „Das hab ich nicht gesagt“, bemerkte sie leicht. Die Hochgewachsene biss sich auf die Lippe. „Aber das ist doch klar, oder? Es steckt in ihrem Hals, also war der Täter daran interessiert, die Schlagader zu treffen, “ gab sie zurück. „Man könnte auch versuchen die Luftröhre zu durchtrennen, “ stellte die Jugendfreundin des Scharfschützen fachlich fest. So viel Detektiv stecke in jedem um zu erkennen, dass Suzie sich selbst verraten hatte. Ihre Abneigung gegen die Hebamme hatte sie dazu gebracht, sich selbst zu denunzieren, denn wäre sie unschuldig, hätte sie nicht von der Halsschlagader wissen können. Ihr Versuch, sich raus zu winden, war für alle Anwesenden unglaubwürdig und ließ eine kühle Enttäuschung in ihre Augen treten, die alle auf Suzie ruhten. Gespannte Stille trat ein. Die Hochgewachsene fühlte sich bloß gestellt. „Warum hast du Mandarin das angetan? Wusste sie zu viel?“ platzte Colt heraus, dessen Enttäuschung langsam in Wut um schlug. „Hat sie die Stimme dekodiert? Raus gefunden, dass du die Botschaften hinterlassen hast?“ fragte Saber mit der nötigen Sachlichkeit. „Wie kommt ihr darauf? Seid ihr komplett verrückt, Jungs?“ schnappte die Gefragte beleidigt. „Weißt du, ich hab mich die ganze Zeit gefragt, wie Jean-Claude auf die Idee gekommen ist, Chily Herzchen zu nennen. Aber das ist er nicht. Das war deine Idee. Du hast nämlich genau wie Mandy gehört, dass ich gesagt hab, wenn meine Chily die erste Drohung gefunden hätte, wäre ihr das Herz in die Hose gerutscht. Das hat dich auf die Idee gebracht. Richtig?“ schoss der Cowboy ein ziemlich gutes Indiz hervor. „Du hast keine Beweise, Colt. Was bildest du dir ein? Die Drohungen können genauso gut von Mandy gewesen sein! Wie du grad gesagt hast, hat sie es auch gehört. War sie nicht in der Nacht, in der die dritte Botschaft gefunden wurde, im Haus unterwegs?“ wehrte sie ab. „Nein, sie saß auf der Veranda.“ Daran bestand für Saber von Anfang an kein Zweifel. „Und deswegen war ich es etwa, oder wie muss ich das verstehen? Ich war auf Ramrod und habe geschlafen! Ihr spinnt euch da was zusammen, weil ihr auf die Schnelle einen Schuldigen braucht. Aber nicht mit mir, “ rief die Hochgewachsene verärgert. „Es ist kein Problem für jemanden sich an Mandy vorbei zu schleichen, wenn es Nacht ist und sie sich die Augen aus dem Kopf heult, um dann durch die Vordertür rein zukommen. Und so brauchbar ist dein Alibi nicht, “ entkräftete nun Fireball ihre Aussage. Suzie quittierte das mit einer abwertenden Handbewegung. „Herrgott, ihr stellt euch an wie blutige Anfänger! Seid ihr schon mal auf die Idee gekommen, dass Mandarins Auftraggeber sie loswerden wollte? Natürlich nicht, es ist ja so viel einfacher, einen Schuldigen zu finden, wenn der noch lebt, “ wiegelt sie ab. Die ganze Zeit rannten die drei blind durch die Gegend und nun wollten sie auf einmal sich aller Tatsachen bewusst sein, als wären sie dabei gewesen? Nein, da mussten sie schon bessere Beweise liefern um diese schwerwiegende Anschuldigung aufrecht zu erhalten. „Weißt du, der Witz ist, dass du es selber zu gegeben hast“, bemerkte Colt. Wieder biss sich die Hochgewachsene auf die Lippen. Schon wieder relativ kurz nach einander, wie April feststellte. Sie kannte dieses Verhalten noch von früher, wenn die Freundin überlegt hatte, wie sie aus einer unangenehmen Situation entkommen konnte. Als sich die beiden vor dem Abendessen unterhalten hatten, hatte sich Suzie auch zweimal auf die Unterlippe gebissen. Wieso war April da nicht schon bewusst geworden, dass sie angelogen wurden? Zumindest wusste sie es jetzt. „Du spinnst dir da was zusammen, Viehtreiber. Bleib beim Kühe hüten, das kannst du besser, als die Arbeit eines Starsheriffs zu machen, “ gab die Hochgewachsene zurück und schob sich an der Sitzkante des Sofas entlang von dem Scharfschützen fort. „Du hast den Ablauf geschildert bevor wir die Idee hatten, wie es gelaufen sein könnte. Woher hattest du ihn? Weil du so clever bist, natürlich, “ konterte der zynisch. „Klar bin ich clever. Ich kann schließlich eins und eins zusammenzählen und Tathergänge rekonstruieren. Ihr Amateure habt das nie gelernt. Und nur deswegen bin ich jetzt Mandarins Mörder, oder was?“ Jeder im Raum war nicht nur bis zum äußersten gespannt, sondern auch besonders aufmerksam, wie man es oft üblicher Weise ist, wenn man sich in Gefahr wähnt. Dinge, die man für gewöhnlich nicht, oder nur unterschwellig, wahrnahm, fielen einem dann sehr deutlich auf. So entging auch niemand, dass Suzies Gegenargumente langsam in Beleidigungen überglitten. Wohl deshalb, weil ihr die Gegenbeweise langsam ausgingen. „Du warst die letzte auf Ramrod. Vor dem Abendessen, “ stellte Colt fest und ließ der Verdächtigen kaum Zeit, sich Ausreden einfallen zu lassen. „Wie lange ist Mandy tot?“ fragte er dann. „Eine Stunde etwa, wenn man nach der Blutgerinnung geht. Also vor dem Abendessen, “ beantwortete Chily dies kompetent. „Ganz toll, Sherlock Holmes.“ Suzie rollte die Augen. „Und deshalb komme nur ich in Frage? Wo wart ihr denn alle?“ Hätte der Kuhhirte nicht über den flachen Couchtisch springen müssen, was er mit dem noch verletzten Bein nicht konnte, hätte er die Hochgewachsenen jetzt übers Knie gelegt. „Ja genau. Immer wieder hübsch Zweifel streuen. Immer auf die anderen zeigen und sticheln. Das hast du von Anfang an gemacht, damit wir uns in die Haare bekommen und das Wesentliche aus den Augen verlieren. Toller Plan, “ fauchte er sie grimmig an. „Wieso warst du es, die den Recorder gefunden hat?“ wollte Saber nun wissen. Nicht mehr lange und Suzie würde sich in ihren Lügen verstricken. Nur Colt verlor die Sachlichkeit für dieses Verhör gerade etwas aus den Augen. „Weil ich drüber gestolpert bin, vielleicht“, versetzte sie gereizt und ließ ihre Augen langsam über den Raum von einem zum andern gleiten. „Warum warst du so überrascht, als du erfahren hast, dass Colt die erste Drohung gefunden hat?“ schoss der Recke die nächste Frage hinterher. Dann folgte Colt „Warum hast du dir eigentlich nicht die dritte Botschaft durch gelesen?“ Suzie wich weiter zurück. „Was wird das jetzt? Ein Verhör?“ hakte sie nach, fühlte sich in die Ecke gedrängt. „Du bist mitten drin“, antwortete der Rennfahrer schneidend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich warte auf eine Antwort auf irgendeine der Fragen“, bedrängte Colt die Verdächtige weiter und griff in die Hemdtasche. „Sonst schau ich mir das hier mal an.“ Er hielt den Chip, den er aus Mandarins Stiefel gezogen hatte in die Höhe. Suzie riss für den Bruchteil einer Sekunde die erschrocken die Augen auf. Oh sie hätte daran denken müssen, dass es eine Kopie gab. Aber sie hatte nicht. Sie hatte immerhin einen Menschen getötet, eine ehemalige Kollegin und Freundin. Das Adrenalin, das ihr dabei und danach durch den Körper gejagt war, hatte sie vergessen lassen, die Ermordete nach einem Doppel ihrer Arbeit zu durchsuchen. Jetzt gab es nur noch eine Chance dem ganzen hier zu entkommen und die stand neben ihr. April war so geschockt, von diesem Verhör, dass sie es zu spät bemerkte und in ihrem Umstand nützte ihr auch ihr schwarzer Gürtel nichts mehr. Schon hatte die Hochgewachsenen sie mit dem linken Arm vor sich gezogen und drückte ihr mit der rechten Hand einen Blaster an die Schläfe. „Die Antworten gebt ihr euch schon die ganze Zeit selbst.“ Langsam schritt sie rückwärts zur Tür, immer die Jungs im Blick haltend. Denen war für einen Moment das Herz stehen geblieben. „Lass sie los“, rief Fireball und es klang fast flehentlich. Das waren seine Freundin und sein Töchterchen, die ungeborene Charlene. Wenn Suzie die beiden tatsächlich tötete, sollte sie ihn lieber auch erschießen, sonst konnte er für nichts mehr garantieren. Der Recke kam mit einem schnellen Schritt auf die große Blondine zu. „Mach keinen Unsinn. Lass sie gehen, “ beschwor er sie. „Und meine Lebensversicherung gleich mit? Für wie bescheuert haltet ihr mich?“ Wieder schob sie sich näher an die Tür. „Du gehst entschieden zu weit“, grollte Colt und umrundete mit Robin den Beistelltisch. Irgendwie mussten sie sie dazu bringen, von April ab zu lassen. „Lasst mich gehen und ihr kriegt eure Quotenfrau wieder“, erwiderte die kalt, verstärkt den Druck der Mündung auf Aprils Kopf, um ihre Entschlossenheit zu unterstreichen, und schob sich wieder näher zum Ausgang. „Wenn du sie nicht sofort los lässt, wirst du es bereuen“, drohte der werdenden Vater, doch das imponierte Suzie überhaupt nicht. „Du wirst es bereuen, wenn du nicht dort stehen bleibst, mein kleiner Rennfahrer. April soll doch nicht so enden, wie Mandarin, oder?“ erinnerte sie, mit einer Stimme, die so kalt wie der Polarwind war. Ihre Augen blickten nicht wärmer. Saber stand ihr am nächsten, hinter ihm, wie sein Schatten, diese Hebamme. Fireball hatte sich vor das Sofa geschoben, auf welchem die Schwangere zuvor gesessen hatte, dahinter war Colt immer noch das Schutzschild für seine Robin. „Warum? Was zahlen sie dir dafür?“ fragte der Recke und schob sich so dezent wie möglich näher an Suzie. „Du bleibst auch schön, wo du bist, Saber, wenn es keine Totgeburt werden soll“, warnte die sofort und er hielt in der Bewegung inne. „Es gibt wichtigeres als Geld“, fügte sie dann hinzu. „Ach ja, das hätte dann mit Gefühlen zu tun, aber so was scheinst du nicht zu haben, “ ließ Colt sich vernehmen und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. „Ein ganz schlauer bist du, wirklich.“ Sein wütender Blick rührte sie genauso wenig, wie der mal böse, mal besorgte des Rennfahrers. „Warum Suzie? Wir waren Freunde, “ flüsterte April hilflos und verängstigt. Sie hatte eine Freundin verloren. Sie konnte nur noch hoffen, dass sie nicht auch noch ihr Mädchen und seinen Vater verlor. „Er war da, hat mir das Leben gerettet. Das musst du doch am besten verstehen, April. Nicht nur der Aushilfspapa kann das, “ wisperte Suzie ironisch zurück. „Wer ist der Typ auf dem Foto?“ hakte Colt nach um Saber weiter die Möglichkeit zu geben, sich weiter an die Verräterin heranzuschleichen, da Fireball vor Angst um seine Freundin wie festgefroren war. „Ein alter Bekannter, du kennst ihn“, gab sie zurück. „Jean-Claude.“ Der Kuhhirte schlug sich mit der Hand an die Stirn. „Jetzt ist es amtlich. Liebe macht nicht nur blind, sondern auch blöd, “ erklärte er kopfschüttelnd. „Was glaubst du, wie weit du so kommst?“ fragte Saber. Suzie fuhr zu ihm herum und richtete den Blaster auf ihn. „Weit genug und jetzt bleib endlich stehen, wenn du nicht willst, dass euer Nesthäkchen Witwer wird, bevor er überhaupt noch trocken hinter den Ohren ist.“ Mit dem nächsten Schritt hatte sie die Tür erreicht. „Ohne die Pennyrile-Unterlagen hast gar nichts erreicht“, erinnerte der Recke sie und hob leicht die Hände. „Die werden wir schon noch bekommen, Säbelschwinger. Du bist nicht der einzige, der gut im Beschaffen von Informationen ist.“ – „Und wie viele deiner Freunde müssen dafür sterben?“ – „Ihr seid nicht meine Freunde.“ Mit dieser Antwort vernichtete Suzie den letzten schmalen Steg zwischen sich und den anderen. Es führte kein Weg mehr zurück. „Das ihr das nicht so ganz versteht, ist mir klar. Outrider haben sehr wohl Gefühle. Jean liebt mich. Er und seine Leute haben ein Recht auf würdiges Leben in ihrer Dimension. Das Alkalit bringt Leben in die Phantomzone. Es bedeutet eine Zukunft. Aber ihr habt darauf bestanden, die Mine zu behalten. Deshalb habt ihr uns leider keine Wahl gelassen.“ Sie funkelte Chily zornig an. „Wärst du nicht so selbstsüchtig gewesen, wäre alles anders gelaufen und Mandy würde auch noch leben. Aber ich krieg, was ich wollte. Verlass dich drauf.“ Damit löste sie den Griff um April und stieß diese auf den Rennfahrer zu um gleich darauf auf das Herz des Schotten zu zielen, der ihr viel zu nahe stand. Kaum war der Schuss gefallen, war sie zur Tür raus. Diese entstandene Verwirrung musste sie nutzen. Die folgenden Sekunden schienen wie in Zeitlupe abzulaufen. Fireball fing April auf, ehe diese auf dem Boden aufkommen konnte. „Süße.“ Vorsichtig und rasch setzte er sie hin und erkundigte sich: „Ist mit dir alles okay?“ Sie nickte erschrocken. „Alles okay, glaub ich.“ Beide schauten zu dem Recken. Der hatte zeitgleich ganz geschockt „Jolene“ und Colt im selben Atemzug „Chily“ gerufen. Aber beide zu spät. Die Hebamme hatte sich in die Schussbahn geworfen und ging nun, die Hand instinktiv auf die getroffen Schulter drückend, in die Knie. Ein klägliches „Aua“ war alles, was der brennende Schmerz in der Wunde ihr zu wimmern erlaubte. „Jolene! Was ist mit dir? Wie schlimm ist es?“ Bestürzt stützte der Schotte seine Freundin. Sie nahm kurz die Hand von der Verletzung. Sofort blutete sie noch mehr, also presste sie die Hand wieder drauf. „Hat eine Arterie erwischt. Blutung abdrücken, “ diagnostizierte sie schwach und fragte im nächsten Moment. „Wie geht es April?“ Colt überwand ungeschickt und hastig das Sofa. „Ich mach sie kalt“, brüllte er und hatte kein Gehör für Robins. „Colt nicht.“ Schon war er aus der Tür, gefolgt von Fireball, dem sämtliche Sicherungen durchgebrannt waren. So einfach ließ er diese Suzie ganz sicher nicht davon kommen, nachdem die es gewagt hatte seine schwangere Freundin als Schutzschild zu nehmen und dann auch noch ausgerechnet Chily anzuschießen. Er erreichte die Flüchtige gerade als sie in ihren Gleiter, der seit ihrer Ankunft immer im Vorhof geparkt worden war, klettern wollte. Er packte sie am Fußgelenk ehe sie sich in das Cockpit schwingen konnte und riss sie zurück. „Hier geblieben, du Miststück!“ Suzie spürte wie sie den Halt verlor und beinahe gnadenlos unsanft auf den Boden geprallt wäre, doch der Rennfahrer fing diesen Sturz noch halb auf und drückte sie rittlings ins Gras. Selbst jetzt konnte er eine Frau nicht einfach schlagen, was die Hochgewachsenen nutzte und ihren Blaster zog. „Schlechte Idee, Daddy. Lass mich los, “ forderte sie. Mit einer raschen Bewegung drückte er die Waffe auf den Boden. „Sonst noch Wünsche?“ Er hielt auch ihre andere Hand fest, so dass sie ihn mit der nicht angreifen konnte. „Nein, aber den setz ich durch“, faucht sie und zog ihr Knie hoch. Sie traf empfindlich. Gegen seinen Willen ließ er sie los. Sie schob ihn von sich, schnellte in die Höhe und richtete ihre Waffe auf ihn. „Ich hab es dir doch gesagt, Daddy.“ Ein Schuss hallte durch die Nacht. Suzie ließ den Blaster fallen, hielt sich die Hand, deren Gelenk nun getroffen war und sah sich um. „Keiner ballert dem schnellsten Daddy der Welt ein Loch in den Kopf, Drache!“ Fast grinste Colt schon. Vielleicht war er humpelnd nicht so schnell gewesen, aber immer noch rechtzeitig und Scharfschütze genug um das Schlimmste zu verhindern. Energisch und in Handschellen brachten sie sie in die Verwahrzellen auf Ramrod. Dann rannten sie ins Haus zurück. Dort hatte Robin schon den Notarzt und die Polizei gerufen. Saber hatte mit einer Gefäßklemme die verletzte Ader abgedrückt und hielt Chily, die immer blasser wurde, auf seinen Knien. „Gleich kommt Hilfe, Jolene“, versprach er ihr. Besorgt hockten die Lehrerin und April bei ihnen. „Kann es sein, das sie zu viel Blut verliert?“ fragte Colts Verlobte. Der Recke schaute sie an und nickte leicht. „Wo bleibt der verdammte Arzt?“ Die Hebamme schlug immer wieder die Augen auf und zu. Jetzt schaute sie sich um. „Wo ist April?“ Die Gerufene krabbelte zu ihr. „Hier.“ Sie nahm die Hand der Freundin. „Keine Angst, Chily, alles gut.“ Die schloss noch mal kurz die Augen. Besser als alle anderen wusste sie, dass es die Hauptschlagader erwischt hatte. Wenn der Arzt nicht in den nächsten fünf Minuten hier war, war alles zu spät. Deshalb musste sie sicher gehen, dass ihre Patientin in gute Hände kam. „Du musst dir was merken ... Wenn ich ... Geh zu Doc Sanders ... der ist klasse, “ presste sie matt hervor. Saber lief es eiskalt den Rücken runter. „Du wirst gar nicht.“ Er unterdrückte energisch die Panik in sich. „Du kommst wieder auf die Beine, hast du mich verstanden, Jolene?“ Aber die war zu sehr auf April konzentriert. „ Hast du gehört April?“ Die nickte und schluckte ihre aufsteigende Angst hinunter, so gut es ging. „Zu wem sollst du gehen?“ hakte Chily nach um sicher zu sein. „Zu Doc Sanders“, antwortete die Gefragte leicht zitternd. Die Hebamme wollte wieder die Augen schließen. Alles war gerade so anstrengend. „Jolene! Sieh mich an, “ forderte Saber. „Bleib bei mir.“ Sie blinzelte zu ihm rauf. „Manapi.“ Unbeholfen kraftlos versuchte sie sich an ihn zu schmiegen. „Ich bin da, Jolene“, versicherte er und drückte ihre Hand. Sie lächelte leicht und streckte die Hand nach seiner Wange aus. „Bleibst du bei mir?“ Tränen brannten ihm in den Augen. „Ja, ich bleibe bei dir.“ Er drückte die erhobene Hand leicht zurück und hielt sie fest. „Ich gehe nicht weg, Jolene.“ Sie seufzte leise. „Ich würd wirklich gern mit dir ...“ Wieso musste ihr nur jetzt die Kraft ausgehen? Bald würde sie das Bewusstsein verlieren. „Das hat Zeit“, raunte er ihr zu. Sie sollte sich nicht bemühen, sondern sich schonen, bis der Arzt endlich da war. „Ich wollte nur, dass du es weißt“, flüsterte sie zurück. „Ich weiß es“, beruhigte er sie. Zufrieden schloss sie die Augen. So anstrengend. Einige Sekunden lang starrten alle, mit an gehaltenem Atem auf sie. Sie durfte nicht … Dann begriffen sie, dass draußen Sirenen heulten. Der Rettungswagen war da. Drei Minuten ehe es für die Bewusstlose endgültig zu spät war. Kapitel 14: True Colour shining through II ------------------------------------------ Mit Blaulicht und Martinshorn erreichte der Rettungswagen die Adams Ranch nach einer Ewigkeit, wie es schien. Kompetente Hände untersuchten die Verletzte, legten Venenzugänge und verfrachteten sie in die fahrende Notaufnahme. Keiner durfte die Bewusstlose begleiten. Es war nicht hilfreich, wenn vor Sorge aufgebrachte Freunde bei der Behandlung dabei waren und womöglich alles besser wussten. Sollte die Patientin die Fahrt nicht überleben, waren die Reaktionen der Betroffenen noch weniger absehbar. So rasten die Freunde hinterher, kaum das Sheriff Borland vor Ort war um Suzie in Gewahrsam zu nehmen und die ermordete Mandarin zu bergen. Im Krankenhaus musste das Personal versuchen, die Gruppe aufgeregte Freunde abzufangen, ehe sie zur Station vordringen konnten. Trotzdem gelang es Colt sich seinen Weg durch die Meute zu bahnen und weiter zu stürmen. Irgendwann auf der Strecke ließ er die Gehhilfe fallen und hopste auf einem Bein weiter. Vor der Doppelschwingtür musste er dann doch stoppen. Zwei Pfleger hielten ihn auf. „Ich will verdammt noch mal zu meiner Jolene“, tobte der Besorgte ungehalten. „Das ist gerade sehr ungünstig“, erklärte einer der beiden und schob den revoltierenden Hinkefuß, ungeachtet der Schimpf und Schande, die daraufhin über ihn gebracht wurde, zu den anderen zurück. Robin legte ihrem Zukünftigen die Hand auf die Schulter und stütze ihn. „Du hilfst ihr nicht, wenn du das Personal davon abhältst seine Arbeit zu tun“, beschwor sie ihn sanft. Widerwillig, ließ er zu, dass sie ihn zu einem Stuhl in der Eingangshalle führte und ihn darauf setzte. Kaum saß er, sank er in sich zusammen, unglücklich und bestürzt darüber, was geschehen war. Fireball setzte sich mit April neben den Scharfschützen. „ Bist du sicher, dass es dir gut geht?“ fragte der Rennfahrer sie fürsorglich. Sie nickte leicht. „Kennst du das Lied, das Chily dem Baby schon so oft vorgesungen hat?“ Robin hockte sich zu der werdenden Mutter und stimmte es leise an. „Lost in kaleidoscope skies …“ April summte sacht mit. Die zarte, sanfte Melodie und Robins warme Stimme entspannten sie ein wenig. „…Drippin' away, when you look in my eyes …” klang es an das Ohr des Recken. Der schluckte hart. Das kam ihm zu bekannt vor. Es war genau das Gefühl, das er hatte, wenn er in die Augen seiner Jolene sah. Sie hatte sich vor ihn geworfen, verhindert, dass Suzies Schuss ihn traf, womöglich getötet hätte. Die Verräterin hatte auf sein Herz gezielt. Die Hebamme war kleiner als er, deshalb hatte der Schuss sie an der Schulter, aber immer noch die Hauptschlagader verletzt. Gefährlich genug. Er konnte sie verlieren, noch bevor sie wirklich zu ihm gehörte. Sie wollte mit ihm zusammen wohnen. Das hatte sie versucht ihm zu sagen, bevor sie das Bewusstsein verloren hatte. Er wollte es genauso sehr. Wieso hatte sie das nur getan? Wieso hatte er es nicht verhindern können? Er durfte sie nicht verlieren. Das durfte nicht sein. Saber wandte sich von seinen Freunden ab und schlenderte zur Rezeption. Die Tränen in seinen Augen sollten sie nicht sehen. Wie sollte er das nur dem kleinen Toto erklären? Als Chily aufwachte, saß Colt auf einem Stuhl neben dem Bett. Der Scharfschütze hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt, sein Kopf ruhte auf der Bettkannte. Er schnarchte leisen. Schwach lächelte seine beste Freundin und hob den Hut mit der gesunden Hand von seinem Kopf. Er rührte sich nicht. Leicht strich sie ihm über die Locken. „Später, Robin, “ murmelte er im Schlaf. Chily grinste und lehnte sich wieder zurück. Die Hand ließ sie auf seinem Haar ruhen. Ihr Bullet. Nichts auf der Welt hatte ihn davon abhalten können hier zu warten. Er hatte immer auf sie aufgepasst. Dafür liebte sie ihn. Lange Zeit hatte nur er gegolten. Einfach, weil er ihr bester Freund war. Das hatte nichts mit der Liebe zu tun, die sie für Saber oder er für Robin empfand. Aber es war schon Liebe, in gewisser Weise, die sie verband. Sie und ihr Bullet. Er und sein blöder Spielzeugrevolver. Bloß gut, waren sie älter geworden und er hatte ihn nicht mehr getragen. Aber er hing immer noch in seinem Zimmer an der Wand. Chily schloss die Augen und ließ die Bilder ihrer Erinnerung an sich vorbei ziehen. Egal an was sie dachte, in jeder tauchte Colt auf. Sie lächelte. Oh, sie hatten eine so schöne Zeit. Wie sich alles verändert hatte. Wer hätte gedacht, dass Colt seine Eltern verlieren würde? Oder sie ihre? Nachdem er gegangen war, hatte sich nicht damit gerechnet, dass der Streuner fünf Jahre später wieder auftauchte. Eher zehn Jahre, oder länger, oder gar nicht mehr. Das war der Lauf der Dinge, hatte sie sich eingeredet, es aber immer bedauert. Wie froh war sie, als sie ihn wiedergesehen, ihn wieder bei sich hatte. Seine Freunde mochte sie. Robin war genau die Frau, die ihn glücklich machen konnte. Und Saber. Ihr Manapi. Sie öffnete die Augen und sah sich um. Niemand sonst war hier im Raum. Für April war es besser, wenn sie auf der Ranch war, mit Fireball, und versuchte Ruhe zu finden nach diesem furchtbaren Abend. Und der Recke? Bestimmt war er solange geblieben, wie er konnte, war aber nun sicher auf Yuma. Er musste dem Oberkommando Bericht erstatten. Das war seine Pflicht. Auch wenn sie ihn lieber bei sich gehabt hätte. Von der Verletzung und dem Blutverlust doch geschwächt, schloss sie wieder die Augen und schlummerte ein. Sie war sofort nach ihrer Ankunft im Krankenhaus operiert und die betroffenen Venen verschlossen worden. Die Hülle darum herum würde mit der Zeit vom Körper aufgenommen. Sie war mit den biologischen Fasern identisch und nach und nach baute der Organismus sie ein, verschloss die Aderkanäle so, als wäre sie nie angeschossen worden. Ein weiterer Eingriff war nicht nötig. Nur eine Bluttransfusion sorgte noch für Ausgleich und neue Kraft. Und Ruhe brauchte sie. Saber war nach Yuma aufgebrochen, nachdem eine Krankenschwester „Das Schlimmste ist überstanden. Sie ist über den Berg“ verkündet und tiefe Erleichterung bei den Wartenden verursacht hatte. Jetzt war er einigermaßen in der Verfassung für den Bericht, den er zu liefern hatte, und für den es Ärger geben würde. Als er durch die Straße der lebhaften Metropole lief, versuchte er sich gedanklich auf das bevorstehende Gespräch vorzubereiten, doch immer wieder schweifte er zu seiner Jolene ab. Beinahe wäre er bei Rot über eine Kreuzung gelaufen, dann wieder stieß er mit einem Passanten zusammen. Die vielen Leute um ihn herum, der Verkehrslärm und das Getöse der Großstadt machten es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Menschen tauchten in seinem Blickfeld auf, die er gar nicht wahrnahm. Eine vertraute Stimme ließ ihn jedoch herumfahren. „Willst du mich nicht sehen, oder siehst du mich wirklich nicht?“ Saber wandte sich zerstreut nach der Person dazu um. „Entschuldige. War keine Absicht, “ murmelte er. Einen Moment brauchte er um das Gesicht in der Masse zu erkennen, obwohl es ihm lange Zeit das liebste war. „Sincia.“ Sie lächelte leicht. „Schön, dass du mich noch erkennst. Ich dachte, du hättest mich vielleicht schon vergessen.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, nein.“ Jetzt nickte sie bedächtig. „Dann geht es dir also wie mir“, stellte sie beruhigt fest und strich ihr dichtes, dunkles Haar über die Schulter zurück. „Naja, ich hab im Moment nicht übertrieben viel Zeit um mir Gedanken zu machen“, antwortete er diplomatisch. Eigentlich hatte er schon lange nicht mehr an sie gedacht. Wieder nickte sie leicht. „Du wirkst gehetzt. Trotzdem Zeit für eine Pause und einen Kaffee?“ Ihr Lächeln verschwand nicht. Er wies in Richtung des Oberkommandos. „Ich sollte eigentlich“, setzte er an abzulehnen. „Eigentlich zieht die Aussage in Zweifel. Ich bitte dich doch nur, dich kurz mit mir auf einen Kaffee zusammen zu setzten, “ unterbrach sie ihn rasch. Er runzelte die Stirn und blickte unschlüssig auf die Uhr. „Ein paar Minuten hab ich“, gab er dann nach und fragte sich, warum sie ihn überhaupt angesprochen hatte. „Schön. Ich versuche nämlich schon lange, dich zu erreichen. Aber du gehst nicht ans Telefon und antwortest nicht auf Briefe. Dabei wollte ich dringend mit dir reden.“ Sie kam an seine Seite. Gemeinsam betraten sie das nächste Cafe. „Ich bin zurzeit nicht zuhause.“ Er hielt ihr die Tür auf, folgte ihr zu einem Tisch nahe dem Eingang und setzte sich. „Was ist so dringend?“ wollte er dann wissen. Auch sie ließ sich auf den Stuhl gleiten. Anmutig, wie sie war. Gemessen die Handbewegung mit der sie wiederrum ihre Mähne zurück strich. Bedacht der Blick, den sie nun auf ihn richtete. „Es gibt Klärungsbedarf zwischen uns. Findest du nicht?“ Erstaunt hob er die die Brauen. „Es ist alles geklärt“, erwiderte er. „Nein“, wiedersprach sie. „Es ist vieles offen.“ Der Kellner erschien und nahm die Bestellung auf. „Du hast nie nach dem Warum gefragt. Oder war ich dir doch so gleichgültig?“ fuhr sie fort, als er sich entfernt hatte. „Ich brauchte nicht nach dem Warum zu fragen. Offenbar war ich dir sehr gleichgültig, “ antwortete er bitter und verschränkte die Arme vor der Brust. „So sah es wohl aus.“ Betreten schlug sie die Augen nieder. „Das warst du nie. Aber ich war...“ – „Einsam?“ vollendete er den Satz spitz. Kaum merklich nickte sie. „Und unsicher. Du warst so oft weg. Ich wusste nie, wie es dir geht, ob du wiederkommst oder mich liebst.“ Scheu linste sie ihn an. „Das bringt der Job als Starsheriff mit sich.“ Der Ober brachte den Kaffee und Saber nahm einen Schluck davon. „Klingt, als hättest du all meine Briefe niemals bekommen“, bemerkte er sachlich. „Doch hab ich. Aber ich konnte nicht antworten. Ich wusste nicht, wie ich das alles in Worte fassen sollte und ob sie dich überhaupt erreichen.“ Ihre Wimpern flatterten, als würde sie Tränen fortblinzeln. „Kannst du es jetzt in Worte fassen?“ wollte er wissen. Besonders ermutigend war seine Tonlage nicht. Sincia nahm ebenfalls einen Schluck, stellte die Tasse zurück und flüsterte: „Schwer.“ Der Blonde schwieg und musterte sie. Er fand sie noch immer wunderschön, anmutig und auf eine Art, die nur ihr gegeben war, unaufdringlich elegant. Aber mehr nicht. Jetzt schaute sie ihn an. „Es tut mir leid Saber“, sagte sie leise. „Was tut dir leid? Dass du mir nie geschrieben hast, oder dass du nicht alleine wohnst?“ hakte er nach. „Ich wohne allein.“ – „Wieder?“ Sie nickte, gemessen, wie jede ihrer Bewegungen. „Es war hat nicht funktioniert. Er war eben nicht du.“ Prüfend sah sie ihn an. „Ja? Nicht jeder ist so dumm und hofft, dass du auf ihn wartest, “ gab er verletzt zurück. Versuchte sie ihn etwa einzuwickeln? „Das ist nicht fair, Saber. Ich habe gewartet. Aber ich war dabei eben auch unsicher und in meinem schwächsten Moment schien er die Sicherheit zu sein, die ich gebraucht hab. Heute weiß ich, dass das ein Fehler war, “ verteidigte sie sich unglücklich. „Es ist nicht fair, dass du es mir nicht gesagt hast, “ entgegnete er schlicht. „Ja, das war mein zweiter Fehler, “ gestand sie kleinlaut. „Aber ich ... Irgendwie hoffe ich, dass es eine zweite Chance für uns gibt.“ Dieser samtene, streichelnde Blick hatte ihn früher schwach werden lassen, verzaubert. Jetzt wandte Saber seine Augen ab. Hatte er doch richtig vermutet. Nicht mit ihm. Nicht noch mal. „Es wäre ja wieder dasselbe, Sincia. Also nein, “ entschied er ohne zögern. „Es ist mir klar, dass es nicht mehr so sein wird wie früher.“ Sie griff nach seiner Hand. „Saber, bitte. Lass es uns noch einmal versuchen. Vielleicht schaffen wir es, wenn unsere Gefühle stark genug sind, “ beschwor sie schmeichelnd. Brüsk zog er seine Hand fort. War sie schon immer so manipulativ gewesen? „Einmal hat mir gereicht, Sincia. Ich mache niemals denselben Fehler zweimal. Nicht im Beruf und nicht im privaten Bereich. Es ist vorbei, endgültig.“ Er schüttelte unwillkürlich den Kopf. „Aber du hast den Fehler nicht gemacht, sondern ich“, gestand sie und betrachtete ihn eingehend. Seine Stimme, seine Miene und Körperhaltung waren kühl und abweisend. „Oder gibt es einen anderen Grund dafür, dass du mich so von dir weist?“ fragte sie weniger sanft, als sie bis eben gesprochen hatte. Damit war es für Saber Zeit das Gespräch zu beenden. Er gab dem Kellner ein Zeichen, dass er zahlen wollte. „Den gibt es tatsächlich, Sincia“, gab er ihr knapp zur Antwort. Enttäuscht lehnte sie sich im Stuhl zurück und verlor dabei den seither gezeigten Liebreiz. „Dein Job ist also immer noch wichtiger als alles andere“, bemerkte sie nüchtern. „Mein Job hat mit meiner Einstellung nichts zu tun. Es hätte auch bei uns beiden geklappt, trotz meines Berufes, wenn du Verständnis dafür gezeigt hättest und vielleicht mal Interesse, “ stellte er richtig. Sincia fuhr wieder vor. „Aber ich verstehe dich doch. Wie kommst du darauf, dass ich mich nicht dafür interessiert hätte?“ Ihre Stimme war buhlend. „Weil du nie danach gefragt hast.“ Der Recke erhob sich. „Der Grund, weshalb ich wirklich nicht mehr bereit bin, mit dir eine Beziehung zu führen, ist ein anderer, Sincia. Sie hat Verständnis und Interesse für meinen Beruf. Und an ihrer Wohnung öffnet mir höchstens Colt die Tür.“ Jetzt war aller Reiz dahin. Skeptisch hob sie die Brauen. „Und du meinst Sie ist was besseres, wenn Sie irgendwie ausgerechnete mit Colt zu tun hat?“ hakte sie nach und klang verletzt. „Ja. Jolene lügt nicht und sie verschweigt auch nichts, “ informierte er. Und fügte gedanklich hinzu. „Und sie würde für mich sterben.“ Das wäre sie ja fast. Ehe er noch mehr darüber nachdenken und er wieder abschweifen konnte, spuckte Sincia beinahe aus. „Jolene?“ Sie verzog das Gesicht. „Dass sie nichts verschweigt, kann ich mir vorstellen, vor allem, wenn sie Colt schon länger kennt. Aber auf das mit dem Lügen würd ich mich da nicht verlassen.“ Colt kannte sie nicht wirklich, nur nach dem, was Saber von ihm erzählt hatte. Aber es reichte um zu wissen, dass der Scharfschütze ein Frauenheld war. Wie immer diese komische Jolene zu ihm stand, sie konnte kein Deut besser sein als er. „Urteile nicht über Menschen, die du nicht kennst, Sincia“, fuhr der Schotte sie prompt an. Das vertrug sie nicht. Als sie ihn gesehen hatte, hatte sie geglaubt, sie könne ihn wieder beziertzen und für sich gewinnen. Immerhin hatte er ihr einmal sein ganzes Herz geschenkt, da sollte das doch kein Problem für sie sein. Doch es war und zwar weit größer, als sie erwartete hatte. Schlimmer noch. Sie war ersetzt worden und so, ja, leidenschaftlich, wie er die andere in Schutz nahm, waren seine Gefühle für die wohl sehr stark. „Du kannst nur deine Ansprüche runter gedreht haben, sonst wüsstest du, was gut für dich ist.“ – „Nein, im Gegenteil. Meine Ansprüche an eine Frau sind dank dir noch weiter angestiegen. Es reicht mir nicht mehr, jemanden zu haben, der nicht auf mich wartet und mich hintergeht. Treue und Verständnis, sowie Ehrlichkeit stehen seither auf meiner Liste ganz oben, “ warf er bestimmt zurück. Hatte er je so mit ihr geredet? „Und das glaubst du ausgerechnet bei einer von Colts Abgelegten zu finden? Das ist ja lächerlich, “ schnaubte sie verächtlich. Endlich war der Kellner da. Saber zahlte seinen Kaffee. „Du hast kein Recht, mit mir darüber zu diskutieren, Sincia. Es geht dich nichts an, was ich mache. Ich wünsche dir noch ein schönes Leben.“ Damit verließ der Recke das Lokal und schlug den Weg zum Oberkommando ein. Statt sich auf das Gespräch mit Commander Eagle vorzubereiten, jagten dem Schotten nun ganz andere Gedanken durch den Kopf. Noch nie hatte er so klar erkannt, wie Sincia wirklich war. Wie ihre charmante Wärme in unerträgliche Kälte umschlagen konnte? Was für ein Idiot war er gewesen, dass er es nicht früher erkannt hatte? Sie wollte ihn zurück? Wenn, dann nur aus einem Grund. Man konnte ihn vorzeigen. Aber dafür sollte sie sich lieber einen Professor oder erfolgreichen Geschäftsmann suchen, der wenigstens jeden Abend zu Hause war. Er war ganz sicher nicht der Richtige für diesen Job. Ein Zurück war für ihn schon damals nicht in Frage gekommen. Untreue war unverzeihlich. Und ganz besonders jetzt, da er wusste, wie warm, aufrichtig und bedingungslos Liebe sein konnte, wie Jolenes Liebe war, war kein Gedanke je absurder gewesen. Es gab nur einen Ort, an den er zurück wollte. In die Arme seiner Jolene. Dass er durch die gläserne Schiebetür in die Eingangshalle des KOK getreten war, bemerkte er nicht. Er wusste nur, dass er seine kleine Hebamme wahnsinnig vermisste, sie über alles liebte und es ein Leben ohne sie nicht gab. Das Geräusch der aufgehenden Fahrstuhltür holte ihn in die Gegenwart zurück. Zum ersten Mal fühlte er sich unwohl auf diesem Weg über das dunkelrote Linoleum, vorbei an dem Empfangsbereich und an Crystal Stone, der Sekretärin, bis hinunter zum Ende des Ganges, wo sich Commander Eagles Büro befand. Irgendwie erschien es ihm der letzte Gang zu sein, der Pfad zu seiner Hinrichtung. Saber wusste, dass nicht nur die bisherige Erfolglosigkeit, sondern auch Mandarins Tod und der Fakt, dass drei Personen, die eigentlich abgezogen worden waren, noch immer vor Ort waren, ihm nun einen Menge Ärger einbrachten. Er braucht eine verdammt gute Erklärung dafür. Aber die fiel ihm nun auch nicht mehr ein. Sein Kopf war seltsam leer und seltsam voll zugleich. Wenn er sich nicht bald zusammenriss, würde ihm diese Mission entzogen werden. Fireball, vor allem aber Colt würden dennoch weiter ermitteln und bei den beiden Hitzköpfen konnte man nur ahnen, wohin das führen würde. Saber klopfte an die Tür, wurde herein gerufen und seufzte unterdrückt. So unvorbereitet wie jetzt, war er noch nie zu einer Besprechung erschienen. Das konnte nur in einer Katastrophe enden. Er salutierte: „Guten Tag, Commander.“ Der Angesprochene stand vor der Fensterfront und schaute über Yumas hektische Straßen. „Saber, setzen Sie sich“, erwiderte er, ohne sich umzuwenden. Der Recke schluckte leicht. Das fing gar nicht gut an. Egal welcher der vielen möglichen Vorwürfe nun kommen würden, er war berechtigt, das wusste der Blonde. Dennoch hatte er mit der Erinnerung an frühere Besprechungen auf eine etwas angenehmere Atmosphäre gehofft. Diese hier war fast frostig. Andererseits konnte er es dem Commander, der mit auf dem Rücken verschränkten Armen zu ihm stand, auch wirklich nicht verdenken. „Die Nachrichten aus Tucson City sind Ihnen vorausgeeilt, Saber“, begann der nun, löste seinen Blick vom Fenster, drehte sich mit ernster Miene zu einem seiner besten Männer um und fragte streng: „Wieso sind immer noch alle an diesem Fall dran?“ Der Schotte räusperte sich verlegen. „Das ist so nicht ganz richtig Commander“, begann er nach Worten suchend. „Sie haben sich alle entschieden bei ihrer Freundin zu bleiben, die von dem Fall betroffen ist, als Zivilisten.“ In seinem ganzen Leben hatte er wohl noch nie eine dämlichere Antwort gegeben. Auch Eagle kaufte sie ihm nicht ab. Er hob die Brauen, als er auf den Schreibtisch zukam und sich dem Recken gegenüber setzte. „Es mischt sich auch ganz sicher keiner der drei ein, wenn er schon vor Ort ist“, entgegnete er tadelnd. „Man hätte die Betroffene auch von dort wegbringen können, Saber. Denken Sie nicht, dass es ungefährlicher für alle gewesen wäre, wenn Miss Adams nicht auf der Ranch wäre?“ Leicht verwundert runzelte Eagle die Stirn. Was war da nur los, wenn er ausgerechnet Saber Rider erklären musste, wie er seinen Job zu tun hatte? Der war doch normalerweise vorausschauend und umsichtig genug um darauf alleine zu kommen. „Jolene wollte bleiben, weil Colt im dortigen Krankenhaus lag“, versuchte der sich nun halbherzig zu erklären. „Aber Colt wurde schon längst wieder entlassen. Spätestens dann hätten Sie alle aus Tucson-City wegbringen können, “ erinnerte der Befehlshaber der Sektion West. „Ich verstehe ja, dass Sie Ihr Team in der Nähe wissen wollten, Saber. Aber Miss Adams, Colt und vor allem April hätten dort nichts mehr zu suchen gehabt, “ fügte er hinzu, was für den Gerügten vollkommen verständlich war. Er war immerhin auch Vater und in absehbarer Zeit auch Großvater. Saber würgte den Kloß in seinem Hals herunter. „Ja, Sir. Ich werde April nach Hause schicken. Nur Jolene braucht Personenschutz und dem ist sie schon einmal davon gelaufen, wie Sie wissen, “ erwiderte der Schotte. Wieso klangen seine Argumente nur so unglaubwürdig? Weil es keine Rechtfertigung gab. Er hatte Mist gebaut, so einfach war das. „Das hätte Fireball übernehmen können, auch das wissen Sie, Saber.“ Eagle musterte seinen Gesprächspartner mit Verwunderung. Das war nicht der sachliche, kühle Kopf des Team Ramrod, der da vor ihm saß. „Allmählich bekomm ich das Gefühl, dass es hier um mehr geht, als das, was die Nachrichten hergegeben haben. Hören Sie, ich weiß, dass dieser Fall Colt und Miss Adams persönlich betrifft, aber in wie weit er Sie mittlerweile selbst betrifft, wage ich noch nicht abzuschätzen,“ ergänzte er dann, stützte die Ellenbogen auf den Tisch ab, faltete die Finger in einander und legte den Kopf darauf. Nein, das war ganz sicher nicht mehr der Mann, den er losgeschickt hatte. Saber hatte sich verändert. Seine Miene war nicht sachlich, sie verriet Besorgnis. Nun entglitt sie dem auch noch, als wäre er eines weiteren Fehlverhaltens überführt worden. Das ließ auch diese vage „Sir“ vermuten. Konnte es sein, dass sich der Recke entgegen der Vorschriften, entgegen aller Sachlichkeit, Logik und Vernunft in seinen Schützling, jene Miss Adams, verliebt hatte? Sprach er deshalb so informal immer von Jolene? Eagle entschied sich, diese Überlegungen vorläufig nicht auszusprechen. „Ich hörte auch, Sie bringen schlechte Nachrichten aus Tucson-City mit, was die von Ihnen geforderte Verstärkung betrifft. Weshalb besteht Team Ramrod nur noch aus Ihnen und dem Piloten. Schon wieder,“ wechselte er daher das Thema und der Blonde konnte endlich mal eine vernünftige Antwort geben. „Es hat sich leider herausgestellt, dass Suzie die Seiten gewechselt und ihren Einsatzbefehl dazu genutzt hat, Jolene unter Druck zu setzen und die Ermittlungen zu behindern. Als Starcaptain Yamato dies aufgedeckt hat, hat sie sie ausgeschaltet. Auf diesem Chip“ Aus der Brusttasche seines Hemdes holte er den Datenträger und reichte ihn an den Commander. „sind die notwendigen Beweise.“ Der nahm ihn an und betrachtete ihn mit Missfallen. „Verrat in den eigenen Reihen. Heutzutage kann man seinen besten Mitarbeitern nicht mehr trauen, “ stellte er kopfschüttelnd fest. „Wie soll es Ihrer Meinung nach nun weitergehen, Saber? Macht es Sinn, Fireball, Colt und April noch einmal offiziell von diesem Fall abzuziehen?“ wollte er dann wissen. So weit hatte der Gefragte noch gar nicht gedacht. Es dauerte einen Moment, ehe er antworten konnte. „April sollte dringend fort von der Ranch, am besten in Begleitung von Robin, so lange Jolene noch im Krankenhaus liegt. Aber Fireball und Colt könnten nicht mal Sie davon abhalten weiter zu ermitteln. Sie würden bleiben und es Zivilcourage nennen, “ brachte er dann hervor. „Ich sehe, zumindest in den grundlegenden Punkten sind wir uns einig, Saber. Setzen Sie alle Schritte, die nötig sind, um April und meinen Enkel sicher nach Yuma zu bringen und auch Colts Verlobte. Dass Colt keinen Blödsinn machen soll, brauche ich Ihnen hoffentlich nicht noch einmal zu sagen. Und auch Fireball und Sie sollten sich zu nichts hinreißen lassen, verstanden?“ In diesen Worten lag weniger die Strenge eines Vorgesetzten, als die Besorgnis eines väterlichen Freundes. „Ja, Sir.“ Der Recke sehnte das Ende dieser Besprechung herbei. „Beim nächsten Zwischenbericht will ich Ergebnisse sehen, Saber“, erklärte Commander Eagle dann bestimmt. „Erfreuliche, wenn es geht und bitte keine Nachrichten mehr von Verrat und Mord im Oberkommando.“ Der nickte. „Sir. Dürfte ich unter diesen Umständen vielleicht um Personenschutz für Jolene bitten, so lange sie im Krankenhaus bleiben muss?“ Allmählich fand der Blonde zur nötigen Nüchternheit zurück, so schien es. Aber Eagle war die Veränderung in dessen Gesicht nicht entgangen, sondern hatte seine Überlegungen nur bestätigt. Er kannte die Hebamme aus den Unterlagen, zu denen auch ein Foto von ihr gehörte, und wusste daher, dass sie eine lebhafte, attraktive, junge Frau war. Genauso war ihm klar, dass Gefühle nicht immer abzuschalten und auch der, für Logik und Nüchternheit bekannte, Befehlshaber der Ramrod Crew nur ein Mensch war. Es war nicht so verwunderlich, wie es im ersten Augenblick vielleicht erscheinen mochte, dass er dem warmen Lächeln dieser Frau erlegen war. Dennoch war Eagle auch bewusst, dass er seinen sehr zuverlässigen, pflichtbewussten und guten Mann vor sich hatte. „Ja, natürlich“, gestatte er ihm daher. „Der Fall ist sehr persönlich geworden, Saber“, äußerte er seine Gedankengänge dezent. Der Angesprochene riss kurz erschrocken die Augen auf. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er nicht mit der erforderlichen Sachlichkeit gesprochen hatte. „Das war er von Anfang an. Colt ist immerhin ein guter Freund, “ wich er aus. „Und natürlich ist Miss Adams als gute Freundin von Colt auch eine von Ihnen, “ schmunzelte der Commander verstehend. „Passen Sie auf, dass er nicht zu persönlich wird, der Fall, “ mahnte er dann. Jetzt schoss Saber die Verlegenheitsröte ins Gesicht. Sein Vorgesetzter hatte ihn durchschaut. Jeder andere wäre spätestens jetzt von dem Fall abgezogen worden, doch Eagle wusste, dass das Verantwortungsgefühl des Schotten dem nicht erlaubte sich noch eine weitere, noch so kleine, Verfehlung zu begehen. Er sorgte sich zu sehr um die Menschen, die ihm nahe standen und in diesem Fall konnte der entscheidende Vorteil sein, dass Pflicht und Liebe für den Recken zusammenliefen. Außerdem war es schon recht bemerkenswert, dass es ausgerechnet Saber Rider traf „Gut und jetzt sehen Sie zu, dass Sie wieder nach Tucson-City kommen, zu Ihrer, Verzeihung ich meinte, Colts Jolene kommen“, verabschiedete der Commander ihn mit einen leichten Schmunzeln. Die Röte in dessen Gesicht wurde ein wenig dunkler. „Ja, Sir“, salutierte Saber etwas fahrig und sah zu, dass er diesem Raum entkam. Auf dem Flur atmete er erleichtert aus. Er war froh über das Verständnis des Commanders, froh auch über die zweite Chance und vor allem froh, endlich wieder nach Tucson-City zu können. Er hetzte zum Airport und wartete ungeduldig auf seinen Rückflug. Sicher war seine Kleine schon wach und wartete auf ihn. Er musste sich beeilen. Außerdem galt es, sich eine neue Taktik zu überlegen. Mit der bisherigen waren sie nicht weit gekommen. Ihm musste bald was Besseres einfallen. Je näher Saber dem Krankenhaus, der Station und Chilys Zimmer kam, desto nervöser wurde er. Sie war immerhin seinetwegen verletzt und er hatte nicht mal gewartet, bis sie wach war, sondern hatte dafür ausgerechnet mit Sincia einen Kaffee getrunken. Wie lange würde es wohl dauern, bis Chily dies in seinen Gedanken nachlas und ihn dafür zur Rede stellte? Ihm stand nicht wirklich der Sinn danach, der Hebamme diese Begegnung gleich als erstes auf die Nase zu binden. Wie musste das gerade unter diesen Umständen auf sie wirken? Bevor er eintrat, schaute er noch einmal kurz auf den Strauß, eingeschlagen in blickdichtes Verpackungspapier. Zumindest darüber würde sie sich freuen. Er klopfte leicht und öffnete auf Zuruf die Tür. „Wie geht es dir, Jolene?“ Sie lag noch etwas blass und matt im Bett, aber ihre Augen strahlten und sie lächelte froh, als sie ihn sah. „Hey, da ist ja mein Manapi endlich, “ rief sie leise. Er schmunzelte leicht und setzte sich auf den Stuhl, der zwischen ihrem Bett und dem Fenster stand. „Ich konnte nicht eher, es tut mir leid“, begann er, doch sie nickte nur leicht. „Du musstest nach Yuma wegen der ganzen Angelegenheit. Ich weiß schon.“ Auch wenn es beruhigend war, dass sie Verständnis dafür hatte, verzog er das Gesicht ein wenig bei der Erinnerung an das Gespräch. „Ja, im Oberkommando herrscht gerade keine angenehme Stimmung“, antwortete er. „Dann kannst du wohl noch froh sein, dass sie dir den Kopf nicht runter gerissen haben?“ wollte sie wissen und schenkte ihm einen einfühlsamen Blick. „Das tun sie erst, wenn der Fall hier ganz abgeschlossen ist“, lächelte er leicht, damit sie sich keine Gedanken darum machte. Sie sollte schließlich erst mal wieder gesund werden. Ihre Blicke glitten über ihn. Seine Augen waren leicht gerötet. Er hatte wenig geschlafen. Vielleicht vorhin im Gleiter noch ein bisschen, aber insgesamt sah er völlig fertig aus. Er war gleich nach seiner Ankunft hierher gekommen, statt sich ein wenig Pause zu gönnen. Offensichtlich hatte sie ihm genauso gefehlt. Jetzt erst bemerkte sie seine Aufmerksamkeit und reckte neugierig den Kopf. „Was hast du mir da mit gebracht?“ – „Einen Hauch Freiheit.“ Damit reichte er ihr den Strauß. Ungeduldig rupfte sie das Papier auseinander und schaute, erst ein wenig überrascht, dann gänzlich erfreut, darauf. Entgegen dem, was sie erwartet hatte, hielt sie nicht die üblichen gekauften Rosen oder Gerbera in den Händen. „Wiesenblumen ...“ hauchte sie. Mohnblumen, Margeriten, Scharfgarbe, Goldrute und sonstige Kräuter und Gräser, die die Flora hier hergab, waren zum Vorschein gekommen. Jetzt grinste sie spitzbübisch. „Hast du was angestellt?“ fragte sie neckend. „Nein, nicht das ich wüsste“, lächelte er leicht zurück. „Da drüben muss noch irgendwo eine Vase sein. Bist du so lieb und stellst sie rein. Ich darf noch nicht aufstehen.“ Mit dieser Bitte gab sie ihm die Blumen und musterte ihn, während er das Papier in den Müll warf und sich nach dem Gefäß umsah. „Irgendwas hast du noch“, stellte sie fest. Das hatte kommen müssen, trotzdem wünschte er sich, er könne sich in Luft auf lösen. Es würde ihr nämlich ganz sicher nicht gefallen. Er stellte die Blumen in die Vase und diese auf das Fensterbrett. „Bringt ja doch nichts, wenn ich es dir nicht sage, außer Streit“, seufzte er dann. „Ich hab Sincia in Yuma getroffen.“ Kaum hatte er das ausgesprochen, wünschte Chily sich, der Schuss hätte sie getötet. Ausgerechnet der Frau, die er hatte ehelichen wollen, war er über den Weg gelaufen. Das konnte nichts Gutes für sie bedeuten. „Oh, schön“, würgte sie hervor und versuchte sich weder das Aussetzen des Herzschlages anmerken zu lassen, noch dieses Ziehen in der Brust, als es wieder einsetzte. „Wie geht es ihr?“ fragte sie, weil sie nicht wusste, was sie sonst hätte dazu verlauten lassen sollen. „Bevor oder nachdem ich sie getroffen habe?“ fragte er zurück und setzte sich wieder zu ihr. „Sincia war verletzt. Unser Gespräch ist nicht gelaufen, wie sie es gerne wollte.“ Chilys Herz raste und ihre Phantasie spielte schlichtweg verrückt. Die Frau, die ihm so wichtig war. Wollte sie da wirklich wissen, ob sie nur ein Gespräch geführt hatten? Oder war davor oder danach noch etwas geschehen? Was hatte sie sich denn erhofft, die gute Sincia? Dass er sofort zu ihr zurückkam? War sie vielleicht deshalb verletzt, weil das sofort nicht möglich war? Chily schluckte hart. „Ich glaub nicht, dass ich mehr hören will“, presste sie gequält hervor. Rasch griff er nach ihrer Hand. „Du solltest aber mehr hören. Sincia hat mir einen Neuanfang vorgeschlagen.“ Am besten brachte er das jetzt schnell hinter sich. „Aber ich habe mich dagegen entschieden“, sagte er. Sie zog ihre Hand zurück und schloss die Augen. Tränen brannten unter ihren Lidern. „Falls du irgendwie denkst, du seist mir das schuldig, vergiss es.“ Mehr konnte sie nicht dazu sagen. Die Angst, er bliebe nur aus diesem Grund, schnürte ihr die Kehle zu. „Ich habe keine Gefühle mehr für sie, Jolene. Mein Herz gehört längst einer anderen, nicht Sincia, “ erklärte er und stellte richtig, als ihm klar wurde, dass es so klang, als gäbe es noch eine dritte: „Ich möchte keine andere mehr haben, Jolene. Du bist die einzige, mit der mein Leben teilen möchte.“ Wieder nahm er ihre Hand. Sie öffnete die Augen und klimperte die Tränen fort. „Bist du dir ganz sicher? Ich meine: Seit wann und wieso?“ hakte sie nach und ihre Stimme zitterte leicht. Er lächelte mild, aber auch etwas verunsichert. „Eine ganze Weile schon“, gestand er. „Aber wieso? Ich schätze, weil es das ist, was man allgemein als Liebe bezeichnet. Eine tiefe Verbundenheit, Vertrauen und Geborgenheit. All das, was ich bei dir finde, wenn ich dir bloß in die Augen sehe, Jolene Adams.“ – „Bist du dir sicher, dass das Liebe ist, von der du da redest?“ bohrte sie nach. So etwas konnten auch Schuldgefühle sein, aber sie wollte nicht, dass die es waren, die ihn mit ihr verband. Es sollte Liebe sein, alles andere konnte sie nicht ertragen. Er griff nach ihrer anderen Hand, wollte sie endlich wieder berühren. „Ja“, antwortete er. „Es fühlt sich an, als hätte ich das gefunden, wonach ich gesucht habe. Ich glaube manchmal, dich schon mein ganzes Leben zu kennen. Du stärkst mir den Rücken durch deine bloße Anwesenheit, gibst mir alles, was ich zum glücklich sein brauche.“ Wieder schluckte sie. „Warst du damals bei Sincia nicht der gleichen Überzeugung?“ Eine grausamere Frage hätte sie nicht stellen können, aber für sie war es zu wichtig. Der Recke fuhr zurück, als hätte er sich verbrannt. „Und wieder fängt es an. Es ist nicht das, was du hören wolltest und schon zweifelst du. Ich möchte nur sicher sein, dass wir das gleiche für einander empfinden, “ rechtfertigte sie sich leise. „Nicht jeder hat die Gabe in den anderen hineinsehen zu können, “ gab er rau zurück. „Die Zeichen, die du mir gerade gibst, verunsichern mich. Ich bin mir meiner Gefühle ganz sicher, mir vollkommen darüber im Klaren und mir derer auch bewusst. Aber...“ Er brach ab und sie beendete für ihn. „Aber meiner nicht. Richtig? Das wolltest du doch sagen. Glaubst du, ich ...“ Jetzt stockte sie ebenfalls. Wie sollte sie das alles in Worte fassen, was sie dachte? Wie sollte sie ihm sagen, dass sie fürchtete, Sincia wäre ihm noch immer wichtig und dass sie, seit er ihr beim Picknick seine damaligen Heiratsabsichten gestanden hatte, Angst davor hatte, dass ein kurzes Wiedersehen mit der Verflossenen reiche um die Hebamme zu verlassen? Wie sollte sie ihm sagen, dass es nur die Angst war, ihn zu verlieren, die sie den Kopf hatte abschalten lassen, als sie sich in die Schussbahn geworfen hatte? Wie sollte sie ihm sagen, dass sie argwöhnte, er deute vielleicht Reumütigkeit als Liebe? Wie sollte sie ihm sagen, ohne dass er sich zu große Sorgen machte, wie unsicher und verletzlich sie sich seit dem gestrigen Abend fühlte und sie deshalb so voll von Zweifeln war? Schnell wischte sie sich über die Augen, damit die Tränen nicht ihr nicht über die Wangen laufen konnten. Aber Saber hatte schon verstanden. Rasch rutschte er von seinem Stuhl und fand sich auf dem Krankenbett wieder, ehe er oder sie es richtig begriffen. Behutsam zog er sie in seine Arme und drückte seinen Kopf an ihre unverletzte Schulter. Nur bei ihr sein, nur ihr nah sein und sie spüren. Jetzt rollten ihr die Tränen über die Wangen. Hilflos versuchte sie ihre Arme um ihn zu legen, doch die Wunde erlaubte es nicht. „Ich“, schniefte sie. „Ich konnte das doch nicht zu lassen.“ Saber hob den Kopf und sah sie an. Zärtlich küsste er ihr die Tränen fort, wischte mit seinen Lippen die Spuren weg. „Ich wollte nur nicht ohne dich sein“, wisperte sie schwach. „Und ich möchte nie wieder ohne dich sein“, murmelte er zurück ohne die Liebkosung zu unterbrechen. „Halt mich“, hauchte sie flehentlich. „Werde ich immer“, raunte er zurück und presste sie, seitlich neben ihr liegend, so nah an sich, wie er konnte ohne ihr dabei Schmerzen zu verursachen. Das Bett war schmal. Für gewöhnlich lag nur eine Person darin, weshalb die Beiden, die es sich nun teilten, sich so auf die Seite gedreht hatten, dass sie einander ansehen konnten. Chily drückte ihren Kopf gegen die Brust des Recken. Er hatte seinen auf einen Arm gestützt und fuhr mit der freien Hand durch ihr feines, weiches Haar, ließ die Fingerspitzen sacht über ihren Nacken wandern. Das hätte er ewig tun können. Die Zeit schien ohnehin gerade still zu stehen, so ließ die Stille in dem Krankenzimmer vermuten. Saber und Chily genossen einfach nur die Ruhe und die Gegenwart des anderen. Die Hebamme kuschelte sich noch ein wenig enger an ihn und fuhr ihm kraulend mit der Hand über den Oberkörper. „Ist so schön bei dir zu sein“, murmelte sie behaglich. „Mir geht es nicht anders, Jolene“, erwiderte er und hauchte ihr leichte Küsse auf die Konturen ihres Ohres. „Als ich zum ersten Mal aufgewacht bin, war nur Colt hier. Mir war schon klar, dass du nach Yuma musstest, aber ich hätte dich doch lieber hier gehabt, “ erzählte sie flüsternd um die Stille nicht gänzlich zu zerstören. „Mir ist es schwer gefallen, zu gehen, aber ich konnte nicht anders handeln. Ich habe meine Abreise so lange wie möglich hinausgezögert, “ gestand er und ließ seine Lippen über ihre Schläfen zu ihrer Stirn wandern, glücklich darüber bei ihr zu sen. „Es kommt nicht wieder vor. Von nun an bleibe ich bei dir, “ versprach er leise. Die beiden waren so in einander versunken, dass sie Colt nicht hörten, der leise eingetreten war. Da Saber mit dem Rücken zur Tür lag, sahen die beiden den Kuhhirten auch nicht. Der aber hatte die letzten Worte des Schotten gehört. „Der Zug ist abgefahren“, erklärte Colt trocken und ehe er wusste wie ihm geschah, fühlte Saber sich am rückwärtigen Hosenbund und Hemdkragen gepackt und über die Bettkante gezogen. Recht unsanft landete er auf dem Boden. „Wärst du nicht gegangen, hättest du sie behalten können, aber so“, fügte der Kuhhirte, der wie aus dem Boden gewachsen nun am Bett der Hebamme stand, hinzu. „Colt, was soll das?“ fragte der Recke so überrascht wie verstimmt über das jähe Ende der trauten Zweisamkeit. „Das wollte ich dich auch fragen“, versetzte Colt unbeeindruckt von dem Vorwurf. „Wieso bist du einfach abgehauen und hast nicht gewartet bis sie aufwacht?“ War dem Blonden denn nicht klar, wie viel er seiner besten Freundin bedeutete? Wie konnte er einfach die Pflicht über sie stellen? Der erhob sich und brachte seine Kleidung in Ordnung. „Ich konnte nicht bleiben, das weißt du ganz genau“, antwortete er und sah ihn ernst an. „Das Oberkommando läuft dir nicht weg. Die hätten ihren Bericht auch noch morgen bekommen können. Jolene ist ja wohl etwas wichtiger, “ ließ der Scharfschütze die Erklärung so überhaupt nicht gelten. Gedanklich gestand der Schotte, dass es nicht mal das schlechteste Argument war. „Ein Tag früher oder später kann über das Schicksal des gesamten Neuen Grenzlandes entscheiden. Colt, du weißt, dass ich es nicht getan hätte, wenn es nicht wirklich wichtig gewesen wäre, “ rechtfertigte der sich. „Falsche Antwort.“ Damit schob der Scharfschütze seinen Boss vom Bett weg. „Kannst auf den billigen Plätzen warten.“ Wenn er die ihm anvertraute Hebamme so nachlässig behandelte, hatte er in Colts Augen nichts mehr zu melden. Chily beobachtete das mit gerunzelter Stirn. „Du spinnst, Bullet. Das ist doch nicht deine Sache, “ stellte sie fest und versuchte sich aufzurichten, hielt aber in der Bewegung inne, als Saber sie ermahnte. „Die richtige Antwort, denn sonst wären wir alle innerhalb kürzester Zeit Outriderhäppchen, “ wandte er sich dann wieder an seinen Scharfschützen. „Sei froh, dass ich dich nicht dazu verarbeitet. Ich hab dir die Regeln im Umgang mit meiner Jolene gesagt. Sonst hältst du dich auch an jede noch so bekloppte Vorschrift, aber das war dir nicht wichtig.“ Der Cowboy schüttelte tadelnd den Kopf und verschränkte die Arme vor dem Körper. „Deine Jolene? Colt, jetzt hör bitte auf mit dem Schwachsinn. Krieg dich wieder ein, “ mahnte der Recke. Die Hebamme war die einzige, die ihm sein Verhalten vorwerfen durfte, aber sie tat es nicht. Sie hatte Verständnis dafür. „Ich meine das verdammt ernst“, versicherte der Kuhhirte und schubste Saber auch noch leicht gegen die Wand. „Wieso soll ich mich ausgerechnet an eine deiner Regeln halten, wenn du dich noch nicht einmal selbst daran hältst? Wer hat Robin vor einem halben Jahr versprochen, sie zu heiraten und ist dann klammheimlich verschwunden?“ fragte der nun gar nicht so unberechtigt zurück. „Das ist was anderes“, stellte Colt prompt klar. „Das eine ist meine Robin und dann geht es um meine Jolene. Zwei verschieden Mädels. Mit der einen „ Er hustete leicht. „Mit der anderen nicht, “ erklärte er sachlich. „Du bist und bleibst ein Idiot, Kumpel.“ Widerwillen musste Saber schmunzeln. „Kann ich mit leben“, antwortete der schulterzuckend. „Und du hältst hübsch Abstand.“ Mit dieser Anordnung fing er einmal mehr an sich einzumischen. Der Recke stemmte die Fäuste in die Hüften. „Das ist wohl nicht deine Angelegenheit, Colt. Lass das mal Jolene und mich entscheiden, wie viel Abstand sein muss.“ Wahrscheinlich sollte er sich seelisch und moralisch langsam darauf einstellen, dass Colt bis zu seinem Lebensende meinte, ein Wörtchen in der Beziehung zwischen seinem Boss und seiner besten Freundin mitreden zu können. Die jedenfalls hatte mühsam ihr Kissen unter ihrem Kopf hervorgezogen und warf es, wenn auch schwach, doch Richtung Fußende zu den beiden. Es fiel zu Boden. „Bekomme ich mein Kissen wieder, das mir der Wind weggeweht hat?“ fragte sie unschuldig. Saber wollte sich danach bücken, doch Colt war schneller. „Vergiss es. Ich hab ja wohl grad was gesagt, “ mahnte er und brachte das Flugobjekt zur Hebamme zurück. Vorsichtig und liebevoll legte er es ihr wieder unter den Kopf, wo es hingehörte. „Da, du Pusteblume.“ Das war wieder der verlegen raue, aber zärtliche Tonfall, den er nur für sie hatte. „Dir geht es schon wieder viel zu gut“, bemerkte Saber. Tatsächlich hatte Colt nicht mal eine Krücke dabei, sondern lief ganz ohne, hinkte kaum merklich. „Wann kann ich mit meinem Scharfschützen wieder an Board rechnen?“ wechselte der Schotte das Thema. Über den richtigen Umgang mit der Hebamme konnte er mit ihm schließlich ewig streiten. „Nicht so lange sie hier bleibt“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Das kann ich verstehen“, nickte der Recke. „Wir brauchen in der Tat einen kompetenten Mitarbeiter, der auf unsere drei Mädels Acht gibt, solange Fireball und ich versuchen, die Mine zu schützen.“ Diese Aussage erregte volle Aufmerksamkeit. „Wo sollen wir denn hin?“ wollte Chily wissen, während Colt überzeugt behauptete: „Das schafft ihr zwei doch gar nicht allein.“ Der Blonde unterdrückte ein Grinsen. „Soll ich Fireball sagen, dass wir beide ein kleines Nichts im Vergleich zum großartigen Colt sind?“ hakte er nach. „Komm schon, Kumpel, wir zwei managen das schon und du gibst bitte Acht, dass weder Jolene noch Robin oder April was passiert. Wär ja gelacht, wenn wir das nicht hinkriegen würden.“ Prompt tappte Colt damit in die aufgestellte Falle. „Ihr beide? Einen besseren Witz hab ich nie gehört. Haha.“ Die Hebamme räusperte sich. „Freut mich, dass dich das amüsiert. Das war allerdings mein Ernst, “ versicherte der Schotte. „Ja, klar. Du nimmst ja alles ernst, nur nicht das was wichtig ist, “ kam es vom Scharfschützen zurück, wobei er auf seine beste Freundin wies, die noch einmal hustete. „Frosch im Hals?“ Saber trat einen Schritt näher ans Bett. „Nö, ich hätte nur gern eine Antwort auf meine Frage“, entgegnete sie und irritierte ihn. „Pardon?“ – „Wo wir Mädels denn hin sollen?“ wiederholte sie. „Der Commander dachte an Yuma. Ich denke an Louisville, “ antwortete er und rechnete mit der Schnute, die sie auch wirklich zog. „Muss das sein?“ klagte sie. „Ja.“ Darüber brauchte sie gar nicht erst zu streiten anfangen. „Aber du hast ja deinen Bullet dabei“, beruhigte er sie lächelnd. „Was hab ich dir eigentlich getan?“ stöhnte sie mitleiderregend. Der Schotte lächelte nur noch vielsagend. „Aber es ist keine gute Idee ihn bei uns zu lassen. Er kennt Pennyrile, wie seine Westentasche, “ versuchte die Hebamme das drohende Unglück abzuwenden. „Dann lass ich ihn erst recht hier. Ich hatte ja gehofft, dass er mir in Pennyrile verloren geht, “ erklärte der Recke nun breit grinsend. Da hatte sie ihn auf einen Gedanken gebracht. „Wie gut kennst du die Mine tatsächlich?“ wollte er dann von seinem Scharfschützen wissen. Die Idee geisterte ihm zwar erst in groben Zügen durch den Kopf, aber sie war endlich da. „Besser als du Chily, “ antwortete der. „Wie gut ist sie für Überraschungseier geeignet, die Mine?“ bohrte der Blonde weiter ungeachtet der Stichelei. „Ganz gut. Aber zwei sind zu wenig, “ grinste Colt zurück. „Wenn ich mir das so ansehe, kann ein drittes nicht schaden. Wir brauchen schließlich einen, der die ganze Aufmerksamkeit auf sich lenkt.“ Der Recke grinste nicht minder. „Na, da kenn ich doch ein sensationelles Exemplar.“ Stolz deutete Colt auf sich und war seinem Boss endgültig auf den Leim gegangen, der den Scharfschützen tatsächlich unbedingt an Board wissen wollte. Saber kannte ihn schließlich gut genug um zu wissen, dass ihr ihn nur lang genug am Ego zwicken musste, damit der Kuhhirte tat was er sollte und auch noch glaubte, dass er es so wollte. „Ja, vortreffliche Wahl. Ähnelt immer wieder einem Bruchpiloten aber für Ablenkungsmanöver das Beste, was die Kavallerie zu bieten hat. Schön. Dann kommt Jolly mit Lucky und Luke und für unsere drei Hübschen finden wir bestimmt einen Ladysitter.“ Endlich lief mal wieder etwas so, wie es sollte. „Die da muss man einfach nur ans Bett binden“, meinte der Cowboy mit Seitenblick auf seine Jugendfreundin. „Verkneif dir kluge Ratschläge in diese Richtung, Kuhtreiber“, mahnte Saber und ehe der Scharfschütze begriff, was gemeint war, schickte Chily ihn dezent aus dem Zimmer. „Bullet. Kannst du mal bitte Schwester May holen?“ fragte sie mit ihrem berühmten unschuldigen Augenaufschlag, bei dem Colt, entgegen aller guten Vorsetze, ihr brav aus der Hand fraß. „Fehlt dir was, Chily-Baby?“ wollte er gleich besorgt wissen. „Nur eine Schmerztablette. May weiß Bescheid.“ Im nächsten Moment war der Kuhhirte aus dem Zimmer. „So wird man also Nervensägen in Krankenhäusern los“, bemerkte der Recke leicht schmunzelnd und stieß sich von der Wand, gegen die er bis eben gelehnt hatte, ab. „Geht es dir gut, Jolene?“ Sie streckte die Arme nach ihm aus. „So bald du endlich wieder hier bist.“ Darum musste sie ihn nicht zweimal bitte. Er setzte sich zu ihr aufs Bett. „Vielleicht hätte ich Colt sagen sollen, dass Schwester May die Nachtschicht hatte“, grübelte sie. „Nein, lass nur.“ Er nahm seine vorherige Position an ihrer Seite ein. „Bewegung schadet ihm nicht.“ Sie schmiegte sich wieder behaglich an ihn. „Wir werden also in Louisville Wachhunde bekommen?“ fragte sie wenig begeistert. Aber diese Überlegung passte nicht mehr in den Plan des Blonden. „Du bekommst Freunde von uns zur Seite gestellt, sie werden dich nicht einengen.“ Zweifelnd hob sie die Brauen. „Nach der Sache mit Suzie ist das ein schlechtes Lockmittel. Freunde von euch.“ Sie musterte ihn. „Was geht dir noch durch den Kopf?“ hakte sie nach. „Ich überleg nur grad, wie wir die Schmutzfüße austricksen können. Aber so ganz weiß ich noch nicht, wie wir das anstellen sollen, “ erwiderte er. „Schwindel nicht wieder.“ Sie bedachte ihn mit einem mahnenden Blick. „Ich schwindel dich nicht an. Ich weiß tatsächlich noch nicht, wie wir die Outrider verjagen und endlich schlagen sollen.“ Den Gedanken, dem sie ihn vorhin so unbeabsichtigt in den Kopf gesetzt hatte, musste er ausreifen lassen. „Du hast aber noch was im Kopf. Das weiß ich. Denkst du, die werfen dich raus?“ Ihr entging wirklich gar nichts. „Noch nicht“, wich er aus. Chily richtete sich leicht auf, stützte ihren Kopf auf die gesunde Hand und schaute ihn aufmerksam an. „Erklär mir das“, verlangte sie sanft. „Mein Gespräch mit Aprils Vater war nicht so berauschend, angesichts der Tatsachen. Aber noch hab ich die Chance, Commander Eagle zu beweisen, dass es richtig war, mich nicht von diesem Fall abzuziehen und mir die Entscheidung zu überlassen, mit wem ich zusammen arbeite. Du weißt, Colt, April und auch Fireball wären eigentlich schon lange von dem Fall freigestellt worden, “ berichtete er dann. „Ja, ich weiß. Gibt es noch was, dass ich wissen sollte?“ bohrte sie ernst nach, um sicher zugehen, dass er nicht ihretwegen Ärger bekam. Man musste die Dienstvorschriften der Starsheriffs nicht gelesen haben um zu wissen, dass der Recke eine davon sehr weit übertreten hatte. Er schüttelte träge den Kopf. „Du sagst mir noch nicht alles. Warum nicht?“ blieb sie beharrlich. „Okay“, seufzte er leicht. „Wie gut bist du mit dem blauen Blut gestellt, Jolene?“ Erstaunt hob sie die Brauen. „Freunde von mir schulden mir noch einen Gefallen, können, oder besser, dürfen aber nicht aktiv mithelfen. Prinz Roland hat eine sehr nette Freundin, mit der verstehst du dich sicherlich gut, “ lockte er lächelnd. Ihre Miene kündete nicht gerade von Begeisterung, eher von Widerspruch. „Ich möchte dich nur in guten Händen wissen. Und ehrlich gesagt, es geht auch um April und Robin. Auch die beiden brauchen Schutz und Prinz Roland kann da wunderbar helfen, “ fügte er noch weitere, wichtige Argumente hinzu. „Ich soll mich der Hofetikette unterwerfen?“ Zweifelnd sah sie ihn an. „Na, also schön. Wenn es sein muss, “ gab sie jedoch gleich nach. Er hatte schließlich auch so genug Ärger. „Und du bist dir sicher, dass du mir jetzt alles gesagt hast?“ wollte sie dann wissen. „Ja, denn alles andere musst du nicht hören, um es zu wissen“, gab er traurig lächelnd zur Antwort. „Eagle hat mich gebeten, in diesem Fall nicht zu persönlich zu werden, aber das kann ich nicht mehr.“ Jetzt schaute sie ihn betroffen an. Ja, sie hatte vermutet, dass es dazu kommen würde. Tröstend strich sie ihm über die Wange. „Nicht zu persönlich? Das würde nur gehen, wenn wir uns ab jetzt, bis zum Ende nicht mehr sehen, “ meinte sie. Wenn es sein musste, würde sie das eben tun. „Das will ich nicht“, entschied er. „Ich will nicht, dass du meinetwegen Ärger bekommst. Jedenfalls nicht noch mehr, “ versicherte sie. „Das werde ich auch nicht. Der Commander weiß, dass er sich auf uns verlassen kann und er sieht uns so manches nach.“ Beruhigend strich er ihr eine Strähne hinters Ohr. Sie kuschelte sich wieder an ihn. Er wusste besser als sie, in wie viel Schwierigkeiten er steckte, darüber musste sie also nicht diskutieren. „Genießen wir die Ruhe, bevor Colt wieder reinplatzt“, murmelte er leicht. Dafür hatten sie kaum fünf Minuten, dann war vom Flur her zu hören, dass Colt zurückkehrte und Robin, April und Fireball im Schlepptau hatte, die die Hebamme ebenfalls besuchen wollten. Saber schwang sich etwas widerwillig aus dem Bett und blieb auf der Kante sitzen. Mehr dumme Sprüche als nötig wollte er nicht provozieren. Kaum waren die Vier eingetreten, konnte er gleich das Feld räumen. Robin und April nahmen Chily liebevoll in Beschlag. Eine gute Gelegenheit für den Recken seine beiden Freunde nach draußen zu lotsen und mit ihnen die Köpfe zusammen zu stecken. So feilten sie gemeinsam Sabers groben Plan aus. Gegen Abend hatten sie die ersten Schritte zur Umsetzung eingeleitet und eine Woche später, als Chily entlassen wurde, waren alle nötigen Vorbereitungen getroffen. Ein wenig befangen schauten Robin und Chily sich in dem riesigen, hohen, langen Saal um. Schlanke hohe Fenster erstreckten sich an der Wand, ließen das Tageslicht hinein fluten und gaben gleichzeitig den Blick auf den weiten, farbenprächtigen Park frei. An der gegenüberliegenden Wand hingen schwere Teppiche mit dem Emblem des Königshauses Jarr. Der rote Läufer, gesäumt von quadratischen, mit Ornamenten verzierten, Säulen, über den die sechs Gäste schritten, endete mittig in dem Halbkreis der Empfangshalle vor dem Tisch mit dem Blumenbouquet. Da neben stand Prinz Roland und wartete auf sie. Er hatte sich über die Jahre kaum verändert, trug lediglich sein Haar seitlich und am Hinterkopf etwas kürzer, als es die Ramrodcrew von ihm kannte. „Howdy, Prinzenröllchen!“ begrüßte Colt ihn frech fröhlich, wie auch der Blaublütige es nicht anders erwartet hatte. „Oha. Wie ich sehe ast du disch kein bischen verändert, “ entgegnete er trocken. „Stimmt nicht ganz, ich hab meine bessere Hälfte dabei, “ kam es munter zurück und der Scharfschütze zog sacht die selbige wieder ein wenig auf seine Höhe. Robin löste die Augen von den Pfeilern und nickte Roland etwas verlegen zu. Der hatte einen anerkennenden Blick für sie. „Oh lala, Madam. Ihr Mut ist bemerkenswert, “ stellte der Prinz halb bewundernd, halb amüsiert fest. Immerhin hatte der Cowboy ganz unstrittig einen guten Geschmack. „Man kann es auch Leichtsinn nennen“, kommentierte der Rennfahrer. „Das liegt wie so vieles im Auge des Betrachters. Es ist tatsächlich recht angenehm euch wiederzusehen.“ Wer ihn kannte, wusste, dass dies eigentlich eine sehr große Wiedersehensfreude ausdrückte. Es war dem stolzen und etwas steifen Kronprinzen nicht gegeben, das entsprechend zu formulieren. „Wir freuen uns auch, Prinz Roland“, lächelte April und knickste leicht. Die Lehrerin schloss sich ihr an. „Es freut mich, Sie kennen zu lernen.“ An der Hebamme ging diese Szene völlig vorbei. Sie starrte gedankenverloren aus dem Fenster über den Park und konnte ihren Blick kaum abwenden. Saber stupste sie unauffällig an. „Jolene.“ – „Ja.“ Sie eiste sich nur langsam von dem Anblick los, aber rechtzeitig genug um Rolands dargebotene Hand anzunehmen, ehe es unhöflich wirken konnte. „Ich freue misch, Sie kennen zu lernen, Miss, “ grüßte er, sprach das „Miss“ jedoch fragend aus. „Einfach nur Chily, “ meinte diese ungezwungen. „Sehr erfreut, Schily.“ Sein Akzent erlaubte ihm die korrekte Aussprache nicht. Die Hebamme musste kichern, schlug sich aber rasch die Hand vor den Mund, damit es nicht wirke, als würde sie ihn auslachen. „Sorry, dann lieber Jolene, “ presste sie hervor. Roland nickte leicht, ließ seinen Blick über die Damen und die dazugehörigen Partner gleiten und bemerkte: „Isch werde nie verstehen, was diese Mädchen bei euch hält. Die berauschende Art und der gute Ton können es ja nischt sein.“ – „Ich verstehe jedenfalls, was Ihre Freundin bei Ihnen hält“, meinte Chily und sah sich noch einmal in dem Saal um. „Glasklar! Der wärmliche Akzent, “ grinste Colt keck. „Nein, ich meinte die Hütte hier. Bei der Größe hat sich die Gute sicher verlaufen und findet den Heimweg nicht mehr.“ Das Anwesen war schließlich beachtlich. Weder sie noch Robin hatten etwas Vergleichbares je von innen oder aus der Nähe gesehen, weshalb sie nun aus dem Staunen nicht mehr herauskamen. Der Prinz setzte noch ein drauf. „Sie aben den Garten noch nischt geseen, Vererteste“, erklärte er. „Jedenfalls nicht ausreichend davon“, antwortete sie. Damit konnte ihr Gastgeber das Herz der Naturverbundenen höher schlagen lassen. „Können wir das nachholen? Jetzt? Bitte.“ Sie verlieh ihren Worten mit dem gewinnenden Augenaufschlag die eventuell fehlende Überzeugung. Amüsiert lächelte April. „Macht ihr das mal, ich klinke mich aus und nehm das Zimmer unter die Lupe“, sagte sie. Langsam begann die Schwangerschaft anstrengender zu werden. Doch da mit war sie bei Chily an der falschen Adresse. „Nix da. Du hockst dich an die Frischluft. Das ist ein Muss, “ entschied sie energisch. Erstaunt schaute Roland erst auf sie dann auf April. „Eine forsche junge Dame“, stellte er fest, fragte sich aber gedanklich, wie sie und der weibliche Starsheriff zusammen gehörten. „Hebamme“, antwortete die, als hätte sie es in seinem Kopf nach gelesen. „Einer muss ja aufpassen, dass das alles in den richtigen Bahnen läuft, wenn der das nicht macht“, fügte sie mit leichtem Fingerzeig auf den Rennfahrer hinzu. „Ich würde sehr wohl, wenn ich könnte, also pass auf, was du sagst, Chily“, mahnte der sofort und zwinkerte ihr zu. So ernst wie es geklungen hatte, war es schließlich nicht gemeint. „Na klar, Little Daddy.” Chily blinzelte zurück. Sie hatte ihn schon verstanden. Dafür war der Kronprinz umso verwirrter. „Ihr beide...?“ Das konnte er schier nicht aussprechen. „Wie konnte Gott das nur zulassen?“ wollte er fassungslos wissen. „Wunder geschehen immer wieder“, gab die Hebamme leicht zurück. „Unglücke auch, “ ergänzte Colt trocken. „Jetzt ist aber mal gut, “ parierte Fireball. „Außerdem bist du hier für die Katastrophen verantwortlich, Viehtreiber, nur mal nebenbei bemerkt.“ Die Sticheleien gegen seine ungeplante Vaterschaft konnte er noch immer nicht vertragen. „Genau, Kleiner, deswegen begleite ich dich und Saber ja“, grinste der Scharfschütze munter. Der Blonde runzelte skeptisch die Stirn. „Ich weiß nicht, ob ich mich darüber jetzt freuen soll“, bekundete er zweifelnd. „Nimm ihn mit, Säbelschwinger!“ forderte April mit einem Blick, der eigentlich keinen Widerspruch erlaubte. „Wieso? Willst du Fire loswerden?“ wollte Chily wissen. „ Nein. Aber einer muss mir den Vater meines Kindes wieder heil heim bringen. Nach Adam Riese ist Fire der nächste Unglückspilz, “ gab die Schwangere mit einer gewissen Logik zurück. Schließlich war es unwahrscheinlich, dass es Colt ein zweites Mal erwischte. Somit blieben dafür nur noch Saber und der Rennfahrer übrig, womit die Erwartung höher war, dass es den Recken treffen konnte und nicht den werdenden Vater. „Können wir bitte etwas nach draußen gehen. Gleich bekomm ich einen Hüttenkoller.“ Der Hebamme gefiel diese Rechnung nicht, während der Kronprinz sie nicht verstand. „Dies Gleischung müsst ihr mir bei Gelegenheit näher erklären“, meinte er, führte seine Gäste zu der Glastür, die in den Park führte und hielt diese der Geburtshelferin auf. „Lieber nicht, Roland. Glauben Sie mir, den Irrsinn will keiner verstehen, “ entgegnete sie trocken. Dann erblickte sie den Garten, der sich in jeder Weise märchenhaft vor ihr ausdehnte. „Oh, wie wunderschön“, flüsterte sie begeistert. „Eure Gärtner verstehen ihr Handwerk, Prinz Roland“, erklärte Saber, der nach ihr ins Freie getreten war, anerkennend. „Wie viele Quadratmeter hat das Anwesen noch mal?“ – „Das ist doch zweitrangig“, winkte Chily ab. „Ist das ein New Dawn Strauch der da wächst?“ fragte sie dann und wies auf die Kletter-Rose, die sich an einem Torbogen legte, und mit zartrosa farbenden Blüten an feines Porzellan erinnerte. „Ja, das sind New Dawn Rosen. Jedes Jahr werden es etwas mehr, es gefällt ihnen ier, “ erwiderte Roland. „Was ist am dem Stängel so besonderes, “ hakte der Scharfschütze eher gelangweilt nach und betrachtet die Pflanze eingehend. „Grün mit Bunt. So wie alles andere hier. Und auch noch mit Stacheln. Versteh ich nicht, “ erklärte er dann immer noch unbeeindruckt. Mit einem „Schwachkopf“ kommentiert, kassierte er dafür einmal mehr Chilys berüchtigten Haken. Manche Dinge würde er wohl nie lernen. „Das ist eine wirklich schöne Farbe, die die Blüten haben“, meinte sie dann an die anderen gewandt, die inzwischen gefolgt waren. Das bestätigte der Schotte. „Diese Färbung nehmen sie selten an.“ Für gewöhnlich war blühte die Rose rosa bis weißlich oder schneeweiß, wobei sie dann White New Dawn genannt wurde. Doch diese Blüten waren reines rosa. „Es ist wirklich wunderschön“, stimmte auch April zu und ließ ihre Augen über den Park wandern. Gleichzeitig begann Chily dort hin zu laufen, dahin zu springen und sich von der Gruppe zu entfernen, ohne dass es jemandem aufzufallen schien. „Es ist wirklich beeindruckend“, meldete nun auch Robin und Saber nickte leicht und zufrieden. Hier konnte er die drei Frauen also lassen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Sogar seine Jolene konnte sich wohl damit anfreunden, sonst wäre sie nicht so nach und nach im Park verschwunden. „Na, vielleicht doch Lust auf einen kleinen Spaziergang?“ Die Lehrerin stieß die werdende Mutter aufmunternd an. „Ich werde mich kurz verabschieden, und dann sollten wir aufbrechen. Noch einmal danke, Prinz Roland. Richtet eurem Vater schöne Grüße von uns aus.“ Damit folgte der Recke der Hebamme in die Richtung, in der er sie hatte verschwinden sehen. „Dann sollten wir euch nicht mehr länger aufhalten“, meinte Fireball und nahm April liebevoll in die Arme. „Pass auf euch auf, mein Schatz“, raunte er ihr zu und gab ihr einen kurzen Kuss. „Wehe, du fasst mir eine von den Damen an, Schmalzlocke. Dann wird die Rache fürchterlich!“ drohte Colt lachend. „Isch bitte disch, Colt. Zwischen uns beiden gibt es doch einen ereblichen Unterschied. Du würdest es ungefragt tun. Isch niemals, “ erwiderte der würdevoll. „Der einzige Vorteil hierbei ist, dass du ja nicht auf blond stehst, Prinzessin, “ lachte Fireball, löste die Umarmung dabei, hielt seine Freundin aber noch an der Hand. „Wer at denn so etwas beauptet?“ wollte der Roland mit unterdrücktem Grinsen wissen. „Ach, ich hab da so dies und jenes gehört“, kam es vage, aber offenkundig heiter zurück. „Dein Vater erzählt das ganz gerne mal.“ – „Er weiß auch nischt alles“, ließ sich der Kronprinz zu einem leichten Scherz hinreißen. „So bonne chance, mes amis.“ Der Kuhhirte setzte an, die Stichelei fortzuführen, aber Robin mischte sich ein, bevor ein endloses Geplänkel daraus wurde. „Werde ich dir sehr fehlen?“ fragte sie mit diesem besonderen Blick, der ihn ganz verrückt machen konnte. Prompt schoss er auch zu ihr herum, zog sie in die Arme und drückte ihr einen so stürmischen Kuss auf die Lippen, dass ihm der Hut vom Kopf rutschte. Sie schlang ihrerseits die Arme um ihn und erwiderte die Liebkosung. Spöttisch grinsend stieß der Rennfahrer Roland an und wies auf die Beiden. „Hach, muss Liebe schön sein“, schmachtete er übertrieben. „Es grenzt fast an Ermordung“, befand der, weil es bei diesem Hochleistungsknutsch schon recht verwunderlich schien, dass die beiden überhaupt noch Luft bekamen. „Hoffentlich findet Saber den Rückweg bald, bevor das hier ausartet“, frotzelte Fireball. „Das werden sie dann doch nischt machen, oder?“ Unsicher legte der Lockenkopf die Stirn in Falten. Der Japaner hob die Schultern. „Das ist Colt.“ Das war doch Erklärung genug. „Der tut alles, das müsstest du inzwischen wissen“, stimmte April dem zu. Unter diesen Worten wurde Robin die Szene langsam aber sicher unangenehm. Sie stemmte sich gegen ihren Verlobten und schob ihn von sich. „Ich hab es verstanden, Colt“, meinte sie. Aber er schien gerade erst in Fahrt gekommen zu sein und zog sie wieder zu sich. „Ich glaub, ich muss es dir noch ein bisschen erklären, Schätzchen.“ Erneut schob sie ihn fort. „Wenn du wieder zurück bist“, erklärte sie. „Da muss ich dir dann zeigen, wie sehr ich dich vermisst hab“, widersprach der Kuhhirte und wollte sie wiederum in seine Arme ziehen. „Colt, reiß dich zusammen, wir müssen los, “ ertönte Sabers Stimme. Mit schraffen Schritten näherte er sich der Gruppe. „Meine Rede“, lachte Fireball munter. „Aber auf mich wird ja nicht gehört.“ Er gab April noch einen raschen Kuss. „Mach es gut, vergiss mich nicht.“ Ein kurzes Nicken zu Saber, dann wurde der Cowboy rechts und links packt und zu dem parkendend Friedenswächter geschleift. „Nichts wird einem gegönnt“, protestiert er, woraufhin ihm die beiden auch noch den Mund zu hielten. „Passt auf euch auf“, rief Robin ihnen nach. „Aber immer doch, Robin.“ – „Wir sind doch die Vorsicht in Person.“ Die beiden Frauen winkten bis die Jungs die Rampe hinauf waren. Hoffentlich kehrten sie bald und vor allem wohlbehalten zurück. Jeder Einsatz konnte der letzte sein, die Gefahr war immer mit dabei. Kapitel 15: Where the Eagles fly -------------------------------- Where the Eagles fly Saber hing seinen Gedanken nach, wie seine Freunde auch. Je länger sie durch die schwarze Unendlichkeit des Weltraums glitten, desto schlimmer schien ihnen die Trennung von ihren Liebsten. Einmal mehr wünschten sie sich der Fall wäre abgeschlossen. Colt sehnte diesen Tag herbei. Zum einen, weil er es Dooley geschworen hatte, zum andern, weil er es kaum noch erwarten konnte Robin zum Altar zu führen. Fireball hoffte, dass dieser Fall nicht noch weitere Monate dauerte. Er wollte mit April diese Wohnung beziehen, für die sie immerhin schon Miete zahlten, damit ihnen dieses Prachtstück keiner wegschnappen konnte, und unbedingt dabei sein, wenn Charlene das Licht der Welt erblickte. Zwar spürte er ihre Bewegungen, wenn er die Hand auf den Bauch seiner Freundin legte, aber er wollte seine Tochter lieber im Arm halten und ihre kleinen Händchen, Füßchen, Öhrchen, kurz, das ganze kleine Wesen voller Stolz der Welt zeigen. Sie musste wunderschön sein. Sabers Gedanken gingen zurück in den Schlosspark, wo er sich von Chily verabschiedet hatte. Gleich hatte er sie nicht entdeckt, sondern erst nach ihr rufen müssen. Dann war sie wie eine Waldfee zwischen den Zweigen einer Trauerweide aufgetaucht, alles andere als glücklich darüber, dass er schon aufbrechen musste. Sie hatte ihn zu sich unter die Zweige des Baumes gezogen und ihm einen liebevollen Kuss auf den Mund gedrückt. Er kannte diese Art von Küssen, sie baten um mehr Zärtlichkeit. Das zarte Klopfen ihrer Zunge an seinen Lippen, die Bitte um Einlass, bedeutete noch mehr. Die Liebkosung erwiderte er gern, wurde angesteckt von ihrer Leidenschaft. Ihre Hände waren mit sanftem Druck über seinen Oberkörper gefahren und flink hatten sie sein Hemd aufgeknöpft. Er hatte ihr behutsam das Shirt über den Kopf gezogen und die BH-Träger von ihren Schultern gestrichen. Mit den Lippen war er über ihre Haut geglitten. Sie hatte sich genießend an den Baum gelehnt. Sein Hemd war zu Boden geflogen. Ungestüm hatte sie versucht den Gürtel seiner Hose zu öffnen. Zu ungestüm. Er hatte ihr helfen müssen. „Du wirst mir fehlen“, hatte sie gehaucht und dann liebevoll an der Beuge seines Halses gesogen. „Ich werde dich auch vermissen“, hatte er belegt zurückgegeben und ihren leichten Rock nach oben geschoben. Immer wieder hatten ihre Finger über seinen Oberkörper gestrichen und bebend hatte sie gewarnt. „Wehe ich finde auch nur einen Kratzer an dir, wenn du wieder zurück bist.“ – „Ich werde mich hüten“, hatte er ihr zugeraunt und sie mit sanfter Glut gegen den Stamm gepresst. „Und, was wirst du noch?“ hatte sie wissen wollen, während sie den Knopf seiner Hose geöffnet und ungeduldig am Reißverschluss gezerrt hatte. Wieder hatte er ihr geholfen. „Kannst du es nicht erwarten?“ Er war mit den Händen ihre Beine bis zu den Kniekehlen hinab gewandert, hatte sie hoch gehoben und sie erneut gegen den Stamm gedrückt. Sie hatte zerstreut den Kopf geschüttelt. „Komm bald wieder“, hatte sie dann geflüstert. „Versprochen.“ Wie er das Wort noch rausbrachte, wusste er nicht mehr, denn ihre Finger waren über seinen Rücken zur Hose geglitten, hatten sich unter den Stoff und diesen hinab geschoben. Unterdrückt hatte er in den Kuss geseufzt. Wenn er doch gar nicht erst gehen müsste … Dass Colt ihn die ganze Zeit beobachtet hatte, hatte Saber bei dieser Erinnerung nicht bemerkt. Jetzt riss ihn der Scharfschütze in die Gegenwart zurück. „Was ist eigentlich mit dir passiert, Säbelschwinger? Bist du rückwärts durch einen Stacheldrahtzaun geschlüpft?“ wollte er grinsend wissen. Weder der nicht so akkurat sitzende Hemdkragen, noch das strubblige Haar seines Vorgesetzten war dem Scout entgangen. Der fragte verwundert, beinahe ertappt: „Wie kommst du bitte auf so was?“ Das Grinsen wurde breiter. „Ich hab dich grad so betrachtet und entweder fängt dir Fireballs Stil zu gefallen an oder aber du hattest keinen Spiegel mehr zu Hand, “ entgegnete er und deutete leicht auf den Hinterkopf des Recken, der brav Zeugnis dafür ablegte. Irritiert fuhr der sich über die betreffende Stelle und brachte sie in Ordnung. „Schon besser. Nicht mehr ganz so chaotisch, “ bemerkte der Kuhhirte zufrieden. Zufrieden vor allem deshalb, weil er nun etwas hatte, womit er den Blonden aufziehen konnte. „Man könnte ja meinen, du wärst im Gebüsch verschwunden“, stichelte er prompt. Der Angesprochene schwieg. Es schien ihm nicht sonderlich klug, ausgerechnet Colt, dem selbsternannten Leibwächter der Hebamme, einen Ton über die Art des Abschiedes zu erzählen. „Na ja, wer weiß bei so einem Huhn wie Chily schon, wo man sie vor holen muss, um sich zu verabschieden, “ grübelte der Rennfahrer einfach. Amüsiert blinzelte der Cowboy zu ihm. „Die hat ihn eher da reingezogen“, fuhr der Lockenkopf mit den Neckereien fort. Skeptisch runzelte Fireball die Stirn. „Wie jetzt? Soll das heißen, das ist in fünf Minuten zu schaffen? Länger war er doch gar nicht weg, “ hakte er naiv nach. „Das geht auch in einer, “ lachte Colt fröhlich. „Für beide?“ Dümmlich schaute der Pilot zum Feuerleitstand. „Was fragst du mich? Das sollte dir wohl eher April beantworten, ob sie daran auch ihren Spaß hat, “ gab der darin Sitzende zurück und lehnte sich bequem in den Sattel. „Hey, ich muss nicht immer Tempo haben, “ verteidigte sich Fireball mit roten Ohren und blickte verlegen aus dem Fenster, als Colt auch noch vor Begeisterung in die Hände klatschte. „Toll, eine Turboschnecke!“ Da hatte er ja genügend Angriffsfläche um seine beiden Freunde ordentlich hoch zu nehmen. Irgendetwas musste ja Spaß bringen, wenn man schon auf die Verlobte verzichten musste. „Man lässt sich gewöhnlich auch Zeit, wenn man genießen will,“ ließ Saber verlauten, ermutigt durch den Umstand, dass Colt wohl klar war, was zwischen dem Schotten und der kleinen Hebamme geschehen war, der Highlander aber immer noch seinen Kopf auf den Schultern trug. „Dann war das bei dir heute Triebbefriedigung und hatte nichts mit Genießen zu tun“, stellte der fest und kratzte sich am Kopf. Dann ging ihm ein Licht auf. „Du hast mit meiner Chily ...“, rief er überrascht. „Wie kannst du nur?“ Innerlich schüttelte der Recke über sich selbst den Kopf. Warum hatte er nicht einfach den Mund gehalten? „Muss ich dich jetzt aufklären? Wo soll ich da anfangen, bei Bienchen und Blümchen?“ fragte er und rollte die Augen. Der Scharfschütze empörte sich augenblicklich über dieses indirekte Geständnis. „Du Kronleuchter, du! Vög ... Vergnügst dich mit meiner Chily und dann lässt du sie alleine?“ Fireball grinste schief. Das war schon seltsam in letzter Zeit. Früher konnte man höchstens ahnen, dass Saber Gefühle für ein Mädchen hatte. Er zeigte sie wenn, dann nur sehr selten, noch seltener als Colt oder er selbst. Doch seit Chily es geschafft hatte, sein Herz zu erobern, war nicht nur deutlich zu sehen, was der Recke für sie fühlte, sondern konnte man ihn problemlos intimer Zärtlichkeit überführen, was dem Guten höllisch unangenehm sein dürfte. Andererseits schien er irgendwie vollständig zu sein und rundum glücklich, weshalb der Pilot sich entschloss ihn zu verteidigen. „Selbiges hättest du mit Robin auch tun wollen, hättest du keine Zuschauer gehabt, Kumpel“, erinnerte er den Scharfschützen. „Wieso wirfst du mir immer vor, was du selber nicht besser machst?“ hakte der Blonde nach. „Weil du das mit meiner Chily machst!“ antwortete der Lockenkopf. „Soll ich es lieber mit Robin machen?“ Saber rollte genervt die Augen. Wenn es um die kleine Hebamme ging, konnte er wohl wirklich in Colts Augen so gar nichts richtig machen. Er musste sich und seiner Jolene eine Wohnung am anderen Ende der Stadt suchen. Weit, sehr weit weg von Colt, sonst würden sie keine ruhige Minute haben. Am besten ließen sich noch einen zweiten Telefonanschluss darein legen, dessen Nummer nur Colt bekommen würde. Dann wären sie immer vorgewarnt, wenn der Apparat klingelte, müssten sie nur antworten, wenn ihnen der Sinn danach stand. Faktisch nie. „Denk noch nicht mal dran!“ brummte Colt nun missmutig und Saber fragte sich, was er grad meinte, die letzt Aussage des Schotten oder seine Überlegungen. Da er die aber nicht ausgesprochen hatte und der Cowboy nicht Gedanken lesen konnte, war der Anschluss schnell gefunden. Saber warf einen Blick zu dem Scharfschützen, vorbei an dem Piloten, der unterdrückt grinste. „Du solltest mal lieber denken und mir dankbar sein. In solchen Momenten entstehen nämlich meistens Kinder, “ erklärte Saber dann. „Meine Chily kriegt keine Kinder!“ bestimmte Colt prompt, während Fireball fast an seinem Lachen erstickte. „Ich rede auch nicht von Jolene, sondern von Robin. Du hast doch selbst gesagt, dass du noch nicht Vater werden möchtest, “ bemerkte der Recke. „Ja, ich verzichte vorerst auf Vaterfreuden, “ bestätigte der Kuhhirte zuerst trocken, um dann gleich darauf knurrend zu mahnen. „Aber Chily wird trotzdem keine Mummy und schon gar nicht von dir!“ Als ob er das wirklich zu entscheiden hätte. „Wenn, dann wäre es jetzt schon passiert, “ stellte Saber trocken fest und linste kurz zu seinen Freunden. Wie er sich gedacht hatte, schaute sein Pilot gerade reichlich unbehaglich aus der Wäsche. Dieses Gespräch kratzte schließlich an seinem wunden Punkt. Zeit für den Schotten, das etwas gerade zu biegen. Es sollte nicht nach unterschwelligen Vorwürfen klingen. „Und nicht alle von uns denken so wie du, Colt.“ Prompt gab der zurück. „Ja, manche denken gar nicht.“ Der Recke nickte und wies auf den Scharfschützen. „Beispiel A.“ Der deutete auf den Rennfahrer. „Beispiel eins A.“ Der Typ war ein hoffnungsloser Fall, wie der Schotte kopfschüttelnd feststellte. „Taktgefühl gleich null. Du wirst es nie lernen, Colt.“ Genauso wenig war der Pilot begeistert von der Aussage des Kuhhirten. Er schielte zu Saber. „Darf ich ihn rauswerfen, Boss?“ fragte er. „Bitte“, gestatte der ohne zu zögern. Fireball erhob sich und rieb sich diabolisch die Hände. „Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?“ Colt hob irritiert die Schultern. Dass er mal wieder treffsicher unter die Gürtellinie geschossen und das Versprechen vergessen hatte, sich mit seinen Äußerungen zurück zu halten, war ihm nicht bewusst. „Mit dem Denken ist es bei dir echt nicht weit her, Numero Uno“, grummelte Fireball und zog den Cowboy am Kragen aus der Satteleinheit. „He, was soll der Scheiß?“ protestierte der etwas geplättet. Das meinte sein kleiner Hombre doch nicht ernst. „Boss? Saber? Jetzt hilf mir doch mal, “ rief Colt überrascht. Der lehnte sich in seinem Sitz zurück. „Wieso?“ fragte er trocken und hob eine Braue. „Strafe muss sein“ erklärte Fireball ungerührt und schleifte den noch leicht hinkenden Scharfschützen durch die Kommandozentrale. „Hast du noch ein paar letzte große Worte, bevor ich dich rauswerfe, Kuhtreiber? Soll ich Robin noch was ausrichten? Oder Chily? Oder vielleicht meiner Freundin, die ein Kind bekommt, wovon du behauptest, wir würden nicht nachdenken?“ Bei dem letzten Satz funkelte der Japaner ihn böse an. Das ständige Rumhacken auf der unverhofften Schwangerschaft seiner Freundin ging ihm jedes Mal mehr an die Nieren. So dermaßen finster wie eben, war der Scharfschütze noch nie für einen unangebrachten Witz angeschaut worden. In seinem Oberstübchen ratterte es und er begriff verhältnismäßig schnell, dass er übers Ziel hinausgeschossen war. „Man, Matchbox. Seit wann kann man denn ernst nehmen, was ich sage,“ scherzte er leicht verlegen und wurde wieder losgelassen. „Auch wieder wahr“, brummte der zustimmend und drehte sich um. „Trotzdem kriegst du das nächste Mal Flugstunden von mir, versprochen.“ Damit war deutlich, dass die Geduld des werdenden Vater ihre Grenze erreicht hatte. Colt hatte es nicht beabsichtigt, aber es war geschehen. Einmal mehr verfluchte er gedanklich seine Unüberlegtheit. Betreten senkte er den Blick. „Es tut mir leid, Kleiner. Ich hätte die Klappe halten sollen, “ nuschelte er dem Piloten hinterher, der sich, die Worte schienbar ignorierend, wieder in sein Modul setzte. „Keine Angst, ich frag Jolene, ob sie dir dein Mundwerk zunähen kann, Kumpel.“ Auch Saber richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Flug und schaute zum Panorama-Fenster. „Jetzt erzähl mir nicht, dass du auch sauer bist.“ Hatte Colt die Grenze tatsächlich gleich zweimal übertreten? Das konnte doch nicht sein. Saber war doch viel geduldiger. „Noch nicht“, erwiderte der. „Also schlag ich vor, du hältst wirklich den Mund.“ Er lächelte leicht, als er die aufrichtige Reue in den Augen seines Scharfschützen sah. „So schlimm bin ich ja nun auch wieder nicht, “ murrte der und kehrte ebenfalls zu seinem Platz zurück. „Du bist nur manchmal Dauergast unter der Gürtellinie, wenn du weißt, was ich meine, Colt.“ Diesen Hinweis würgte der hinunter und weil er ihm, so berechtigt er auch war, nicht schmeckte, versuchte er das Thema abzulenken. „Jaja, Hauptsache ihr macht keine Fehler“, seufzte er. „Wer hat sich denn einfach nach Yuma verkrümelt, statt zu warten?“ – „Genau.“ Saber wandte sich seinem Computer zu und ging nicht weiter darauf ein. Der Rest des Fluges verlief wieder schweigend. Wieder hing jeder seinen Gedanken nach. Der Recke überlegte, ob es an dem vorbereiteten Plan noch Verbesserungen vorzunehmen waren. Fireball grummelte noch ein bisschen angesäuert vor sich hin um dann zu der Erkenntnis zu kommen, dass Colt einfach nur ein Elefant im Porzellanladen war. Der Scharfschütze gelangte zu der gleichen Feststellung und fragte sich, ob er es jemals schaffen würde, diese Eigenschaft abzulegen. Er verletzte seine Freunde schließlich nicht gern und hasste es, wenn sie sauer auf ihn waren. Natürlich mimte er nach außen den Unbeteiligten. Robin und Chily waren glücklicherweise nicht da, um ihn zu verraten. Das Gebiet um Pennyrile lag in Stille und Ruhe; der saftige Grasteppich, die dichten Wälder, die Endlosigkeit, die die schroffen Felswände empor und in den blauen Himmel kletterte, die Natur von ihrer schönsten Seite. Vogelgesang. Tiere, die durch den Forst streiften auf der Suche nach Futter, im Rudel oder einzeln. Die Nachtaktiven unter ihnen schliefen. Ein friedlicher Ort. Und unberührt. Oder doch nicht? Auf diesem schönen Flecken Erde sollte das Leben seinen gewohnten Gang nehmen. Männer jagen. Kinder spielen. Frauen ihrem vielfältigen Tagewerk nachgehen. Doch hier regten sich keine emsigen Hände, sprach niemand, sang und lachte kein Kind mit seiner Mutter. Die Stille war totenstill, Pennyrile menschenleer. Fast. Die Langboot-Häuser des Irokesenstammes schienen verlassen, doch auf eines traf es nicht zu. Die Krieger des Stammes hatten sich dorthin zurück gezogen um Wache zu halten. Noch immer war diese, ihre, Heimat in Gefahr und Frauen, Kinder und alte Männer im Schutze des Waldes und einer Einheit Starsheriffs verborgen. Nur die Männer und die Drei der Ramrodcrew waren geblieben um hoffentlich bald die Bedrohung endgültig abzuwenden. Der Tag schien lang. Spannung lag in der Luft. Bald würde etwas geschehen. Bald musste etwas geschehen. Lange würden die Outrider, Jean Claude und Maddox nicht der Versuchung widerstehen können Pennyrile und seine Mine zu erobern. Sie lag wie auf dem Präsentierteller. Eine Einladung und Falle zu gleich. Darauf einzugehen lohnte sich, da man Alkalit gewinnen konnte. Natürlich waren die Verbliebenen auf einen Angriff gefasst und entsprechend vorbereitet. Doch wie viel konnten drei Starsheriffs und Ramrod ausrichten, gegen ein wirkungsvolles Überfallkommando, wenn sie von Indianern und ihren altmodischen Waffen unterstützt wurden? Hatten sie überhaupt eine Chance? Der Tag verstrich ereignislos. Die Wachposten wechselten. Am Feuer fanden sich die Brüder Taima und Patamon ein. Colt gesellte sich zu ihnen, ebenso wie Saber und Fireball. Taima, der jüngere der Geschwister musterte seine neuen Kampfgenossen unverhohlen. Patamon holte, ohne das jemand sah woher, eine kleine Flöte hervor und begann zu spielen. Colt sang dazu. Gut, er versuchte es, wurde aber lautstark von Taima und dem Rennfahrer zum Schweigen gebracht. Der Recke wollte nicht singen. Als Fireball ansetzte, bekam er das gleiche zu hören, wie der Kuhhirte zuvor. Patamon hörte schließlich auf zu spielen, damit die Vier am Feuer sich nicht noch gegenseitig die Hälse umdrehten. Das sollte lieber der Feind versuchen. Neuerliches Schweigen kam auf, hielt aber nicht lange. Taima brach es. „Also Pallaton“, begann er an den Scharfschützen gewandt. „Was ist jetzt mit dir? Machst du aus Aiyana in diesem Leben noch eine ehrbare Frau?“ wollte er unverblümt wissen. Diese Frage war für ihn absolut logisch. Chily und Colt kannten sich von klein auf und für jeden war klar, dass die beiden einmal den Bund der Ehe eingehen würden. Es spielte keine Rolle, ob der Cowboy in seiner Jugend auch mit anderen Mädchen Erfahrungen gesammelt hatte. Eine gewisse Fixierung auf die Hebamme hatte es dabei immer gegeben und sich in Form eines, für sie kaum ertragbar, starken Beschützerinstinktes geäußert. Aber alles an dieser Frage löste bei Saber und Fireball höchste Verwunderung aus. „Pallaton? Gibt es hier auch eine Landschaft, die so heißt? Ich kenn den Pallaton im Bakonygebirge, “ ließ Fireball irritiert verlauten. Prompt brach Taima in ungeniertes, lautes Gelächter aus. Sein Bruder stieß ihn an. „Lass das“, mahnte er mit unterdrücktem Grinsen und fragte den Rennfahrer auf Colt deutend. „Hat er dir nicht gesagt, dass sie von uns andere Namen bekommen haben?“ – „Nein, das interessante Detail muss ihm wohl entfallen sein“, meinte der Schotte, verkniff sich aber ebenfalls das Schmunzeln. Ihm war schon klar gewesen, dass Pallaton ein Name war und nichts mit dem Balaton-See zu tun hatte. „Könnt ihr uns in die Geheimnisse einweihen?“ hakte er nach. Der Kuhhirte rollte die Augen. „So hört ihr mir zu“, beklagte der sich. „Ich sagte schon, dass Chilys Name Aiyana ist. Und ich werde Pallaton genannt. Sie ist die ewige Blume, ich der Krieger.“ Dass er es vor mittlerweile einem halben Jahr mal beiläufig erwähnt hatte, übersah er dabei ganz geflissentlich. „Du wirst auf Ewig unser Kuhtreiber bleiben“, neckte der Japaner mit einem leichten Zwinkern. „Klüger ist er ja nicht unbedingt“, spottete auch Taima sofort um gleich darauf auf seine ursprüngliche Frage zurück zu kommen. „Also, Pallaton, was ist nun?“ Der Gefragte hob die Schultern. „Was soll schon sein? Kommt Zeit, kommt Rat. In meinem Fall Robin, “ gab er lapidar zur Antwort. „Robin?“ Erstaunt sahen sich die beiden Krieger an. „Na ja, Aiyana musste ja irgendwann mal genug von ihm haben, “ stellte der jüngere der beiden dann trocken fest. „Ihr kennt Robin doch schon. Das zierliche, blonde und engelsgleiche Geschöpf, das mit Aiyana bei euch im Dorf gewohnt hat, “ erinnerte der Scharfschütze die Zwei. Die wussten, wer damit gemeint war, was aber Patamon noch mehr verwunderte. „Ich dachte, sie würde zu ihm gehören“, meinte er und deute auf Saber. Jetzt musste der Rennfahrer lachen. „Ihr seid keine guten Pfadfinder, Jungs, echt nicht. Zu ihm“ Das betonte er besonders. „gehört eure - wie nennt ihr sie noch gleich? - Ailene?“ Taima klappte ungläubig den Mund auf. „Zu ihm?“ Nicht weniger überrascht war sein älterer Bruder. „Aiyana?“ Schwer vorstellbar, dass ausgerechnet der Wildfang und dieser, doch eher, Musterknabe zusammen gefunden hatten. Aber so schien es eben zu sein. „Das lässt du einfach so zu?“ wollte Patamon dann wissen. „Ich werd da gar nicht lange gefragt“, brauste der Scharfschütz sofort auf und der Irokese musste grinsen. „Ich frag mich, wieso.“ Wenn es um die Hebamme ging, hatte er sich kein Stück geändert. „Bah“, spie der empört aus. „Fang du nicht auch noch an. Chily ist meine Aiyana, “ stellte Colt noch einmal entschieden für alle klar. „Meins, deins.“ Der Recke rollte die Augen. Davon hatte er langsam aber sicher genug. „Was soll das, Colt? Jolene gehört niemanden, “ berichtigte er die Aussage des Cowboys. Beeindruckt nickte Patamon ihm zu. „Die Einstellung gefällt mir.“ Bevor der Blonde allerdings davon ausgehen konnte, dass die Diskussion damit beendet und ein neues Gesprächsthema aufkam, wandte der Bruder des Kriegers mit erhobenem Finger ein. „Ja, aber so schnell bekommt er unsere Erlaubnis trotzdem nicht.“ Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als auch Colt sich wieder zu schaltete. „Jetzt mal halblang mit den altersschwachen Maultieren! Da hab ich noch ein Wörtchen mitzureden, ob er sie überhaupt bekommt, “ betonte er gespielt entrüstet. „Ja, da hat er den Rat der Weisen um Erlaubnis zu bitten,“ stimmte Taima ihm zu. Die Drei nahmen sich zumindest das Recht, oder auch die Pflicht, heraus, sicher zu stellen, dass ihre langjährige Freundin in gute Hände kam. Saber wurde klar, dass er sich nun einem Verhör unterziehen musste, ob er wollte oder nicht. Die Irokesen schienen in dem Punkt nicht weniger hartnäckig als der Kuhhirte zu sein. Blieb nur zu hoffen, dass sie besser als der, wussten, wann dann mal wieder Schluss sein sollte. „Na, dann bitte mal, Saber. Ich bin gespannt, wie das aussieht, “ forderte Fireball den Schotten munter auf. So allzu oft hatte er das ja noch nicht gesehen. Genau genommen erst einmal, als sein Vorgesetzter die Hebamme dazu überredete hatte mit Robin zu April nach Yuma zu gehen. „Die Bitte braucht er vorläufig noch nicht stellen. Vorher müssen wir erst mal herausfinden, ob er wir ihm überhaupt Gehör schenken wollen. Also: Saber. Warum glaubst du, gut genug für Aiyana zu sein?“ Die Frage stellte Taima mit einem fiesen Grinsen. Der Schotte musste nun verdammt gute Antworten liefern, sonst hätte er drei hartnäckige Gegner, statt einem. „Darf das Aiyana nicht einfach selbst entscheiden, was sie möchte?“ gab er etwas verständnislos zurück, was sowohl ein gutes Ablenkungsmanöver war, als auch eine berechtigte Frage. Wieder nickte Patamon beeindruckt. Natürlich war es hauptsächlich ihre Entscheidung. Es gefiel ihm, dass der Blonde das auch so sah. „Und wenn sie sich mal für was anderes entscheidet, als das, was du möchtest?“ bohrte sein Bruder weiter. „Dann wird darüber diskutiert und gemeinsam eine Entscheidung getroffen, “ erhielt er postwendend zur Antwort. Was hatte der denn? Das war doch logisch, oder nicht? „Und wer trifft diese endgültige Entscheidung? Du?“ Taima ließ sich so schnell nicht davon abbringen. Eine Beziehung musste gleichberechtigt sein, aber das war nicht für jeden Mann selbstverständlich. „Die treffen wir zusammen, hab ich doch grad gesagt, oder?“ Saber Augenbraue zuckte hoch. „Also hat sie so viel Mitspracherecht wie du“, fasste der junge Krieger zusammen. „Wo wohnt ihr?“ setzte er dann sein Verhör fort. „Ja, hat sie.“ Der Recke seufzte unterdrück. „Wir wollten nach Yuma ziehen.“ Die Irokesen tauschten ungläubige Blicke. „In die Stadt? Damit ist sie einverstanden?“ Patamon runzelte die Stirn. „Stadtrand“, berichtigte der Schotte. „Ohne ihre Pferde?“ hakte Taima nach. Sprachen sie von der gleichen Frau? War Aiyana tatsächlich bereit, solche Kompromisse ein zu gehen? Das war früher für sie so absolut indiskutabel. Aber gut, Menschen änderten sich auch. „Mit Pferden“, entgegnete Saber verwunderte darüber, dass man daran Zweifel haben konnte. Was dachten die beiden von ihm? Dass er die freiheitsliebende Hebamme in eine winzige Ein-Raum-Wohnung mitten im Zentrum von Yuma und seinem stärksten City-Lärm einsperren würde? Es würde keinen Tag dauern, da hätte sie die Flucht angetreten. Patamon wandte sich nun an Fireball. „Wie viele Vorgängerinnen gibt es und wie redet er über sie?“ Perplex starrte der den Fragesteller an. „Nicht viele und gar nicht, “ antwortete er wahrheitsgemäß. „Zahlen bitte, “ drängte Taima. „Eine ist nicht viel. Zehn auch nicht unbedingt, aber pro Monat, Woche oder Tag ist dabei auch sehr interessant. Du verstehst?“ Der Japaner konnte sich nicht verkneifen an den Fingern abzuzählen um die beiden Neugierigen ein wenig zu schocken. „Ich weiß von einer, mit der er im Zirkus geliebäugelt hat. Aber da ist nie was gelaufen. Dann war doch diese Lilly, mit der er ein oder zweimal ausgegangen ist. Eine wäre da noch, aber das dürfte nur der ehrenwerte Säbelschwinger selbst wissen, “ rechnete er vor. „Also drei, wenn man so will, “ fasste er dann zusammen undschielte zu Colt. „Was meinst du, Viehhirte?“ Missmutig nickte der zustimmend. „Der lebte auf Sparflamme. Bis er Aiyana getroffen hat, “ brummte er. „Das ist ja wohl nicht dein Lebensstil, “ schnappte der Schotte düster und verschränkte die Arme vor der Brust. Etwas grantig musterte er seine Befrager über das Lagerfeuer hinweg. Das ging doch keinen was an. „Also bist du wohl eher das Gegenteil von Pallaton“, fasste Taima zusammen. „Schon mal was von asketischer Lebensweise gehört?“ Saber hatte sich nichts vorzuwerfen. Im Umgang mit Frauen war er immer respektvoll gewesen und sein Liebesleben hatte er dementsprechend auch nie ausgeplaudert. Den aufmerksamen Irokesen-Brüdern schien das zu gefallen. Sie hatten ihn bei jeder Frage mit Argusaugen beobachtet um jede Lüge, jedes Herausreden oder beschönigen sofort enttarnen zu können. Aber der Recke war ehrlich gewesen. Jetzt grinste er doch wieder leicht. In dem Gesicht des jüngeren Kriegers zeichnete sich der Schalk ab. „Na, hoffentlich hast du dabei nicht verlernt, wie man eine Frau glücklich macht“, meinte er rotzfrech und mit bedeutungsvollem Blick. Auf der Stelle schaltete sich Colt ein. „Der hat meine Aiyana gar nicht glücklich zu machen“, erklärte er entschieden, doch Patamon winkte träge ab. „Deine Besitzansprüche, wenn sie überhaupt vorhanden waren, sind ja wohl jetzt dahin. Du hast Robin. Und Aiyana ihn. Das hättest du dir früher überlegen müssen, “ gab er trocken zurück. „Colt war noch nie der große Denker, “ stichelte Fireball und erntete Zustimmung von dem älteren der beiden Brüder. „Nicht oberhalb der Gürtellinie.“ Der jüngere lehnte sich zufrieden zurück. „Also ich finde, Bruder, sie hat eine ganz brauchbare Wahl getroffen, “ grinste er. „Brauchbar? Recht viel besser könnt es Chily gar nicht treffen, “ schlug sich der Rennfahrer sofort für seinen Boss in die Bresche. Diese Abwertung konnte er nicht auf sich beruhen lassen. „Ach, warum nicht?“ hakte Patamon, halb belustigt über den Enthusiasmus, halb gespannt auf die Antwort, nach. Der Gefragte grinste spitzbübisch. „Alles ist besser als Colt.“ – „Warum dann ihn“ Taima beugte sich wieder vor und deute auf Saber. „und nicht dich?“ kratzte er so gleich an dem Punkt nach. „Der“ Colt wies nun auf den Rennfahrer. „läuft schon außerhalb des Rankings“, meinte er. „etwas unrund, aber naja. Was will man von einem Seifenkistenpiloten schon erwarten?“ fuhr er fort und grinste, zufrieden mit seiner kleine Retourkutsche. Patamon wurde still und schaute Saber an. Diese Angelegenheit konnte man nur halb ernst nehmen und die für ihn entscheidende Frage war noch nicht gestellt. „Wenn du an Aiyana denkst, was ist das erste, was dir einfällt?“ wollte er deshalb wissen. Eine gute Antwort darauf, und weder er noch Taima würden sich je ungefragt in diese Beziehung einmischen. Eine schlechte Antwort und die beiden würden, sobald sie das Gefühl hatten, etwas würde aus dem Ruder laufen. Der Recke schloss die Augen und hörte einen kurzen Moment in sich hinein. „Ihr gutes Herz, ihre grenzenlose Liebe, ihr Lächeln und ihre Unbeschwertheit“, antwortete er dann und den Kriegern entging nicht, dass dies eine Antwort aus tiefster Seele war. Höchst zufrieden lehnten sich nun beide zurück. Taima, der heute offensichtlich einen Clown gefrühstückt hatte, hatte aber noch eine Frage. „Und wann willst du aus ihr eine ehrbare Frau machen?“ Er unterdrückte ein Grinsen. Das war eher rhetorisch, aber der Schotte gab ehrlich Auskunft. „Ich weiß noch nicht.“ Wieder winkte Patamon mit seiner großen, schlanken Hand ab. „Wann auch immer, ich hoffe doch, wir sind zu diesem Fest eingeladen.“ Sein Bruder deutete auf Colt. „Wenn der dir Ärger macht, sag uns Bescheid. Wir wüssten da noch so ein zwei Sachen um ihn wieder zur Vernunft zu bringen.“ Fies blinzelte er zu dem Scharfschützen. „Sag sie mir, die kann ich auch gut gebrauchen“, bat der Rennfahrer augenzwinkernd. „Du brachst dazu Brennnesseln und freie Bahn“, erwiderte der Irokese mit bedeutungsvollem Räuspern, wobei er auf die Lendengegend wies. Während Fireball und Saber sich nun verwundert ansahen, erinnerte sich der Kuhhirte genau an diesen äußerst unangenehmen Vorfall. Hinun hatte ihn und die Brüder für ein paar Tage zu einer Wanderung durch die Wälder mitgenommen. Sie hatten sich unter allerlei Unsinn in einem Fluss gewaschen. Colt und Taima hatten mal wieder ihre Wettkämpfe im Kopf gehabt, in deren Folge der, vom Baden noch nackte, kleine Lockenkopf gestolpert und in einen Brennnesselstrauch gefallen war. Sein Körper hatte entsetzlich gebrannt und gejuckt, vor allem in dem Bereich, den später der Lendenschurz bedeckte. Das war wirklich eine fiese Sache gewesen. „Das erklärst du mir bei Gelegenheit mal genauer, wenn der“ Fireball zeigte mit dem Daumen auf den Kuhhirten. „nicht dabei ist.“ – „Der“, wies Colt auf sich selbst. „schießt nicht noch mal aus Versehen einen Pfeil auf deinen Hintern. Das nächste Mal wird das ein wohlgezielter Volltreffer, Taima, “ warnte er den alten Freund. „Bei der Trefferquote, die du in letzter Zeit an den Tag legst, schießt du meilenweit daneben, Kumpel, “ bemerkte Saber trocken. „Vor allem mit Pfeil und Bogen, “ ließ sich nun auch Patamon vernehmen. „Es war damals schon ein Wunder, das er überhaupt was getroffen hat, “ ergänzte er dann. „Ich glaub, er hat den Beruf verfehlt. Wir müssen demnächst aus dem Scharfschützen wohl einen Blindfisch machen, “ stichelte der Pilot. „Reiten konnte er auch ewig nicht, “ informierte Taima fröhlich. „Was der immer vom Pferd gefallen ist. Und vor allem Wie.“ Diese Neckereien auf Kosten des Cowboys fanden alle ganz lustig, bis auf den Betroffenen. „Ungewöhnliche Abstürze verursacht er heute auch noch. Bei jeder Gelegenheit, “ stellte der Blonde fest. Colt hatte genug. So massive Späße auf seine Kosten vertrug er nicht. Frustriert lehnte er sich zurück. „Das hat man nun davon, dass man als Kind auch nur was gelernt hat und sich als Freund um Leute einfach nur Sorgen macht“, grummelte er eingeschnappt. Wieso verstand ihn eigentlich keiner? „Du lernst immer noch“, erkannte Fireball amüsiert. „Das tun wir alle“, sagte Patamon versöhnlich um den Bogen nicht zu überspannen und den Freund nicht weiter zu verärgern. „Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun, “ zitierte Saber abschließend eine kleine Weisheit auf die hin leicht genickt wurde. Die Dunkelheit verhieß schon längst, dass man schlafen gehen sollte. Die nächste Wachablösung kam bestimmt. Im Morgengrauen. Also höchste Zeit noch etwas Energie zu tanken. Sie krochen in ihre Schlafstätten. In der Nacht hatte Regen eingesetzt, der am Morgen in Niesel übergegangen war. Die Luft war klamm, der Himmel grau und wolkenverhangen. Nebel hing in den Wiesen und Bäumen. Es wurde Herbst. Zwei Personen von gleicher Größe streiften durch die Dunstschwaden. Die schlanke, athletische des Cowboys, der seinen Hut weit in den Nacken geschoben hatte und mit festem Schritt voran ging, begleitet von der des Häuptlings, der stolz und gelassen neben ihm schritt. Hinuns wacher Blick galt den Wäldern genauso wie seinem Paten, dem er wie sein Großvater war. Colt hatte viel Achtung vor ihm. Mehr, als vor irgendwem sonst. Niemals zog er etwas ins Lächerliche, das der Häuptling sagte. Stattdessen hörte er aufmerksam zu und versucht umzusetzen und anzuwenden, einen erteilten Ratschlag zu befolgen. Eine Eigenschaft, die die Freunde des Scharfschützen manchmal vermissten. Vielleicht lag es daran, dass Hinun ein mystischer Name war und Zeit seines Lebens der Mann eine Mystik ausgestrahlt hatte, der Colt sich nicht entziehen konnte. Sie war Respekt einflößend. In der Stille des Forstes und der Undurchdringlichkeit des Nebels schien sie noch stärker zu wirken als normalerweise. Der Irokese schien sich dessen auch bewusst zu sein und nutze diese Wirkung, als er das Gespräch begann. „Es ist für dich langsam an der Zeit, loszulassen, Pallaton.“ Colt sah ihn einigermaßen überrascht an. Er hatte nicht mit einem Gespräch an diesem ruhigen Morgen gerechnet, noch weniger mit einem offenbar sehr ernsthaften. Dem Älteren nicht gleich folgen könnend hakte er nach. „Was loslassen?“ – „Deine Freunde, denn du bist in deiner Freundschaft sehr besitzergreifend“, antwortete Hinun ruhig. „Ich bin besitzergreifend?“ wiederholte Colt, wies mit dem Finger auf sich und machte reichlich erstaunte Augen. Ihm waren ja schon viele schlechte Eigenschaften nachgesagt worden, aber diese war noch nicht dabei. Der Häuptling nickte nur bedächtig. „Und bestimmend“, fügte er hinzu, so dass dem Scharfschützen der Kiefer ins Bodenlose klappte. Weder das eine, noch das andere wollte er sein. „Das trifft alle deine Freunde schon immer“, fuhr der Indianer fort. „Vor allem aber deine guten Freunde. Ich weiß, es fällt dir schwer und du willst nur das Beste für sie, aber lass ihnen die Freiheit für sich selbst zu entscheiden, was gut für sie ist. Ganz besonders, wenn sie dir nahe stehen.“ Wenn Hinun dies so sagte, dann stimmte es. Ob der Kuhhirte wollte oder nicht, diese Eigenschaften trafen auf ihn zu. „Aber sie entscheiden doch, was sie wollen. Ich werde ja nie um Erlaubnis gefragt. Vor allem Aiyana macht was sie will. So wie immer, “ versuchte der Cowboy abzuwiegeln. So hatte er nie werden wollen. „Siehst du. Weshalb denn auch? Es ist ihr Leben und sie wissen, was sie tun.“ Hinun setzte seinen Weg fort. Während er mit seinem Patensohn sprach, ließ er weder ihn, noch die Umgebung aus den Augen. Nichts entging seinem Blick. Unterdessen versuchte Colt weiter für sich abzustreiten, dass er besitzergreifend und bestimmend war, oder diesen Eigenschaften etwas Positives abzugewinnen. „Ach was. Da passiert doch ein Mist nach dem anderen, “ grummelte er vor sich hin. Eigentlich nicht für das Ohr des anderen bestimmt, aber da hatte er den Älteren unterschätzt. „Unverhofftes, ganz gleich in welcher Weise, geschieht immer. Das Schicksal lässt sich nicht lenken, nicht kontrollieren und bestimmen erst recht nicht. Achte die Meinung der andren, auch wenn sie nicht deiner entspricht, sonst engst du deine Freunde zu sehr ein und gibst ihnen das Gefühl, entmündigt worden zu sein, “ ließ der sich vernehmen und schenkte dem verwunderten Zuhörer einen warmen, mahnenden Blick. „Das kann ihnen irgendwann zu viel werden, Pallaton.“ Der senkte den Blick und kaute betroffen auf der Unterlippe. Das Lesen in den Köpfen anderer Menschen hatte Chily eindeutig von dem Stammesoberhaupt gelernt. „Sie sollten wissen, wie ich das meine“, murmelte der Scharfschütze. „Das tun sie. Sie haben auch Verständnis, aber auch das ist irgendwann am Ende. Pallaton, alles hält auch die beste Freundschaft nicht aus. Vor allem dann nicht, wenn sich der Freund in Lebensbereiche einmischt, die ihn wirklich nichts angehen. Wie würdest du dich fühlen, wenn dir Saber die Ehe zu Robin verbieten würde? Oder Fireball und April dir vorschreiben würden, wann du alt genug für Kinder bist?“ gab der Irokese zurück. Ruhig und gelassen, seine Stimme war warm und ernst. Genau die Tonlage, der Colt sich noch nie entziehen konnte. Sie brachte ihn dazu, aufmerksam zu lauschen und tief in sich zu gehen. Sie brachte ihn dazu, sie zwang ihn nicht. „Das ist doch was anderes. Erstens würden sie das nie tun und zweitens, “ versuchte er abzustreiten, aber während er sprach, fiel ihm selbst auf, wie unsinnig das klang. Er seufzte leicht. „Aber du tust es, Pallaton. Deine Freunde haben im Gegensatz zu dir diese Grenze erkannt und überschreiten sie nicht. Sie geben dir das Recht und die Freiheit, selbst zu entscheiden, was du willst. Sie reden dir nicht rein, aber sie werden dich immer in deinem Tun unterstützen. Das solltest du lernen.“ Hinun hatte das Gespräch der drei Starsheriffs und der beiden Irokesenbrüdern am Vorabend mitbekommen. Aufmerksam hatte er nicht nur die Worte, sondern auch die Mimik und Gestik aufgenommen. So hatte er genau erkannt, was in den Einzelnen vor sich ging. „Ich unterstütze sie doch auch. Aber ich werde doch sagen können, was ich denke. Deswegen helfe ich ihnen doch trotzdem, “ versuchte Colt noch einmal das Beste aus diesen Vorwürfen hervorzuheben. Der Häuptling unterdrückte ein Seufzen. Das war Pallaton. Nicht unbelehrbar, aber er tat sich eben schwer damit, etwas einzusehen, wenn es nicht zu seinen Gunsten war. „Du sagst nicht, was du denkst. Du sagst ihnen, wie du es an ihrer Stelle machen würdest, das ist ein wesentlicher Unterschied. Aber erst wenn man jeden Schmerz gespürt und alle Tränen geweint hat. Wenn sie Tropfen für Tropfen auf das Herz gefallen sind, dann kommt die Weisheit. Für jeden. Jeder Weg ist der richtige, solange man ihn mit sich selbst vereinbaren kann.“ Der Irokese zog den Umhang um seine Schultern etwas straffer. Die morgendliche nasse Kälte begann sich ihren Weg in die Knochen zu bahnen. „Aber wenn ich mich nicht einmischen würde, hätte zum Beispiel Aiyana früher in manchen Sachen viel mehr Ärger gehabt“, wehrte der Cowboy ab. Dass er seiner besten Freundin so nie die Chance gelassen hatte, das Gegenteil zu beweisen, ging ihm erst auf, als er den Satz beendet hatte. „Sie hatte aber auch viel Ärger deinetwegen“, lächelte der Ältere warm und ergänzte dann. „Aiyana kann sehr gut auf sich aufpassen, Pallaton. Sie ist eine selbständige, kluge junge Frau. Verbau ihr nicht ihre Chancen mit deinen vorgefassten Meinungen und Plänen für sie. Sie hat ohnehin schon gefunden, was sie glücklich macht.“ Auch das war ihm nicht entgangen. Er konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als seine Patentochter mit der anderen jungen Frau, dieser Robin, hier Schutz gesucht hatte. Er erinnerte sich noch genau an den Glanz in ihren Augen, wenn von einem gewissen Saber Rider gesprochen wurde. Und eben jener hatte gestern Abend so viel Liebe in der Stimme gehabt, als er von Aiyana gesprochen hatte. Hinun lächelte versonnen. Aiyana Etu. Dieser Saber war die Sonne der ewigen Blume. „Ach komm schon, Hinun“, protestierte Colt und holte das Stammesoberhaupt aus seinen Gedanken zurück. „Wenn ich nicht aufgepasst hätte, wäre sie womöglich schon längst mit irgendeinem Hallodri wie mir verheiratet und hätte Saber nie kennen gelernt.“ Während seiner Abwesenheit hätte der Scharfschütze das nicht verhindern können, weshalb es seine einzige Sorge gewesen war, wenn er an seine Jugendfreundin gedacht hatte. Aber er wusste, dass seine Argumente nicht wirklich etwas taugten. Bei diesem Gespräch mit seinem Patenonkel konnte er nur das Wortgefecht verlieren. In späterer Folge, wenn er alles überdacht hatte, konnte er allerdings nur gewinnen. Hinun legte ihm die Hand auf die Schulter. Colt hob den Kopf und sah ihm fest ins Gesicht. Sehr ernst schloss der Häuptling die Unterhaltung nun ab. „Pallaton, ich rate dir dringend: Lass vergehen, was vergeht. Es vergeht, um wiederzukehren. Es altert, um sich zu verjüngen. Es trennt sich um sich inniger zu vereinen. Es stirbt um lebendiger zu werden. Lass los, Pallaton.“ Dann ließ er die Hand sinken und setzte seinen Streifzug durch den Wald fort. Colt folgte ihm, tief in Gedanken und Überlegungen. Hinuns Mystik hatte wieder ihre volle Wirkung entfaltet und ihn in seinen Bann gezogen. Die Ereignislosigkeit der nächsten beiden Tage, in denen man darauf wartete, dass der Feind in die Falle tappte, verbrachte Colt mit intensivem Brüten über die Worte des Häuptlings. Roland runzelte die Stirn, als er die Unterlagen auf der polierten Platte seines wuchtigen, antiken Schreibtisches durchsah. Draußen schob die Sonne die dichten Regenwolken fort und strahlte kräftig in sein Büro. Ganz so, als wollte sie seine Aufmerksamkeit auf dieses Schreiben, welches er nun zur Hand nahm, lenken. In den Vorbereitungen auf die Ankunft und den Schutz der drei jungen Frauen war ihm wohl entgangen, dass er einen neuen Chauffeur eingestellt hatte. Liam Max Liddow. Das war ja vollkommen in Vergessenheit geraten. Daran konnte er sich überhaupt nicht mehr erinnern. Aber die Unterschrift auf dem Blatt sah aus wie seine. Wo hatte er nur seinen Kopf gehabt, dass er in solch einer Situation neues Personal einstellte? Was wusste er, ob dieser Mann vertrauenswürdig war? Er wusste es nicht. Aber vorläufig konnte er ihm Martin Sole zur Seite stellen. Zur Einarbeitung. Dieser Chauffeur genoss sein Vertrauen und konnte den Neuen im Auge behalten. So etwas hatte ihm, Roland, nicht passieren dürfen. Nun konnte er nur noch das mögliche Risiko so gut es ging eindämmen. Sein Blick glitt vom Schreibtisch zum Fenster. Vier junge Frauen schlenderten in Richtung des frühherbstlichen, oder spätsommerlichen, Schlossparkes. Drei von ihnen versuchten nicht daran zu denken, dass sie sich Sorgen um ihre Freunde machten. Die Vierte im Bunde war die schwarzhaarige, glutäugige, zukünftige First Lady des Königreiches Jarr. Angelique, seine Verlobte, war eine elegante, ruhige Frau, in deren Augen dennoch ein gewisses Feuer loderte und die verrieten, dass sie gelegentlich aus ihrer ruhigen Fassade ausbrechen konnte, wann ihr die sporadisch überhebliche Art ihres Bräutigams zu viel wurde. Grundsätzlich war sie die duldsame Schönheit, die ihm den Rücken stärkte. Doch konnte sie ihm, wenn sie es für nötig hielt, hinter verschlossener Tür auch so gehörig die Leviten lesen, dass er meinte, er stünde vor seinem Vater. Jetzt war sie die Trösterin, die Robin, April und Chily aufmunterte und auf andere Gedanken brachte, wofür die drei wirklich ausgesprochen dankbar waren. Es war sehr interessant gewesen, was Angelique ihnen über das Anwesen erzählt hatte. Robin und April liebten Schlossbesichtigungen, die Hebamme jedoch hielt es in Räumen kaum aus und war sehr glücklich, als das Frauen-Quartett den Rundgang im Garten fortsetzte. „Also, der Park ist wirklich unheimlich schön“, schwärmte sie begeistert. „Da weiß man, wo der Hochadel wohnt“, erklärte auch April beeindruckt. „Ich könnte glatt alles vergessen.“ Chilys Augen glitten fasziniert glänzend über die prächtigen Blumen, Sträucher, Hecken und Bäume in einer Vielfalt, die sie nie erwartet hatte an einem Ort vorzufinden. „Dann fühlt ihr euch hier also wohl. Das freut mich, “ bemerkte die Verlobte des Kronprinzen zufrieden. Ihre größte Sorge war, dass sie ihren Gästen nicht genügend Zerstreuung und Erholung bieten konnte. Doch es schien ihr für den Moment gelungen zu sein. „Ja, es ist sehr leicht, hier auf andere Gedanken zu kommen“, antwortete Robin und fügte leiser hinzu. „Wenn auch nur bis zum Abend.“ Dies war leider Tatsache. So einfach es auch war, sich bei Tage abzulenken, so unbarmherzig schlug die Sehnsucht, Angst und Einsamkeit des Nächtens zu und brachte jede von ihnen um den Schlaf. Am schlimmsten traf dies April, die zudem noch unter der Schwangerschaft und den dadurch hervorgerufenen Gefühlsschwankungen litt. Auch jetzt schlug ihre Stimmung um. „Oder bis gerade eben“, murmelte sie und strich sich leicht über den Bauch, der in dem wärmenden Wollkleid noch wuchtiger wirkte, da es unterhalb der Brust weit und locker fiel. Ihre Hebamme hatte sie vor den kühlen, herbstlichen Winden gewarnt, die man noch nicht als solche wahrnahm und die deshalb so leicht zu einer Erkältung führen konnten. „Wie geht es ihr?“ fragte die nun und nickte leicht in Richtung der Wölbung. Traurig schaute April sie an. „Vermisst ihren Vater“, erwiderte sie. „So wie ich.“ Chily nickte verstehend. „Du musst ihr hin und wieder was vorsingen. Wenn die Mütter viel singen, werden die Kinder fröhlicher, “ meinte sie dann aufmunternd und überlegte laut. „Wie ging das Lied noch gleich.“ Sie legte den Finger auf den Mund legt und runzelte grüblerisch die Stirn. Dann zeichnete sich die Erinnerung in ihrem Gesicht ab und sie stimmte an. „Smile to me ... like the very first smile ... you are from heaven sent ... when you really sent ...” – „Ich hätte bei den Musikstunden nicht schwänzen sollen,“ lächelte die werdende Mutter. „... Laugh with me ... like the very first laugh ... you are from heaven sent ... when you really sent.” Angelique schaute die beiden verwundert an. Erst recht, als Robin mit einstimmte. „… speak to me … like the very first speak … you are from heaven sent … when you really sent …” Die Schwarzhaarige staunte nicht schlecht, freute sich aber über diese kleine Einlage. Dann verhaspelten sich die zwei und kicherten über den Unsinn, den sie zusammen gesungen hatten. Aber die Rechnung war aufgegangen. April wurde wieder etwas heiterer. „Baby, I am missing you …,“ begann sie ihrerseits und erhielt recht unerwartet von ihrer Gastgeberin gesangliche Unterstützung. „…. I want you by my side …“ Erstaunt tauschten die Lehrerin und die Geburtshelferin einen Blick und ganz leise flüsterte Chily in Robins Ohr. „Da waren wir aber besser.“ Tadelnd stupste April sie an. „Das haben wir gehört“, informierte sie leicht schelmisch. Prompt wurde die Angesprochene rot und verlegen, wie Colt, wenn er eines seiner berühmten Fettnäpfchen erwischte. „Aber es ist doch leider wahr“, wandte sich dessen Schulfreundin unbeholfen. „Das weiß ich auch“, grinste Ramrods Navigatorin. „Aber ich bin immer noch besser als Fireball“, betonte sie dann. „Niemand singt schlimmer als Colt“, behauptete Robin sogleich. „Habt ihr schon mal Saber gehört?“ hakte die Hebamme nach. „Roland kann niemand das Wasser reichen“, versicherte dessen Zukünftige. „So lange sie nur unter der Dusche krähen, wie alte Raben, die man von ihren Leiden erlösen sollte, geht es ja noch. Schlimm wird es, wenn sie etwas intus haben und in der Öffentlichkeit singen, “ stellte die Lehrerin sachlich fest. „Oder wie auch immer sie das nennen.“ Genauso nüchtern gab April Auskunft. „Das nennt man eher Grölen. Ganz gern wird das auf Siegesfeiern gemacht und zwar so lange, bis man keine Stimme mehr hat.“ Verständnisvoll nickten sich die Frauen zu. Ja, mit diesem Problem stand keine von ihnen allein da. „Und dieses Stadium zögert sich immer viel zu lange raus“, bestätigte Angelique. „Amen. Dean war in diesem Punkt ein besonders bemerkenswertes Exemplar. Er war ein genauso mieser Sänger, wie Liebhaber und konnte nie verstehen, wie ocj letzteres so sicher beurteilen konnte, “ berichtete Chily und ergänzte bedeutungsvoll grinsend, „nach zwei Minuten.“ Über die kleinen Unzulänglichkeiten ihre Männer zu spötteln, war wohl die beste Art, an sie zu denken ohne in Trübsinn zu versinken, weshalb dieses Gesprächsthema bis zum Abendessen anhielt. Robin und Chily erkundeten anschließend noch ein wenig das Anwesen, während April sich auf ihr Zimmer zurück zu. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, bald würde es Nacht sein. Die, für Colt wichtigsten, beiden Frauen spazierten an den Stallungen vorbei, schauten den Angestellten ein wenig bei der Arbeit zu und plauderten über Bedeutungslosigkeiten. Ganz gleich wie banal der Gesprächsstoff war, er war es wert besprochen zu werden um nicht vor Kummer zu vergehen. Wie Schatten folgten ihnen so diskret wie möglich zwei von Prinz Rolands Wachleuten. Die beiden jungen Frauen passierten die Garagen. Fireball würde ihnen sicher lang und breit erklären können, was für Fahrzeugtypen die beiden Limousinen davor waren, wie schnell sie fuhren, wie viel Hubraum, Motorleitung und der gleichen sie hatten. Das alles gewürzt mit dem Fazit, dass sie für die Rennstrecke nichts taugten. Sole und Liddow, die beiden Chauffeure prüften gerade Tank und Reifendruck. Beide grüßten freundlich, als sie die Frauen sahen. Robin erwiderte den Gruß, Chily blieb er im Hals stecken. Sie schaffte es noch die Hand zu heben um zu grüßen und ihren Schreck zu überspielen. Das Gefühl von Sicherheit war eben flöten gegangen, als sie Liddow in die Augen gesehen hatte. Die waren, das erste Wort, welches ihr einfiel war, berechnend. Dieser Mann tat alles nur aus Kalkül. Wenn er zu jemandem etwas Nettes sagte, dann nur um Pluspunkte bei demjenigen zu sammeln, aber nicht, weil er es so meinte. Ihm zu vertrauen hielt die Hebamme für einen Fehler. Außerdem hatte sie das Gefühl, der Fahrer starre die Lehrerin ein wenig zu lange an. Damit stand für Chily fest, dass etwas nicht stimmte. Rasch wandte sie sich wieder Robin zu und setzte das Gespräch fort. Über ihre Ahnung wollte sie nicht reden um die Verlobte ihres besten Freundes nicht zu beunruhigen. Genauso gut war es auch möglich, dass sie überempfindlich nach all den Vorfällen war. Doch zur Sicherheit würde sie mit dem Kronprinzen reden. Sicher war der Hebamme es nicht entgangen, was in Robin vorging. Das Gespür der Freundin musste ihr gesagt haben, wie hilflos sich die Lehrerin fühlte. Ihre Unsicherheit verbarg sie jedoch in dem sie besonders auf die werdende Mutter Acht gab. So lange sie sich darauf konzentrierte, war es zu ertragen. Doch so bald Robin allein war, war die Angst ihr Gesellschafter. Jetzt war sie allein auf ihrem Zimmer und blickte in den nächtlichen, von mattem Licht erhellten Hof. Keiner der drei Männer hätte sie zu Roland gebracht, wenn sie nicht davon überzeugt wären, dass ihre Herzdamen hier in Sicherheit wären. Doch ähnlich wie die Hebamme hatte auch Robin das Gefühl etwas wäre nicht in Ordnung. Der Eindruck beobachtet zu werden, kam nicht von ihren Bodyguards sondern aus dem Dunkel, in welches sie gerade schaute. Ganz sicher. Sie runzelte die Stirn. Oder lagen doch nur ihre Nerven blank? Der Fall war zermürbend für jeden von ihnen. Mit zittriger Hand löste Robin die Kordel am Vorhang und zog den schweren Stoff vor das Fenster. Sie sollte wohl besser versuchen zu schlafen. Vielleicht konnte sie das heute Nacht etwas besser, als in der zuvor. Die Lehrerin ging ins Bad um sich zu richten. Sie vermisste Colt und die Sicherheit, die er ihr gab. Ihr fehlte sein loses Mundwerk und sein keckes Grinsen, genauso, wie der Blick aus seinen blauen Augen, der sie zu streicheln schien. Wieso nur fühlte sie sich in letzter Zeit ohne ihn nur so unsicher. Wenn sie ihn nicht hatte zu einem Rodeo begleiten können, hatte er ihr doch auch gefehlt. Allein war sie auch da nicht gern gewesen, aber jetzt fühlte sie sich angreifbar. Sie schlüpfte unter die Decke, als wäre die ein Schutzschild. Wahrscheinlich lag das alles an diesem Fall. Zur gleichen Zeit klopfte Chily etwas verlegen an die Tür zu Prinz Rolands Salon. Verlegen deshalb, weil sie zu recht vorgerückter Stunde mit einem Anliegen bei ihm antrat, dass ihm seltsam vorkommen musste. Wer sie nicht kannte, das hatte sie gelernt, tat sich schwer damit auf ihre Intuition zu vertrauen, aber genau die war es, die sie nun hierher geführt hatte. Auf den verwunderten Ruf hin, trat sie ein. „Roland, kann ich Sie kurz sprechen, bitte.“ Doch sehr erstaunt schaute der seinen Gast an. „Was aben Sie auf dem Erzen, Miss Jolene?“ fragte er und erhob sich rasch von dem Sekretär, an dem er eben noch mit Schreibarbeiten beschäftigt war. Vorsichtig schob sie sich durch die Tür und schloss diese rasch. „Tja, ähm“, räusperte sie sich unsicher. „Wie jetzt?“ Die Verwirrung in seinem Gesicht blieb unverändert, weshalb sie sich entschied, direkt auszusprechen, was sie sagen wollte. „Also, ich fühl mich irgendwie nicht sicher. Als wäre Gefahr vor Ort.“ Dass der Kronprinz jetzt auch noch die Stirn in Falten legte, wunderte sie überhaupt nicht. Was sollte er denn von ihrem Auftritt halten? Mit einer Hand wies er einladend auf einen Sessel am Fenster und nahm selbst in dem gegenüberstehenden Platz. „Aber wesalb denn?“ wollte er wissen. Sie setzte sich und strich sich den Rock glatt. „Schwer zu sagen, ohne das es irgendwie albern klingt“, gestand sie, „aber ich hab das Gefühl, als würde jemand hinter meinem Rücken die Messer wetzen. Verstehen Sie?“ Eigentlich erwartete sie, dass er sie als übergeschnappt, neurotisch oder wichtigtuerisch abkanzeln würde, doch das blieb aus. Saber hatte wohlweißlich Roland von ihren Eingebungen in Kenntnis gesetzt und ihn gebeten, diese ernst zu nehmen, wie eigentümlich sie auch anmuten mögen. „Sie sind ier in Sischereit, werte Jolene. Meine Wachen werden Sie beschützen, “ versicherte ihr der Thronfolger sachlich. „Ich habe dies Gefühl aber immer, wenn Ihr Personal in der Nähe ist. Also, Ihre Chauffeure, “ entgegnete sie. „Saber sagte, ich könne Ihnen vertrauen und spüre, dass er Recht hat, deshalb sage ich Ihnen offen, auch wenn ich es nicht begründen kann, einer von denen ist nicht, nun ja, vertrauenswürdig.“ Verstehend nickte der Blaublütige. „Saber at eine gute Menschenkenntnis, Miss Jolene. Wenn er Ihnen vertraut, dann werde isch das auch tun. Ich werde meine Fahrer überwachen lassen, aber versprechen kann isch nischts.“ Auch wenn er sie nicht ausgelacht hatte, wie sie erleichtert feststellte, wagte sie kaum zu fragen. Sie kaute grüblerisch auf ihrer Unterlippe und entschied sich, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. „Können Sie die nicht irgendwie loswerden? In den Urlaub schicken oder so?“ hakte sie nach. Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Das kann isch nischt, Miss Jolene. Es tut mir leid. Wir aben den zweiten Fahrer gerade erst eingestellt, er wird noch eingeschult. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir ein Auge auf sie aben werden, “ antwortete er. Roland mochte als unnahbar gelten, zumindest bei seinen Gegnern, doch er war es nicht. Er hatte eine recht genaue Vorstellung davon, was in seinen Gästen vorgehen mochte, auch wenn er es nach außen hin zu ignorieren schien. Doch eben diese Ansicht hatte ihn dazu veranlasst, seine Verlobte in diese Angelegenheit einzubeziehen und mit dem nötigen weiblichen Feingefühl für Trost und Ablenkung zu sorgen. Er bedauerte ehrlich, dass er nicht mehr für die Hebamme tun konnte, doch würde er ihrer Bitte nachkommen, würde den möglichen Spitzel wissen lassen, dass er ihm auf der Spur war. Dieser würde seine Taktik ändern, was den Schutz der Frauen erschweren konnte. Oder aber er ließ den Eindruck entstehen einen vielleicht Unschuldigen auf dem Kicker zu haben. Beides konnte er sich nicht leisten. Ohne dass er diese Rechtfertigung aussprach, nickte die kleine Hebamme nun. „Danke.“ Dann stand sie auf und verließ den Raum. Gleich darauf griff Roland nach dem Haustelefon und sprach mit seinem ersten Wachmann. Taima und Patamon liefen mit Fackeln voraus und leuchteten den Weg ins Innere der Mine. Längst hatten die fünf die alten Schächte, in denen es elektrische Beleuchtung gab, hinter sich gelassen. Die Pfade, die sie nun beschritten, waren noch unbefestigt und führten tief in den Berg hinein. Der unebene Boden erschwerte das Vorankommen in dem kargen Licht. Die Wölbungen an den Wänden warfen Schatten. Das Gestein war feucht und kalt. Gelegentlich mussten sie sich ducken, so niedrig war der Gang. Teilweise pressten sie sich durch Engstellen. Schweigend und prüfend sahen Fireball und Colt sich um. Seit sie die Mine betreten hatten, suchten die beiden nach günstigen Punkten um Sprengstoff anzubringen. Sollte es hier Alkalit geben, würde es nie zu Tage gefördert werden. Saber, unterdessen, begutachtete den Fels. Er lief hinter Patamon und vor Taima. Seine Hände glitten über den Stein an der Decke und den Wänden um zu ertasten, ob sie das so wertvolle Gut in sich bargen. Eine Erschütterung an der richtigen Stelle, so schoss es ihm durch den Sinn, und nichts bliebe von ihnen übrig. Der Berg würde sie begraben. Aber die Gefahr, dass der Feind dafür in genau diesem Moment sorgen würde, war gering. Der Grund, weshalb noch kein Angriff erfolgt war, lag nicht nur in der offensichtlichen Falle, sonder auch in der Ungewissheit über den Schatz des Berges. Sicher würde der Gegner erst zu schlagen, wenn er sicher war, dass es hier etwas zu holen gab. Deshalb erkundeten sie nun das Innere des Felsen. Vor einer Wand blieb Patamon stehen. Der Pfad endete hier. Der Recke trat etwas näher. Im Schein der Fackel war zu erkennen, dass hier Gesteinsproben entnommen worden waren. Wie lange das her war, konnte er nicht sagen. Trotzdem war er sicher, dass es dreißig Jahre her war. Wären sich die Outrider ihrer Sache sicher, wäre Pennyrile längst angegriffen worden. Sein Blick fiel auf den Boden. Ein Brocken war dort vergessen worden. Er hob ihn auf. „Gehen wir“, sagte er. Die einzigen beiden Worte, die seit einer guten Stunde gesprochen worden waren. Sie machten sich auf den Rückweg. Ramrod würde ihnen erzählen, was es zu dem Stein wissenswertes zu erzählen gab. Sabers Computerkonsole verfügte über ein Gerät, mit dem er kleine Fundstücke einer Spektralanalyse unterziehen konnte. Was auf den ersten Blick wie ein zu klein geratener Scanner aussah, beinhaltete eine Waage und Taststrahlen, die in das zu untersuchende Objekt eindrangen und seine Zusammensetzung feststellten. Was nun auf diesem Instrument lag, mochte wie ein gewöhnlicher Stein aussehen, war jedoch zu leicht dafür. Die Daten, die der Computer über die Beschaffenheit ausspuckte, ließen die Miene des Recken ernst werden. Seinen Freunden entging das nicht. Dass er so lange kein Wort sagte, gefiel ihnen nicht. Er starrte aufmerksam auf die Ergebnisse und schien alles andere vergessen zu haben. „Blöde Frage“, begann Fireball deshalb. „Woran erkennt man jetzt, ob wir da Alkalit mitgenommen haben?“ wollte er ratlos wissen. „Zum einen an der Zusammensetzung da“, antwortete der Gefragte und deutete auf den Monitor. „Und zum anderen“ Er nahm das Bröckchen von dem Analysator, schob sich aus seiner Satteleinheit und zwischen den Kameraden hindurch und legte ihn auf den Boden. „daran.“ Damit trat er so weit von dem Stein weg, dass er ihn gerade noch mit der Hand erreichte und zündete ihn mit einem Feuerzeug an. Für die geringe Größe schoss doch eine beträchtliche Stichflamme in die Höhe und loderte heiß. „Ich hol den Feuerlöscher!“ Colt drehte auf dem Absatz um und wollte seinen Worten Taten folgen lassen, aber der Schotte hielt ihn zurück. „Bleib hier.“ Er zeigte auf das brennende Material. „Es ist gleich alles abgebrannt.“ Der beeindruckte Gesichtsausdruck des Rennfahrers verzog sich zu einem hämischen Grinsen. „Jaja, gebranntes Kind scheut das Feuer“, stichelte er mit bedeutungsvollem Blick auf den Scharfschützen. „Was hast du als Zwerg bloß zusammen gekokelt?“ Wie nah er damit der Wahrheit war, wollte Colt nicht enthüllen. „Ich will nur sicher gehen, dass er von dem Kiesel spricht und nicht von unserem Riesenbaby, “ behauptete er. „Siehst du, schon vorbei, “ informierte Saber und wies auf das Aschhäufchen, welches zurück geblieben war. „Fazit: In der Mine befindet sich Alkalit, “ fasste er zusammen und stand auf. „Und die gute Nachricht?“ hakte der Cowboy nach. „Noch wissen nur wir es“, bemerkte der Pilot trocken und verschränkte die Arme vor der Brust. „Lass mich raten: Noch ist das Wort mit der Betonung. Mal ernsthaft, allzu lange wird Jean-Claude nicht brauchen um dahinter zu kommen und dann verwandelt er mit Hilfe der Steinchen unsere beschauliche Dimension in einen Höllenschlund.“ Die Vorstellung missfiel nicht nur dem Kuhhirten. „Die Zeit wird knapp, Freunde“, bestätigte der Recke dessen Aussage. Grüblerisch fuhr er sich übers Kinn. „Die Mine ist nicht mehr gut in Schuss, es wäre leichtsinnig, dort jemanden als Köder hinein zu schicken. Aber vielleicht gehen die Outrider freiwillig voraus, “ überlegte er laut. „Und wann? Sollen wir ihnen eine Einladung schicken? Oder haben sie sich inzwischen wohl selber eingeladen?“ drängte Colt zu wissen. Der Fund und seine Auskünfte machten ihn unruhig. Mehr als irgendwann in seinem Leben, sah er alles in Gefahr, was ihm am Herzen lag. Ein äußerst unangenehmes Gefühl, ganz besonders, so lange er nicht wusste, wie er diese Bedrohung abwenden konnte. „Die haben sich garantiert eingeladen“ kommentierte Fireball und holte die Karte über das Bergwerk hervor. „Wie viele Eingänge hat die Mine noch mal?“ wollte er vom Kuhhirten wissen, während er den Plan auseinander faltete. „Laut den Aufzeichnungen die drei Hauptzugänge. Na, und einen kleinen Nebeneingang, “ gab der Gefragte zur Auskunft. „Macht summa summarum vier, “ bemerkte Saber und kam zu den beiden, die die Überdachung seiner Satteleinheit als Tisch zweckentfremdeten. „Alle Eingänge sind seit über 30 Jahren nicht mehr benutzt worden, die Gänge mindestens genauso lange nicht mehr gewartet worden, “ setzte er seine Gedankengänge fort. „Führen alle Stollen zusammen?“ fragte er Colt. „Nein, nur die drei Hauptschächte an fünf Punkten, dort, wo die Aufenthaltsräume untertags sind.“ Endlich hatte der Japaner die Karte ausgebreitet. „Der vierte Gang ist ja nicht verzeichnet“, fügte Colt hinzu und deutete auf die Aufzeichnung. „Wo führt der vierte lang? Kann man das irgendwie feststellen, Colt?“ bohrte der Blonde prompt und studierte die Übersicht. „Hab ich schon. Er führt von Nord nach Süd über den anderen Dreien lang, “ erklärte der Scharfschütze mit einem diabolischen Grinsen. „Oha.“ Der Recke hob erstaunt die Brauen. Dem Cowboy ging doch etwas Bestimmtes durch den Sinn. Auch Fireball runzelte die Stirn. „Seit wann denkst du vorausschauend, Numero Uno?“ Der hob die Schultern. „Bitte, dafür muss man nicht denken. Man muss nur neugierig genug sein um herausfinden zu wollen, wie sich ein paar Knallfrösche in den ersten drei Aufenthaltsräumen und dem kleinen Gang voll oberhalb wohl auswirken können, “ sprach der seine Überlegungen aus. „Ich sag doch, dass der zündelt, der alte Pyromane!“ neckte der Pilot und beugte sich wieder über den Plan. „Irgendeine Vorstellung davon, wie dick die Gesteinsdecke an den schmälsten Punkten ist, Viehtreiber?“ wollte er dann noch wissen. Genau wie Saber rechnete auch Fireball schon zusammen, wie viele Sprengkörper sie für diese Aktion wohl brauchen würden. „Tja, der Gang führt etwa da entlang“, erwiderte Colt und zeichnete mit einem Stift den Verlauf ein. Das Gehirn seines Vorgesetzten hatte augenblicklich eine dreidimensionale Vorstellung und überschlug ziemlich routiniert die entsprechenden Daten. „Also werden wir hier, hier und hier ein kleines Feuerwerk anbringen“, entgegnete er und kennzeichnete die Punkte mit einem andersfarbigen Stift. „Bin gespannt, wie das unter Tage wirkt“, meinte er, mit der gefassten Idee zufrieden. „Ich möchte dieses Schauspiel lieber von außen genießen“, ließ sich Colt vernehmen. „Also ich hätte dich gerne da drinnen eingesperrt. Als Strafe für deine dämlichen Sprüche sozusagen, “ neckte Fireball grinsend. Aber auch ohne sein Zwinkern hätte der Kuhhirte gewusst, dass es nicht ernst gemeint war. „Die Mühe mich da rein schleifen zu wollen, kannst du dir sparen. Hab genug Kiesel auf und an meine Birne gekriegt und hat doch nix geholfen, “ grinste er zurück. „Ein wahres Wort“ lachte Saber leise, konzentrierte sich aber gleich wieder auf den Ernst der Lage. „Bleibt nur noch die Frage, wie wir die Festtagsgeschenke da rein bringen? Der Stollen hat einen Ein- und Ausgang, oder endet er mitten unter Tage einfach?“ Die Antwort abwartend sah er seinen Scharfschützen an. „Jeder Eingang ist ein Ausgang, wenn man so will“, entgegnete der. „Einer oder zwei? Mehr wollte der Oberheld gar nicht wissen, “ stellte der Pilot klar. Weder er noch der Schotte hatten mit dieser Auskunft so richtig etwas anfangen können. Colt schüttelte leicht den Kopf. „Wenn die Mine drei Eingänge hat, hat sie auch gleich drei Ausgänge mit“, gab er zurück und ergänzte, um keine Zweifel zu lassen. „Du musst den Weg nur wieder zurücklaufen.“ Die Begeisterung, die er damit auslöste, kam der Freude über ein Todesurteil gleich. „Gott, das darf nicht wahr sein.“ Fireball rollte die Augen. Auch Saber schlug sich die Hand gegen die Stirn. „Also muss der Weihnachtsmann denselben Weg auch wieder zurücklaufen, nachdem er seine Geschenke verteilt hat“, stellte er fest. „Das find ich persönlich jetzt nicht so prickelnd, Freunde.“ Colt schien das jedoch, seltsamer Weise, beinahe lustig zu finden. „Colt reicht auch, Kleiner“, informierte er und knuffte Fireball leicht in die Seite, ehe er sich an seinen Boss wandte. „Und ich sagte doch schon, ich bin der Nikolaus.“ Die Metapher gefiel ihm. „Dann werde ich der nette Wichtel sein, der dir draußen alles vom Leibe hält und aufpasst, dass die Kinderlein dich nicht sehen. Und Rudolph holt uns dann ab, “ überlegte Saber und wies mit dem Daumen auf den Rennfahrer. Der Cowboy winkte ab. „Lass mal Rudolf da raus. Wir haben ja noch Donner und Blitzen. Die kleine, rote Leuchtkugel soll sich mal lieber um die Jungfrau Maria kümmern, “ argumentierte er doch ziemlich sachlich und erinnerte dabei daran, dass das jüngste Mitglied Vater wurde und sie außerdem auf die Unterstützung von Patamon, Taima sowie den anderen Kriegern des Stammes zählen konnten. Jedoch ließ sich der Japaner nicht so einfach abschieben. „Ich hätte gern den Schlitten vom Weihnachtsmann gezogen“, versicherte er. „Lass Rudi die Chance, sich zu beweisen.“ Er schaute dabei den Recken an, der schließlich die Entscheidung zu treffen hatte. Der war eindeutig Colts Ansicht. „Rudi kriegt seine Chance an anderen Stelle. Er sollte lieber dem Stern nach Bethlehem folgen, bevor er ihm vor den Augen tanzt, “ beschloss er. Nein, diesmal würde er seinen Piloten für die Rückendeckung brauchen. Da bestand die höhere Wahrscheinlichkeit, dass er heil zu April zurückkehrte und sich das Schicksal seiner Familie nicht wiederholte. Eine kurze Musterung seiner Freunde und der Rennfahrer konnte getrost davon ausgehen, dass die Entscheidung indiskutabel war. „Da sind sich Nikolaus und Giftzwerg mal wieder einig, was“, bemerkte er und lächelte unsicher. Die beiden tauschten einen Blick und wollten dann gleichzeitig wissen. „Wen nennst du hier Zwerg?“ Allerdings stellte Colt sich dabei auf die Zehenspitzen um zu unterstreichen, dass beide größer waren als er. „Rauft es euch aus.“ Der Gefragte hob die Schultern. „Bleibt der Schlitten beim Nikolaus und seinem Helferlein?“ wandte er sich wieder an die Vorbereitung für bevorstehende Auseinandersetzung. „Der Schlitten bleibt bei Rudi und den lieben Kleinen. Zumindest vorläufig, “ legte der Schotte fest, hoffte allerdings dabei, dass sie Ramrod nicht brauchen würden. „Wir haben ja schließlich noch andere Helferlein.“ Die Irokesen-Krieger und die Einheit, die noch zum Schutze der Frauen und Kinder bereit stand, würden mit viel Glück zur Verteidigung eines Angriffes ausreichen. Waren die Schächte erst mal gesprengt, würden sich die Phantomwesen ohnehin zurück ziehen und die nächste Auseinandersetzung konnte in einer, für den Stamm sicheren, Entfernung stattfinden und die Angelegenheit hoffentlich endgültig beenden. „Mann, ich hoffe, ihr wisst was ihr tut“, murmelte Fireball unbehaglich. Saber musste seinen Plan nicht bis in Detail erläutern. Seine Kameraden wussten auch so, worauf dies alles hinauslaufen sollte. Aber Colt und den Recken allein in einer so riskanten Unternehmung zu lassen, gefiel dem Japaner nicht. Als Rückendeckung konnte er zu spät kommen. Wie sollte er das dann Robin und Chily erklären. „Ich weiß es für uns beide“, gab der Blonde zurück und wies auf sich und den Scharfschützen. „Unwesentlich beruhigender“, brummte der Jüngste. „Dein Seelenheil verkommt dabei ja wohl eher zur Nebensache. Ich hol mir für meins erst mal einen Kaffee, “ versetzte der Cowboy in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und verschwand in Richtung der Küche. „Nimm Kontakt zu der Truppe auf und sag ihnen Beschied, “ ordnete der Schotte an, ohne sich um die Bedenken seines Piloten zu kümmern. Dann folgte er Colt. „Rudi will auch Kaffee“, rief der ihm nach, wobei er ein wenig eingeschnappt klang, und setzte sich in sein Modul um Sabers Auftrag auszuführen. „Klar.“ Die Tür schloss sich hinter dem Blonden. Sehr wahrscheinlich, dass sich der werdende Vater mal wieder entmündigt vorkam, doch genau deshalb nahmen weder Saber noch Colt darauf Rücksicht. Eben weil der Japaner Vater wurde und ein Kind einen solchen brauchte. Sollte er, wenn es sein musste, für den Rest seines Lebens deswegen auf sie wütend sein. Das war es wert, wenn es bedeutete, dass er noch ein Leben vor sich hatte. Colt wusste ziemlich sicher, weshalb der Schotte ihm gefolgt war. Sie hatten lange genug dem Neuen Grenzland gedient und jeder im Team kannte den anderen sehr gut. Das war schließlich der Grund, weshalb ihre Freundschaft unter einander stärker war, als die meisten anderen. Das war auch der Grund, warum Saber nun hier war. In keiner, dem Scharfschützen bekannten, Freundschaft stand des Wohl des anderem so weit über dem eigenen wie in dieser. Saber lehnte sich nun neben Colt gegen die Anrichte, auf der der Kuhhirte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte. „Da fallen Weihnachten und Silvester auf denselben Tag“, begann er unverfänglich. Colt nickte. „Soll vorkommen.“ Er holte zwei Tassen aus dem Schrank. Als der Schotte eine dritte hinzu stellte, füllte der Scharfschütze noch Wasser und Kaffeepulver in die Maschine, mit einer Präzision, die ganz besonders für ihn unnatürlich war. „Colt, du musst das nicht tun“, versicherte der Blonde. „Doch, oder soll ich den Kaffee auf die Anrichte hier kippen?“ gab der zurück, als wüsste er nicht ganz genau, wovon sein Vorgesetzter sprach. „Ich rede nicht von den Tassen“, entgegnete der. „Sondern?“ Dass er die Antwort nicht wirklich hören wollte, verriet der Ton des Cowboys ziemlich deutlich. „Sondern davon, dass du nicht in den Stollen gehen musst“, antwortete Saber während er Milch und Zucker hervorholte. „Will ich aber“, beharrte der Scharfschütze und ließ Kaffeelöffel in die Tassen fallen. „Zum Weihnachtsmann und Geschenken gehört für mich so ein richtig guter Christstollen“, ergänzte er dabei. „Die Frau vom Weihnachtsmann wird nicht begeistert sein.“ Wieder lehnte sich Saber gegen die Arbeitsplatte. Die Kaffeemaschine zischte und blubberte vor sich hin. „Erstens hat er noch keine“, berichtigte der Kuhhirte. „Zweitens geht es nicht nur darum und drittens muss das Helferlein ja nicht petzen.“ Nun lehnte er sich ebenfalls an den Küchentisch. „Dann könnte es immer noch Rudolph rausrutschen.“ Mit dem Daumen wies der Schotte in Richtung der Kommandozentral und schüttelte den Kopf. „Jetzt mal im Ernst, Colt. Es ist verdammt gefährlich und riskant. Es gibt nur diesen einen Eingang zum Stollen und den musst du auch wieder zurückschaffen, “ versuchte er seinen Freund zu mahnen. „Und? Wo genau ist jetzt das Problem daran? Die Krücke schleppe ich schließlich seit zwei Wochen nicht mehr mit mir rum, “ informierte der unbeeindruckt. „Ist schon fast dein ganzes Leben her, wie?“ Gegen seinen Willen musste Saber schmunzeln. Das war typisch für den Cowboy. „Ich kann das genauso gut erledigen, Colt“, erinnerte er ihn dann. Der runzelte düster die Stirn. „Den Teufel wirst du tun“, entschied er. „Mal ganz abgesehen davon, dass du es nun wirklich nicht mehr nötig hast, den Helden zu spielen - wir wissen schließlich nun alle, dass du es bist - geht es für mich um sehr viele, sehr persönliche Dinge. Ich bin es dem ein oder anderen hier ganz einfach schuldig, “ erklärte er so bestimmt wie selten zuvor. Die Kaffeemaschine sprotzte die letzten Tropfen in die Kanne. „Ich kann dich wohl nicht umstimmen.“ Diese Einsicht gefiel dem Recken nicht. „Dann versprich mir wenigstens, dass du auf dich aufpasst und dir von mir helfen lässt“, versuchte er einen vernünftigen Kompromiss. „Ganz recht. Jeden weiteren Versuch mich umzustimmen, kannst du stecken lassen. Und natürlich, versprech ich dir aufzupassen. Versprechen kann sich schließlich jeder einmal, “ gab der Scharfschütze zurück und schenkte ein. „Wehe dir!“ Drohend hob der Schotte die Faust und hielt sie dem Freund unter die Nase. „Ich muss mir von Robin den Kopf runter reißen lassen, wenn du nicht mehr aus dem Stollen kommst, Kumpel, nicht du“, rief er dem ins Gedächtnis zurück. „Sei bitte nicht leichtsinnig, Colt“, fügte er dann leiser hinzu. Der drückte die geballte Hand zur Seite. „Wehe dir, du kümmerst dich nicht richtig um meine beiden, sollte etwas schief gehen. Dann komm ich aus der Hölle zurück und hol dich, “ warnte er seinerseits. „Mal bloß nicht den Teufel an die Wand.“ Saber hob die Brauen leicht tadelnd. „Wir wissen beide, dass die Gefahr besteht. Also, gib mir dein Wort, dass du für meine beiden da bist, “ beharrte der jedoch, was dem Recken noch mehr missfiel. Colt sprach, als würde er schon mit seinem Leben abschließen. „Das hast du doch sowieso“, seufzte er. „Aber so weit wird es nicht kommen, Colt. Das darf es nicht, “ beschwor er ihn dann eindringlich. „Wir werden sehen, auch wenn wir es nicht provozieren, “ schlug der das Gesagte in den Wind. Er wollte sich nicht anmerken lassen, wie mulmig ihm selbst bei dem Gedanken daran war. „Lass uns hoffen, dass es gut ausgeht“, schloss Saber das Thema und nahm die beiden Tassen von der Theke. Der Kuhhirte griff nach der dritten. „Dein Vertrauen in mich ist unglaublich“, bemerkte er kopfschüttelnd. „Kein Vertrauen, Colt. Wissen, “ grinste der Recke und verließ die Küche. Colt knurrte eine leise Verwünschung in die Tasse und nahm einen Schluck. An seine Schwächen und Fehler erinnert zu werden, mochte er nicht. Ohne, dass es ihm klar war, starrte er seinem Vorgesetzten nach. Der Schotte hatte doch nicht wirklich geglaubt, er könne ihn davon abhalten? So gut musste er seinen Scharfschützen doch kennen. Zumindest kannte der ihn gut genug um überzeugt zu sein, dass der Blonde ihn in der Mine nicht allein lassen würde. Saber hatte schließlich Robin versprochen auf Colt Acht zu geben. Also würde er das auch tun. In dem Punkt konnte der Recke einfach nicht anders. Genauso wenig wie Colt. Seine Eltern waren wegen dieser Mine gestorben. Ebenso Dooley und BooYeah. Seine beste Freundin war bedroht und angeschossen worden. Patamon, der treue Freund aus Kindertagen, hatte ebenfalls im Krankenhaus im Koma gelegen. Schlussendlich litt jeder, den der Cowboy kannte wegen Pennyrile. Jeder, der ihm nahe stand. Das musste ein Ende haben. Das musste er beenden. Denn sich in Zukunft nicht mehr so stark in das Leben und die Entscheidungen seiner Freunde einzumischen, wie er es sich nach dem Gespräch mit Hinun vorgenommen hatte, setzte voraus, dass sie am Leben blieben. Colt wusste, dass Robin sein Vorhaben auf keinen Fall billigen würde. Doch wie sollte er die Frau, die er über alles liebte, glücklich machen können, wenn er das Gefühl haben musste, nicht richtig auf sei aufpassen zu können, nicht wirklich ausnahmslos im Stande zu sein ALLES für sie zu tun. Und dieses Gefühl würde er für den Rest seines Lebens mit sich herumtragen, wenn er nicht diese Mine in die Luft jagte. Nein. Da konnte jeder reden, was er wollte. Er war überzeugt davon, dass er dies tun musste und nicht mal der Leibhaftige oder der Allmächtige würden ihn davon abhalten. Und für den Fall, dass etwas schief ginge, war Saber sicher zur Stelle. Unbewusst hatte der Cowboy ihn längst einkalkuliert. Die Waffen der Irokesen mochten altmodisch sein, aber sie hatten einen Ausgleich zu dieser Schwäche. Sie kannten ihre Heimat. Die dichten Wälder, der Berg, die Wiesen – all das war ihr Zuhause, weil es zwei sehr wesentliche Faktoren erfüllte. Es bot Nahrung und Schutz. Inzwischen wimmelte es im Dickicht von Fallen, die durchaus wirkungsvoll die waffentechnische Überlegenheit der Phantomwesen entkräften konnten und einen Kampf auf einen angeglichenen Level ermöglichten. Die Findigkeit der Indianer war bemerkenswert. Die Einheit der Starsheriffs war halbiert worden. Ein Teil blieb mit Ramrod zum Schutz und zur Rückendeckung bei den Frauen und den Kinder des Stammes. Der andere würde die Krieger in der Schlacht unterstützen. Zur Abenddämmerung hin bezogen alle ihre Posten. Robin wandte sich unruhig im Bett hin und her. Der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Ihr jagte so vieles durch den Sinn, von dem sich nichts fassen oder aus dem Kopf verbannen ließ. Vor allem die Angst erfüllte sie wie die Dunkelheit das Zimmer. Schließlich schob sie die Bettdecke zurück und stand auf. Sie schaltete die Nachttischlampe an und sah sich um. Dann schlüpfte sie in eine Hose und zog eine Strickjacke über ihr Schlafshirt, welches eigentlich Colt gehörte. Sie musste aus diesem Raum. Ein kleiner, nächtlicher Spaziergang würde sie hoffentlich beruhigen. Verwundert blickte ihr Bodyguard sie an, als sie die Tür öffnete, folgte ihr aber wortlos wie ein Schatten. Robin hatte sich keine Gedanken gemacht, wohin sie wollte. Etwas überrascht registrierte sie, dass sie an den Stallungen vorbei zu den Garagen gelaufen war. Wieso? Weil ihr der Park in der Nacht noch unheimlicher gewesen wäre? Ja, das musste es sein. Aber unheimlich war auch das Geräusch, welches sie hinter sich vernahm. Sie drehte sich um. Da war niemand. Eben wollte sie ihren Weg fortsetzten, als ihr aufging, dass auch ihr Bodyguard nicht mehr da war. Hastig wandte sie sich erneut um und blickte in das Gesicht einer Person, das hier hätte gar nicht auftauchen dürfen. „Hi Robin“, sagte diese freundlich und lächelte im Halbdunkel kühl. „Überrascht?“ fragte die Gestalt dann, als die Lehrerin sie wie zur Salzsäule erstarrt anschaute. „Ich bin immer für Überraschungen zu haben.“ Das klang drohend. Instinktiv machte Robin einen Schritt zurück. Dann noch einen und noch einen. „Bleib doch, Süße.“ Die Person folgte ihr gelassen, während die Lehrerin immer hektischer zurück wich, unfähig zu schreien um auf sich aufmerksam zu machen. Der Schreck, der in sie gefahren war, erlaubte es ihr nicht. Das Knirschen ihrer Schuhe auf dem Boden verriet, dass außer ihr und ihrem Gegenüber wirklich keine Seele hier war. „Hab doch nicht so eine Angst. Ich bin doch nur hier um dir einen Gefallen zu tun und dich zu Colt zu bringen, “ beruhigte die Gestalt sie kühl. Jetzt breitete sich die Panik in jeder Faser von Robins Körper aus. Das war ganz und gar nicht gut. Sie musste hier weg. Schnell. Sie hätte hier nie herkommen dürfen. Nicht in der Nacht. Nicht in der Dunkelheit. Nicht ohne irgendjemand mit zu nehmen. Die Gestalt vor ihr lachte leise. Lachte böse. Mit dem nächsten Schritt stieß Robin gegen eine weitere Person. Eine kräftige Hand legte sich um ihren Mund. „Sch“, zischte ihr eine dunkle Stimme zu. „Schön brav sein. Dann wird alles gut.“ Sie fühlte ein Grinsen an ihrem Nacken. Die beiden Schatten nickten sich zu. Das Vorhaben war gelungen. Chily schoss aus dem Schlaf in die Höhe. Es war passiert! Das spürte sie. Sie sprang aus dem Bett und flog zur Tür. Ihr Leibwächter fuhr zusammen, als sie ihn erschrocken anstarrte. Nervös schaute sie sich im Gang um. Vor Aprils Zimmer stand deren Schatten. Ohne weiter zu überlegen, stürmte die Hebamme den Korridor entlang, eilte die Treppen hinauf in die Etage, auf der die Räume des Kronprinzen waren. Wild und aufgeregt hämmerte sie gegen dessen Schlafzimmertür. Ihr ratloser Bodyguard konnte sie nicht davon abhalten. Sie lärmte so lange, bis Roland völlig verschlafen und irritiert in den Flur trat. Mitternacht. Die Geisterstunde. Die Stunde der Phantomwesen. Rasch näherten sich ihre Gleiter der Mine. Die Scheinwerfer verrieten ihr Kommen, doch niemand schien es zu bemerken. In der Finsternis regte sich nichts. Lautlos schlich Patamon zu Sabers Schlafstatt. Noch ehe er ihn an der Schulter berühren konnte, zielte der Lauf dessen Blasters zwischen die Augen des Indianers. „Der Schlaf eine Kriegers, “ bemerkte der Irokese leise. „Es ist so weit, “ fügte er dann hinzu. Entschuldigend hob der Recke die Schultern und nickte. „Colt?“ Die Schwadron glitt ungehindert durch die Nacht. Die erste Hälfte hatte schon beinahe den Wald überflogen, als sich leise surrend ein Seil hinter ihnen spannte. So unerwartet tauchte es vor den Scheinwerfern auf, dass Bremsen nicht mehr möglich war. Die Piloten der Gleiter wurden aus den Sitzen gerissen. Ihre Gefährte flogen unkontrolliert weiter und zerschellten in lauten Detonationen an den Bäumen. Die vordere Gruppe setzte ihren Flug fort, während die anderen ihr Tempo drosselten um nicht das Schicksal der Unglücksraben zu teilen. Die Anzeige am Zeitzünder blinkte auf. Fünf Minuten. Dann begann sie runter zuzählen. Colt lief den Gang zurück. In dem faden Licht der altersschwachen Anlage und mit einem Fuß, der noch nicht ausgeheilt war, ein schwierigeres Unterfangen, als er erwartet hatte. Aber drüber konnte, durfte und wollte er sich nicht beklagen. Er hatte ohnehin keine Zeit dafür. Er musste den zweiten Aufenthaltsraum erreichen. Der unerwartete Angriff hatte für Verwirrung gesorgt. Die Schwadronenhälfte, die so überraschend von der vorderen Gruppe getrennt worden war, überflog nun, nach dem Gegner suchend, den Wald. Wie aus dem Nichts schwirrten Brandgeschosse durch die Luft und trafen Sicher die Fliegenden. Unter den Erschütterungen und den Feuersäulen der Explosionen wurde das Umfeld erhellt. Dort und da waren huschende Gestalten zu sehen. Das Feuer war eröffnet. Colt musste zu geben, dass er sich mit seiner Aufgabe übernommen hatte. Eben hatte er den zweiten Zünder aktiviert und hatte eine geschlagene Minute dafür gebraucht. Bis er den letzten platziert hatte, würde er eine weitere brauchen. Dann blieben im noch drei Minuten, ehe die erste Ladung hoch ging. Da er davon ausgehen konnte, dass er nicht einfach aus dem Schacht spazieren konnte, was ihm die Erschütterungen des Kampfes verrieten, waren drei Minuten verdammt wenig. Aber sollte er unter diesen Umständen darauf hoffen, dass Saber zur Stelle war? Wenn alles schief lief, würde sie beide es nicht rechtzeitig aus dem Stollen schaffen. Dann bleib nicht nur seine Robin, sondern auch seine Chily allein. Keine der beiden Varianten gefiel ihm sonderlich. Nein, der Recke musste sich um sie kümmern. Er durfte Colt auf keinen Fall helfen. Schon schlimm genug, wenn er es nicht schaffte. Aber er musste. Der Scharfschütze presste die Zähne zusammen und lief weiter durch den maroden Gang. Pfeile zischten durch die Nacht und trafen die Visiere der Helme. Die Outrider-Anzüge fielen leer zu Boden. Taima und Patamon waren hervorragende Schützen und mutig genug, die Gleiter zu kapern. Obwohl sie noch nie auf etwas vergleichbaren gesessen hatten, schafften es beide recht schnell mit der Steuerung klar zu kommen und die Einheit der Starsheriffs zu unterstützen, die versuchte, die erste Hälfte der Schwadron am Waldrand abzufangen. Dennoch gelang es einigen Phantomwesen sich der Mine zu nähern. Fireball saß unruhig in seiner Satteleinheit an Board von Ramrod. Von fernher hörte er die Kampfgeräusche. Ihm juckte es fürchterlich in den Fingern. Er wollte einschreiten, Colt und Saber zur Seite stehen, aber der hatte ausdrücklich befohlen, zu warten, bis der Rennfahrer gerufen wurde. Missmutig brummte er vor sich hin. Wenn der Schotte so sehr auf eine Anordnung und Folgeleistung bestand, wagte der Pilot nicht, sich zu widersetzen. Sein Boss betonte selten Kommandos so entschieden und daher dachte Fireball nicht eine Sekunde lang ernsthaft daran, diese zu missachten. Colt hatte den letzten Zünder aktiviert, als die Erschütterung einer Explosion nahe der Mine ihn zu Fall brachte. Rasch rappelte er sich auf und rannte den Gang entlang. Dieses letzte Stück des Weges war das längste. Sein Fuß schmerzte höllisch, weshalb er nicht so schnell voran kam, wie er wollte. Der Gedanke an die verbleibenden höchstens noch drei Minuten machten ihn hektisch. Das Licht flackerte und drohte zu erlöschen. Im Dunkel würde er noch schlechter vorwärtskommen. Dann fing sich die Verbindung wieder und er erkannte den Recken, der auf ihn zu lief. „Kennst du den Unterschied zwischen IN der Mine und VOR der Mine nicht?“ rief er wütend, als er begriff, was das nur bedeuten konnte. „Doch“, schrie Saber zurück. „Tot IN der Mine heißt, du bist schon beerdigt. Tot VOR der Mine heißt, wir tragen dich zu Grabe.“ Es war sicher gut, dass er sich in seinem Vorgesetzten nicht geirrt hatte, aber ihm ging noch immer durch den Kopf, dass Robin und Chily allein blieben, sollten der Blonde und der Lockenkopf es nicht rechtzeitig schaffen. „Scherzkeks! Du solltest VOR der Mine auf mich warten, und mir nicht IN der Mine entgegen kommen, “ grollte er. „Wo ist dein Rattenschwanz, der dir garantiert gefolgt ist?“ Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, mussten sich beide vor Schüssen in Sicherheit bringen. „Hinter mir“, stellte der Recke trocken fest. Colt rollte die Augen. „Klasse einfach!“ Verstimmt zog er den Blaster aus dem Halfter, linste kurz aus seiner Deckung um die Lage abzuschätzen und schlug sich frustriert mit der Hand, in der er die Waffe hielt, gegen die Stirn. „Eine echte Denkernatur“, brummte er. „Hast du alle Zünder eingestellt?“ wollte der Recke wissen. In dem Chaos, das hier herrschte, war es möglich, dass der Scharfschütze das nicht geschafft hatte. Draußen tobte ein erbitterter Kampf, deren Auswirkungen bis in die Tiefen des Bergwerkes zu spüren waren. „Wie viel Zeit haben wir noch?“ hakte der Schotte nach, als Colt leicht genickt hatte. „Fünf Minuten?“ gab er ungenau zurück. „So Daumen mal Pi halt.“ – „Sehr schön“, kommentierte der Blonde wenig begeistert. Das konnte nur bedeuten, dass sie wesentlich weniger Zeit hatten. „Dann sehen wir mal zu, dass wir Beerdigung feiern“, schlug er sarkastisch vor, zielte auf zwei Wrangler, die sich näherten, und lief dann voraus. „Aber nicht unsere!“ Colt folgte ihm. „Natürlich nicht“, rief Saber und stieß Colt, der dicht hinter ihm rannte, zur Seite. „Aber nur, wenn du deine Deckung nicht vernachlässigst.“ Im nächsten Moment war es der Cowboy, der den Recken schubste um ihn vor den fallenden Schüssen zu schützen. „Das machst du doch auch ständig“, stellte er fest und schoss die Phantomwesen, die in die Mine eindrangen und auf sie zu stürmten ab, wie Tontauben. Der Schotte half ihm dabei. Jeder von ihnen war in einer Nische vor Treffern beschützt und schoss schnell und zielsicher daraus hervor. Die Lampen flackerten erneut und machten schwer zu erkennen, wie viele der Outrider auf sie zu kamen. Dann brach die Stromversorgung endgültig zusammen und die beiden nutzten diesen Umstand zu ihrem Vorteil. Im Gegensatz zu ihren Feinden blickten sie aus der Finsternis in ein wenig hellere Nacht, die immer wieder von Leuchtfeuer erhellt wurde. Währenddessen hatten die Phantomwesen absolute Schwärze vor sich. „Verdammt eng hier drin“, knurrte Colt und verließ seinen Unterschlupf. Auch Saber stürmte vorwärts. „Offensichtlich mögen die es kuschlig, wenn sie hier so nah kommen.“ Die beiden Wrangler vor ihm erkannten sein Schwert in der Dunkelheit zu spät und wurden in ihre Dimension zurück befördert. „Ich will aber nicht kuscheln“, rief Colt ihm zu und rannte einen Schergen um, da er ihn nicht rechtzeitig erkannt hatte. „Da kriegt man ja Platzangst“, fügte er dann noch hinzu. „Sagst du das auch zu Robin?“ fragte der Recke zurück und ließ einen Gegner über seine Schulter gegen die Wand stolpern. „Zu ihr sag ich was anderes“, grinste der Gefragte und ballerte sich weiter den Weg frei. „Gut, dann bin ich beruhigt.“ Saber warf einen Blick über die Schulter. Er verlor Colt bald, wenn der nicht schneller wurde. Aber mit dessen Hinkefuß war das nicht so einfach. Schon donnerte der erste Sprengsatz unter ihnen. Jetzt wurde es aber Zeit hier rauszukommen. „Willst du wissen, was ich zu Jolene sag?“ fragte er um den Freund ein wenig aufzustacheln. Vielleicht würde er dadurch sich noch einmal mobilisieren können. Tatsächlich legte der einen Zahn zu. „Verkneif es dir, sonst verfehl ich womöglich noch einen Outrider und erwisch stattdessen dich“, warnte er dabei. „Bei dem Tempo? Dann bin ich in Sicherheit, “ fuhr der Recke mit der Neckerei fort. „Vielleicht zieht Jolene dann wieder die Schulmädchenuniform für mich an.“ Prompt tobte der Scharfschütze hinter ihm. „Das macht sie nicht!!! Wie bist du denn drauf?“ Noch einmal beschleunigte er sein Tempo. „Noch nicht auf ihr, das ist mal sicher.“ Sabers Provokation war der nötige Antrieb und Colts krasser Beschützerinstinkt wirklich mal zu was gut. Immerhin schien es den Einheiten außerhalb zu gelingen, die Wrangler davon abzuhalten in die Mine zu gelangen. „Bah! Wenn ich dich erwische, dann gnade dir Gott, Kumpel!“ – „Dann mach mal Tempo. Wenn du in allen Dingen so lahm bist, tut Robin mir sehr leid, “ stichelte Saber munter weiter. „Jetzt mach aber mal halb lang! Sei froh, dass ich nicht so ein Schnellzünder bin, wie Fire, sonst stündest du alleine hier!“ Colt hatte ihn fast eingeholt. Dem Ausgang des Schachtes kamen sie schon näher. Dass die zweite Detonation sie wieder ins Straucheln brachte, war jedoch nicht so günstig für ihr Entkommen. „Rakete oder Rohrkrepierter. Du solltest irgendwo dazwischen liegen, sonst wird sie sich Ersatz und Akkus beschaffen, “ heizte Saber den Scharfschützen noch einmal an. Der schloss nun endgültig auf. „Noch ein Wort und ich verpass dir wirklich eine!“ drohte er wütend, aber der Blonde hatte erreicht was er wollte. „Nachher.“ Er packte Colt im Laufen an dessen linken Arm und legte so viel Kraft in den Stoß, wie er nur aufbringen konnte. Mit einem überraschten „Hey“ segelte der Cowboy aus dem Stollen, stürzte und rollte noch ein gutes Stück weiter aus dem Gefahrenbereich. Kapitel 16: Where the Eagles fly II ----------------------------------- Als der Recke seinen Freund losgelassen hatte, verhalf die Kraft einer Druckwelle zu dem Erfolg der Aktion. Gleichzeitig sorgte sie jedoch auch dafür, dass der Recke darunter, und unter der Erschütterung, ins Rutschen geriet und halb mit dem Rücken zum Eingang auf seiner rechten Schulter landete. Der Schotte sah noch eine Welle von Staub und Gesteinsbrocken auf sich zu kommen, doch der Druck verhinderte, dass er die Arme schützend vor das Gesicht heben konnte. Scharfkantige Geschosse schrammten über seinen Anzug und hinterließen lange Kratzer. Er versuchte sein Gesicht zum Boden zu wenden und seinen Kopf zu schützen. Dann umgab Schwärze ihn. Colt rollte aus und riss den Kopf nach oben. „SABER“, brüllte er panisch. Doch statt des Recken sah er nur Staub und Schutt entgegen. Er wartete gerade lange genug, bis sich der größte Teil dieser Wolke gelegt hatte, eilte er zu dem Geröllhaufen und begann zu buddeln. „Saber, verdammt.“ Er riss die Brocken in die Höhe und schleuderte sie weit hinter sich. „Hey, Beerdigung findet hier noch keine statt.“ Zwei Hände griffen neben ihm zu den Steinen. „Wo ist er?“ fragte Patamon ihn. „Das weiß ich doch nicht!“ kreischte er zurück. Wo auch immer die Brüder herkamen, sie sollten nicht fragen, sondern graben. Aber es gab viel Grabungsfläche. „Wo etwa hast du ihn zu letzt gesehen? Mehr dort oder mehr da.“ Taima ließ seinen Finger über den Steinhaufen wandern. „Mehr da!!!“ wies Colt die Stelle aus. „Aiyana Etu, halte durch“, beschwor Patamon und entfernte die Gesteinsbrocken energisch. Dass der Kampflärm verebbte und sich wieder entfernte bemerkten sie nicht. Fieberhaft schaufelten sie nach dem Recken. „Verdammt, der muss doch hier irgendwo sein“, fluchte der Lockenkopf außer sich. „Eine Hand hab ich“, hörte er den Älteren der Brüder rufen. „Mit Arm daran?“ fragte der Jüngere zurück. Patamon schon den Schutt darum herum zur Seite. „Ja, und mit Schulter“, gab er zur Antwort. Nun sprang sein Bruder auf das Geröll, dort, wo die andere Körperhälfte verschüttet sein musste, und warf das Gestein zur Seite. Mit etwas Glück würden sie den Schotten sicher da raus holen können. Recht schnell legten sie, erst den Kopf, dann den Oberkörper des Gesuchten frei. Dennoch erschien es dem Lockenkopf wie eine Ewigkeit. Dann begriff er, dass dieser dunkle Streifen in dem Gesicht seines Freundes kein Schmutz, sondern Blut war. Er funkte Fireball an, er solle sofort mit Ramrod kommen. Unterdessen griffen die beiden Krieger dem Recken unter die Achseln und den Rücken und versuchten ihn aus dem Schutthaufen rauszuziehen. Keines der Beine des Verschütteten war eingeklemmt, weshalb diese Unterfangen erfolgreich war. Sie trugen den Bewusstlosen auf eine freie, kleine Fläche, auf die die letzte Explosion keinen Unrat gespuckt hatte. Von dem Jubel und Freudentaumel, der mit der aufgehenden Sonne über das befreite Pennyrile kam, bekamen die Personen auf Ramrod nichts mit. Fireball und Colt standen am Fußende der Pritsche, auf der der Schotte lag. Patamon und Taima hatten den Bewusstlosen versorgt und es war wohl unter diesen Umständen gut, dass er ohnmächtig war. Sie mussten eine lange Schnittwunde in seinem Gesicht, die eigentlich aus zwei Teilen bestand, reinigen und nähen. Scharfkantiges Gestein hatte die Haut so wie die darunter liegenden Schichten bis auf den Knochen aufgerissen. Die Verletzung reichte etwa von der Mitte des Haaransatzes bis zur Stelle an der die Augenbraue auslief. Von dort begann der andere Riss nur wenige Millimeter daneben und endete unterhalb der Schläfe über dem linken Ohr. „Er könnte ja langsam mal wieder aufwachen“, knurrte Colt ungeduldig, als die Brüder ihr Werk erledigt hatten. Der ältere der beiden schien diese Ansicht zu teilen und stieß den Recken sacht an. „Hey, Aiyana Etu. Mach die Augen auf.“ – „Warum sollte er? Keiner von uns sieht ihr ähnlich, “ meinte Taima. Wie dieser Aussage zum Trotz blinzelte der Recke. „Na endlich, Saber. Man kann dich sonst so schlecht zusammen stauchen, “ begrüßte der Rennfahrer den Erwachten. Brummen war die Antwort. „Er hat wohl einen Kiesel zu viel auf die Rübe gekriegt. Stell dich drauf ein, dass er mir jetzt ähnlicher ist, “ stellte der Cowboy an seinen Hombre gewandt fest. „Dann erschieß mich bitte, “ versetzte der prompt. Halb wach musste Saber grinsen und richtete sich leicht auf. Dann stützte Colt sich auf die Pritsche, beugte sich zu seinem Vorgesetzten und funkelte ihn böse an. „Sag mal, liebst du meine Jolene nicht mehr, oder warum hast du versucht dich begraben zu lassen?“ Nicht nur diese Frage, sondern auch das Ziehen an der genähten Wunde ließen das Schmunzeln verlöschen. Saber presste die Lippen zusammen und verzog schmerzlich das Gesicht. „Fang ja nicht an zu jammern“, gebot Fireball nüchtern. „Bist selber Schuld. Die paar Kratzer sind viel zu wenig Strafe dafür, dass du mich zu einem Boxenstopp verdonnert hast. Hoffentlich reißt deine Süße dir dafür gehörig den Arsch auf. Nichts anderes hast du verdient, “ motzte er ihn dann an. Der Recke legte sich wieder hin und schloss die Augen. Unter den Steinen verschüttet zu liegen, schien eine angenehme Option zu dieser Standpauke zu sein. Patamons Vorschlag, den Blonden ein wenig allein zu lassen und ihm Ruhe zu gönnen, ging einigermaßen ungeachtet unter. Taima lotste seinen Bruder daraufhin nach draußen. Die drei hatten ein Problem mit einander und sollten es allein lösen. Das ging die beiden Krieger nichts an. Kaum hatten sie den Raum verlassen, musste Fireball Colt davon abhalten sich auf Saber zu stürzen. Der Wortschwall, der dem Scharfschützen über die Lippen kam, war schlagkräftig genug. „Bist du eigentlich schwachsinnig? Erst gibst du mir dein Wort, das du für meine beiden da bist, sollte mir was passieren, und dann turnst du in der Mine rum, als wärst du so ganz unwesentlich lebensmüde. Die Aktion da drinnen war nur irre. Das ist verdammt noch mal mein Part, nicht deiner. Hast du auch nur eine Minute daran gedacht, was wäre, wenn es uns beide erwischt hätte? Du hast mir dein Wort gegeben. Wie wolltest du das halten, wenn du als Mus unter der Erde liegst? Man, du musst nicht mehr ganz dicht sein?“ Colt riss sich von Fireball los und schlug mit der Faust gegen die Wand, so sauer war er. Saber hatte sich währende dieser Rede leicht aufgerichtet. Der Kopf schmerzte und er war noch ein wenig benommen. Dennoch hatte er das Gesagte vollkommen aufgenommen. Jetzt sah er den Piloten vor sich, der die Arme vor der Brust verschränkte. „Bilde dir ja nicht ein, dass das schon alles war“, fauchte er, nicht weniger verstimmt als der Kuhhirte. „Man, echt. Wenn da eine Narbe zurück bleibt, “ Er wies auf die Naht. „werde ich mich ewig daran erinnern, dass ich nicht da war, als ihr mich gebraucht hättet. Ich werde jedes Mal, wenn ich dich ansehe, ein schlechtes Gewissen haben. Nur weil du diesen beknackten Befehl gegeben hast und ich mich einfach daran halten musste. Du musstest ihn ja auch so betonen, dass ich mich nicht gewagt hab zu widersprechen. Dabei bist du selber Schuld, wenn deine dich jetzt zu Tode pflegt …“ Hier unterbrach Colt ihn und streute kurz ein. „Wird sie erst, wenn deine Tochter da ist." Der Rennfahrer hob erst überrascht die Brauen, dann gelassen die Schultern. „Hauptsache sie wird. Ich werde ihn persönlich festbinden, wenn er abhauen will. Sie wird schon dafür sorgen, dass es ihm leid tut.“ Jetzt stemmte er die Hände in die Hüften und hatte der Recke geglaubt, er hätte jetzt seine Ruhe, so irrte er. Fireball fuhr fort: „Da wird mir jahrelang eine Predigt gehalten, was Leichtsinn ist und selber einen Dreck besser! Man fasst es nicht.“ Er warf die Arme in die Luft. „Aber wenigstens folgt die Strafe auf dem Fuß. Sie soll dir das Herz brechen, für den Quatsch, den du fabriziert hast.“ Endlich musste er Luft holen und der Getadelte brachte die trockenen Lippen auseinander. „Bringt mich wieder in die Mine und jagt sie noch mal in die Luft“, krächzte er. „Hättest du wohl gern“, schnappte Colt. „Mach ich sofort“, erklärte der Pilot bereitwillig. „Wir haben nur leider keine Sprengsätze mehr.“ Entgeistert fuhr der Scharfschütze zu ihm herum. „WAS? Für den Scheiß willst du ihm noch einen Gefallen tun? Hat er gar nicht verdient, hat er nicht.“ Saber wünschte sich sehr tief unter die Steinlawine zurück, während der Jüngste im Bunde kurz überlegte. „Stimmt. Dann sollten wir ihn lieber Jean-Claude vorwerfen, “ gab er Colt recht. „Ich bitte darum. Schlimmer kann es nicht mehr werden, “ bemerkte der Blonde rau. „Doch, “ widersprach Fireball sofort. „Ich hätte noch ein oder zwei Alternativen anzubieten.“ Interessiert sah der Kuhhirte ihn an. Unterdessen quälte der Schotte sich weiter in die Höhe, ließ die Beine von der Pritsche rutschen und brachte sich langsam, aber erfolgreich in eine sitzende Position. „Alternative Eins: Wir setzen ihn zu unseren drei Mädels, für eine Woche. Alternative Zwei: Er geht statt mir zur Schwangerschaftsgymnastik mit April.“ Bei dem letzten Satz umspielte schon wieder ein leichtes Grinsen seine Lippen. Er war ja viel zu erleichtert darüber, dass Saber einigermaßen unverletzt geborgen worden war, als das er noch länger hätte mit ihm grollen mögen. „Ich wäre für beides“, erklärte Colt trocken. Er schien das nicht so schnell zu verzeihen. Berechtigterweise musste Saber eine weitere Predigt fürchten, weshalb der nun seine Beine auf den Boden setzte und sich hinstellte. Kaum stand er aufrecht, sackte er zusammen. Fireball griff ihm rechtzeitig unter die Arme, ehe er auf den Boden schlagen konnte. „Vorrangig wär ich jetzt dafür, dass du dich wieder hinsetzt“, murmelte er. Der Schotte stützte sich an ihm ab und nahm auf seinem Lager wieder Platz. „Ich will nur von den Predigten weg. Weit weg, “ versicherte er dabei. „Die kriegst du nachher wieder, Säbelschwinger, “ versprach sein Pilot. Saber seufzte unterdrückt. „Krieg ich jetzt bitte etwas gegen die Schmerzen?“ fragte er. „Tut dir die Narbe weh?“ wollte der Cowboy wissen und die Sorge in seiner Stimme ließ sich nicht ableugnen. „Nein, die Ohren“, erwiderte Saber matt, aber staubtrocken. „Halt die Luft an und zähl bis zehn“, schlug der Rennfahrer vor. „Gib mir noch etwas Mull. Ich glaub, meine Ohren bluten schon.“ Die Benommenheit hielt sich noch in Sabers Kopf. „Glaub mir, wenn deine Ohren bluten würden, hätte der Kopf mehr abgekriegt“, schnaufte der Scharfschütze. In seinem Inneren war er froh, dass dies nicht der Fall war. Das hätte er Chily auf keinen Fall erklären wollen. Für ihn war das Maß nun voll. Es gab zu viele Gefahren für die, die ihm etwas bedeuteten. Immer noch. Der Schotte war das beste Beispiel dafür. „Ich kauf mir die Saftnasen“, erklärte er deshalb entschieden und wandte sich zum Gehen. „Stopp!!!“ Saber brachte genug Kraft auf um dies energisch rufen zu können. Colt beeindruckte es nicht. Er schaute lediglich über seine Schulter zurück. „Ich bestell ihnen schöne Grüße von dir, keine Sorge“, meinte er leicht und wollte weiter. „Muss ich den Vorgesetzten raushängen lassen? Fireball, halt ihn fest.“ Dem Blonden war es verdammt ernst. Er, wie auch seine Freunde, hatte ein Versprechen gegeben und es war einfach Ehrensache, es zu halten. „Ich stoß ihn auch gerne für dich mit dem Kopf gegen die Wand, vielleicht wird er dann vernünftiger“, antwortete der Pilot und baute sich vor den Cowboy auf. „Dein Vorgesetzter bleibt schön da, wo er ist, den will hier keiner sehen, “ knurrte der, verstimmt darüber, dass die beiden ihn aufhalten wollten. Der Rennfahrer zuckte mit den Achseln, warf einen kurzen Blick zu seinem Boss und packte den Kuhhirten am Kragen. „Welche Wand? Die darfst du dir aussuchen, Kumpel, “ informierte er trocken. Saber wies auf ein Stück zwischen dem Türrahmen und einem Regal. „Aber bitte so, dass wir ihn danach noch brauchen können.“ – „Um den Sturschädel mach ich mir keine Sorgen, eher um die arme Wand“, versetzte der Pilot nur und bedachte den Scharfschützen mit einen ernsten Blick. Saber stellte seine Beine wieder auf den Boden und lehnte sich leicht gegen die Pritsche. „Mach es einfach.“ Uninteressiert hob er die Schultern. „Noch hast du die Chance, vernünftig zu werden“, wandte Fireball sich darauf an Colt und schleifte ihn zu der Wand, die Saber vorgeschlagen hatte. „Spinnt ihr eigentlich?“ Der Cowboy riss sich heftig von seinem Hombre los. „Was habt ihr in letzte Zeit bloß, das ihr euch dauernd gegen mich zusammen tut?“ fragte er und blickte vorwurfsvoll von einem zum anderen. Waren sie etwa keine Freunde mehr? Doch. Genau deshalb taten sie es. „Du denkst momentan nur von zwölf bis Mittag! Du kannst nicht einfach losstürmen, verdammt, “ erläuterte der werdende Vater streng. „Das haben wir beide dem vor nicht mal einer Minute auch erzählt, “ erwiderte Colt und deutete mit der Hand auf den Schotten. „Der denkt neuerdings auch nicht mehr.“ Leider hatte er damit nicht so unrecht. Saber straffte die Schultern und winkte leicht ab. „Das ist reine Spekulation!“ Er hatte schließlich seine Predigt dafür kassiert. Vorläufig war ihm das auch genug. Das schlimmste kam noch, wenn er erst mal seiner Jolene gegenüberstand. Das stand mal fest. „Nein, das ist Tatsache“, brauste Colt auf. „Sogar unser Kleiner sieht das schon so. Kann es sein, dass ...“ Er biss sich auf die Lippe. Nein, den Satz durfte er nicht zu Ende bringen, wenn er seinen guten Vorsatz verwirklichen wollte. „Also, wie willst du vorgehen, Boss?“ hakte er deshalb nach. „ Unser Kleiner hat im Gegensatz zu dir dazugelernt“, entgegnete der Gefragte verärgert. „Wie steht es um Pennyrile?“ wollte er dann wissen um sich das Laufende zu bringen. „Gut. Die Phantombubis haben sich erst mal zurück gezogen, “ informierte der Scharfschütze so sachlich er gerade konnte. „Drei Gleiter folgen ihnen um ihre Position ausfindig zu machen, “ ergänzte Fireball die Auskunft. „Gut, sie haben mitgedacht, “ bemerkte Saber zufrieden und überdachte die Angaben kurz. „Wir warten, bis sie die endgültige Position der Outrider ausfindig gemacht haben, dann statten wir ihnen einen Besuch ab, “ meinte er dann. „Diesmal zu dritt, “ bestimmte der Rennfahrer. Noch einmal ließen sie ihn nicht außen vor. Egal, wie viel Ärger er mit seinem Boss bekommen würde, diesmal würde er sich nicht an einen solchen Befehl halten. Das war so sicher, wie das Amen in der Kirche. Colt jedoch entschied anders. „Nö! Der Elf hat was an der Birne und Rudi leuchtet mir zu doll. Das macht der Nikolaus alleine, “ gab er knapp zurück und wandte sich erneut zum Gehen. „Das Angebot mit der Wand steht noch, nicht wahr Fireball!?“ Saber verschränkte die Arme vor der Brust. „Sollte die Wand zu wenig hart sein, schlage ich die Außenhülle von Ramrod vor“, nickte der sogleich zurück. Noch immer stand er Colt im Weg und verschränkte nun die Arme vor der Brust um deutlich zu machen, dass er ihn nicht einfach ziehen lassen würde. „Denkt ja nicht, dass ich jetzt noch meine Füße still halte“, beharrte er auf seiner Entscheidung und sah den Recken mahnend an. Colt schob den Rennfahrer leicht an der Schulter zur Seite. „Sehr beeindruckend, der Zwergenaufstand, “ kommentierte er alles andere als beeindruckt, winkte dem Blonden kurz zu und verabschiedete sich. „Bis bald, ihr zwei Zarten.“ – „Vergiss es, Freundchen!“ Fireball hielt das Handgelenk des Kuhhirten fest, mit dem er ihn zu Seite schieben wollte. „Alleine gehst du nirgends hin!“ befahl er harsch. Saber löste sich von seiner Liegestatt. „Bitte hier her mit ihm. Ich möchte ihm mal was in Ruhe erklären, “ sagte er und wies einladend mit der Hand auf die Pritsche. „Das wollen wir doch mal sehen.“ Der ehemalige Kopfgeldjäger hatte nicht vor sich von seinem Vorhaben abbringen zu lassen und er war seinem kleinen Hombre kräftemäßig doch überlegen. Mit der freien Hand griff er nun nach dem Handgelenk des werdenden Vater und drückte es so derb zusammen, dass er der unweigerlich den Cowboy loslassen musste. Überrascht von der Grobheit rieb er sich die schmerzende Stelle. „Bei dir ist wohl neuerdings nur noch Stroh im Kopf, was?“ So kannte er seinen Kumpel gar nicht. „Du bist neuerdings wohl taub. Ich sagte, ich gehe, “ erklärte Colt und verdrängte rasch, dass er Fireball härter angegangen war, als gut für einen Freundschaft war. Wiederum machte er einen Schritt auf die Tür zu und wiederum stellte sich der Rennfahrer ihm in den Weg. „Nicht alleine, herrgott noch mal! Willst du dich umbringen?“ fuhr er ihn an. „Das kannst du auch einfacher haben!“ fügte er dann böse hinzu. „Allerdings.“ Saber war mit wenigen Schritten bei den zweien und zog Colt, der damit nicht gerechnet hatte, die Beine weg. Ehe der Scharfschütze es richtig begriff fand er sich bäuchlings auf der Pritsche wieder. Es hatte Saber zwar doch noch angestrengt, aber er war nicht bereit, länger dem Theater hier zuzusehen, damit am Schluss die Freundschaft unter ihnen irreparabel in die Brüche ging. „ Jetzt hörst du mir mal bitte gut zu“, raunte er dem Liegenden ins Ohr. „Ich habe Robin versprochen, dass ich dich heil zurück bringe. Jolene hab ich ebenfalls mein Wort gegeben. Da ich die beiden zufällig mag, und nicht möchte, dass sie unglücklich sind, WERDE ich dich heil zurück bringen. Wenn es bedeutet, dass ich dich gefesselt und geknebelt in der Verwahrzelle lassen muss, dann auch so. Du hast die Wahl. Ruhe in der Zelle oder Teamabreit.“ Dabei brachte er seinen Oberkörper auf den des Kuhhirten, damit er sich nicht so einfach aus dieser Lage befreien konnte. Denn natürlich widersetzte er sich. „Und ich hab Chily versprochen, auf dich aufzupassen! Das werd ich auch tun, “ brummte er unwirsch. „Ich hab ihr versprochen, ohne Kratzer heim zu kommen. Wen von uns beiden tötet sie unter diesen Umständen wohl zu erst?“ konterte der Recke. „Mich natürlich, weil ich nicht auf dich aufgepasst hab, “ presste Colt hervor, dem diese Wendung überhaupt nicht gefiel. Er versuchte, den Recken abzuwerfen, doch so wie er grad lag, war das nicht zu schaffen. Sein Blick fiel auf den Piloten. „Und April macht uns die Hölle heiß, wenn wir den schnellsten Papi nicht heil heimbringen“ fuhr Colt fauchend fort. „Ich werde also weder dich noch ihn da mitnehmen! Ende der Diskussion.“ Langsam kam der nun zur Pritsche rüber und zückte die Handschellen. „Boss, ich glaub, deine Überlebenschancen sind da besser“, meinte er gelassen und legte dem Scharfschützen die Fesseln an. „Deine Jolene wird ihn hier töten, eben weil er nicht richtig auf dich aufgepasst hat. Aber du wirst es überleben.“ Saber richtete sich nun auf und beide zogen den aufs schwerste verstimmten Kuhhirten auf die Beine. „Weil, Narben sind erotisch“, ergänzte Fireball noch, dann führten sie den Fluchenden in Richtung der Verwahrzelle. Colt ließ sich nicht so ohne weiteres dahin dirigieren. Immer wieder bremste er und stemmte sich gegen den Rennfahrer, der ihm daraufhin schubste, statt zu schieben. „Nicht böse sein, Colt“, meinte Saber versöhnlich. „Robin sieht in einem Brautkleid sicher umwerfend aus. Das solltest du sicher mal gesehen haben, “ setzte er fast heiter hinzu. „Glaub mir Kumpel, irgendwann bist du uns dankbar dafür, “ versicherte auch der Pilot belustigt. „Wenn mich Jolene und April unter die Erde befördert haben, nachdem sie mich zu Tode gefoltert haben, weil ihr bei dem Scheiß drauf gegangen seit? Meinst du den Zeitpunkt?“ grollte der Kuhhirte wütend, doch es änderte nichts daran, dass er unablässig näher zur Zelle kam. „Wir gehen nicht drauf. Kannst du dich endlich wieder beruhigen. Das ist doch einfach nicht wahr, wie du dich aufführst.“ Fireball schüttelte den Kopf. So hatte er Colt noch nie erlebt. Allerdings stand noch nie so viel auf dem Spiel für Colt, wie es augenblicklich der Fall war. Saber öffnete die Zellentür. Colt wurde hinein geschoben und die Tür wieder verriegelt. „Wir beide gucken uns mal die Sattelmodule an“, schlug er dabei vor, als sei es das Normalste auf der Welt, so mit dem Scharfschützen zu verfahren. „Da muss ja irgendwas sein, das uns verraten hat, sonst wäre der Plan nicht so gut aufgegangen und die Outrider nicht so schnell bei der Mine gewesen, wie ich es erwartet hatte.“ Dann wies er noch mal zu Colt in die Zelle. „Was der da zetert ist übrigens übersetzt von Colt nach deutsch: Ich liebe euch und kann den Gedanken nicht ertragen, dass euch was passiert.“ Damit hatte er den Nagel sehr präzise auf den Kopf getroffen und drehte sich, zufrieden mit dem verblüfften Gesicht des Tobenden, zur Kommandozentrale. Fireball folgte ihm auf dem Fuße. „Mir ist trotzdem lieber, wenn er die Klappe hält“, maulte er dabei. „Gleich ist Ruhe“, versprach der Recke. Die Tür öffnete sich, die beiden betraten den Raum und die Tür schloss nach ihnen. „Hörst du das? Ah, endlich Ruhe, “ schmunzelte der Pilot. Auch Saber grinste leicht, aber die Schmerzen an der frischen Naht ließen ihn gleich wieder ernst werden. „Genieß die Stille“, meinte er leicht und ging zum Feuerleitstand. „wenn wir zurück müssen, kann es sein, er wird noch lauter. Dass er das mal kapiert, glaub ich weniger.“ Dabei fuhr er den Computer hoch. „Das muss bei dem genetisch bedingt sein“, überlegte der Pilot, nahm in seinem Modul Platz und tat es dem Schotten gleich. „Und dir geht es wirklich gut?“ hakte er nach und betrachtete seinen Vorgesetzten eingehend. „Ich fühl mich ein wenig wie Frankensteins Monster“, gestand der und starrte auf den Monitor. „Ich hoffe das geht vorbei, wenn die Fäden erst wieder gezogen sind. Aber sonst, alles klar. Und du?“ fuhr er fort um dieses Gefühl zu ignorieren. Er hatte noch nicht in einen Spiegel gesehen, aber so wie sich die Wunde anfühlte, musste sie ihn ganz schön entstellen. „Gut, bis ich dich ansehe“, erwiderte Fireball und bestätigte diese Theorie. „Muss ich jetzt befürchten, dass Jolene mich verlässt, weil ich so verunstaltet bin?“ grinste der Blonde. „Von mir aus kann sie dich noch ein bisschen mehr entstellen, dann ist das wenigstens nicht mehr meine Schuld“, rang sich auch der Rennfahrer zu einem Grinsen durch. Sein Boss erhob sich und wechselte zu seiner eigentlichen Satteleinheit um auch dort die Systeme hoch zu fahren. „Wieso sollte es deine Schuld sein?“ wollte er wisse. „Stimmt, eigentlich bist du selbst schuld“, brummte der Gefragte unzufrieden. Ob er wollte oder nicht, es würde seine Zeit brauchen um sich keine Vorwürfe zu machen. „Ganz genau. Es war mein Befehl. Mach dir bitte keine Gedanken. Schlussendlich ist das nur ein Kratzer, “ erklärte der Schotte so neutral wie möglich und ergänzte: „Ein etwas größerer, aber das entscheidende ist, ich lebe NOCH.“ Zumindest so lange bis Chily ihn in die Finger bekam, dann durfte er sicher das Zeitliche segnen. Im nächsten Moment fiel ihm etwas auf dem Monitor auf. Er legte die Stirn in Falten. „Was gefunden, Oberheld?“ Fireball stand auf und kam zu ihm, während Saber rasch auf den Tasten herum hämmerte. Neugierig blickte er auf dessen Bildschirm. „Hast du auch eine unbenannte Verknüpfung?“ fragte der zurück. „Zumindest hätt ich keine gesehen“, gab der Pilot zur Auskunft. „Im Explorer, in den Readme-Dateien, die eh keiner liest?“ bohrte der Blonde weiter. „Die hab ich tatsächlich nicht gelesen“, erklärte der Jüngere und kehrte zu seinem Sitz zurück. Er prüfte die genannte Datei. „Ups.“ Jetzt wusste Saber, dass die Verbindung vorhanden war. „Die wenigstens lesen sie, deswegen ist die Verknüpfung dort gelandet, wenn du sie auch hast. Da fällt sie nämlich am wenigsten auf, “ informierte er sachlich, durchquerte die Brücke erneut und untersuchte Colts Computer noch einmal, mit dem die Verbindung hergestellt wurde. „Das hat Suzie ganz clever gemacht. Ganz besonders dafür, dass sie technisch ja nicht so viel wie du oder unsere gute Mandy drauf hat,“ kommentierte er ironisch. „Dafür ist sie aber ein ganz besonders falsches Miststück“, befand Fireball. „Und zuverlässig. Sonst wäre der Plan ja nicht so gut aufgegangen.“ Saber lehnte sich im Sattel zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Prompt runzelte er noch mal die Stirn. „Fire, so aufs grate wohl. Prüf mal, ob ihr Sender noch aktiv ist.“ Der hob erstaunt die Brauen und tat, wie ihm aufgetragen. „Der dürfte ihr hoffentlich noch nicht aufgefallen sein“, überlegte er laut. „Außerdem müssen wir hoffen, dass sie nicht das Schuhwerk gewechselt hat.“ Saber nickte bestätigend. „Sie ist sicher in ihrer Uniform inhaftiert worden. Wahrscheinlich, dass sie den Sender noch hat. Und sie ist für Jean-Claude womöglich noch sehr nützlich. Wer weiß, wozu.“ Äußerte er seine Gedankengänge. „Bingo, ich hab sie“, jubelte der Pilot von der Navigation her und der Recke kam zu ihm herüber. Je länger Fireball auf den Bildschirm starrte, desto besorgter wurde sein Gesicht. „Ich hab ein ganz mieses Gefühl“, murmelte er und ein Blick genügte dem Schotten um zu verstehen, wieso. Der Sender in Suzies Schuh war noch aktiv, bewegte sich aber aus der Richtung des Königreiches Jarr wieder nach Tucson-City. Das konnte nur bedeuten, dass Suzie sich eine oder drei Geiseln geholt hatte. Davon mussten sie ausgehen. Wie auch immer sie herausgefunden hatte, dass die Mädchen dort waren, und wie immer sie es angestellt hatte, sie in ihre Gewalt zu bekommen – Saber musste davon ausgehen, dass dies geschehen war. „Das muss gar nichts heißen, Kleiner“, behauptete er dann. „Was auch immer sie dort gewollt hat, wenn sie keine Hilfe hatte, war sie sicher nicht erfolgreich.“ Man konnte zumindest versuchen, sich das einzureden. „Sie hatte bestimmt Hilfe. Wie sollte sie sonst aus einer Zelle im Oberkommando kommen?“ wollte der werdende Vater wissen. „Aber sie hat ganz sicher nicht April“, beharrte der Recke um ihn nicht zu beunruhigen. „Das kann schon sein. Aber Chily und Robin waren auch dort. Suzie ist nicht blöd, Saber, “ entgegnete der. Einen Moment lang war der Blonde erstaunt, über die Sachlichkeit, die der Rennfahrer dabei an den Tag legte. Offenbar war er doch um einiges reifer geworden in der letzten Zeit. Was so ein Kind, oder die Vorfreude darauf, so alles verändern konnte. Dennoch schien es dem Schotten nicht logisch, dass es April getroffen hatte. Colt hatte nur zwei sehr wunde Punkte und die hießen Chily und Robin. „Robin. Sie hat sich Robin geholt.“ Davon war der Recke überzeugt. Chily Intuition würde sie davor bewahren, in eine solche Falle zu tappen. Aber Robins Gefühl war da weniger stark ausgeprägt und damit das Risiko für sie höher. „Sag das bloß nicht Colt!“ Fireball schluckte hart bei dem Gedanken an dessen Reaktion. „Sie verkrümelt sich in Richtung Tucson City“, meinte er dann mit Blick auf den Monitor. „Ob sie dort ein Versteck hat?“ Wieder nickte der Gefragte. „Möglich. Aber sie wird nicht direkt dahin gehen. Das wäre zu offensichtlich zu mal sie sicher verfolgt wird. Wir müssten wissen, wo das Versteck ist. Wenn wir vor ihr da sind, erwischen wir sie kalt, “ grübelte er laut. „Okay.“ Der Rennfahrer lehnte sich zurück. „Dann lass uns mal nachdenken. Welche Orte waren die letzte Zeit irgendwie wichtig für die Outrider? Außer Pennyrile.“ – „Die TC-West-Tankstelle“, schoss Saber prompt hervor und sein Pilot sah ihn erstaunt an. „Eine Tankstelle? Wieso ausgerechnet eine alte Tankstelle?“ hakte er nach. „Weil es schon eine Weile her ist, dass sie dort aktiv waren. Und als sie dort aktiv waren, haben sie Dooley getötet, “ antwortete Saber nüchtern. „Das ist ein Argument.“ Der Japaner kletterte aus dem Sitz. „Hast du einen Plan von der Tankstelle, so rein zufällig vielleicht?“ Fragend schaute er seinen Boss an. Der ließ den Kopf sinken. „Jolene hat mal erzählt, dass sie sich früher oft an der Tankstelle getroffen haben“ entgegnete er. „Die ganze Clique. Das heißt, wir sollten Colt fragen.“ Keine angenehme Vorstellung, wenn man bedachte in welcher Laune sie den Kuhhirten zurück gelassen hatten. „Das überlass ich dir.“ Der Kleine grinste schief und deutete einladend auf die Tür. „Nach dir, Boss.“ Der Blonde schmunzelte leicht. „Aber gern doch, mein Angsthäschen.“ Damit ging er zur Tür. Die fuhr auf. „Das Karnickel verteilt dir gleich ein paar hinter die Löffel“, neckte der Pilot noch fröhlich blieb aber ebenso wie sein Vorgesetzter in der Tür stehen. Überraschenderweise war es still. Colt tobte nicht lautstark, wie erwartet. „Ich glaub, Colt ist ausgebrochen“, vermutete Saber, als sie auf die Zelle zu gingen. „Nö. Schmollt nur, “ bemerkte Fireball nach kurzem Hineinspähen in die selbige. Der hob nun den Kopf. Sein Hut rutschte in den Nacken. „Ich schmolle nicht. Hättest du wohl gern, Mümmelmännchen, “ grinste er schief und erhob sich. „Wieder alles normal?“ fragte Saber trocken. „Bei mir? War da jemals was normal?“ Colt schlenderte auf die Zellentür zu. „Also, wobei soll ich euch denn mit meinen Ortskenntnissen helfen. Wenn ihr die nicht brauchen würdet, wärt ihr ja noch nicht hier.“ Die beiden davor tauschten einen erstaunten Blick. „Wie gut kennst du die TC-West-Tankstelle?“ wollte Fireball dann wissen. „Die steht noch? So oft wie wir da gewütet haben, hätte ich erwartet, dass sie in Trümmern liegt. Warum fragt ihr nach der?“ Colt musterte den Schotten eingehend bei diesen Worten. Als der dem Blick auswich, fiel dem Cowboy wieder ein, dass dort Dooley ermordet aufgefunden worden war. „Der Verkaufsraum und die Zapfsäulen eignen sich nicht als Versteck. Man sieht zu viel und es gibt dort keinen Keller. Der ist unter dem Lagerhaus. Da haben sie früher den Sprit rein gefüllt und entsprechend ist er mit den Säulen verbunden. Lass ihr mich jetzt raus?“ Immerhin hatte er ruhig und sachlich geantwortet und zeigte keinerlei Allüren. Saber öffnete die Tür und nahm Colt die Handschellen ab. Prompt fuhr der herum, packte den Blonden am Kragen und zog ihn nah zu sich. „Wir kommen ALLE heil zurück. Nur dass das klar ist.“ Damit ließ er ihn wieder los. Saber hatte ihn verstanden. Es hieß nichts weiter, als das einer auf den anderen Acht geben würde. Es war, sozusagen, Colts Bedingung für eine vernünftige Teamarbeit. Der Recke nickte leicht. So entmündigt und in die Ecke gestellt zu werden, hatte Colt gar nicht gefallen. Im ersten Moment war ein reichlich unflätiger Wortschwall aus seinem Mund gekommen, nachdem sich die Tür zur Kommandozentrale hinter seinen Freunden geschlossen hatte. Es war ganz sicher gut gewesen, dass sie in nicht gehört hatten. Rasend vor Zorn hatte er seinen Kopf gegen die Wand gestoßen und die Augen geschlossen um den Schmerz an der Stelle besser ignorieren zu können. Kaum hatten sich seine Lider gesenkt, hatte er Hinuns warmen, väterlich mahnenden Blick vor sich. Der klärte den Verstand des Hitzkopfes sofort. Dieses Gefühl vermittelte er also seinen Freunden. Oh man. Jede Geduld neigte sich einmal dem Ende. So also zeigten sie es ihm. Wie fies. Das wollte er nicht. Das war nie seine Absicht gewesen. Das war die Kur, die er gebraucht hatte. Nein, so einen Unsinn würde er nie wieder anstellen. Das musste er sich nicht vornehmen. Die Wandlung vollzog sich mit der Einsicht in ihm. Etwas angewidert verzog Robin das Gesicht. Jean-Claude, der Outrider-Kommandant, löste seine Lippen von Suzies. Die große Blondine war ihm tatsächlich verfallen. Bis eben hatte die Lehrerin das nicht für möglich gehalten, doch die Art, wie die Verräterin ihm nun nachschmachtete, als er zu einem Wrangler hinüber marschierte, zeigte das deutlich an. Allerdings hatte dieser Kuss, den Robin eben beobachtet hatte, für sie nichts mit Liebe zu tun. Jean-Claude hatte ihn gegeben, weil man es eben tat. Für die Zukünftige des Scharfschützen lag in dieser Geste weder Zärtlichkeit noch sonst ein Gefühl. Suzie war jedoch blind. Sie schob Jeans Verhalten auf das im Allgemeinen kühlere Wesen der Outrider. Dem Grünhaarigen jedoch war völlig gleich, was sie dachte. Sie war ihm nützlich und wenn er sie küssen musste damit sie seinen Befehlen gehorchte, dann tat er es eben. Seine Augen, sein Herz, sein Wesen, er blieb kalt dabei. Unweigerlich schüttelte Robin den Kopf. Und dafür hatte Suzie sie verraten? Kaum zu glauben. Verächtlich wandte sie sich ab. Wie konnte Aprils frühere Freundin nur so dumm sein? Merkte sei denn wirklich nicht, dass ihre Zuneigung unerwidert blieb? Colts ungestüme Küsse, als er sich von seiner Braut verabschiedet hatte, prickelten ihr wieder auf dem Mund. Sie erinnerte sich an die Leidenschaft und das Feuer. Ohne Zeugen in der Nähe wäre ihm noch eine andere Möglichkeit eingefallen sich von ihr zu trennen. Er kannte kein Halten mehr, wenn es darum ging ihr zu zeigen, was er fühlte. Ihr wilder, kleiner Lockenkopf, er fehlte ihr. Aber deshalb war sie nicht hier. Die Handschellen an ihren Handgelenken erinnerten sie daran, dass sie als Zielschiebe für ihn und als Schutzschild für den Feind dienen sollte. Jemand kam auf sie zu. Robin bemühte sich einigermaßen gleichgültig zu wirken. Zum einen um ihre Angst nicht zu zeigen. Zum anderen um sie so vor sich selbst ableugnen und hemmen zu können. Suzies Hand legte sich auf ihre Schulter. „Wie geht es dir?“ fragte sie und die Lehrerin war doch erstaunt von dem freundlichen Tonfall. Beinahe so, als täte der Verräterin leid, was sie getan hatte. Statt einer Antwort hielt sie der Fragestellerin die gebundenen Hände unter die Nase. Ein unausgesprochenes „Was denkst du wohl“ lag in dieser Geste. Suzie seufzte. „Ich sagte doch schon, hätten Chily und Colt nicht auf die Mine bestanden, hätte es einen anderen Weg gegeben“, rechtfertigte sie sich. „Wie naiv bist du eigentlich?“ platzte die Lehrerin heraus. Sie hatte nicht ein Wort mit der Hochgewachsenen wechseln wollen, aber jetzt konnte sie den Mund doch nicht halten. „Schiebe den beiden nicht die Verantwortung für deine Taten zu. Du warst es, die Mandy getötet und uns verraten hat. Du hast April, eine deiner besten Freundinnen, die obendrein schwanger ist, mit einer Waffe bedroht. Du warst es, die Saber erschießen wollte und es auch getan hätte, hätte Chily es nicht verhindert. Wie kannst du nur so tun, als sei all das nichts weiter, als ein notwendiges Übel, “ schnaubte sie verständnislos. „Und das alles für einen Mann, der zu Gefühlen, noch weniger zu Liebe, nicht in der Lage ist? Ich hatte dich für klüger gehalten.“ Jedes Wort war ein Treffer, war die Wahrheit. Suzies Gesicht verdüsterte und erkaltete bei jedem davon mehr. „Du hast keine Ahnung“, behauptete sie frostig und wandte sich ab. Dass ihre Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruhte, wollte sie ganz einfach nicht hören. Nicht nach allem, was sie bereitwillig dafür geopfert hatte. Unsanft griff sie nach Robins Handschellen und zerrte ihre Gefangene zu einem Gleiter. „Wir haben gleich noch eine Verabredung mit deinem Zukünftigen und seinen Freunden“, erklärte sie und half ihr grob ins Cockpit. Die Sonne über der TC-West Tankstelle strahlte, wie es sich am ersten Tag nach einer gelungenen Rettungsaktion gehörte. Die satten Herbstfarben der Landschaft leuchteten stärker und wärmer, auch wenn die Luft der Jahreszeit entsprechend kühl war. Es schien, als wäre die Welt nur still und schön. Kindlich ahnungslos freute sie sich der Dinge, die sie hervorgebracht hatte und wusste nichts von dem, was unter der Oberfläche vor sich ging. „Man, hoffentlich geht das gut“, ließ sich der Jüngste der drei vernehmen, als sie im Dunkel des Raumes ihre Vorbereitungen für den Härtefall abgeschlossen hatten. „Vorläufig schon“, antwortete der Mittlere von ihnen. „Und ansonsten sind wir doch Sonntagskinder.“ – „Ich bin an einem Dienstag geboren“, bemerkte der älteste trocken. „Dann freut es mich, dich gekannt zu haben“, versetzte der Mittlere und grinste in die Finsternis. Der erste Gleiter, der landete, war der des Outrider-Kommandanten. Ihm folgte sein Auftraggeber und vier Wrangler, dann Suzie und ihre Gefangene. Jean Claude wartete, bis sein Gefolge zu ihm aufgeschlossen hatte, dann betrat er mit den Männern die Halle, während die Hochgewachsene Robin aus dem Cockpit half. Soweit draußen, weg von der Stadt, schöpfte niemand Verdacht, blieb ihre Anwesenheit unbemerkt. Unsanft riss die Verräterin die Braut des Scharfschützen aus dem Sitz und auf den festen Boden. Robin rappelte sich auf und schaute auf die Füße des ehemaligen weiblichen Starsheriffs, die auf der Tragfläche stand. Dann passierte alles, ohne dass sie darüber nachdachte und so, als würde ein Film in Zeitlupe laufen. Suzie schloss das Verdeck des Gleiters und hatte ihr den Rücken zu gewandt. Sie stand nicht sehr sicher, weshalb Robins Hände vorschossen, ein Fußgelenk griffen und es von der Tragfläche rissen. Die große Blonde verlor den Halt und prallte hart auf der Tragfläche auf, wäre beinahe Kopfüber hinunter gefallen. Sie schnappte erschrocken nach Luft und griff haltsuchend an die Kante. Robin sah dies nicht mehr. Sie flüchtete. Sie musste schnell ein Versteck finden und der Verkaufsraum der alten Tankstelle schien ihr dafür ganz passend. Suzie rappelte sich auf und sprang vom Flügel. Sie sah ihre Gefangene in einer Tür verschwinden und wollte sie eben wieder einfangen, als eines der Phantomwesen aus dem Lagerraum trat. „Jean sagt, du sollst deinen Hintern endlich rein bewegen.“ – „Sag ihm, es geht grad nicht“, antwortete sie. „Er sagt, ohne Diskussion.“ Diese Aussage ließ Suzie gehorchen. Sie verzog unzufrieden das Gesicht und folgte dem Outrider. Drinnen, in der staubigen Halle, schaute Jean-Claude sich um. Sein Auftraggeber stand in einer dunklen Ecke und beobachtete die Szene vor ihm. Der Outrider-Kommandant vergewisserte sich eben, dass sie wirklich die einzigen hier waren und gab dem Wrangler, der ihm am nächsten stand ein Zeichen, die Tür im Boden, welche in den Keller führte zu öffnen. Kaum hatte der diesen Befehl ausgeführt, wurde er zurück gestoßen. Aus der Tür kamen drei Gestalten, die eigentlich nicht hier sein durften. „Hey, Kumpel! Bleifrei oder Super?“ Colt baute sich vor den Phantomwesen auf. „Luftdruck prüfen?“ Fireball stellte sich neben ihn. „Scheiben waschen?“ Saber ließ die Tür zu fallen und trat auf die andere Seite des Scharfschützen. „Ja, bitte“, antwortete der Wrangler, den Colt zurück gestoßen hatte, dämlich. Offenbar hatte sein Oberstübchen einen Schaden davon getragen. „Halt das Maul“, fuhr Jean-Claude ihn an, doch im nächsten Moment phantomisierte sich dieser Outrider. „Und? Gibt es jetzt wieder den vollen Durchblick?“ fragte der Recke mit einem unschuldigen Grinsen. Die Überraschung war gelungen. Auch wenn an der Miene des Kommandanten nichts zu erkennen war, er überlegte dennoch rasch, wie er diese unerwartete Situation zu seinen Gunsten nutzen konnte. So schlecht erschien es ihm nicht, dass die drei hier waren. Dann würde er sie eben gleich beseitigen. Er hatte schließlich ein gutes Druckmittel gegen sie. Dann kam es halt früher zum Einsatz, als ursprünglich geplant. Da störte nicht mal die vorzeitige Abreise des Soldaten in die Phantomzone. „Das war noch nie die Stärke von unserem guten Colt“, erklärte er herablassend. „ Sonst hätte er einige Dinge anders gemacht.“ Die Starsheriffs strafften unwillkürlich die Schultern. Es war so weit, dass spürten sie. Es würde hier enden. „Du hättest auch mal einige Dinge anders machen sollen, Schnuckiputz“, ließ der Rennfahrer sich vernehmen. „Ich habe alles im Griff. Ihr solltet wissen, dass ihr verloren habt. Ich habe ein gutes Argument für eure sofortige Kapitulation.“ Nein, das Überraschungsmoment beeindruckte den Grünhaarigen kein Stück. Aber nicht weniger als er, waren seine Gegner von ihrem Triumpf überzeugt. „Kapitelwas? In dem Kapitel ist der letzte Satz schon geschrieben, “ grinste der Kuhhirte munter, „und hey, es gibt ein Happy End für uns.“ Mit kaltem Lächeln musterte Jean-Claude ihn. „Da sind wir anderer Meinung. Nicht wahr, Susan?“ Er hob die rechte Hand und winkte die Gerufene hinter sich nach vorn. „Susan?“ Erstaunt hob der Scharfschütze die Brauen. Von wem redete der Typ? Er hatte erwartet, Suzie hier anzutreffen, nachdem die aus der Inhaftierungszelle im KOK geflohen war. Dass der Outrider-Kommandant sich nicht die Mühe machte, sich den Namen der Verräterin zu merken, ging ihm auf, als jene Erwartete an dessen Seite trat. „Hallo Colt. Schöne Grüße von Robin.“ Die Hochgewachsen positionierte sich neben ihrem Angebeteten. Jetzt grinste auch der Pilot etwas abschätzig. „Oh Susanna“, sang er leicht und zielte mit seinem Blaster auf sie. Die zog prompt ihren und nahm den Kopf des Cowboys ins Visier. „Schlechte Idee. Der würde mir folgen, “ meinte sie kühl. „Was würde wohl Robin dazu sagen?“ grinste der Kommandant böse. „Für einen von uns, geht ihr alle. Denkt nicht mal dran, eine falsche Bewegung zu machen.“ Um diese Aussage zu unterstreichen, richtete der Blonde seine Waffe auf ihn. Jean-Claude hob die Schultern. „Geh unseren Gast holen, Sybil. Die drei scheinen zu glauben, dass wir es nicht ernst meinen, “ befahl er der Verräterin. „Also spätestens jetzt würd ich mich fragen, in wen du dich verguckt hast, Baby.“ Colt musste sich schadenfrohes Lachen verkneifen. Deutlicher konnte nicht gezeigt werden, dass die Liebe, von der Suzie gesprochen hatte, als sie gestellt worden war, eine einseitige Sache war. Jetzt schaute die ihren Liebsten etwas betreten an. „Sie ist ... ähm ... verhindert, “ gestand sie. Der riss die Augen auf. „Verhindert? Wo ist die verdammte Braut?“ fuhr er sie an. „Draußen“, murmelte die große Blonde vage. Immer hin war es nur halb gelogen. Robin musste noch irgendwo auf dem Gelände sein. Es war unwahrscheinlich, dass sie in die Stadt lief, da es auf der Straße dorthin keinerlei Deckungsmöglichkeiten für sie gab. Folglich musste sie Schutz hier auf der Tankstelle suchen und somit würde Suzie sie auch bald finden. „Dann hol sie!“ zischte Jean sie nun an und sie schlich erschrocken zur Tür. „Okay, Jean, “ hauchte sie ergeben und wollte eben raus schlüpfen, als der Wrangler, der sie in den Lagerraum gerufen hatte, verwundert fragte. „Ist die nicht abgehauen?“ War das zu fassen? Die hohle Phantombirne hatte gesehen, dass ihre Gefangene entkommen war und hatte sich dennoch stur an den Befehl des Kommandanten gehalten. Wie dämlich waren diese Wrangler eigentlich? Und dann verpfiff er sie auch noch. „Sie ist was?“ brüllte Jean-Claude ungehalten über diese Inkompetenz. „Wie dämlich bist du?“ Blicke wie Pfeile trafen auf Suzie. „Jean, das wäre nicht passiert, hätte er nicht gestört“, verteidigte sie sich und wies auf den Outrider, der sie gerade verpetzt hatte. „Sieh zu, dass du sie findest!“ Ihre Ausflüchte interessierten den Grünhaarigen nicht. Suzie tat wie ihr geheißen und schloss die Tür von außen. Drei Starsheriffs unterdrückten das Lachen. Das war ja kaum ernst zu nehmen, was hier ablief. Das ganze war eine Farce. Beinahe meinten sie mitten in einer Slapstick-Comedy zu stecken. Das war ja einfach nicht wahr. Aber die Erfahrung hatte auch gelehrt, dass solche Situationen schnell umschlagen und bitterer, viel mehr tödlicher, Ernst werden konnten. Die Phantomwesen waren schließlich dafür bekannt in den Reihen ihrer Untergebenen zwar Schwachköpfe zu haben, dafür aber von cleveren und grausamen Befehlshabern kommandiert zu werden. Das Hauptproblem dieser Führung bestand darin, dass diese stupiden Handlanger nicht flexibel genug auf Unvorhergesehenes reagieren konnten. Dafür zu sorgen, fiel in den Aufgabenbereich der Führungsköpfe. Aus dem Schatten und dem Hintergrund löste sich nun der Auftraggeber Jean-Claudes. „Ich hab dir gesagt, die taugt nichts“, kritisierte er kühl und ruhig. Noch brachte ihn die Lage nicht aus der Fassung. „Okay, meine Herren! Könnten wir unsere Aufmerksamkeit nun wieder wichtigeren Dingen zuwenden?“ zog der Recke die Aufmerksamkeit wieder auf den Grund ihrer Anwesenheit hier zurück. „Wie viel wichtiger als Pennyrile denn noch? Es geht schließlich bei allem nur darum.“ Unweigerlich runzelten die Drei dabei die Stirn. Irgendwoher kam ihnen die Stimme bekannt vor. „Für uns geht es eher um was anderes. Ihr werdet keine Freude an Pennyrile haben, “ erwiderte Fireball. „Was soll das heißen?“ Jetzt trat er endgültig aus dem Schatten. Die Starsheriffs erkannten ihn sofort. William Maddox. Gut, er war nicht mehr so beleibt wie früher, hatte etwas Gewicht verloren, aber immer noch eine kräftige Statur. Außerdem trug er, wohl zu Tarnungszwecken, ein Toupet auf seiner Halbglatze. Allerdings konnte man hier eindeutig über Geschmack streiten. Der Anblick dieser unnatürlichen Lockenpracht brachte die Jungs, trotz der ernsten Lage, unweigerlich zum Lachen. „Oh mein Gott, “ prustete der Blonde. „Was ist denn mit dir passiert?“ Auch Colt hätte sich kringeln können. „Den Pudel solltest du wieder runternehmen, Onkelchen“, erklärte er fröhlich. Es war nicht möglich ernst zu bleiben. Maddox sah einfach nur grotesk aus und fühlte sich zu Recht veralbert. „ Mit Onkelchen liegst du gar nicht falsch“, erwiderte der verspottete scharf und ungehalten über diese Reaktion. „Natürlich nicht. Bin ja nicht so ein Dunkelmützchen wie du, “ entgegnete der Kuhhirte noch immer heiter. Jean-Claude rollte genervt die Augen. „Jetzt bring es endlich zu Ende“, verlangte er energisch. Das Ganze wurde schließlich langsam aber sicher nur blamabel. „Deine Puppe hält den Verkehr auf“, blaffte der zurück. „Hätte sie die kleine Verlobte meines Neffen nicht entkommen lassen, wären die Dinge längst geklärt.“ Dann wandte er sich wieder an den Scharfschützen. „Und hätte dein Großvater, der feine Herr, mich als Sohn anerkannt, wären die Dinge noch ein bisschen anders gelaufen“, schnaubte er verächtlich. „Aber nun spielt es keine Rolle mehr. „Wenn ich erst weiß, wo diese kleine Schlampe die Unterlagen versteckt hat, ist sie und der Kleine hier, erledigt. Es gibt gar nichts, was ihr daran ändern könntet. Es sei denn ihr wollt gern noch mehr Leben dafür opfern.“ Mit einer frostigen Miene wandte er sich an Fireball. „Willst du das, Papa?“ fragte er höhnisch. Sabers Gesichtsausdruck hatte sich bei Maddox Worten geändert. Es war klar, dass der von der Hebamme gesprochen hatte und niemand bezeichnete seine Jolene als Schlampe. Genauso finster blickte der Rennfahrer drein. Wie kam der dazu seine Familie zu bedrohen? „Das einzige, was wir hier noch opfern werden, sind Zeit und Munition! Du wirst niemandem mehr Schaden zufügen, “ schnappte er heftig. „Bleib ruhig. Der blufft. Gar nichts haben sie gegen uns. Nicht mal Robin, “ mahnte der Recke überzeugt und brachte Colt zum ersten Mal auf die Idee, dass es sich nicht um leere Worte gehandelt hatte, sondern Robin möglicherweise wirklich in der Hand von Jean-Claude war. „Meine Robin?“ hakte er nach und hob die Brauen. Doch Zeit sich lange darüber zu wundern blieb ihm nicht. Der Outrider-Kommandant klärte entschieden alle Zweifel. „Wessen sonst, du Blitzmerker?“ Kaum hatte er die Gegenfrage ausgesprochen, zielte er auf den Cowboy und schoss so unvermittelt, dass Saber den Kuhhirten nur knapp aus der Schusslinie ziehen konnte. „Wenn du so weitermachst, ist sie es nicht mehr lange, Kumpel“, meinte er sachlich. Doch weitere Debatten folgten nicht. Die Sprache, die nun gesprochen wurde, war eine eigene. Maddox schoss die marode Raumdecke in Trümmer, die auf den Rennfahrer niederprasselten. Der verfehlte seinen Kontrahenten daher um einiges, als er das Feuer erwidern wollte. Schützend hob er die Arme über den Kopf und zog den selbigen ein um sich einigermaßen zu schützen. Maddox feuerte weiter auf die Stelle. „Wie hast du nur so lange überlebt?“ lachte er böse, wich aber ein Stück hinter zwei Wranglers in Deckung. Die beiden nahmen den Rennfahrer noch unter Beschuss. Währenddessen hatte Jean-Claude sich auf Saber gestürzt, doch der ließ sich nicht so einfach ausbooten. Colt, der den dritten Outrider in seine Dimension zurück geschickt hatte, knöpfte sich nun Maddox vor. So einfach würde er ihn nicht entkommen lassen. Aber sein Halbonkel empfing ihn mit einem Schlag unter die Gürtellinie. „Du dreckige Ratte, “ zischte der Kuhhirte und presste die Zähne zusammen. Mit einem Tritt wurde er auf die Trümmer geschickt, unter denen Fireball sich hervor zu graben versuchte. Im letzten Augenblick wich Colt dem nachgeschickten Schuss aus. Der grünhaarige Kommandant der Phantomwesen war ein hartnäckiger Widersacher. Saber verlor im Kampf gegen ihn den Blaster und bekam einen schmerzhaften Schlag auf die frische Naht. Dennoch gelang es dem Blonden ihn von sich zu stoßen und das Schwert zu ziehen. Kampfbereit richtete er auf ihn. Als Jean-Claude zurücktaumelte, stieß er gegen seinen Auftraggeber und Maddox zweiter Schuss glitt noch weiter an dem Cowboy vorbei, als der erste. Jetzt richteten die beiden ihre Blaster auf Colt. „Rühr dich nicht, Cowboy. Oder du wirst deine Robin nie wieder sehen, “ drohte der Kommandant. Die beiden Wranglers visierten Saber und Fireball an, der sich gerade weit genug aus den Trümmern geschaufelt hatte um gesehen zu werden. Seine Hand mit der Schusswaffe steckte noch zwischen zwei Balken und wollte nicht so leicht aus dieser Umklammerung gelöst werden. Einen Moment lang verharrten alle in ihren Positionen und maßen ihre Gegner und die Lage. Jeder von ihnen war bis zum äußersten gespannt. Irgendetwas daran, verriet deutlich, dass heute hier über Pennyrile entschieden wurde. Es lag in der Luft, es war in die Wände gemauert, in den Boden gestampft und floss durch jede kleine Blutader. Der Fall würde hier enden. Wer immer sich als nächstes rührte, würde darüber entscheiden, wie. Die Tür ging auf und Suzie trat herein. Ohne Robin. Für den Bruchteil von Sekunden murrte jeder innerlich über die unpassende Störung um gleich darauf etwas zu entspannen und wieder in neuer, fiebriger Erwartung zu verharren. Jean-Claude blickte auf die Eingetretene. „Wo ist sie, Simone?“ wollte er unzufrieden wissen. „Nicht da“, ließ sich die Verräterin kleinlaut vernehmen. Wo immer die Lehrerin sich vor ihr verborgen hatte, sie hatte es gut getan. „Erkläre!“ forderte der grünhaarige Outrider-Kommandant drohend. Instinktiv zog die Hochgewachsene den Kopf ein. „Sie ist nicht da. Weg, “ antwortete sie verunsichert. Dass Jean kühl war und hart zu anderen, die in seinem Dienst standen, wusste sie. Dass er auch ihr gegenüber oft recht distanziert war, nahm sie hin. Doch dieser Ton, dieser Blick und dieser Gesichtsausdruck ließen sie schlimmes ahnen. Er schaute sie an, wie jeden anderen Wrangler auch und bei denen kannte er keine Gnade. „Wie konnte das passieren?“ hakte er nun sachlich nach. Jeder, der ihn kannte, wusste, dass dies ein Zeichen dafür war, dass man knapp davor war schwer in Ungunst zu fallen. „Unsere Mädels sind nicht so blöd, wie ihr tut“, murmelte Colt halblaut. Seine Braut konnte nicht als Druckmittel gegen sie vorgeführt werden. Das ließ ihn hoffen, hoffen, dass sie in Sicherheit war. Aber Suzie durfte nicht hoffen. Jean-Claude richtete seine Waffe auf sie. Erschrocken fuhr sie gegen die Tür zurück, als wäre die Halt oder Schutz. Der Grünhaarige rollte die Augen. „Hätte ich gewusst, dass du so unfähig bist, hätte ich dich damals verrotten lassen“, erklärte er eisig. „Es ist nicht meine Schuld“, versuchte sich die Blondine zu verteidigen und schaute mit erschrockenen Augen auf den Lauf, der sie anvisierte. „Ach nein? Du hattest die Verantwortung für sie.“ Der Kommandant entsicherte die Waffe. „Ich kann Inkompetenz nicht leiden, Sandra“, klärte er sie über einen Fakt auf, den sie wusste. Sie zuckte zusammen. Das konnte er nicht ernst meinen. „Nein, Jean, bitte nicht.“ Die Mündung war das einzige, auf das sich die Verräterin noch konzentrieren konnte und je länge sie dies tat, desto mehr weiteten sich ihre Augen und desto mehr Angst um ihr Leben bekam sie. „Ihr seid wirklich lächerlich“, bemerkte Jean-Claude halb amüsiert und feuerte die Waffe ab. Der Schuss schlug knapp an Suzies Kopf vorbei in die Wand. Keuchend öffnete sie die Augen, die sie im ersten Moment geschlossen hatte. „Nenn mir einen guten Grund, warum nicht“, verlangte Jean zufrieden mit ihrer Reaktion. Wenn er auch nicht wusste, was Spaß war, aber das eben würde er so bezeichnen. „Das ganze hat einen guten Spruch bei uns Menschen: Liebe macht blind, “ kommentierte Saber trocken. „In Suzies Fall auch noch blöd, “ ergänzte Colt und Fireball fügte hinzu: „Und zu einem Überläufer. Sie sollte sich mal mit Jesse zusammensetzen.“ Suzie schaute die drei an. Nein, auf Unterstützung von ihnen durfte sie wohl nicht hoffen. Es war ihre eigene Schuld. Sie wusste es. „Der ist längst tot. Das kann sie also im Jenseits nachholen, “ erklärte Jean-Claude und Suzie schaute ihn wieder an. Ihre Blicke trafen sich. „Dir fällt also auch kein vernünftiger Grund ein“, stellte er kaltlächelnd fest. Suzie schluckte leicht. Sie hatte nur noch diese eine Karte. Sie musste versuchen sie aus zu spielen. „Wir gehören zusammen, Jean“, beschwor sie ihn zitternd. „Was tun wir?“ Der Grünhaarige lachte, als gäbe es keinen besseren Witz im Universum. „Du und ich“, flüsterte sie halb. „Wir sind füreinander bestimmt.“ Es musste einfach so sein. „Bestimmt nicht“, berichtigte Jean, lächelte ihr noch einmal ein Lächeln zu bei dem sie fast erfror. So sollte es also sein. „Sorry, Sue.“ Ein Schuss knallte durch die Halle. Suzie hatte die Augen geschlossen. Die Eintrittswunde lag genau dazwischen. Ihr Körper sank an der Wand zusammen, zog eine rote Spur über die Wand. In dem Gesicht der Verräterin war ein schmerzlich liebevolles Lächeln, so, als würde sie nun bis in alle Ewigkeit bedauern, was geschehen war. Gänzlich unbeeindruckt von dieser Szene beschwerte sich Maddox: „Warum hat das jetzt noch so lange gedauert?“ – „Ich hinterfrage gern“, erklärte Jean-Claude kühl und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Starsheriffs. Die waren zwar nicht wirklich erstaunt, aber doch erschrocken über die Kaltblütigkeit, die der an den Tag gelegt hatte. Wieso hatten sie eigentlich nicht reagiert und eingegriffen? Nachdem der erste Schuss in die Wand gegangen war, war klar, dass der zweite für Suzie bestimmt war. Was hatte sie gelähmt, dass sie nichts dagegen unternommen hatten? Der Gedanke an Genugtuung und gerechte Strafe? Die Wut auf die Verräterin, die sie nach allen Vorfällen am liebsten selbst erschossen hätten? Keiner von ihnen konnte ableugnen, dass sie diesen Gedanken nicht für den Bruchteil einer Sekunde gehegt hatten. Waren sie deshalb tatenlos geblieben? Fragen dieser Art würden sie ganz sicher noch beantworten müssen. In den Berichten würde es auffallen und diese heraufbeschwören. Ganz sicher. „Du quälst gerne“, stellte Saber fest. Der Angesprochene hob die Schultern. „Von mir aus. Im Moment frag ich mich, ob diese kleine Hebamme wohl genauso leicht zu haben ist, “ provozierte er dann herablassend. „ Du lässt deine grünlichen Stinkegriffel schön bei dir, “ brauste Colt sofort auf und der Schotte pflichtete ihm gedanklich bei. „Keine Angst. Werd ich. Wenn sie mir vorher erzählt, wo die Akten sind, “ erhielt er zynisch grinsend zur Antwort. „Sie wird dir gar nichts mehr sagen, weil du gleich übertrittst, “ bellte der Scharfschütze ungehalten. Aber das rührte den Outrider-Kommandanten nicht. „Vor dir? Nach dir? Oder mit Quasimodo?“ Er wies leicht auf den Blonden, der leicht bei diesem Namen zusammen zuckte und ihn mit einem düsteren Blick quittierte. Der Rennfahrer, auf den seid Suzie Rückkehr niemand mehr geachtet hatte, hatte seine Hand endlich aus den Balken hervorziehen können. Fest schlossen seine Finger sich um den Griff seines Blasters. „Entschieden vor uns, Freundchen“, beantwortete er Jean-Claudes Frage und schoss. Zwar wich der aus und versuchte auf den Recken zu zielen, doch Fireball hatte ihn zu genau und zu unvermittelt getroffen. Jean-Claude verschwand zurück in die Phantomzone. „Versager“, schnaubte Maddox verächtlich und visierte den Kuhhirten an. Gleichzeitig eröffneten die verbliebenen beiden Wranglers das Feuer. Fireball musste in Deckung gehen. Unter seinen raschen Bewegungen geriet der Trümmerhaufen ins Wanken und verschüttete ihn beinahe wieder. Sabers Klinge blitzte auf. Die Phantomwesen hatten kaum Zeit darauf zu reagieren. Vier vollendet ausgeführte Hiebe brauchte der Schotte um sie stückchenweise in ihre Dimension zu schicken. Colt wich Maddox Schuss aus. Es war Zeit, dass zu beenden. Zweimal feuerte der Scharfschütze zurück. Mit dem ersten Treffer verlor Maddox seine Waffe. Unter dem zweiten brach er fluchend in die Knie. „Scheiße!“ Colt trat auf ihn zu, ließ seinen Blaster um den Finger rotieren, ehe er ihn ins Halfter zurück steckte und meinte unbeeindruckt. „Ich würde es als zertrümmerte Kniescheibe bezeichnen. Aber ich bin auch kein Sanitäter.“ Unter dem Schutt rappelte der werdende Vater sich auf. „Könnte mir mal jemand...?“ begann er und griff nach der Hand seines Vorgesetzten, der sie ihm schon zu Hilfe reichte. „Häschen in der Grube“, grinste der schief. „Verkneif es dir.“ Fireball verdrehte die Augen. Für Witzeleien hatte er grad keinen Sinn. Schließlich schien es an Fügung oder Schicksal, oder was auch immer zu grenzen, dass Colts Halbonkel sich entschieden hatte, den Japaner unter Dreck zu begraben, statt zu töten. Es war ihm selbst etwas zu nah an dem Unglück seines Vaters. Der Pilot klopfte sich den Staub ab. „Besser, als Frankensteins Monster zu sein“, erklärte der Schotte brummig. „Ach was, der kleine Schönheitsfehler.“ Jetzt streckte Fireball sich. „Alles halb so wild.“ Jetzt konnte er nachvollziehen, wie fit Saber wirklich sein musste. Er konnte förmlich spüren, wo sich die blauen Flecken bildeten. „Wild?“ Der Blonde horchte auf und warf einen Blick zu Colt. Der hockte über dem schwarzen Schaf seiner Familie und verpasste ihm gerade den zweiten Schlag. „Erotisch, wenn du mich fragst“, bemerkte er dabei „Lass ihn mal los und sag mir, ob du und Jolene da einer Meinung seid.“ Um sicher zu gehen, dass der Cowboy auch tat, was er gesagt hatte, griff Saber nach dessen Schulter. Mit einem letzten Stoß erhob sich Colt. „Das musst du sie schon selber fragen, Säbelschwinger.“ Er klopfte sich die Hände an einander ab und drehte sich zu seinem Boss um. Ganz wohl war dem bei dem Gedanken daran nicht, dass er mit dieser Naht der Hebamme gegenüber treten musste. „Fire, funke mal bitte die Einheit an und warte hier auf sie“, ordnete er schnell an, um sich jetzt nicht darüber den Kopf zerbrechen zu müssen. „Und wir suchen Robin“, fügte er hinzu und schob den Scharfschützen an der Schulter zur Tür. „Bin ich schon wieder auf das Abstellgleis geschoben worden, oder was?“ brummte der Rennfahrer und tat, was ihm aufgetragen worden war. „Abstellgleis. Du kannst es dir doch beim Warten gemütlich machen.“ Damit war Colt aus der Tür. Saber folgte ihm. Sie überquerten den Hof und liefen in den Verkaufsraum. Colt rief immer wieder den Namen seiner Liebsten. Sie musste doch hier irgendwo sein. Sein Kopf flog wild suchend herum, daher sah er nicht, wie sie sich vorsichtig unter der Verkaufstheke hervorschob. „Colt?“ Sie hatte ihn rufen wollen, doch die Aufregung, die in ihr tobte, erlaubte nur ein Flüstern. Saber hörte es und stieß den Freund an, der sonst in die andere Richtung gelaufen wäre. Hinter der Theke erhob sich die Lehrerin. „Bullet?“ Obwohl sie kaum lauter gesprochen hatte, fuhr sein Kopf in diese Richtung. Dann folgte sein Körper. Ein paar lange Schritte, ein schwungvoller Satz und er war hinter dem Tresen bei ihr. „Number 1.“ Ungestüm zog er sie ihn seine Arme und drückte ihr einen glühenden, langen Kuss auf die Lippen. Mit seinen Händen fuhr er über ihren Körper um sicher zu gehen, dass ihr auch wirklich nichts fehlte. Ja, das war sie. Seine Robin. Mit Haut und Haaren. Er hob sie hoch, presste sie fest an sich und murmelte erleichtert: „Ich hab dich wieder“ in ihre Halsbeuge. Sie schmiegte sich ihrerseits an ihn, legte Arme um seinen Hals, störte sich nicht daran, dass sie noch Handschellen trug. Sie war da, wo sie sein wollte. Bei ihrem Colt. Sie war einfach nur glücklich und unendlich erleichtert, dass die Sache nun ausgestanden war. In dem Moment, als er sich in die Arme zog, wollte sie nur ihn nur fühlen lassen, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Der Cowboy beschränkte sich nicht mehr damit, seine Küsse auf ihren Mund zu platzieren, sondern verteilte sie mittlerweile auch über ihren Hals und auf ihre Schulter. Dass Saber etwas von „Ich leiste Matchbox auf dem Abstellgleis Gesellschaft“ sagte, bekam der Scharfschütze gar nicht mit. Er setzte seine Zukünftige lieber auf ein Warenregal und schob ihr Oberteil hinauf. Jetzt musste sich der Schotte beeilen, sonst würde er Dinge sehen, die ihn nichts angingen. Colt kannte eben keine Hemmungen mehr, wenn es darum ging, seiner Robin zu zeigen, was er fühlte. „Meins“, hauchte er heiß und ließ der Aussage entsprechende Taten folgen. Fireball hatte Maddox an einen Haken in der Wand gekettet, sodass für den eine Flucht nun ganz sicher nicht mehr möglich war. Es wäre ohnehin schwierig für den Halbonkel des Scharfschützen gewesen mit einer zertrümmerten Kniescheibe zu entkommen. Gemeinsam mit dem Recken kontrollierte der Rennfahrer dann, ob sich noch weitere Phantomwesen im Gebiet der Tankstelle aufhielten und entschärften den Sprengsatz, der, als Notfallplan, an den halbvollen Tankkesseln angebracht war. Die gerufene Einheit der Starsheriffs, die von der Irokesen-Siedlung kam, erreichte die Tankstelle mit dem Verfolgungsschiff des Königreiches Jarr. Gemeinsam nahmen sie den Gefangenen in Gewahrsam und bargen Suzie. Nach dem Chily den Kronprinzen aus dem Schlaf gerissen hatte, und der den bewusstlosen Chauffeur Sole und den bewusstlosen Bodyguard Robins entdeckt hatte, hatte er sofort die Fahndung des unbekannten Gleiters aufgenommen, der ihn vom Hof fort nach Pennyrile geführt hatte. Dort traf Roland auf die Starsheriffs und Robin und war froh darüber, sie unversehrt vorzufinden. Saber bat ihn, sie wieder in seine Obhut zu nehmen, da die Jungs noch Bericht an Commander Eagle erstatten mussten. Einen Tag würde es noch dauern, bis sie ihre Herzdamen endlich wieder sehen würden. Kapitel 17: Bond as one ----------------------- Bond as one Chrystal Stone schaute erschrocken auf die drei Besucher, die auf ihren Empfangstisch zu marschierten. Sie hatte sie ja schon von vielen Missionen kommen sehen, aber irgendwie erschienen sie ihr heute besonders zugerichtet anzutreten. Was in gewisser Weise auch stimmte. Als der Scharfschütze und der Pilot im Krankenhaus gelegen hatten, hatte Misses Stone sie nicht zu Gesicht bekommen, sondern nur den Captain und die Navigatorin. Aber die Herren der Schöpfung waren diesmal angetreten, ohne einen Abstecher zum Arzt zu machen. Fireball hatte von dem Trümmerregen einige sichtbare blaue Flecken auf den Armen und einen an der rechten Schläfe. Colts Lippe war aufgeplatzt und Saber hatte diese Naht, mit der er sich wie Frankensteins Monster fühlte. Ihm entging nicht, dass Chrystal versuchte nicht so offensichtlich darauf zu starren, es ihr aber nicht gelang. Wie würde erst seine Jolene darauf reagieren? Vielleicht wollte sie ihn am Ende gar nicht mehr? Dieser Gedanke schmerzte gemein. Er schüttelte ihn ab und konzentrierte sich auf das bevorstehende Gespräch. Kaum waren die Drei in das Büro des Commanders getreten, stierte der auch höchst erstaunt in die Runde. „Ich dachte, die Schlacht war erfolgreich?“ brachte er nach einem etwas zu langen Schreckmoment hervor. Die Vormeldungen hatten vielversprechend geklungen und passten nicht zu den vom Kampf gezeichneten Gesichtern. Am allerwenigsten zu dem des Recken. Ehe er dessen Wunde unangenehm viel Aufmerksamkeit schenken konnte, wies er mit der Hand auf die Stühle vor seinem Schreibtisch. Sie setzten sich. „War sie auch“, versicherte Colt. „Wir sind sozusagen vom Ruhm gezeichnet.“ Eagle zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. Wollte er sich das wirklich genauer erklären lassen? Er entschied sich dagegen. Besonders Colts Ausführungen konnten ein ganz seltsames Bild ergeben. „Wie dem auch sei, ich sehe, zumindest steht ihr noch“, bemerkte er leicht und hatte seine Fassung auch schon wieder zurück gewonnen. Alle drei hatten schließlich für das KOK gekämpft. Folglich konnten sie auch ein paar Blessuren davontragen. Und so dramatisch sahen die nun wieder nicht aus. „Klar, so leicht haut uns doch nichts um“, bestätigte der Cowboy die Aussage des Commanders heiter. „So umwerfend sind die Outrider nicht.“ Auch Fireball nickte. „Ich habe also keinen Grund meine Entscheidung zu bereuen.“ Mit dieser Feststellung lehnte Eagle sich in seinem Stuhl zurück, stützte die Ellenbogen auf die Armlehnen und presste die Fingerspitzen gegen einander. Er hätte sie allesamt abziehen müssen. Doch was von den Berichten herrührte, die ihn seither erreicht hatten, war es tatsächlich richtig gewesen, dies eben nicht zu tun. Vor allem Saber schien mit dieser Aufgabe noch etwas mehr gewachsen zu sein. „Haben Sie das je?“ grinste der Scharfschütze. „Nicht wirklich“, gestand Eagle wahrheitsgemäß. „Also, wie erfolgreich war die Mission nun, meine Herren?“ wollte er dann genauer wissen. „Das Alkalit ist tief unter der Erde und unerreichbar. Die Outrider in ihrer Dimension, Pennyrile und die Irokesen in Sicherheit und Maddox in Untersuchungshaft, “ gab Saber kurz über das Wesentliche Auskunft. „Sehr schön. Auf euch ist wie immer Verlass, “ nickte Charles zufrieden. „Wart ihr schon auf der Krankenstation?“ Er wies leicht auf die Naht des Recken, der prompt das Gesicht ein wenig abwandte. „Wann hätten wir denn den Zwischenstopp noch einlegen sollen? Zumal wir auch noch einen Leichensack mitgebracht haben, “ hakte der Kuhhirte flapsig nach. „Colt, bitte!“ wurde er sofort vom Blonden gemahnt, dem diese Äußerung zu geschmacklos war. Eagle begann nach zu rechnen. Die Mädchen waren in Sicherheit, sonst würden die drei vor ihm ganz anders aus der Wäsche schauen. „Wen hat es getroffen?“ fragte er. „Suzie. Ihr ist ihr Verrat zum Verhängnis geworden, “ entgegnete der Schotte nüchtern. „Oh, das ist bedauerlich.“ Eagle hob die Brauen. Er hatte gehofft, den ehemaligen weiblichen Starsheriff nach der gerechten Strafe wieder rehabilitieren zu können. „Jeder kriegt was er verdient“, murmelte Colt. Eagle nickte nur. Es war schwer, auch für ihn, sachlich zu bleiben. Suzie hatte alles gefährdet, was ihm wichtig war. Ebenso erging es den Jungs. Es war ihnen nicht möglich, wenigstens betroffen zu sein, da eine Stimme in ihren Köpfen meinte, der Tod sei die einzig gerechte Strafe gewesen. „Dann frag ich mich aber, wieso Robin immer noch auf dich wartet, Cowboy“, neckte Fireball um die aufkommende, unbehagliche Stimmung zu verscheuchen. „So könnt ich mich auch bei April wundern“, versetzte der darauf eingehend. „Und aus Chily werden wir alle nicht schlau“, grinste der Rennfahrer breit. Saber verzog das Gesicht. Normalerweise hätte er darüber schmunzeln können, doch mit der Narbe, die er unweigerlich behalten würde, zwickte es mehr an seinem Ego, als er wollte. „Commander, die ausführlichen Berichte reichen wir natürlich schnellst möglich ein. Wir würden als erstes gern die Mädchen abholen um die Hilfsbereitschaft des Königshauses nicht länger als nötig in Anspruch zu nehmen, “ erklärte er deshalb. „Hängt noch eine Woche Urlaub im Königreich an, sonst ist König Jarred nicht mehr gut auf euch zu sprechen, “ meinte der mit einem leichten Zwinkern. Er konnte sich schließlich gut vorstellen, dass jeder der drei eine Pause brauchte und die liebend gern mit der Angebeteten verbringen wollte. „Ja Sir“, erwiderte der Recke mechanisch. Es war ihm noch immer etwas unangenehm, dass der Commander seine Gefühle für die Hebamme durchschaut hatte. „Danke, Commander. Dafür schleif ich den hier“ Colt deutete auf Saber. „doch glatt persönlich zum Onkel Doktor.“ Die beiden erhoben sich. „Und ich stell sicher, dass ihr auch beide beim Onkel Doc landet“, schlug der Pilot vor und wollte ebenfalls aufstehen, aber der Lockenkopf drückte ihn in den Sitz zurück. „Den Weg finde ich allein, ich bin schließlich Scout.“ Damit verschwanden er und Saber aus dem Raum. Dem Rennfahrer blieb nichts weiter übrig, als sich schulterzuckend wieder zu setzen. „Scheint neuerdings mein Schicksal zu sein, dass ich einfach aufs Abstellgleis geschoben werde“, brummte er um das etwas beklemmende Gefühl abzustreifen. Er saß hier nicht mehr nur dem Oberbefehlshaber der Sektion West gegenüber, nicht mehr nur dem Vater seiner Freundin, sondern auch dem Großvater seiner Tochter. Noch immer siezte er ihn respektvoll und die Idee, diesen Mann einmal zu duzen schien ihm irgendwie fremd. Es machte ihn unsicher, er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Jetzt hob Eagle die Brauen. „Was meinst du?“ wollte er wissen. Fireball sah ihn nicht an Er hatte den Blick noch auf die Tür geheftet. „Die zwei haben eine ganz eigenartige Auffassung von Vorsicht.“ Leicht lächelnd wandte er sich nun um. Der Commander nickte ahnungsvoll. „Nur die zwei?“ bohrte er um sicher zu gehen, dass der Rennfahrer etwas mehr Vorsicht an den Tag legte, da er doch bald Vater würde. „Schauen Sie die beiden doch an, Sir. Bei denen beiden ist der Leichtsinn ausgebrochen, “ tadelte der Pilot die Abwesenden. „Charles, “ meinte der beiläufig und schmunzelte leicht. „Sehr viel anders sieht dein Gesicht nicht aus, “ bemerkte er. Es war schon ausgesprochen interessant, wie sich die dieses Team, das ihm persönlich am meisten am Herzen lag, entwickelte. Saber wurde offener, Fireball ruhiger und Colt, na, das würde die Zeit noch zeigen. „Dann anders. Die haben doch glatt beide geglaubt, mit dem Kopf durch die Wand zu müssen, “ versuchte der werdende Vater sich besser verständlich zu machen und Eagle musste lachen. „Das muss im Team liegen.“ Fireball verzog unwillig die Stirn. „Na, in dem Fall wär mir aber lieber gewesen, die hätten ein bisschen auf mich abgefärbt und nicht ich auf sie, “ antwortete er. „Wo wir grad bei Team sind, Sir...“ begann er dann und Eagle hob erstaunt die Brauen. „Was ist mit dem Team?“ hakte er nach. War der Jüngste tatsächlich so viel erwachsener geworden? „Naja“, setzte der Pilot an. „Saber fällt erst mal ein paar Wochen aus, zumindest wenn es nach mir geht. Colt und ich gehören nicht dem Oberkommando an und April lässt sich die nächsten paar Jahre hoffentlich nicht in der Nähe des großen Cowboys blicken, “ fuhr er mit seinen Überlegungen laut fort. Immerhin sollte die Wunde des Recken schon vernünftig ausheilen und seine Freundin sich in aller Ruhe um das Töchterchen kümmern können. Deren Vater nickte verstehend. „Das hoffe ich auch. Aber all diese Fragen, die das Team betreffen, können wir auch nach dem Urlaub noch klären. Erzähl mir lieber, wie es April geht, “ wechselte er das Thema. Obwohl der Pilot mit einer solchen Aufforderung gerechnete hatte und sie absolut selbstverständlich fand, kam er nicht umhin sich wie bei einer Prüfung zu fühlen. Deshalb gab er nur zögerlich Auskunft und fürchtete ein wenig, der Opa in spe würde, ähnlich wie auch Colt und Saber es zum Teil schon getan hatten, alles auseinander nehmen und entwerten, was nach dessen Auffassung vielleicht falsch war. Gut, Eagle hatte als Vater von April ganz sicher das Recht dazu, doch da der Pilot an diesem Punkt schon vorgeschädigt war, behagte ihm der Gedanke nicht sonderlich. Der spärliche Anfang dieser Berichterstattung wurde jedoch mit jedem Satz souveräner, weil der Zuhörer ihn nicht einmal unterbrach. Alles, was die Vorbereitungen auf das Töchterchen betraf, hatten April und Fireball gemeinsam besprochen und im Zweifelsfall noch einmal von der Hebamme absegnen lassen. Schließlich hatte die schon viele Geburten vorbereitet und genoss das uneingeschränkte Vertrauen des Paares. Nur ein Punkt blieb ein wenig unklar, obgleich er einer der wesentlichsten war. Der Beruf. In Aprils Fall war es recht einfach. Sie würde nicht mehr zur Ramrodcrew zählen und als Wissenschaftlerin in den Mutterschutz gehen. Da gab es keine Diskussion. Anders jedoch bei dem Rennfahrer. Er hatte während des Falles um Pennyrile pausiert, jedoch noch keinen Gedanken an das Danach verschwendet. Dennoch war Charles Eagle zufrieden mit dem, was er erfuhr. Entgegen aller anfänglichen Bedenken und der erschwerten Umstände war das junge Paar gut auf den Nachwuchs eingestellt. Als Fireball das Büro schließlich verließ, lehnte sich der Oberbefehlshaber der Sektion West erleichtert in seinem Stuhl zurück. Dass seine Tochter und der Pilot eines Tages zusammen finden würden, war für ihn immer sicher gewesen. Die Gefühle, die die beiden während ihrer Dienstzeit im KOK für einander entwickelt hatten, waren Eagle nicht entgangen. Es waren dezente Hinweise gewesen, die in einem bestimmten Blick, einer unauffälligen Geste oder unbewussten Worten hervorgestochen waren, aber niemals gegen die Regeln im Oberkommando verstoßen hatten. Der Commander hatte nie eine bestimmte Vorstellung, die sein künftiger Schwiegersohn erfüllen musste. Das wichtigste war Aprils Glück gewesen. Diese Anforderung klang zwar simpel, hatte es aber in sich, wenn man sie erst mal auseinander nahm. Sie setzte unter anderem voraus, dass der Kandidat Eagles Tochter mit Liebe und Respekt behandelte und ihr niemals in irgendeiner Weise weh tat. Fazit war für ihn, dass sie in dem Rennfahrer alles gefunden hatte, was sie für ihr Glück brauchte und gleichgültig, wie überraschend die Schwangerschaft gekommen war, sie verband das Paar nur stärker. Charles erinnerte sich gut an Aprils Augen, den Glanz darin, als sie ihm erzählt hatte, dass sie in freudiger Erwartung war. Dasselbe Leuchten hatte er auch in Fireballs Augen gesehen. Er brauchte sich also wirklich keinerlei Sorgen zu machen. Die beiden gingen ihren Weg. „Ich brauche keinen Wachhund, Colt“, erklärte Saber kategorisch, als die beiden vor der Bürotür standen. „Ich gehe auch ohne dich zum Arzt. Verlass dich drauf.“ Der Kuhhirte hob unbeeindruckt die Schultern und schob den Recken bis zu Chrystal Stones Empfangstisch. Hier riss sich der Blonde energisch los. „Deine Gluckerei nervt“, beharrte er verstimmt. Colt schien wirklich so gar nichts dazugelernt zu haben. „Krieg dich wieder ein. Ich komme nur mit, weil ich mit dir reden will, “ beschwichtigte der Lockenkopf ihn daraufhin. „Ich kann mir denken, worum es geht.“ Saber setzte seinen Weg fort. „Und ich will es offen gesagt nicht hören. Ich bin dir nicht gut genug für Jolene, dass weiß ich. Wenn wir nicht ins Exil gehen, werden wir keine ruhige Minute vor dir haben, dass ist mir auch klar.“ Er seufzte frustriert. „Und da ich nichts so mache, wie du es tun würdest, werde ich sie auch nie glücklich machen können“, fügte er dann hinzu. Die Fahrstuhltür öffnete sich vor den beiden Männern und der Cowboy schwieg auf der Fahrt nach unten. Betroffen darüber, dass sein Vorgesetzter diesen Eindruck gewonnen hatte. „Hör mal“, begann er kleinlaut, wofür Saber ihn erstaunt anschaute, als sie das Gebäude verließen und den Weg zum Arzt einschlugen. „Eigentlich wollte ich nur zwei Dinge los werden. Nämlich erstens, dass ich meine kleine, crazy Chily-Schote noch nie so glücklich gesehen habe und zweitens: Danke dafür, dass du mir in der Mine den Arsch gerettet hast.“ Er klang ungewöhnlich ernst bei diesen Worten. Einen Momentlang fragte der Schotte sich, wer von beiden was auf den Kopf bekommen hatte und dann, wie viel schwerwiegender als angenommen die Auswirkungen davon waren. „Guck nicht so entgeistert. Ich hab es so gemeint.“ Colt stieß dem Highlander aufmunternd in die Seite. „Ernsthaft, auch wenn du es nicht hören willst“, antwortete Saber. „Aber nach allem, was du so hast verlauten lassen, fällt es schwer, dass zu glauben.“ Der Lockenkopf nickte. „Bei den ganzen Sprüchen waren aber auch zwei oder drei Sätze dabei, die genau das bestätigen. Ein bisschen wenig, ich weiß, aber immerhin.“ Es würde noch sehr lange dauern, bis Saber und auch Fireball begreifen konnten, dass sich der Scharfschütze geändert hatte und solchen Aussagen keine bösen Spitzen mehr folgen würden. Er hatte noch einen langen Weg vor sich und das hatte er sich selbst eingebrockt. Colt hob die Schultern. Da musste er jetzt halt durch. Die drei Jungs kamen am Abend auf der Residenz des Kronprinzen Roland an. Auf dem Fest, das dort anlässlich der Einberufung einiger Männer in den Offiziersstand, stattfand, glänzten auch Robin, April und Chily durch Anwesenheit und Vorfreude auf das Wiedersehen. Das Trio stand am Rand und beobachtete die Paare auf der Tanzfläche des hell erleuchteten Festsaales. Aufgeregt hielten sie sich an den Händen. Endlich war dieser Fall abgeschlossen und kehrten ihre Jungs zu ihnen zurück. Angelique, die nicht von der Seite des Prinzen wich, linste immer wieder lächelnd zu den dreien und freute sich für sie. Die Blondinen trugen Kleider im Empire-Stil. Leicht und locker fiel der champagnerfarbene Stoff bis zum Boden und hatte dezente Blumenapplikationen am Saum. Sie sahen wie Schwestern aus, so, wie sie sich einander inzwischen verbunden fühlten. Angeliques Lächeln wurde wärmer. Was für ein aparter, schöner Abend es doch würde. Ungeduldig und aufgeregt zappelte Chily an Robins Hand und war voller Erwartung. Als einer der heute ernannten Offiziere kam um sie zum Tanz aufzufordern, sagte sie zu um ihrer Aufregung ein Ventil gegeben zu können bevor sie ihre Freundinnen damit in den Wahnsinn treiben konnte. April ging es nicht sehr viel anders. Sie hatte Fireball vermisst und um ihn gezittert. Jetzt tanzte in ihrem Bauch das Ungeborene, angesteckt von der Vorfreude seiner Mutter. Immer wieder traten leichte Beulen am Bauch der Navigatorin auf um gleich darauf zu verschwinden. Der Embryo drehte und wendete sich, reagierte auf das Streicheln seiner Trägerin. Wie lange noch, bis die Jungs endlich in den Saal kommen würden? Robin hatte diese Frage in Aprils Gesicht gelesen und schlenderte mit ihr zu der Eingangshalle. Hier war es etwas ruhiger und sie würden ihre Liebsten sofort sehen können. Sie standen kaum fünf Minuten dort, als die Erwarteten eintraten. Der Rennfahrer hatte seine Freundin eben bemerkt, da war er schon bei ihr und zog sie liebevoll in die Arme. Etwas zu nah an sich. Seine Töchterchen bekundete dies durch einen Tritt, den er fühlte. Sofort nahm er wieder Abstand und lächelte leicht. „Sie weiß schon jetzt, wie sie sich durchsetzt“, meinte er. April nickte. „Muss sie von dir haben“, entgegnete sie. Fireball hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Bestimmt. Du hast andere Methoden um dich durchzusetzen.“ Damit legte er ihr einen Arm um die Schulter und dirigierte sie leicht hinaus. Robin legte ihrem Colt die Arme um den Hals. Da sie sich unverhofft schon an der Tankstelle gesehen hatte, fiel ihr Wiedersehen etwas verhaltener aus. Außerdem vergrub der Scharfschütze seinen Kopf etwas zu sehr an ihrer Halsbeuge. Da stimmte doch etwas nicht. Irgendwas beschäftigte ihn. Rasch zogen sich auch die beiden zurück. Währenddessen hatte Saber mit einem unbehaglichen Seufzer festgestellt, dass Chily ihn hier nicht erwartete. Aber vielleicht, so redete er sich rasch ein, sprach sie gerade drinnen noch mit Roland oder dessen Verlobten. Also ging er auf die Tür zu, die zum Saal führte, und schaute vorsichtig hinein. Beim ersten Umschauen sah er sie jedoch nicht gleich. Also ließ er seinen Blick langsam durch den Raum wandern. Da stand sie. Der Tür direkt gegenüber auf der anderen Seite der Tanzfläche. Neben ihr, sehr nah neben ihr, ein Offizier in Ausgeh-Uniform und raunte ihr etwas zu. Sie lachte. So wie sie immer lachte, fröhlich und offen. Aber sie sah in diesem Kleid noch viel schöner aus, als sonst. Wie ein Blumenkind, schoss es ihm durch den Sinn. Ihr Haar war halb am Hinterkopf straff zusammen gerafft, sprang aber widerspenstig aus diesem Knoten heraus. Ja, das war seine bezaubernde Jolene. Und sie lachte, über etwas, dass dieser Schönling von Offizier gesagt hatte. Saber wandte sich verzagt ab und durchquerte zügig die Eingangshalle. Er war eben ins Freie, in die, von warmen, gedimmten Lichtern erhellte, Nacht getreten, da hörte er hinter sich ihre vertraute Stimme. „Saber! He, wo willst du denn hin?“ Er stoppte und schaute betrübt über die rechte Schulter zu ihr. „Hey“, presste er kaum hörbar hervor. „Manapi?“ Dieser Blick überraschte sie noch mehr, gab ihr noch ein Rätsel auf. Als sie sich von ihrem Lachanfall im Saal über den albernen Satz dieses Offiziers erholt hatte, hatte sie wieder zur Tür geschaut. Die hatte sie den ganzen Abend über im Auge gehabt um Saber sofort sehen zu können. Er hatte sich gerade umgedreht und war gegangen. Sofort war sie ihm gefolgt, hatte den erstaunten Ruf ihres Gesprächspartners nicht beachtet, sondern das lange Kleid gerafft um nicht darüber zu stolpern und ihr Manapi nicht mehr einholen zu können. Jetzt stand er da und hatte ihr den Rücken zu gewandt. Und dieser Blick. Was hatte das zu bedeuten? „Ich wollte dich nicht stören, Jolene“, murmelte der Recke. „Stören?“ Hatte sie sich verhört? „Wie kommst du denn auf so was? Wie kannst du mich stören, wo ich so froh bin, dass du wieder da bist?“ Rasch trat sie noch einen Schritt näher auf ihn zu. Er wies mit dem rechten Daumen nach innen. „Du hast dich gerade gut unterhalten. Ich wollte dich nicht unterbrechen, “ erklärte er. Sie schaute kurz zurück, dann wieder zu Saber und runzelte die Stirn. Das verstand sie nicht. „Das wäre mir eine willkommene Unterbrechung gewesen. Du bist endlich wieder da.“ Sie streckte die Hände nach seinem Gesicht aus, wollte ihn berühren, doch er wich zurück. Sie hätte sonst womöglich seine Naht berührt. „Nicht, Jolene.“ Sie schaute ihn entgeistert an und sprach aus, was sie dachte. „Wieso hab ich das Gefühl, ich hätte dir irgendwas getan?“ hakte sie nach. „Nein, du hast mir nichts getan“, stritt er lahm ab, aber sein Gesichtsausdruck verriet das Gegenteil. Es gelang ihm nicht zu verbergen, wie unglücklich er sich fühlte. Seine Jolene, so schien es ihm, hatte ihn ein getauscht. Gegen einen gutaussehenden Offizier. Obwohl, wenn er wie Saber auch Captain gewesen wäre, würde es ihm genauso weh tun. „Du lügst“, konnte sie daher zweifelsfrei feststellen. Der Schotte unterdrückte ein Seufzen und wandte sich ihr ganz zu. „Willst du mich denn überhaupt noch, Jolene?“ Fassungslos riss sie die Augen auf. Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor. Auch wenn das Licht nicht sehr hell war, die Naht in seinem Gesicht war schwer zu übersehen, zog sich sauber vernäht von der Mitte des Haaransatzes über die linke Braue und von dort weiter über die Schläfe hin zum Ohr. Viel zu gut zu sehen und deshalb für Saber vollkommen klar, dass diese Reaktion eine Absage auf seine Frage war. Er wandte sich wieder ab und wollte endgültig gehen, doch sie stellte sich vor ihn und verbaute ihm den Weg. So einfach kam er ihr nicht davon. Noch immer durcheinander schaute sie ihm ins Gesicht, dann schlug dies in Hilflosigkeit um für die sie in diesem Augenblick nur ein Ventil hatte. Sie trommelte Saber gegen die Brust. „Du hast mir versprochen auf dich auf zu passen“, rief sie aufgebracht. Der Recke hielt ihre Hände fest. Zu dem, was er als Ablehnung gedeutet hatte, vertrug er nicht, dass sie ihn auch noch so attackierte. „Das hab ich, Jolene“, entgegnete er dumpf. „Und wie kommt dann das dahin?“ fragte sie heftig und deutete auf sein Gesicht. Für sie war in diesem Aufruhr der Gefühle, das sie gerade durchlebte, doch klar, dass er sehr viel Glück gehabt hatte. Die Wunde hätte auch tiefer gehen, den Schädel treffen können. Weiter als das, wollte sie nicht denken. „Verdammt, ich lass dich nie wieder auf einen Einsatz. Am Ende kommst du gar nicht mehr zurück, “ zeterte sie ungestüm, allerdings deutlich mehr vor Sorge, als vor Wut. Der Recke musste schmunzeln über diesen süßen Emotionsausbruch. Erleichtert stellte er fest, dass er die Situation falsch ausgelegt hatte. Er zog sie ein wenig näher zu sich. „Ich werde immer wieder nachhause kommen. Versprochen, “ raunte er. „Ja klar, “ schnappte die Hebamme prompt. „Sieht man ja, einen Kratzer hast du ja auch nicht mitgebracht.“ Sie riss sich von ihm los und stieß ihm ihre Faust vor die Brust. „Ich hab dich gewarnt“, schimpfte sie dann verstimmt. „Aber ich hab Colt gesund Heim gebracht“, verteidigte Saber sich leicht. „Nett. Danke.“ Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Sie konnte sich über diese gute Nachricht nicht so recht freuen. Viel zu sehr schwirrte ihr im Kopf herum, was wohl passiert sein musste, dass er zu dieser Verletzung gekommen war und wie viel schlimmer es hätte kommen können. Der Recke nahm ihre Hände. „Wir sind alle“, begann er versöhnlich, doch weil die Formulierung „gesund und munter“ nicht passte, setzte er mit „munter nachhause gekommen“, fort. „So munter nun auch wieder nicht, oder warum wolltest du wieder abdampfen, “ fuhr sie ihn empört an. „Du hättest mich nicht mal begrüßt, wenn ich dich nicht gesehen hätte.“ Da konnte er ihr nicht mal widersprechen. „Du hast ja Recht, Jolene“, seufzte er. „Ich hab dich dort mit diesem Offizier gesehen. Und ich, naja ich hatte das Gefühl...“ Er brach ab und ließ die Schultern hängen, kam sich selbst in dem Moment idiotisch vor. Sie schaute ihn fragend an. Was für ein Gefühl hatte er denn? Was hatte sie denn getan, dass er hatte missverstehen können? Sie hatte doch nur mit einem Mann getanzt und sich ein wenig unterhalten. Was war verfängliches daran? Ja, wenn sie geflirtet hätte, dann … „Du hast doch nicht etwa gedacht, dass ich ...“ Auch sie brach ab. Ihr Manapi hatte doch nicht ernsthaft gedacht, dass sie mit einem anderen angebandelt hatte? Aber so wie der Schotte sie anschaute, war es doch so gewesen. „Hast du irgendwas auf den Kopf bekommen? Wie kommst du auf so eine Idee? Ich bin fast gestorben vor Sorge um dich und du unterstellst mir, ich würde ...“ fuhr sie ihn an, brachte aber auch diesmal diese absurde Idee nicht heraus. „Dummes Manapi“, schalt sie ihn, aber zu schwach um böse zu sein. „Wie du siehst, ja“, meinte er mit schiefem Grinsen und wies auf die Verletzung in seinem Gesicht. Jetzt trat sie ganz dicht vor ihn. Er konnte ihren Atem spüren, als sie zart, kaum fühlbar, mit dem Finger über die Naht strich, ihrem Verlauf folgte und dann über die unversehrte Haut am Ohr bis hinab zu seinem Kiefer glitt. „Hauptsache, du bist wieder bei mir“, flüsterte sie dann. Erleichtert legte er seine Arme um ihre Schultern. „Ich bin wieder da.“ Sie drückte ihren Kopf an seine Brust. „Endlich. Ich hab schon gedacht, du nimmst mich gar nicht mehr in die Arme, “ murmelte sie. Wärme breitete sich in Saber aus. Die Art von Wärme, die Zuhause sein bedeutete. Er schloss die Augen und hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel. „Ich hab dich vermisst“, flüsterte er sacht. „Ich dich auch, “ kam es von ihr zurück. Tränen bahnten sich ihren Weg unter Chilys Lidern hervor und über ihre Wangen, nahmen die Sorge und Angst mit sich fort. Liebevoll hob er ihren Kopf, wischte ihre Tränen weg und küsste sie zärtlich. „Ich hab wirklich tausend Ängste ausgestanden. Vor allem, als dann Robin auch noch weg war. Ich hab gedacht, jetzt geschehen alle Unglücke, die nur geschehen können, “ schniefte sie. „Es ist alles gut ausgegangen, “ versicherte Saber. Sie schmiegte sich an ihn, so nah sie konnte. „Und Pennyrile ist frei?“ fragte sie. „Die Mine ist wertlos, das Alkalit für immer verloren. Die Irokesen haben ihr Land wieder.“ Diese Antwort beruhigte sie. Chily hob den Kopf und betrachtete noch einmal eingehend seine Naht. Verlegen sah er zu Boden. Das war ihm unangenehm. „Es sieht schlimmer aus, als es ist, Jolene“, raunte er belegt. „Hm. Aber es stört dich trotzdem offenbar gewaltig, “ stellte sie fest und dirigierte ihn leicht in die Richtung eines Nebeneinganges, der zu den Gästezimmern führte. „Ich sehe aus wie Frankensteins Monster, “ klagte er unglücklich. Jetzt war er wohl kein schöner Edelmann mehr, was ihm schon ein klein wenig gefallen hatte. Immerhin blieb er noch Edelmann. „Warte ab, bis die Fäden gezogen sind und alles verheilt ist“, meinte sie. „Ich werde in der Zwischenzeit schon mal meine Krallen wetzen.“ – „Krallenwetzen?“ Alarmiert hob der Recke die unverletzte Braue. „Ich werde also wirklich dafür bestraft, dass ich Colt und Fire heil nachhause gebracht hab?“ Sie stiegen die Treppen hinauf und betraten den Flur zu dem Zimmer der Hebamme. „Ja, natürlich. Du hast dein Versprechen gebrochen und eben doch einen Kratzer mitgebracht. Strafe muss sein, “ erläuterte sie. „Aber die Krallen wetze ich nicht deshalb, sondern für alle die Frauen, die der Meinung sind, sie müssten ihr Glück bei dir versuchen, weil Narben erotisch seien. Sie werden kein Glück haben.“ Sie nickte, wie jemand, der etwas ganz bestimmt wusste. Kannte sie etwa Eifersucht? Das hatte sie noch nie gezeigt, überlegte er und schmunzelte. „Fireball und Colt haben dasselbe gesagt“, bemerkte er dann. „Dann muss ich wohl auch den beiden die Augen auskratzen.“ Sie öffnete die Tür und ließ ihn eintreten. „Hey, mach mal halb lang, Jolene. Sie haben nur behauptet, dass Frauen Narben erotisch finden würden, mehr nicht, “ beschwichtigte er sie und unterdrückte das Lachen. Sie konnte tatsächlich eifersüchtig werden. Das hatte er nicht von ihr gedacht. „Das will ich ihnen auch raten.“ Die Hebamme schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. „ Auf jeden Fall machen einige Narben erotisch und ich habe nicht vor dich mit irgendwem zu teilen“, fasste sie zusammen. „Ich hoffe schwer, dass solche im Gesicht dazu zählen.“ Das hoffte Saber wirklich. Sie musterte ihn noch mal und erklärte: „Die schon.“ Danach stieß sie sich von der Tür ab und kam gespielt drohend auf ihn zu. „Aber ab jetzt solltest du dir andere Sorgen machen.“ Er ließ sich auf dem Fußende des Bettes nieder und lächelte, wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte und ahnungslos tat, wenn er ertappt wurde. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Was hab ich denn angestellt?“ Chily hob den Stoff ihres Kleides über ihre Knie und setzte sich, eines rechts, eins links von ihm, auf seinen Schoss. Dann sagte sie: „So einiges“ und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. „Du hast dein Versprechen nicht gehalten“, fuhr sie mit ihrer Aufzählung fort. „Wolltest mich nicht begrüßen. Glaubst du würdest mir nicht mehr gefallen. Und hast gedacht, ich würde dich ...“ Als wollte sie jeden Satz betonen, hatte sie dabei je einen weiteren Knopf aufgemacht und war nun an seinem Hosenbund angekommen. Sie schob ihre Hände unter den Stoff und dann den auseinander. „Wenn ich jetzt noch einen blauen Fleck oder irgendwas finde“, mahnte sie und riss, einigermaßen energisch, das Hemd aus dem Gürtel und von seinen Schultern. Er zog leicht den Kopf ein. „Ich bin des Todes“, wähnte er. Schließlich war er unter Steinen verschüttet gewesen und hatte ganz sicher irgendwo einen solchen Fleck davongetragen. „Wir werden sehen. Das muss ich schließlich genau untersuchen, “ murmelte sie, wobei sie sanfte Küsse über seinen Oberkörper verteilte. „Ich schätze mal, dann wehren ist zwecklos, “ stellte er fest, strich ihr sacht über die Arme bis zu den Schultern und von dort über den Rücken, presste sie nah an sich. „Bei mir? Sowieso. Aber erst mal muss das hier sein.“ Damit sog sie innig an seiner Halsbeuge bis sie einen Knutschfleck zurück ließ. Ein Arm umfasste ihre Taille, der andere ihre Schultern und hielt sie, als der Recke sie leicht drehte und sie auf das Bett drückte. „Das zählt aber nicht als blauer Fleck, oder?“ hakte er schmunzelnd nach, einfach nur glücklich, wieder bei ihr zu sein. „Kommt drauf an. Wenn ich sonst keinen finde schon, “ grinste sie frech. „Ansonsten dient es hoffentlich dazu klar zu machen, dass du nicht mehr zu haben bist.“ Chilys Hände glitten um seinen Hals und über den Rücken. „Dann wünsch ich mir letzteres“, murmelte er während sein Mund über ihren Hals zum Ohrläppchen wanderte und seine Finger sich an dem Reißverschluss ihres Kleides zu schaffen machten. „Du wünschst dir, dass jeder sieht, dass du vergeben bist?“ hakte sie irritiert nach. „Im Augenblick überwiegt ein anderer Wunsch stärker“, gab er zurück und zeigte augenblicklich ihrem Abendkleid den Weg von ihrem Körper auf den Boden. „Aha? Und welcher?“ grinste sie wissend an seinem Hals. „Ich will dich.“ Und dies unterstreichend knabberte er an ihrem Ohrläppchen. „Tatsächlich? Wo du doch vorhin weggelaufen bist? Bist du dir sicher?“ stichelte sie ihn liebkosend. „Todsicher.“ Er umfasste ihr Kinn, drehte ihr Gesicht zu sich und gab ihr einen Kuss, der daran überhaupt keinen Zweifel ließ. Überrascht murmelte sie: „So wild?“ Die Antwort folgte darauf in Taten, die für sich sprachen. Saber hatte sie nicht nur vermisst, er war auch unglaublich erfreut darüber, dass sein entstelltes Gesicht nichts an ihren Gefühlen für ihn änderte. Aber so einfach ließ sich Chily von seiner Leidenschaft nicht mitreißen. Dass er überhaupt nur den leisten Zweifel an ihr gehabt hatte, würde er ihr büßen. Er, dessen Hand ihren Oberschenkel entlang fuhr und ihn gegen seine Taille presste. Na warte. Sie drückte ihn unvermittelt von sich und schlüpfte vom Bett. Verwirrt schaute er sie an. „Was machst du?“ Da stand sie vor ihm, in dieser schlichten Satin-Korsage und dem passenden Slip, offensichtlich, dass sie es eigens für diesen Abend angezogen hatte, und grinste ihn unverschämt an. „Strafe muss sein.“ – „Das ist nicht dein Ernst“, entfuhr es ihm entgeistert. Er stand auf und kam auf sie zu. Sie wich feixend zurück. „Na, warte. So nicht. Nicht mit mir.“ Das durfte sie ihm nicht antun. Sie durfte ihn nicht so verlocken um ihn dann im Regen stehen zu lassen. Er streckte schnell die Hand nach ihr aus und wollte sie greifen, doch sich wich keck lachend aus. „Doch. Wie du siehst, “ neckte sie fröhlich. Zugegeben, sie wollte, dass er dieses kleine Spiel gewann, wo er sie so stürmisch liebkost hatte, aber eben nicht ganz so leicht. Noch einmal wich sie von ihm weg. Doch der Starsheriff in ihm hatte dieses Manöver erkannt und er bekam sie zu fassen. Schwungvoll hob er sie auf seine Arme und drückte sie wieder ins Bett. „Jetzt ist Schluss mit Lustig, “ stellte er klar und traktierte liebevoll ihren Hals mit den Zähnen. „Soll es eine Drohung sein?“ kicherte sie. „Das liegt im Auge des Betrachters“, gab er zurück und drückte ihre Hände über ihrem Kopf auf die Matratze, da sie schon wieder Anstalten machte, ihn von sich zu schieben. „Eine Vergewaltigung?“ stichelte sie. „Was?“ Er hielt inne und richtete sich auf. „Ich frage nur, was das werden soll?“ gab sie unschuldig zurück, merkte aber, dass sie dabei war den Scherz da hin zu treiben, wo er für ihn nicht mehr lustig war. „Ich will mit dir zusammen sein, Jolene“, erklärte er ernst und aufrichtig. Etwas anderes durfte sie nicht denken. Sie lächelte ihn warm an. „Ich möchte bei dir sein, dich halten.“ Saber fuhr ihr mit der freien Hand durchs Haar. „Naja, jetzt auch spüren“, ergänzte er dabei. Gut. Das wollte sie auch. Da er ihre Hände losgelassen hatte, strich sie ihm nun sanft über seine Brust bis hinab zum Hosenbund und taste sich vorsichtig noch etwas tiefer. „Ich glaub, da ist es etwas eng“, flüsterte sie halb schelmisch, halb ahnungslos. „Ist das ein Wunder, bei einer so bezaubernden Lady?“ fragte er gepresst. Sie hob leicht die Schultern. „Bei einer so frechen vielleicht schon“, murmelte sie und öffnete den Knopf. „Das macht dich nur noch attraktiver“, ließ er sich vernehmen, als er wieder anfing sie fordernd zu küssen. „Gut zu wissen“, wisperte sie und ließ sich diesmal von seiner Zärtlichkeit mitreißen. Währenddessen hatte Colt sich ebenfalls auf das Bett in Robins Zimmer gesetzt und starrte stumpf schon eine ganze Weile vor sich hin. Schließlich hatte die Lehrerin genug. Er würde ja doch nicht mit der Sprache rausrücken. Typisch Mann. Also setzte sie sich zu ihm und fragte: „Was ist seit gestern passiert, dass du so niedergeschlagen bist?“ Er horchte auf, sah sie aber nicht an, sondern stierte weiter auf einen Punkt am Boden. „Niedergeschlagen? Ich? Nie nicht, “ leugnete er denkbar schlecht, erhob sich mechanisch und begann seine Sachen auszuziehen. Er wollte nur noch ins Bett, nachdem so deutlich geworden war, dass er nicht der Freund für Saber und Fireball war, der er sein wollte. Aber so leicht kam er seiner Zukünftigen nicht davon. Es war schließlich offensichtlich, dass ihm etwas auf der Seele lag. So stand sie auf, trat zu ihm und hielt ihn davon ab, sich weiter das Hemd aufzuknöpfen. „Ich kenne dich doch“, meinte sie sanft beharrend. „Ja, du kennst mich, Schatz“, gestand er ihr zu, legte die Arme um sie und wollte ihr eine Kuss geben, aber sich wich zurück. „Wenn du mit mir nicht reden willst, werde ich so lange Kopfschmerzen haben, bis du redest“, mahnte sie und er wusste, dass er dies lieber ernst nehmen sollte. Eine ähnliche Drohung hatte sie schon eine geschlagene Woche durchgehalten, bis er weich geworden war. „Das ist gemein!“ Schmollend verzog er den Mund. „So ist das Leben. Und für den Fall, dass du mich noch heiraten willst, solltest du das lernen, “ erklärte sie recht unbeeindruckt. „Gut, okay, du hast mich überredet, “ gab er auf. „Gut, okay. Ich höre.“ Sie trat wieder zu ihm und fuhr liebevoll kraulend mit einer Hand in seinen Nacken. Eine Geste, die ihm das Reden leichter machte. Colt senkte den Kopf. Einerseits, weil er die Zärtlichkeit genoss, andererseits, weil er sich schämte. „Ich bin ein furchtbarer Freund“, ließ er sich kleinlaut vernehmen. „Warum?“ hakte sie mild nach. „Weil...,“ seufzte er. „Ich mach ihnen Vorschriften.“ Darum drehte es sich also. Robin erkannte, dass ihrem Lockenkopf etwas schmerzlich klar geworden war. Ähnlich wie seine beste Freundin schoss auch er mit dem, was er eigentlich nur gut meinte, über das Ziel hinaus und gab einem das Gefühl kommandiert zu werden. Vermutlich, weil sie zusammen aufgewachsen waren, neigten sie auch beide dazu einen mit ihrer Liebe und Fürsorge zu erdrücken. Aufmerksam musterte sie ihn und schob ihn schließlich auf die Bettkante zurück ohne das Kraulen zu unterlassen. „Ich sag ihnen, was sie machen sollen, wie sie ihr Leben meistern sollen, “ kam es einsichtig von ihm. „Dabei kriegen sie das selber ganz toll hin.“ Sie nickte verstehend, runzelte gleich darauf aber die Stirn. „Was genau bringt dich eigentlich grad darauf?“ wollte sie dann wissen. Es war ja doch recht unvermittelt, dass er auf dieses Thema kam. „Naja, unser kleiner Papa zum Beispiel, “ erklärte der Scharfschütze. „Der legt neuerdings eine Vernunft an den Tag, die ich nie erwartet hätte. Und Saber, “ fügte er seufzend hinzu. Was Saber ihm heute an den Kopf geworfen hatte, lag ihm nun doch recht schwer im Magen. Erstaunt blickte ihn die Lehrerin an. Hatte er sich etwa mit dem Recken in die Wolle bekommen? Das war ja schon sehr verwunderlich. Colt selbst hatte viel zu viel Respekt um sich mit dem Schotten bis aufs Messer zu streiten. Also musste dem der Kragen geplatzt sein. „Was ist mit Saber?“ fragte sie daher. „Ich wollte ihm vorhin sagen, dass ich mich für Chily freue und er spuckt mir vor die Füße, was ich die letzten Monate vom Stapel gelassen hab.“ Unbehaglich rutschte er auf der Kante vor und dann doch wieder zurück. „Okay, da brauchst du dich aber auch nicht unbedingt wundern. Was du ihm an den Kopf geworfen hast, das war zum Teil böse, “ erinnerte sie ihn, auch wenn er es gerade nicht hören wollte. „Und du freust dich auch nur für Chily. Was ist mit Ihm?“ legte sie dann den Finger auf den Punkt, der dem Blonden auch unangenehm gewesen sein durfte. Ganz besonders, nach den Kommentaren des Kuhhirten. „Klar freue ich mich auch für Saber. Aber der braucht meinen Zuspruch doch nicht, “ staunte Colt. Dann linste er verunsichert zu ihr hinauf. „Oder?“ Ach, was war Colt doch manchmal für ein kleiner Trottel. Sie unterdrückte ein Kopfschütteln, stand auf und ging zum Frisiertisch. „Warum sollte er ihn nicht brauchen, Schatz?“ fragte sie, während sie die Ohrringe abnahm. „Das tut doch jeder. Und das, was du ihm seither alles gesagt hast, war das ganze Gegenteil davon.“ Unwillig verzog er das Gesicht und hob die Schultern. „Das weiß ich ja auch. Und es tut mir leid, ehrlich, “ bekundete er geknickt. „Ich will doch nur das Beste für meine Freunde.“ Sie zog die Haarnadeln aus ihrer Frisur und begann langsam sich zu bürsten. Im Spiegel sah sie ihn auf dem Bett sitzen. „Das weiß ich, Colt. Was hat Saber eigentlich dazu gesagt?“ Der Cowboy stand auf und kam zu ihr, nahm ihr die Bürste aus der Hand und kämmte ihr behutsam das Haar. „Er will es nicht hören“, antwortete er dabei. „Hat er gesagt, warum?“ Er hatte ihre ganze Aufmerksamkeit, das fühlte er. „Naja, weil ich so viele fiese Sachen gesagt hab, angeblich.“ Colt seufzte. „Ich weiß ja, dass ich nicht immer der liebe, nette Kerl bin, aber ich hab es doch nicht so gemeint.“ Er legte die Bürste auf den Tisch. Jetzt konnte sie nicht anders, als den Kopf zu schütteln. „Das wissen wir alle. Aber du hättest dir doch gelegentlich mal selber zu hören sollen.“ Sie wandte sich zu ihm um. „Chily geht dir immer noch über alles, nicht wahr“, stellte sie dann fest. „Ihr geht mir alle über alles“, betonte er und nahm seine Zukünftige in die Arme. „Aber sie wird immer Number 1 bleiben. Einfach, weil du sie schon mochtest, als du Mädchen eigentlich noch nicht leiden konntest. Sie war eben zuerst da.“ In dieser Erkenntnis lag kein Funken von Neid oder Eifersucht. „Und was Saber angeht, solltest du keinen Atem auf Beteuerungen verschwenden, sondern einfach nur handeln, “ schlug sie warm vor. „Ich sollte wohl mit dem Säbelschwinger mal einen drauf machen, “ überlegte Colt laut und strich ihr eine Strähne hinters Ohr. Wieder schüttelte sie den Kopf. „Nicht bevor er dich fragt.“ Geknickt drückte er seine Stirn gegen ihre. „Dann sollte ich wohl die nächsten Tage meine vorlaute Klappe halten“, murmelte er getroffen. „Oder sie für etwas einsetzen, dass du besser kannst“, meinte sie aufmunternd. „Da hätte ich schon eine Idee“, grinste er und gab ihr einen zarten Kuss. Sie nahmen die Gastfreundschaft von Prinz Roland noch für drei Tage in Anspruch ehe sie wieder nach Yuma zurückkehrten. Chily zog vorübergehend zu Saber in dessen Zwei-Raum-Wohnung während sich die beiden nach einem schönen Heim am Stadtrand umsahen. Unterdessen kehrten Colt und Robin wieder nach Hause und die Lehrerin kam ihrem Beruf wieder nach. Fireball und April erledigten den liegengebliebenen Papierkram des Ummeldens und begannen in den eigenen vier Wänden zu packen um in die Fünf-Zimmer-Wohnung einzuziehen. Der Schotte und die Hebamme halfen ihnen dabei. Sie alle wollten so schnell wie möglich wieder in den Alltag und zur Normalität zurückkehren. Fieberhaft wurde deshalb in der gemeinsamen Wohnung der werdenden Eltern Boden verlegt und tapeziert. Der helle Raum, das künftige Reich des ungeborenen Töchterchens, wurde recht aufwändig gestaltet. April hatte die Idee, die Konturen eines Schlosses an die Wand zu zeichnen. Dieser Teil wurde in hellem Rosa, einzelne Umrisse in einem dunkleren Ton, gestrichen. Die obere Hälfte wurde der Himmel, mit Wolken und Sonne, der in der Schlafecke nachtblau mit entsprechend Mond und Sternen gemalt wurde. Auch das künftige Arbeits- und Fitness-Zimmer wurde ein Highlight, dass der Rennfahrer der Kreativität seiner Freundin zu verdanken hatte. Der Raum war der kleinste in der Wohnung und hatte an der rechten Wand ein meterhohes Mäuerchen als Raumteiler. Links von der Tür her erkannte man nun die Konturen des Fury Racers, der in einer Boxengasse stand. Die Wand gegenüber dem Eingang war dunkelrot und bekam Regale für sämtliche Trophäen. Auf der rechten Seite waren Ramrods Umrisse zu sehen und hinter jenem Mäuerchen würde Aprils Schreibtisch stehen. Beide Motive erinnerten nun an Zeiten, die sehr wichtig für das Paar gewesen waren und in die es kein Zurück mehr gab. Nie wieder würde Fireball ein Rennen fahren und nie wieder würde April als Navigatiorin mit Ramrod fliegen. Bei all diesen Arbeiten hatte Chily stets ein Auge darauf, dass die Schwangere sich nicht überanstrengte und verbot ihr unter anderem rigoros beim Aufbauen der Möbel zu helfen. Sehr zum Ärgernis der Betroffenen, die sich fit genug fühlte eben dies zu tun, zog auch noch deren Freund am gleichen Strang und kommandierte sie kurzer Hand, aber doch liebevoll zum Auspacken ab. Außerdem sahen sich die beiden Frauen nach Möbeln für das Kinderzimmer um und April war dankbar für die Tipps aus Chilys Berufserfahrung. Das Haus, für welches Saber und Chily sich schlussendlich entschieden, lag am Stadtrand von Yuma. Beide hatten sich hier sofort heimisch gefühlt, weshalb es keine Diskussion gab. Dass der Weg ins Stadtzentrum etwas umständlich werden würde, war für das Paar kein Problem, da das Grundstück genügend Platz für die Pferde bot und eine Koppel auf einem Gehöft in der Nähe gut zu erreichen war. Ein weiterer entscheidender Punkt waren die großen Fenster in den Räumen, die für reichlich Tageslicht sorgten. Sehr wesentlich für die Hebamme auch der zweite Eingang zu der ehemaligen Einliegerwohnung, die fortan ihre Existenzberechtigung als Praxis haben würde. Gedanklich hatte Chily sich dort schon gleich bei der Besichtigung eingerichtet. Entsprechend wurde dies nun in die Tat umgesetzt und der Schotte und seine Freundin begannen ebenfalls zusammen zu ziehen. Die kleinen Streitigkeiten, welche die Gestaltung der einzelnen Zimmer angingen, fanden eine doch ungewohnte Lösung. Der Diskussionsort war das jeweilige Zimmer und das entscheidende Wort hatte derjenige, der die Oberhand behielt, wenn die Debatte ins Nonverbale hinüber glitt. Da Saber ebenfalls wieder seinem Job als Ausbilder im KOK nachkam, trudelten Fireball und Colt ein um bei der Renovierung zu helfen. Jetzt, da die Wohnung der werdenden Eltern fertig war, wagte der Scharfschütze sich wieder aus der Versenkung hervor, in der er seither untergetaucht war um seinem Boss und seinem kleinen Hombre etwas Abstand zu verschaffen. Eine Entscheidung, die er bewusst gefällt hatte, auch wenn es ihm nicht leicht gefallen war. Aber es war ihm klüger erschienen, nachdem er beide so massiv gegen sich aufgebracht hatte, dass sie ihn kurzerhand mal hatten spüren lassen, wie sich übergangen zu werden anfühlen konnte. Drei Wochen später wartete die Hebamme zwar noch auf die letzten Möbel, die sie nach der Auflösung ihrer früheren Praxis aus Tucson-City kommen ließ, aber war das neue Heim weitgehend eingerichtet. Aus diesem Grund hatte Saber seine Eltern eingeladen. Er wollte ihnen sein neues Heim zeigen und ihnen Chily vorstellen. Die war deshalb ein wenig nervös. Vorsorglich hatte sie ein paar Snacks und Getränke für die Gäste vorbereitet. Da aber noch etwas Zeit war, zog sie sich für eine letzte Farbgestaltung in die Praxis zurück. Dort pinselte sie im künftigen Wartezimmer noch ein paar gelbe Blumen auf die Tapete. Dass es an der Tür schellte, bekam sie nicht mit. Schnell hatte sie sich so in diese Arbeit vertieft, dass sie die Welt um sich herum vergessen hatte. Saber öffnete und begrüßte seine Eltern. „Mutter, Vater, schön euch zu sehen.“ Liebevoll nahm er seine Mutter in den Arm. „Mein Junge.“ Auch sie war froh ihn nach sehr langer Zeit wieder zu sehen. Dann löste sie sich leicht aus der Umarmung um ihn mustern zu können. „Du lieber Himmel“, entfuhr es ihr erschrocken, als sie die Narbe in seinem Gesicht sah, und strich vorsichtig darüber. „Wie ist denn das passiert?“ wollte sie mütterlich besorgt wissen. „Ein kleiner Arbeitsunfall“, murmelte er peinlich berührt. An diesen Anblick jedes Mal, wenn er in einen Spiegel sah, hatte sich der Recke noch immer nicht gewöhnt. „Offensichtlich“, schaltete sich nun sein Vater ein. „Es war schwierig, dich aufzufinden, Sohn. Du bist fast so gut versteckt, wie der Schatz der Queen, “ fügte er hinzu, ohne weiter auf die Narbe einzugehen, da die Verletzung sichtbar gut verheilt war. So etwas passierte schließlich, wenn man einen Starsheriff als Sohn hatte und da er gesund und munter vor ihnen stand, ließ Eduard Rider seiner Frau nicht viel Zeit sich weiter darum zu kümmern. Dankbar stieg der Spross auf diese Überleitung ein. „Aber du bist hartnäckig genug mich überall zu finden“, lächelte er sacht. Sein Vater legte ihm die Hand auf die Schulter und betrachte ihn. Ja, das war ein Rider, wie er im Buche stand, stellte er stolz fest. Saber ließ die beiden herein. „Schön hast du dich hier eingerichtet“, bemerkte seine Mutter, als sie sich in der Diele umsah und einen kurzen Blick ins Wohnzimmer erhascht hatte. Das indianische Flair des Eingangsbereiches wunderte sie zwar, aber da er recht unaufdringlich war, nahm sie ihn kommentarlos zur Kenntnis. Immerhin, so schien es, war die Wohnung geschmackvoll eingerichtet und strahlte sauber und ordentlich in die Welt. Saber öffnete den Mund, um seinen Eltern etwas zu sagen, als hinter der Tür, die zur Hebammen-Praxis führte, etwas scheppernd zu Boden fiel. „Ach, verdammte Scheiße“, wetterte eine weibliche Stimme gleich darauf herzhaft. „Was war denn das?“ Erschrocken schaute Misses Rider in die Richtung, aus der dieser grobe Fluch kam. Wer hatte denn eine solche Ausdrucksweise? Wie zur Antwort kam Chily durch die Tür in die Diele. Gewohnheitsgemäß nur mit einem übergroßen Shirt zum Arbeiten bekleidet und von Kopf bis Fuß mit gelber Farbe bekleckert. „Saber, der blöde Farbeimer ist mir von der Leiter gekracht. Kannst du ...“ Erschrocken brach sie ab, als sie die Gäste sah. „Äh ... hi, “ presste sie hervor und wäre am liebsten tot umgefallen. Erstaunt riss Eduard die Augen auf, schloss sie kurz um sie gleich wieder aufzureißen. Womöglich hatten sie ihn beim ersten Hinsehen getäuscht. Nein, hatten sie nicht. „Das ist also Sincia“, stellte er dann nüchtern fest. Auch Sabers Mutter war nicht gerade begeistert von der jungen Frau, die da vor ihnen stand. Es war ganz eindeutig nicht die Frau, die sie sich für ihren Sohn gewünscht hatte. Dennoch reichte sie ihr höflichkeitshalber die Hand. „Guten Tag. Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Sincia.“ Die ignorierte die dargeboten Hand und funkelte den Recken skeptisch an. „Sincia? Hast du vergessen deinen Eltern was zu erzählen? Oder mir?“ wollte sie wissen und stieß ihm den Zeigefinger vor die Brust. Der räusperte sich verlegen. „Mutter, Vater? Das ist nicht Sincia. Darf ich euch Jolene Adams vorstellen?“ Dabei deutete er auf den lebensgroßen Farbtupfen und lächelte ihm kurz betreten zu. „Jolene, das sind meine Eltern“, stellte er dann vor und betete, dass die Hebamme mit der Kopfwäsche wartete, bis sie wieder allein waren. Sie tat ihm den Gefallen. „Guten Tag, Sabers Eltern“, winkte sie leicht. „Dann verschwinde ich mal kurz unter die Dusche, damit man erkennen kann, dass ich ein Mensch bin.“ Damit stieg sie eilig die Treppe zum oberen Stock hinauf, hatte aber noch genügend Zeit ihren Recken böse anzufunkeln. Mit dem Namen von dessen Ex-Freundin angesprochen zu werden hatte ihr gar nicht gefallen. Der sah ihr nach und fürchtete das, was diesem Blick unweigerlich folgen musste. „Lasst uns doch in die Küche gehen“, schlug er dann vor um aus dieser peinlichen Situation zu entkommen. „Saber, meine Junge. Deinen Erzählungen nach hatte ich mir Sincia anders vorgestellt und tatsächlich auch erwartet sie zu sehen, “ sagte seine Mutter während sie ihm folgten. „Du hast von ihr nie ein Wort erwähnt.“ Dabei wies sie mit der Hand in die Richtung, in die Chily verschwunden war. „Das wundert mich nicht, Mary“, kommentierte ihr Mann, worauf ihr Sohn leicht zusammen zuckte. „Vater, bitte. Lasst es mich bitte erklären, “ begann er vorsichtig, als sie in der Küche standen. „Auf diese Erklärung bin ich sehr gespannt.“ Misses Rider sah ihn streng an. So kannte sie ihren Sohn gar nicht. „Um es kurz zu machen. Sincia hat nicht auf mich gewartet.“ Der Blonde staunte über sich selbst. Das war wohl die höflichste Formulierung, die es für Sincias Verhalten gab. „Jolene ist kurz darauf in mein Leben getreten. Sie ist Colts beste Freundin, “ gab er dann Auskunft. „Mir war nicht klar, dass seine Freunde schlechten Einfluss auf ihn haben könnten, “ raunte Eduard Rider seiner Frau zu. Die nickte bestätigend und wandte sich an ihren Spross: „Sie hat nicht gewartet. Nun, das mag verletzend gewesen sein, aber sie?“ Dem war vollkommen klar, was das bedeutete. Seine Mutter verstand, dass Sincia ihm das Herz gebrochen hatte, nicht aber, dass er sich mit so einer, wie Chily zu sein schien, tröstete und auch noch so weit ging, dass er mit ihr gemeinsam wohnte. „Seid nicht so vorschnell mit eurem Urteil Jolene gegenüber“, versuchte der Schotte unbehaglich zu retten, was noch zu retten war. Der erste Eindruck von seiner geliebten Jolene auf seine Eltern war denkbar schlecht. So hatte er sich das nicht vorgestellt. „Lernt sie doch erst mal kennen“, fügte er nervös an. Aber die Gesichter der beiden verhießen gar nichts Gutes. Im Gegenteil. Eher schienen sich beide darauf vorzubereiten ihm für diese unangebrachte Wahl seiner Partnerin die Leviten zu lesen, ihm sagen zu wollen, wie schwer enttäuscht sie von ihm waren. In diese angespannte Lage platzte nun der Grund dafür herein. Chily versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie unbehaglich ihr gerade zu Mute war. „Saber, man führt die Gäste nicht als erstes in die Küche, sondern ins Wohnzimmer. Also, bitte.“ Sie nickte mit dem Kopf in die Richtung der guten Stube. „Ich hab hier drinnen schließlich noch etwas zu tun“, ergänzte sie und er spürte, wie sehr sie sich zusammen nahm. Das konnte nur dicke Luft geben. Gehorsam hielt er deshalb seinen Eltern die Tür auf. „Natürlich. Kommt ihr bitte mit mir ins Wohnzimmer.“ Chily begann, die vorbereiteten Snacks fertig anzurichten, während die drei im Wohnzimmer Platz nahmen. „Eduard, wann genau doch gleich dieses Fest, das Lord Walles geben wollte?“ fragte Misses Rider um sich gleich darauf an ihren Sohn zu wenden. „Ich finde, du solltest uns begleiten, mein Junge.“ Dahinter konnte sich nur die Absicht verbergen ihm eine passendere Frau zu suchen. Saber zögerte mit der Antwort. Dass er dies ablehnte, war für ihn klar, doch wie konnte er das höflich ausdrücken? „Mutter, ich fürchte, ich habe keine Zeit dafür“, erwiderte er deshalb vage. „Das Fest ist am Wochenende. Da musst du doch nicht arbeiten, “ wiegelte sie dies sogleich ab. „Das war in letzter Zeit öfter der Fall, “ beharrte er, was nicht gelogen war. Es war viel Papierkram liegen geblieben, der dringend aufgearbeitet werden musste und den er deshalb übers Wochenende mit nach Hause nahm. Er wollte nicht im Büro bleiben, für solche Arbeiten, wenn er sie auch in der Gegenwart seiner Jolene erledigen konnte. Die deckte nebenher den Tisch und goss die Getränke ein. „Aber ein Wochenende wirst du dir doch mal für deine Eltern frei nehmen können. Wir haben so wenig Zeit mit dir, “ verlegte sich seine Mutter nun aufs Bitten. Dem Recken wurde kalt. Nur ungern und schwer schlug er solche Anliegen von ihr aus, aber er wollte unter diesen Umständen ganz sicher nicht zu einem solchen Fest. „Mutter, wir sind gerade erst zusammen gezogen. Nach all den Schwierigkeiten, ich möchte mich hier erst mal einleben. Zusammen mit Jolene, “ versuchte er dem drohenden Unheil zu entkommen. Etwas hilfesuchend schielte er nach der Hebamme, doch diese hatte sich in die Küche zurück gezogen, wo sie vorgab etwas zu tun, aber aufmerksam ins Wohnzimmer lauschte. Er stand in diese Situation seinen Eltern allein gegenüber. Das hatte seine Berechtigung, musste er zugeben, denn sie waren seine Eltern und er musste diese Angelegenheit mit ihnen klären. Er war es schließlich gewesen, der ihnen nichts von Sincia und Chily erzählte hatte. „Vielleicht solltest du nach vielen Schwierigkeiten gut überlegen, ob es richtig ist. Diese Liebelei, “ gab seine Frau Mama zu bedenken. „Wenn es schon so anfängt, wohin führt es wohl?“ Da hatte er sich ja was Schönes eingebrockt. „Die Schwierigkeiten waren anderer Natur, Mutter“, entgegnete er rasch um seine Eltern gar nicht erst auf falsche Gedanken kommen zu lassen. „Tatsächlich? Welcher Natur würde mich schon sehr interessieren, “ bohrte sein Vater nun streng nach. „Im Oberkommando. Es hatte mit meinem letzten Fall zu tun, “ antwortete Saber. „Hatte sie etwas damit zu tun? Wo hast du sie kennen gelernt?“ setzte der Senior sein Verhör fort. „Jolene habe ich schon vorher kennen gelernt“, erklärte Saber mit einem bestimmten Unterton. Auch wenn der Fall sehr wohl etwas mit ihr zu tun hatte, er würde es unter diesen Umständen auf keinen Fall zugeben. Bei genauerer Betrachtung log er seine Eltern nicht mal wirklich an. Er hatte Chily kennengelernt bevor er diese Mission übertragen bekommen hatte. „Wo?“ wollte Mr. Rider nun energisch wissen, doch seine Frau winkte ab. „Was spielt das für eine Rolle, Eduard? Ich glaube, das entscheidende ist, dass dieser Flirt ein Ende findet, bevor er ernsthafte Folgen bekommt. Saber, mein Junge. Du solltest dir wirklich ein nettes Mädchen suchen, für die Zukunft, “ sprach sie ihre mütterlichen Bedenken aus und traf ihren Sohn schwer damit. „Was soll ich mit einem netten Mädchen?“ begehrte der nun auf. „Bei allem Respekt, aber das obliegt nicht eurer Entscheidung, weil ich mit Jolene leben muss.“ Er biss sich auf die Unterlippe, einerseits wegen des energischen Tones, den er ihnen gegenüber angeschlagen hatte, andererseits wegen der Formulierung. Er änderte beides in etwas Angemesseneres um. „Weil ich es will.“ Eduard Rider hob die Brauen. „Ich will doch nicht hoffen, dass diese Folgen schon eingetreten sind.“ Sein Junge musste doch nicht etwa heiraten, weil dieses gewöhnungsbedürftige Mädchen schwanger war? War der gute Ruf der Familie tatsächlich so sehr in Gefahr? „Saber bitte. Du willst? Das kann nicht dein Ernst sein. Schon allein ihre Ausdrucksweise, “ schüttelte auch Mary Rider verständnislos den Kopf. Jetzt fuhr Saber aus dem Sessel hoch. „Es ist nicht wichtig für mich, wie sie sich ausdrückt. Ich liebe Jolene, eben weil sie so ist, wie sie ist. Wenn ihr das nicht verstehen wollt, dann tut es mir leid, “ beharrte er einigermaßen ungehalten. Für Chily, die alles mitbekommen hatte, war es nun an der Zeit einzugreifen und die Wogen vielleicht etwas zu glätten. „Lass gut sein, Manapi. Streite dich nicht mit ihnen, “ mahnte sie ihn sanft. „Ihr habt sicher noch viele Themen über die ihr euch unterhalten wollt. Das ist okay. Ich werde mich nur wieder verabschieden und mich um die Praxis kümmern, “ fügte sie dann hinzu und wollte den Raum wieder verlassen, aber Saber war mit einem Satz bei ihr und hielt sie am Handgelenk zurück. „Nein, es ist nicht okay!“ gebot er unerwartet schroff. Unerwartet für alle, aber darauf nahm er keine Rücksicht. Er hielt die Frau, die er liebte und die seine Eltern scheinbar nicht akzeptieren wollten. Das konnte er nicht so belassen. Sein Vater und seine Mutter sollten sehen, wer Jolene Adams war und weshalb er so tief für sie empfand. Sie sollten es begreifen. Dass er das Handgelenk der Hebamme etwas zu fest hielt, begriff er, als sie sich aus dieser Umklammerung befreien wollte. „Manapi, bitte. Es ist wohl alles gesagt und auch deutlich. Ich muss noch die Lieferscheine durchsehen und die Eröffnung vorbereiten. Ich habe reichlich zu tun. Bitte, lass mich los, “ beschwor sie ihn leise. Sie wollte nicht länger als nötig bleiben. Sie war nicht willkommen. Das war kein schönes Gefühl. Sie wollte weg. Er ließ sie los, wohl oder übel, und funkelte seine Eltern schwer verstimmt an. „Seht ihr, was ihr angerichtet habt?“ grollte er. Die beiden tauschten überraschte Blicke. Mit diesem Auftritt der Hebamme und dieser Reaktion ihres Sohnes hatten sie nicht gerechnet. „Von was für einer Praxis hat sie gesprochen?“ versuchte seine Mutter noch zu vermitteln, doch es war zu spät. Saber ärgerte sich viel zu sehr über seine Eltern. Ja, zum ersten Mal in seinem Leben schämte er sich sogar für sie. „Ist das jetzt noch wichtig?“ brummte er düster. Wieso hatten sie der Hebamme keine Chance gelassen? „Ich glaube für heute, sollten wir gehen. Wir sind ja noch einige Tage in der Stadt, “ schlug sein Vater nun vor. Das war im Augenblick wohl besser um etwas Abstand zu dieser Situation zu bekommen, bevor etwas aus den Fugen geraten konnte. „Ihr solltet euch die Stadt ansehen“, stimmte sein Sohn ihm zu. „Ja, eine gute Idee.“ Das Elternpaar erhob sich. Ihr Spross begleitete sie noch zur Tür und verabschiedete sich verhalten von ihnen. Kaum hatte er die Tür geschlossen, lehnte er sich mit dem Kopf dagegen. Das war wirklich zu blöd gelaufen. Nein, so hatte es nicht kommen sollen. Aber die Schuld dafür lag schlussendlich bei ihm. Hätte er seinen Eltern vorher schon etwas erzählt, wäre alles in die Richtung gegangen, die er gewollt hatte. Er hatte ihnen doch nicht nur Chily vorstellen wollen … Er hob den Kopf und schaute zu der Tür, die zur Praxis führte. Im nächten Moment hatte er sie betreten. „Jolene?“ rief er schuldbewusst. Irgendwoher hörte er ein unterdrücktes Schniefen. „Ja, hier, irgendwo in der Arbeit, “ ertönte es vom Fenster her. Rasch trat er zu ihr. Sie hatte ihm den Rücken zu gedreht und schaute hinaus. „Es tut mir leid“, murmelte er und hauchte ihr einen scheuen Kuss auf die Schulter. Sie legte den Kopf in den Nacken. „Was tut dir leid? Dass sie deine Eltern sind und nur das Beste für dich wollen?“ fragte sie zurück. „Es tut mir leid, dass sie nicht wissen, was das Beste für mich ist“, antwortete er leicht erstaunt. War sie denn gar nicht wütend? „Mir ist egal, was sie wissen oder nicht. Mir ist egal, was andere von mir denken. Es prallt an mir ab. Meistens. Diesmal halt nicht, weil ich gehofft hatte, dass es anders läuft. Aber unterm Strich, wissen wir beiden, was wir wollen. Das ist entscheidend, “ schniefte sie. „Außerdem waren sie besser als mein Vater. Der hat grundsätzlich jedes Date von mir mit Winni im Arm begrüßt, ausgenommen Colt.“ Schwach grinste sie schief. Ein kläglicher Versuch zu überspielen, wie weh ihr das Verhalten seiner Eltern getan hatte. „Aber sie dürfen nicht so über dich urteilen“, beharrte er. Eigentlich hatten sie doch genug gesunden Menschenverstand um nicht vorschnell ein Schiedsspruch zu fällen. Saber war schwer enttäuscht. „Sie sind Eltern.“ Chily drehte sich zu ihm um. „Sei nachsichtig mit ihnen“, mahnte sie mild. Wie alle Eltern hatten sie eben auch Bedenken und der Hebamme war klar, dass ihr erster Auftritt recht seltsam gewirkt haben musste, wenn man bedachte, zu welch gutem Hause die Familie Rider zählte. Dass sie mal wieder in fremden Köpfen unterwegs gewesen sein musste, um zu dieser Erkenntnis zugelangen, wunderte den Schotten nicht mehr, allerdings ihr Verständnis. Er konnte nur den Kopf schütteln. Dann zog er sie fest in seine Arme. Sie schlang ihre ebenfalls um ihn. Es tat gut, ihn jetzt zu spüren. „Worüber schüttelst du den Kopf?“ wollte sie wissen. „Nichts“, behauptete er und legte den Kopf auf ihre Schulter. „Ich hatte mir nur gewünscht, dass…“ Er brach ab. „Sie mich mögen? Mich nicht vorschnell verurteilen, keine Standesdünkel hegen und wir eine große, glückliche Familie werden?“ schlug sie mögliche Satzenden vor. Er nickte leicht. Liebevoll fuhr sie ihm durchs Haar. Natürlich hatte er das gehofft. „Oh Manapi. Das kommt sicher noch. Vielleicht hatten wir nur grad einen Fehlstart, oder so, “ versuchte sie seine Sorge zu zerstreuen. Er hob den Kopf wieder, umfasste sanft ihr Kinn und sah ihr fest in die Augen. „Ich werde dich nicht mehr hergeben, Jolene. Nie mehr, “ betonte er. Sie hob die Brauen. „Das will ich doch schwer hoffen“, entgegnete sie, aber diese Geste kam ihr seltsam vor. „Alles okay, mein Manapi?“ hakte sie deshalb nach. „Ja, alles in Ordnung.“ Er ließ ihr Kinn los und strich mit der Hand sanft durch ihr weiches Haar. Sein Blick ruhte unverwandt auf ihrem Gesicht. „Bist du ganz sicher?“ fragte sie noch einmal. Sie kannte schließlich seinen Hang dazu, alles zu unterdrücken, was er fühlte. Er atmete schwer aus. „Ich wollte, dass alles perfekt ist“, seufzte er dann. „Ähm, perfekt wofür?“ Jetzt wurde ihr etwas unheimlich. Was sollte sie nun erwarten? Sie hatten ein gemeinsames Heim. Er hatte sie seinen Eltern, wenn auch etwas unglücklich aber, vorgestellt. Was kam noch? Ein Heiratsantrag? Nein, das wäre zu spontan für ihn. „Perfekt für“, murmelte er, brach dann aber wieder ab. „Ach, das ist nicht so wichtig.“ Vielleicht war es keine gute Idee ihr jetzt damit zu kommen. Aber sie wusste schon, dass seine Aussage falsch war. Da war noch etwas in ihm, was er sagen wollte. „Lügner“, rügte sie leicht und drückte ihre Stirn gegen seine. „Weißt du nicht, dass alles perfekt ist, solange du bei mir bist?“ fragte sie dann. Er zog den Kopf leicht zurück. Die Narbe war zwar gut verheilt, tat aber gelegentlich noch etwas weh. „Das soll es bleiben, Jolene“, meinte er. Sie musterte ihn, wiegte ihren Kopf erst nach rechts, dann nach links. „Wird es auch“, versicherte sie dann, weil sie nicht einschätzen konnte, was ihn ihm vorging. „Es gibt nur noch eines, was es perfekter machen könnte“, setzte er nun an, ermutigt, durch das, was sie gesagt hatte. Aufmerksam hob sie die linke Braue. „Und das wäre?“ Er lächelte. Diesen Blick, wenn sie ihn so genau betrachtete, fand er niedlich. Saber nahm ihre Hände. „Was glauben Sie, Misses Jolene Rider?“ fragte er unschuldig zurück. Sie schaute ihn mit großen Augen an. Dann senkte sie den Kopf und horchte in sich hinein. Er hatte Misses Jolene Rider gesagt. „Klingt besser als Adams. Erinnert weniger an Adams Family.“ Er hob wieder ihr Kinn und gab ihr einen leichten Kuss. „Rider passt zu dir, Jolene“, murmelte er. „Fühlt sich etwas seltsam an“, gestand sie. Er hatte es gesagt. Nur ihre Antwort war etwas vage. Liebevoll schmiegte er sich an sie. „Willst du dich denn daran gewöhnen?“ fragte er. Sie legte ihm die Arme um die Taille. „Sehr gern“, flüsterte sie. „Nur: Wie willst du das allen andern beibringen?“ – „Ich weiß es noch nicht“, erwiderte der Schotte wahrheitsgemäß. „Sie werden es schon merken.“ Im Augenblick wollte er nur ihren Herzschlag an seinem spüren. Alles andere war egal. „Wir sollten vorsichtshalber Särge kaufen“, schlug sie vor. „Könnte sein, wir brauchen sie.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein“, antwortete er ernst. „Ich lasse nicht zu, dass sich irgendjemand einmischt.“ Seine Entschlossenheit beeindruckte sie, aber schaltete nicht alle Bedenken aus. Leicht seufzend wollte sie sich wieder von ihm lösen. „Sag mal, bist du dir wirklich sicher, dass du das willst?“ hakte sie nach. Er hielt sie fest, presste sie wieder an sich. Ihre Nähe war zu schön. „Weshalb sollte ich das nicht wollen, Jolene?“ – „Geh nicht gleich wieder auf Abstand zu mir, wenn ich das jetzt sag. Versteh mich jetzt bitte richtig. Es ist mir wichtig. Ich will nicht, dass du mit deinen Eltern im Streit liegst. Und über kurz oder lang würdest du das selber nicht aushalten. Dafür liebst du sie viel zu sehr. Also bitte, sag mir, wenn du den leisesten Zweifel hast. Es ist nicht so, dass ich es nicht verstehen würde, “ sagte sie und suchte seinen Blick. Er fing ihn auf. „Aber ich habe keine Zweifel, Aiyana.“ Wille und Nachdruck standen in seinen Augen. „Und deine Eltern, Manapi?“ bohrte sie noch einmal an dem Punkt, der doch der wichtigste von allen war. „Sie haben einfach nicht damit gerechnet, weil ich ihnen nichts erzählt habe. Aber ich hoffe, dass sie es erkennen. Schließlich...“ – „ … schließlich sind sie deine Eltern, “ beendete sie den Satz für ihn. Er nickte. „Ja. Und sie haben genug Menschenkenntnis um ihren Irrtum einzusehen, “ erklärte er. Er hoffte tatsächlich sehr stark darauf, dass dies bald eintreten würde. Nun drückte sie sich wieder ganz nah an ihn, aber nur kurz und um ihn doch etwas erstaunt anzuschauen. „Du willst mich echt heiraten?“ Das war ihr vor nicht mal einer Minute als sehr unwahrscheinlich erschienen, doch nun nickte er überzeugt. „Oha.“ Sie kratzte sich leicht hinterm Ohr. „Werde meine Frau, Jolene“, wiederholte er seine Bitte um ihr zu beweisen, dass es ihm ernst war. „Liebend gern. Und wann?“ grinste sie leicht. „Sofort“, platzte er heraus, ohne einen Gedanken daran, dass es so sofort vielleicht nicht gehen würde. Sie räusperte sich, sonst hätte sie über seine Spontanität womöglich gelacht, und wies auf den Raum. „Ich stimme dir zu. Es sollte passieren, bevor Colt es erfährt ... aber...“ – „Aber was?“ – „Na ja, packen sollten wir noch und das Wo ist auch nicht geklärt.“ Da hatten sie doch glatt die Rollen getauscht. Jetzt war er derjenige, der unbedacht war, und sie die, die es bedächtig an ging. „Wo möchtest du denn heiraten?“ fragte er. Sie grübelte kurz. „Wie wäre es mit Tucson-City?“ schlug sie vor. „Reverant Steam würde sich bestimmt freuen. Im Gegensatz zu Colt konnte er mich gut leiden, “ fügte sie grinsend hinzu. „Sehr gerne. Ich möchte es auch nicht unbedingt an die große Glocke hängen und dort gibt es nur uns beide, “ stimmte er zu. „Und niemand kann sich wundern, wenn wir dorthin fahren. Wir müssen schließlich noch Demon und Angel holen, “ ergänzte sie und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Wir können die Pferde schließlich nicht dort lassen, “ gab er zwinkernd zurück. „Wann willst du fahren?“ wollte er wissen um den nächsten Punkt zu klären. Sie schaute sich kurz um. „Den Klecks wollte ich noch schnell wegwischen.“ Dabei wies sie auf die Stelle, wo ihr vorher der Farbeimer umgekippt war. „Aber du kannst ja schon mal packen.“ Dann fiel ihr noch etwas ein. „Tucson-City ist perfekt. Da hab ich doch glatt das passende Kleid vor Ort, “ meinte sie grinsend. „Okay, ich gehe packen.“ Saber ließ sie los und ging zur Tür. „Und lass dir dabei einfallen, wie du Toto um meine Hand bittest“, rief sie ihm lachend nach. Er drehte sich noch mal zu ihr. Einen Augenblick lang entgleisten ihm wirklich die Gesichtszüge. War das ihr Ernst? „Ich soll was? Toto wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Allerdings, vielleicht lässt er sich bestechen, “ erklärte er. Jetzt entgleisten ihr die Gesichtszüge. „Bei aller Liebe, dass kannst du vergessen. Das werden wir ihm schön vorher sagen. Das kannst du dem Zwerg doch nicht antun, “ entschied sie. „Okay, “ gab er nach. „Ich werde standesgemäß vor Toto niederknien und ihn hochoffiziell um deine Hand bitten. Versprochen, Jolene.“ Die Frage war nur, ob das so klappen würde. „So ist brav. Die Ehe kann ja nur gut gehen, “ lachte sie fröhlich. „Wer hat was anderes behauptet?“ fragte er lachend zurück und verschwand aus der Praxis. Chily telefonierte mit ihrer Freundin Donna Joe um ihr zu sagen, dass sie und der Recke sie besuchen würden und aus welchem Grund. Totos Mutter wusste noch, welche Papiere das Paar für sein Vorhaben brauchte, da sie kurz vor der Geburt des Kleinen selbst geheiratet hatte. Da beide sehr ordnungsliebend waren, war es nicht schwer für sie die notwendigen Unterlagen zu finden. Donna Joe war, ohne irgendwelche Zweifel zu äußern, nur zu gern bereit die beiden zu unterstützen. Endlich bot sich ihr die Chance sich bei der Hebamme für ihre jahrelange Freundschaft und Hilfe zu revanchieren. So kam es auch, dass die Rancherin die beiden schon gemeinsam mit Reverant Steam erwartete. Donna Joe fiel ihrer Freundin erleichtert um den Hals. Mit genügend Informationen über die vorangegangen Ereignisse um Pennyrile, konnte sie sich nun überzeugen, dass Chily mit ihren Beteuerungen recht hatte und es ihr gut ging. Auch der Recke wurde herzlich begrüßt. Dann traten die Vier ins Haus und nutzten die Gunst der Stunde um an den Plänen des Paares zu feilen. Toto war noch im Kindergarten, so dass sie ungestört alles besprechen konnten. Es war eine Wohltat für Saber und Chily, dass diesmal keiner dagegen redete. Steam versprach, sich sofort um die amtlichen Angelegenheiten zu kümmern, die erforderlich waren. Währenddessen war es Donna Joes Aufgabe die restlichen Vorbereitungen zu treffen. Als es an der Zeit war, Toto aus dem Kindergarten abzuholen, nahm die Rancherin den Reverant mit in die Stadt. Chily sah sich noch einmal in ihrer alten Praxis um, um sicher zu stellen, dass sie an alles gedacht hatte. Unterdessen grübelte der Recke darüber nach, wie er dem Kleinen beibrachte, dass er und Chily heiraten wollten. Er überdachte die Situation zwischen Toto und sich. Der Zwerg mochte seine MomChi wirklich gern und hatte Saber so weit akzeptiert, dass er ihn um Hilfe gebeten hatte, als es ihr schlecht ging. Allerdings war er ausgeflippt, als er gemerkt hatte, dass sie geweint hatte. Fünf Jahre war der Junge und wie Kinder in diesem Alter sensibel genug um zu merken, dass der Schotte sehr wohl der Grund für ihre Tränen gewesen war. Vielleicht hatte der kleine Mann nicht verstanden, was vorgefallen war, aber es war ihm nicht entgangen. Er hatte sich nicht so leicht beruhigen lassen, was Saber befürchten ließ, dass er es noch schwerer verziehen hatte. Hinzu kam, dass er sicher auch wusste, weshalb die Hebamme im Krankenhaus gelegen hatte. Auch hierfür würde sich der Recke vor dem Kleinen verantworten müssen. So stellte er sich seelisch und moralisch auf eine Beiß- und Trittattacke ein. Als Donna Joe mit ihrem Sohn eintrat, warf der prompt einen düsteren Blick auf den Blonden auf dem Sofa im Wohnzimmer. Ehe seine Mutter es verhindern konnte, stürmte er auf den Gast zu und trat ihm gegen das Schienbein. Donna riss ihn zurück und Saber zog das schmerzende Knie auf die Sitzfläche. „Warum hast du nicht auf MomChi aufgepasst?“ schrie der kleine Mann wütend die Frage hinaus, die Saber am meisten gefürchtet hatte. Er seufzte leicht. Ehe er jedoch antworten konnte, versuchte Toto erneut ihn zu treten. Allerdings erfolglos. Donna Joe hielt ihn fest. „Kann ich mal mit dir reden, Toto, ohne dass du mich trittst?“ fragte Saber und fügte auf den grimmigen, abweisenden Blick des Jungen hinzu. „So von Mann zu Mann.“ Damit packte er ihn an seinem Stolz. Natürlich fühlte Toto sich als Mann und dass der Blonde ihn ebenfalls als solchen ansah, gefiel dem Mini. Er löste sich aus dem Griff seiner Mutter und setzte sich, mit streng vor der Brust verschränkten Armen, zu dem Recken. Ernst sah er ihn an. Saber unterdrückte ein Schmunzeln. „Hör mal, Toto“, begann er. „Wir wissen doch beide, dass deine MomChi alles für die Menschen tut, die sie gern hat.“ Der Junge nickte. „Hätte jemand versucht dir etwas zu tun, hätte sie es verhindert. Egal, was mit ihr wäre.“ Wieder nickte der Kleine. „Und so war es auch an dem Tag. Jemand wollte mir weh tun und sie hat es verhütet. Du kannst mir glauben, dass ich das so nicht gewollt habe. Ich möchte nämlich nicht, dass es ihr schlecht geht. Leider konnte ich in dem Moment nichts dagegen tun.“ Abwartend sah Saber den Zwerg neben sich an. Würde er es verstehen? Er tat es. Toto löste die Arme, stützte sich auf einem ab und beugte sich zu dem Schotten. „Sie muss aber auch wirklich immer tun, was sie will“, erklärte er altklug. Jetzt nickte Saber. „Hast du den gefangen, der ihr weh tun wollte?“ wollte der kleine Mann dann wissen. „Er kam nicht ungeschoren davon“, erwiderte der Blonde. Zufrieden lehnte sich Toto zurück. Eine Weile schwiegen sie. Der Junge schien über etwas nachzudenken, dann fragte er. „Kannst du nicht machen, dass MomChi nicht mehr so stur ist? Auf mich hört sie ja nicht.“ Saber schaute ihn etwas überrascht an. „Na ja, “ überlegte er laut. „Ich könnte sie …“ – „… heiraten, “ platzte der Knirps hervor. Saber riss die Augen auf. „Ja“, nickte der Kleine begeistert. „Dann wärst du ihr Mann und sie muss auf dich hören“, erklärte er seinen Gedanken. Beinahe hätte Saber laut gelacht. Es war doch schwer vorstellbar, dass seine Jolene, ob mit oder ohne Trauschein, sich je etwas vorschreiben ließ, das sie nicht mit sich vereinbaren konnte. Nein, ganz sicher nicht. Aber Totos Aussage hatte einen klaren Vorteil für den Schotten. „Nun, wir können es so machen, wenn du einverstanden bist“, stimmte er zu. Chily und Donna Joe, die vom Nebenzimmer her das Gespräch verfolgt hatten, hielten sich die Münder zu. Sie hätten sich vor Lachen kringeln können. Das war zu drollig. Chily kam zu den beiden ans Sofa, setzte sich zwischen sie und zog Toto in ihre Arme. Der kuschelte sich gleich an sie. Wie Saber und sie sich zu zwinkerten, bemerkte er nicht. „Was hältst du davon, wenn wir noch diese Woche heiraten?“ fragte der Highlander um endlich die Kurve zu dem eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit schlagen zu können. „Okay,“ nuschelte Toto aus Chilys Arm hervor, die ihm dafür einen Kuss aufs Haar hauchte. Dass es so gut laufen würde, hatten sie nicht gedacht. Das Beste daran war, dass Toto nun glaubte, es wäre seine Idee gewesen. Nun konnte er schwerlich dagegen reden. Der Herbst in der Region um Tucson-City war relativ mäßig. Er strahlte lange in kräftigen, satten Farben ehe sich die Blätter von den Bäumen lösten und einem milden, schneekargen Winter den Weg bereiteten. Doch so weit war es noch nicht. Noch war es Herbst und die Wälder nahe dem Ohio-River hatten nur dünne Teppiche aus dürrem Laub. Auf einer Lichtung vor dem Dickicht stand eine winzige, schlichte Kapelle. Weißgestrichene Wände und dunkle Holzbalken ließen sie rustikal wirken. In ihrem Inneren fanden höchstens zwanzig Leute auf den einfachen Bänken Platz. Durch die hohen Buntglas-Fenster drang goldenes Sonnenlicht und machte elektrische Beleuchtung an diesem Vormittag unnötig. In jener Kapelle stand Saber Rider und wunderte sich doch ein bisschen darüber, dass alles problemlos geklappt hatte. Er hatte angenommen, dass es Schwierigkeiten mit den Formalitäte oder dem Termin gäbe, doch dies war nicht der Fall. Deshalb stand er nun auch hier. Entsprechend seiner Familientraditionen in dem Schottenrock, der stets zu besonderen Anlässen getragen wurde. Die Familenfarben blau und grün überzogen in Karos den weißen Grund des Wollstoffes. Stilecht dazu trug er weiße Kniestrümpfe, die mit dem Muster des Kilts gesäumt waren und ein passendes Jackett über dem weißen Hemd. Nervös strich er über die Falten des Rockes und schaute zu Donna Joe und Reverant Steam. Außer ihnen war niemand hier. Die Rancherin und Trauzeugin trug ein dunkles Kleid mit hellen, kurzen Fransen oberhalb der Brust und auf dem Rücken. Das beste Kleid der Western-Lady. Ihr dunkles Haar hatte sie zu einem Dutt aufgesteckt und lächelte unter dezentem Make-up in den Tag hinein. Steam wartete am Altar. Der ergraute Krauskopf mit der runden Brille und den klugen Augen war nicht gewesen, was der Schotte erwartet hatte. Wenn er daran dachte, was Colt von dessen Tochter und sich selbst erzählt hatte, hätte Saber einen bibelstrengen Ignoranten erwartet. Doch Steam ging mit der Zeit, war offen, aufmerksam und verständnisvoll. Er schien von dem Schotten angetan zu sein, in den sich die „Independent Lady“ Jolene „Chily“ Adams verliebt hatte, und hatte mit väterlicher Wärme alles nötige trotz der kurzen Zeit in die Wege geleitet. Ohne ihn und seine Hilfe würde Saber nun nicht hier stehen und gespannt mit ihm und Donna Joe zur Tür sehen, durch die die Hebamme eintreten musste. Noch einmal horchte Saber in sich hinein. Er fühlte Wärme, Liebe und Glück. An dieser Entscheidung war nichts Falsches und wenn, so wollte er es nicht finden. Sein Herz raste aufgeregt in seiner Brust und noch einmal stricht er unsinnigerweise glättend über den Stoff des Kilts. Hoffentlich fing sie nicht an zu lachen, wenn sie ihn sah. Das konnte man bei ihr nur schwer voraussagen. Sie hatten sich zwar dazu entschieden, entsprechend der Familientraditionen vor den Altar zu treten, aber Saber wusste von seinen Freunden, was für einen seltsamen, erheiternden Anblick er im Schottenrock bot. Warum sollte es seiner Jolene anders gehen? Vor der Tür schloss Chily die Augen und sog tief die kühle Luft des Herbsttages und seinen Duft nach Laub, Erde und Frost ein. Das Zitter ihres Körpers kam jedoch nicht von der Frische, sondern von der Aufregung. Als sie die Augen wieder öffnete, schaute sie in Totos bewunderndes Gesicht. „Du siehst heute wunderschön aus“, meinte er andächtig. „Bist du sicher, dass du nicht warten willst, bis ich groß bin?“ wollte er dann wissen. Sie lächelte warm. „Wenn du groß bist, bin ich nicht mehr so schön“, erwiderte sie. Der kleine Mann schüttelte den Kopf. „Du wirst immer schön sein“, behauptete er mit kindlicher Überzeugung. Seine MomChi beugte sich zu ihm hinunter. „Gefällt es dir nicht, dass ich Saber heirate?“ fragte sie und hoffte, dass der Knirps nicht auf die Idee kam jetzt noch deswegen Ärger zu machen. Der runzelte nachdenklich die Stirn. „Nicht, wenn er nicht lieb zu dir ist, “ antwortete er dann. „Ist er aber. Sogar sehr lieb, “ beruhigte sie ihn. Dass er ihr glauben konnte, wusste er, deshalb nahm er nun ihre Hand und zog sie zum Eingang. Kapitel 18: Bond as one II -------------------------- Endlich öffnete sich die Tür. Toto, in seiner besten Hose und einem hellgrünen Hemd, führte stolz seine MomChi herein. Nein, berichtete Saber sich gedanklich, eine Waldfee. Sie trug ein leicht grün schimmerndes Satin-Kleid, das vorn zwar ihre schlanken Knie blicken ließ, hinten jedoch zu einer Schleppe auslief. Vom schulterfreien Oberteil her schmiegte sich der Stoff an ihre zierliche Gestalt und brachte sie vollendet zu Geltung. Der transparente Stoff der Ärmel schimmerte ebenfalls grün, lief von den Bändern an den Oberarmen her auseinander, traf sich auf Höhe der Ellenbogen um dann wieder auseinander zu gehen. Feenflügel, schoss es Saber durch den Kopf. Sein Blick wanderte weiter hinauf zu ihrem Gesicht. Sie lächelte zärtlich. Ihr Haar fiel locker über die Schultern, war nur seitlich mit Blumenspangen nach oben gesteckt. Leicht schritt sie auf ihn zu, in schmalen Ballerinas, ließ sich an einer Hand von Toto führen und hielt in der anderen einen Straus aus Wildblumen. Ehe Saber seine Braut aus der Nähe bestaunen konnte, mahnte der Miniaturbrautführer ihn mit erhobenem Zeigefinger. „Du musst sie ganz viel lieb haben, sonst kannst du was erleben.“ Der Recke nickte. „Ich werde sie so viel lieb haben, wie ich kann“, entgegnete er. „Gut“, grinste der Zwerg höchst zufrieden und hockte sich auf die Bank in der ersten Reihe. Die vier Erwachsenen schmunzelten leicht. Saber nahm die Hand seiner Jolene, die vor Erregung leicht zitterte. Sie zweifelte doch nicht an ihrer Entscheidung? Ein leichter Druck ihrer Finger verriet ihm, dass sie es nicht tat. Leise begann die Musik zu spielen. Dass sie aus einer Anlage kam, weil in der Kürze der Zeit keine Musiker aufzutreiben waren, war Nebensache. Nicht aber die Zeremonie, die Reverant Steam nun begann. „Liebe Jolene, lieber Saber,“ Er sah beide warm an und blickte dann zur Trauzeugin und dem Brautführer. „liebe Donna Joe, lieber Toto, wir sind heute hier zusammen gekommen, weil ihr beide“ Wieder schaute er zu dem Paar vor dem Altar. „dem Ruf eurer Herzen gefolgt seid und den heiligen Bund der Ehe eingehen wollt. Eine Ehe sollte stets nur aus Liebe geschlossen werden und diese empfindet man durch das Herz. Liebe ist es die euch verbindet. Mehr braucht es nicht zum Glück. Denn die Liebe gibt euch Verständnis und Toleranz. Sie bedeutet nicht nur wegen eurer Stärken, sondern vor allem trotz eurer Schwächen zu einander zu stehen. Nur die Liebe. Paulus sagte es in seinem Brief an die Korinther: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse, alle Erkenntnisse und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich all mein Habe den Arme gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir es nichts nütze.“ Er machte eine leichte Pause und fuhr fort. „Ohne Liebe sind wir nichts. Ohne Liebe hättet ihr euch nicht gefunden. Ohne Liebe würdet ihr nicht diesen Weg gewählt haben und könntet das Glück nicht finden. Liebe ist es, die euch verbindet. Liebe ist Hingabe und Zugehörigkeit. Wie Ruth sagte: Wo du hingehst, da gehe ich auch hin. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Gott ist mein Gott und dein Volk ist mein Volk. Wo du stirbst, da sterbe ich auch. Da will auch ich begraben sein. Der Herr tue mir dies und das, doch nur der Tod wird mich und dich scheiden.“ Saber und Chily schauten sich an. Alles, was Steam sagte, entsprach dem, was sie fühlten. Jedes Mal, wenn einer der beiden den anderen ansah, fing der den Blick auf und erwiderte ihn lächelnd und beide vergaßen die Welt um sich. „… und darum frage ich nun“, hörten sie den Reverant nun und schauten ihn erwartungsvoll an. „Willst du, Jolene Adams, den hier anwesenden Saber Rider zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren, bis das der Tod euch scheidet?“ Sie setzte zur Antwort an. Ihre Stimme versagte unter dem Herzrasen. Verlegen senkte sie den Blick, ehe sie den Recken anschaute. Er lächelte noch immer warm. „Ja, ich will“, flüsterte sie. So leise, dass Steam es kaum hörte. Das breiter werdende Lächeln des Blonden bestätigte ihm, dass er sich nicht verhört hatte. Daher fuhr er fort: „ Und willst du, Saber Rider, die hier anwesende Jolene Adams zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben und ehren, bis das der Tod euch scheidet?“ – „Ja, das will ich.“ Bei dieser Antwort ließ er sie nicht aus den Augen. Mit zitternden Händen tauschten sie die Ringe. Steam legte die Stolha darüber und seine Hand darauf um die Bindung zu segnen. „Was Gott zusammen gefügt hat, darf der Mensch nicht trennen.“ Das Paar schaute sich an. Lange, um zu begreifen, dass sie nun wirklich verheiratet waren. Es fühlte sich gut an. Einfach nur gut. Es gab ohnehin kein Wort um den Herzschlag, das Halten ihrer Hände oder die Blicke richtig, treffend zu beschreiben, um dem Ausdruck zu verleihen, was sie fühlten. Leicht stieß der Reverant den Schotten an. „Jetzt küss sie endlich“, raunte er und unterdrückte ein warmes Schmunzeln. Ein wenig so, als erwache er aus einer Trance, umfasste Saber Chilys Gesicht und hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Lippen, zog sie im nächsten Moment fest in seine Arme und küsste sie innig. Vor der Kapelle stiegen die beiden auf Demon und Angel, die entsprechend des Anlasses sorgfältig gestriegelt waren und deren Mähnen geflochtene Zöpfe zierten. Der Tag war frisch und golden, dörr der Teppich aus Laub, über den die Pferde ihre Reiter durch den Wald zu den Ufern des Ohio-Rivers trugen. Sie folgten dem Flusslauf in die entgegengesetzte Richtung, fort von Donna Joes und Chilys Ranch zu einer Urlaubssiedlung. Zu dieser Jahreszeit gab es dort wenige Gäste und war nicht schwer gewesen, eines der hölzernen Ferienhäuser zu mieten. Wann immer Sabers Blick zu Chily hinüber glitt, konnte er nur feststellen, wie wunderschön sie heute aussah. Ihr Blick schweifte froh umher. Er musterte sie, ihre entspannten Züge, ihre aufrechte Haltung, sah, wie sich ihre Schenkel an Demons Flanken pressten und sich ihre Hüften im Takt des Pferdes bewegten. „Wir sollten und vielleicht beeilen um ins Warme zu kommen, “ meinte er dann. Sie wandte ihren Kopf zu ihm, folgte seinem Blick, der immer noch auf ihren Hüften ruhte und grinste verstehend. „Der letzte schläft auf der Terrasse“, entgegnete sie heiter, verstärkte den Druck auf Demons Flanken und preschte los. Saber folgte ihr sofort. Die empfindlich kalte Nacht auf der Terrasse zu verbringen, statt in einem kuschligen, warmen Bett neben ihr – da brauchte er nicht zu überlegen. Ihr übermütiges Lachen war noch ein weiterer Ansporn. Er schloss zu ihr auf und überholte sie schließlich. So leicht ließ er sich nicht von ihr ausbooten. Chily hatte Mühe ihn wieder einzuholen. Als sie die Siedlung erreichten, musste sie aufgeben. Diesen Wettritt hatte er gewonnen. Er sprang von Angels Rücken und verschwand im Rezeptionsgebäude um die Schlüssel zu holen. „Du lässt mich doch nicht wirklich auf der Terrasse schlafen?“ fragte sie mit hilfloser Miene, als er wieder herauskam. Er hob unbestimmt die Schultern und unterdrückte ein Grinsen. Ihre Unterkunft lag direkt am Ufer des Ohio-Rivers. Von der vorderen Terrasse aus lief man direkt auf den Bootssteg zu. Chily glitt von Demon. Der Recke schloss die Tür auf und kam zu ihr. Liebevoll hob er sie auf die Arme und trug sie, wie es sich gehörte, über die Türschwelle. Sie grinste zufrieden. Hatte sie doch gewusst, dass er sie nicht draußen stehen lassen würde. „Also, so sieht es hier aus, “ bemerkte er und drehte sich mit ihr, so dass sie einen Blick auf die Kochnische, die Badezimmertür, die Couch vor dem flachen Tisch und den Fernseher und das Doppelbett hinter dem Raumteiler werfen konnte. Dann wandte er sich wieder zur Tür und schritt rasch über die Holzbohlen. „Jetzt weißt du, was dir entgeht“, grinste er frech, stellte die Perplexe auf der Terrasse ab und schloss die Tür von innen. „He, das ist jetzt nicht dein Ernst?“ rief sie verwundert. „Der letzte schläft auf der Terrasse“, erinnerte er sie durch das Holz. „Hey Manapi, das ist nicht fair“, klagte sie verunsichert und klopfte gegen die Tür. „Nicht fair ist, wenn meine Frau mir davon reiten will“, gab er zurück. „Ach komm, dass war nur Spaß. Lass mich rein, “ flehte sie und fürchtete, er könne sie tatsächlich hier stehen lassen. „Ich weiß nicht.“ Innen musste Saber sich das Lachen verkneifen. „Ich bin auch lieb“, versprach sie treuherzig. „Beweise“, forderte er. „Der Kilt steht dir. Du hast echt die Beine um sowas zu tragen, “ schmeichelte sie. Die Tür ging auf. Er schmunzelte schelmisch. „Ach wirklich?“ – „Ja.“ Wieder hob er sie über die Schwelle und stieß die Tür mit dem Fuß zu. „Und weiter?“ wollte er wissen. „Sei ja brav, sonst setz ich dich wieder raus“, drohte er lächelnd, als ihre Miene verriet, dass sie etwas Freches erwidern wollte. Gehorsam schmiegte sie sich an ihn. „Trägt man da eigentlich was darunter?“ fragte sie dann. Er stellte sie auf ihre Füße. „Schau nach.“ Grinsend schob sie ihre Hände unter den wolligen Stoff und tastete sich in die betreffende Region vor. „Och man, “ kam es enttäuscht von ihr und Saber brach nun endgültig in schallendes Gelächter aus. Jetzt grinste auch sie schelmisch. „Das kann ich auch ändern.“ Ehe sie ihm jedoch seine Shorts hinunter streifen konnte, hielt er ihre Hände fest. „Ladys First“, lächelte er dreist und ließ seine Finger unter dem Saum ihres Kleides verschwinden. „Sie sind unverschämt, Mr. Rider“, tat sie empört. „Wenn Sie es sagen, Mrs. Rider.“ Eine Chance noch ein Wort zu sprechen bekam sie jedoch nicht. Er versiegelte ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss. Saber genoss es bei seiner Jolene zu liegen, sie mit Haut und Haar zu spüren. Besonders in den Momenten, wenn zwei zu einem wurden, konnte er glauben, dass alle Liebe im Universum nur für ihn bestimmt war. Nach diesem Gefühl hatte er sich immer gesehnt. Seine kleine Hebamme schenkte es ihm so oft und so viel sie konnte. Manchmal nur mit einem Augenaufschlag, einer lieben Umarmung oder durch eine sanfte Berührung. Dann wieder, in dem sie ihm seinen Kosenamen atemlos ans Ohr hauchte. Jetzt, da sie sich so nah an ihn schmiegte und selig schlief, dachte er daran, dass er dieses Gefühl nie wiederhergeben wollte. In der Geschichte der Familie Rider gab es keine Scheidung. Eine Ehe hielt ein Leben lang. Nicht alle davon waren glücklich, obwohl das Paar nach der Verlobung oft noch zwei Jahre zusammen gelebt hatte. Nach dieser Frist war jeder Rider vor den Altar getreten. Diese Tradition hatte Saber gebrochen. So ablehnend, wie seine Eltern auf die Hebamme reagiert hatten, so überzeugt war er davon, dass er mit ihr alt und glücklich werden würde. Auf keinen Fall hatte er sich vom Gegenteil überzeugen lassen. Er wollte es nicht hören. Er wusste, dass es nicht stimmte. Sachlich begründen konnte er es nicht. Er fühlte es. Deutlich. Chily bewegte sich in seinem Arm, murmelte ein verschlafenes „Manapi“. Er zog die Decke über ihre Schulter und strich behutsam eine Strähne zurück, die ihr auf die Lippen gerutscht war. Wie er diese Hochzeit den anderen erklären wollte, wusste er nicht. Es war nicht der Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen. Mit dem freien Arm schloss er seine Frau innig an seine Brust. Jetzt zählte gerade nur sie. Auch wenn Eagle Maddox für einen Intriganten hielt, das vorliegende Vernehmungsprotokoll musste er objektiv betrachten. Allerdings las es sich nicht so gut. Schon in den Berichten, die sowohl Saber, als auch Colt und Fireball pflichtbewusst zügig nachgereicht hatten, ging hervor, dass etwas an der Tankstelle nicht so abgelaufen war, wie es hätte sollen. Er trat zu dem Aktenschrank und holte die Mappe hervor, in der er die Reporte aufbewahrte. Noch einmal las er sie durch und verglich sie aufmerksam mit der Aussage Maddox. An einer Stelle waren die Aufzeichnungen etwas verschleiert. An eben jenem Punkt lüftete der Gefangene diesen Schleier. Den Punkt, an dem es um das Ableben der Verräterin Suzie ging. Die Berichte besagten lediglich, dass sie von Jean-Claude erschossen worden war. Maddox jedoch ergänzte dies in dem er aussagte, dass keiner der drei eingegriffen hatte. Eagle runzelte die Stirn. Sorgfältig suchte er alle Informationen zusammen, die auch die Verräterin betrafen. Wieder und wieder studierte er die Schriftstücke bis das Bild für ihn klar war. Suzie hatte Mandarin getötet, eine gute Freundin der Ramrodcrew, wie sie selbst auch einst eine war. Sie hatte diese Hebamme angeschossen, die die bester Freundin des Scharfschützen und zu dem noch mit dem Recken liiert war. Außerdem hatte Suzie auch die schwangere April direkt mit einer Waffe bedroht und damit auch das ungeborene Kind des Piloten. Völlig logisch für den Commander, wie viel Enttäuschung und Wut im Spiel gewesen sein musste. In dem Augenblick, als der grünhaarige Outrider-Kommandant seine Waffe auf die Verräterin gerichtet hatte, hatten die Jungs offensichtlich nicht eingegriffen, weil sie nur gefühlt hatten, dass sie ihre gerechte Strafe bekommen würde. Sie hatten als hintergangene, verletzte Freunde gehandelt, wo sie als Starsheriffs hätten handeln müssen. Eagle seufzte. Wie er es auch drehte und wendete, dass war nicht richtig. Nicht von der menschlichen Seite her und auch nicht aus der Sicht des KOK auf seine Angestellten. Die gerechte Strafe über Suzie zu verhängen lag in den Händen der Justiz. Da gab es nichts dran zu deuteln. Das musste ein Nachspiel für die drei geben. Ob er wollte oder nicht. Egal, wie zu getan er ihnen war, als Befehlshaber der Sektion West durfte er das weder ungeachtet noch ungeahndet lassen. Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und erhob sich von seinem Stuhl. Dann verließ er rasch das Büro. Ihm war übel. Er brauchte frische Luft. Weder von Eagles aufkommenden Magengeschwüren, noch von dem Verschwinden des Recken und der Hebamme ahnte Colt etwas, als er frustriert den Hörer auflegte. Wieder hatte er versucht den Blonden oder Chily zu erreichen. Wieder hatte er nur den Anrufbeantworter dran. Nach drei missglückten Anläufen die beiden an den Apparat zu bekommen, hatte er nun eine Nachricht darauf gesprochen. Zwangsläufig, aber er fühlte sich unbehaglich dabei. Dabei hatte er sich das so nett überlegt. Jetzt, da der größte Umzugsstress vorbei war, wollte er seine Freunde zu einem gemütlichen Abendessen zu sich und Robin einladen, doch nur Fireball und April würden erscheinen. Colt kam nicht umhin zu glauben, dass der Schotte ganz einfach genug von ihm hatte und ganz bewusst nicht ans Telefon ging, so bald er die Nummer des Kuhhirten auf der Anzeige sah. Der Lockenkopf hatte nicht für möglich gehalten, dass sein Boss so sauer auf ihn war. Robin redete mit Engelszungen auf ihn ein um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, doch damit tat sich ihr Zukünftiger schwer. Sein schlechtes Gewissen plagte ihn und ließ ihn nachts sogar unruhig schlafen. Die Lehrerin hoffte, dass die werdenden Eltern das vielleicht ändern konnten. Robin hatte für die entsprechende Atmosphäre gesorgt, während Colt den Kochlöffel geschwungen hatte. Mit viel Liebe zum Detail hatte sie das Esszimmer dekoriert, Kerzen aufgestellt, den Tisch gedeckt und ein winterliches Gesteck darauf platziert. Der Cowboy schaltet den Herd ab und füllte das Gemüse, die Beilage und den Braten in Schüsseln und auf eine Platte um. Gerade waren beide mit den Vorbereitungen fertig, als es an der Tür klingelte. Robin löschte das elektrische Licht, damit das der Kerzen seine volle Wirkung entfalten und alles in anheimelnde Wärme tauchen konnten. Colt öffnete die Tür. „Hallo, ihr zwei Schönen“, begrüßte er April mit einer Umarmung und knuffte Fireball freundschaftlich in den Oberarm. „Und du halt. Schön, dass wenigstens ihr beiden gekommen seid,“ fügte er hinzu. „Also, Viehtreiber, ich glaube, du bist Saber und Chily ein paar Takte zu viel auf die Nerven gegangen. Die sind wahrscheinlich ganz froh, wenn sie von dir mal nix hören und sehen müssen, “ gab der Rennfahrer grinsend zurück. „Na, ihr beiden.“ Lächelnd schob April sich in den Flur. „Wie geht es dir und der Kleinen?“ fragte Robin und ließ sich eine liebevolle Umarmung für das Paar ebenfalls nicht nehmen. „Gut. Nur dass ich Chily nicht erreichen kann, ist seltsam, “ erwiderte die Schwangere recht arglos. Dass Colt die Gesichtszüge entgleisten, sah niemand, denn er stand mit dem Rücken zu den dreien und schloss die Tür. „Das ist es wirklich. Wir haben sie und Saber auch nicht erreicht, “ entgegnete die Lehrerin leicht verwundert. „Ich glaube nicht, dass sie weggefahren sind. Das würde sie doch nicht tun, ohne mir Bescheid zu sagen, “ überlegte Ramrods ehemalige Navigatorin laut. Wie sie den Scharfschützen damit folterte, ahnte sie gar nicht. Für den waren diese Worte Salz auf seiner Wunde und ein Beweis mehr, dass er den Abwesenden ein schlechter Freund gewesen war. „Vielleicht, wenn es nur ein Kurztrip ist und sie sicher ist, dass dir in der Zeit nichts passieren kann“, dämmte Robin die Besorgnis der Freundin. „Jetzt lasst ihnen mal zwei Tage für sich“, schaltete sich Fireball ein. „Wird schon nichts passiert sein“, meinte er leicht. Dann waren die beiden eben weg. Was war dabei? „Es ist weder Sabers noch Chilys Art einfach zu verschwinden und keinem zu sagen wohin und warum, “ bemerkte Colt nun. „Bei deiner Fürsorge würd ich mir aber auch stark überlegen, ob ich dir überhaupt noch mal was sage, “ gab der Pilot zur Antwort und zwinkerte. Es war nicht böse gemeint, auch wenn man es so auslegen konnte. Für den Lockenkopf dennoch mehr Salz. „Jaja“, brummte der und entschied sich noch einmal das Esszimmer einer unsinnigen Prüfung zu unterziehen. „Jetzt kommt halt erst mal richtig rein.“ Robin trat ein Stück zur Seite, damit ihre Gäste sich von Jacken und Schuhen entledigen konnten. „Gerne.“ April schälte sich aus ihrem Mantel. Fireball half ihr fürsorglich aus den Schuhen, an die sie wegen des ständig anwachsenden Bauches nicht mehr so leicht heran kam. „Ich glaube, Colt ist mit Saber doch richtig aneinander geraten. Es wurmt ihn gewaltig, dass Saber nicht ans Telefon geht oder zurück ruft, “ erklärte die Lehrerin ihren Bräutigam, während sie schmunzelnd das Paar beobachtete. Es waren diese kleinen Gesten, die verrieten, wie sehr sie sich liebten. „Quatsch“, Fireball stellte die Schuhe zur Seite und winkte ab. „Mit Colt kann man gar nicht richtig aneinander geraten. Und mit Saber funktioniert das auch nicht richtig. Vielleicht ist er mit Chily ein paar Tage weggefahren, die Ruhe können beide brauchen, “ meinte er überzeugt. Da sah wer Gespenster, ganz eindeutig. „Haben sie nicht noch Demon und Angel in Tucson-City?“ fragte April und gab so eine ziemlich gute Erklärung für die Fehlenden. Robin hob die Schultern. „Nein, Fireball, ich glaube es ist ernst. Colt macht sich wirklich Gedanken, “ meinte sie dann. „Der denkt? Wo soll man das denn hinschreiben?“ staunte der Japaner scherzhaft und erntete einen tadelnden Blick von dessen Braut. „Na hör mal. Er überrennt einen vielleicht manchmal etwas unsanft mit dem, was er nur gut meint, aber er ist nicht dämlich.“ Aber während sie dies sagte, schwächte ihr Grinsen die Rüge. So Unrecht hatte der werdende Vater nicht. „Von dämlich hat auch keiner was gesagt, “ stellte der feixend klar. „Ein bisschen daneben vielleicht, aber dämlich glaub ich nicht.“ Justament öffnete der Cowboy die Tür zum Esszimmer. „Genug über mich gelästert. Schieb dir lieber was zwischen die Backen.“ Einladend wies er dabei auf den Raum. „So schlecht gefüttert sieht er doch nicht aus, oder?“ hakte April nach und kniff dem Vater ihres Kindes in die Wange. „Na ja, “ räusperte Colt sich übertrieben, aber amüsiert. Diese freundschaftlichen Neckereien taten ihm gut. „Dann muss er mehr essen, an meinen Kochkünsten liegt es nicht“, lachte die Blondine und nahm am Tisch Platz. „Macht sich der Kochkurs also bezahlt?“ grinste der Scharfschütze bekanntermaßen keck. Auch der Pilot setzte sich. „Sehe ich etwa so aus? Perfekt ist es noch nicht, aber irgendwann wird es schon essbar werden, “ lächelte er vielsagend. „Als ob du es besser könntest. Du lässt ja sogar Spiegeleier anbrennen, “ stichelte seine Freundin zurück und stieß ihm leicht den Ellenbogen in die Seite. „Aber nur die! Dass der kleine Flitzer da sonst nix anbrennen lässt, sieht man ja an dir, werte April.“ Auch Colt und Robin ließen sich auf Stühlen nieder. „Du bist unmöglich“, rügte sie ihn leicht und begann die Schüsseln herum zureichen, damit sich jeder bedienen konnte. „Ist doch wahr! Wie war das mit Claudia Firenza gleich nochmal?“ Dabei deutet der Lockenkopf mit der Gabel auf den Rennfahrer und grinste fies. Die Lehrerin horchte auf. Von einer Claudia hatte sie noch nie was gehört und mit verständlicher Neugier hakte sie nach: „Was war denn mit ihr?“ – „Ich hab keine Ahnung, wovon der redet“, tat der Japaner unschuldig und Robin hätte es geglaubt, hätte April nicht ein eifersüchtig angehauchtes „Ich schon“ hinterher geworfen. Damit hatte sie das Interesse der Braut des Scharfschützen erst recht geweckt. „Was war mit dieser Claudia?“ Es konnte nicht so belanglos sein, wie Fireball tat, wenn es der Schwangeren noch säuerlich aufstieß. „Sagen wir es so: Sie wollte seinen Kilometerstand rauffahren, “ grinste Colt breit. „Sie hat sich für meinen Red Fury interessiert und mehr nicht! Also Schluss jetzt! Dass du immer die alten Kamellen aufwärmen musst, ehrlich, “ wehrte der nun energisch ab. „Ich mag Karamell eben, “ erklärte der Kuhhirte schulterzuckend. „Schon mal den Ausdruck "doof wie Brot" gehört, Colt? Brot ist noch mal so intelligent wie du, “ brummte der Japaner missmutig. „Erstaunlich, wie du das feststellen kannst, du RennSEMMEL, “ warf Colt munter zurück und hatte die Lacher auf seiner Seite. „Wenigstens hab ich mehr Grips als du, “ behauptete sein kleiner Hombre dann. „Wie kommst du darauf?“ wollte der Kuhhirte wissen und schob sich die Gabel in den Mund. Die Retour-Kutsche folgte sogleich. Fireball kannte schließlich auch die ein oder andere Geschichte aus dem Leben des Kameraden. „Warst du mit Bonny-May eigentlich noch mal beim Squaredance?“ fragte er scheinheilig. Der Gefragte riss die Augen auf. „Damit ich danach wirklich den Winchester-Walzer tanze? Bist du verrückt?“ Prompt wollte auch hier Robin wissen: „Wer ist Bonny-May?“ Es klang etwas argwöhnisch, wie immer, wenn sie den Beweis bekam, was ihr Zukünftiger einst für ein Casanova war. „Ein hübsches, naives Ding, das wirklich gedacht hatte, bei Colt würde es beim Squaredance bleiben“, klärte der Rennfahrer mit einem ebenso fiesen Grinsen auf, wie Colt es zuvor zur Schau getragen hatte. Skeptisch schaute die Lehrerin nun den Scharfschützen an. „Wie viele Frauen hast du denn noch vor mir verschwiegen?“ – „Frag ihn lieber, wo er in seinem Leben schon überall war. In jedem Nest eine, vermute ich mal, “ stichelte der Kleine weiter. „Stimmt doch gar nicht, “ wehrte der Cowboy verlegen ab. Du lieber Himmel noch war er nicht verheiratet und ganz sicher wollte er nicht, dass Robin sich das noch mal anders überlegte. „Jedes zweite Nest reicht auch schon. Ich meine, dass du mir die kleineren Liebschaften verschwiegen hast, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber die Frauen, die etwas Besonderes waren, hättest du ruhig erwähnen können, “ rügte sie verstimmt. „Das kommt ganz drauf an, wie man besonders definiert, nicht wahr, Colt?“ April schaute ihn amüsiert an. „Na besonders eben, “ antwortete der Scharfschütze hektisch und bekam tatsächlich etwas Angst. Seine Gäste würden ihn doch nicht um Kopf und Kragen reden wollen. Das konnte er doch sehr gut allein. „Chily ist das auch und trotzdem hab ich sie unter ziemlich blöden Umständen kennen gelernt“, meinte Robin. „Aber nachdem Chily mehr Schwester als Freundin für Colt ist, fällt sie wohl eindeutig aus der Regel raus, Robin“, schaltete sich Fireball auf die Seite des Kuhhirten. „Trotzdem ist es mir jedes Mal peinlich, wenn ich daran denke, wie die erste Begegnung gelaufen ist. Wäre sie nicht auf mich zu gekommen, würde ich vielleicht immer noch nicht mit ihr reden.“ Das behagte ihr tatsächlich noch immer nicht. Schließlich hatte sie in der Jugendfreundin ihres Bräutigams eine sehr wertvolle Freundin für sich selbst gefunden, die sie nicht mehr hergeben wollte. Der Gedanke daran, dass sie diese Freundschaft nie aufgebaut hätte, war seltsam unangenehm. „Saber redet auch nicht mit ihr, da bin ich mir ziemlich sicher“, erklärte der Pilot nun aufmunternd und mit zweideutigem Grinsen. „Sie versteht ihn auch ohne Worte“, nickte die Lehrerin. Vielleicht war Colt nun aus seiner Erklärungsnot bezüglich seiner früheren Liebeleien befreit, dafür in die nächste Unannehmlichkeit geschliddert. „Aber uns hätten sie ein paar Worte zukommen lassen können, damit wir wissen, wo sie sind oder ob was passiert ist“, kommentierte er besorgt. „Wenn du immer für zwei redest, wie sollen sie da zu Wort kommen?“ fragte der Japaner und nahm einen Schluck von dem Saft, den Robin ihm eingegossen hatte. „Das macht meine Sorgen auch nicht kleiner“, murrte der Lockenkopf. Das Gegenteil war der Fall. Er wusste, dass er zu sehr gegluckt hatte und ahnte, dass er die beiden fehlenden Freunde damit in die Flucht geschlagen hatte. „Ach was, der Säbelschwinger passt schon auf sie auf. Und wenn er sie ans Bett bindet, “ meinte Fireball munter. „Und das soll mir jetzt helfen?“ Die Augenbrauen des Scharfschützen hoben sich erst skeptisch, dann zogen sie sich zusammen. „Danke“, brummte er. „Das Bild bekomm ich jetzt nicht mehr aus meinem Kopf, wie die zwei Fesselspielchen machen. Pfui deibel.“ Er verzog das Gesicht. Dieser Vorstellung wollte er sich nun wirklich nicht hingeben. Zu allem Übel stimmte April nun auch noch an: „Komm hol das Lasso raus, wir spielen Cowboy und Indianer…“ Fireball setzte mit ein: „ … wir reiten um die Wette, ohne Rast und ohne Ruh …“ Dann fiel auch noch Robin mit ein. „… hast du mich umzingelt werde ich mich ergeben, bind mich an den Marterpfahl … komm hol das Lasso raus, so wie beim ersten Mal …“ Colt schaute düster von einem zum anderen, worüber die drei erst recht lachen mussten. Wenn der Scharfschütze Sticheleien austeilen konnte, musste er sie auch einstecken können und das Bild von Saber und Chily in seinem Hirn zu festigen, schien ihnen die gerechte Retour-Kutsche zu sein. „Vielleicht machen sie grad ja was verrückteres, als das“, schlug April dann glucksend vor. „In neun Monaten wissen wir mehr“, lachte Fireball. Sie schüttelte den Kopf. „Nicht, wenn sie zum Heiraten abgehauen sind, “ grinste sie. „Klingt irgendwie romantisch, “ lächelte die Lehrerin mild. „Das klingt total wahnsinnig!“ platzte Colt hervor. „Das machen die nicht?“ Mit großen, unsicheren Augen sah er sie nun an. „So verrückt, wie Chily ist?“ Die Schwangere hob die Schultern. „Würd Saber sogar ähnlich sehen. Er will immer der erste sein. Und da der Weg mit dem ersten Kind im Team bereits verbaut ist, kann er nur noch dir ein Schnippchen schlagen, Viehtreiber, “ pflichtete ihr Freund ihr bei. „Chily würde doch sowas nicht machen, ohne es mir zu sagen, “ beharrte Colt. Er hoffte zumindest darauf. Denn wenn sie es doch getan hätte, hätte er als Freund wirklich ganz gewaltig versagt. Er ließ den Kopf sinken. Der Gedanke bedrückte ihn mehr, als er sich anmerken lassen wollte. „Jeder lernt aus Fehlern, Kumpel. Eine Lehre aus dem ganzen Abenteuer ist für uns alle gewesen, dir nicht mehr allzu viel zu erzählen, “ sagte Fireball schlicht. Jetzt ließ der Lockenkopf auch noch die Schultern hängen. Das tat ihm weh. Dass er daran selbst Schuld war, wenn seine Freunde das so sahen, wusste er. Das war ja das unangenehme daran und dass er es auch noch gesagt bekam, war das allerschlimmste. Einen Moment herrschte Schweigen. Keiner hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Normalerweise hätte der Scharfschütze etwas flapsiges gekontert. Einen klareren Beweis für seine Veränderung gab es kaum. So sehr er auch wollte, er konnte das Statement seines kleinen Hombres nicht schlucken. Langsam schob er den Stuhl zurück und stand auf. Wie ein Häufchen Elend trottete er in die Küche. April und Robin schauten Fireball an. Ihre Blicke waren eine Aufforderung. „Sieh zu, dass du das klärst“, sagten sie damit und folgsam stand auch er auf. „Ich muss kurz was nachsehen, ja?“ Damit war er hinter Colt in de Küche verschwunden. Etwas ratlos schaute April Robin an. Das war eine, für den Cowboy völlig, unnormale Reaktion. „So kenn ich Colt gar nicht. Was ist los mit ihm?“ fragte sie verwundert. Dessen Braut seufzte leicht. „Colt hat Saber wohl gesagt, dass er sich für Chily freut und wundert sich gerade darüber, dass der das nicht hören will“, antwortete sie dann. „Verstehe. Nach den Sprüchen hätte er lieber gehört, dass Colt sich für ihn freut, “ verstand die Schwangere sofort. Die Lehrerin nickte. „Aber darauf ist er nicht gekommen und jetzt macht er sich Vorwürfe. Auch dir und Fireball gegenüber. Ihm ist wohl klar geworden, dass er mit seiner Fürsorge etwas zu weit gegangen ist.“ Ein warmes Lächeln umspielte ihren Mund dabei. Das war, wenn auch etwas anders, aber immer noch der Colt, in den sie sich verliebt hatte. Etwas unbeholfen eben, wenn es um Herzensangelegenheiten ging. „Den Hang dazu haben er und Chily gemeinsam, aber sie schraubt ihn intuitiv runter“, bemerkte die werdende Mutter mit dem Gedanken daran, wie sie selbst sich von der Hebamme gelegentlich überfahren gefühlt hatte. Die beiden trugen ihr Herz eindeutig am rechten Fleck, aber manchmal eben auch auf der Zunge und das konnte einen schon überfordern, wenn man es nicht gewohnt war. Bei Colt allerdings war April es gewohnt. So war er und so mochte sie ihn. Aber ihr Freund hatte oft genug das Gefühl gehabt, er müsse vor den älteren beiden Teammitgliedern beweisen, dass er ebenso Mann war wie sie, dass er ihnen ebenbürtig war. Dabei spielte mit hinein, dass Fireball der Jüngste im Bunde war und mit diesem Fakt schon immer ein wenig gehadert hatte. Oft genug hatte er sich von Colt deshalb aufziehen lassen. Für April war klar, dass weder der Scharfschütze, noch der Recke der Meinung waren, der Rennfahrer sein sozusagen nur ein halber Mann. Im Gegenteil, ganz bewusst hatten sie ihm Aufträge gegeben, die bewiesen hatten, dass sie ihm so einiges zutrauten. Man musste dabei nur an die Sache in Laremy denken. Gut, die beiden waren ihm gefolgt, aber sie hatten erst eingegriffen, als ihnen keine andere Wahl mehr geblieben war, wenn sie den Piloten und Freund nicht verlieren wollten. „Männer und Intuition? Was Colt gerade am meisten fürchtet, ist, dass sich seine Freunde vor ihm zurückziehen und Saber und Chily scheinen das auch wirklich zu tun, “ riss Robin sie nun aus ihren Gedanken. „Ehrlich gesagt, so taufrisch wie die beiden erst zusammen sind, wollen sie vielleicht wirklich nur etwas Zeit für sich allein. Und wer kann es ihnen verdenken, “ gab die Schwangere zurück und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. „Keiner, “ seufzte Robin, „aber mach das mal Colt klar.“ Sie stützt ihre Ellenbogen auf der Tischplatte ab und flocht die Finger in einander. Dann legte sie den Kopf darauf. „Das überlasse ich Fireball. Die beiden sollten sich ohnehin mal aussprechen, “ entgegnete April und nickte leicht in Richtung der Küche. In der Küche hantierte Colt etwas sinnlos vor sich hin. Die letzte Aussage seines kleinen Hombres hatte einfach furchtbar gesessen und er musste seine Aufruhr eindämmen in dem er unsinniger Weise das Besteck in der Schublade sortierte. War er wirklich so ein mieser Freund? „Hey, ich hätte Lust auf ein Bierchen, ist noch eins da?“ mit dieser unschuldigen Frage machte sich Fireball bemerkbar. Wortlos öffnete Colt den Kühlschrank, holte eine Flasche hervor und drückte sie ihm in die Hand. Die Kühlschranktür schloss sich wieder. „Und du willst keins?“ wunderte sich der Pilot doch. Noch einmal öffnete Colt den Kühler, holte jedoch diesmal die Ramazotti-Flasche hervor und schenkte sich ein Saftglas zu Hälfte ein. Er stellte die Flasche ab, starrte einen Moment auf den braunen, dickflüssigen Inhalt des Glases und leerte es dann in einem Zug. Wieder goss er sich die gleiche Menge ins Glas und stellte die Flasche dahin zurück, wo er sie hergenommen hatte. „Hast du Magenbeschwerden? (Ich bin doch nicht etwa für Magengeschwüre verantwortlich?)“ fragte Fireball, der mit wachsender Besorgnis zugesehen hatte. Der Gefragte schüttelte den Kopf, nahm noch einen Schluck und brummte dann kurz: „Nö.“ Der Japaner nickte leicht. „Sag mal, “ begann er dann langsam, „hast du wirklich keine Idee, wo Saber und Chily hin sind? (Ich weiß grad nicht, wie ich anfangen soll, was nicht heißt, dass es mir nicht leid tut.)“ – „Keinen blassen (Ich weiß auch grad nicht, was ich eigentlich wirklich denke. Fühl mich halt grad wirklich mies.), “ kam es wiederum kurz angebunden zurück. „Die wissen schon was sie tun, keine Sorge (Nur ich halt manchmal nicht, vor allem rede ich bevor ich denke.), “ meinte Fireball und lehnte sich leicht gegen die Kante der Arbeitsplatte. „Ja, das tun sie (Ich bin da kein Stück besser als du.).“ Wenigstens bracht Colt jetzt einen vollständigen Satz zustande. „Na, also, warum denkst du dann überhaupt darüber nach? Die machen sich ein paar schöne Tage, verdiente wohlgemerkt (Mein schlechtes Gewissen erdrückt mich grad fast.), “ hakte er nach und sah zu, wie Colt das Besteck achtlos in die Lade warf, so dass darin nur noch mehr Unordnung herrschte als zuvor. „Ja, sicher verdient. (Mein schlechtes Gewissen bringt mich noch um.) Nur...“ Statt den Satz zu beenden, spülte der Lockenkopf ihn mit etwas Ramazotti runter. „Nur was? (Kannst du meine Entschuldigung jetzt bitte annehmen, bevor ich doch noch zu Kreuze krieche?) “ bohrte der Rennfahrer und drehte seine Bierfalsch unschlüssig in der Hand. „Es ist nicht ihre Art. Das ist alles. (Jetzt mach du dir mal keine Gedanken. Ich bin hier der, der Mist gebaut hat.)“ Damit lehnte sich Colt an die gegenüberliegende Arbeitsplatte. „Wird ja wohl Zeit, dass sie mal auf sich schauen (Merke: zuerst denken, dann reden.), “ murmelte Fireball und entschied sich doch mal an dem Getränk zu nippen. „Allerdings.“ Die Einsilbigkeit des Scharfschützen war recht anstrengend und ungewohnt. Irgendwie musste der Japaner ihn doch wieder in das altbekannte vorlaute Wesen von Freund zurückverwandeln können. Obwohl ihm klar war, dass dies so hundertprozentig nicht mehr gehen würde. Colts ganze Verhalten war ein Beweis dafür, dass er sich verändert hatte. „Was meinst du, sollen wir unsere Damen noch ein wenig tratschen lassen? (Man, bin ich froh, dass du mir das nicht krumm nimmst.)“ Er lächelte leicht. ‚Komm schon, Colt, sei wieder du. ‘ Das war ja nicht zum aushalten. „Ist wohl besser. Sind ja schon lang nicht mehr dazugekommen. (Natürlich nicht. Ich bin ja selber Schuld, dass ich sowas zuhören bekomme.)“ Gedanklich jubelte der Japaner über diese Antwort. Das war doch schon eher der Kuhhirte, wie er ihn kannte. „Dann erzähl mir mal, ob du schon einen Smoking für deine Hochzeit gefunden hast, oder ob du in dem Aufzug heiraten wirst?“ versuchte er nun das Gespräch endlich mal aufzubauen. Etwas verdattert blickte der Lockenkopf ihn an. „Ich hab da ganz andere Probleme (Ich hab die Kandidaten vergrault, die meine Trauzeugen werden sollten.)“, antwortete der dann. „Ach, ist die Braut jetzt die falsche, oder was? (Ich hab nie gesagt, dass ich es nicht mache.)“ bemerkte Fireball und hob die Brauen. „Nö. Ganz im Gegenteil. (Die ist die einzige, die noch nicht die Flucht angetreten hat.) Gehört ja schließlich noch mehr dazu. (Bist du sicher, dass du das willst? Für mich?) Weit mehr. (Nur Saber brauch ich wohl nicht fragen), “ ließ Colt verlauten, ehe er noch mal an seinem Glas nippte. „Ja, ewige Treue zum Beispiel. Davor dürftest du dich fürchten, wie ich dich kenne (Ach, Saber macht das schon. Der Recke kann ja sowieso nicht Nein sagen), “ schmunzelte der Rennfahrer leicht. „Tu ich keinen Meter (Der würde wohl lieber meine Grabrede halten.), “ behauptete der Heiratswillige sofort. „Klar, “ lachte sein Gesprächspartner leise, „und April ist vom heiligen Geist schwanger (Keine Bange, Saber macht das bestimmt.).“ Das halb gespielte Erstaunen war schon wieder die altbekannte Art des Kuhhirten. „Ist sie? (Glaubst du, dass wirklich, nach dem Blödsinn den ich angestellt hab?)“ Amüsiert schüttelte der Kleine den Kopf. ‚Typisch.‘ „Heilig bin ich nicht und Geist bin ich auch noch keiner (Das weiß ich sogar.)“, stellte er klar. „Wie auch immer, kalte Füße hab ich jedenfalls keine (Wenn du meinst. Tut mir leid, dass ich mich soweit in euer Leben eingemischt hab.)“ Noch etwas mehr des typischen Wesens schimmerte hindurch. „Und falls doch. Von mir kriegst du eine Wärmflasche (Du hast es doch bloß gut gemeint. Ein bisschen zu gut, aber immerhin.), “ beruhigte Fireball ihn. „Für jeden Fuß eine? (Ja, ich hab es nur gut gemeint und maßlos übertrieben. Ich hab mir halt Sorge gemacht. Hab euch halt lieb.)“ Verlegen kratzte sich Colt hinterm Ohr. „Na, ob ich so viele auftreiben kann, weiß ich zwar nicht, aber mal schauen, was sich machen lässt (Bist halt auch nur ein Freund und hey, ich bin froh, dass du dir um unser aller Wohl Gedanken machst.)“ grinste der werdende Vater aufrichtig. „Da bin ich aber beruhigt. (Hoffentlich sieht Saber das auch so. Hab eher das Gefühl, der redet nie wieder mit mir)“ Das Schmunzeln, das über Colt Gesicht huschte, war wieder etwas unsicher. „Du hast verdammtes Glück, Kumpel (Klar redet Saber wieder mit dir, dem ist nur grad mal alles zu viel geworden.)“, versicherte sein kleiner Hombre. „Hm, sieht wohl so aus. (Hoffentlich. Jedenfalls bin ich froh, dass du es mir nicht übel nimmst.), “ nickte der Scharfschütze und blinzelte seinen Freund prüfend an. „Das ist so, mein Lieber (Wir haben uns beide nicht mit Ruhm bekleckert, wieder mal.), “ erklärte der überzeugt. Colt senkte leicht den Kopf. „Hehe (Denken ist wohl echt nicht so unsere Stärke, aber du machst Fortschritte, Kleiner.)“, lachte er leicht und es beruhigte den Rennfahrer. Schön, dass alles ausgesprochen worden war. Zufrieden leerte er sein Bier in einem Zug. „So, ich glaub, jetzt kann ich das da drin wieder länger ertragen (Bin ja vernünftig geworden oder so.), “ meinte er dann munter. Auch Colt trank den Rest Ramazotti aus. „Ja, amen. (Bist du schon, Kumpel.), “ antwortete er, stellte das Glas in die Spüle, räumte die Flasche fort und knuffte Fireball schließlich kameradschaftlich in die Seite. Da wusste der Japaner sicher, dass alles wieder so war, wie es sein sollte. Nach diesem Abend war Colt zwar erleichtert, aber so endgültig von seiner Sorge befreit war er noch nicht. Die Sache mit dem Recken war noch immer nicht geklärt. Dem Cowboy war schon klar, dass sowohl Saber als auch Chily etwas Zeit für sich brauchten und, ähnlich wie zuvor April und Fireball, ließ er sie ihnen auch, aber die angeborene Ungeduld machte ihm das nicht leicht. Ganz besonders, als er erfuhr, dass April in der folgenden Woche wieder einen Termin bei der Hebamme hatte. Es kostete ihn einige Überwindung noch weitere zwei Wochen verstreichen zu lassen, dann kam er nicht länger gegen seine Natur an. Er war ganz einfach nicht der Mensch, der Dinge ungeklärt lassen konnte und die ganze Angelegenheit schrie jeden Tag mehr nach Aufklärung. Deshalb klingelte er am späten Samstagvormittag bei den beiden an der Tür. Das erste, was ihm auffiel, war das Türschild auf dem der Name Rider stand. Was ihn daran wunderte, konnte er im ersten Moment nicht wirklich sagen. Dann fiel ihm der Briefkasten auf. Fünf Umschläge schauten heraus und er zog sie schließlich raus und schaute sie neugierig durch. Saber hatte ihm geöffnet und wähnte Ärger, als er den Kuhhirten so sah. „Mr. Rider, Mr. Saber Rider, Mr. Rider, Mrs. Jolene Rider, Mr. Rider ..., ” las der Lockenkopf vor und stutzte. „Moment. Mrs. Jolene Rider? “ Hatte er sich verlesen? Aus dem Haus hörte er Chily rufen: „Hier, bei der Arbeit“ und Saber griff etwas zu rasch nach dem Umschlag. „Warte, ich bring ihn ihr.“ Aber Colt hielt den Brief fest, drehte ihn um und hielt das Anschriftenfeld vor die Nase des Recken. „Noch mal. Misses Rider?“ hakte der Scharfschütze perplex nach. „ Misses RIDER?“ Er buchstabierte den Nachnamen. „Hab ich was verschlafen?“ wollte er dann geplättet wissen. Saber seufzte leicht. So zu tun, als sei das alles normal, hatte wohl nichts gebracht. „Jolene?“ rief er ins Haus. Gleich würde Colt ganz sicher ganz viele und ganz berechtigte Fragen stellen. Das wollte der Recke jedoch nicht allein durchstehen müssen. Denn genauso sicher war er, dass ganz viel Kritik folgen würde. Chily war ziemlich schnell an seiner Seite. „Ähm. Krieg ich meinen Brief, Bullet?“ fragte sie unschuldig und schaute den Scharfschützen mit ihrem berühmten Blick an, der ihn in der Vergangenheit immer weich gemacht hatte. „Wann ist das denn passiert?“ fragte der entgeistert, wedelte mit dem Brief vor den beiden herum und wies dann auf den schmalen Goldring mit dem kleinen Smaragd an ihrem Finger. So ganz war nicht deutlich, wie seine Fassungslosigkeit zu werten war. Er war entweder wirklich nur das oder würde gleich aus der Haut fahren. „Vor drei Wochen“, gestand die Hebamme leise und verabschiedete sich schon mal gedanklich von ihrer irdischen Existenz. Ebenso Saber. Gleich würden sie beide das Zeitliche segnen. Oder doch nicht? Colt zog einen unglaublichen Schmollmund. „Und ich“, schniefte er gekünstelt. „durfte nicht dabei sein?“ Skeptisch rissen die beiden vor ihm die Augen auf. Die Hebamme stieß den Schotten leicht an. „Ich glaube, er nimmt Drogen. Der schreit ja gar nicht, “ versuchte sie eine Erklärung für diese Reaktion zu finden. Noch mal schniefte Colt, nicht weniger theatralisch: „Schade, Chily. Ich wäre so gerne bei der Hochzeit dabei gewesen.“ Dann fiel sein Blick auf den Recken und er stieß ihm freundschaftlich die Faust gegen die Schulter. „Gut gemacht, Mann!“ lobte er. Dem Blondschopf klappte erstaunt der Kiefer auf. „Ich glaube, du hast Recht“, raunte er seiner Frau zu. „Was denn?“ Jetzt war es an Colt die beiden verwundert anzusehen. Er freute sich doch wirklich. Hatte er doch tatsächlich, an dem Tag, an dem sich die vier Freunde in Tucson-City wiedergetroffen und er von der Trennung zwischen Saber und Sincia erfahren hatte, gedacht, dass seine Chily die bessere Partie für den Schwertschwinger wäre. Dass ihm der Gedanke später weniger gefallen hatte, ignorierte er dabei. Sein erstes Gefühl war schließlich offenkundig das richtige gewesen. „Colt, Bullet“, begann die Hebamme nun. „Ich kenn dich jetzt schon seit meiner Geburt. Womöglich auch schon viel länger und …“ Überfordert brach sie ab und versuchte es noch einmal. „Ich meine, ich habe geheiratet. Saber geheiratet. Ohne dir einen Ton zu sagen. Und du rastest nicht aus? Bist du sicher, dass es dir gut geht?“ Wenn man daran dachte, wie oft der Cowboy in ihr in der High-School die Dates vermasselt hatte, die ihm nicht für sie gepasst hatten, und sämtliche Aussagen über ihre Beziehung zum Recken in Betracht zog, war dies eine vollkommen berechtigte Frage. Das musste er zu geben. „Ich bin nicht sauer, echt nicht. Und ja, ich bin mir sicher, dass es mir gut geht, “ entgegnete er wahrheitsgemäß. „Ich wäre nur gern dabei gewesen, wenn aus meiner Chily-Schote, seine Jolene wird, “ fügte Colt noch hinzu und deutete dabei auf Saber. An den erstaunten Gesichtern des Paares änderte sich jedoch nicht wirklich was. Vorsichtig legte Chily ihrem Jugendfreund die Hand auf die Stirn. „Fieber hat er nicht“, stellte sie dann fest. Saber neigte den Kopf zur Seite und musterte seinen Scharfschützen eingehend. „Hast du in letzter Zeit was auf den Kopf gekriegt?“ wollte er dann wissen. „Gleich wissen wir es sicher“, flüsterte die Hebamme ihm zu und erklärte dann Colt. „Ich bin schwanger.“ Sogar recht überzeugend, dafür, dass sie gar nicht lügen konnte. Jetzt musste er ausrasten, ganz sicher. „Das ist zu viel“, entfuhr es dem erschrocken. Haltsuchend lehnte er sich gegen den Türrahmen. „Viel zu viel.“ Vor allem auf einmal. „Aha, alles noch beim Alten, “ bemerkte Saber trocken. War ja klar. „Ihr veräppelt mich, oder?“ hakte Colt nach. „Nein, er ist auf den „Du muss mich heiraten, weil ich von dir schwanger bin“-Trick reingefallen“, behauptete Chily, auch wenn es ihr schwer fiel ernst zu bleiben. Wäre der Scharfschütze nicht so geschockt, wäre ihm das auch aufgefallen. So brachte er nur ein verwundertes „Hä?“ hervor. „Das ist für unseren Boss doch kein Grund, oder doch?“ Der Ärmste war nun völlig überfordert. „Na hör mal, was glaubst du denn?“ fuhr der Schotte ihn empört an. Als ob Saber eine Frau im Stich lassen würde, so klang es für den jedenfalls. „Na dann! Ihr zwei wisst das sicher besser als ich, “ entgegnete der Lockenkopf nun. Doch die zwei konnten das alles nur noch weniger begreifen. „Der rastet immer noch nicht aus.“ Im höchsten Maße verwundert schaute Chily zu Saber hinauf. „Da muss bei der letzten Mission ein Schaden geblieben sein, anders kann ich mir das nicht erklären“, versuchte der das Rätsel zu lösen. Das war doch nicht Colt, der da vor ihnen stand. Nicht der, den sie kannten. „Okay. Lass uns das mal klar stellen, Bullet. Ja, wir zwei sind verheiratet. Und nein, ich bin nicht schwanger, “ informierte die Hebamme dann. Der wischte sich den imaginären Schweiß von der Stirn. „Puh.“ Verunsichert zupfte seine beste Freundin ihn am Ärmel. „Man kannst du mich nicht wenigstens anmotzen, weil ich geschwindelt hab? Bullet, du machst mir langsam Angst, “ gestand sie mit einer Miene, die dies unterstrich. „Okay, na dann, “ grinste er. „Kinder will ich vorerst keine hier sehen, in Ordnung?“ Der Schotte hob erstaunt die Brauen. Wo war die Bestimmtheit, das Gezeter und Gemotze? „Ist das alles?“ wollte er erstaunt wissen. Auch die Hebamme beschwerte sich. „Echt, man. Nicht so halbherzig.“ Da konnte einem ja wirklich angst und bange werden. Colt musste sich das Lachen verkneifen. „Mach mir ja keine Schande, Boss“, fuhr er in alter Manie den Schotten an. Zufrieden grinste der. „Okay.“ Das klang schon eher nach der Oberglucke. „Und du, Huhn.“ Jetzt stieß der Scharfschütze mit dem Zeigefinger Chily vor die Brust. „Mach mir Saber ja glücklich“, mahnte er dann. „Danke, jetzt geht es mir besser“, erklärte sie erleichtert. „Bitte“, lachte ihr Jugendfreund und zog sie gleich darauf in seine Arme. Innig drückte er sie an sich, musste der Freude über diese Nachricht Ausdruck verleihen. Natürlich missfiel ihm die Heimlichkeit dabei, aber die hatte er sich leider selber zu zuschreiben. „Meine Chily ist eine Ehefrau“, murmelte er in ihr Haar, dann nahm er liebevoll ihr Gesicht in seine Hände und betrachtete es eingehend. Ja, genauso glücklich hatte er sie immer sehen wollen. Was spielte also alles andere noch für eine Rolle? „Habt ihr wenigstens ein paar Fotos für mich?“ fragte er dann. Sie nickte, drückte ihm einen Kuss auf und verschwand um das Album zu holen. „Läufst du dann jetzt Amok?“ wollte der Recke vorsichtig wissen. So ganz traute er dem Frieden noch nicht und stellte sich gedanklich darauf ein, jetzt Bekanntschaft mit der Faust des Kuhhirten zu machen. „Wozu?“ Colt hob die Schultern. „Die hast du jetzt an der Backe kleben. Mich nur noch, wenn sie es sagt. Es liegt also an dir.“ Dass Colt die Beichte mit der heimlichen Heirat so gut weggesteckt hatte, ließ zumindest Chily hoffen, dass es Sabers Eltern ähnlich gehen würde. Der Recke sah das etwas realistischer und daher auch etwas weniger optimistisch. Nachdem Colt an diesem Tag die beiden verlassen hatte, klingelte noch der Mann einer Patientin Chilys an der Tür um für seine Frau etwas abzuholen. Er nutzte den Moment auch um mit der Hebamme über die Schwangerschaft zu reden. Es war das erste Kind, das das Paar erwartete und daher war er doch besorgt, darüber, ob alles in Ordnung war. Lange unterhielten sie sich, wie Saber mit einem Blick aus dem Fenster feststellte. Leise sprachen sie und hatten die Köpfe zusammen gesteckt. Wieso sie so ein Gespräch vor der Eingangstür ihrer Praxis führen musste, fragte sich der Schotte schon und fuhr sich unbewusst über die Narbe. Nach einer normalen Unterredung sah es ihm jedenfalls nicht aus. Entsprechend verstimmt fand ihn seine Frau vor, als sie ins Haus zurück kam. Er kapselte sich den Abend über von ihr ab, gab nur einsilbige Antworten auf ihre Fragen, wenn überhaupt. Ihre Gabe in seinem Kopf lesen zu können, brauchte sie kaum und wenn sie es tat, dann erschien ihr das, was sie las zu seltsam. Denn sie las Eifersucht und da sie ihm keinen Grund dafür gegeben hatte, ihrer Meinung nach, musste sie sich wohl verlesen haben. Als diese unterkühlte Atmosphäre auch noch am Vormittag des nächsten Tages vorherrschte, reichte es der guten Chily und ehe sich der Recke versah, fand er sich in einem herzhaften Streit mit ihr darüber. Völlig vergessend dabei, dass seine Eltern demnächst aufmarschieren würden. „Wenn das meine Frau wäre, würde ich ihrer Hebamme nicht in den Ausschnitt gucken“, grollte er laut genug, dass Eduard und Mary Rider dies auch vor der Haustür hören konnten. „Man, was du immer für Gespenster siehst“, schimpfte die Hebamme nicht minder leiser. „Der hat auf den Boden geguckt.“ – „Bis dahin hat dein Ausschnitt ja auch gereicht“, schnappte der Eifersüchtige prompt und außer Acht lassend, dass es nicht stimmte. Sie hatte einen Rollkragenpullover getragen. Frustriert wandte sie sich ab und marschierte in die Küche. Das Klingeln hörte sie nicht, während Saber richtig zusammen zuckte. „Mutter, Vater, guten Tag“, grüßte er nach dem Öffnen und versuchte sich wieder zu beruhigen. „Man könnte meinen, du gehst uns aus dem Weg, Junge“, meinte seine Mutter, als sie eintraten und ließ sich nicht anmerken, dass sie Zeugen der Auseinandersetzung geworden waren. „Deine Zeit für uns scheint immer weniger zu werden“, stellte auch sein Vater fest. Betreten senkte der Sohnemann den Blick. „Das tut mir leid.“ Waren seine Eltern eben noch davon ausgegangen, dass der Streit unterbrochen und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden war, wurden sie nun eines besseren belehrt. Chily kam schwungvoll aus der Küche zurück in die Diele gefegt. „Jetzt hör mal Saber, du bist …,“ rief sie und hielt erschrocken in Sprache und Bewegung inne, als sie seine Eltern sah. „Shit“, entfleuchte es ihrem Mund, als sie an der kaum merklichen Verlegenheit der beiden erkannte, dass die zumindest den letzten Teil des Zwistes mitbekommen haben mussten. Aber, dann war es nun auch vollends gleichgültig. „Also, ich bin NICHT Sinca. Ich hab gewartet und ich werde warten, “ brauste sie den Recken an, dreht sich auf dem Absatz um, um sogleich wieder herumzufahren. „Denk dran, Saber, an dem Feuer meiner Leidenschaft könntest du dich eher verbrennen, als das du in meiner Gegenwart erfrierst. Ich bin nicht so kalt, dass ich mir was oder wen nebenher hol, “ erinnerte sie ihn leidenschaftlich. Der Recke schluckte schwer und senkte den Kopf. Ob es ihm unangenehmer war, dass sie Recht hatte, oder den Disput vor seinen Eltern fortsetzte, wusste er selbst nicht. „Du verletzt ihn mit deiner Liebe, wie es scheint“, konnte Mary Rider nicht unterdrücken zu kommentieren, angesichts ihres geknickten Sohnes vor sich, der wieder unbewusst über die Narbe fuhr und wies leicht mit der Hand darauf. Für den Bruchteil einer Sekunde verschlug es der Hebamme die Sprache, dann kreischte sie auf. „Wie bitte, was?“ Das war ja einfach ungeheuerlich. „Meine liebe Mrs. Rider“, begann sie, sich deutlich zur Ruhe zwingend. „Ihr letzter Besuch hat gezeigt, dass Sie über Sincia noch weniger wissen als ich. Nämlich gar nichts. Und über mich wissen sie genauso viel. Was fällt Ihnen ein mir so etwas zu unterstellen? Mal abgesehen davon, dass das völlig daneben ist, ist ein Streit zwischen Saber und mir einzig unsere Sache und geht Sie gar nichts an.“ Gegen Ende wurde sie jedoch wieder lauter. „Das sehe ich anders. Saber ist schließlich mein Sohn …“ setzte die angefahrene an sich zu rechtfertigen, doch Chily in ihrem Temperament ließ sie nicht ausreden. „ … und alt genug Probleme allein zu lösen. Wenn Sie sich noch mal einmischen, sehe ich Sie gehen. Durch diese Tür.“ Dies unterstreichend wies sie mit der Hand auf die Eingangstür. Sabers Mutter konnte getrost davon ausgehen, dass die Aufgebrachte ihre Drohung wahr machte. In jeder anderen Situation hätte sie sich taktischer Weise zurück gehalten, doch hier ging es für sie um mehr. Um das, nämlich, worum es allen Müttern ging. Um ihren Sohn. Der stand schweigend und mit hängendem Kopf vor ihr und schien alles andere als glücklich. Der Grund dafür war diese, bisher doch recht zweifelhafte, mögliche Schwiegertochter. Die hatte ihm Grund zur Eifersucht gegeben – ein Zug, den Mary nicht von ihm kannte – oder zumindest seine Gefühle verletzt. Als Mutter konnte sie es nicht dabei belassen. Sie musste sich für ihren Jungen einsetzen. Gerade wollte sie ihrerseits die Hebamme in ihre Schranken verweisen, als sie die Hand ihres Mannes auf der Schulter spürte. „Mary, bitte fasse dich wieder“, sagte er leise. „Narben zeugen von den Kämpfen, die man gewonnen hat“, fügte er hinzu. Ihm war nicht entgangen, dass diese Szene etwas damit zu tun hatte. Saber hatte sich darüber gestrichen, also musste es so sein. Auch war Eduard Rider die Hingabe aufgefallen, die momentan in Chilys Wut steckte. Wenn sie mit der gleichen Leidenschaft seinen Sohn liebte, dann hatte der alles, was er brauchte. Eine gewisse Anerkennung lag in seinem Blick. Saber selbst hatte sich ebenfalls gerührt und seiner Angetrauten die Hand auf die Schulter gelegt. Hart schluckte die nun hinunter, was sie eben noch hatte aussprechen wollen. „Wir werden wohl erst mal gehen, damit ihr das Problem allein klären könnt“, versuchte der Senior zu vermitteln. Augenblicklich schnappte Chily. „Es gäbe kein Problem, hätte meine Vorgängerin nicht Manapis Herz durch den Fleischwolf gedreht und er selber beim letzten Einsatz besser auf sich aufgepasst hätte.“ Der Recke erntete einen tadelnden Blick, ehe sie ergänzte: „Wie er es mir versprochen hat.“ Jetzt war es an dem Gerügten sich zu verteidigen. Er rollte die Augen. „Willst du mir das ewig vorwerfen?“ fragte er sie verstimmt. „Wenn es unsere Ehe bis ans Lebensende belastet, werde ich es dir auf den Grabstein meißeln lassen“, verkündete Chily heftig. Der Blonde drehte sie an den Schultern herum, so dass sie sich direkt gegenüberstanden, und hielt sie auf Armeslänge von sich. „Die Narbe habe ich nicht aus purem Leichtsinn, sondern weil ich Colt geholfen habe, “ stellte er klar. Damit verpuffte ihr Zorn. „Ich weiß“, erwiderte sie ruhig und legte ihm sanft die die Hand auf die verletzte Wange. Liebekosend strich sie mit dem Daumen darüber. „Und trotzdem schämst du dich dafür“, bemerkte sie warm und schaute ihn zärtlich an. „Jolene …“ Hatte sie ihn wieder durchschaut. Er fasste nach ihrer Hand, die ihn streichelte und hielt sie fest. Die Hebamme schmiegte sich an ihn. „Dein Vater hat es doch gesagt, Manapi. Narben kommen von Kämpfen. Kämpfe kann man gewinnen oder verlieren. Aber du hast nicht verloren. Überhaupt nicht, “ erinnerte sie ihn mild. Ihre Worte, ihre Gesten waren wie Balsam auf dem wunden Ego das Schotten. Einmal mehr zeigte sie ihm, dass sie genau wusste, was er fühlte, ohne dass er es in Worte fassen musste. Er zog sie in seine Arme, hauchte ihr einen sanften Kuss aufs Haar. „Meine süße kleine Aiyana“, murmelte er dann leise. Dass sie nicht allein waren, hatte er völlig verdrängt. Viel zu gut tat ihm ihre Gegenwart gerade. Sein Vater schmunzelte leicht. „Er scheint gefunden zu haben, was er gesucht hat“, raunte er seiner Frau zu. Die blieb jedoch noch skeptisch. Es ging immerhin um ihren einzigen Sohn. „Was macht dich da so sicher?“ hakte sie nach. „Das, Mary.“ Eduard Rider deutete auf das Paar vor sich, das gerade den besten Beweis für die folgende Aussage antrat. „Unser Sohn vergisst alles um sich herum.“ Verstimmt verzog seine Frau das Gesicht. „Er vergisst sogar uns und wenn ich mich nicht verhört habe, dann grenzt er uns neuerdings auch aus seinem Leben aus“, entgegnete sie verstimmt. Chily hatte von Ehe gesprochen. Saber hatte nichts dagegen gesagt. An der Tür stand auch nur ein Name. Für Mary stand nun fest, dass die beiden verheiratet waren. Doch sie wusste nichts von einem solchen Vorhaben und seiner Ausführung. „Das macht er aus einem einzigen Grund, Misses Rider.“ Chily drehte ihren Kopf an Sabers Brust so, dass sie dessen Eltern wieder sah. Kritisch hob ihre Schwiegermutter die Brauen. „Und welcher könnte das wohl sein? Oh, ich sehe schon, “ antwortete sie gleich danach und fixierte Chily mit wenig freundlichen Blicken. „Wegen des massiven Einmischens in sein Leben, “ berichtigte diese sofort. „Das kann man ja nun gar nicht sagen. Ich bin seine Mutter und erfahre nicht mal, dass ihr geheiratet habt, “ empörte sich Mrs. Rider und wandte sich dann an ihren Sohn. „Saber, kannst du mir das erklären?“ Das erste Zusammentreffen war alles andere als gut verlaufen. Auch dieses schien schon fast den Bach runter zu sein. Doch genauso sehr wie beim ersten Mal war der Schotte bereit vor seinen Eltern um seine Jolene zu kämpfen. Jetzt ließ er demonstrativ einen Arm um ihre Schulter und nahm mit der freien ihre andere. „Weshalb habt ihr geheiratet? Doch nur, weil ihr euch liebt. Jolene und ich, wir lieben uns auch. Was spricht also dagegen?“ fragte er zurück. „Wenn ich mir das so ansehe“ Seine Mutter deutete auf die Frau in seinem Arm. „dann so einiges. Das kommt ja schon einer Kopfwäsche gleich. Du hättest früher nie etwas getan, ohne mit uns vorher darüber gesprochen zu haben. Ganz besonders in einer solchen Angelegenheit, “ entgegnete sie. Dass sie es noch immer nicht schaffte, die Hebamme beim Namen zu nennen, stieß ihm sauer auf. Zudem kam er sich gemaßregelt vor. „Mutter, ich bin erwachsen“, versetzte er patzig. „Das weiß ich. Mir war nur nicht bewusst, dass das bedeutet, dass deine Eltern nicht mehr zu deinem Leben gehören. Dann sollten wir auch tatsächlich wieder gehen. Was meinst du, Eduard?“ Schon wandte sie sich zum Gehen. „Saber?“ Ein Wort benötigte sein Vater um ihn aufzufordern etwas zu tun, sonst müsste sich der Senior das bis ans Lebensende anhören. Auch Chily stieß den Blonden leicht an. „Mach schon. Sie ist doch nur verstimmt, weil sie keine Chance hatte mich richtig kennen zu lernen und bei der Hochzeit anwesenden zu sein, “ las sie vor, was in dem Kopf seiner Frau Mama vor sich ging. Wieso staunte er da noch? Das war doch ihre Art. Seine Mutter hielt in der Bewegung inne, also hatte seine intuitive Ehefrau mal wieder recht. „Vater? Mutter? Lasst uns bei einer Tasse Tee noch mal in Ruhe darüber reden. Ich möchte das nicht zwischen Tür und Angel klären, “ lenkte Saber also ein und führte die beiden ins Wohnzimmer. Sie setzten sich auf den Sofas einander gegenüber. Jedes Paar auf einem, der flache Tisch wie Schutzwall dazwischen. „Ich weiß, ihr wart enttäuscht, nicht Sincia hier zu treffen. Aber wie ich euch schon erklärt habe, hat das einen ganz einfachen Grund, “ startete der Recke zur Erklärung. „Überrascht trifft es wohl eher, “ kommentierte sein Vater. „Geschockt noch besser, “ bemerkte seine Mutter. Chily biss sich leicht auf die Unterlippe. „Wenn es euch beiden schon so geht, dann werdet ihr wohl nachvollziehen können, wie ich mich gefühlt habe“, gab er zurück. Der Hinweis musste ihnen genügen. Er wollte ihnen nicht auch noch erzählen müssen, dass ihm ein anderer Mann die Tür geöffnet hatte. „Hast du denn gar nicht versucht, den Vorfall mit Sincia, zu klären?“ hakte Mary nach. Auch wenn die Hebamme die Berechtigung dieser Frage einsah, zog sie es vor zu gehen. Gegen die Nuss, wie sie ihre Vorgängerin nannte, hegte sie schon fast Mordgelüste dafür, dass sie den Schotten so verletzt hatte. „Ich mach uns mal den Tee.“ Damit hatte sie doch einen ziemlich guten Grund zu verschwinden. „Ich habe ihr geschrieben, sie angerufen, aber sie hat jeden Kontakt abgebrochen. Es tut mir leid, dass ich euch das nicht erzählt habe, aber ich wollte das zuerst mit mir selbst ausmachen, “ erläuterte der Recke, als sie den Raum verlassen hatte. Sein Vater nickte verstehend. Das konnte er gut nachvollziehen, da er selbst ebenso ungern über solche Dinge sprach. „Naja, wie das halt so ist, die Zeit vergeht und manche Dinge ändern sich“, wollte der Spross das ganze nun beenden, aber seine Mutter hatte noch ein paar Fragen. „Wie hängt das nun mit ... ihr ... zusammen? Ich meine ...“ Leicht ratlos brach sie ab. „Ihr Name ist Jolene, Mutter.“ Gerade konnte sich Saber einen genervten Seufzer verkneifen. „Colt hat uns in seine Heimat eingeladen, weil er dort seine Verlobung mit Robin bekannt geben wollte. Und da Jolene seine beste Freundin ist, haben wir uns dort kennen gelernt, “ berichtete er dann. „Eine Freundin von Colt.“ Mary wusste nicht, ob ihr das jetzt gefallen sollte. „Euer Scharfschütze? Der mit dem losen Mundwerk?“ hakte auch Eduard nach. „Hab ich euch Colt so beschrieben?“ Verlegen kratzte Saber sich am Kopf. Konnte das Bild von Jolene denn noch schlechter werden? „Wisst ihr, Jolene ist Hebamme, sehr bodenständig und …“ versuchte er das sogleich zu verbessern, schluckte aber die eigentliche Aussage mit hinunter. Prompt hakte seine Frau Mama dort nach. „Und was, mein Junge?“ Wie sollte er das nur richtig erklären? Verlegen schaute er auf den Boden. „Sie versteht mich“, entgegnete er schlicht. „Sie sieht mich nur an und weiß, was los ist, ohne dass ich etwas sage. Es sind Kleinigkeiten, aber gerade die machen Jolene zu jemand besonderen.“ Eduard Rider lächelte leicht in seinen Vollbart. „Kleinigkeiten sind niemals bedeutungslos“, gab er leichthin zurück. „Eduard bitte. Du hörst dich an, als wolltest du ihm für diesen ... Leichtsinn ... auch noch deinen Segen geben, “ staunte Mary. Sie war noch immer überfordert von der Situation, konnte nur noch schlecht in Worte fassen, was sie bewegte. Entsprechend unglücklich war ihre Wahl. „Ich verstehe nicht, was du gegen Jolene hast, Mutter. Weshalb versuchst du noch nicht einmal, sie näher kennen zu lernen?“ begehrte ihr Sohn verärgert auf. War zu fassen, dass sie sich so dagegenstellten? Für Saber jedenfalls nicht. Ehe er noch etwas sagen konnte, kam das Gesprächsthema mit einem Tablett, auf dem Teekanne und Tassen standen, wieder herein und las im Vorbeigehen wieder aus dem Kopf Marys vor: „Manapi, lass gut sein. Sie weiß doch nur noch nicht so recht, wie sie das alles werten soll. Sie hat dich immerhin unter ihrem Herzen getragen, da kannst du nicht erwarten, dass ihr jemals gleich wäre, was du tust.“ Nebenher stellte sie das Tablett auf dem Tisch ab und verteilte die Tassen. „Aber sie hört sich an wie Colt!“ erklärte ihr Manapi ungehalten. Da hatte der Kuhhirte wohl einmal zu viel reingeredet. „Mag sein, aber im Gegensatz zu ihm, hat sie das Recht dazu. Sie ist deine Mutter und sie wäre in meinen Augen eine schlechte, wenn sie kommentarlos alles geschehen lassen würde. Findest du nicht?“ Sie hockte sich wieder zu Saber aufs Sofa und sah ihn aufmunternd an. Es war ja schließlich nicht Mary Riders Schuld, dass der Scharfschütze die Oberglucke schlechthin war. Der Recke blieb jedoch uneinsichtig. Ihm waren die Debatten, die er führen musste, seit er seine Frau kannte, ganz einfach zu viel. „Es ist aber mein Leben, Jolene. Es ist mein Leben, das ich mit nur einem einzigen Menschen verbringen möchte, mit dem ich glücklich sein möchte, “ beharrte er an sie gewandt und auch vor seinen Eltern ließ er sich von dem Gesagten nicht abbringen. „Jolene hat mein Leben verändert. Sie hat mir gezeigt, dass Liebe nichts Einseitiges sein muss.“ Fest hatte er sie angesehen. Während die Hebamme von ihm abrückte und mit angezogenen Beine sich in die Sofaecke verzog, entgegnete seine Mutter: „Wenn Liebe einseitig ist, ist es keine Liebe.“ – „Du bist sehr scharfsinnig, Mutter. Denn nur ich habe für Sincia so etwas wie Liebe empfunden, sie nichts dergleichen für mich. Aber Jolene liebt mich. Sie steht mir bei, interessiert sich für mich und macht sich auch mal Sorgen um mich, “ versetzte der Blonde. Mit Unbehagen musste er feststellen, dass seine Frau die Distanz suchte. Behutsam griff er nach deren Hand, aber sie rührte sich nicht. „Vergiss bitte nicht, dass du mit deiner Mutter sprichst“, mahnte sein Vater ihn. Eduard Rider verstand seinen Sohn vollkommen, doch der Ton, den der eben angeschlagen hatte, war ganz einfach nicht angebracht. Wie immer, wenn er gemahnt wurde, senkte er betroffen den Blick. „Entschuldigung, Vater. Es tut mir leid, Mutter.“ Seufzend sah er von einem zum andern. Es schien, als hätte er sie jetzt alle drei gegen sich aufgebracht. „Ich habe in Jolene all das gefunden, was ich immer gesucht habe. Mein Leben ist endlich vollkommen, “ erklärte er dann ruhiger. „Das ist deutlich, Junge, und das freut uns für dich. Je mehr wir uns an diesen Umstand gewöhnen und deine Frau kennen lernen, desto mehr wird es uns freuen, “ nickte Eduard. „Es scheint, als kann zumindest Jolene uns verstehen. Wie wollt ihr es ihren Eltern erklären?“ Auch Mary bemühte sich um Fassung. „Ich habe keine mehr“, murmelte Chily und schlang die Arme um ihre Beine. „Oh, das tut mir leid, Jolene.“ Dass Mary ihre Schwiegertochter mit ihrem Namen ansprach hatte einen Grund. Die Erkenntnis, dass diese junge Frau vielleicht etwas aus der Reihe tanzte, aber eben doch die angenehme und verständnisvolle Partnerin war, die sie sich für ihren Sohn gewünscht hatte. Alle Zweifel und Bedenken daran hatte sie zerstreuen können, in dem sie einfach nur sie selbst geblieben war. Jetzt schüttelte die Hebamme leicht den Kopf. „So ist es eben“, antwortete sie tapfer. „Nur denke ich grad, ist meinem Manapi nicht klar, es für ein Segen ist, Eltern zu haben.“ Der Recke stand auf. Das freundschaftliche Band zwischen seiner Mutter und seiner Frau hatte sich unauffällig gesponnen und war ihm völlig entgangen. „Aus einem Segen kann manchmal auch ein Fluch werden“, brummte er und hatte noch immer den Vorwurf im Blick, als er seine Eltern ansah. „Es tut mir leid, dass ich euch enttäuscht habe, aber es war einzig meine Entscheidung. Vielleicht“ Er ging zur Tür. „ich sollte mal kurz etwas frische Luft schnappen. Ihr entschuldigt mich?“ Er war enttäuscht darüber, noch immer nicht ihr Wohlwollen zu haben und war in dem Augenblick zu verbockt um zu begreifen, dass er sich irrte. „Es war bitte schön unsere Entscheidung“, rief Chily ihm nach. „Aber Eltern behandelt man nicht so wie du gerade, man ist dankbar, dass man sie hat.“ Tränen stiegen ihr in die Augen, die sie nicht verhindern konnte. Sie hatte für so ziemlich alles Verständnis, nicht aber für sein Verhalten. Sie hatte ihre Eltern verloren und sich oft genug hilflos ohne sie gefühlt. Sie wusste, was ein solcher Verlust bedeutete und für sie war nicht nachvollziehbar, wieso er das nicht sah. „Ja, frische Luft ist eine gute Idee.“ Mary erhob sich und folgte ihrem Sohn. „Geht ruhig. Ich genieße meinen Tee, “ meinte ihr Mann und wartete, bis die Haustür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Dann stand er ebenfalls auf, umrundete den kleinen Tisch und nahm auf dem Sofa neben der Frau seines Sohnes Platz. „Sie vermissen Ihre Eltern, nicht wahr?“ begann er. Sie wischte sich leicht über die Augen. „Manchmal wie die Hölle“, schniefte sie. Noch eine Eigenschaft, die für sie sprach. Als ob sie sein Herz heute nicht schon im Sturm erobert hätte. „Wie kann er sich nur so benehmen?“ klagte sie dann Saber an. „Er benimmt sich wie ein verwöhntes Einzelkind. Saber ist es nicht gewöhnt, bei uns auf Widerstand zu stoßen, “ entgegnete Mr. Rider scherzhaft. „Das hab ich aber besser gemacht. Wir sind von Anfang an immer wieder mal aneinander gerasselt.“ Sie schniefte noch einmal, grinste aber leicht. „Sie und Saber?“ fragte er erstaunt und neigte den Kopf zur Seite. Es war schwer vorstellbar, wer da die Oberhand behielt. „Wie viele Vasen haben schon das Zeitliche gesegnet?“ wollte er deshalb wissen. „Keine. Aus dem Grund hab ich es eher mit Pfannen und Harken, “ erwiderte sie mit Gedanken an die Situationen. Sie schnitt eine leichte Grimasse. „Er ist manchmal so dumm, obwohl er so klug ist“, bekundete sie dann ihren Unmut. „Wie kommen Sie darauf, Jolene?“ – „Weil es so ist. Man sollte doch wissen, was man hat, wenn man es hat. Er hat so oft so gut von Ihnen gesprochen. Mir war so völlig zweifelsfrei klar, wie sehr er an Ihnen beiden hängt und jetzt redet er solch einen Unsinn. Das ist dumm. Er weiß es besser, als er gerade gesagt hat, “ erläuterte sie ihrem Schwiegervater. „Die Liebe lässt uns Dummes tun und sagen, “ bemerkte er und lächelte mild, als er ergänzte. „Das wiederum lässt mich nun darauf schließen, dass Saber tiefe Zuneigung für Sie empfindet.“ Wiederum verzog sie das Gesicht. „Wenn ich das an seinen Zweifeln messen kann, ist es beinahe schon wieder beängstigend“, grollte sie leise. Erst heute hatte Saber bewiesen, wie unsicher er war, was ihre Gefühle für ihn betraf. Aber sie kannte auch den Grund dafür und wusste, dass er es weniger wäre, würde er sie weniger lieben. „Ich hab ihn lieb“, flüsterte sie dann warm. „Er hat Zweifel? Den Eindruck hatte ich ganz und gar nicht. Unser Junge ist von dem, was er für Sie fühlt, überzeugt, “ stellte Eduard fest. Das war immerhin eine recht eindrucksvolle Vorstellung gewesen. Jetzt schaute die Hebamme ihn erstaunt an. „Also Papa Rider. Schon vergessen, weswegen er und ich uns bei der Ankunft in der Wolle hatten?“ erinnerte sie ihn. „Ich sagte, er ist sich seiner Gefühle sicher. Das ist ein Unterschied, Jolene, “ korrigierte er darauf. „Ihrer Gefühle ist er sich wohl nicht ganz so sicher. Obwohl ich mich gerade frage, weshalb?“ Unglücklich darüber hob sie die Schultern. „Das mag der Teufel wissen...“ Sie wusste es nicht. So wie sie vor ihm saß, konnte Sabers Vater kaum anders, als sie in den Arm zu nehmen. Er mochte sie. Sie hatte von heute an einen festen Platz in seinem Herzen. „Dann ist er wirklich ein Narr“, stimmte er ihr zu. Dieser Zuspruch tat ihr gut. Leicht lehnte sie sich an ihn und hob ermutigt den Kopf. „Und wer hat den erzogen?“ fragte sie mit schelmischem Grinsen. Er hob die Hände in die Höhe. „Ich war bei der königlichen Garde, Mary hat das alleine zu verantworten“, schwor er lachend. Mary fand das Ergebnis ihrer Erziehung am Zaun der Koppel stur sich ausschweigend vor. Saber drehte sich nicht zu ihr um, obgleich er gehört hatte, dass sie sich ihm näherte. Sie schüttelte leicht den Kopf. Ja, den Starrsinn kannte sie, die Miene dazu. So war er als kleiner Junge schon gewesen und hatte, wie so viele Kinder auch, auf diese Weise versucht, durchzusetzen, was er wollte. Genauso oft, wie sie nach gegeben hatte, war sie auch unnachgiebig gewesen. Das einzige Mal, dass er so derart verbissen trotzte, war gewesen, als er zu den Starsheriffs wollte. Sie hatte nicht nachgeben wollen, fürchtete, er könne eines Tages von einer Mission nicht mehr zurückkehren. Er hatte jedoch einen vollen Monat diese Miene zur Schau gestellt und am Ende hatte sie es nicht mehr ertragen. Für den idealistischen Spross war es ein Traum gewesen, dem KOK und dem Neuen Grenzland zu dienen und nach dem kein sachliches Argument geholfen hatte, hatte er auf Stur geschalten. Wenn sie ihn jetzt so betrachtete, konnte sie sicher sein, dass er auch seine heimlich Angetraute mit der gleichen Hingabe liebte, mit der er damals fort gewollt hatte. „Hast du vor für den Rest deines Lebens zu schweigen?“ fragte sie schließlich, weil er sie noch immer ignorierte. „Wenn es mich davor bewahrt, eine Enttäuschung nach der anderen zu erleben, dann ja“, schmollte er. „Verstehe. Weil dich die ganze Welt enttäuscht, “ murmelte sie. Ja, diese bockigen Antworten kannte sie von früher. „Die ganze Welt ist mir egal. Aber meine Freunde und meine Familie enttäuschen mich.“ Oh, Mary hatte gehofft, dass er diese Verbocktheit, die seit seiner Ausbildung zum Starsheriff verschwunden war, endgültig abgelegt hatte. Doch offensichtlich war es ein Wesenszug und daher nur schwer zu ändern. „Nun, was deine Freunde angeht, das kann ich nicht beurteilen, aber ich weiß, dass mein Sohn sich sehr verändert hat“, meinte sie dann. „Wie soll ich mich verändert haben?“ hakte er halbherzig nach. Eigentlich wollte er nur hören, dass sie seine Frau so akzeptierte und in die Familie aufnahm. „Für welche Frau wärst du bereit, dich gegen alle Regeln, Traditionen ... kurz, dich gegen die ganze Welt zu stellen? Für die, die du geheiratet hast? Oder gibt es noch eine?“ wollte sie wissen. „Nur für Jolene“, erklärte er knapp und fest. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du jemals Regeln gebrochen hättest, oder Traditionen. Beides hast du für sie getan. Willst du mir immer noch sagen, du hättest dich nicht verändert?“ Sie ließ ihn nicht aus den Augen. „Ich habe viele Regeln gebrochen, Mutter. Nur waren das nie eure Regeln. Es hat einen guten Grund, weshalb ich Jolene geheiratet habe, “ entgegnete er, drehte sich endlich zu ihr um und deutet aufs Haus. „Weil ich sie liebe. Ja, sie hat manchmal ein loses Mundwerk, aber was ist schon dabei. Jolene trägt ihr Herz auf der Zunge, aber sie weiß, was ich brauche, wonach ich mich sehne. Warum willst du das bloß nicht verstehen, Mutter?“ Und spätestens jetzt konnte sie auch sicher sein, dass er genau wusste, an was für eine Frau er sein Herz verschenkt hatte. „Was ich nicht verstehe, ist, warum ich nicht vor der Hochzeit noch eine Chance bekommen habe, sie richtig kennen zu lernen. Saber, glaubst du nicht, dass dein Vater sie nicht gern zum Altar geführt hätte?“ hakte sie sanft nach. „Als ihr sie kennen gelernt habt, wolltet ihr nichts von ihr wissen“, beharrte er, doch etwas Einsicht zeigte sich in seinen nächsten Worten. „Ja, ich hab euch nichts von ihr erzählt, aber ich dachte, ihr wärt Jolene gegenüber genauso aufgeschlossen, wie ihr es allen anderen Menschen auch seid. Aber das wart ihr nicht.“ Im letzten Satz schwang wieder bittere Enttäuschung darüber mit. „Du willst mir doch jetzt nicht weis machen, dass ihre Art für dich nicht gewöhnungsbedürftig war? Das ist sie wohl für jeden. Jolene hat ein sehr eigenes Wesen und nicht alle sind das gewöhnt oder kommen damit zu recht. Schon gar nicht im ersten Moment. Wir sind auch nur Menschen und waren im ersten Augenblick damit überfordert. Ich will nichts entschuldigen, mein Junge, ich will es nur erklären. Nach allem, was ich nun weiß, kann ich auch getrost zugeben, dass ich mich geirrt habe, “ berichtigte seine Mutter die Tatsachen ruhig. „Aber warum kannst du das nicht vor Jolene machen? Mutter, sie ist mir sehr wichtig, sonst hätte ich sie nicht geheiratet, “ murrte er unwillig, wie der Dreikäsehoch von einst. Sie presste die Lippen aufeinander um nicht zu lachen. „Hättest du es nicht vorgezogen zu gehen, hätte ich das tun können. Jetzt fühle ich mich eher dazu verpflichtet dafür zu sorgen, dass du dich bei deiner Frau entschuldigst, “ gab sie zurück, den Tadel in der Stimme, über den nur Mütter verfügen. „Keine Sorge, Mutter“, beschwichtigte er sie schon versöhnlicher gestimmt. „Jolene beruhigt sich wieder, wenn ich mich bei ihr entschuldigt habe. Sie weiß, wie viel mir eure Zustimmung bedeutet hätte und weshalb mir das alles nun schwer fällt, “ fügte er hinzu. „Ich könnte dir jetzt auch sagen, dass du dir das alles hättest ersparen können, wenn du mit der Hochzeit gewartet und uns alle vorher noch einmal zusammen gebracht hättest. Aber was bringt ein solcher Vorwurf?“ versetzte sie und er musste zugeben, dass sie nicht unrecht hatte. „Ich verstehe, was du mir damit sagen willst, Mutter.“ Endlich löste er sich vollends von der Koppel. „Ist der zweite Eindruck von Jolene denn besser als der erste?“ hakte er dann nach. Die Frage war wichtig für ihn. Gut, sie konnte nicht wissen, wie sehr ihm die Diskusionen mit Colt zu dem Thema zugesetzt hatten, aber auch ohne die war der Segen seiner Eltern auf dieser Verbindung sehr wichtig für ihn. „Ist es im Himmel schöner als in der Hölle?“ fragte sie lächelnd. „Man kann sich beides auf Erden holen“, schmunzelte er. „Was hältst du von einer weiteren Tasse Tee?“ Galant, ganz der Gentleman zu dem sie ihn erzogen hatte, hielt er ihr den Arm hin. Sie hakte sich bei ihm ein. „Unbedingt und vor allem bevor dein Vater und deine Angetraute die Chance haben sich endgültig gegen uns beide zu verbünden“, antwortete sie. „Diese Chance sollten wir ihnen wirklich nicht lassen, sonst beschließen die beiden demnächst noch, dass es Zeit für dich ist, Großmutter zu werden.“ Saber war erleichtert über ihren Zuspruch. „Und was hast du dagegen?“ fragte sie schelmisch das, was die meisten Mütter fragen würden, als sie, vertraut wie gewohnt, zum Haus zurückkehrten. „Ich will nicht schon wieder renovieren müssen“, gab er zurück. Davon hatte er wirklich genug. „Warum nicht. Es ist doch gelungen, “ lobte sie. „Aber mir reicht es langsam wieder mit den Farbeimern und den Umzugskartons. Wir haben schließlich auch Fireball und April beim Umzug geholfen, “ erklärte er. Nein, beim besten Willen. Er wollte sich erst mal mit seiner Frau einleben. Zeit wurde es schließlich langsam. „Dann kannst du ja nicht besser in Übung sein“, bemerkte sie, als er ihr die Tür auf hielt. „Ich bin Starsheriff, Mutter, und kein Handwerker“, wehrte er sich halbherzig gegen ein solches Unterfangen. „Beide bringen etwas in Ordnung“, entgegnete sie. „Und beide sind wichtig“, fügte Sabers Vater hinzu, als die beiden im Wohnzimmer ankamen. Der Senior saß wieder auf seinem ursprünglichen Platz. Chily hockte unverändert mit angezogenen Beinen, die Arme darum geschlungen, auf dem Sofa und schmollte offenkundig. „Lieber ein Degen als ein Hammer und das ist mein letztes Wort“, schmunzelte der Recke und kam zu der Hebamme auf die Couch. Schon wieder vergessend, dass seine Eltern anwesend waren, hauchte er ihr einen Kuss auf das Stückchen Nase, dass er erreichen konnte, ehe sie den Kopf ganz einzog. „Du musst mich lieb haben“, erinnerte er sie leise. Sie schüttelte den Kopf. „Nö“, wiedersprach sie. „Du musst mich lieb haben, das hast du Toto versprochen.“ – „Ich hab dich lieb. Nicht nur, weil ich es Toto versprochen hab.“ Wie süß sie murren konnte und doch war ihm nichts unangenehmer als das. So, wie sie sich zusammen gekauert hatte, war es schwer sein Gesicht an ihre Schulter zu betten. Er tat es, so gut es ging. „Es tut mir leid“, flüsterte er. Sie zog ihren Kopf noch etwas weiter ein. „Und was? Weißt du das überhaupt oder ist das grad nur Floskel?“ brummte sie zurück. Er hauchte ihr noch einen Kuss auf die Schulter und drückte sich an sie. „Es tut mir leid, wie ich mich gerade benommen habe. Ich war ungehalten. Ich habe nicht nachgedacht, “ rechtfertigte er sich. „Verzeih mir, Jolene.“ Sie verharrte in ihrer Position. „Du kannst wirklich froh sein, dass du die beiden hast“, prägte sie ihm ein. „Das bin ich“, versicherte er ihr und suchte unablässig ihre Nähe. Kaum etwas war schlimmer, als wenn sie ihm die kalte Schulter zeigte. „Und ich bin froh, eine Frau wie dich zu haben“, versuchte er sie wieder gnädig zu stimmen. „Glaub ich es dir mal.“ Endlich löste sie sich aus ihrer Haltung, hob die Arme leicht und fuhr ihm mit einer Hand über die Wange. „Du böses Manapi, “ schimpfte sie liebevoll. „Dein Manapi, “ gab er zurück und drückte seinen Kopf in ihre Handfläche. „Nö, meins ist immer lieb.“ Ihre Finger fuhren weiter bis zu seinem Ohr und zogen leicht daran. Notgedrungen folgte er mit einer Hand. Schön, sein Hörorgan war noch dran. „Autsch.“ Seine Beschwerde wurde mit einem Grinsen quittiert. „Sei froh, dass deine Eltern da sind, sonst wäre es ab“, ließ sie ihn wissen. „Wenn das so ist, bin ich jetzt erst recht froh, dass sie hier sind“, lächelte er zurück. „Nicht mehr böse sein, Jolene“, bat er noch einmal. Ihr Kopfschütteln hieß, dass sie es nicht mehr war. „Kuss drauf?“ fragte sie dann. „Kuss drauf“, erwiderte er und schürzte die Lippen. Inzwischen, dass wurde seinen Eltern klar, als sie die beiden lächelnd so beobachteten, hatten das Paar sich angewöhnt, jeden Streit auf diese Weise zu beenden. „Kuss drauf“, dann war alles wieder gut. Charles Eagle blickte auf die Stadt hinab. Der erste Tag im Dezember war kalt und grau. Das Leuchten hinter dem dunstigen Himmel ließ den Schluss zu, dass die Sonne schien. Doch so verborgen, dass ihre Strahlen kaum wärmen konnten. Deshalb klirrte die Luft leicht, die durch das angelehnte Fenster in sein Büro drang. Die Luft. Charles blieb gedanklich an dem Wort hängen. Die Luft konnte klirren und flirren, je nach Wetter. Es konnte etwas ahnungsvoll darin liegen oder knistern. Ersteres war positiv, letzteres nicht. Dann lag auch Spannung in der Luft. Das hieß Ärger. So wie es heute war. Die Luft klirrte leicht vor Kälte. Doch schien sie auch wie elektrisiert zu knistern. Wie unter Strom, unter Spannung, sinnierte er weiter. Warum konnte man eigentlich keine zusätzliche Sicherung einbauen, wenn man eine brauchte? Kapitel 19: In the Air tonight ------------------------------ In the Air tonight Eagle hatte diese Spannung so weit aufgeschoben, wie es ihm möglich gewesen war. Doch jetzt musste er handeln, ehe sich alles in einem Kollaps entlud und noch mehr Unheil über die brachte, die es betraf. Er kannte Rechte und Pflichten und war stets darauf bedacht, dass er sie selbst ebenso einhielt, wie er es von seinen Untergebenen auch erwartete. Mit gutem Beispiel voran zu gehen, empfand er als wichtig, wenn er bestimmte Anforderungen an seine Mitarbeiter stellte. Folglich musste er nun auch diesem Prinzip gerecht werden. Aber es war ihm nicht leicht. Er seufzte tief und eiste seinen Blick von der Stadt los. Langsam, ja widerstrebend, ging er zum Schreibtisch und nahm Platz. Bald mussten sie hier sein. Er fürchtete den Augenblick beinahe und doch wollte er sich ihm stellen. Seine Geradlinigkeit konnte er nicht ablegen und er hatte eine Pflicht dem Neuen Grenzland gegenüber. Colt und Fireball erwarteten Saber auf dem Yuma-Central-Place. Über diese U-Bahn-Station erreichte der nach etwa einer halben Stunde Fahrt den Stadtkern. Von hier aus ging er jeden Tag zur Arbeit. Man musste nur den Platz in Richtung Norden überqueren und hatte noch so fünf bis zehn Minuten Fußmarsch vor sich. Selbiges galt für den Recken auch wenn er zur Station Nahe seinem Haus lief. Jetzt sahen die beiden Freunde ihn und Chily die Treppen hinauf steigen und auf sie zu kommen. Die Hebamme grüßte nur flüchtig und machte sich auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung, wo sie verabredet war. Beruflich, betonte sie dabei, damit ihr Manapi nicht wieder falsche Schlüsse ziehen konnte. Für ihren leichten Groll hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn und trennte sich mit seinem Piloten und seinem Scharfschützen von ihr. Die drei waren zu Commander Eagle gerufen worden. Auch wenn sie keine Ahnung hatten worum es dabei nun ging, sie folgten der Aufforderung. Sie kam schließlich von Eagle. Selbst in einer Großstadt wie Yuma, in der alle in der Masse anonym blieben, blieb Chily ein markanter Punkt. Einfach, weil sie so überhaupt kein Großstadtmensch war. Das fiel ihr selbst auf, als sie ihre Blicke schweifen ließ. Erste Schneeflöckchen schwebten sacht vom Himmel und erregten ihre Aufmerksamkeit. Sie folgte ihnen mit den Augen, sah sie vor ihren Füßen schmelzen, kaum dass sie den Pflasterstein berührten. Der Tag war grau und kühl, aber zu warm für Schnee. Chily ging weiter. Seit ihrer Rückkehr von Tucson-City vor etwa einem Monat, waren die Dinge so gut gelaufen, dass sie sich vor Freude darüber gleich in die linke Ponypartie rote und die rechte rosa und lila Strähnchen hatte ziehen lassen. Jetzt trug sie eine dunkle, kurze Jacke, deren Embleme auf den Brusttaschen stark an die Flagge der Irokesen erinnerten, dazu halbhohe hellbraune Wildlederstiefel und beigefarbene Jeans. Ihre heißgeliebte Umhängetasche mit dem Traumfänger-Knopf ließen keinem Passanten Zweifel an ihren indianischen Wurzeln. Am Finger leuchtete der schmale Goldring mit dem kleinen Smaragd. In dem Gewühl der Fußgängerzone stieß sie mit einer dunkelhaarigen, anmutigen Frau zusammen und murmelte eine hastige Entschuldigung. Die Frau sah sie an, musterte sie und strich sich mit einer gemessenen Handbewegung ihr Haar zurück. Seltsamerweise fixierten sich die beiden kurz, hielten in ihren Bewegungen inne, wie erstarrt in dem kalten Wind. Eine Sekunde lang, ehe sie sich abwandten und jede wieder im Menschenmeer untertauchte. Aber dieser Augenblick hatte gereicht um festzustellen, dass sie verschiedener kaum sein konnten. Die buntgesträhnte, quirlige Blondine und die dunkelhaarige, unaufdringlich elegante Dame. Die eine extrovertiert, die andere introvertiert. Zwischen beiden gab es nur eine Gemeinsamkeit und die saß gerade im Büro des obersten Befehlshabers der Sektion West. Während die Blondine keinen Gedanken mehr an diesen Zusammenprall verschwendete, dachte die dunkelhaarige seltsamerweise daran, dass diese gewöhnungsbedürftige Erscheinung einen Ring am Finger trug. Es störte sie sehr und sie änderte ihre Richtung, bog an der nächsten Kreuzung nicht zum KOK ab, sondern in die entgegengesetzte Straße. Irgendetwas machte sie sicher, dass sie ihr ursprüngliches Vorhaben vergessen konnte, weil die Würfel gefallen waren. Inzwischen waren die Jungs im KOK angekommen und betraten recht arglos Eagles Büro nach dem Anklopfen. „Habe die Ehre, Commander“, grüßte Colt heiter. „Und ich die Magengeschwüre, “ brummte der Angesprochene und biss sich auf die Unterlippe. Gegen seinen Willen war ihm das rausgerutscht. Verwundert traten sie ein. „Schon mal mit Entspannungsübungen versucht, Charles?“ fragte Fireball. Seinen Vorgesetzten mit dem Vornamen anzusprechen fühlte sich für ihn noch etwas ungewohnt an, aber immerhin hatten dessen Besuche in der gemeinsamen Wohnung den Japaner so weit gebracht, dass er es überhaupt tat. „Hat nicht geholfen“, antwortete der und bot ihnen an sich zu setzen. „Dafür ist das Problem etwas zu schwerwiegend“, fügte er hinzu. Das Trio nahm, nur noch verwunderter, Platz. „Habt ihr denn ein paar positive Neuigkeiten zu berichten?“ wollte Eagle dann wissen. Zum einen, weil es ihn wirklich interessierte, zum anderen um sich dem unangenehmen noch nicht stellen zu müssen. Damit schob Colt die merkwürdige Laune des Commanders darauf, dass der einfach nur einen schlechten Tag hatte und entgegnete fröhlich: „Der steht jetzt offiziell unterm Scheffel.“ Dabei wies er auf Saber. Fireabll blickte den Recken erstaunt an. „Seit wann?“ wollte er wissen, da der Schotte davon noch nichts erzählt hatte. Nicht weniger überrascht war Eagle. „Tatsächlich?“ – „Seit sie kurzfristig verschwunden waren. Die haben heimlich geheiratet, “ erwiderte der Lockenkopf und entmündigte den Blonden damit. Aber einfach nur, weil er sich so für den und die Hebamme freute. Jetzt grinste er breit und knubbelte Saber übertrieben mütterlich an der Backe. „Unser kleiner Schlawiner.“ Der verzog das Gesicht und rieb sich die Wange. „Ja bin ich denn daheim?“ Seine Frau konnte auch unter solchen Anfällen leiden, aber wenigstens war sie dann sanfter. „Gibst du auch Wickelkurse, Viehtreiber?“ hakte der Rennfahrer amüsiert nach und erntete ein verständnisloses „Hä?“ von dem Cowboy. „Die Glückliche ist Miss Adams, nehme ich an“, wandte sich Charles Eagle an den Recken. Der nickte. „Hast du es doch an die große Glocke gehängt, oder wie jetzt?“ Colt kam nicht mehr mit. Wieso wusste Eagle etwas, dass man vor ihm verheimlicht hatte? „Nein, hat er nicht. Ich musste nur eins und eins zusammen zählen,“ stellte der Oberbefehlshaber der Sektion West richtig. Immerhin war das Verhalten des Schotten in einigen Gesprächen doch recht deutlich gewesen, vor allem, wenn es um die Hebamme ging. Eagle lächelte leicht. Saber Rider hatte also jemanden gefunden mit dem er alt werden wollte. Vielleicht wusste Charles nicht viel über dessen Frau, aber das, was er so mitbekommen hatte, ließ ihn vermuten, dass sie dem Blonden eine gute Frau sein würde. Dann wurde er wieder ernst. „Diese Ehe bekommt schon sehr bald eine Bewährungsprobe“, informierte er unheilvoll. „Das klingt nun wieder gar nicht gut“, bemerkte Saber. „Was ist los, Commander Eagle?“ wollte er sachlich wissen. „Das möchte ich euch fragen. Was war mit euch an der T-C-West Tankstelle los?“ Charles lehnte sich abwartend im Stuhl zurück. „Ich weiß gar nicht, was Sie meinen? Wir haben das gemacht, was wir immer tun: Rein, Überraschungsmoment nutzen, uns möglichst nicht über den Haufen ballern lassen, Bösewichte Dingfest machen und last but not least: Die Welt retten, “ zählte Colt an den Fingern auf. „Diesmal habt ihr etwas mehr getan als das. Und diesmal ist das kaum gut zu heißen, “ gab der Commander zurück und holte aus der obersten Schublade seines Schreibtisches eine Akte hervor. „Das ist das Vernehmungsprotokoll von William Maddox. Was er darin unter anderem sagt, nennt sich Mord, “ erklärte er und schob das Dokument auf die drei zu, damit sie es in Augenschein. Keiner von ihnen rührte es an. Es war auch so klar, worum es ging. „Suzie“, flüsterte Fireball und riss ahnungsvoll die Augen auf. „Genau“, nickte Eagle. „Der gute Besen ist aber von ihrem Lover zur Strecke gebracht worden“, stellte der Scharfschütze klar. „Das ist ja wohl nicht unsere Schuld.“ – „Ihr habt das nicht verhindert“, berichtigte sein Gegenüber ihn. „Da waren wir grad verhindert“, trotzte der Lockenkopf. „Durch?“ bohrte Eagle. „Ein paar Outrider, die uns an die Gurgel wollten.“ Colt war nicht bereit den Standpunkt des Oberbefehlshabers zu sehen. „Das geht nicht aus den Berichten hervor, nicht aus euren. Und Maddox sagt etwas anderes, “ informierte der nun. Dem Trio vor ihm ging langsam auf, wie viele Schwierigkeiten auf sie zu kamen. „Was sagt Maddox denn eigentlich genau?“ fragte der Pilot und runzelte die Stirn. Nichts an dem Verhalten oder den Worten seines zukünftigen Schwiegervaters deutete auf eine Chance hin einigermaßen heil aus dem wohl massiven Ärger herauszukommen. „Dass ihr tatenlos zugesehen habt, wie Jean-Claude seine Waffe auf Suzie gerichtet und abgedrückt hat. In einer Situation, in der ihr hättet eingreifen können, “ antwortete der. Saber schluckte schwer. „Müssen“, korrigierte er. Da also lag der Hund begraben. Das konnte nicht gut enden. „Ihr seid Starsheriffs. Das war eure Pflicht, “ bestätigte Eagle. „Suzie hatte auch Pflichten, “ erinnerte Fireball. „Ja, das ist wahr. Aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass ihr eure vernachlässigt habt. Hättet ihr eingegriffen, hätte sie der Justiz übergeben und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können, “ erläuterte Charles die Sichtweise des KOK zu der Angelegenheit. „Die hat sie doch bekommen, “ brummte der Kuhhirte uneinsichtig. „Das hätte ein Richter zu entscheiden gehabt, Colt.“ Eagle räumte die Akte wieder weg und der Kritisierte biss sich auf die Lippe um nichts zu sagen. Das wäre sonst unverschämt geworden. „Was bedeutet das nun für uns?“ fragte Saber sachlich. „Unterlassung mit Todesfolge wird sich das ganze nennen. Ich muss es beanstanden, das wisst ihr.“ Genau das war der Punkt, der Eagle nicht behagte. Er kannte den Fall und die Jungs und konnte sich gut vorstellen, wie es dazu gekommen war. Der Vorwurf würde auf Unterlassung mit Todesfolge aufgrund niederer Beweggründe lauten. Dass es nicht so war, wusste der Commander, aber auch, dass es nicht an ihm war, darüber zu entscheiden. Der Schotte nickte verstehend. „Was kommt auf uns zu?“ wollte er wissen und begann gedanklich schon zu überlegen, wie sie den bevorstehenden Schwierigkeiten am besten begegnen konnten. „Die Statuten sprechen von Suspendierung“, antwortete der Gefragte und holte ein Exemplar hervor. „Soll das heißen, wir werden dafür bestraft, dass Suzie eine miese Verräterin ist, die von ihrem Freund erschossen wurde?“ fuhr Colt auf. Aber dieser Ausbruch wurde ignoriert. Er war nicht hilfreich. „Aber Fireball und Colt sind doch eigentlich S.a.D.“ wandte der Schotte ein um vielleicht wenigstens die beiden, besonders den werdenden Vater, daraus halten zu können. Bedrückt schüttelte Eagle den Kopf. „Es wird auf eine Strafe hinaus laufen. Ob das nun eine Suspendierung sein wird, oder etwas anderes, das kann man nicht sagen. Das kommt auf den Untersuchungskommissar an.“ Dabei blätterte in der Satzung. „Ich hoffe, dass es auch in diesen Fällen mildernde Umstände gibt.“ – „Mildernde Umstände? Wofür? Wir haben nichts Falsches getan.“ Das wollte einfach nicht in den Kopf des Scharfschützen. Sie alle hatten wegen Suzie und ihrem Verrat so einiges durchmachen müssen und sollten jetzt auch noch bestraft werden, dafür, dass sie trotz allem Pennyrile gerettet hatten? Nein, dass war für ihn zu hoch. „Das ist es ja, wir haben gar nichts getan! Wir hätten Jean-Claude zumindest ein halblautes "Lass das" mit auf den Weg geben sollen.“ Fireball stieß ihn an. „Willst du mich auf den Arm nehmen oder was? Das kann nicht dein Ernst sein.“ Widerwillig setzte der Cowboy sich darauf hin. „Der Kleine hat Recht, Colt“, sagte Saber. Jetzt schoss der wieder in die Höhe. „Die hat meine Robin entführt, die Kleine von dem Kleinen wäre fast draufgegangen und unsere Jolene hat sie angeschossen. Von dem ganzen Psychoterror will ich mal gar nicht anfangen, “ führte er ungehalten allen noch mal vor Augen. „Und wir sollen uns dafür verantworten?“ Er hätte aus der Haut fahren können. „Du hast Mandy vergessen, Kumpel“, murmelte der Rennfahrer düster. Diese Tatsache hatte er seither konsequent zur Seite geschoben. Er war noch nicht so weit, sich damit auseinander setzen zu müssen. „Suzie hat nicht nur erpresst und bedroht, sie ist auch zur Mörderin geworden“, fasste er zusammen. „Na, dass meine ich doch, “ beharrte Colt. „Wir werden vor einen Richter gezerrt, wegen DER.“ Das letzte Wort hatte eine abfällige Betonung. „Kein Richter. Mensch, Colt, höre einmal wenigstens genau zu, “ kam es genervt von Saber. Dieser Protest war Energieverschwendung und ganz sicher nicht hilfreich. „Und wir werden nicht wegen Suzie dahin zitiert, sondern weil wir etwas nicht getan haben, wozu wir verpflichtet gewesen wären, “ erklärte er dann nüchtern. „Wir sind verpflichtet dazu Verräter und Mörder zu beschützen? Wow, ich wusste nicht, dass ich meinen Job so weit verfehlt hab, “ staunte Colt unabbringbar von seinem Standpunkt. „Ihr hättet sie nicht beschützen sollen, sondern dafür sorgen, dass sie der Justiz vorgeführt wird, “ korrigierte Eagle ihn. „Das wäre ja wohl in dem Fall fast das gleiche, “ schnappte der Lockenkopf schwer verstimmt. Das hätte bedeutet, einzugreifen, als auf Suzie geschossen worden war. Das war Schutz und dies wiederum hätte dafür gesorgt, dass sie in Haft genommen und vor einen Richter geführt werden konnte. Das eine zog das andere mit sich. „Hast du davon schon was nach draußen gelassen, oder warnst du uns grad offiziell vor?“ lotete Fireball die Schonfrist aus. Eagle fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Das Ganze gefiel ihm so überhaupt nicht. Gerade weil er sicher war, was in der Tankstelle passiert war, wollte er sie nicht vor einen Untersuchungsausschuss zerren. Doch gerade weil er Commander war, musste er es tun. „Ich informiere euch, bevor ich es melden muss. Als Oberbefehlshaber darf ich das nicht untergehen lassen, “ antwortete er. Es klang ein wenig nach einer Entschuldigung. „Uns bleibt also noch Zeit, uns gute Ausreden einfallen zu lassen“, bemerkte der Recke. „Erklärungen wären besser. Laut den Statuten wird diese Angelegenheit unter Starsheriffs geklärt werden, “ erläuterte Eagle. „Unter Star Sheriffs. Also in Sabers Fall von Captain zu Captain und in Colts und meinem Fall von Aushilfe zu Aushilfe, “ packte der Pilot den Galgenhumor aus. Das war zumindest besser, als Colts Rage, wenn auch genauso wenig dienlich. „Ich kann grad nur eine Universalerklärung abgeben, aber für diese Angelegenheit ist die nicht ausreichend“, fügte er dann auf das Problem bezogen hinzu. „Ihr werdet das hochrangigen Starsheriffs erklären müssen. Die haben alle Kampferfahrung und das entsprechend länger als ihr, “ führte der Commander ihnen vage vor Augen, was sie zu erwarten hatten. „Ist ja auch keine große Kunst! Die sind alle mindestens zehn Jahre älter, “ brummte der Scharfschütze. „Mindestens,“ bestätigte Eagle. „Also lasst euch gute Antworten einfallen. Vielleicht haben sie vergessen, wie es ihnen in eurem Alter ging.“ – „Die haben in unserem Alter noch die Schulbank gedrückt, so schaut es aus!“ grollte Colt ziemlich wütend. „Es schaut so aus, dass sie euch auch für ein bis drei Jahre ins Gefängnis bringen können.“ Energisch stützte Eagle sich auf der Tischplatte ab und erhob sich. Besser konnte er den Kuhhirten nicht zur Räson bringen. Als er sich abwandte und zum Fenster ging, hörte er alle drei schlucken. „Ich hätte euch zurück rufen sollen“, murmelte er. Er ahnte, was sie jetzt dachten. Fireball zählte zusammen, welche Ereignisse im Leben seiner Tochter er verpassen würde. Den ersten Zahn, das erste Wort, die ersten Schritte, vielleicht sogar die Geburt. Colts Hochzeit mit Robin würde sich noch weiter hinaus schieben und Sabers Ehe mit der Hebamme läge in dieser Zeit auf Eis. „Sie wissen, dass es dafür zu spät ist, Commander. Und Sie wissen auch, dass ohne uns das Alkalit an die Outrider gefallen wäre,“ entgegnete der Schotte sachlich, aber die Vorstellung, seine Frau nur zu den Besuchszeiten sehen zu dürfen, gefiel ihm überhaupt nicht. „Der Fall war von Anfang an viel zu persönlich“, ließ sich Eagle nun vernehmen und drehte sich zu Saber um. „Nicht wahr?“ Bedauernd glitt sein Blick über das Trio. „Und ich werde euch kaum eine Hilfe sein. Die Sache ist es nämlich immer noch.“ Der Schotte zog es vor das Thema Persönlich zu umgehen. „Was wird denn als Milderungsgrund angesehen, Commander?“ wollte er stattdessen wissen. Der hob die Schultern. „Vielleicht April?“ Er schaute auf Fireball. „Vielleicht eine Verlobte.“ Sein Blick wanderte zu Colt. „Oder eine Ehefrau.“ Jetzt sah er den Recken an. „Das kann euch helfen, oder euch das Genick brechen“, informierte er. „Wir haben gute Freunde verloren, mehr als einen“, gab der Pilot zu bedenken. „Ihr könnt noch mehr verlieren“, erinnerte der Commander, kam aber nicht weiter. Das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Kurz hörte er dem Anrufer zu, dann nickte er den Jungs zu, die daraufhin das Zimmer verließen. Der Commander musste ungestört reden können. Es klang so, als wäre der Buschfunk schneller gewesen, als sein Bericht. Betreten ließen die drei die Köpfe hängen, als sie die Tür hinter sich schlossen. Jeder von ihnen versuchte, für sich zu fassen, zu begreifen, was Eagles Worte bedeuteten, was sie getan hatten, oder eben nicht. Keiner sprach ein Wort. Keiner schaute den anderen an, aber unbewusst trotten sie im Gleichschritt zum Fahrstuhl, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Im Lift wandten sie sich unbewusst von einander ab, drehte sich die Rückseite zu und starrten auf die Kabinenwand. Genauso schweigsam und vor sich hinbrütend traten sie auch wieder heraus und durchquerten den Eingangsbereich. „Wann werdet ihr hingerichtet?“ Hätte die Hebamme sich nicht bemerkbar gemacht, wäre das Trio an ihr vorbeigelaufen. Sie hockte in einem der Sessel im Empfangsbereich und hatte einmal mehr auf den Köpfen der drei gelesen, obwohl es aus den Gesichtern genauso einfach gewesen wäre. „Die Henkersmahlzeit kriegen wir noch“, brummte Fireball düster. Dass die drei sich ihrem Ende wähnten, entging ihr nicht. Irgendetwas schien demnächst Exitus zu gehen, doch ihr Leben war es schon mal ganz sicher nicht. Nur ihr Berufsleben, las sie weiter und stutzte: „Ich kann es mir kaum vorstellen, aber was habt ihr verbrochen?“ – „Wir haben dem Richter vorweggegriffen, indem wir nichts getan haben“, grummelte Colt noch immer verstimmt. „Verstehe. Suzie. Schimpft sich das nicht unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge?“ versuchte sie das Puzzel zusammen zusetzen. „Ja“, antwortete Saber einsilbig. Seine Frau war eben im Begriff aufzustehen, setzte sich aber sofort wieder. Wortkarge Auskünfte von ihrem Mann deuteten auf das denkbar schlimmste hin. „Was blüht euch im unangenehmsten Fall?“ fragte sie von einem zum andern sehend. „Gesiebte Luft.“ Auweia, auch Colt war kurzangebunden. Da wusste sie doch genau, was mit den drei Herren da los war. Sie fixierte ihren Gatten. „Wie lang?“ wollte sie wissen. „Eine Minute wäre schon zu lang, wenn du mich fragst, “ bemerkte Fireball und unterstrich damit, was sie in ihm schon gelesen hatte. Noch immer starrte sie Saber an. „Wie lang?“ wiederholte sie ungeduldig. „Im besten Fall gar nicht“, entgegnete der. Na super, auch noch ausweichende Statements. Die Sache war offensichtlich noch übler als sie erst gedacht hatte. „Das hab ich nicht gefragt. Wie lange im schlimmsten Fall? Fünf Jahre? Zehn? Fünfzehn?“ Das Beben in ihrer Stimme konnte sie nicht unterdrücken. Aufregung machte sich in ihr breit und solange sie keine Information bekam, mit der sie etwas anfangen konnte, würde es noch schlimmer werden. „Beruhige dich bitte“, murmelte der Recke gedrückt. „Drei.“ An diesem Wort wäre er fast erstickt. Jetzt schoss sie hoch. „Drei? Das mach ich nicht mit, “ rief sie aus. Das kam ja gar nicht in Frage, dass sie jemand von ihrem Manapi trennte. Das schluckte hart. „Noch kannst du die Ehe annullieren lassen“, wurde sie erinnert. „Bitte?“ Diese Auskunft kam in ihrem Kopf nicht wirklich an. Gedanklich ratterte sie schon eine Liste von Leuten durch den Kopf, die sie um Hilfe bitten könnte. „Du hast gesagt, dass du das nicht mitmachst. Das kann ich verstehen, Jolene, “ entgegnete der Recke. Wieder hatte sie nur halb zu gehört. „Gut.“ Genaugenommen wusste sie gar nicht, wovon er da sprach. „Dann ab nach Hause“, entschied sie. Du lieber Himmel, sie kannte so viele Leute, da musste doch einer dabei sein, der wen kannte, der wieder wen kannte, der ... Wo war ein Telefon? Auch Fireball wollte fort. „Ich wünsch euch was. Werde dann mal meiner Süßen einen Vorgeschmack auf die nächsten Jahre geben, “ verabschiedete er sich. „Also gehst du nicht heim oder was?“ hakte der Scharfschütze nach. „Hab ich noch nicht vor.“ Das hieß ganz klar, dass er noch ein paar Momente brauchte, um manche Sachen wieder zu schlucken. Dann fehlte ihm noch die Idee, wie er es April beibrachte. „Okay“, verstand Colt. Das dürfte schwierig werden. „Klingel aber bitte heut Abend mal durch. Oder die Tage, damit wir dass noch mal durchsprechen können.“ – „Sollten wir fast.“ Der Rennfahrer trollte sich. „Eben.“ Damit war auch der Cowboy weg. Die Hebamme begann zu drängeln. „Kommst du?“ Saber hatte Mühe, das eben erlebte zu verdauen. War da Colt einfach nur besorgt gewesen ohne übermäßig zu glucken? So wie ein normaler Mensch eben? „Äh, ja, “ murmelte er zerstreut und setzte sich in Bewegung. „Ich frag mich echt, wie die beiden das ihren Holden erklären wollen?“ äußerte Chily ihre Gedanken. „Colt wird Robin an der Haustür schon damit überfallen, da bin ich mir ganz sicher“, behauptete der Schotte und lag damit ziemlich sicher. „Und Fireball wird es April beichten, wenn sie schon im Halbschlaf ist“, setzte seine Angetraute die Überlegung fort. Dann fiel ihr ein Name ein und sie drängte zu noch mehr heim. "Sehen wir zu, dass wir auch nach Hause kommen. Mir ist da ein Anwalt eingefallen, denn ich anrufen sollte.“ Jetzt schrillten bei Saber die Alarmglocken. Sie hatte also wirklich vor die Ehe annullieren zu lassen. Kein Urteil konnte so hart sein wie das. „Ein Familienrechtler?“ hakte er ahnungsvoll nach. „Hä?“ Sie blieb stehen und schaute ihn verwundert an. Wie er darauf kam, verstand sie gerade kein bisschen. Was wollte sie denn mit einem Anwalt für Familienrecht? „Kein Scheidungsanwalt?“ fragte er seinerseits auch irritiert. „Wovon um alles in der Welt sprichst du?“ machte sie ihrer Verständnislosigkeit Luft. „Okay.“ Saber dehnte dieses Wort. „Wir haben grad aneinander vorbei geredet.“ Das stand fest. Er griff nach ihrer Hand und wollte sie aus dem Gebäude führen und so hoffentlich das Missverständnis abhaken, aber sie rührte sich nicht. Ihre linke Braue zuckte nach oben. „Was hattest du denn diesmal für eine Wahnvorstellung?“ wollte sie wissen. „Keine“, behauptete er mit unschuldigem Blick, aber so wie sie ihn anschaute, konnte er diesen Versuch vergessen. Das würde nichts bringen. „Du hast gesagt, dass du das nicht mitmachen würdest, wenn ich mir mit Colt und Fire eine Zelle teilen werde“, erklärte er dann. „Oh, du bist so ein Idiot.“ Das war ja kaum zum Aushalten. Sie boxte ihm frustriert auf den Oberarm. „Ich meinte, ich mache nicht mit, dass sie uns drei Jahre lang trennen. Nicht, wenn ich was dagegen tun kann, “ stellte sie richtig. „Aua.“ Er rieb sich den Oberarm. „Tu nicht so weich“, schalt sie gleich darauf. „Bist selber Schuld. Was hast du auch immer Zweifel? Muss ich sie dir eben ausprügeln, damit du kapierst, dass uns nur der Tod wirklich trennen kann.“ Das war ja zum verrückt werden mit ihm. „Das beruhigt mich jetzt ungemein, Schatz.“ Aber er lächelte sacht. Das war die etwas schmerzhafte, unbeholfene Art seiner Frau ihn für diesen Punkt zu tadeln und tatsächlich konnte er es ein bisschen verstehen. Und der Schmollmund, den sie dabei stets zog, heiterte ihn doch immer wieder auf. „Wirst du das denn nie lernen?“ fragte sie unglücklich. „Man lernt niemals aus, Aiyana“, beruhigte er sie. „und ich bin immer noch dabei zu lernen, wie du tickst.“ Versöhnlich legte er ihr den Arm um die Schulter und beide traten endgültig den Heimweg an. „Was ist so schwer daran?“ wollte sie dabei wissen. „Ich ticke genauso wie du, nur andersrum.“ Er schüttelte leicht den Kopf und hauchte ihr schmunzelnd einen Kuss aufs Haar. Was Colt mit nach Hause brachte, war mehr Frust als Wut. Robin hatte gerade die Tür geöffnete, da brachte er dies auch gleich zum Ausdruck. Mit mehreren Unterbrechungen, damit sein Redeschwall sie nicht fortspülte, fand sie heraus, was in Eagles Büro gesprochen worden war und bekam eine Ahnung davon, was auf sie alle zu kam. Sie kam nicht um hin, das Gefühl zu haben, alle Welt sei dagegen, dass sie und Colt heirateten. Irgendetwas schien ständig wie ein Damoklesschwert über dieser Hochzeit zu schweben und in einer gewissen Ohnmacht konnte sie nur fühlen, dass dies nicht fair war. Dass Colt sie liebevoll in die Arme zog und ihre Nähe suchte, war ein wenig tröstlich. Es war ein Halt, für sie beide, und gab ihnen Kraft daran zu glauben, dass alles gut werden würde. Etwas von dieser Zuversicht hätte auch Fireball gebrauchen können, doch er hatte sie nicht. Er konnte nur in den düstersten Farben sehen, dass er die ersten drei Jahre seiner Tochter verpassen würde, dass er auf Aprils Liebe, ihre Gegenwart, ihre wunderschönen blauen Augen verzichten musste. Was für eine Farbe wohl die Augen seiner Charlene haben würden? Er würde es nicht sehen. Verdammt! Und das alles nur, weil er einen Moment zu lange gezögert hatte, wie seine Freunde auch. Einen Augenblick zu lang hatten sie sich der Empfindung hingegeben, dass Suzie es verdiene, wenn Jean-Claude ihr den Kopf runter schießen würde. Verdammt noch mal, wieso hatten sie nur? Die Antwort auf diese Frage fand er nicht auf der Rennstrecke, nicht auf den Straßen der Stadt und nicht am Boden des Bierglases, dem fünften oder sechsten davon. Dann musste er wohl heim. Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr. April schlief ganz sicher schon, dann konnte er ja rückwärts ins Schlafzimmer schleichen, wie Colt ihm mal geraten hatte. Rückwärts, für den Fall sie würde aufwachen. Dann konnte er ihr erzählen, er müsse nur eben auf die Toilette. Ob das was brachte? Zumindest wankte er erst einmal vom Aufzug zur Wohnungstür. Das letzte Bier war schlecht gewesen, oder auch der letzte Schnaps. Jetzt hopste auch noch das Schlüsselloch immer dann weg, wenn er den Schlüssel hinein schieben wollte. Verdammt, er würde sie doch nicht aus dem Bett klingeln müssen? Dann konnte er auch gleich sein Testament machen. Aber zu Gunsten von Charlene, wenn schon sonst nicht mehr die Möglichkeit hatte, etwas für sie zu tun. Man, diese blöde Tür … Die Tür öffnete sich. „Kann ich helfen?“ Die nicht allzu freundliche Stimme gehörte zu dem bezaubernden Gesicht seiner nicht allzu freundlich gestimmten Freundin. Auweia. „Hey“, räusperte er sich verlegen. „Eigentlich wollte ich dich nicht wecken, Süße“, erklärte er mit entschuldigendem Blick. „Es war etwas unbequem auf dem Sofa, da war es mit schlafen nicht so gut, “ entgegnete sie, hielt sich die Nase zu und trat zwei Schritte zurück. „Wo kommst du her?“ fragte sie dann, obwohl der Geruch eigentlich eine deutliche Sprache sprach. „Von draußen?“ gab er unschuldig zurück und trat ein. „Wieso hast du auf der Couch geschlafen, Süße?“ wollte er dann wissen. Das konnte in ihrem Zustand doch keine gute Idee sein. Sie wich noch ein wenig weiter zurück. „Ich hab auf dich gewartet. Du wolltest nur kurz zu Daddy und jetzt stinkst du wie eine Hafenkneipe. Eklig.“ Das war es wirklich. Unter normalen Umständen vertrug sie es schon kaum, wenn er so roch. Jetzt in der Schwangerschaft war es schier unerträglich. Er murmelte eine Entschuldigung und trollte sich ins Bad. Sie hörte die Dusche und wartete, die Arme vor der Brust verschränkt, an der gegenüberliegenden Wand lehnend bis er wieder heraus kam. Mit dem Handtuch um die Hüfte tapste er, jetzt etwas sicherer auf sie zu und hielt ihr seinen nassen Schopf unter die Nase. „Ist so besser, Schatz?“ Nasse kalte Strähnen kitzelten an ihrer Nase und rochen herb nach Kräutern. Ein angenehmer Geruch, dennoch verzog sie das Gesicht. „Das allein stimmt mich nicht wieder gut. Wo hast du dich also bis eben herumgetrieben?“ wollte sie wissen. Er trottete in die Küche und kramte sich aus dem Kühlschrank einen Joghurt hervor. „Ich war noch in der Stadt unterwegs“, gab er vage zurück. „So lange? Warum hast du nicht wenigstens angerufen?“ hakte sie nach. Ein wenig wunderte sie sich über sich selbst. Sie hörte sich an wie … Ja, wie? Wie die Mutter eines Kindes, das einen Vater, beziehungsweise die einen Partner brauchte, auf den sie sich verlassen konnte und der eben nicht die Nacht zum Tage machte. „Es war keine Absicht, ehrlich“, murmelte er zurück und schaufelte zügig den Joghurt in sich hinein. „Na, ich will hoffen, dass es keine Angewohnheit wird“, grollte sie und ging verärgert ins Schlafzimmer. Auch wenn er jetzt etwas ernüchtert war, war er schmusebedürftig. Gerade auch deshalb, weil er fürchten musste, dass er auf ihre Wärme lange Zeit verzichten musste. „Süße, bleib da“, rief er ihr nach, ließ den halbgegessen Joghurt auf der Anrichte zurück, ignoriert, dass der Becher umfiel und folgte ihr. „Nicht so schnell. Ich wollte dich wirklich nicht ärgern oder so was. Ich wollte nur nicht, dass du... na, der Tag war einfach nicht besonders, “ klagte er dabei. „Ach, deshalb hast du ihn dir besonders gemacht, “ schnaubte sie und ging weiter. Dabei hatte sie gedacht, er wäre verantwortungsbewusster geworden. Sie hatte eben die Schlafzimmertür erreicht, als sich das Wesen in ihrem Bauch heftig bewegte. Sie fuhr zusammen, hielt sich den Leib an der schmerzenden Stelle und keuchte erschrocken auf. „Süße, was hast du? Fehlt dir was?“ Sofort war der Rennfahrer bei ihr. Seine Stimme war Besorgnis. „Du hast gefehlt“, fauchte sie zurück. „So malträtiert mich deine Tochter schon den ganzen Abend. Ihr haben wohl deine Streicheleinheiten gefehlt, aber du musstest dir ja lieber einen antrinken.“ Den ganzen Abend unruhige, heftige Tritte und Schläge verpasst zu bekommen, hatte ihr sehr zugesetzt. Sie freute sich auf ihr gemeinsames Kind, doch so gegen Ende wurde die Schwangerschaft immer mehr zur Qual. Chily hatte es ihr prophezeit und einmal mehr Recht behalten. Er stützte sie fürsorglich. „Süße, bitte, es“, begann er. „Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns noch zusammen bleibt... Charlene und du, ihr...“ Auch ohne den benebelten Kopf wäre ihm die passende Formulierung nicht eingefallen. Die Blondine war jedoch zu sehr damit beschäftigt, den Schmerz zu verdauen, als dass sie richtig zu hörte. Zudem trat die Kleine in ihrem Bauch noch einmal zu. Jetzt schob April ihn von sich und verzog gequält das Gesicht. „Wir sind wohl nicht so wichtig“, brummte sie und ging gekrümmt weiter. Unglücklich schlich er hinterdrein. „Wichtiger als alles andere“, erklärte er leise. „Hör zu, Süße, und versprich mir, dass du nicht noch wütender wirst. Ich... Es kann sein, dass wir uns lange nicht sehen werden, “ setzte er zur Beichte an. Sie blieb stehen und drehte sich langsam um. „Warum?“ fragte sie und ihr schwante so gar nichts Gutes. „Wir haben Mist gebaut“, gestand er kleinlaut. „Wen meint wir?“ – „Wir eben... Colt, Saber et moi.“ Dabei wies er mit dem Daumen auf sich selbst. „Inwiefern?“ April tastete sich nach dem Bett. Gleich war es besser zu sitzen. Das spürte sie. Sie stieß mit der Wade gegen die Bettkante und ließ sich langsam auf die Matratze sinken. „Wir haben nicht eingegriffen, als Suzies Leben zu Ende ging“, flüsterte er mit hängendem Kopf. Einen Augenblick lang schien sich der Raum zu drehen. April musste sich mit den Händen abstützen, um das Gefühl von Stillstand zu bekommen. „Ihr...? Wie...?“ setzte sie zu den Fragen „Ihr habt was getan?“ und „Wie konntet ihr nur?“ an, brachte sie aber nicht hervor. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Suzie, die Freundin. Suzie, die Verräterin. Was sollte sie denken? Was fühlen? Fireball lehnte sich gegen den Türrahmen. „Was spielt das noch für eine Rolle? Fakt ist, wenn wir Pech haben, sehen wir uns ein Gefängnis von innen an. Für sehr lange Zeit, “ murmelte er bedrückt. Die Mutter seiner Tochter brachte kein Wort hervor. Sie suchte nach Klarheit für sich. Der Rennfahrer stieß sich wieder vom Holz ab und kam zu ihr aufs Bett. Liebevoll nahm er sie in den Arm. „Süße.“ Doch auch ihm wollte kein Wort mehr über die Lippen kommen. Die Ereignisse, die Informationen versuchten beide zu ordnen. Dass sie den anderen dabei spüren konnten, war eine Hilfe dabei, weil es daran erinnerte, warum geschehen war, was geschehen war. Die Zeit schien zum Stillstand gekommen zu sein. Endlos. Dann straffte April ihre Schultern und brachte eine Entscheidung mit aus der Endlosigkeit. „Was ist geschehen? Erzähl es mir, “ bat sie ihn. Das konnten sie gemeinsam durchstehen, was auch immer auf sie zu kommen würde. „Ich kann das nicht, April.“ Unsicher löste er die Umarmung wieder. „Warum nicht?“ Ohne Offenheit würde es schwer werden. „Weil ich selber weiß, dass wir das nicht hätten tun sollen. Und ich will dir die Details lieber ersparen. Es tut dir nicht gut, Süße, “ erwiderte er. Aber weder ihm tat das Schweigen gut, noch ihr seine Verschwiegenheit. „Und was soll ich unserer Tochter erzählen, wenn du dann deswegen tatsächlich nicht da bist?“ fragte sie berechtigterweise und lehnte sich ein wenig zurück. „Schatz.“ Beinahe flehentlich schaute er sie an. „Unterlassung ist im Spiel. Und zwar unsere, “ versuchte er zu erklären. „Unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge, “ nickte sie verstehend. Er nickte auch. „So um die drei Jahre Gefängnis“, erinnerte sie sich an den Teil in der Ausbildung, in der dies Thema war. „Daumen mal Pi“, bestätigte er unbehaglich. „Ist das alles, was du mir dazu zu sagen hast?“ wollte sie wissen und erhob sich seufzend. Charlene drückte auf ihre Blase. Sie musste zur Toilette. „Ich will euch nicht allein lassen müssen“, schniefte er ihr nach. „Ich will dich nicht alleine lassen, Süße.“ Es war fast körperlich zu spüren, dass diese Worte die Wahrheit waren. „Und sonst nichts?“ hakte sie nach. Sie wollte die ganze Geschichte hören, aber er vergrub sich in Betretenheit. Sie schaute über die Schulter zu ihm. Wie sollte sie für ihn da sein, wenn er sie außen vor ließ? „Ich kann grad noch nicht ins Bett.“ Mit hängendem Kopf trotte er an ihr vorbei. „Könnte es daran liegen, dass du mir nicht alles erzählst?“ legte sie den Finger auf den wunden Punkt. „Eher daran, dass sich grad alles drehen anfängt, “ schwindelte er. Ihn dieser Lüge zu überführen, war nicht schwer. Er drehte ihr den Rücken zu, nur deshalb. „Du solltest dir überlegen, was du willst, Fireball“, meinte sie verstimmt. „Ich weiß genau, was ich will, Süße“, gab er zurück und wandte sich halb zu ihr um. „Das ist es ja.“ – „Tatsächlich? Weißt du das?“ bohrte sie. „Ja“, seufzte der Japaner. „Nur leider geht nicht alles so, wie ich es will oder mir wünsche. Ich sollte jetzt wirklich noch mal in die frische Luft.“ Damit drehte er sich um und schritt zur Tür. Die Art, wie er das tat, verriet April, wie mies es ihm dabei ging. „Vielleicht solltest du da bleiben. Da draußen, an der frischen Luft. Charlene und mich gibt es nur mit Wahrheit und Ehrlichkeit, aber beides bist du gerade nicht. Du verschweigst mir nämlich mindestens die Hälfte.“ Der Rennfahrer zuckte richtig zusammen. Was las sie da aus seinem Kopf vor? Wann hatte sie das so perfekt erlernt? Sie war eindeutig zu viel mit Chily zusammen. „Was sollte ich verschweigen?“ stellte er sich dumm. „Ob du wirklich die Hilfeleistung unterlassen hast. und warum? Was ist da passiert, in der Tankstelle?“ bohrte sie unerbittlich und distanziert weiter. Distanziert und damit genau so, wie er es am schlechtesten ertragen konnte. Der Gedanke, räumlich von ihr getrennt zu sein, war schon kaum ertragbar. Aber auch ihr Herz zu verlieren war zu viel. „Ja, hab ich. Jean-Claude hat seine Freundin erschossen und wir sind nicht eingeschritten. Wir haben es geschehen lassen, “ nickte er schließlich ergeben. „Warum nicht?“ fuhr sie mit ihrem Verhör fort, hatte aber weder Vorwurf noch Wertung in ihrer Stimme. Sie wollte es einfach nur wissen und klang auch schon wieder mitfühlender. „Suzie hat uns alle verraten und ausgenutzt, bedroht und sie hat...“ Er hörte sie einen Schritt auf sich zu kommen. „Sie war kaltblütig und herzlos...“ Wieder näherte sie sich ihm. Er sackte mit dem Rücken gegen die Wand und ließ sich daran herunter rutschen. Er fühlte sich schwach und müde. April hockte sich vor ihn. „Was noch?“ wollte sie sacht wissen. „Sie hat meine Familie bedroht“, setzte er an und sie beendete den Satz. „… Mandy getötet. Sie hat es verdient.“ Oh sie steckte wirklich zu oft mit der Hebamme zusammen. Rasch erhob sie sich. Ihr Töchterchen drückte noch immer empfindlich auf die Blase. Sie eilte zur Toilette. Ein unpassender Moment, aber das Malheur wollte sie nicht auch noch. Als sie zurück kam, saß der Rennfahrer noch unverändert am Boden. Vorsichtig zog sie ihn an der Hand auf die Füße. „Was glaubst du, verstehe ich daran nicht?“ setzte sie das Gespräch fort. „Du verstehst es, das weiß ich. Es ist nur... Ich fühl mich deswegen furchtbar. Weil ich nicht da sein werde, “ äußerte er unglücklich seine Gedanken. Sein Blick glitt über sie. Da war sie, die Wärme in ihrem Blick, in ihren schönen blauen Augen, das leichte Lächeln und ihre Liebe. Seine Augen huschten über ihre Gestalt, die fülliger geworden war durch das Wesen in ihrem Bauch. Behutsam legte er die Hände darauf, fuhr streichelnd darüber und schloss sie auf ihrem Rücken zu einer behutsamen Umarmung. Sie erwiderte sie. „Das ist doch noch gar nicht raus“, versuchte sie ihn sanft zu beschwichtigen. „Aber, wenn es doch so kommt? Dann lass ich meine Tochter und mein Herz alleine.“ Beinahe schnürte es ihm die Kehle zu. „Aber beide werden wissen, warum. Nämlich weil du uns beschützen wolltest. Außerdem bist du da, “ flüsterte sie und griff nach seiner Hand. Dann legte sie die Finger auf ihr Herz. Er spürte es schlagen. „Du bist hier“, wisperte sie. Seine andere Hand fuhr ihren Rücken hinauf zum Nacken und zog sie näher zu ihm. Er musste sie einfach küssen und er tat es liebevoll. Diesen Rückenhalt brauchte er um sich sicherer zu fühlen. Sie schmiegte sich an ihn. Die Beule, die an ihrem Bauch eauftauchte, konnte er so fühlen und tastete danach. „Wenigstens weiß die Kleine jetzt schon, wer ihr Papa ist“, murmelte er in den Kuss. „Oh ja, “ nickte die Blondine und wie zur Bestätigung, verschwand die Delle um gleich darauf wieder zu erscheinen. „Lass uns schlafen gehen, Süße,“ schlug er vor. „War ein katastrophaler Tag heute.“ Wieder nickte sie und beide trotteten ausgepowert zum Bett. Charlene schien etwas aufgebracht zu haben. Sie begann sich in im Bauch ihrer Mutter unruhig zu drehen. April seufzte. „Sie gibt keine Ruhe“, klagte sie. „Muss sie von dir haben“, schmunzelte der Rennfahrer schelmisch. „Ich fürchte von uns beiden. Theater macht sie grad für zwei, “ antwortete sie. So würde sie jedenfalls kein Auge zu tun. „Jetzt lass sie schon wissen, dass du da bist“, forderte sie ihren Freund auf, musste es aber kein zweites Mal tun. Sofort kuschelte er sich an sie uns strich sanft über ihren Bauch. „Ich werde da sein, solange ich kann“, raunte er seinem Töchterchen darin zu. Dessen Bewegungen wurden ruhiger. „Denk ja nicht, dass ich dich so einfach weg lasse. Nicht, wenn ich was dagegen tun kann.“ April schloss die Augen. „Das weiß ich doch, Süße.“ Sie fuhr ihm durchs Haar. Es war immer noch nass. „Mein Samurai.“ Mehr erlaubte ihre Müdigkeit nicht zu sagen. Des Tages Hektik forderte ihren Tribut und schickte das Paar rasch ins Reich der Träume. Keine der drei Frauen war auch nur flüchtig auf den Gedanken gekommen ihren Partner zu verurteilen oder ihm Vorwürfe zu machen. Sie waren selbst zu sehr in all dies verstrickt und hatten, ähnlich wie die Männer, unter dem Fall gelitten. Er war an keinem spurlos vorbeigegangen, hatte dafür alle nur noch mehr zusammen geschweißt. Schlaflose Nächte und Alpträume suchten sie immer wieder heim und jeder hatte eine Schulter zum anlehnen, wenn er aus dem Schlaf hoch schreckte. Nicht jedem Tag folgte eine solche Nacht, aber häufiger als sie alle zu erst angenommen hatten und oft genug um zu zeigen, dass es noch einige Zeit brauchen würde um das Geschehene zu verarbeiten. Die Mädchen sparten sich die Mühe ihren Jungs die Hilfe eines Fachmannes vorzuschlagen. Es würde nur Protest, Diskussionen und Streit zur Folge haben und am Ende würde keiner der drei Starrköpfe zu einer solchen Sitzung gehen. Nein, die brauchten ein überzeugenderes Argument als ein „Es wäre das Beste, Schatz“. Im Augenblick stand jedoch die Anhörung um Suzies Ableben im Vordergrund. Alle hatten die schriftlichen Vorladungen am nächsten Morgen im Briefkasten. Das KOK vertrödelte keine Zeit damit. Es hatte einen Ruf zu wahren und musste, für den Fall etwas dringe nach außen, gleich mit einer guten Erklärung aufwarten können. Daher stand auch kein Telefon in den Heimen der Freunde still. Der Termin zum Hearing war recht bald und es galt rasch jemanden zu finden, der ihnen in dieser Angelegenheit helfen konnte. Kurzfristig verabredeten sie sich zum Essen im Hause Rider um erste Pläne zu entwerfen, wie sie das ganze angehen konnten. Deshalb öffnete Saber seinen Freunden gegen Abend die Tür und ließ sie herein. Verwundert registrierten sie Chilys lautstarken und weit neben den richtigen Tönen liegenden Gesang, der aus der Küche durch das ganze Haus hallte. „Sie kräht wie ein verrücktes Huhn“, bemerkte der Rennfahrer. Das Gekrächzte schmerzte in seinem Schädel, der sich wattiert anfühlte. Kopfschüttelnd schauten Saber und Colt ihn an und stellten gleichzeitig klar: „Sie IST ein verrücktes Huhn.“ Dieses trat nun aus der Küche, zog die Kopfhörer runter, stellte die fragwürdige Sangesleistung ein und begrüßte die Freunde. Mit der Friedhofsstimmung unter den Freunden hatte sie gerechnet, aber keine Lust, sich davon schon anstecken zu lassen. Offensichtlich schien ihr Frohsinn zumindest aber nun Colt mitgerissen zu haben. Er legte dem Rennfahrer freundschaftlich den Arm um die Schulter. „Und? Gestern auch gleich heim?“ fragte er scheinheilig, obwohl er wusste, dass dies nicht der Fall gewesen war. Der träge Blick des Gefragten sprach Bände. „So mehr oder weniger, ja“, brummte er verkatert. „Aha, wie der Blitz. Nicht so schnell, dafür im Zickzack, “ stieg die Hebamme auf die Neckerei ein. „Und so irrsinnig früh, “ ergänzte April und grinste leicht. „Hat er wenigstens Brötchen mit gebracht?“ wollte Robin wissen. Die werdende Mutter schüttelte den Kopf. „Da ist die Vernunft schneller den Bach runter, als uns lieb war, was?“ reihte sich auch Saber in den Kreis der Spottdrosseln ein. „Ich hab mich nur selbst an die frische Luft gesetzt, bevor April das getan hätte“, entgegnete Fireball. Zufrieden stellte die Frau des Recken fest, dass die Weltuntergangsstimmung verscheucht war. „Ich an ihrer Stelle hätte dich ja eher in die Garage gesetzt. Ins Auto, Motor laufen lassen, damit du es schön warm hast und nicht vergessen: Tür zu, damit die Wärme nicht rausgeht, “ stichelte sie leicht, damit diese Laune ja nicht zurückkehrte. „Moment, “ kam es gedehnt von April. „Solange ich nicht weiß, wo er seine Lebensversicherung hat, wird nichts dergleichen unternommen, “ erklärte sie, lächelte aber dabei. Sie machten es sich alle im Wohnzimmer bequem. „Wegen meinem ausschweifenden Leben haben wir uns hier doch nicht zusammengefunden, soweit ich mich erinnern kann“, versuchte der Rennfahrer das Thema abzubiegen, worauf Chily den Weg zur Küche einschlug und dabei „Remembering the first time ...“ vor sich hin sang. Mit Snacks beladen kehrte sie zurück. Der Schotte brachte die Getränke. „Au, lecker, endlich was zwischen die Beißerchen.“ Die Jugendfreundin des Scharfschützen hatte das Tablett noch nicht auf den Tisch gestellt, da hatte der sich schon an den Sandwiches vergriffen. „Du bist und bleibst ein Vielfraß“, tadelte Robin leicht. „Jetzt weißt du, wo das Haushaltsgeld hingeflossen ist“, bemerkte April. „Ja, aber ich werde mir doch demnächst eine Anlagemöglichkeit überlegen, bei der ich auf das Geld selbst zurückgreifen kann. In umgesetzter beziehungsweise angesetzter Form nützt es mir wenig, “ schmunzelte sie zurück. „Weise Entscheidung, “ kommentierte der Recke, während er Fireballs Glas, das der in einem Zug geleert hatte, noch einmal füllte. „Ihr habt gehört, was uns vorgeworfen wird?“ leitete der Blonde dann den Grund des Zusammentreffens ein. „Spät nachts, aber ja.“ April griff sich ein Sandwich. „Noch bevor ich die Haustür richtig aufhatte“, antwortete die Lehrerin und nahm einen Schluck Saft. Saber und Chily tauschten einen kurzen Blick. Aha. „Hauptsache, ihr wisst alle Bescheid. Schon Ideen gesammelt, wie wir das Unheil noch abwenden können?“ – „Zumindest hab ich mal rumtelefoniert. Aber in meinem Bekanntenkreis findet sich keiner, der euch bei der Sache vertreten kann, “ erwiderte die Hebamme. „Ich kenne nur Rechtsanwälte, die sich gut mit der StVo auskennen, “ ließ sich Fireball vernehmen. Seine Freundin schüttelte bedauernd den Kopf. Ihre Telefonate waren ebenfalls ergebnislos geblieben. „Ich war bisher immer mein eigener Rechtsanwalt“, nuschelte der Kuhhirte mit vollem Mund. „Das erklärt, warum Pennyrile auf mich überschrieben wurde“, stellte Chily fest und wandte sich an ihren Angetrauten. „Werden die Unterlagen eigentlich erforderlich sein, für die Verhandlung?“ Der hob die Schultern. „Das kann durchaus Thema werden.“ Also musste sie wohl die Akten aus ihrem Versteck hervorkramen. „Ich hätte da jemanden, der uns weiterhelfen kann“, meldet Robin. „Wirklich?“ Der Schotte sah sie überrascht an. „Ja, der Onkel eines Freundes von Josh“, entgegnete sie dem Erstaunten. Colts Augenbraue schoss in die Höhe. Er vergaß von dem Sandwich abzubeißen und blickte verwundert auf seine Zukünftige. „Moment mal. Du kennst einen Rechtsanwalt?“ Was hatte er denn da nicht mitbekommen? „Flüchtig“, wich sie aus und ergänzte dann sachlich. „Woody Steeker. Er war auf einer Militärakademie, hat dort seinen Abschluss gemacht, danach Jura studiert und kümmert sich seither um Militärrecht.“ Der Rennfahrer griff nach seinem Glas und nahm noch einen großen Schluck daraus. „Da spielt uns doch nicht etwa der Zufall in die Hände?“ wollte er danach wissen. „Ich kann dir auch eine Infusion legen“, bot die Hebamme ihm augenzwinkernd an und hakte dann bei Robin nach. „Und, sieht er gut aus?“ April stieß ihrem Freund leicht in die Seite. „Lass mal, das hat er sich verdient“, meinte sie an Chily gewandt. Sie konnte den Japaner zwar verstehen, aber so unbedingt hätte das am Vorabend nun auch wieder nicht sein müssen. Von der Lehrerin wollte sie dann ebenfalls nähere Informationen. „Ja, wie sieht der aus?“ Keiner der Frauen waren dabei die Gesichter der Männer entgangen über welche Eifersucht gehuscht war. „Ganz gut. Groß, sportlich, dunkle Haare, “ informierte die Lehrerin leichthin. „Wow, “ gab Chily sich beeindruckt. „Bin ich auch! Nur mich beschreibt keine so, “ mokierte der Scharfschütze sofort. Nicht nur, dass sie wieder vom Thema abkamen, es ging dabei auch noch um einen Mann, der statt Hilfe zur Konkurrenz für die drei Angeklagten zu werden schien. „Und offensichtlich ist er auch nicht auf den Kopf gefallen. Robin, sag mal, ist der noch Single?“ fuhr seine Jugendfreundin die Stichelei fort. „Kann man sich bei dem noch unverbindlich melden?“ unterstützte April sie darin. „Ja, er ist solo“, ließ Robin sie wissen. „Ist nur die Frage, ob er sich auch mit Kindern auskennt“, grummelte Fireball nun. Das war ja nicht zum aushalten. Planten die etwa schon, von wem sie sich trösten lassen würden, für den Fall, dass die Herren eingesperrt wurden? Voraus zu denken war ja gut, aber das war die falsche Richtung. „Er ist Onkel, also hat er schon etwas Übung. Außerdem ist er so weit ich weiß recht offen, “ lieferte die Lehrerin prompt noch weitere Gründe für Eifersucht. „Können wir wieder aufs eigentliche Thema kommen? Das löst unser Problem vorrangig nicht wirklich, “ meldete Saber um zum ursprünglichen Punkt zurück zu kommen. Auf die Weise kaschierte er für alle anderen sein Unbehagen, aber seine Frau wusste es besser. „Kann er uns helfen?“ wollte der Recke von der Lehrerin wissen. „Uns beiden? Bist du sicher dass du das willst?“ neckte seine Frau wenig hilfreich weiter. „Ich dachte eher daran, dass er Colt, Fireball und mir aus der Klemme hilft“, seufzte er. „Aber wenn ihr ohne uns zu Recht kommt, sollten wir doch auf einen Anwalt verzichten und alles gestehen.“ Okay, da war sie etwas zu weit gegangen. Versöhnlich schmiegte sie sich an ihn. „Wir würden wohl auch ohne euch zu Recht kommen, aber das heißt nicht, dass wir es drauf anlegen“, meinte sie, was der Wahrheit entsprach. „Er kann und er wird. Er ist schon auf dem Weg. Morgen kommt er an, “ antwortete Robin auf Sabers Frage. „Das nenne ich Express, “ zeigte April sich beeindruckt. „Schnell zu sein heißt nicht auch gut zu sein, “ konterte der Scharfschütze achselzuckend. Jetzt musste der Schotte grinsen. „Frag Fireball, Kumpel.“ – „Ja, ex und weg, “ schmunzelte dessen Frau. „Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Waren doch nur zwei Kurze, “ verteidigte der gepisakte Rennfahrer sich lahm. „Jeder isst, was er ist, “ frotzelte der Kuhhirte. „oder trinkt halt.“ Fireball wünschte sich weit weg von den Spötteleien auf seinen brummenden Schädel. Vor allem als seine Freundin auch noch kommentieren musste. „Und die paar Bier dazwischen halt, sonst wärst du ja schon nach zehn Minuten wieder daheim gewesen.“ Augenblicklich schickte der Cowboy noch einen Spruch nach. „Die Schwäche für was kühles Blondes hat er ja.“ – „Kühl?“ knurrte Ramrods Pilot jetzt. „Schon mal in der Antarktis gewesen? Da ist warm im Vergleich dazu.“ So allzu liebevoll hatte die Mutter seiner Tochter ihn schließlich nicht empfangen. „Jetzt sei halt noch beleidigt. Ist ja nicht so, dass ich vor Sorge um dich fast verrückt geworden bin und deine Tochter mich in einem fort getreten hat, “ schnappte die Schwangere heftiger, als man es von ihr gewohnt war und deshalb für jeden klar, dass sie unter dem momentanen Stadium ihrer Umstände litt. Die Geburt rückte näher und damit wurde die Schwangerschaft immer ansträngender. „Ich hab dir gesagt, warum ich das getan hab und ich hab mich dafür entschuldigt, also hör jetzt bitte auf, darauf rumzuhacken.“ Fireball legte das Sandwich, das er sich eben genommen hatte, wieder zurück. Jetzt war ihm der Appetit vergangen. „Wenn du nicht willst, dass ich dir den Gummibauch anlege, bist du mal bitte wieder etwas freundlicher zu ihr“, mahnte die Hebamme ihn. Der Gummibauch war eine bewährte Maßnahme ihren Patientinnen oder auch deren Männern einen Eindruck von der Schwangerschaft zu vermitteln. Vor allem die Herren der Schöpfung taten sich damit oft schwer, weswegen Chily diese gern dieser Prozedur unterzog. „Also, ich für meinen bescheidenen Teil, will den Gummibauch sehen!“ Colts Stichelei wurde jedoch ignoriert. „Entschuldigung. Mir ist nur nicht nach Späßen heute, “ murrte der Rennfahrer. „Sich in Trübsinn zu vergraben, ist aber auch nicht die Lösung. Wenn.“ Chily brach ab. Sie war drauf und dran etwas aus seinem Kopf vorzulesen, was ihm in Gegenwart der anderen sicher unangenehm sein dürfte. Nun winkte sie nur ab. „Vergiss es.“ Sein unfreundliches „Danke“ brachte sie aus der Fassung. „Was hab ich jetzt falsches gesagt?“ wollte sie wissen. Da hatte sie sich extra zurückgehalten und er war beleidigt. Der beste Beweis dafür war, wie er sich einfach an den Recken wandte. „Wir sind jetzt immer noch kein Stück weiter. Außer, dass wir wissen, wann Mr. Right hier ankommt, haben wir keinen blassen Tau davon, wie wir uns schonend verantworten können, “ fasste er zusammen. Jetzt schmollte auch die Hebamme vor sich hin. „Danke für das Gespräch“, grummelte sie und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. „So lange er nicht hier ist, können wir das wohl auch nicht. Er wird wissen, was genau auf uns zu kommt und wie wir uns am besten darauf vorbereiten, “ entgegnete der Blonde und hob die Schultern. „Jedenfalls, wenn er was von seinem Job versteht, “ fügte er hinzu. „Und sonst verlassen wir uns darauf, dass der Richter eine Frau ist und er mit seinem Aussehen bestechen kann, “ kommentierte Colt. „Egal wie, Hauptsache wir sind aus dem Schneider.“ Zu irgendwas musste Mister Perfect ja taugen. „Woody meldet sich morgen, so bald er gelandet ist, “ informierte Robin noch. „Dann sollten wir uns morgen freihalten, “ fasste April zusammen. „Sehe ich auch so. Wieder hier?“ Saber schaute in die Runde. Chily erhob sich und verschwand in der Küche. Fireball stand ebenfalls auf, nachdem er die Frage des Recken mit einem Nicken beantwortet hatte. Es drängte ihn zurück in die eigenen vier Wände, weg von weiteren, durchaus noch möglichen, Sticheleien, die er mit dem verkaterten Hirn nun wirklich kaum vertrug, und weg von der Hebamme, zu der er heute irgendwie auf Kollisionskurs stand, bevor sie zusammen rasselten. „Aber selbstverfreilich. Bei dir ist die Küche so gut.“ Colt lehnte sich behaglich im Sessel zurück. „Und weniger arbeitsaufwändig“, lächelte Robin. Im Hause Rider fühlte sich das Paar nicht nur als Gast willkommen, sondern königlich. „Genau. Wir haben den Saustall nicht in der Küche stehen, “ grinste der Cowboy frech. „Du könntest trotzdem beim Abräumen helfen, “ schlug die Lehrerin vor. April schaute sie erstaunt an. „Das wäre das erste Mal, dass er was im Haushalt macht“, hakte sie nach. „Oh nein, ich hab ihn schon angelernt, “ gab Robin zurück. Tatsächlich ging ihr der Scharfschütze sehr umsichtig im Haushalt zur Hand. „Dann hattest du bessere Methoden als wir“, ließ Saber sich zu einem kleinen Scherz hinreißen. Chily kam mit einem Tablett zurück und begann das Geschirr darauf zu schichten. „Ganz sicher hatte sie die. Oh, und bevor ich es vergesse, wenn der da morgen wieder so angepisst ist, soll er daheim bleiben, “ bemerkte sie beiläufig und wies mit dem Finger auf den Rennfahrer. Dass der seine schlechte Laune , ähnlich wie damals, als April durch die Entführung beinahe das Kind verloren hätte, wieder auf ihr abgeladen hatte, war ihm nicht so richtig aufgefallen. Jetzt, da sie es ansprach, wurde es ihm erst bewusst. „Dann stöber nicht immer in fremden Köpfen rum“, schnappte er mürrisch und nahm die Hand seiner Freundin. „Kannst du dich loseisen, Süße?“ Er musste hier wirklich weg, sonst las die Hebamme womöglich noch laut vor. „Auch gut, dann komm du eben und ich gehe. Ich bin nämlich leider so wie ich bin, “ erklärte diese und kehrte mit dem vollen Tablett in die Küche zurück. Strenge Blicke richteten sich auf den Rennfahrer. „Fireball“ hörte der den Schotten mahnen. April ließ seine Hand los und deutete damit auf die Tür. „Geh, bevor ich dich trete, mein Lieber!“ – „Oder du blaue Augen bekommst.“ Colt erhob sich warnend. „Du kannst auch einen Abstecher in die Küche machen“, meinte Robin kühl. Es konnte für sie alle nicht sein, dass er der Hebamme etwas vorwarf, wofür sie nichts konnte. Da hätte er auch ihre Haarfarbe kritisieren können. Aber die war angeboren. Ebenso ihre Eigenschaft in den Köpfen anderer zu lesen, und das hatte sie nicht mal laut getan, sonst wüssten sie alle, was genau mit dem Piloten los war. Eine Entschuldigung war also fällig. Der sah missmutig auf die kühle Wetterfront in Form und Gestalt seiner Freunde, schnaufte hörbar und trabte der Hebamme hinterdrein. Die räumte in der Küche gerade die Spülmaschine ein und sah nicht auf. „Kann ich helfen?“ fragte er, blieb aber vorsichtshalber in der Tür stehen. An ihrem gesenkten Kopf war nicht zu erkennen wie schwer verstimmt sie war, aber er wusste, was sie im schlimmsten Fall so alles nach ihm werfen konnte. Da brauchte er nur an ihre Auseinandersetzung mit Suzie denken, bei der sie ihr die Harke auf die Brust gesetzt hatte. Nein, an einer ähnlichen Behandlung hatte er kein Interesse. Wirklich nicht. Zumal sie hier nur auf Gabeln oder Messer zurückgreifen konnte. Aber Chily schwieg verbissen und fuhr mit ihrer Abreit fort. Also schwieg auch er, verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen die Anrichte und schaute ihr zu. Sie blieben beide so beharrlich still, dass die Freunde aus dem Wohnzimmer besorgt auf den Flur hinaus schlichen um nach dem Rechten zu lauschen. Sie hielten jedoch einen gesunden Abstand zur Küchentür, damit es nicht so auffiel. Drinnen brach Chily schließlich die Stille. „Wenn du dich nicht entschuldigen willst, geh“, meinte sie und betonte „willst“ und „geh“ besonders. „Ich dachte, ich warte erst mal ab, was noch alles kommt, bevor ich mich entschuldige. Du bist zu Recht sauer, das ist mir schon klar, “ begann er. Sie schloss die Spülmaschine, tippte das Reinigungsprogramm ein und startete sie. „Aber dir ist nicht klar, dass du dir schon wieder unnötige Sorgen machst. Zum ersten, hat noch nicht mal die Verhandlung angefangen, geschweige denn ist ein Urteil gefällt. Zum zweiten, selbst das könnte man noch anfechten. Und drittens, wenn das auch nichts nützen sollte, ist April hier trotzdem nicht allein und heißt das nicht, dass dir die ersten drei Jahre von Charlene völlig verloren gehen. Da kann man nämlich was provisorisch machen, mit Fotos und so. Ich dachte, wir alle wären Freunde und halten zusammen, “ entgegnete sie und hatte unbewusst ziemlich genau das ausgesprochen, was in seinem Kopf so vor sich ging. „Das kann ich aber nicht einfach abstellen, “ seufzte er und begann in der Küche herum zu tigern. Unheimlich war das, wie sie den Treffer versenkt hatte. „Du gehst in meinem Kopf spazieren, als wärst du dort zuhause, wo ich noch nicht mal weiß, was ich eigentlich denke“, bekundete er seinen Unmut. „Was soll ich machen? Das kann ich nun mal nicht abstellen. Aber das, was du am meisten fürchtest, wird ohne hin nicht eintreffen. Wenn du nach den drei Jahren heimkommst, sollte es überhaupt so weit kommen, werden beide da sein. Und bis dahin, werden sie jede Chance nutzen dich zu besuchen. Und wenn sie das nicht können, wirst du mit Fotos, Videos und den ersten selbstgemalten Bildern zu gemüllt ...“ Sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. Sie hatte es schon wieder gemacht. War das denn möglich? Für Fireball war es jedenfalls nicht zum aushalten. Dass sie seine Befürchtungen aussprach, machte es nun wirklich nicht leichter für ihn. Ausgesprochenen Ängsten musste man sich schließlich stellen. Aber nicht hier, nicht jetzt. „Es tut mir leid, Chily. Das weißt du hoffentlich.“ Er durchquerte die Küche. „Ich werde mich morgen zusammenreißen.“ Er wollte eben die Türklinke runter drücken, da hielt sie ihn am Arm fest. „Es tut mir leid. Das wollte ich nicht. Wirklich, “ versicherte sie ihm hilflos. Er befreite sich rasch. „Schon gut. Wir sehen uns ja morgen.“ Damit war er aus der Küche raus. Dass ihm im Flur niemand begegnete, lag daran, dass sich die Lauscherschaft vorsichtigerweise wieder ins Wohnzimmer zurückgezogen hatte, als sie Geräusche an der Tür vernommen hatte. Das unglücklich gerufene „Manapi“ holte sie nun zurück. „Das ist nicht gut gelaufen, wenn du mich fragst, Schatz“, raunte Colt Robin zu. Saber war mit wenigen Schritten in der Küche. „Jolene...“ Kaum hatte er sie betreten, warf sich seine Frau an seine Brust. „Ich bin so doof“, klagte sie bekümmert. „Weshalb denn?“ Zärtlich nahm er sie in die Arme und streichelte ihren Rücken. Bei dem Anblick reichte es dem Rennfahrer endgültig. Da hatte er ja was angestellt. „Ich fahr schon mal nachhause, Süße. Wenn du willst, kannst du noch bleiben. Colt fährt dich sicher gerne, “ rief er April zu und trollte sich. An der Brust ihres Mannes schniefte Chily trocken. „April? Geh mit Fire, “ wies sie die Schwangere an. „und sei ja lieb zu ihm.“ Er brauchte sie jetzt. Die Navigatorin nickte verwirrt. „Hey, Turbo, warte auf mich.“ Damit war sie ihrem Freund gefolgt und fragte sich, was da wieder zwischen den beiden los gewesen war. In der Küche schmiegte sich die Hebamme beinahe schon in den Recken hinein. „Ich doofes Huhn ich, “ jammerte sie. Sie konnte nicht fassen, dass sie zweimal nach einander so dermaßen tief in einen Fettnapf getreten war. Saber liebkoste sie unentwegt, konnte aber mit ihren Sätzen nicht wirklich etwas anfangen. „Was hast du denn gemacht? Oder soll ich lieber fragen, was Fire verbrochen hat?“ wollte er deshalb wissen. „Ich. Ich war es. Ich les in seinem Kopf – mal wieder. Er sagt, es ist ihm ganz unheimlich, weil ich vorlese, was er nicht mal denken will. Und was mach ich? Les glatt noch mal noch mehr davon vor. Kein Wunder tritt er die Flucht an. Warum kann ich nicht einfach meine Klappe halten?“ sprudelte es aus ihr heraus. „Moment, jetzt noch mal auf Anfang, Jolene.“ Das war etwas viel auf einmal. Saber hob ihr Kinn und blickte sie aufmerksam an „Was hast du ihm denn gesagt?“ – „Na, wovor er Angst hat“, entgegnete sie ungeduldig. „Das kann ich ihm auch sagen, ohne in seinem verstaubten Stübchen zu lesen. Sieht man ihm doch an, “ warf der Kuhhirte dazwischen. „Wir gehen Colt, “ entschied Robin und zog ihn zur Garderobe in der Diele. „Was denn?“ Das ganze Theater musste ihm mal einer erklären und die Lehrerin tat es, als sie die Haustür hinter sich geschlossen hatten und Winterkälte sie umfing. Der einzige, der der Hebamme gerade helfen konnte, war Saber und ganz sicher nicht ein begriffsstutziger Cowboy mit losem Mundwerk. Der Recke schüttelte ungläubig den Kopf. „Hat ihm das sauer aufgestoßen? Nur das?“ So recht konnte er das nicht nachvollziehen. Inzwischen war er es so sehr gewöhnt, dass sie in seinem Kopf ein und ausging, dass es für ihn schon vollkommen normal war. „Schon vergessen wie es dir früher ging?“ erinnerte sie ihn leicht vorwurfsvoll. „Wenn ich dich in die Flucht schlagen wollte, ging das damit ganz leicht. Nur, so wie damals, wollt ich das grad auch gar nicht.“ Er drückte sie wieder liebevoll an sich. „Fireball kriegt sich schon wieder ein, Jolene. Lass ihn noch mal eine Nacht drüber schlafen und morgen ist wieder alles wie vorher, ganz sicher, “ versuchte er seine Angetraute zu trösten. „Nicht, wenn ich ihm wieder alles vorlese, was er nicht sagen will. Ich sollte morgen wirklich aus dem Haus sein, wenn sie kommen, “ zog sie ernsthaft in Erwägung. „Jolene, bitte. Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus, versprochen.“ Er presste sie noch etwas fester an sich. In Moment brauchte er ihre Gegenwart mehr als alles andere, da konnte sie doch nicht einfach aus dem Haus gehen. „Wenn du noch etwas fester drückst, werd ich das nicht miterleben“, röchelte sie, weil er sie unbeabsichtigt haltsuchend fest an sich gedrückt hatte. „Entschuldige, Schatz.“ Sofort löste er die Umklammerung leicht. „Stöber doch morgen in Colts oder in meinem Kopf herum, wenn du in einem lesen willst“, riet er ihr. Den Tipp meinte er zwar gut und ehrlich, aber er übersah dabei etwas. Sie ließ die Schultern hängen. „Ich wollte ihn doch nur beruhigen, wo er vor Sorge schon ganz irre ist. Man, aber ich kann nicht nichts sagen, wenn ich weiß, was mit jemandem nicht stimmt und ich kann nicht kontrollieren, in wessen Kopf ich rummarschiere,“ seufzte sie. Er strich ihr übers Haar und hauchte einen Kuss darauf. „Er weiß, dass du es nicht mit Absicht getan hast, ganz bestimmt. Ach, Jolene. Fireball kann weder seine Gefühle besonders gut kontrollieren, noch seine Gedanken. Nimm es ihm nicht übel. Er tut das bestimmt auch nicht, “ meinte er beruhigend, fragte sich aber im Stillen, was Chily da mit „etwas stimmt nicht“ meinte. Sie fuhr von ihm zurück wie von der Tarantel gestochen. „Ich sollte wirklich meine Klappe halten“, stellte sie alarmiert fest. Verwundert schaute der Recke sie an. „Wieso?“ Was hatte sie denn? In seinem Kopf war sie gewesen. „Na, weil ich dich jetzt auch noch beunruhige“, entgegnete sie. Er zog sie wieder an sich und erklärte schmunzelnd. „Mich darfst du beunruhigen. Ich bin dein Mann.“ – „Ja, aber das wäre unnötig. Ich hab mich nur falsch ausgedrückt. Ich meinte, ich merke, wenn jemand sich um irgendetwas Gedanken und Sorgen macht, so wir das gerade alle tun, “ korrigierte sie die Missdeutung. „Das ist allerdings richtig. Wir haben alle grad den Kopf voll mit Sorgen und Ängsten. Keiner macht da eine Ausnahme, “ stimmte er ihr zu. „Eben.“ Es wurde höchste Zeit diese bedrückenden Gedanken zu verscheuchen. „Kann ich dich etwas von deinen ablenken?“ fragte sie unschuldig und hauchte ihm einen leichten Kuss auf seine Lippen. „Gerne“, erwiderte er, auch die Zärtlichkeit. Unter ihren liebevollen Händen konnte er alles vergessen. Sehr viel anders ging es ihr nicht. Sie liebte es ihm Liebkosungen zu schenken. Beide genossen es, den anderen zu spüren, zu schmecken, dessen Duft zu atmen. Das war der Grund, warum ihre Küsse stürmischer wurden, von seinem Mund über den Kiefer zum Hals und von dort zum Ohr wanderten um dieses sanft anzuknabbern. Aber dann löste sie sich von ihm „Das reicht hoffentlich.“ Es hatte gereicht um ihn auf andere Gedanken zu bringen, aber diese wollte er nun auch in die Tat umsetzen. „Nein, absolut nicht.“ Er hielt sie fest und drückte ihr einen feurigen Kuss auf die Lippen. „Muss aber“, murmelte sie beharrend, konnte dies aber nicht entsprechend betonen, sondern antwortete mit weiteren Streicheleinheiten. Es war so schwer sich gegen ihn zu sträuben. „Muss es nicht. Hier hab ich das Sagen.“ Damit presste er sie an sich und hob sie auf die Anrichte. „Seit wann?“ kicherte sie. „Lies in meinen Gedanken, dann weißt du es.“ Zielstrebig glitten seine Hände unter ihr Shirt und hinauf zu ihrem BH-Verschluss. Mit Fingern, die eindeutig nicht ihrem Kopf gehorchten, knöpfte sie sein Hemd auf. „Du hättest mal den Kalender lesen sollen, Schatz“, raunte sie ihm zu. „Den kenn ich schon“, behauptete er, obwohl er keine Ahnung hatte, was sie damit meinte. Dafür entfernte er ihr Oberteil unverzüglich von ihrem Körper. Okay, sie musste ihn warnen. „Offensichtlich nicht, oder bist du neuerdings Pirat.“ Der Hinweis kam in seinem Kopf an. „Das ist jetzt nicht wahr, oder?“ Er fuhr von ihr zurück so weit es ihre Arme erlaubten. „Ich fürchte schon“, gestand sie kleinlaut. „Auch das noch...“ Was konnte denn noch alles daneben gehen? „Manapi, denkst du wirklich, ich lass dich so im Regen stehen?“ fragte sie und lächelte vieldeutig. „Ich hoffe stark, dass du mir einen Regenschirm reichst.“ Das hoffte er wirklich. Sie antwortete nicht. Stattdessen rutschte sie von der Anrichte hinab und schenkte ihm leidenschaftliche Küsse. Ihre Hände gehorchten ihrem Kopf, als sie über seinen Oberkörper fuhren und ihre Lippen langsam folgten. Zu Hause angekommen, zog Fireball sich augenblicklich in das künftige Kinderzimmer zurück. Er betrachtete die Tapete, sorgfältig von April und der Hebamme gestaltet. Sein Blick schweifte über den aufgemalten Himmel zu der Ecke, in der das Bettchen stand, dass er mit Saber zusammen gebaut und über dem er ein Feenmobile angebracht hatte. Die Wickelkommode daneben hatten ebenfalls er und der Recke zusammen montiert. Nein, sie waren nicht allein. Wenn sie Freunde brauchten, waren sofort welche zur Stelle. Mit allem, was Chily gesagt hatte, hatte sie Recht. Das wusste er. Es wäre auch im schlimmsten Fall mindestens eine helfende Hand da. Aber musste es wirklich erst soweit kommen? Er wollte nicht weg. Alles in ihm sträubte sich dagegen. Dass April leise den Raum betreten hatte, merkte er erst, als sie ihm liebevoll die Arme umlegte und sich an seinen Rücken schmiegte. Unhaltbar und urplötzlich rollte eine Träne über seine Wange. Nein, er wollte auf keinen Fall fort von ihr. Aber sie würde da sein, das spürte er auch. Wenn er zurückkäme, wäre sie da. Diese Gewissheit tat gut. Kapitel 20: In the air tonighit (Weihnachtsspecial oder sowas) -------------------------------------------------------------- Da es leider so aussieht, dass ich mit der Geschichte bis Weihnachten noch groß weiter komme, hab ich mich entschieden, dieses Kapitel etwas anders als gedacht zu beenden. Es ist schließlich Weihnachten ... na ja, bald ... und da ich nicht weiß, wann ich dazu komme, euch allen ein Frohes Fest zu wünschen ... lesen *g* Entsprechend der Verabredung am Vortag trudelten nun alle wieder im Hause Rider ein. Die ersten, die ankamen, waren Robin und Colt in Begleitung von Woody Steeker. Wenige Minuten später klingelte das werdende Elternpaar. Saber öffnete und sofort huschte eine durchgefrorene Schwangere in die wohlige Wärme des Hauses. Etwas verlegen folgte ihr Freund. „Ist der Rechtsverdreher auch schon da?“ fragte er. Der Schotte nickte. „Der Tee ist gleich fertig. Oder willst du lieber eine heiße Schokolade?“ bot er dann April an. „Zur süßen Versuchung sag ich nicht nein“, antwortete sie und ging zu den anderen ins Wohnzimmer. „Deine Jolene ist wo?“ erkundigte sich der Rennfahrer vorsichtig. „In der Küche. Wieso fragst du?“ Überrascht schaute er den Rennfahrer an. Was glaubte der, wer den Tee machte? Saber war jegliche Küchenarbeit bei Androhung der Todesstrafe verboten worden. Es gab zwei Bereiche in diesem Haushalt, die uneingeschränkt seiner Frau gehörten, die Küche und die Praxis. Es hatte viele Diskussionen mit ihr über Aufgabenverteilung gegeben. Saber sah nicht ein, warum sie alle anfallenden Arbeiten allein machen sollte, nur weil sie es so gewohnt war. Das Ende vom Lied war, dass es ein Teil seiner Pflichten geworden war die Wäsche zu bügeln. Drei Hemden von ihm hatte daher schon das Zeitliche gesegnet und er musste gestehen, dass ihm diese Arbeit genauso verhasst war, wie ihr. Mit einem unbestimmten „Nur so“ hängte der Japaner seine Jacke an die Garderobe und trotte hinter drein. An der Küchentür blieb er stehen. „Ich komm gleich nach“, rief er dem Schotten hinterher, der im Wohnzimmer verschwand. Etwas unsicher klopfte Fireball an. „Knock knock knocking on heavens door ...” trällerte es zur Antwort. Chily hatte offensichtlich ihren Frohsinn wieder. Trotzdem öffnete er zögernd. „I put my gun to the ground, “ versicherte er zaghaft summend. Friedenspfeife inklusive. „Dann wartet der Himmel eben noch“, bemerkte sie, offensichtlich kein bisschen nachtragend. „Kannst du eine Küchenhilfe gebrauchen?“ Das schlechte Gewissen war ihm im Gesicht gemeißelt. Chily verdrückte ein Grinsen. Das war zu drollig, wie sie befand. Aber wenn er schon so reuevoll vor ihr stand, durfte sie ihn nicht auslachen. „Was wollt ihr zwei denn trinken?“ erkundigte sie sich dann. „April hätte gern eine heiße Schokolade. Ich würde mich mit Früchtetee begnügen, “ antwortete er, unschlüssig, wie er ihr sagen sollte, was er ihr sagen wollte. „War nicht mein Tag, gestern, “ presste er hervor. „Ich weiß, “ entgegnete sie leicht. „Früchtetee ist fertig, wenn du die Winterfrüchtemischung magst. Für heiße Schokolade bitte da die Schokolade holen.“ Dabei wies sie auf die entsprechende Schranktür. Er tat wie ihm aufgetragen. „Hör mal“, setzte er noch einmal an. „So ein Ekel wollt ich wirklich nicht sein, entschuldige.“ – „Ich les so einiges in den Menschen. Unter anderem auch das, “ erwiderte sie und nahm die Milch aus dem Kühlschrank. Die hätte sie jedoch fast fallen lassen, als sie sich wieder zu ihm umdrehte. Fireball hielt einen Weihnachtsstern im Topf hin. „Ich hoffe, du stehst auf den Kitsch und bleibst Aprils Hebamme“, meinte er. Sie brachte nur einen undeutlichen Laut hervor. Sie hatte mit allem gerechnet, aber damit nicht. „Der Weihnachtsstern war also keine gute Idee?“ hakte er verunsichert nach. Fahrig platzierte sie die Milch auf der Arbeitsplatte und warf noch einmal einen Blick auf die Pflanze. „Ich mag sie sehr.“ Sie nahm ihm das Geschenk ab. „Vor allem rot, das ist halt so schön klassisch...“ Langsam verschwand die Überraschung aus ihren Augen und leuchtete Freude darin auf. „Rot, wie der Hitzkopf, der vor dir steht.“ Er wies auf seinen dunkelroten Pullover. „Sollst ja schließlich nicht vergessen, von wem du den hast.“ Dann nahm er sie freundschaftlich in die Arme. „Es tut mir leid“, raunte er an ihre Schulter. „Das weiß ich doch“, gab sie mild zurück und erwiderte die Umarmung. „Mach dir nicht so viele Gedanken und entschuldige, wenn ich deine manchmal ausgrabe. Ist keine Absicht, ehrlich.“ Prompt drückte er sie noch kurz etwas fester an sich. „Es ist nur... April fängt jetzt auch schon damit an, “ erklärte er sich. „Aber, dass ist doch nun wirklich nicht meine Schuld, “ protestierte sie hilflos.“ Schmunzelnd lösten sie sich wieder von einander. „Nein. Aber meine Gedanken sie sind nun mal meine und als solche dazu bestimmt, sie mit niemanden zu teilen,“ seufzte der Sturkopf. „Das hab ich mit Saber auch schon durch. Du gewöhnst dich schon noch dran. Hat er auch. Ich werde mich auch zurück halten. Ist ja doch eher Aprils Aufgabe sich um das zu kümmern, was in deinem Dickkopf so vorgeht.“ Sie stellte den Weihnachtsstern liebevoll auf das Küchenfenster und kümmerte sich um die heiße Schokolade. „Liegt in der Familie“, grinste Fireball. „Soll ich was mitnehmen?“ bot er an. „Na, wenigstens sitzt das Herz am rechten Fleck.“ Einem Impuls folgend drückte sie ihm einen freundschaftlichen Kuss auf den Oberarm. „Das Tablett, wäre lieb. Ich komm gleich mit der Schoki.“ Erleichtert waren beide darüber, dass sie offensichtlich ohne größere Schwierigkeiten aneinander geraten konnten, aber wenigstens versöhnten sie sich genauso problemlos. Was würde er ihr wohl nach dem nächsten Krach schenken? Sie kicherte leise vor sich hin. Mit einem skeptischen Blick auf den Piloten, wollte Saber bei dessen Eintritt ins Wohnzimmer wissen: „Was genau hast du jetzt mit meiner Frau in der Küche gemacht?“ – „Noch mehr Kinder“, stichelte Colt auf diesen Anflug von Eifersucht. Der Schotte hob die Brauen. „Ich hab ihr den Vorschlag gemacht, sich japanische Teetassen anzuschaffen, was den sonst?“ entgegnete der Gefragte und zwinkerte seinem Boss leicht zu. „Aha.“ Was war nur los mit ihm, fragte Saber sich, dass er schon wieder auf solche Ideen kam? „Jedenfalls darf ich dir Woody Steeker vorstellen“, meinte er dann und wies auf den selbigen. Der Rennfahrer stellte das Tablett auf den Tisch und drehte sich in die Richtung, in die gedeutet wurde. Da saß er also vor ihm: Woody Steeker. Er trug die Uniform eines Lieutenants hatte aber leger den obersten Knopf des Kragens offen gelassen. Ein Goldkettchen blinkte an seinem Hals und bildete einen schönen Kontrast zu seinem dunkleren Teint. Seine grünen Augen blitzen geistreich und waren von endlos langen Wimpern umrahmt. Verdammt, der Typ war ein Tom Escuri-Verschnitt und der Schauspieler war als Frauenschwarm berühmt. Konnten wenigstens diese makellosen, schlanken Hände ein Fehler sein? Immerhin bedeuteten sie, dass er sie sich noch nie wirklich schmutzig gemacht hatte. Fireball reichte ihm die Hand. „Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll oder gleich die Flucht ergreifen“, bemerkte er unbehaglich. Hoffentlich zählte April nicht auch zu der Vielzahl der Frauen, die auf diesen Typ Mann standen. Verwundert schaute Steeker ihn an. Was hatte er dem denn getan? Chily kam zu ihnen und drückte sich an dem werdenden Vater vorbei um der Schwangeren die heiße Schokolade zu reichen. „Der steht auf Robin“, raunte sie ihm so leise zu, dass nur er es verstand. Jetzt musste er grinsen. Beruhigend zu wissen. Beunruhigend jedoch für den Schotten. „Habt ihr neuerdings Geheimnisse?“ hakte er bei dieser Szene nach. „Wie kommst du darauf?“ Seine Frau reichte April die Tasse. „Bitte schön, Little Mama“ und hockte sich anschließend nah zu ihm aufs Sofa. Auch der Rennfahrer nahm sich eine Tasse Tee und setzte sich zu der Navigatorin. „Und? Was hab ich verpasst? Außer das Strafmaß?“ wollte er wissen. „Noch nichts, wir sind ja auch erst seit fünf Minuten hier und die haben wir auf euch gewartet“, entgegnete Robin. Colt nickte zustimmend. „Also Rudy“, betitelte er Mr. Right um. „Jetzt darfst du loslegen“, stellte er fest. Der reichte ihm eine Visitenkarte. „Das nächste Mal einfach ablesen“, parierte er unbeeindruckt den Hohn. Die Lehrerin kicherte. Unwillig verzog der Cowboy das Gesicht. So gut war der Konter nun auch wieder nicht gewesen. „Hast du dir denn schon einen Überblick verschafft?“ fragte sie dann. „Ich habe die Unterlagen gestern von Commander Eagle bekommen, samt der Anklageschrift“, antwortete der sachlich. „Was erwartet uns jetzt wirklich?“ wollte der Scharfschütze wissen. Seine Braut war ebenso aufgeregt. „Hast du dir schon einen ersten Eindruck verschaffen können?“ Allen brannte die Ungeduld unter den Nägeln. „Immer mit der Ruhe. Wir sollten ruhig heran gehen. Es steht viel auf dem Spiel, “ mahnte der Anwalt sie. „Das ist wohl wahr, “ nickte Saber. „Worauf sollten wir bei der Anhörung vorbereitet sein?“ Es schien ihm am sinnvollsten, da anzufangen. „Auf alles, um es kurz zu machen. Vor allem auf unangenehme Fragen. Die enge persönliche Bindung zu Suzie DeMartin, Mandarin Yamato und dem Fall im Allgemeinen lässt sie sicherlich auf niedere Beweggründe für eine Unterlassung schließen. Und da ihr alle“ Steeker nickte leicht in Richtung des Rennfahrers. „aus dem strafunfähigen Alter raus seid, wird es schwer werden, dagegen zu argumentieren.“ Der Aufmerksamkeit seiner Hörerschaft gewiss, fuhr er fort. „Da uns der Weg versperrt ist, hab ich mir eine andere Taktik überlegt. Denn sie werden auf euer Alter zu sprechen kommen, ganz bestimmt. Ihr seid durch die Bank noch sehr jung. Wir sollten daraufhin argumentieren und es als Milderungsgrund auslegen, “ schlug er vor und nahm einen Schluck vom Tee. „Wie alt werden die sein?“ fragte April. „Sehr erfahren. Keiner von ihnen ist weit von den fünfzig weg. Wir sollten so viele Pluspunkte wie möglich sammeln.“ Der Scharfschütze lümmelte sich in den Sessel. „Da hätten wir ja noch den ein oder anderen Pluspunkt. So Kleinigkeiten wie Frieden halt. Hätten wir den nicht, wär denen egal gewesen, wie es Suzie erwischt hat, “ brummte er. „Wohl kaum, “ widersprach Steeker. „Der Beraterstab besteht aus fünf Mitgliedern, die allesamt schon oft ähnliche Fälle hatten. Also auch schon während des Krieges. Sie gelten als konservativ, was euch nicht wirklich dienlich sein dürfte. Es geht immerhin um den Vorwurf der vorsätzlichen Unterlassung. Die Unterlassung an sich können wir nun mal nicht anfechten, wohl aber den Vorsatz. Wir müssen diesen Beraterstab davon überzeugen, dass hier ein minder schwerer Fall vorliegt. Dann haben wir die Chance auf eine Bewährungsstrafe und das ist das Beste, auf das wir hoffen können, “ erklärte er und fügte hinzu, als er die betretenen Gesichter sah. „Aber wir haben dennoch ein oder zwei Punkte, an denen wir sie vielleicht gnädig stimmen können.“ – „Welches sind die Punkte?“ hakte Saber nach. „Nun der vorsitzende Colonel ist immerhin verheiratet, auch wenn er keine Kinder hat. Der erste Berater, ein Lieutenant Colonel ebenfalls. Das zweite Mitglied ist ein Major, zwar Single, hat aber einen Sohn aus erster Ehe. Der zweite Major in der Runde ist nicht nur verheiratet, sondern hat eine Tochter und einen Sohn, letzeren im Krieg verloren. Leider haben wir auch einen Lieutenant Colonel, der weder verheiratet ist, noch Kinder hat. Und last but not least.“ Er musste Luft holen. „Wir spekulieren auf Familie, sehe ich das richtig?“ gestatte sich der Rennfahrer eine kleine Zwischenfrage. Der Anwalt nickte. „Das letzte Mitglied in diesem Kreis ist Lieutenant Colonel, getrennt lebend und Mutter einer Tochter, “ ergänzte er dann. „Interessant.“ Colt beugte sich vor und stütze die Ellenbogen auf seinen Knien ab. „Das heißt also, wir haben nicht so ganz Unglück mit dieser Jury“, verstand die werdende Mutter. Wieder nickte Steeker. „Exakt. Sie wissen alle, wie sich Krieg auf die Familie auswirken kann, “ erklärte er und kam zu dem Teil, der den Beklagten sicher nicht gefallen würde. „Ich hab mir diesbezüglich eure Lebensläufe angesehen.“ Verwundert hob Robin die Brauen. „Was haben die damit zu tun?“ Mr. Right deutet auf den Cowboy. „Eltern durch den Krieg verloren.“ Sein Finger wanderte zu Fireball und April. „Jeweils einen Elternteil verloren und bei dir war der Vater entscheidend für den Ausgang der ersten Angriffswellen.“ Der Pilot schluckte. Seine Freundin griff nach seiner Hand. „Also zwei Bonuspunkte und eine ziemlich fiese Erinnerung“, fasste sie nicht sehr glücklich zusammen. „Für gewöhnlich hat der Sohn etwas von seinem Vater“, versuchte Steeker den Rennfahrer aufzubauen und fuhr fort um sich nicht unnötig lange an diesem wunden Punkt aufzuhalten. „Und Sabers Führungszeugnis bisher ist astrein, da findet sich nicht ein kleines Vergehen. Der dritte Bonuspunkt, “ erläuterte er. Während der Rennfahrer die Hand seiner Freundin drückte und mit gesenktem Kopf versuchte, die unangenehme Erinnerung zur Seite zu schieben, verzog der Recke das Gesicht. „Mal abgesehen davon, dass das "Opfer" aus diesem Fall jetzt meine Frau ist“, warf er ein. Das konnte nicht so günstig bei der Verhandlung sein. „Ihr habt erst vor kurzem geheiratet. Solche Erlebnisse schweißen zusammen und erklären eine Blitzhochzeit.“ Zumindest würde Woody Steeker dies bei der Anhörung so hindrehen. Dann schaute er in die Runde und schmunzelte sacht. „Drei junge Männer, alle in festen Händen. Und, wie aus den Aufzeichnungen hervor geht, im Normalfall äußerst professionell. Egal, wie persönlich die Angelegenheit war.“ Das Bild gefiel ihm. Vor diesem Hintergrund standen die Chancen nicht so schlecht. Colt legte Robin einen Arm um die Schulter, damit Mr. Perfect vor ihm ja nicht auf dumme Ideen kam. Der hatte doch etwas zu lange auf die Lehrerin geschaut. Da musste doch gleich mal klar gestellte werden, in wessen festen Händen sie war. „Ja, wir verstehen was von unserm Job“, meinte er dann so leichthin, wie es möglich war. „Meistens jedenfalls“, brummte der Rennfahrer unbehaglich. „Ich hoffe nur, dass die Gegenseite nicht so gut ist, wie Woody, sonst wird es heftig“, bekundete die Braut des Cowboys leichte Zweifel. „Und wenn ich den Herren erklären muss, wie viel Gutes unsere Jungs schon getan haben“, entschied April. „Amen“, stimmte Robin zu. „Amen“, bestätigte auch die Hebamme. So leicht ließen sie das nicht zu. „Hat jemand Hunger?“ fragte sie dann. Es schien der Gastgeberin, als würde sich alles besser besprechen lassen, wenn man ungezwungen am Esstisch saß, als so förmlich bei einer Tasse Tee. „ Dazu habt ihr sicherlich Gelegenheit. Da der Fall sehr emotional war, gehe ich davon aus, dass sie eure Belastbarkeit diesbezüglich auf die Probe stellen werden, “ wandte Steeker sich an die Schwangere. „Oh man, kauft mir eine Zwangsjacke, “ seufzte Chily bei der Ankündigung. Da musste man nicht ihre Intuition haben um vorauszusehen, dass Colt, Fireball und sie selbst mindestens einmal an die Decke gehen würden. „Also, wer will was futtern?“ hakte sie nach, da die erste Frage unbeantwortet geblieben war. „Wie essbar ist es heute?“ fragte Colt zurück und entschied für alle mit Ja. „Das wär dann die erste Prüfung, bei der ich durchrassele“, sagte der Rennfahrer vorher. Seine Belastbarkeit war momentan so etwa bei Null. „Dann geh ich mal in die Küche. Wer will mir helfen? Du Fireball? Das ist aber nett, “ streute Chily ein und schaute auf den Japaner mit einem Blick, der ihm klar machte, dass er am besten einfach nur mitkam. „Zwangsverpflichtet, aber ich tu es gern.“ Damit erhob er sich. „Scheint, als wär ich das geborene Helferlein.“ – „Für mich schon, ich mag japanische Küchenmaschinen“, scherzte die Hebamme und schob ihn zur Tür. „Dann kauf dir ein Sushi-Messer, Chily“, grinste er zurück. „Weihnachten steht ja vor der Tür.“ Damit schubste sie ihn durch die selbige und schloss sie hinter sich. Sie hatte Sabers düstere Miene nicht bemerkt. Ihr war nur aufgefallen, dass der Pilot dringend auf andere Gedanken kommen sollte, weil ihm das aktuelle Gespräch gerade nicht gut tat. Und sie sollte Recht behalten. „Der macht mich schwach, ehrlich“, klagte der werdende Vater, kaum das die zwei in die Küche traten. „Woody Woodpecker?“ fragte sie, obwohl sie es genau wusste und nur um ihm nicht schon wieder das Gefühl zu geben, sie läse in seinem Kopf. „Der Kerl zählt gerade alles auf, wo ich jetzt schon weiß, dass das nur nach hinten losgehen kann“, antwortete der Rennfahrer unglücklich. Tatsächlich hatte Steeker so ziemlich jeden Schwachpunkt angesprochen, den Fireball am liebsten im tiefsten Vulkan versenkt hätte. „Man, die Anhörung wird in die Geschichte eingehen. Ich wette einen Fuffi, dass ich öfter an die Decke gehe als du, “ zog die Hebamme das Thema ins Lächerliche. „Da halt ich dagegen. Du kriegst nicht so viele nette Fragen gestellt, “ stieg Fireball darauf ein. „Jaja.“ Sie hielt ihm die Hand hin. „Schlag ein oder vergiss es“, grinste sie herausfordernd. Er nahm an. „Du kannst deine fünfzig Kröten schon mal gut investieren und für Charlene was kaufen“, schlug er vor. „Wenn ich gewinne, krieg ich das Sushi-Messer, Little Daddy“, versetzte sie und drückte ihm eine paar Möhren in die Hand. „Und jetzt sei ein Mann und fang an, dass Gemüse zu putzen.“ Er drehte und wendete das Gemüse. „Dann lass ich dir eins in Japan machen“, versprach er und fragte unzufrieden im nächsten Moment. „Warum ausgerechnet Karotten?“ Chily hob die Brauen. „Was hast du dagegen? Eine Allergie?“ Er tat nagend und deutete auf seine Schneidezähne. „Sehe ich etwa aus, wie ein Karnickel?“ Sie lachte leicht. „Jetzt irgendwie schon, Hasi.“ Dann nahm sie ihm die verschmähten Rüben wieder ab. „Ach, schäl eben die Kartoffeln und ich lass mir was anderes mit dem Gemüse einfallen.“ Sie öffnete den Kühlschrank und schaute grüblerisch hinein. Zufrieden wandte sich Fireball dem Auftrag zu. „April hat es auch gelernt, dann wirst du das schon auch noch kapieren.“ Beim Essen erklärte Woody ihnen, dass es recht schnell zu einer Verhandlung kommen würde. Vergleichbare Fälle wurden im KOK nicht geduldet. Mitarbeitern, an denen dieserart Vorwürfe hafteten, wurde genauestens auf den Zahn gefühlt. Sie brachten nicht nur den Ruf des Oberkommandos, sondern auch jede Mission, jeden Teamkameraden und jedes, ihnen anvertraute, Menschenleben in Gefahr. Der Vorsitz und sein Beraterstab hatten sich auf solche Fälle spezialisiert und kannten für gewöhnlich kein Mitleid mit den Beschuldigten. Aber Woody war in seinem Bereich absolut kompetent, hielt sich nicht unnötig mit „Hätte“, „Wäre,“ „Wenn“ auf, sondern klopfte die Fakten ab, die es noch galt. So fies die Frage auch war, ob die drei tatsächlich vorsätzlich gehandelt hatte, wie es ihnen vorgeworfen wurde, stellte er sie ihnen. Es war eine Frage auf Ehre und Gewissen und ihre Empörung, so wie alles, was er je über die Besatzung des Friedenswächters gehört hatte, gaben ihm die Sicherheit und die Überzeugung um sie gut vertreten zu können. Als alle wieder gegangen waren und Chily ihre Arbeit in der Küche beendet hatte, fand sie im Wohnzimmer einen verstimmten Ehemann vor. „Was hast du bloß mit Fireball?“ grummelte er sie übellaunig an. „Ich hab ihn lieb“, antwortete sie verwundert. „Er hat eine schwangere Freundin und du einen Mann. Darf ich dich daran noch mal erinnern?“ knurrte der Schotte. „Ja und?“ Was war denn jetzt los? Sie konnte ihm gerade überhaupt nicht folgen. „Wenn ihr schon...“ Er brach ab. Das Bild von dem, was sie mit Fireball in der Küche noch getan haben könnte, das nichts mit Essen kochen zu tun hatte, wollte er sich lieber nicht zu deutlich vorstellen. „dann macht das wenigstens nicht so direkt vor April“, fuhr er fort. Die Vorstellung jedoch, dass der Rennfahrer auch in den Genuss der Dinge gekommen war, die sie sonst nur mit dem Recken machte, behagte dem so gar nicht. Sie klimperte ihn verständnislos an. „Mir drängt sich langsam der Verdacht auf, dass Suzie damals nicht so Unrecht damit hatte, was sie von Fireball und Mandarin gesagt hat“, grollte er eifersüchtig. Vielleicht sollte er doch mal mit April darüber reden. In dem Gesicht seiner Frau wuchs die Verwirrung noch mehr. Was war das für ein Wesen vor ihr? „Der Kleine ist und bleibt ein Rennfahrer," brummte Saber und meinte das negative Klischee dieses Berufes. Jetzt hob die Hebamme die Hand und tat, als telefoniere sie. „Hallo Rider hier. Spreche ich mit der KOK Abteilung unnatürliche Phänomene? Ja? Kommen Sie mal vorbei, es steht eins vor mir.“ Kritisch hob er die Brauen. Machte sie sich auch noch über ihn lustig? „Was denn?“ wollte er wissen. Wie so oft zuckte nun auch ihre linke Braue in die Höhe. Hatte sie eben noch im ganz normalen Ton gesprochen, klang ihre Stimme nun streng. „Das möchte ich von dir gern wissen. Sag mal, bist du sicher, dass du zwischen mir und Sincia unterscheiden kannst?“ schoss sie bissig zurück. „Ja, das kann ich“, parierte er schnippisch. „Und ich hab noch Augen im Kopf, mit denen ich sehen kann, was sich vor mir abspielt.“ Sie warf die Hände in die Luft. „Ach, ja, du siehst mal wieder Gespenster. Wie soll ich denn bitte DAS mit Fire machen, wenn ich meine Tage hab? Mal ganz abgesehen davon, liebt er April mehr als alles und hat vor dir viel zu viel Respekt, als dass er deine Frau anfassen würde. Verdammt, Saber, mach so weiter und du wirst es vor Gevatter Tod schaffen..., “ empörte sie sich. Bei aller Liebe, sein Argwohn war und blieb anstrengend für sie. „Was läuft denn sonst da?“ fuhr er sie ungehalten an. „Gar nichts, Saber. Überhaupt nichts, “ versicherte sie etwas ruhiger. „Wir haben nur eine Wette abgeschlossen, wer von uns beiden bei der Verhandlung öfter durch die Decke schießt. Das ganze macht ihm zu schaffen und ich wollte ihn auf andere Gedanken bringen. Wenigstens konnte er darüber lachen, “ erzählte sie wahrheitsgemäß. „Und mir macht das nicht zu schaffen, oder was glaubst du?“ schnappte er gekränkt. Machte sie sich um jeden anderen mehr Gedanken, als um ihn? „Doch, ich weiß, dass dich das Alles verrückt macht“, entgegnete sie sacht. „Aber wir haben jetzt die Zeit darüber zu reden, wenn du nicht vorhast sie mit Eifersüchteleien zu verschwenden.“ Damit trat sie nah an ihn. „Ich bin doch da, Manapi.“ Sie spürte genau, dass Saber mit der gleichen Verzweiflung auf eine mögliche Haft reagierte, wie sie es bei Fireball und auch bei Colt gefühlt hatte. Nur konnte sie sich mit ihrem Mann in aller Ruhe und ausgiebig dann darüber unterhalten, wenn sie allein waren. Bei dem Piloten war es an die Situation geknüpft gewesen und bei dem Scharfschützen hatte die Eifersucht auf Steeker überwogen. „Wie lange noch? Aiyana, ich..., “ presste Saber mühsam hervor. „Bis du sagst, dass ich wieder gehen soll, “ antwortete sie warm. Warm, wie ihre Arme, die ihn nun innig umschlangen. „Das wird nie passieren. Niemals, “ flüsterte er. „Dann werde ich also immer bei dir sein, “ stellte sie fest und schmiegte sich an ihn. Er umarmte sie ebenfalls und drückte sie an sich. Sie fühlte seine Angst durch die Kraft, mit der er dies tat. „Ein Augenblick, ein winziger Augenblick kann darüber entscheiden, ob ich mit dir für immer glücklich bin.“ Er vergrub seinen Kopf an ihrer Halsbeuge. „Wir haben nur einen winzigen Augenblick lang gezögert, “ schniefte er. „Das war zu lange.“ Vorsichtig dirigierte Chily ihn zum Sofa, bette sich und ihn darauf. So, dass sein Kopf auf ihrer Burst ruhte. Sanft fuhr sie ihm durchs Haar. „Egal, was kommt, es wird nichts daran ändern, dass ich dich liebe“, flüsterte sie und glitt kraulend mit ihren Fingern seinen Nacken entlang. „Erzähl es mir. Erzähl mir alles, “ forderte sie dann und dieser Forderung nach zu kommen, fiel ihm so leicht, wie noch nie zuvor. Nicht weniger eifersüchtig als der Recke, war auch der Scharfschütze. Für seinen Geschmack hatten Robin und Woody sich etwas zu gut verstanden, zu oft über die gleichen Späße gelacht und vor allem sie über ihn nur Gutes zu sagen gewusst. Außerdem hatten sie über „alte Zeiten“ gesprochen und Colt hätte nur zu gern mehr darüber gehört. Offensichtlich hatte auch seine Zukünftige noch den ein oder anderen Verflossenen, von dem der Scharfschütze nichts wusste. Eben betraten die beiden ihr Haus, als der Kuhhirte so beiläufig wie misstrauisch fragte: „Gefällt er dir?“ Robin schaute auf seinen Arm, der er ihr umgelegt hatte um sie durch die Tür zu schieben. Sie begutachtete den nun, strich anerkennend darüber und meinte. „Ja, genauso wie der dazugehörige Rest.“ Wäre Colt nicht so auf Woody Steeker fixiert, wäre ihm aufgefallen, dass sie nicht von der gleichen Person sprachen. Während er von dem leider viel zu gut aussehenden Anwalt redete, dachte sie in dem Moment so gar nicht an diesen. „Besser als einer von uns?“ hakte der Cowboy nun nach. „Der beste“ entgegnete sie überzeugt, wobei sie Saber und Fireball zum Vergleich zog. Das Gesicht des Lockenkopfes verdüsterte sich, wie sie irritiert feststellte. „Stehst du neuerdings auf das Paragraphenreiten?“ brummte er verstimmt. Mr. Right war ja doch so um einige akademische Grade reicher als er selbst. „Neuerdings? Paragraphenreiter?“ Die Lehrerin hatte den Faden verloren. Wann waren sie denn auf Steeker gekommen? „Ähm Colt, “ versuchte sie zerstreut seine Frage zu beantworten. „Woody und ich kennen uns noch von früher, hat sich herausgestellt. Wir waren auf der gleichen Schule.“ – „Und da war er Klassensprecher“, schlussfolgerte der Scharfschütze. „Nein, Schulsprecher“, entgegnete Robin arglos. „Fabelhaft. Ein Alphatierchen.“ Die Feststellung des Lockigen strotzte vor Ironie. „Wenn du so willst. Die Junior-High haben wir jedenfalls zusammen besucht und danach ging er auf die Militärakademie. Wenn ich Joshs Erzählungen glauben darf, dann hat er sie mit Auszeichnung abgeschlossen, “ erzählte sie weiter. Warum Colts Laune allerdings im Keller war, konnte sie nicht nachvollziehen. „Auch noch ein Streber. Ich war nie auf der Milak.“ Der Kuhhirte nahm seinen Arm von ihrer Schulter und half ihr aus der Jacke. Sie konnten ja nicht ewig in Wintermänteln im Eingangsbereich stehen. „Obwohl dir Uniform sicher stehen würde“, grinste sie leicht. „Brauch ich nicht. Ich sehe auch ohne Uniform umwerfend aus, im Gegensatz zu dem Anzugaffen, “ knurrte er darauf und erst jetzt kam seine Zukünftige auf die Idee. „Also, wenn ich es nicht besser wüsste, ich würd behaupten, du bist eifersüchtig. So wie du redest, “ staunte sie überrascht. Das war ja noch nie vorgekommen. Eifersucht war sowohl ein Wort, als auch eine Eigenschaft, die man seither nie mit Colt hatte verbinden können. „Bin ich gar nicht“, behauptete der nun viel zu schnell, als dass es noch zu glauben war. „Aber ich werde nie in den höchsten Tönen gelobt und schon gar nicht von dir, “ schmollte er im nächsten Moment. „Bitte, wie kommst du denn jetzt darauf?“ Jetzt war Robin ganz ausgestiegen. Erst sprachen sie nicht von dem Scharfschützen, sondern von dem Rechtsanwalt und nun ging es auf einmal um die Häufigkeit und Art ihres Zuspruchs. „Über mich hast du noch nie so geschwärmt, wie über den Fuzzi da. Der soll erst mal meinen Job machen und dann kann er vielleicht mitreden, “ motzte der Kuhhirte und stapfte beleidigt ins Wohnzimmer. Robin folgte ihm. Lachend. So ausflippen hatte sie ihn noch nie gesehen. Das war zu komisch, vor allem, weil es scheinbar wegen eines anderen Mannes war, warum auch immer. „Sei doch nicht albern, Colt“, kicherte sie. Er fuhr herum. „Wollte ich albern sein, hätte ich mir die Uniform von Rudolph angezogen!“ protestierte er. Von der ersten Umbenennung auf Rudy war nun das Rentier mit der roten Nase geworden. „Woody und jetzt hör auf, Colt. Das ist ja nicht mehr wahr.“ Das war ja kaum zum aushalten. Sie war ja schon gewohnt, dass er unberechenbar reagierte und in einigen Dingen völlig anders tickte, als die meisten, aber das, was er eben bot, schoss ganz eindeutig den Vogel ab. „Der ist es gewöhnt auf Zuruf zu springen, von da her ist der Name passend!“ Bei seiner Lautstärke zwang Robin sich doch lieber zur Ruhe. „Du lieber Himmel, was regst du dich so auf. Siehst du Woody hier? Nein. Hier sind nur wir beide.“ Schmeichelnd kam sie auf ihn zu. „Der kommt mir auch nicht ins Haus“, bestimmte der Cowboy trotzig. „Was will er auch hier? Er hat ein Hotelzimmer. Jetzt tick wieder aus.“ Sie kuschelte sich an ihn. „Okay?“ Damit war sie dort, wo er sie am liebsten spürte, an seinem Körper. Er legte die Arme um sie und drückte sie noch etwas näher an sich. „Meins!“ stellte er klar. Sie stellte sich leicht auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „So lange wir jetzt nicht mehr über Woody reden“, murmelte sie, ehe sie ihm noch einen gab. Er erwidert beide. „Der Name ist in diesem Haus verboten“, ordnete er dazwischen an. „Ab jetzt.“ Sie fuhr ihm sanft über den Rücken. „Bullet, du bist eifersüchtig“, neckte sie ihn, nahm es nicht wirklich ernst. „Nur, wenn du nicht mehr weißt, zu wem du eigentlich gehörst“, gab er zurück und grinste immerhin schon wieder leicht. Dann drückte er ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf um sicher zugehen, dass es über ihre Zugehörigkeit keine weiteren Diskussionen mehr gab. „Das weiß ich. Zu, “ versicherte sie nach einem Kuss. „Woody.“ Über sein verärgertes Gesicht hätte sie sich schlapp lachen können. „Weib“, mahnte er sie und presste sie besitzergreifend noch etwas enger an sich. Brav schmiegte sie sich wieder an ihn und liebkoste seinen Hals bis sie sein Ohrläppchen erreichte. „Überzeug mich doch vom Gegenteil“, raunte sie ihm verführerisch zu, lehnte sich in seinem Arm zurück und schaute ihn aufreizend an. „Das mach ich doch glatt.“ Da ließ er sich sicher nicht zweimal bitten. Schwungvoll hievte er sie in die Höhe und legte sie auf seine Schulter. Schraffen Schrittes trug er sie ins Schlafzimmer. „Sehr liebevoll“, schimpfte sie lachend. „Und ich hatte geglaubt, du würdest mich auf Händen tragen. So wie alle anderen Männer das mit ihren Frauen machen, ganz besonders VOR der Hochzeit.“ Im Schlafzimmer angekommen, bettete er sie vorsichtig auf die Matratze. „Aber getragen ist getragen, “ grinste er. Sie tat, als grüble sie über etwas. Dann drehte sie sich auf den Bauch und wollte vom Bett krabbel. „Dann geh ich mir doch lieber jemanden suchen, der zärtlich zu mir sein kann“, erklärte sie dabei. Colt hielt sie fest und dreht sie mit sanfter Bestimmtheit zurück. Zielstrebig, aber zart suchte er nach ihren Lippen. Seine Hände glitten unter diesen furchtbaren, viel zu großen Rentier-Pullover, der rücksichtslos jede ihrer hinreißenden Rundungen verschluckte. „Ich bin alles, was du willst, Schatz“, versprach er leise. „Dann sei mein Colt“, flüsterte sie süß zurück. Das war alles, was sie wollte. „Das kann ich am Besten.“ Jetzt musste der Pullover herzeigen, was er sonst so gut versteckte. „Und das liebe ich am meisten.“ Sie zog ihn zu sich. Seine Eifersüchtelei war ganz lustig gewesen und irgendwie niedlich, aber so richtig ernst konnte sie sich nicht nehmen, im Gegensatz zu den Liebkosungen, die er ihr nun schenkte. Woody wusste auch schon, wer der Anwalt der Anklage war. Lieutenant Haywood war bekannt dafür, sich strikt an die Regeln zu halten und unnachgiebig mit denen zu verfahren, die es nicht taten. Er war brillant und seine Fragen, schienen sie auch anfänglich harmlos, zielten treffsicher und messerscharf auf die Schwachstellen der Beklagten ab. In seiner Laufbahn hatte er noch nie einen Fall verloren. Zwar traf dies auch auf Steeker zu, doch war es irgendwie unbehaglich. Für alles, was den drei Freunden helfen konnte, schien es auch ein Gegenstück zu geben, das ihnen zum Nachteil gereichte. Sie wollten einerseits hoffen, wagten es andererseits kaum. Ungewissheit macht sich breit und nagte an ihnen. Robin dekorierte die Wohnung weihnachtlich. Sie brauchte Ablenkung und würde sie so hoffentlich bekommen. Zudem sollte eine besinnliche Atmosphäre im Haus von der unheilvollen Anklage ablenken. Doch sie konnte nicht, wie sonst, vor sich hin summen und am Ende mochte Festtagsschmuck jedes Zimmer zieren, war aber von Vorfreude auf das Fest der Liebe noch gar nichts zu spüren. Frustriert seufzte sie. Es musste doch irgendwie zu verdrängen sein. Wenigstens für ein paar Stunden, wenn schon die Alpträume nicht weniger wurden. Sie blickte zum Fenster. Der Himmel war blass grau und neblig, schickte dichte, kleine, zarte Flocken zur Erde, die alles einhüllten mit ihrer Schwerelosigkeit. Den ganzen Tag schon schwebten sie hernieder und packte alles in reines, kaltes Weiß, schluckten die letzten Tupfen Farbe und deckten die Welt zur Wintersruhe zu. Sie schien so unschuldig und friedlich, doch ihre Kälte konnte auch die anheimelnde Atmosphäre im Haus nicht vertreiben. Nicht solange die Vorladung zur Anhörung und die Kopie der Anklageschrift, deren Vorwurf auf vorsätzliche unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge lautete, auf dem Schreibtisch im Arbeitszimmer lag. Robin schaltete das Radio ein und setzte sich in den großen, schwarzen Ledersessel. Sie griff sich eine Zeitung und blätterte darin. Zwei Seiten, dann legte sie sie wieder zur Seite. Selbiges tat sie mit den übrigen Zeitschriften und drei Büchern. Schließlich erhob sie sich wieder und schaltete das Radio ab. Colt, Fireball und Saber waren bei Steeker im Hotel und wurden von ihm auf die Art der Fragen vorbereitet, die auf sie zu kommen konnten. Zumindest auf seine. Je souveräner sie die beantworteten, desto eher konnten sie die Jury überzeugen. Das bedeutete aber auch, dass April und Chily allein zu Hause waren und sich wohl ähnlich die Zeit totschlugen wie sie. Sie ging zum Telefon und wollte eben den Hörer abnehmen, als der Apparat klingelte. Es war Chily, die fragte, ob Robin nicht vorbei kommen wolle. April sei auch schon da. Die Lehrerin sagte zu, legte auf und schaute ungläubig auf den Hörer. Die Hebamme hatte ja wirklich schon hellseherische Fähigkeiten. Aus demselben Grund hatte Robin doch die beiden Freundinnen anrufen wollen. Aber Chily war schneller gewesen. Robin schüttelte leicht den Kopf, schlüpfte in ihre Jacke und machte sich auf den Weg. Die Anhörung war auf die Woche zwischen Weihnachten und Silvester gelegt worden. „Ein beschissener Termin“, hatte Colt geflucht und seine Freunde hatten zustimmend genickt. Auch, wenn irgendwo in ihnen die Einsicht da war, dass die Anwälte sich in den Fall einarbeiten, damit vertraut machen, Zeugen finden, vorladen und vorbereiten mussten, so blieb doch das Gefühl von Frust und Ungewissheit in ihnen. Es war immerhin denkbar, dass dieses Weihnachtsfest das vorläufig letzte war. Während Robin den Ferien entgegen sah und sich auf ein paar ruhigere Tage einstellen konnte, brach über die Hebamme eine Flut an Arbeit herein. Morgens war sie weit vor ihrem Mann auf den Beinen und abends erst sehr spät und todmüde zurück. Saber war, wegen der Anhörung, beurlaubt worden und übernahm daher ganz selbstverständlich den Haushalt ganz um sie zu entlasten. Dabei hatte er genug Gelegenheit die wohltuende Gegenwart seiner Angetrauten so richtig zu vermissen. Die werdenden Eltern hatten viel Zeit für einander. April war im Mutterschutz und Fireball ohnehin ebenfalls beurlaubt. Dass er diese Saison ausgesetzt hatte, lag an dem Fall um Pennyrile und niemand warf ihm Vertragsbruch vor. Sein Boss kannte die Situation bereits. Damals, als der Ramrod-Pilot seine Rennfahrerkariere zum ersten Mal unterbrochen hatte um für Frieden und gegen die Outrider zu kämpfen, war sein Vertrag aufrecht erhalten worden. So konnte er nach der finalen Schlacht gegen Nemesis problemlos wieder zurück. Genauso war es auch bei dieser Mission gelaufen. Der Schutz vor den Angriffen der Phantomwesen war nun mal wichtiger, als eine erfolgreiche Saison. Ähnlich war es auch bei Colt. Natürlich war es auch beim Rodeo nur zu gern gesehen, wenn der beste Reiter die besten Zeiten erstritt. Doch auch hier galt die Wahrung des Friedens als das höhere Gut. So konnten sowohl der Rennfahrer, als auch der Cowboy ihr Winterfixum beziehen ohne dass sie um ihren Job fürchten mussten. Zumindest vorerst nicht. Was nach der Verhandlung auf sie zu kam, stand in den Sternen. So wurden alle von Woody zu nächst auf die Verhandlung vorbereitet. Wenn dies nicht der Fall war, versuchten sie sich auf das Fest der Liebe vorzubereiten, so gut es in dieser Situation ging. Doch so rechte Weihnachtsstimmung wollte nicht aufkommen. Zum einen, weil die Hebamme auch an den Adventssonntagen durch Abwesenheit glänzte. Zum anderen, weil Woody sie dafür vertrat und so nicht nur alle zwangsläufig an die Anhörung erinnerte, sondern auch noch Colt permanent zur Eifersucht triebt. Dem Kuhhirten war, im Gegensatz zu seiner Zukünftigen, die Schwäche des Anwalts für Robin nicht entgangen. Äußerst argwöhnisch nahm er jede noch so zufällige Berührung der beiden zu Kenntnis. Im Grunde konnte Steeker die Lehrerin nur ansehen und Colt hätte durch die Decke gehen schießen können. Aber er unterdrückte diese Impulse um die kaum vorhandene Weihnachtslaune nicht ganz zu vernichten. Saber, unterdessen, bekam durch die anhaltende Abwesenheit seiner Frau einen guten Eindruck davon, wie drei Jahre Gefängnis für ihn werden würden. Schlichtweg die Hölle. Sogar das Kuscheln vor dem Einschlafen fiel aus, weil Chily sofort ins Reich der Träume glitt, kaum dass sie lag. Er verstand es, auch wenn es schmerzlich für ihn war. Ihre Patientinnen wollten sicher sein, dass während der Feiertage nichts unerwartetes passierte. Die Hebamme musste ihnen entweder klar machen, dass nicht alle Kinder am Heiligen Abend zur Welt kommen wollten, oder, dass sie die Feiertage am besten dazu nutzen sollten, einen Gang zurück zu schalten und sich aufgrund ihrer Umstände von ihren Liebsten so verwöhnen zu lassen, wie es noch nie der Fall war, und wohl auch nie mehr würde. Wie in so ziemlich jedem Bereich wollten die Menschen während der Festtage am liebsten einen Stecker ziehen und die Welt zum Stillstand bringen, damit ja nichts die Stimmung stören konnte. Doch Stecker ließen sich nicht ziehen. Das Leben war schließlich keine Maschine und so verschwand Chily am Morgen des Heiligen Abends zu einer Entbindung. Im Halbschlaf stöhnte Saber frustriert ins Kissen. Nicht mal den Tag hatten sie für sich. Wie genau es kam, dass sich alle am späten Nachmittag bei Robin und Colt einfanden, wussten sie nicht. Aber jetzt saßen sie alle im Wohnzimmer und blickten in nicht allzu festlicher Stimmung auf den liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum. „Wenigstens gibt es ein Christkind“, meinte der Scharfschütze in die bedrückende Stille. Alle schauten ihn verwundert an. „Na, die Entbindung, zu der Chily musste. Ein Kind, dass heute zur Welt kommt, ist mehr oder weniger ein Christkind, “ erklärte er mit einer gewissen Logik. „Ich glaube, Josef hätte die Jungfrau Maria lieber bei sich, “ gab der Rennfahrer zu bedenken und traf den Nagel auf den Kopf. Seine Jolene jetzt hier zu haben, wäre Saber doch sehr viel lieber, als unter dem Mistelzweig auf dem Sessel zu sitzen und zu den Pärchen auf den beiden Sofas schauen zu müssen. Chily schaffte es schließlich immer wieder düstere Stimmungen durch ihren angeborenen Frohsinn zu vertreiben. „Dann würde sie jetzt wie am Spieß krähen“, grinste Colt. „Und zwar … Feliz Navidad, Feliz Navidad, “ stimmte er recht schief an und erhob sich. http://www.youtube.com/watch?v=ihW56Xa3XGQ Auch ihm war die Heiterkeit in die Wiege gelegt worden, wie er nun bewies. „Und dazu würde sie tanzen“, erzählte er weiter, „wie ein kopfloses Huhn, das man mit einem Gewehr über den Hof jagt.“ Nicht nur der Spruch, sondern auch die bemerkenswerte Vorführung des Spaßvogels sorgte für brüllendes Gelächter. Niemand kannte die Abwesende so gut wie er und deshalb konnten alle davon ausgehen, dass seine kleine Einlage der Wirklichkeit sehr nah kam. Jetzt doch fröhlicher gestimmt, krähte er: „Feliz Navidad … Feliz Navidad … Feliz Navidad …“ Robin stimmte als erste ein. „… I wanna wish you a Merry Christmas …“ Dann folgten Fireball und April. „… I wanna wish you a Merry Christmas …” Und zu guter Letzt ließ sich auch der Schotte mitreißen. „… from the bottom of my heart …“ - - - „Ach, das ist ja eine schöne Begrüßung.“ Alle Köpfe flogen herum. Die Hebamme stand durchgefroren und mit roten Wangen in der Tür. Nachdem sie ihr trautes Heim verlassen vorgefunden hatte, war ihre klar gewesen, dass sie das ihres Jugendfreundes aufsuchen musste. Nun stand sie mit breitem Lächeln vor ihnen und zog sich die schwarze Wollmütze vom buntgesträhnten Blondschopf. Im nächsten Moment, kaum war die Überraschung vorüber, saß sie auf dem Schoss ihres Mannes und schmiegte sich an ihn. Saber schloss sie in seine Arme. Na endlich. Oh? Colt kuschelte sich noch auf die beiden drauf. „Hach, zu süß, “ seufzte er theatralisch. „Runter, “ murrte das Paar zurück. Entsetzt gehorchte er und sprang zurück. „Soviel zur Nächstenliebe“, schmollte er. Chily blinzelte ihn an. „Lieb die Nächste und schmus mit Robin.“ Diese wies lächelnd auf die Dekoration über dem Sessel. Die beiden linsten in die angedeutete Richtung. Der Mistelzweig. „Perfekt.“ Damit drückte der Recke seiner Frau einen innigen Kuss auf die Lippen. „Das erinnert mich an ein traumatische Erlebnis in meiner frühesten Kindheit“, bemerkte der Kuhhirte. „Keiner zwingt dich die beiden zu küssen, nur weil du grad mit gekuschelt hast“, grinste April. Die Fotos, die die nicht vorhandene Begeisterung des kleinen Scharfschützen und dessen bester Freundin beim Küssen unter einem Mistelzweig, bewiesen, hatten alle noch im Kopf. „Nein, ich knutsch lieber …“ Colts Blick suchte nach Robin auf dem Sofa. „Dich.“ Sprach’s und tat’s. „Dein Glück“, murmele sie. Er lächelte und setzte sich zu ihr. „Chily, meine Schote, erinnerst du dich noch an das Lied, das unsere Mütter immer gesungen haben?“ wollte er dann wissen. Die Gefragte nickte an der Brust ihres Mannes. Dann richtete sie sich auf. „Bitte“, flehte der Kuhhirte. „Weil du mich so lieb hast.“ – „Was ist das für ein Lied?“ hakte April nach. „Das schönste Weihnachtslied, das ich kenne. Nur, wenn wir jetzt alle bis zum Erbrechen betteln, werdet ihr erfahren, wieso, “ entgegnete er und warf den werdenden Eltern einen verschwörerischen Blick zu. „Dann mal den Dackelblick nicht vergessen, “ grinste Fireball. „Bitte, “ flehte es nun im Chor und lang gezogen der Hebamme entgegen. Die wandte sich von den vier Lieb-Augen-Machern ab um in die bittenden des Recken zu schauen. „Also schön“, meinte sie. Wer am Heiligen Abend fünf so treuherzig Bettelnden den Wunsch nach einem Weihnachtslied abschlagen konnte, war schlichtweg herzlos, fand sie. Sie jedenfalls brachte es nicht über sich. Sie stand auf, zog ihren Angetrauten auf die Füße und platzierte den Verwunderten neben Colt und Robin aufs Sofa. Anschließend quetschte sie sich selbst zwischen die beiden Männer, die ihr nun mal die wichtigsten waren. „In Bethlehem brannte ein Licht, in jener Dezembernacht …“ begann sie und endlich, endlich erfüllte die langersehnte Weihnachtsstimmung den Raum, drängte Kummer und Sorgen sonst wohin. In Bethlehem brannte ein Licht in jener Dezembernacht den Sohn hat Maria geboren man sagt, er war auserkoren Windeln hatte sie nicht Auf Heu und Stroh gebettet liegt Marias erster Sohn sie haben ja nichts gerettet von des Josef schmalem Lohn Zu Haus waren sie nicht reich zum Essen hat es grade gelangt und unter ein Dach sich zu legen nun ziehen sie auf fremden Wegen die sind keinem Flüchtling weich Sie klopfen an viele Türen o helft, Leute, seht mein Weib viel Kälte war da zu spüren und das Kind wollt aus ihrem Leib Sie ließen sie nicht in ein Haus gewährten nur Platz im Stall Maria, dein Sohn liegt in Blöße doch dein Glück ist von Sternengröße komm, Hirt, in die Knie fall Man wird später einmal sagen dass Gaben von Königen warn wer wird nach Maria fragen wenn ihr Sohn stirbt in jungen Jahren In Bethlehem brannte ein Licht in jener Dezembernacht den Sohn hat Maria geboren man sagt, er war auserkoren Maria war es nicht Die Welt stand still und, auch als Chily ihren Gesang beendet hatte, war für alle Weihnachten. Das leckere Essen, das Colt gekocht hatte, der gute Wein, die Anwesenheit von Freunden, all das hüllte sie nun ein, ließ entspannen und gab Kraft. Zum ersten Mal seit Wochen kehrte Ausgelassenheit und Unbeschwertheit ein, wurde gescherzt und gelacht und war die Welt nur so groß, wie das Wohnzimmer im Haus von Robin und Colt. Ein um das andere Mal nahm der seine beste Freundin in den Arm und knuddelte sie herzlich, aus Glück, Weihnachten wieder mit ihr zu verbringen. Dann schauten Saber und Robin sich verstehend an und umarmten sich trostspendend über so viel offensichtliche Untreue. Jedoch, das einzige Wort, dass diesen Abend treffend beschreiben konnte, war: Harmonie. When stars shine bright Sparkle in soft light The time is right To end wars, dispute and fight Just let the hope in your heart And don’t fall apart From nearness, warmth and love Take a look above There is something in the air To feel everywhere When people hold for a while Close their eyes And listen to their deep inside Let the world stop for now Hush … Don’t ask how Just feel … Just exhale … Kapitel 21: Stand up for your right ----------------------------------- Stand up for your right In den folgenden beiden Tagen genossen sie die Festtagsstimmung. Den ersten Weihnachtsfeiertag verbrachten die Freunde bei den werdenden Eltern. Den zweiten im Hause Rider gemeinsam mit Eduard und Mary. Als diese, wie Mütter eben sind, sich danach erkundigte, wann sie denn Enkel erwarten dürfe, glitten die entsetzten Blicke der jungen Eheleute erst zu April, deren Bauch der Auslöser für die Frage war, dann wieder zu seinen Eltern zurück. Saber und Chily schluckten leicht. Alle starrten sie an. Colt und Fireball unterdrückten ihre Schadenfreude bis die Hebamme einigermaßen trocken antwortete: „Nicht so lange ich die Pille nehme“, dann lachten sie laut. Doch schon am nächsten Morgen wurden sie recht unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Um neun Uhr dreißig stand die Eröffnung der Verhandlung: Das Neue Grenzland gegen Captain Rider, S.a.D. Willcox und S.a.D Hikari, auf der Tagesordnung. Deshalb saßen die drei nun in ihrer Uniform am Tisch der Verteidigung neben Steeker, ebenfalls uniformiert. In dem hohen Raum mit dem Schwarzmarmorboden, den verglasten Wänden an den Seiten und der Mahagonifront mit dem Wappen des Neuen Grenzlandes unter der der Richtertischstand, fühlte man sich wie ein kleiner Sünder. Der Raum in seinen klaren, strengen Linien gebot Respekt, oder eher Demut. An der linken Fensterwand, die den Blick nach außen zuließ, aber keinen ins Innere gestattet, nahmen auf der Bank die Mitglieder des Beraterstabes Platz und schauten streng musternd zum Tisch der Verteidigung vor ihnen. Der Saal war in der Mitte durch einen Gang geteilt und hatte eine meterhohe Mahagonibegrenzung, die die Hauptakteure der Verhandlung von den Beiwohnenden trennte. Ein Türchen gewährte bei Notwendigkeit Zutritt auf diese fragwürdige Bühne. Neben diesem Türchen und rechts von der Verteidigung saßen der Ankläger Lieutenant Haywood und sein Hauptzeuge William Maddox unbeeindruckt von allem um sich herum. Hinter dieser Absperrung auf Seiten der Verteidigung hatten April, Robin, Chily und Sabers Eltern Platz genommen. Die Schwangere hatte ein dunkles, formell wirkendes Umstandsoutfit an, das sie mit ihrer Uniformjacke komplettiert hatte. Die Uniform vollständig zu tragen erlaubte der runde Bauch nicht, über den sie immer wieder strich. Charlene schien zu spüren, dass sich ihre Mutter in einer unangenehmen Situation befand und strampelte unbehaglich, zeitweise recht heftig in ihr. Robins Blick ruhte auf dem Rücken des Scharfschützen. ‚Hoffentlich geht das gut, ‘ dachte sie besorgt. Chily griff nach der Hand der Lehrerin und drückte sie beruhigend. Die Hebamme stieß der Raum ab. Die blankpolierten, schweren Tische, der Boden, die Bänke – einfach alles darin wirkten kalt und distanziert. Trotzdem tastete sich ihre andere Hand nach den Fingern ihrer Schwiegermutter an ihrer linken Seite und umschloss auch diese aufbauend. „Das stehen wir durch“, redete sie sich gedanklich ein und versuchte dies wenigstens auf Robin und Mary zu übertragen. „Erheben Sie sich.“ Der vorsitzende Colonel betrat den Raum. Alle standen auf und setzten sich, als er am Richtertisch Platz genommen hatte. „Das Neue Grenzland gegen Captain Rider und die Starsheriffs Außer Dienst Willcox und Hikari“, wurde verkündet. Unweigerlich strafften die Genannten die Schultern. Der Gerichtsdiener trug die Anklage neutral vor. „Worauf plädiert die Anklage?“ fragte der Vorsitzende danach. Haywood erhob sich. „Sir, auf Schuldig“, gab er knapp zur Antwort. Das war zu erwarten gewesen. Der Colonel nickte. Sein Blick glitt zu Steeker. „Und die Verteidigung?“ Woody stand auf. „Auf Nicht Schuldig im Sinne der Anklage des Vorsatzes, “ erwiderte er. Auch das war abzusehen gewesen. Ein weiteres Nicken des Vorsitzenden forderte zum Beginn der Hauptverhandlung auf. Haywood tat dies und führte dem Beraterstab das Verbrechen vor Augen. Mag sein, dass die getötete Suzie DeMartin ein abtrünniger Starsheriff war, doch die Chance, sie zu rehabilitieren war vertan, weil die Beklagten ihrer Ermordung tatenlos beigewohnt hatten. Tatenlos aufgrund persönlicher Differenzen. Haywoods markantes, breites Gesicht verzog sich abwertend. Er war deutlich überzeugt, dass die Freunde schuldig waren und drei Jahre Gefängnis, die Höchststrafe für diesen Fall, noch zu milde wäre. In seinem Eröffnungsplädoyer war immer wieder von Rache, Heimtücke und Grausamkeit die Rede und er fragte, ob man dieses Vergehen nicht hätte als Mord oder die Anstiftung dazu hätte ahnden sollen. Etwas zu langatmig, wies er darauf hin, wie persönlich der Fall und wie niederträchtig daher die Beweggründe der Beklagten waren. Auf Seiten der Verteidigung stieg allen die Galle hoch. Düster funkelten Colt und Fireball den Redner an, während Saber in sich hinein horchte um herauszufinden, wie nahe der Staatsanwalt der Wahrheit kam. Aber so einfach, wie Haywood tat, war das alles nicht gewesen. Jetzt kam Steeker zu Wort. Er sprach von Freundschaft und Verrat, von Enttäuschung und Menschlichkeit, von psychischer Belastung und verständlicher Sorge um die, die einem nahe standen. Er hielt sich kurz und legte die Entscheidung darüber deutlich in die Hände der Jury, wo Haywood ihnen vorweggenommen hatte, was sie denken sollten. In den maskenhaften Gesichtern der fünf war jedoch nicht zu erkennen, was sie wirklich dachten. Es war unklar, ob Steeker oder Haywood sie mehr überzeugt hatten. Letztere fuhr nun durch sein weißblondes Harr und begann nach Aufforderung das Verfahren aufzunehmen. Er rief Maddox in den Vernehmungsstuhl und ließ den berichten. Leider. Das Blondinen-Trio schüttelte die gesenkten Köpfe. Was Maddox da gerade erzählte, war in ihren Augen Müll. Wie konnte man zulassen, dass ein Mensch ungestraft so haarsträubende Lügen erzählte? Und Haywood? Er war der Feind. Ganz klar. Nur schwer, wenn überhaupt, würde er von seiner Ansicht abzubringen sein. Wenn ihn niemand aufhielt, würde er die Jungs knallhart und gnadenlos ans Messer liefern. Das stand fest. Im Moment stellte der Staatsanwalt kurze, knappe Fragen und ließ seinen zweifelhaften Hauptzeugen ausreichend Gelegenheit Saber, Colt und Fireball in ein schlechtes Licht zurück. Nur allzu deutlich zeichnete der ein Bild, bei dem die drei äußerst zufrieden über Suzies Ableben schienen. Es fehlte nur noch die Behauptung, sie hätten Jean-Claude zu dem guten Schuss beglückwünscht. Steeker nahm die Möglichkeit zum Kreuzverhör wahr und fragte, ob Maddox gute Sicht gehabt hätte. Der bejahte. Dann wollte Steeker wissen: „Wie viele unschuldige Menschen mussten wegen Ihrer Geschäfte mit den Outridern schon sterben?“ Haywood erhob sofort Einspruch wegen Irrelevanz für diese Verhandlung. Der Vorsitz gab ihm Recht. Dennoch war Woody zufrieden. Einspruch hin oder her, er hatte den Stab daran erinnert, wer der Hauptzeuge der Anklage war und damit, wie fragwürdig dessen Aussagen waren. Dann wurde der Form halber noch der Arzt vernommen, der Suzies Leichnam obduziert hatte. Haywood ließ noch einmal für das Protokoll feststellen, dass sie mit einem Schuss durch den Kopf getötet worden war. Dann fragte er, ob es Anzeichen von Misshandlung bei ihr gegeben hatte, als Hinweis darauf, dass sie möglicherweise nicht ganz so freiwillig bei Jean-Claude geblieben war. Der Arzt verneinte Eifrig hakte Haywood noch einmal nach, ob es irgendwelche Anzeichen von Gewaltanwendung gegeben hatte. Der Fachkundige fragte zurück: „Außer dem Leichnam?“ Steeker konnte im Kreuzverhör nur nachhaken, ob festgestellt werden konnte, aus was für einer Waffe geschossen worden war und bekam die Bestätigung, dass diese nicht den drei Beschuldigten zugeordnet werden konnte. So konnte deren Verteidiger zumindest eine Mordanklage abwenden, die der Staatsanwalt bei der Eröffnung als Option gestellt hatte. Mehr allerdings konnte Woody an dieser Stelle nicht für sie tun. Die Sitzung wurde unterbrochen. Saber, Colt und Fireball wurden in einen Raum geführt, der während dieser Zeit für die Beklagten vorgesehen war. Steeker trat zu den Frauen und fand aufbauende Worte für sie. Die Beweisaufnahme würde alles entscheiden. Ganz gleich wie düster es im Augenblick aussah, entschieden war noch gar nichts. Diesen Zuspruch hätten auch die drei Jungs gebraucht. Doch leider hatten sie ihn nicht. Fireball hatte nur noch einen kurzen Blick auf den vollen Bauch seiner Freundin werfen können, Saber und Colt mit Unbehagen gesehen, wie Steeker je eine Hand auf Robins und auf Chilys Schulter gelegt hatte. Jetzt hatte jeder von ihnen etwas, was sie zusätzlich zu dem undefinierbaren Verlauf der Sitzung so richtig martern konnte. Fünf Minuten lang versuchte der Rennfahrer sich vorzustellen, wie seine Tochter wohl aussehen würde, während seine Freunde versuchten die wüstesten Vorstellungen von Woody und der Lehrerin, beziehungsweisen von Woody und der Hebamme, aus ihren Köpfen zu verbannen. Fünf Minuten konnten verdammt lang sein. Unterdessen ging Steeker noch einmal seine Vernehmungstaktik durch. Haywoods Wirkung auf seine Schützlinge war denkbar ungünstig. Der schien sie nur durch seine Anwesenheit zur Weißglut zu treiben. Das konnte schwer nach hinten los gehen. Ein unbedachtes Wort konnte die feinsäuberliche, gewissenhafte Vorbereitung des Verteidigers ruinieren. Dann musste er sich rasch etwas einfallen lassen um das wieder gerade zu biegen. Aber das, was er von den drei Beklagten und deren Partnerinnen gesehen und erlebt hatte, dürfte dabei wirklich dienlich sein. Gespannt war die richtige Beschreibung für die Stimmung unter den Frauen und den Eltern des Recken. Keiner sprach. Eduard und Mary waren froh, dass ihre Schwiegertochter sie auf dem Laufenden gehalten und ihnen überhaupt erst von dieser Anklage erzählt hatte. Saber hätte es ihnen verschwiegen, um sie nicht zu beunruhigen. Doch Chily wusste, dass die beiden in sein Leben einbezogen sein und ganz besonders in dieser Situation zu ihm stehen wollten. Er brauchte die beiden im Saal, als Beistand. Auch das wusste sie. Endlich wurde die Verhandlung fortgesetzt. Die Delinquenten wurden hereingeführt. Colt sah, wie Steeker noch etwas zu Robin sagte, bevor er an den Tisch der Verteidigung und zu seinen Schützlingen trat. Gedanklich seufzte der Kuhhirte. Da hatte er eine Zukünftige, die nicht sah, dass der Herr Verteidiger ihr den Hof machte. Wenn der Cowboy wirklich inhaftiert wurde, wie lange blieb sie dann noch blind? Er konnte schlecht seine Jugendfreundin als Wachhund auf seine Braut setzen. Erstens war sie Hebamme und konnte sich über Mangel an Arbeit nicht beklagen. Zweitens würde sie sicher selbst genug damit zu tun haben, sich lästige Verehrer vom Leib zu halten, wenn die Jungs hinter schwedische Gardinen kamen. Und drittens würde sie ihm bei so einer Bitte nur einen Vogel zeigen und ihm sagen, dass er Robin vertrauen solle. Seufzend setzte sich Colt zu seinen Freunden. Der Vorsitzende trat mit dem Beraterstab ein und erteilte Lieutenant Haywood das Wort. Der rief umgehend Saber in den Vernehmungsstand und begann mit der Beweisaufnahme. „Wie wir gehört haben, haben Sie Ihre Pflichten in diesem Fall grob vernachlässigt, Captain Rider“, legte er streng los und musterte den Schotten. Der saß sachlich auf dem Stuhl und antwortete ruhig. „Ich habe ihn nicht anders gehandhabt, als alle anderen zuvor.“ Das stimmte auch so weit, wenn man das unwesentliche Detail ausließ, dass er diesmal die Betroffene anschließend geehelicht hatte. „Ich glaube nicht, dass andere Starsheriffs dabei zugesehen hätten wie ein unschuldiger Mensch erschossen wird, Captain“, stellte der Staatsanwalt reichlich überspitzt fest. Der Gefragte schluckte überrascht. „Einspruch. Wertung, “ rief Steeker dazwischen. „Stattgegeben, “ nickte der vorsitzende Colonel. „Mister Maddox hat die Szenerie in der Tankstelle sehr bildlich beschrieben. Schildern Sie uns Ihre Sicht der Dinge, Captain Rider, “ fuhr der Weißblonde fort. Saber gewann die kurzzeitig verschwunden Fassung wieder. Sachlich schilderte er und wiederholte im Grunde, was Maddox vor der Pause ausgesagt hatte. Nur über den Schuss auf Suzie erklärte er: „Wir waren wie gelähmt.“ Haywoods Brauen zogen sich missbilligend in die Höhe. „Wie oft haben Sie solche Situationen schon miterlebt, Captain?“ fragte er streng. „Eine solche? Noch nie, “ erwiderte der Schotte wahrheitsgemäß. Einen derart persönlichen Fall hatte er noch nie gehabt. Keiner von ihnen. „Captain, Sie arbeiten schon einige Jahre im Oberkommando, daher bin ich mir sicher, dass Sie mit Jean-Claude schon öfter das Vergnügen hatten. Und ich bezweifle, dass der seine Gewohnheiten von heute auf morgen ändert. Geiselnahmen und Morddrohungen sind die Regel in Ihrem Job, “ stellte der Staatsanwalt fest. „Das ist richtig. Das ist unser Job, “ bestätigte Saber mit leiser Beklemmung. „Trotzdem waren wir noch nie in einer solchen Situation, “ betonte er dann. Ihm schwante nichts Gutes bei der Art von Haywoods Interview. „War dieser Fall zu persönlich?“ bohrte der sogleich, als wüsste er genau, wo er die Schwachstelle des Highlanders finden konnte. „Für einige von uns ...,“ wich der aus. Verstehend nickte der Fragensteller. „Für Mister Willcox vielleicht? Wie ich gelesen habe, “ bezog er sich auf die Akten, „war dessen Freundin in diesem Fall nicht unwesentlich involviert.“ – „Ja.“ – „Das erklärt, weshalb Mister Wilcox gezögert hat. Aber weshalb haben Sie gezögert?“ schoss der Lieutenant seinen nächsten giftigen Pfeil ab. „Einspruch. Das ist eine Vermutung. Mehr nicht,“ protestierte Steeker sofort. „Dann bestätigen oder widerlegen Sie diese Vermutung“, forderte der Vorsitzende ihn streng auf und wandte sich dann an den weißblonden Anwalt. „Fortfahren.“ Der triumphierte innerlich. „Captain Rider, ist Ihre Frau nicht besagte Freundin von Mister Wilcox?“ Dem Schotten schoss dunkles Rot ins Gesicht. ‚Treffer! Versenkt, ‘ dachte er unbehaglich und presste ein einigermaßen festes „Ja, Sir“ hervor. „Nun, da haben wir Ihre persönliche Verbundenheit zu diesem Fall.“ Der Triumph war nun deutlich aus Haywood herauszuhören. „Aus den Akten geht hervor, dass Misses Rider von Suzie DeMartin bedroht und mehr noch, angeschossen wurde“, bemerkte er dann fast beiläufig. Saber wurde abwechselnd heiß und kalt. Wo sollte das hinführen? Kaum merklich nickte er, bemüht darum, die distanzierte Fassade aufrecht zu erhalten. „Ist es nicht so, dass Miss DeMartin eigentlich eine gute Freundin von Ihrem Team war. Bis zu dieser, nennen wir es, Indiskretion?“ hakte der Anwalt nun nach. „Ja, das ist richtig. Wir waren gute Freunde und haben uns auch im Job unterstützt.“ Na bitte, da war sie ja endlich wieder, Sabers Kontenance. „Sie waren. Das kann ich zwar verstehen, dennoch ist es kein Grund, tatenlos zuzusehen, wie sie erschossen wurde, “ erklärte Haywood streng, so dass es keinen Widerspruch duldete. „Einspruch. Unterstellung. Wir wissen noch nicht genug, um das beurteilen zu können, “ unterbrach Woody erneut. Der Colonel zögerte, wog ab und entschied dann: „Stattgegeben.“ Haywood jubelte gedanklich noch mehr. „Darf ich Captain Rider befragen?“ Steeker war aufgestanden und zwei Schritte zum Richterpult getreten. „Bitte. Nur zu, “ nickte der Vorsitzende während die Gegenpartei sich gelassen im Stuhl zurücklehnte. „Als Jolene Rider, damals noch Adams, angeschossen wurde. Wie ist das abgelaufen? Schildern sie uns bitte die Situation.“ Woodys Aufforderung gab dem Recken die Möglichkeit wieder sachlich und gefasst zu reagieren, gut zu überlegen um sicher durch dies alles zu kommen. Haywood hatte ihn mehrmals kalt erwischt. Das musste der Schotte revidieren. Er schilderte recht nüchtern den Hergang und endete mit den Worten: „Suzie wollte eigentlich mich erschießen. Der Schuss war für mich bestimmt.“ Chily hatte das Gefühl, Misses Rider bräche ihr gleich die Finger, so fest drückte Sabers Mutter ihr die Hand, als sie dies hörte. Die Hebamme war bereit gewesen für ihren Sohn zu sterben. Über alle Maßen erstaunt betrachtete sie deren Profil. Aber alles, was Mary darin erkennen konnte, war Selbstverständlichkeit. Als sei es das Normalste der Welt so etwas zu tun. „Ist es richtig, dass Sie zu diesem Zeitpunkt schon tiefere Gefühle für Ihr jetzige Frau hegten?“ wollte Verteidiger Steeker nun vom Schotten wissen. Saber nickte unbehaglich. „Aber sie haben nichts unternommen, als sie sich in die Schussbahn warf?“ bohrte der Lieutenant weiter. „Wie hätte ich sollen? Ich habe nicht damit gerechnet, “ entgegnete der Recke, etwas erstaunt über eine solche Frage. „Womit haben Sie nicht gerechnet?“ legte der Befrager den Finger auf diesen Punkt. „Erst mal nicht mit dem Schuss. Das hätte ich Suzie nicht zugetraut. Und auch nicht, dass Jolene sich dazwischen wirft. Es blieb keine Zeit mehr zu reagieren.“ Auch der Schwarzhaarige war zufrieden. Darauf wollte er hinaus und beweisen, dass es Momente gab, in denen man sich in den beteiligten Personen verschätzen und nicht so handeln konnte wie sonst. „Eine mutige Frau.“ Anerkennend schaute er zu Chily im Saal, dann wieder zu Saber. „Wann haben Sie geheiratet?“ wollte er wissen. „Vor ein paar Wochen.“ Der Schotte blieb verwundert, auch wenn er äußerlich ruhig wirkte. „Also NACHDEM der Fall abgeschlossen und Sie den entsprechenden Bericht vorgelegt hatten?“ bohrte Steeker. „Ja, Sir, das ist korrekt, “ gab der Säbelschwinger zur Antwort. „Was wollen Sie damit bezwecken?“ unterbrach Haywood jetzt. „Nun es scheint doch so, als wäre diese eine, sagen wir, ziemlich herzliche Bindung, bei der beide sicher sind, was sie wollen. Oft genug liest man von Blitzhochzeiten, die zwei, drei oder vier Wochen nach dem Kennenlernen stattgefunden haben. Ich habe den Eindruck, dass dies eine vergleichbare Beziehung ist, dennoch kam die Ehe erst zu Stande, NACHDEM der Fall abgeschlossen wurde. Das ist für mich ein Beweis, dass Captain Rider sehr gut im Stande ist, sachbezogen zu agieren und sich nicht von seinen Gefühlen hinreißen lässt, “ erläuterte Woody. „Es ändert nicht daran, dass die Tötung von Miss DeMartin nicht verhindert wurde, “ schnappte Haywood. „Lieutenant, keiner meiner Mandanten bestreitet die Unterlassung. Wir wehren uns gegen den Vorwurf des Vorsatzes. Hier liegt ein minder schwerer Fall vor, “ betonte der Verteidiger. „Ich bin überzeugt, dass die Sachlage so ist, wie Eingangs geschildert. Die Unterlassung erfolgte auf Grund niederer Beweggründe, niederer Motivation wie Rache und Genugtuung.“ – „Genug.“ Harsch unterbrach der Vorsitzende den anbahnenden Streit der Rechtanwälte. „Sie scheinen beide zu vergessen, dass dies zu entscheiden Aufgabe der ehrenwerten Jury und meine ist. Lieutenant Steeker, haben sie noch Fragen an Captain Rider?“ Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Nicht im Augenblick.“ Der strenge Blick des Colonels richtete sich auf den Staatsanwalt. „Lieutenant Haywood? Und Sie?“ Der tat respektvoll. „Nein Sir, Vorläufig nicht. Ich behalte mir aber vor ihn zu einem anderen Zeitpunkt erneut auf zu rufen, “ entgegnete er. Etwas zu lang schaute er dabei auf Saber und Steeker und kritzelte dann etwas auf seinen Notizblock. Der Colonel nickte. „Dann sind Sie aus dem Vernehmungsstand entlassen, Captain Rider.“ Der stand auf und kehrte an seinen Platz zurück. Erleichtert zumindest den ersten Teil hinter sich zu haben. „Lieutenant Haywood, rufen Sie den nächsten zur Befragung“, ordnete der Vorsitzende an. „Ja, Sir. Ich rufe S.a.D. Colt Willcox.“ Er hatte nicht die Absicht wertvolle Zeit zu vertrödeln, sondern wollte die drei so schnell wie möglich zur Verurteilung führen und damit zu ihrer verdienten Strafe. Mit der Art, wie Colt sich nun in den Verhörstuhl fläzte, erkannte der Staatsanwalt, welche Art Mensch er vor sich hatte. Das würde leicht. „Mister Willcox, beschreiben Sie uns bitte Ihr Verhältnis zu Misses Rider“, begann er unverfänglich. „Wie beschreiben? Das ist meine Chily-Schote. Wir sind zusammen aufgewachsen, “ erhielt er lapidar zur Auskunft. „Das heißt, sie haben eine sehr enge Bindung zu einander, “ stellte der Weißblonde fest. „Klar. Es gibt so gut wie nichts, dass ich nicht über sie weiß, “ entgegnete der Scharfschütze und fragte sich, worauf der komische Vogel von Paragraphenreiter hinaus wollte. Als hätte er das ausgesprochen, fragte der weiter: „Hatten Sie ein intimes Verhältnis zu ihr in Ihrer Jugend?“ Chily schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. Das hatte ja kommen müssen. April presste die Lippen zusammen. ‚Oh Gott.‘ Robin seufzte unterdrückt. Da konnte Colt ja nur ausrasten. Seine Jugendfreundin war heilig und wenn er auch sonst ein Sünder war, vor ihr hatte sogar er halt gemacht. Am Tisch der Verteidigung begannen Saber und Fireball in einem Anflug von Galgenhumor den Countdown runter zu zählen, bis Colt ausflippte. „Mit Chily? Sind Sie verrückt? Im Leben nicht, “ rief der ehrlich entsetzt aus. „Aber Sie sagten, Sie hätten eine enge Beziehung und kennen sie sehr gut, “ gab Haywood unbeeindruckt zurück. „Ja, aber ich hab nicht mit ihr … Karten gespielt. Man muss ja nicht jede Frau,“ Colt suchte nach einer anderen, netten Umschreibung, aber ihm fiel keine ein. Deshalb ballte er die eine Hand zur Faust und ließ sie gegen die Handfläche der anderen sausen. „… um sie zu kennen.“ Hatte Haywood es sich doch gedacht. Das Verhör würde schnell dorthin führen, wo er wollte. „Verstehe. Sie würden alles für sie tun, nehme ich an, “ bemerkte er. „Ja, logo, “ parierte der Cowboy sofort. „Für sie morden?“ fragte der Rechtsanwalt langsam. Jetzt schoss der Scharfschütze heftig in die Höhe. „Ticken Sie noch richtig?“ brauste er ungehalten auf. „Setzen Sie sich und achten Sie auf Ihren Ton“, mahnte der Vorsitzende ihn streng. Widerwillig gehorchte Colt und murrte ihn an. „Vielleicht überlegt sich der Hans da mal, was er hier fragt.“ Dann wandte er sich an den Weißblonden. „Ums klar zu machen. Ich lieb meine Chily, als wenn sie meine Schwester wäre. Selbiges gilt für die,“ Dabei wies er von Saber zu Fireball und auf April. „und für sie,“ Jetzt zeigte er auf Robin. „sowieso. Aber eher würde ich sterben, als dass ich so eine Verräterin wie Suzie kill. Das ist DIE doch gar nicht wert, “ schnaubte er wütend. „Sehr aufschlussreich, “ gestand der Staatsanwalt ihm kühl zu. „Dann haben Sie auch keinen Grund deren Ermordung zu verhindern. Das ist sie ja auch nicht wert, “ schlussfolgerte er. Colt wollte aufs Neue auffahren, presste aber den Kiefer zusammen und drückte die Handflächen fest gegen einander. Steeker hatte ihn vor solchen Fragen gewarnt. Jeder Ausbruch, vor allem die respektlosen, wie Colt eben einen geliefert hatte, waren ihr Nachteil. So was missfiel dem Beraterstab. „Wenn jemand Ihre Freunde bedroht und terrorisiert, sie anschießt und tötet“, begann er langsam und mit bebender Stimme. „wie fähig sind Sie dann noch vernünftig zu handeln?“ – „Keine Fragen mehr,“ unterbrach Haywood ihn rasch, damit es noch nach einem indirekten Schuldeingeständnis aussah. Aber sofort schaltete Steeker und forderte den Kuhhirten auf: „Sprechen Sie weiter Mister Willcox.“ – „Sowieso“, knurrte der, kaum die Unterbrechung beachtend, geschweige denn hinnehmend. „Jeder, der ein Herz in der Brust hat, schaltet auch mal den Verstand aus. Egal ob es richtig ist oder nicht. Das ist es nämlich, was uns von den Outridern unterscheidet, “ erklärte er dann fest. Steeker nickte und nahm nun seinerseits das Verhör auf. „Wie persönlich war der Fall für Sie, Mr. Willcox?“ fragte er. Colt legte seine Hände auf den Tisch, an dem er nun saß und zählte deutlich sichtbar an den Fingern ab. „Erst wird Dooley kalt gemacht, ohne den ich jetzt nicht hier wäre. Dann wird meine Chily bedroht wegen einer Mine, die meinen und ihren Eltern gehört und die in einem Gebiet liegt, auf dem ein Irokesen-Stamm lebt, dessen Häuptling Chilys und mein Patenonkel ist. Außerdem wird meine Prinzessin,“ wieder deutete er auf April, „ als Schutzschild genommen, was den Mini-Prinzen,“ und nun wieder wies er auf den Rennfahrer, um jeden Zweifel auszuschließen, von wem er sprach, „zum flippen bringt. Was ja logisch ist, ist ja sein Kind. Hab ich schon erwähnt, dass Chily angeschossen wurde, einer meiner Irokesen-Freunde im Koma lag und nicht zu vergessen, dass meine Robin entführt wurde? Last but not least: Der ganze Scheiß wegen meinem Halbonkel,“ jetzt deutete er auf William Maddox am Tisch der Anklage und fragte: „Wie viel persönlicher geht es denn noch?“ Steeker beobachtete im Augenwinkel die Mitglieder des Beraterstabes, die dieser Aufzählung sehr aufmerksam zu gehört hatten. „Kaum noch. Danke Mr. Willcox. Ich habe keine Fragen mehr, “ schloss Woody nun sein Kreuzverhör etwas vorzeitiger als ursprünglich geplant. Aber es war ja auch nicht geplant gewesen, dass der Scharfschütze so ausrastete, also hatte der Verteidiger improvisieren müssen. Er brauchte die Aussage des Lockenkopfes um zu beweisen, dass ein minder schwerer Fall von Unterlassung vorlag. Noch immer bebend und sich zur Ruhe zwingend nahm Colt wieder neben Saber Platz. Der nickte ihm leicht zu. Das war gut so. Der Cowboy hatte die Selbstbeherrschung weitgehend selbst zurück erlangt. Saber hatte nicht einen Ton sagen müssen. Früher hätte er drei Stunden predigen müssen. Colt hatte sich wirklich verändert. „Rufen Sie den Nächsten zur Befragung auf, Lieutenant Haywood“, verlangte der Vorsitzende nun. „Sir, ich rufe S.a.D. Shinji Hikari.“ Haywood blieb vor seinem Tisch stehen. Das Widerstreben des Gerufenen, verriet ihm, dass der sicher auch aus der Haut fahren würde, wenn er nur die richtigen Fragen stellte. Unbehaglich setzte Fireball sich und schaute auf den Staatsanwalt. Er durfte sich von ihm nicht reizen lassen. Der würde unbarmherzig genau auf die Schwachstellen des werdenden Vaters los gehen. Flüchtig blickte er zu April. Er wollte bei ihr sein, sie nicht verlassen müssen und mit ihr Charlene aufziehen. Haywood war der Blick nicht entgangen. „Wie stehen Sie zu Misses Rider?“ fragte er dann verständlicherweise, da die nicht so unwesentlich in den Fall involviert war. „ Chily?“ Der Rennfahrer schaute auf sie. „Sie ist unsere Hebamme und eine gute Freundin.“ Das konnte er getrost behaupten. Es stimmte, auch wenn er und sie sich gelegentlich in die Wolle bekamen. Sie söhnten sich schließlich auch schnell wieder aus. „Hebamme“, nickte der Weißblonde. „Wie lange noch bis zur Geburt?“ wollte er dann wissen. „Etwa noch vier Wochen“, erwiderte Fireball. „Schön. Junge oder Mädchen?“ Haywood warf einen kurzen Blick zu der Schwangeren im Saal. Da war doch auch schon der Schwachpunkt. „Mädchen“, antwortete der Japaner. Ihm wurde noch unwohler. Was hatte das mit dem Fall zu tun? „Haben Sie sich schon auf einen Namen geeinigt? Ist das Zimmer vorbereitet?“ Das Gesicht des Staatsanwaltes war undurchschaubar. Fireball spürte, dass er verdammt aufpassen musste, sonst würde es ihm genauso wie Colt gehen und er würde ausrasten. „Ja und ja“, ließ er sich vernehmen. „Hm. Nach Ihrem Alter zu urteilen Ihr erstes Kind. Sehe ich das richtig?“ wollte der Ankläger nun wissen. „Ein Hellseher.“ Wann kam der endlich zum Punkt. Zunächst tat er bescheiden. „Menschenkenner, wenn überhaupt.“ Er trat einen Schritt auf den Vernehmungstisch zu. „Dann sind Sie sicher sehr aufgeregt.“ – „Jetzt hab ich die Zeit dazu, ja“, entgegnete Fireball wahrheitsgemäß. Immerhin hatten ihn die Ereignisse während des Falles um Pennyrile doch sehr in Atem gehalten. „Vorher war es etwas schwieriger, schon klar. Sie mussten viel um dieses Kind fürchten, so weit ich aus den Akten weiß, “ bereitete Haywood nun seinen Tiefschlag vor. „Hn.“ Der Pilot biss sich auf die Lippen. Es hatte ihn mehr Nerven gekostet, als er tatsächlich hatte, aber das konnte er ja schlecht zugeben. „Tja, es dürfte einen nicht so recht kalt lassen. Haben Sie sich deshalb zwischenzeitlich mit Starcaptain Yamato getröstet, als Miss Eagle zur Kur war?“ Fireball riss die Augen auf. „WAS?“ rief er geschockt. „Ich wiederhole die Frage“, meinte Haywood unbeeindruckt. „Hatten Sie eine Affäre mit Starcaptain Yamato, während Ihre schwangere Freundin Miss Eagle zur Kur war?“ Er betonte die Frage besonders um zu zeigen, wie wenig er davon hielt. „Ich weiß ja nicht, wo Sie sich den Kopf gestoßen haben, aber offensichtlich war das für Ihre grauen Zellen nicht förderlich. Nein, habe ich nicht, “ schnaubte Fireball düster und war genau da gelandet, wo der Staatsanwalt ihn haben wollte. „Aus privaten Aufzeichnungen, von Starsheriff DeMartin geht hervor, dass sie Sie und Starcaptain Yamato gesehen hat. In der Hausbar der jetzigen Misses Rider.“ Dabei nahm er ein kopiertes Blatt vom Tisch und hielt es dem Rennfahrer vor die Nase. „In flagranti sozusagen“, ergänzte er. Der Japaner riss ihm den Zettel aus der Hand und zerknüllte ihn. „Schon mal dran gedacht, dass unser gute Suzie gelogen hat?“ fauchte er. „Das Zerknüllen von Beweismitteln wird Sie nicht retten“, erinnerte Haywood ihn und triumphierte innerlich. „Ich gehe davon aus, dass es wegen diesem One-Night-Stand auch Streit zwischen Ihnen und Miss Eagle gegeben hat?“ fuhr er fort. „Ich hatte wegen Suzie schon genug Ärger mit April und jetzt fangen Sie auch noch damit an. Da war niemals was!“ begehrte der Japaner aufs tiefste in seiner Ehre gekränkt auf. Gerade noch konnte er die unglückliche Formulierung von Da war nix, da ist nix und da wird nie was sein unterdrücken. Es würde nämlich tatsächlich nie mehr etwas gehen, weil Mandarin tot war und dies wiederum wäre nur eine weitere Angriffsfläche für Haywood gewesen, wenn er sich nicht ohnehin von selbst auf diesen Punkt einschießen würde. „Sie brauchen Miss DeMartin nicht um Ihrer Freundin untreu zu werden“, nickte der nun. Das lief ja wirklich gut. „Dafür müsste ich zuerst mal untreu werden“, parierte der auch noch sofort. „Ach, sie wollte Sie nicht genau wegen Untreue, nicht genau aus diesem Grund verlassen? Da hat Ihnen Miss DeMartin ja reichlich Ärger eingebrockt.“ Der Unterton in der Stimme des Weißblonden trieb den Rennfahrer noch weite auf die Palme. Jetzt schaute er zu April und krallte die Hände fast in den Tisch. „Hat sie. Wegen nix und wieder nix, “ knurrte er. Deutlich flackerte ihm wieder vor Augen, wie April aus der Kur zurückgekehrt war und angefangen hatte, die Koffer zu packen. Sie hatte ihn wirklich verlassen wollen. Sein Herz zog sich schmerzhaft bei dieser Erinnerung zusammen. „Sie gehen sehr gelassen damit um.“ Haywoods Brauen schoben sich ironisch belustigt nach oben. „Fassen wir das zusammen. Sie hatten eine Bettgeschichte mit Miss Yamato, von der sowohl Miss DeMartin und ihre Freundin Miss Eagle erfahren haben. Letztere wollte Sie sogar verlassen. Sie haben wohl bis heute eine unglaubliche Wut auf Miss DeMartin, “ schlussfolgerte er und deutete auf die Finger des Piloten. „Eher auf Sie, weil Sie so einen Schwachsinn verzapfen! Mandy war meine beste Freundin. Nicht mehr und nicht weniger. Die Frau, die ich liebe, sitzt da hinten und trägt unser Kind unter ihrem Herzen. Suzie hat alles in Gefahr gebracht, was mir jemals lieb und teuer war, “ rief der nun völlig ungehalten. April lächelte zärtlich, als er diese Worte so in alle Welt hinausschrie. „Das nennt man wohl, eine Mordswut haben“, stellte der Weißblonde kühl fest. „Einspruch. Lieutenant Haywood spekuliert.“ Steeker hatte leider nicht vorher die Möglichkeit gehabt wirkungsvoll einzugreifen. Erst jetzt würde der Vorsitz dieses Verhör abwürgen. Und tatsächlich nickte der Colonel. „Das war eine Befragung an der zulässigen Grenze des guten Geschmacks Lieutenant. Deshalb erteile ich nun Lieutenant Steeker das Wort.“ Haywood war zwar noch nicht fertig mit dem Japaner, beugte sich aber dennoch dem Vorsitzenden. Was anderes konnte er kaum tun. „Mister Hikari, wie haben eigentlich die werdenden Großeltern auf die Schwangerschaft von Miss Eagle reagiert?“ schoss Woody gleich eine Frage hervor, um den ungünstigen Eindruck, den der Rennfahrer erweckt hatte, gleich zu verbessern. „Es sind nur noch meine Mutter und Aprils Vater da, die sich darauf freuen können“, entgegnete er und senkte die Augen. Der nächste Schwachpunkt, verdammt. Hoffentlich endete das bald. „Verstehe. Und wie reagierte Ihr Freundeskreis?“ Der ruhige Ton Steekers brachte den Rennfahrer wieder zur Räson. „Überrascht.“ Er staunte über sich selbst. Das war eine ehrliche und noch dazu nette Antwort, wenn man bedachte, wie sie sich teilweise in die Wolle bekommen hatten. „Mister Hikari, Sie sind, wenn ich richtig informiert bin, der Sohn von Captain Shinji Hikari?“ wollte der Verteidiger nun wissen. Diese Tatsache dem Beraterstab ins Gedächtnis zu holen, konnte nicht schlecht sein, wenn man daran dachte, wie aufopfernd der sich für das Neue Grenzland eingesetzt hatte. Der Japaner nickte nur. „Dann wissen Sie leider viel zu gut, was das bedeutet mit nur einem Elternteil aufzuwachsen. Man sagt oft, dass in solchen Fällen die Freunde eine Art Ersatzfamilie werden. Trifft das auf Sie auch zu?“ lenkte Steeker ihn weiter in die Richtung, in die er ihn haben wollte. „Ja. Meine Freunde sind eine Familie für mich, “ gestand der. „Zu der auch Miss DeMartin und Starcaptain Yamato gehörten?“ bohrte Woody weiter. „Eigentlich schon, ja.“ – „Eigentlich zieht die Aussage in Zweifel“, bemerkte der Rechtsanwalt, „Was hat die Änderung bewirkt?“ Fireball hob den Kopf wieder. „Mandy und Suzie haben zu unserem Freundeskreis gehört. Ich hab den beiden so viel Vertrauen entgegengebracht, wie Saber oder auch Colt. Suzie hat mit allen Mitteln versucht, einen Keil zwischen mich und April zu treiben und hat uns alle hintergangen. Nach allem, was vorgefallen ist, würde ich nicht mehr behaupten, Suzie noch eine Freundin genannt zu haben.“ Er schaffte diese Aussage zu treffen, ohne erneut die Fassung zu verlieren, die er sich gerade stückchenweise wieder zusammen suchte. „Was ist mit Starcaptain Yamato?“ hakte Steeker nach. Es tat ihm leid, dass tun zu müssen, aber es war nun mal wichtig. „Mandy ist gestorben“, flüsterte der Rennfahrer. „Durch wessen Schuld?“ Woody schonte ihn nicht. Auch Haywood nicht. „Wenn Sie sich mit der Antwort eines weiteren Vergehens schuldig machen, dürfen Sie auch schweigen“, warf er ein. „Suzie“, brachte der Pilot hervor und warf einen bitterbösen Blick zum Staatsanwalt. Was erlaubte der sich da für eine Unterstellung? „Das belegt auch der Bericht“, fuhr Steeker ungeachtet des Zwischenrufes fort und schnappte sich eine Mappe von seinem Tisch. Diese hielt er in die Höhe. „Falls Ihnen das entgangen ist, Lieutenant Haywood, “ kommentierte er dann doch dessen Unterbrechung und wandte sich dann gleich wieder an seinen Schützling. „An dem Abend, als Miss DeMartin gestellt wurde, kam es, laut diesem Schriftstück, zu drei Ereignissen, die Sie nicht unbeeindruckt gelassen haben dürften. Welche waren das bitte?“ – „Suzie hat Mandarin ermordet, Chily angeschossen und meine schwangere Freundin als Schutzschild für ihre Flucht benützt“, zählte der daraufhin auf. „Und sie versuchte zu fliehen. Wer hat das verhindert?“ Bei dieser Frage brachte Steeker die Mappe wieder zum Tisch. „Colt und ich“, antwortete Fireball erstaunt, „Saber blieb bei Chily, die ja verletzt wurde.“ – „Aha. Sie haben sie verhaftet. Ihr Vorgesetzter hätte weder etwas gesehen, noch Sie zurück halten können, “ fasste er zusammen und kam zu der wesentlichsten Frage seiner Vernehmung. „Warum haben Sie sie nicht gleich da erschossen?“ Dem Rennfahrer entgleisten sämtliche Gesichtszüge, so geschockt war er von der Frage. „Sehe ich so aus, als könnte ich das?“ fragte er fassungslos zurück und schien tatsächlich gerade unfähig seinen vollen Namen zu nennen. Steeker unterdrückte ein Grinsen. Perfekt. Wer so auf diese Frage reagierte konnte kaum vorsätzlich gehandelt haben. „Danke, Mr. Hikari. Keine weiteren Fragen, “ entließ er den Piloten aus dem Befragungsstand. Es folgte eine weitere Unterbrechung von fünf Minuten. Nach drei Befragungen und der darin enthaltenen Informationsfülle war es ganz einfach notwendig. Trotzdem würden sie den ganzen Tag hier verbringen. Das KOK wollte so schnell wie möglich zu einem Urteil kommen und die Sache abhaken, bevor es an die Öffentlichkeit drang und dort Staub aufwirbelte. Diese Pause schien noch länger zu dauern, als die davor. Während die Jungs unzufrieden über ihre Anhörung waren und ihnen im Nachhinein die besseren Antworten einfielen, konnten ihre Mädchen es kaum erwarten zu Wort zu kommen. Diesem aufgeblasenen Haywood wollten sie schon erzählen, wie gut ihre Männer waren. So einfach ließen sie sich nicht von ihnen trennen. Für die ungeduldige Schwangere war es ein Segen, dass der weißblonde Lieutenant sie nach der Pause als nächste in den Befragungsstand rief. Der konnte was erleben. Gedanklich fragte sie sich, welche Foltermethoden für ihn wohl die schlimmsten wären, kam dann aber zu dem Schluss, dass es nichts nützen würde, ihm das Herz aus der Brust zu kratzen, da er ihrer Ansicht nach nicht über dieses Organ verfügte. Sein höfliches „Fühlen Sie sich wohl, Miss Eagle?“ quittierte sie mit einem ironisch freundlichen Lächeln. „In Ihrer Gegenwart? Es geht.“ Das war schließlich eine ehrliche Antwort. „Die letzten Monate waren aufregend für Sie, nicht wahr?“ wollte Haywood dann wissen. Sie nickte knapp. „Das kann ich verstehen. Ihre - ich nehme an – doch etwas überraschende - Schwangerschaft, die Ereignisse in Tucson-City und zu allem Überfluss ein Freund, der - sagen wir - seinen väterlichen Pflichten nicht nachkommt, “ zählte er auf. „Wenn Sie sich besser informiert hätten, wären Sie überrascht, wie falsch Sie mit ihrer letzten Aussage liegen, “ unterbrach sie ihn frostig. Der Mann war bei ihr in nicht wieder gut zu machende Ungnade gefallen. Wie kam er überhaupt dazu, derart anmaßend über Fireball zu reden? „Ich bin sehr gut informiert, Miss Eagle, “ versicherte der Staatsanwalt. Ihm war klar, dass er nur bissige Antworten zu erwarten hatte. „Wie war denn Ihr Verhältnis zu Starcaptain Yamato und Miss DeMartin?“ hielt er sich fallbezogen. „Gut, bis Suzie versucht hat einen Keil zwischen mich und Fireball zu treiben, Mandy getötet und mir einen geladenen Blaster an die Stirn gehalten hat“, entgegnete die Schwangere sehr neutral. „Das erklärt das Verhältnis zu Miss DeMartin. Aber nicht das zu Starcaptain Yamato. Ich nehme an, Sie konnten Starcaptain Yamato aufgrund dieser Vorfälle nicht besonders gut leiden, “ fuhr der Weißblonde fort ihre Schwachstellen auszuloten. Doch sie hatte nicht vor ihm eine zu liefern. Er wollte ihr Eifersucht unterstellen? Nun gut, das war sie gewesen. Sie war von jeher eifersüchtig auf Mandarin gewesen, aber das musste sie ja nicht zugeben. „Was für Vorfälle meinen Sie? Meine Schwangerschaft und die darauf begründeten Gemütsschwankungen, denen so ziemlich jede Frau mehr oder weniger unterliegt?“ fragte sie mit einer gewissen Selbstverständlichkeit zurück, dass es völlig glaubhaft war. „Oh.“ Süffisant lächelte der Befrager. „Lassen sich diverse andere Eifersuchtsanfälle Starcaptain Yamato gegenüber in den Vorjahren auch mit Gemütsschwankungen erklären?“ hakte er prompt nach. „Sagt Ihnen PMS etwas?“ gab die Blondine schlagfertig zurück. Beeindruckend, das gestand Haywood ihr gedanklich zu. Aber es würde ihr nichts nützen. „Ich nehme an, aus Ihnen und Starcaptain Yamato wären niemals Freunde geworden. Sie haben sich also - ich nenne es mal - kollegial ihr gegenüber verhalten. Es gab immerhin keinen Grund auf sie eifersüchtig zu sein, “ fuhr er mit besonderer Betonung auf den letzten Satz fort und streute dabei gleich Zweifel. „Sie sind aufgrund Ihrer Schwangerschaft von diesem Fall abgezogen worden, aber dennoch waren sie ständig involviert. Ist das richtig?“ – „Meine Hebamme ist darin involviert“, stellte April klar. Jetzt tat der Staatsanwalt erstaunt. „Ihre Freunde auch, Miss Eagle, “ bemerkte er. „Fällt Ihnen was auf?“ fragte sie schnippisch zurück. Das tat es. Ihm war etwas aufgefallen. Nur nicht das, was ihm ihrer Meinung nach hätte auffallen sollen. „Ja. Ihr Freund hätte Sie da so gut als möglich raushalten sollen, hätte er an Ihre“, Er deutete auf den runden Bauch der Navigatorin. „Situation gedacht. So weit ich das aus den Berichten lesen konnte, wurden Sie entführt und hätten das kleine Mädchen beinahe verloren.“ April krauste unwillig die Stirn. „Ich bin schwanger“, betonte sie fest, „Dieser Umstand entmündigt mich nicht. Ich bin immer noch selbständig in der Lage zu entscheiden, was ich will. Und nirgendwo war ich sicherer als bei Fireball.“ Sie schaute zu dem Vater ihres Kindes, dann zu Colt, Saber und Robin. „Oder bei meinen Freunden.“ Jetzt ruhten ihre Augen auf der Hebamme. „Mit der wunderbaren Hebamme und ehemaligen Sanitäterin in der Nähe.“ Bewusst hatte sie die Fachkenntnisse der letzt genannten erwähnt, um deutlich zu machen, dass sie in kompetenten Händen gewesen war. Nur einen Moment lang hob Haywood die Brauen. „Ansichtssache“, meinte er dann trocken. „Miss Eagle, sehen Sie sich die drei Männer an und dann sagen Sie mir, dass keiner von ihnen ein persönliches Motiv hatte, Miss DeMartin sterben zu lassen“, fuhr er mit der Befragung fort. „Ein Motiv für eine Tat zu haben, heißt noch lange nicht sie auch auszuführen. Sonst hätte ich Sie vorhin schon ... Sie verstehen?“ Sie lächelte süß und kühl zugleich. „Das schieben wir auf Ihre Schwangerschaft, nicht wahr?“ quittierte der Weißblonde mit einem freundlichen Schmunzeln und nahm ihrem Konter so den Wind aus den Segeln. „Nur, weil sie es nicht selbst getan haben, heißt das nicht, dass diese Motive in den Hintergrund rücken. Sonst hätten Sie Miss DeMartin geholfen, “ setzte er dann fort. „Einspruch. Spekulation, “ unterbrach Steeker sofort. „Stattgegeben, “ nickte der Vorsitzende und gestattete dem Verteidiger das Kreuzverhör. „Wann, Miss Eagle, in dieser Zeit haben Sie ernsthaft in Erwägung gezogen sich aus dem Fall um Pennyrile herauszuhalten?“ wollte der wissen. „Nach meiner Entführung und nur auf das dringende Anraten meiner Hebamme. An ihre Empfehlung habe ich mich gehalten und bin auf die Kur gegangen, “ antwortete sie der Wahrheit entsprechend. „Und wann in dieser Zeit hat der Vater ihres Kindes, oder Mr. Willcox, oder Captain Rider verlauten lassen, dass einer von ihnen Miss DeMartins Tod wünsche?“ bohrte Woody weiter. Im Gegensatz zu der Befragung von Colt und Fireball, die er hatte improvisieren müssen, passte diese nun wieder in das von ihm zuvor entworfene Konzept. „Gar nicht. Keiner von ihnen, “ erwiderte die Blondine. „Keiner?“ hakte der Rechtsanwalt nach. „Nein, keiner, “ betonte sie noch einmal ausdrücklich.“ Steeker nickte. Zeit, wieder unauffällig ein paar Bonuspunkte zu sammeln. „Sie kennen die drei sehr gut und sehr lange aus Ihrer gemeinsamen Zeit auf dem Ramrod-Friedenswächter. Ist einem von ihnen Vorsatz zur Unterlassung zuzutrauen?“ – „Einspruch. Das zielt auf die persönliche Meinung ab, “ fuhr Haywood augenblicklich auf. „Richtig. Danach frage ich, “ erläuterte Steeker unbeeindruckt. Der vorsitzende Colonel wiegte grüblerisch den Kopf und entschied dann:„Antworten Sie, Miss Eagle.“ – „Nein, niemals“, erklärte sie souverän. „Danke, Miss Eagle. Keine weiteren Fragen.“ Woody kehrte an seinen Tisch zurück. Haywood trat vor seinen. „Miss Eagle, eins noch. Hatten Sie während Ihrer Dienstzeit auf Ramrod bereits eine Liaison mit Mr. Hikari?“ Am Tisch der Verteidigung sogen alle scharf Luft ein. Das hatte ja kommen müssen. Steeker wandte sich dem Verhör zu. Die Schwangere war blass geworden. Ihr „Nein“ klang leider nicht fest genug, was daran lag, dass sie mit einer solchen, für sie absurden Frage nicht gerechnet hatte. „Sie stehen unter Wahrheitspflicht“, erinnerte Haywood sie streng. Hinter der Absperrung sprang Chily alarmiert auf. Eine Schwangere, die Farbe verliert, war immer Grund zur Besorgnis. „Lassen Sie sie endlich in Ruhe. Das ist ja nicht mehr zumutbar, “ begehrte sie laut auf. „Misses Rider: Ich muss doch bitten. Setzen Sie sich, “ mahnte der Vorsitzende, aber sie dachte gar nicht daran. „Bei allem Respekt. Sie ist schwanger. Sie sagten selbst, dass er sich hart an der Grenze bewegt mit seinen Fragen, “ warf sie ein. „Da gebe ich Ihnen Recht, Misses Rider, aber diese Frage möchte ich gern beantwortet haben, “ entgegnete er. Zwangsläufig musste sich die Hebamme setzen. Es gefiel ihr nicht, aber was blieb ihr übrig. Sie durfte weder den Colonel noch den Beraterstab gegen sich aufbringen, wenn sie deren Entscheidung nicht negativ beeinflussen wollte. Dass sie genau dies mit ihrem Zwischenruf getan hatte, war ihr nicht bewusst. Immerhin konnte man es jetzt so auslegen, dass es etwas zu vertuschen gab. Der Vorsitzende wandte sich nun an die Navigatorin. „Miss Eagle?“ forderte er die Antwort auf die Frage. Die hatte ihre Fassung zurück. „Nein, hatten wir nicht“, erwiderte sie sicher. „Ein Blick in die Dienstzeugnisse der beiden hätte dafür genügt, Lieutenant Haywood. Die beiden mögen, wie man sich unschwer vorstellen kann, Gefühle für einander gehegt haben, aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie sich nicht an die Regeln gehalten hätten, “ informierte er und kritisierte dadurch diese unzumutbare Frage. „Wo sollte der auftauchen, wenn sie die Tochter von Commander Eagle ist?“ fragte der Staatsanwalt seinen Gegenspieler schnippisch. „Das ist ungebührlich“, empörte der sich aufrichtig erschrocken. Zum ersten und einzigen Mal in dieser Verhandlung war seine Reaktion keine Berechnung. „Aber nicht unrealistisch. Ich habe genau deshalb Zweifel an der objektiven Meinung von Miss Eagle, “ erläuterte Haywood ungerührt. „Glauben Sie wirklich, ich würde meinen Vater in eine solche Situation bringen?“ fuhr April ihn an. „Gerade weil ich seine Tochter bin, ist das lächerlich“, erklärte sie ruhig und so würdevoll, dass die Berater anerkennend nickten. „Danke, Miss Eagle. Sie können sich setzen. Ich denke die Frage ist hinreichend beantwortet, “ entließ der Colonel die Schwangere nun aus dem Befragungsstand. Haywood rief sogleich Robin hinein: „Miss Johnson, ich darf Sie bitten? Auch von Ihnen hätten wir gerne ein paar Antworten.“ Steif nahm diese Platz. Sie war nicht weniger aufgewühlt als April oder Chily, schwitzte genauso Blut und Wasser und wähnte die Jungs schon hinter Schloss und Riegel. Die Anhörung verlief so ausgeglichen, dass es nicht vorhersehbar war, wie sie ausgehen würde. „Sie sind die Verlobte von Mister Wilcox, richtig?“ begann Haywood nun. Die Lehrerin nickte. „Ich nehme an, Sie werden demnächst heiraten, Miss Johnson und dass Ihr Verhältnis zu S.a.D. Wilcox ein sehr inniges ist. Wie stehen Sie zu den anderen?“ Zielsicher hatte er ihre Schwachstelle freigelegt. Noch schneller als bei dem Scharfschützen. Das konnte nur daneben gehen. Robin fühlte es. „Ja, wir werden heiraten, sobald das alles hier vorüber ist und unsere Freunde,“ sie nickte leicht in die Richtung der Verteidigung, „werden dabei sein.“ Wenn es doch nur schon alles vorüber wäre. „Also sind sie auch Ihre Freunde“ fasste Haywood zusammen und erkundigte sich dann: „Gehörten Miss DeMartin und Starcaptain Yamato auch zu Ihrem Freundeskreis?“ – „Ich hab sie erst kennen gelernt, als sie zur Unterstützung gerufen wurden“, wich die Lehrerin aus. „Und wie sehr mochten Sie die beiden Damen nun? Waren sie sympathisch oder hegten Sie, so wie Miss Eagle auch, eine gewisse Eifersucht auf eine der beiden Damen?“ bohrte der Weißblonde glatt noch mal nach. „Ich kannte beide kaum“, umging sie auch diese Frage so gut sie konnte. Sie wollte ihm ganz sicher nicht auf die Nase binden, wie wenig sie Suzie hatte leiden können, weil sie nicht nur mal mit ihrem Zukünftigen angebandelt hatte, sondern auch permanent Zwist gestreut hatte. Wie heftig war die Hebamme wegen der Verräterin ausgerastet und was für einen fiesen Streit hatte sie anschließend mit Saber deshalb gehabt. Oder Robin selbst mit Colt. Suzie hatte es meisterlich hinbekommen, dass zwischen allen die Fetzen geflogen waren. „Aber einen Eindruck von ihnen müssen Sie doch gehabt haben, Miss Johnson“, ließ der Staatsanwalt nicht ab. „Einen Eindruck haben und eine Meinung sind zwei verschiedene Angelegenheiten“, definierte Robin und wich wiederum vor der gewünschten Aussage zurück. „Dann schildern Sie uns das bitte“, verlangte Haywood. Langsam ging ihm auf, dass sie nichts aussagen würde, um niemanden hinein zu reißen. So aufgewühlt wie sie war, würde sie etwas Unbedachtes antworten und die Angelegenheit unbeabsichtigt verschlimmern. Es war abzusehen, dass sie sich bald auf ihr Recht zu schweigen berief. „Sie kamen an, sie sagten Hallo, sie wurden in ihre Bereiche unterwiesen und lebten mit uns in der Zeit“, berichtete sie nun, ohne wirklich Informationen preiszugeben. „Wie war das Zusammenleben?“ hakte Haywood nach. „Kann ich schwer sagen. Colt war zu dem Zeitpunkt aus dem Krankenhaus entlassen worden und ich habe mich vor allem darauf konzentriert, dass er wieder gesund wird, “ schilderte sie. „Ah ja, ihr Verlobter ist verunglückt. Verständlich, dass Sie sich vorrangig um ihn gekümmert haben. Durch Ihre Entführung hatte Mister Wilcox große Wut auf Miss DeMartin. Hat er deswegen nicht eingegriffen?“ Noch gab der Ankläger nicht auf. „Ich konnte Miss DeMartin entkommen und habe mich in der Nähe vor ihr versteckt gehalten. Außerdem wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ich entführt worden war, “ berichtigte Robin ihn. Aber die Ruhe, die sie dabei reflektierte, kostete sie unglaubliche Anstrengung. „Hat er mit Ihnen mal darüber gesprochen, dass er Miss DeMartin in irgendeiner Weise etwas Böses wollte? Wie wir ja schon gehört haben, hätte er - genau wie Mister Hikari und Captain Rider - allen Grund dazu gehabt.“ Haywood musterte sie genau. „Wie Sie schon gehört haben, ein Motiv allein reicht nicht aus.“ Ihr gelang sogar ein Lächeln. „Ansonsten, nein, er hat nicht mal über sie geschimpft“, antwortete sie. „Und wie wir heute schon von Mister Wilcox selbst gehört haben, Miss DeMartin hätte noch mehr verdient als das“, interpretierte er in die Aussage des Scharfschützen hinein. „Er sagte wortwörtlich: Das ist DIE doch gar nicht wert.“ Dabei ahmte die Braut ihren Zukünftigen sogar recht überzeugend nach. Woher sie in dem Moment die Kraft dazu nahm, wusste sie nicht. „Wenn Sie zitieren, dann bitte richtig. Außerdem sagte er, dass er eher sterben würde, als jemanden zu töten, “ fügte sie dann noch sicher hinzu. „Er hat niemanden getötet, aber er hat dabei zugesehen und es geschehen lassen. Das geht aus den Berichten eindeutig hervor. Ihr Zukünftiger steht damit aber nicht alleine da. Captain Rider und Mister Hikari haben es ebenfalls nicht für wert gehalten, einzuschreiten. Das ist Fakt.“ Mit etwas Selbstbewusstsein parierte sie. „Nein, das ist das, was Sie daraus machen wollen. Keiner von den dreien würde das, was Sie ihnen unterstellen, wirklich tun.“ Der Weißblonde wies weit in den Saal. „Das haben sie schon getan, Miss Johnson. Das muss ich den dreien nicht mehr unterstellen, “ bemerkte er dabei. „Sie können Ihre Anschuldigungen doch gar nicht beweisen, sonst würden Sie Ihre Fragen anders stellen. Haben Sie keine vernünftige Argumentation parat, “ schnaubte sie entrüstet. „Na ja, kein Wunder, wenn man sich einzig auf die Aussagen eines Outrider-Freundes und Kriegsgewinnlers wie William Maddox stützt.“ Die Lehrerin sah immer mehr ihre Felle davon schwimmen. Sie schien nichts sagen zu können, nein, niemand schien etwas sagen zu können, dass die drei entlastete. Wenn dass so weiter ging, würde sie Colt nie heiraten. Jetzt streute Haywood auch noch Salz in diese Wunde. „Man hört Ihnen an, wie empört Sie darüber sind, Miss Johnson. Und glauben Sie mir, auch Ihre Argumentation ist nicht besser. Wäre doch schade, wenn Ihre Hochzeit ins Wasser fallen würde, nur wegen einer vorsätzlich unterlassenen Hilfeleistung Ihres Zukünftigen.“ Die Ruhe in seiner Stimme ließ nichts Gutes vermuten. „Sie greifen an. Sie fragen nicht. Warum soll ich noch ein Wort sagen?“ Sie sah keine Chance mehr, ihren Kuhhirten und seine Freunde zu verteidigen. Nicht so lange dieser Staatsanwalt jede Aussage so verdrehte. Wie sollte da jemand erkennen, was wahr war und was nicht. „Ihre Zeugin, Herr Kollege“, übergab der nun Steeker das Verhör mit einen fiesen Grinsen. „S.a.D. Willcox wusste nicht, dass Sie entführt worden waren?“ hakte der nach. „Nein. Das hat er nicht gewusst, “ bestätigte sie. „Dann hatte er also kein Motiv?“ fragte Woody und musterte die Blonde aufmerksam. „Nein“, presste sie hervor. So nützte sie ihm nichts. Sie war beim besten Willen nicht in der Verfassung eine brauchbare Aussage zu treffen. Ihre Angst um Colt hemmte sie. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sie aus dem Befragungsstand zu entlassen. „Danke, Miss Johnson.“ Colt schaute seiner geliebten Lehrerin nach, wie sie wieder unter den Beiwohnenden Platz nahm. Es tat ihm leid, dass er sie in diese Lage gebracht hatte. Es tat ihm leid, dass es sie so quälte und er nichts daran ändern konnte. „Dann hätte ich ganz gerne Misses Rider als nächstes im Zeugenstand“, berief der Staatsanwalt diese nun ein. Die setzte sich und erklärte ungefragt. „Bevor Sie sich blamieren. Ich hatte nie Sex mit Colt, auch nicht mit Fireball, April, Robin, Suzie oder Mandy und ich erwarte von keinem ein Kind.“ Unwillkürlich wich der Lieutenant einen Schritt zurück. „Schon gut, Misses Rider, fahren Sie Ihre Krallen wieder ein“, beruhigte er sie halb und fing mit der ersten Fraga an. „Wie gut kannten Sie die verstorbene Miss DeMartin?“ – „Kaum.“ – „Aber die drei Herren sind Ihnen bekannt, oder?“ Haywood versuchte sie zu durchschauen. „Vage. Am wenigsten den, den ich geheiratet hab, “ konterte sie die Frage. Die war ihr schlichtweg zu dumm gewesen. „Misses Rider. Bleiben Sie sachlich, “ mahnte er sie. „Stellen Sie vernünftige Fragen, “ parierte sie postwendend. Was für ein Biest. Wenn das mal nicht ihr wunder Punkt war. „Der Fall war vor allem für Captain Rider persönlich. Immerhin wurde seine Frau bedroht und auch angeschossen, soweit ich mich erinnere. Misses Rider, hätte man Captain Rider Ihrer Meinung nach nicht von diesem Fall abziehen müssen? Entschuldigung, hätte man nicht alle von diesem Fall abziehen müssen?“ wollte er dann wissen. „Gibt es eine Möglichkeit die Frage zu beantworten, ohne dass Sie mir anschließend das Wort im Mund umdrehen?“ fragte sie zurück. „Ja, beantworten Sie sie ehrlich“, entgegnete er streng und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Skeptisch zuckte ihre linke Braue in die Höhe, wie immer, wenn sie jemandem nicht glaubte, was er sagte. „Sind Sie sicher, dass Ihnen die Bedeutung dieses Wortes bekannt ist?“ – „Misses Rider!“ mahnte sie jetzt auch der Vorsitzende. „Ja Sir, ich weiß, antworten Sie auf die Frage“, seufzte sie leicht und wandte sich dann an den Staatsanwalt. „Für mich persönlich, war nichts beruhigender, als alle in der Nähe zu haben und Saber und ich waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet“, gab sie dann Auskunft. „Trotzdem war die persönliche Bindung an diesen Fall zu viel, wie mir scheint. Es stand für die drei zu viel auf dem Spiel. Und zu allem Unglück war es eine ehemalige Freundin der vier gewesen, die sie an die Outrider verraten wollte. Glauben Sie nicht, Misses Rider, dass die Enttäuschung darüber so tief saß, dass keiner eingreifen wollte?“ Bei der Frage betonte er „wollte“ stark. „Das ist Unsinn.“ Unwirsch verzog sie das Gesicht. Der redete ja einen Stuss zusammen. „Von wollen kann ja nun wirklich keine Rede sein. Die drei sind zu sehr von dem, was sie als Starsheriffs tun überzeugt, als dass sie vorsätzlich etwas Unrechtes tun würden. Und sie können alle, sogar Bullet, trennen, zwischen dem, was gesetzlich richtig ist und was einem persönlich als richtig erscheint, “ sagte sie. „Sind Sie sich da sicher?“, bohrte der Weißblonde. „Wäre ich sonst hier? Wenn Sie für einen Cent Menschenkenntnis hätten, wüssten Sie, wen sie mit den dreien angeklagt haben und wie falsch das ist.“ Am liebsten hätte sie ihm für seine Dreistigkeit eine runter gehauen. „Das ist Ihre persönliche Meinung. Wie die Strafe für die drei aussehen wird, entscheidet letztendlich der Richter. Die Anklage wurde zu Recht erhoben, wir wollen doch keine Tatsachen verdrehen, Misses Rider, “ ermahnte er sie spöttisch. Gedanklich klatschte sie ihm noch mal eine. „Das ausgerechnet von Ihnen. Sie tun doch die ganze Zeit nichts anderes, “ versetzte sie böse. „Ich versuche, Unstimmigkeiten und Hinweise zu finden. Nichts anderes, Misses Rider,“ rechtfertigte er sich sachlich. Ihr Räuspern verriet, dass sie auch das nicht glaubte. Aber sie nickte. Sollte er mal suchen. Es gab ja nichts zu finden. „Hat sich Captain Rider während des Falles verändert, Misses Rider? Hat sich in seinem Verhalten was geändert, nachdem er herausgefunden hat, wer hinter den Drohungen und den Anschlägen steckte?“ startete Haywood nun zum zweiten Mal in das Verhör. „Ja, er hat sich verändert, aber nicht in Bezug auf den Fall. Er blieb sachlich, objektiv und faktenbezogen, “ antwortete sie brav. „Wie hat er sich dann verändert, Misses Rider?“ hakte der Staatsanwalt nach. „In anderer Hinsicht eben. Das gehört aber nicht hierher, “ wiegelte sie diese Auskunft ab. Da gab es ein paar Dinge über den Recken, die sie hier nicht ausbreiten wollte. „Sie irren sich, Misses Rider. Das gehört hier her, “ beharrte der Lieutenant. „Nur wenn es für irgendjemand hier genauso interessant ist, ob Sie schon mal homosexuelle Phantasien hatten, “ schnappte sie und er konnte wohl froh sein, dass sie ihn nicht gebissen hatte. „Misses Rider!“ Haywood schoss nun Röte ins Gesicht. Schwer zu sagen, ob vor Zorn oder vor Scham. „Hüten Sie Ihre Zunge, Misses Rider und antworten Sie bitte“, forderte der Colonel streng. Sie drehte sich zu ihm. „Es gehört aber nicht hierher“, versicherte sie. Oder sollte sie allen Ernstes erzählen, wie sich der Schotte verzweifelt auf dem Bootssteg an sie geklammert hatte? Das wäre ihm sehr peinlich. Das wäre es schon, wenn sie es seinen Freunden erzählt hätte, noch mehr in einer solchen Anhörung. Es würde dem Weißblonden nur Gelegenheit geben, ihn auseinander zu nehmen, bis von ihrem Mann nichts mehr übrig war. So schaltete sie auf stur, als Haywood nun erläuterte: „Sie irren sich. Die Privatperson Captain Rider hat damit sehr wohl etwas zu tun. Schließlich zählen Freundschaften zum privaten Kreis und darum geht es schließlich. Hat Captain Rider die Hinrichtung von Miss DeMartin nicht verhindert, weil er von der ehemals guten Freundin verraten worden war?“ – „Aber was zwischen ihm und mir war und ist, wenn wir allein waren, ist nicht Thema, deshalb werde ich Ihnen auf die erste Frage nicht antworten“, ließ sie ihn gegen eine Mauer laufen. „Und zur zweiten. Saber war immer noch sachlich, als sie Suzie verhört hatten. Fireball war es auch und als Bullet die Sachlichkeit ein wenig verloren hat, hat Saber dafür gesorgt, dass es in dem richtigen Rahmen bleibt.“ Mehr würde er dazu nicht aus ihr herausbekommen. „Ich will Ihnen das glauben, Misses Rider. Ihre Zeugin, Herr Kollege.“ Haywood trat an seinen Tisch. „Einen Scheiß wollen Sie“, brummte sie missmutig vor sich hin. „Misses Rider. Noch so eine Bemerkung und Sie müssen das Urteil draußen abwarten, “ warnte der vorsitzende Colonel einigermaßen ungehalten. So etwas hatte er noch nie erlebt. Bevor es dazu kam, presste sie die Lippen zusammen. „Jolene, bitte zeig dich kooperativ“, mahnte auch ihr Mann nun. „Tu ich doch. Ich habe schließlich geantwortet und sitzen kann er auch noch, “ murrte sie zurück. „Jolene.“ Streng und warm zugleich schaute ihr Mann sie an. „Ja, ich bin brav“, gab sie sich geschlagen, auch wenn es ihr nicht so recht passte. Immerhin war es nun an Steeker zu fragen. Also los. „Misses Rider. Ihren Worten entnehme ich, dass Captain Rider gut zwischen Beruf und privat trennen kann. Konnte er das auch, wenn es um Miss DeMartin ging?“, begann er. „Ja, das konnte er. Das kann er immer. Ich glaube nicht, dass es noch jemanden gibt, der das so gut kann wie er, “ erwiderte sie. „Auch, wenn Miss DeMartin sowohl Kollegin als auch Freundin war? Konnte Captain Rider immer noch seine Pflicht tun?“ musste der Verteidiger ergründen. „Ja“, gab sie knapp zurück und ergänzte einem Impuls folgend, „Sehen Sie, ich mochte sie nicht. Ich hab ihr nicht vertraut und es gab mehr als eine Auseinandersetzung zwischen ihr und mir. Und was glauben Sie, wer dafür von ihm eins aufs Dach gekriegt hat?“ Woody nickte. „Captain Rider hat versucht zu vermitteln und Sie angehalten, objektiv zu bleiben, nicht wahr?“ verstand er. „Ja. Uns beide, wohlgemerkt. Sie hatte sich zu benehmen, wie man es von einem Gast erwarten kann und ich musste mich mit meinem Misstrauen zurückhalten, so lange es nur mein Gefühl war und nicht zu beweisen, “ führte sie aus. „Waren alle so objektiv, wie Captain Rider?“ wollte der Rechtsanwalt wissen und dankte dem Schotten gedanklich, dass er sie zur Räson gebracht hatte, sonst wäre sie auch keine Hilfe. „Hm. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Colt es auch immer war. Aber er hat sich definitiv darum bemüht und wenn er es nicht war, dann hatte es nicht so sehr was mit Suzie zu tun, sondern damit, dass er verletzt war und uns nicht beschützen konnte. Also, uns, die ihm am Herzen liegen, “ beantwortete sie auch diese Frage wahrheitsgemäß. „Dieser Fall hat alle drei, also S.a.D. Wilcox, S.a.D Hikari und Captain Rider, an ihre Grenzen gebracht. Glauben Sie, es war zu viel für Sie?“ Gut, er fragte nach ihrer Meinung, aber das war nicht verboten und konnte mit der richtigen Antwort zum Ziel führen. „Allerdings“, schoss sie hervor, dass es keinen Zweifel ließ. Steeker nickte. Die Richtung stimmte schon mal. „Inwiefern?“ lotste er sie nun auf die Zielgerade. „Vom Gefühl her, wissen Sie. Ich hatte eine heftige Diskussion mit Little Daddy, weil Little Mama“ Damit jeder wusste, von wem sie sprach, wies sie dabei auf Fireball und April. „fast das Kind verloren hätte. Das war ganz einfach nicht mehr schön. Ich meine, ich weiß, er war außer sich vor Sorge, aber der Streit war eben nicht ohne. Bullet ist schon von Geburt an um mich besorgt und möchte mich am liebsten in Watte packen, damit mir nichts passiert. Gut, den Job hat er jetzt Saber übergeben, aber dafür setzt er das bei Robin fort. Und Saber, na ja, bei ihm liefen die Fäden zusammen. Folglich hat er alles abgekriegt.“ Ihre Gedanken glitten zu dem Steg zurück, als er sich so an sie geklammert hatte, nachdem er sich mit Fireball auf der Veranda so heftig gestritten hatte. Saber hatte sogar geweint. „Also ist auch die Freundschaft untereinander an ihre Grenzen gelangt“, stellte Steeker fest. „Ja, ist sie“, nickte die Hebamme. „Ich schließe daraus, dass die drei einiges zu verarbeiten haben. Würden Sie sagen, dass ihnen das bisher gelungen ist?“ erkundigte sich der dunkelhaarige Lieutenant weiter. „Da kann ich nur für Saber sprechen und der ist dabei.“ Gedanklich fügte sie ein „Mehr oder Weniger“ an. „Danke, Misses Rider.“ Dann sprach Steeker an den Vorsitzenden und den Beraterstab gewandt. „Sie sehen, durch die Bank zeichnet sich das Bild ab, dass Captain Rider und sein Team emotional nicht mehr in der Lage waren, einzugreifen und die Tötung zu verhindern“, fasste er zusammen. Der Colonel nickte. „Kreuzverhör, Lieutenant. Haywood?“ Der nickte leicht. Ein undefinierbares Lächeln trat auf sein Gesicht, als er aufstand und wieder zu Chily trat. „Misses Rider. Wie beurteilen Sie die Unterlassung durch die drei?“ – „Bitte?“ – „Ich formuliere es anderes. Glauben Sie, war es eine Kurzschlussreaktion der drei, nicht einzugreifen?“ fragte er und klang einigermaßen harmlos. „Nach dem Streit, dem Gezicke, den Ängsten, dem Stress - der ganzen zermürbenden Situation, da kommt, wenn, dann nur das in Frage, “ entgegnete sie. Ihr schwante nichts Gutes. Da musste noch etwas kommen. Nur was? Sie rechnete doch schon mit allem. Aber so, wie Haywood da stand, offenbar doch nicht. Der hatte noch einen Tiefschlag in petto. „Simpel zusammengefasst: Sie waren überfordert, “ schlussfolgerte er. „Emotional ja, “ bestätigte sie, damit sie auch ganz sicher richtig verstanden wurde. „Misses Rider, wer hat, nachdem Starcaptain Yamato tot aufgefunden wurde, den ungefähren Todeszeitpunkt angegeben?“ wollte Haywood nun wissen. „Das war ich“, gab sie zu. „Aber Sie sind Hebamme“, bemerkte er. „Inzwischen ja. Zuvor habe ich aber die Ausbildung zum Sanitäter gemacht und in diesem Job auch gearbeitet. Im medizinischen Bereich spielt Blut mit all seinen Eigenschaften eine sehr wichtige Rolle und jeder von uns kann beim Anblick einer Blutlache anhand der Gerinnung eine zuverlässige Aussage treffen, “ blieb sie noch souverän. „Klar, “ nickte er so, dass deutlich war, dass er es anzweifelte. „Warum haben Sie gewechselt?“ Chily staunte über diese Frage. „Aus persönlichen Gründen“ erwiderte sie. „Weil Sie nicht fähig waren, einen Menschen zu retten?“ schoss der Weißblonde nun seinen Giftpfeil ab. Hatte sie es doch gewusst. Verdammt. Sie fuhr in dem Stuhl vor, konnte sich gerade noch so weit beherrschen nicht aufzuspringen und über den Tisch zu langen. „Hallo? Ich habe nicht versagt, falls Sie mir das unterstellen wollen. Ich habe nur einmal eine Frau im RTW gehabt, die auf dem Weg ins Krankenhaus entbunden hat. Das war alles, “ fauchte sie. „Es war einfach ein wunderbares Gefühl. Das Kind, die Mutter, der Vater, das Glück, “ erklärte sie dann wieder sanfter. „Und noch ein Beweis für Ihre Emotionalität, zusätzlich zu dem, was sie durch Ihr Verhalten schon geliefert haben. Leicht vorstellbar, wie Ihnen der Druck dieses Falles zugesetzt haben muss. Sind Sie sicher, dass sie nicht Captain Rider oder einem der beiden S.a.D.s vermittelt haben, dass sie Miss DeMartins Ableben wünschen. Sie mochten sie ohnehin nicht und die drei würden für Sie oder Miss Johnson oder Miss Eagle doch alles tun, wenn ich das richtig sehe, “ stellte Haywood fest. Jetzt schoss Chily in die Höhe. Ein mahnender Blick des Schotten ließ sie sich wieder setzen. Sie zwang sich sichtlich zur Ruhe. „Ich mochte Suzie nicht, aber das ist schlichtweg Schwachsinn, bei allem Respekt. Keine von uns würde einen der Drei um so etwas bitten, weil das unmenschlich ist. In solch einen Gewissenskonflikt würde und hat keine von uns einen von ihnen gebracht und das alles nagt an ihrem Gewissen, “ erklärte sie dann mit leichten Beben in der Stimme. „Na, wenigstens etwas. Danke, das reicht mir.“ Haywood wandte sich ab. Chily seufzte leicht. Haywood hatte ihre Kompetenz und damit ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt. Da dürfte ihre Aussage kaum einen Pfifferling wert sein. Verdammt noch mal. „Kann ich gehen?“ fragte sie den Vorsitzenden. „Nehmen Sie bitte wieder Platz“, nickte der. Seine Augen richteten sich kurz auf Haywood und William Maddox, dann wanderten sie zu Steeker, Saber, Fireball und Colt. Hinter jedem saß die Partnerin um ihnen den Rücken zu stärken. Offensichtlich. Einen Fall wie diesen hatte er noch nie geleitet, schoss es ihm durch den Sinn. Vorläufig entließ er die Anwesenden in die Pause. Weitere Minuten des Martyriums die nie enden wollten, so schien es. Kapitel 22: Stand up for your right II -------------------------------------- „Ich möchte gerne noch eine Frage an Captain Rider und seine beiden Kollegen stellen“, bat Haywood den Vorsitzenden und riss ihn aus seinen Gedanken. Seit sie aus der Unterbrechung zurück waren, hatte der Colonel nachdenklich auf die Verteidigung geschaut. „Bitte“, gestattete er zerstreut. „Waren Sie mit dem Auftrag überfordert?“ fragte der Staatsanwalt den berühmten Stier bei den Hörnern packend. „Wer wäre das denn nicht? Ich hab doch vorhin schon gesagt, um was es dabei alles ging, “ schnaubte Colt. „Möchte mal wissen, wie es Ihnen dabei gegangen wäre, “ murrte auch Fireball. Beide saßen mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm und sahen ihn düster an. Er registrierte das nickend. „Und Sie Captain?“ hakte er bei dem Recken nach. Der deutete auf die Narbe in seinem Gesicht. „Wäre dieser Fall ein Spaziergang gewesen, hätte ich die nicht“, bemerkte er. „Das ist nichts im Vergleich zu einem Menschenleben, Captain“, wies ihn der Ankläger distanziert zurecht. „Das ist mir bewusst. Dieser Fall hat mehr als ein Menschenleben gefordert, Sir. Er hätte uns alle das Leben kosten können, “ erklärte Saber nüchtern. „Das ist auf jeder Mission das Risiko. Schlussendlich hat nur noch Miss DeMartin bezahlt. Für Sie drei mit, “ fasste Haywood zusammen und kehrte zu seinem Tisch zurück. „Suzie hat sich ihr Ende selbst ausgesucht! Bezahlt haben ganz andere, unbeteiligte, für ihren Hochverrat, “ rief der Rennfahrer ihm ungehalten nach und schoss in die Höhe. „Zum Beispiel? Ihre kleine Geliebte?“ provozierte der Weißblonde ihn halb über die Schulter zurückschauend. „Verdammt! Halten Sie lieber den Mund, wenn Sie keine Ahnung davon haben, was Sie sagen. Mandy war eine gute Freundin, will das nicht in Ihren Hohlraum?! Wir haben Freunde verloren, gute Freunde, “ schrie der Japaner verletzt. „Und ich will nicht wissen, wie rühmlich Sie sich verhalten hätten, hätten Sie in unserer Haut gesteckt!“ Bevor er auch noch über den Tisch springen konnte, hielt seltsamerweise Colt ihn zurück. „Lass gut sein Kleiner, der ist es auch nicht wert“, sagte er und drückte den Brodelnden auf den Stuhl zurück. „Der ist noch viel ärmer dran als wir. Wir gehen im schlimmsten Fall für ein paar Jahre in den Bau, aber wir werden erwartet, wenn wir zurück kommen. Der wird heute Abend nicht erwartet und morgen auch nicht, “ fügte er dann leise hinzu. „Lass dich nicht provozieren, Fireball. Der hat keine Ahnung, was es heißt, unseren Job zu machen, “ beschwor auch Saber den Hitzkopf leise. Hinter ihm legte April die Hände auf die Schulter „Sch, Turbo, bitte“, raunte sie ihm zu. Haywood erkannte mit einer gewissen Genugtuung, dass der Pilot nur schwer im Zaum zu halten war. Ist nicht nett, die Wahrheit von fremden Menschen zu hören, nicht wahr, Mister Hikari?“ wollte er überheblich wissen. „Dann hören Sie jetzt von einer Fremden, dass Sie ein herzloser Ignorant sind. Denn sonst wüssten Sie, dass das Herz mache Entscheidungen schneller trifft, als der Kopf und es nicht immer besser weiß, “ versuchte die Hebamme den werdenden Vater in Schutz zu nehmen. Die Aussage traf auf niemanden so gut zu, wie auf sie selbst. „Misses Rider. Sie reden schneller, als Sie denken, “ kommentierte Haywood herablassend. „Ich hätte gerne noch Commander Eagle dazu befragt, “ wandte er sich dann an den Vorsitz. „Stattgegeben.“ So einfach ließ die Hebamme sich aber nicht abkanzeln und fauchte dem Staatsanwalt hinterdrein. „Aufgeblasener...“ – „Jolene“, wieder erinnert Sabers Blick sie daran, wie unpassende das gerade war. Es war schon schwierig genug, Fireball zu beruhigen, selbst ruhig zu bleiben und dann sollte er Chily auch noch unter Kontrolle halten. Die Miene des Schotten, vor allem seine Augen, verrieten ihr seine Anspannung. „Ist doch wahr“, flüsterte sie leise. „Trotzdem“, beharrte er. Er wusste, was er von ihr verlangte und wie schwer es ihr fiel. „Das ist doch nicht fair. Manapi ...“ In ihrem Raunen lag Sorge und Angst, dass alle Bemühungen scheiterten. „Ich weiß, aber bitte Jolene...“ Leicht nickte er zu seinen Freunde. Fireball brodelte vor sich hin. Colt beherrschte sich auch nur mühsam. Robin und April wirkten nervös. Chily presste die Lippen aufeinander und setzte sich. Die beiden Freundinnen folgten ihrem Beispiel. Wenn man saß, war es mit der Fassung leichter. Es konnte einen schließlich nichts mehr umwerfen. „Können wir fortfahren?“ fragte der Vorsitzende streng und ungeduldig über diese Unterbrechung. Steeker warf einen kurzen Blick auf seine Schützlinge und nickte. Haywood begann. „Commander Eagle, nun zu Ihnen. Auch für Sie waren die letzten Monate turbulent?“ begann er mit einer rhetorischen Frage den Einstieg. Niemand hatte es bemerkt, aber Eagle saß schon im Befragungsstuhl. „Ansichtssache“, entgegnete er knapp. Er hatte in der letzten Reihe gesessen, von Anfang an unbemerkt und als Beobachter der Szenerie. Er bedauerte, dass er die Besatzung des Friedenswächters hatte in diese Lage bringen müssen. Doch es war seine Pflicht gewesen. Noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich alles zum Positiven wenden würde. Er hatte auch den Beraterstab im Auge, gesehen, wie sie auf jeden reagierten und was sie beeindruckte und was sie ablehnten. Er war noch optimistisch. „Ihre Tochter erwartet Ihr erstes Kind. Hatten Sie keine Angst um sie?“ wollte Haywood nun wissen. „Natürlich, aber es hielt sich in Grenzen“, antwortete Charles ruhig. „Wie stehen Sie zu Ihrer Einheit, Commander?“ kam der Weißblonde mit der nächsten Frage. „Ich bin stolz auf sie. Auf jeden einzelnen, “ erklärte der daraufhin. Jeder spürte, dass es die Wahrheit war, obwohl dieser Stolz einen Abbruch hätte erleiden können, wenn man den Grund des heutigen Zusammenkommens bedachte. Doch selbst das änderte nichts an Eagles Einstellung. „Verstehe“, meinte der Staatsanwalt langsam, als überlege er noch. Dann fragte er. „Alle, vom kommandierenden Captain Rider angefangen, sind noch sehr jung. Warum haben Sie auf einen - ich nenne es mal - alten Hasen in diesem Team verzichtet?“ Na, was war denn das für eine Frage. Steeker an dem Tisch der Verteidigung stellte die Ohren auf. Der Commander erläuterte gelassen und souverän. „Die Kandidaten für diese Posten waren alle alten Hasen, wie Sie es nennen. Doch Ramrod war eine neue, so noch nie eingesetzte Einheit. Da wären gewisse Erfahrungen eher hinderlich gewesen. Ich wollte eine Gruppe, die den Geist des Neuen Grenzlandes repräsentiert, genauso, wie den Fortschritt. Wir wachsen nicht nur in der Technik, in der Entwicklung, uns verbindet auch etwas, das sich Freundschaft nennt.“ In seinem Eifer die Angeklagten in Misskredit zu bringen, lehnte sich Haywood nun etwas zu weit aus dem Fenster. „S.a.D. Hikari und S.a.D. Wilcox hatten noch nicht mal eine Ausbildung absolviert, nur mal nebenbei bemerkt. Ganz abgesehen davon, bezweifle ich, dass die vier die Reife besitzen, diesen Job zu machen. Das ist ihnen schlussendlich zum Verhängnis geworden. Commander Eagle, die drei haben tatenlos dabei zugesehen, wie ein Kollege förmlich hingerichtet wird. Sie haben aufgrund persönlicher Differenzen Ihre Aufgabe vernachlässigt. So etwas hätte nicht passieren dürfen!“ kritisierte er offen Eagles damalige Entscheidung. Steeker sprang auf. „Einspruch. Es ist nicht Lieutenant Haywoods Aufgabe, noch hat er das Recht die Entscheidung eines hochrangigen Vorgesetzen mit tadellosem Zeugnis derart anzuzweifeln, “ warf er ein. „Stattgegeben, “ stimmte der Vorsitzende zu. Doch Eagle erklärte dennoch. „Dieses Team hat sich bei mehr als einer Gelegenheit bewährt. Ohne sie hätte das Neue Grenzland jetzt keinen Frieden. Aber auch sie sind Menschen und fehlbar. Sie mögen sich in einer Situation falsch verhalten haben, aber nicht aufgrund persönlicher Differenzen.“ Sein Rang war hier schließlich nicht so sehr von Bedeutung. Dem Gremium vor dem er saß, hatte er sich unterzuordnen und es zu respektieren. Damit hatte er überhaupt keine Probleme und zudem konnte er noch einmal gut darauf hinweisen, was die Ramrod-Besatzung seither schon geleistet hatte. „Weshalb haben Sie sich Ihrer Meinung nach so verhalten? Waren sie der Situation nicht mehr gewachsen?“ fragte der Staatsanwalt unter dieser Zurechtweisung etwas kleinlauter geworden. „Wer von uns kann mit Bestimmtheit sagen, dass er jeder Situation gewachsen ist? Ganz besonders, wenn sie derart persönlich ist, “ entgegnete der Commander. „Zu persönlich, wie ich noch einmal anmerken möchte. Sie sagen also, dass sich die drei nichts zu Schulden kommen lassen?“ fuhr der Weißblonde fort und tappte prompt wieder in die Falle unangebrachte Kritik zu äußern. „Nicht das, was ihnen vorgeworfen wird.“ Eagle lehnte sich leicht im Stuhl zurück. „Ein Teil Ihrer Einheit hat nicht eingegriffen, Commander Eagle. Viel schlimmeres Fehlverhalten gibt es nicht mehr, “ rügte Haywood wieder. „Einspruch. Lieutenant Haywood vergisst schon wieder, wen er vor sich hat, “ unterbrach Steeker sogleich. „Stattgegeben, “ räumte der Colonel zwar ein, „dennoch hätte ich gerne eine Auskunft von dem Zeugen.“ Eagle nickte. „Sie berücksichtigen die Umstände nicht. Sie berücksichtigen nicht, dass es gerade in diesem Fall keine Rolle gespielt hätte, ob ich sie von dem Fall abgezogen hätte oder nicht. Das Ganze hätte sich dann nur Zivilcourage genannt, aber sie wären alle geblieben. Colt um seine Jugendfreundin zu beschützen. Fireball um Aprils Hebamme beizustehen und Saber, “ Er lächelte leicht. „na ja, sie sind verheiratet.“ Unwillig krauste der Anwalt die Stirn. „Wie auch immer, Commander Eagle. Fakt ist, Ihre Einheit hätte eingreifen müssen. Das haben sie nicht getan. Es stellt sich lediglich die Frage, ob sie es vorsätzlich getan haben oder nicht. Wie gut kennen Sie die drei privat, Commander?“ Die Befragung verlief nicht so, wie geplant. „Recht gut.“ Irgendwie musste er doch Eagle aus dem Konzept bringen können. „Wie schätzen Sie also die emotionale Lage Ihrer Schützlinge ein?“ erkundigte er sich deshalb. „Während des Falles, recht aufgewühlt“, antwortete der. „Nur aufgewühlt?“ hakte Haywood nach. Das war also die gesuchte Möglichkeit. „Nun ja, ja. Es waren doch einige sehr belastenden Aspekte bei der Sache dabei und sie haben doch sehr stark versucht, dem allem Herr zu werden. Teilweise auf sehr erwachsene Weise, wenn man ihr Alter berücksichtigt, “ erklärte der Oberbefehlshaber der Sektion West. „Aber eben nur teilweise. Den drei jungen Herren standen zu guter Letzt die bittere Enttäuschung über eine gute Freundin und der Wille nach Vergeltung für eine tote Freundin im Weg. Sie haben ihre Aufgabe als Star Sheriff nicht erfüllt, “ fasste Haywood zusammen. Wenn der Rennfahrer bei der abfälligen Betonung aus der Haut fuhr, wäre die Befragung da, wo der Staatsanwalt hinwollte. Doch er hatte sich in Steeker verrechnet, der den Piloten auf den Stuhl drückte. Beiläufig, als er sich erhob und einwandte: „Einspruch. Unangebrachte Wertung. Lieutenant Haywood scheint zu vergessen, dass er nicht Teil der ehrenwerten Jury ist.“ Der Colonel nickte. „Stattgegeben. Kreuzverhör?“ Woody trat vor. „Commander Eagle, Sie haben den Werdegang der drei Herren am besten mit verfolgen können. Glauben Sie, diese Einheit steht einer älteren um etwas nach?“ fragte er. „Kaum. Truppen, die heute über zehn Jahre Einsatzerfahrung verfügen, hätten sehr ähnlich gehandelt, wären sie an der Stelle der Ramrodcrew gewesen,“ beurteilte der sachlich. „Das Alter kann bei ihrer Handlung also keine Rolle gespielt haben, sehe ich das richtig? Sind die drei Ihrer Meinung nach, emotional ausgeglichen?“ bohrte der Verteidiger weiter. „Unter normalen Umständen. Absolut.“ – „Sie sagen es. Unter normalen Umständen. Captain Rider, Mister Wilcox und Mister Hikari fanden sich in einer sehr außergewöhnlichen Situation wieder. Zuvor waren sie mehr als einmal an ihre persönlichen Grenzen gelangt und waren enormem psychischen Stress ausgesetzt. Es ist die Frage, ob ein erfahrener Star Sheriff in einer solchen Situation anders gehandelt hätte. Denken Sie, die drei hatten ihre Belastungsgrenze erreicht?“ Steeker sah den Gefragten aufmerksam an. „Das kann man so nicht beantworten, denn die meisten Starsheriffs im Dienst sind älter. Das will jedoch nicht heißen, dass sie nicht ähnlich gehandelt hätten. Jeder Mensch hat den Hang dazu, als erstes die zu beschützen, die ihm nahe stehen. Je jünger man ist, desto stärker ist diese Neigung. Erst, wenn man gelernt hat, dass die Angehörigen soweit allein zu Recht kommen, lässt diese Prägung etwas nach. Mir ist kein Vorfall bekannt, in dem eine Einheit schon einmal eine vergleichbare Belastung erreicht hat und diese hier macht dies schon zum zweiten Mal durch. Vergessen Sie nicht, ich war selbst einst Gefangener der Outrider. Auch das war eine starke Belastung für alle. Doch diesmal ist die Lage eine andere. Damals war Krieg, die Gefahr allgegenwärtig. Heute im Frieden ist so eine unerwartete Situation fiel schwerer zu handhaben und die Belastungsgrenze liegt auf einer anderen Ebene. Wer kann es ihnen verdenken, dass sie auch erreicht wurden?“ führte er aus. „Es ist verständlich, diejenigen beschützen zu wollen, die man liebt und ich glaube auch, dass diese Neigung im Alter nicht weniger wird“, stimmte der Rechtsanwalt ihm zu. „Wer würde schon zulassen, dass seine Freunde und Familie umgebracht werden, wenn man es verhindern könnte? Commander Eagle, eine Frage hätte ich noch. Welchen Eindruck haben Sie, wie wird Ihre Einheit mit diesen Begebenheiten fertig?“ Eagle wiegte nachdenklich den Kopf. „Nun, sie mögen alle in einem warmen, verständnisvollen Umfeld zuhause sein, doch ich glaube nicht, dass das allein auf Dauer reichen wird“, erwiderte er. „Sie sind also der Meinung, dass sie diese Erlebnisse nicht verarbeiten können?“ hakte Steeker nach. „Nur sehr schwer und sehr langsam.“ Die besten Beweise dafür hatten sie heute selbst geliefert. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie denken, Ihre Einheit war in dem Moment, als man Miss DeMartin bedroht hatte, paralysiert?“ zog er nun die letzte Information ein. „Da Vorsatz gegen ihre Natur ist, ja“, antwortete Aprils Vater. „Danke, das genügt mir, Commander Eagle.“ Damit wurde auch er entlassen. Steeker war sich sicher, dass diese Aussagen zu dem Ausgang der Verhandlung führten, den er angestrebt hatte. Doch dann erhob sich Lieutenant Haywood. „Ehrenwerter Vorsitzender, ich würde Captain Rider gerne noch einige Fragen stellen.“ Der Colonel nickte. Unbehaglich schritt der Schotte wieder zu dem Stuhl und setzte sich. Steeker schaute verwundert auf das Bild und konnte sich keinen Reim darauf machen. „Captain Rider. Es hat sich hier ein sehr umfassendes Bild über ihre Einheit ergeben, “ setzte der Staatsanwalt an. Der Recke nickte nur. „Was mir hier besonders aufgefallen ist, hat mit Ihren beiden, leider schon verstorbenen, Aushilfen für Ramrod sehr viel zu tun. Es ist doch richtig, dass Starcaptain Yamato und Miss DeMartin zu Ihrer Einheit beordert wurden, weil Miss Eagle und S.a.D. Willcox ausgefallen sind?“ Er schaute lauernd auf den Gefragten. „Ja Sir“, bestätigte der. Was blieb ihm auch anders übrig? „Ihr Scharfschütze ist ausgefallen, weil er sich nicht an die Vorschriften gehalten hat, richtig?“, fuhr der Anwalt fort. „Bitte?“ Verwundert grübelte Saber, wohin das führen sollte. „Wenn ich die Berichte richtig im Kopf habe, ist S.a.D. Willcox alleine ins Kampfgeschehen eingeschritten und wurde abgeschossen, weil er ohne Rückendeckung geblieben war“, warf er dem Schotten an den Kopf. „Das ist nur halb richtig. Er griff ein, weil er mit dem BroncoBuster wesentlich flexibler ist, als mit Ramrod und wurde in dem Durcheinander getroffen, “ korrigierte Saber sachlich. Er wollte nicht sagen, dass Colt da draußen unkonzentriert geflogen war. „Weil die Rückendeckung von Ramrod gefehlt hat“, wälzte Haywood sofort die Schuld an dem Unglück auf Saber und Fireball ab. „Wobei ich ja behaupten möchte, dass die Deckung in einer anderen Angelegenheit zu gut funktioniert hat“, fügte er bissig an. „Fireball und ich haben ihm Rückendeckung gegeben“, betonte der Schotte. „Sie und Ihr Pilot waren nicht bei der Sache, wieder mal“, hagelte es erneut einen Vorwurf. Saber rutsche das Herz in die Hose. Hatte er etwa Recht? Hatte Robin recht gehabt, als sie ihnen vorgeworfen hatte, nicht richtig auf den Scharfschützen aufgepasst zu haben? Colt und Fireball wollten auffahren, doch Steeker drückte sie auf die Stühle zurück. Der Verteidiger konnte keine Unterbrechung gebrauchen. Er musste das Geschehen beobachten und schnell überlegen, wie er das entkräften konnte, denn im Moment ließ Haywood den Recken wie einen emotionslosen Eisblock erscheinen. Damit vernichtete er das Bild von emotional überforderten Männern, die paralysiert waren und deshalb nicht hatten eingreifen können. Der Schotte half dem Staatsanwalt auch noch dabei. „Das ist sachlich unkorrekt und das belegen auch die Aufzeichnungen“, erwiderte er nüchtern und verbarrikadierte sich hinter einer Mauer, die nicht zu ließ, dass seine Gefühlsregung ihm zum Verhängnis werden konnte. Dass ihm dies augenblicklich zum Verhängnis wurde, war ihm nicht bewusst. „Anwesenheit und Anwesenheit könnten zwei Paar Schuhe sein, Captain Rider. Sie waren mit Ramrod in den Kämpfen, also physisch anwesend, den Kopf aber hatten sowohl Sie als auch S.a.D. Willcox und S.a.D. Hikari ganz woanders. Sie haben alle unachtsam gehandelt, nur deswegen wurde S.a.D. Willcox abgeschossen, “ fasste Haywood zusammen. „In einem Kampf ist man mit dem Kopf im Geschehen vor Ort, oder Menschen sterben, “ zitierte der Schotte mechanisch den Satz, den er als erstes in seiner Ausbildung gelernt hatte. „Dann hatten Sie verdammtes Glück, dass S.a.D. Willcox nicht gestorben ist, “ meinte der Weißblonde ironisch. In den Reihen der Beiwohnenden fuhr Robin auf. „Sie hatten verdammtes Glück, dass die Ihren ignoranten Arsch beschützt haben!“, rief sie wütend. Wie konnte der es wagen, Saber so etwas zu unterstellen? Sie selbst wusste inzwischen, was mit Colt bei diesem Manöver los gewesen war und dass es nichts gegeben hatte, was der Recke oder der Rennfahrer dagegen hatten tun können. Der Schotte jedoch schwieg betroffen, auch wenn man ihm die Betroffenheit nicht ansah. „Auf alle Fälle war das der Grund für die Anwesenheit von Miss DeMartin. Der Grund für das Erscheinen von Starcaptain Yamato wird in wenigen Wochen entbinden, “ fasste Haywood zusammen und deutete auf April. „Das war erforderlich, ja, “ presste Saber sachlich hervor. „Wann haben Sie von Miss Eagles Schwangerschaft erfahren?“ bohrte der Ankläger weiter. „Als sie etwa in der dritten Woche war“, gab der Säbelschwinger an. „Ich nehme an, Sie haben sich für Miss Eagle gefreut“, nickte sein neuer, persönlicher Folterknecht. Der Schotte zögerte etwas mit der Antwort. „Oh“, tat Haywood erstaunt. „Soll das heißen, Sie hatten keine Freude damit?“ – „Ich war ... überrascht“, entgegnete der Gefragte dann. „Überrascht, weil Ihre Kollegin und gute Freundin schwanger ist, oder weil sie von Ihrem Piloten schwanger ist?“ marterte der Weißblonde ihn weiter. Saber schluckte. „Weil April schwanger ist von einem Freund, der früher mal mein Pilot war und während dieses Falls wieder in diese Position kam“, gab er zurück und schaffte eine ganz passable Gradwanderung mit dieser Aussage. „Sie interpretieren das sehr frei von der Leber weg, Captain Rider. Die Schwangerschaft und der Beginn des Falles liegen zeitlich sehr, sehr nah bei einander, genau genommen hat der Fall vor Miss Eagles Schwangerschaft begonnen. Ein Verhältnis unter Kollegen also?“ Warum konnte ihn die Erde nicht einfach verschlucken? „Der Fall begann für MICH vorher. Fireballs Rückberufung in den Dienst kam später und da war, wenn auch noch nicht so lang aber, April schon schwanger, “ führte er aus. „Naja, korrigieren Sie mich, wenn ich da falsch liege, Captain Rider: Aber setzt eine Schwangerschaft nicht eine Beziehung voraus, welcher Art auch immer?“ Bei dieser Frage wurde dem betroffenen Paar kalt. Saber fühlte es. Da hatte seine Frau wohl schon auf ihn abgefärbt. „Was haben "Was-wäre-wenn"-Fragen zu Aprils Schwangerschaft mit dem Fall zu tun?“, fragte er zurück. „Captain Rider hat Recht. Wozu soll das führen? “ bestärkte Steeker den Schotten. „Ich stelle eine ganz einfache These auf, meine Herren. Wäre Miss Eagle nicht schwanger gewesen, hätte sie sehr wohl ordnungsgemäß ihren Dienst auf Ramrod geleistet. Mit dem Piloten, “ erläuterte Haywood souverän. „Fahren Sie fort, Lieutenant Haywood, “ gestattete der Vorsitzende. Der kam der Aufforderung nach und nahm eine Mappe mit Berichten von seinem Tisch. „Miss Eagle hat Dienst geleistet, auch während ihrer Schwangerschaft“, sagte er dazu. Beinahe verschlug es dem Recken die Sprache. „Nicht auf Ramrod“, versicherte er rasch. „Aber sie wurde auch nicht versetzt. Hier steht klar und deutlich, dass Miss Eagle weiterhin für die Einheit Ramrod gearbeitet hat.“ Dabei tippte Haywood auf die betreffende Stelle. „Das war ein Missverständnis. Sie war nicht an Bord, “ beharrte er. Kalter Schweiß brach ihm aus. „Sie war vielleicht nicht an Board, dennoch waren sie Teamkollegen. Zwei junge Menschen, die offensichtlich nicht nur die Leidenschaft für den Frieden verbindet. Sie haben gegen jede Regel im Oberkommando verstoßen und Sie wollen davon nichts gehört haben, Captain Rider!“, klagte der Weißblonde ihn an. „Sie sind alt genug und haben gegen keine Regel verstoßen.“ Mehr brachte der Schotte nicht nüchtern hervor. „Überlegen Sie sich Ihre Antwort noch einmal, Captain Rider, “ schlug Haywood mit scheinheiliger Freundlichkeit vor, so dass es wirken musste, als hätte das Paar da tatsächlich ein Verbot gebrochen und ihr Boss nichts dagegen unternommen. „Gefühle beeinflussen die Wahrnehmung, in dem Fall vernebeln sie sogar die Wahrnehmung.“ Er machte eine theatralisch ausschweifende Handbewegung. „Somit hätten wir geklärt, weshalb Miss DeMartin und Starcaptain Yamato bei der Eliteeinheit ausgeholfen haben. Wäre alles nach Vorschrift gelaufen, wäre es niemals so weit gekommen, “ lieferte er ein letztes deutliches Statement. „April war schwanger, BEVOR Fireball in den Dienst zurück beordert wurde. Was davor wie passiert ist, geht mich gar nichts an, “ versuchte der Schotte das zu erklären. „Aber es geht Sie etwas an, was in Ihrer Einheit vor sich geht. Und da hätten Sie ganz klare Grenzen ziehen müssen, Captain Rider. Das haben Sie schlicht und ergreifend nicht. Es war Ihnen egal, “ entwertete Haywood kühl diesen ohnehin schlechten Versuch. „Einspruch. Unwahrheit. Als Captain Rider von den Umständen erfahren hat, wurde Miss Eagle nach Yuma in den Innendienst versetzt. Das belegen auch drei reguläre Untersuchungen, die dort aufgrund ihrer Schwangerschaft vorgenommen wurden. Es war Captain Rider also nicht egal, “ rettete ihn Steeker nun. Spöttisch hob der Staatsanwalt die Brauen. „Aber sie war nach wie vor in der Einheit Ramrod. Schlamperei in den Akten des Oberkommandos? Wohl kaum. Captain Rider hat sich eher darauf verlassen, dass es ein kurzes Strohfeuer war, wie bei Rennfahrern so üblich ist, “ behauptete der Weißblonde. Im nächsten Augenblick präsentierte Steeker ihm und dem Vorsitzenden ein paar Atteste und eine Akte. „Ja, Schlamperei in den Akten des Oberkommandos. Miss Stone selbst“ Er wies auf eine Stelle in den Papieren, „hat am Tag einer der drei Untersuchungen hier in Yuma festgestellt, dass ihr ein Fehler unterlaufen war. Die Anweisung Commander Eagles war an diesem Punkt schon unklar gewesen. Es scheint, als hätte Miss Eagle ihrem Vater zu diesem Zeitpunkt noch nicht die freudige Botschaft mitgeteilt, weshalb das also durchaus nachvollziehbar ist.“ Der Vorsitzende begutachtete das Schriftstück eingehend, ehe er entschied: „Zugelassenes Beweismittel. Lieutenant Haywood, Sie führen vielerlei Spekulationen, welche nur in die Irre leiten. Mir scheint, wir kommen etwas weit vom Thema ab. Stellen Sie Captain Rider bitte eine Frage, die sich mehr auf den Fall bezieht und die weniger Ihre persönliche Meinung über Rennfahrer, Blondinen oder sonst wen enthält, oder gestatten Sie Lieutenant Steeker das Kreuzverhör.“ Der Gerügte trat einen Schritt zurück. „Bitte, Lieutenant Steeker“, meinte er und überließ seinem Gegenspieler das Feld. Zumindest hatte er Zweifel säen können. „Sie alle sind Freunde, nicht wahr, Captain Rider?“ begann Woody zögerlich. Wie konnte er nun vor Augen führen, dass der Schotte nicht so distanziert war, wie er wirkte? Der nickte gerade auch nur verhalten, geplättet von den Vorwürfen, die er sich selbst schon oft genug gemacht und die Haywood nun in alle Welt hinausgeschrieen hatte. „Dann korrigieren Sie mich bitte, wenn ich da falsch liegen sollte. Freunde helfen einander und machen sich auch mal Sorgen, “ versuchte der Verteidiger einen Weg zu finden, Haywoods Verhör abzuschwächen. „So ist es bei uns, “ antwortete Saber nur. „S.a.D. Willcox gehört doch auch zu diesem Freundeskreis, oder?“ bohrte Steeker weiter. „ Natürlich“, bestätigte der Recke. Worauf wollte Woody hinaus? „Dann kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie und S.a.D. Hikari es versäumt haben, ihm Feuerschutz und Rückendeckung zu geben“, erklärte er sofort und wandte sich halb zum Staatsanwalt, „Soviel zu Ihrer Theorie, Lieutenant Haywood.“ Anschließend fuhr er an Saber gerichtet fort: „Sie haben auch zu den drei Damen hinter uns eine enge Bindung, nehme ich an.“ Wiederum nickte der Schotte. „April und Robin sind gute Freundinnen und Jolene … Rider.“ Steeker folgte dem Blick des Sprechers in Richtung der Hebamme. „Ich schließe daraus, dass Sie sich auch um sie Sorgen machen. Besonders um Misses Rider, die vielleicht drei Jahre ohne Sie zurechtkommen muss, “ meinte er. In dem Moment, in dem er es aussprach, kam ihm auch schon eine Idee. „Ja, natürlich“, bestätigte der Recke Düsteres ahnend. „Sie ist attraktiv, Captain Rider. Sie wird nicht lange alleine sein, “ lächelte der Verteidiger vieldeutig. Da konnte er doch den Beweis liefern, den er so dringend noch brauchte. „Sie hat einen Beruf, der sie auf Trab hält“, entgegnete der Säbelschwinger. Sein Gesicht erstarrte zu einer Maske, hinter der es leicht zu brodeln begann. „Nicht nur im Beruf kann man Ablenkung finden, Captain“, erinnerte Woody den Blonden. „Ja, Robin, April und Donna Joe mit ihrem Sohn Toto. Der Freundeskreis ist groß, “ gab der vage zurück. Er konnte sich gut vorstellen, worauf Steeker damit abzielte, aber diese Ansicht gefiel ihm nicht. Als der Rechtsanwalt jetzt auch noch sein gewinnendstes Lächeln aufsetzte und beiläufig verlauten ließ: „Sie wird auch männliche Freunde haben, Captain“, ging dessen Seelenheil langsam flöten. „Und die wieder haben Partnerinnen ...“ Um keinen Preis wollte sich der Schotte der Vorstellung hingeben, dass seine Frau in den Armen eines anderen lag, während er selbst im Gefängnis versauerte. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Misses Rider während Ihrer Abwesenheit auch mal einen alleinstehenden Mann trifft, mit dem sie sich gut versteht. Manche Beziehungen sind allein schon an dem Grund gescheitert, dass sie sich zwei Wochen nicht sehen konnten. Wie groß ist da die Wahrscheinlichkeit, wenn Sie drei Jahre weg sind?“, streute Woody noch Salz in die Wunde. „Genauso groß wie die Chance, dass sie hält“, beharrte der Schotte, presste aber die Lippen fest auf einander. Irritiert hatten alle diesem Dialog gelauscht. Jetzt winkte Chily den Fragesteller leicht zu sich. Der hob entschuldigend die Hand zum vorsitzenden Colonel. „Verzeihen Sie bitte einen Moment.“ Damit schritt er schnell zu ihr. Dass sie ihn zu sich gewunken hatte, spielte ihm erst recht in die Hände. Er beugte sich zu ihr hinunter, nah und doch so, dass er den Blonden im Auge hatte. „Ja?“ – „Was um alles in der Welt soll das werden?“ fragte sie ihn leise und stützte sich mit den Armen auf der Absperrung auf. Perfekt. Steeker strich ihr leicht mit der Hand über die Schulter. Saber konnte es nicht übersehen. „Ich beweise, dass Saber nicht so gefühlskalt ist, wie er wirkt“, raunte er zurück. Dafür näherte er sich etwas weiter, als nötig gewesen wäre. „Dann frag ihn mal, wie Colt auf uns reagiert hat“, flüsterte sie zurück und ließ diese Geste über sich ergehen, auch, als er sie wiederholte. Steekers Finger glitten noch einmal über den dünnen Stoff ihres engen, leicht ausgeschnittenen Pullovers. Er konnte die Träger ihres BHs fühlen. Saber wusste das. Er hatte ihr heute Morgen ähnlich über die Schulter gestrichen. Steeker richtete sich auf und drehte sich zum Recken um. „Wie ich gerade gehört habe, Captain Rider, ist Ihre Beziehung mit Misses Rider nicht überall auf Jubel gestoßen“, begann er, wurde aber nur düster von dem Highlander angestarrt. Ungeachtet dessen fuhr er fort, „ S.a.D. Willcox soll auch nicht begeistert gewesen sein von dieser Verbindung. Und das, obwohl er sowohl Ihr Freund, als auch der von Misses Rider ist, “ fügte er hinzu. „Und trotzdem sind Jolene und ich verheiratet, “ erinnerte Saber fest. Das Brodeln hinter seiner Fassade wurde heftiger. Auch wurde es langsam offensichtlicher, dass er versuchte ruhig zu bleiben. Erstaunt hoben seine Freunde die Köpfe. War das echt ihr Boss? „Auch ein Ehering hält von einer neuerlichen Verbindung niemanden ab. Vor allem dann, wenn der, der denselben Ring am Finger hat, nicht da ist, aus welchem Grund auch immer, “ erklärte Steeker süffisant lächelnd. Die Augen des Schotten flogen zwischen dem adretten Rechtsanwalt und seiner wunderschönen Frau hin und her. Sollte er etwa durch den ersetzt werden? Wartete Steeker nur darauf, dass Saber abgeführt wurde, um gleich danach die Hebamme zu trösten? „Jede zweite Ehe wird heutzutage geschieden. Und das aus ganz anderen Gründen, wie Sie sicherlich wissen, Captain Rider. Vielleicht ist Ihre schon bald eine von den fünfzig Prozent aller Scheidungen. Man kann ja nie wissen, “ führte er ihm noch vor Augen. Der letzte Satz erhielt eine solch zweideutige Betonung, dass Saber bestätigt sah, was er befürchtet hatte. Woody Steeker würde die erst beste Chance nutzen seine Frau zu verführen. Der Recke fuhr ungehalten auf. Der Stuhl schlug auf den Boden. „Das würde Jolene nie…“, schrie er außer sich, aber das unschöne Bild in seinem Kopf ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Höchst zufrieden drehte sich Steeker nun zum Beraterstab: „Captain Rider hat drei wunde Punkte: seine Freunde, seine Pflicht als Star Sheriff und, wie eben eindrucksvoll bewiesen, seine Ehe. Das alles ist ihm wichtig im Gegensatz zu dem, was Lieutenant Haywood uns glaubhaft machen wollte. Es dauert bei Captain Rider nur wesentlich länger, als bei den S.a.D.s Hikari und Willcox, bis er seine Gefühle nicht mehr zurückhalten kann.“ Die Bestätigung für seine Aussage lieferte der Schotte gleich hinterher. „Jolene, du kannst die Scheidungspapiere unterschreiben, wenn du nur einmal vergisst, was du mir am Altar versprochen hast“, grollte er. Die Mitglieder des Beraterstabes kamen nicht umhin beeindruckt zu nicken. Das war wirklich eine bemerkenswerte Demonstration gewesen. Fireball lehnte sich gegen die Absperrung. „Hol ihn von seiner Palme, bitte“, flehte er die Hebamme an. Egal, wie erstaunlich er es fand, dass sein Boss so heftig reagieren konnte, er konnte es im Moment nicht ertragen. Chily hielt es nicht wirklich auf ihrem Platz. Sie sprang auf und wollte durch das Türchen der Absperrung zu ihrem Mann, hielt dann aber doch inne. Nach all den Ausfällen, die sie sich geleistet hatte, konnte es gut sein, dass sie aus dem Raum verwiesen wurde. Das wollte sie nicht riskieren. Sie wollte dabei sein, wenn die Entscheidung gefällt wurde. „Manapi, ich weiß es, ich weiß es doch genau, “ versicherte sie leidenschaftlich und trippelte an dem Pförtchen aufgeregt hin und her. Auch Steeker hielt es für erforderlich einzugreifen. Saber stand immer noch zitternd vor Aufruhr am Tisch und hielt sich an dessen Kante fest. „Captain Rider. Nehmen Sie mir das nicht übel, aber das ist Ihr wunder Punkt, obwohl es aus Misses Riders Sicht keine Zweifel geben dürfte,“ erklärte Steeker für alle hörbar. Dabei hob er den umgestoßen Stuhl hoch und drückte den Bebenden darauf. „Irgendwie musste ich beweisen, dass nicht alles spurlos an dir vorbeigeht“, raunte er ihm zu. Der Schotte schluckte und zwang sich zur Ruhe. „Das war erstens grausam und zweitens, dein Todesurteil, wenn du sie anfasst“, stellte er leise drohend klar. „Ich mache vor einem Ehering halt, Saber“, versprach der Verteidiger und klopfte ihm noch mal beruhigend auf die Schulter. Die letzten beiden Sätze hatte niemand außer den beiden gehört. Für alle anderen schien es so, als mahne der Rechtsanwalt seinen Mandanten. „Captain Rider, Sie sind aus dem Verhörstand entlassen“, ließ sich der vorsitzende Colonel vernehmen. Im nächsten Moment war der Recke aus dem Stuhl und an der Absperrung bei seiner Frau. Die schlang sofort, ungeachtet jeder Norm, ihre Arme um seinen Hals. „Ich bleibe, bist du sagst, dass ich gehen soll, “ erinnerte sie ihn leise. Wieder wandte Steeker sich an den Beraterstab: „Keinem war egal, was passiert. Um die Worte von Misses Rider noch einmal aufzugreifen, die Situation, in der Miss DeMartin schließlich getötet wurde, war mehr, als meine Mandanten verarbeiten konnten. Wenn Sie ihnen ins Gesicht sehen, werden Sie erkennen, dass der Schock über die Erlebnisse immer noch tief sitzt und wenn Sie den Vornamen nennen, Mandarin oder Suzie, können Sie an ihren Reaktionen sehen, wie schlecht sie damit umgehen können,“ fasste er zusammen und setzte sich. Die Arbeit war getan. Mehr konnte er nicht für die drei Angeklagten tun. Der Rest lag in den Händen der fünf Beistände. Die hatten ihre Augen genau auf die Jungs gerichtet. Als Steeker die Namen der beiden früheren Kolleginnen und Freundinnen aussprach, senkte der Rennfahrer betroffen den Kopf. Colt schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe, während der Recke sich noch etwas mehr an seine Angetraute klammerte. Der Vorsitzende fragte Staatsanwalt Haywood, ob er noch was hinzufügen wollte. Der verneinte. Mit der eben erlebten Szene hatte er ganz sicher nicht gerechnet und ihm fiel nichts ein, um das zu entkräften. Die Jury zog sich zur Beratung zurück, während die Verhandlung für eine Stunde unterbrochen wurde. Kaum waren sie in die Wartehalle vor dem Anhörungssaal getreten, krallte sich Chily an ihrem Mann fest und schmiegte sich innig an ihn. „Die müssen uns zusammen einsperren. Ich lass dich jedenfalls nicht mehr los, “ erklärte sie überzeugt. Gegen seinen Willen, weil eigentlich noch von dem Verlauf der Verhandlung beunruhigt, musste der Schotte schmunzeln. „Ich weiß nicht, wie wohl du dich in einer Justizvollzugsanstalt fühlst, Jolene. Da kann man nicht gehen, wann man will, “ erinnerte er sie und schlang seinerseits die Arme um sie. „Egal, ich hab nicht vor auch nur einen Schritt von dir wegzumachen, “ beharrte sie kindlich, „Außerdem musst du praktisch denken. So viel Zeit zum Kuscheln haben wir nie wieder.“ Sabers Schmunzeln wurde breiter. „Da ist was dran“, gab er zu und hauchte ihr einen Kuss aufs Haar. „Ich habe nur Blödsinn geredet da drinnen“, klagte sie unglücklich. Nichts von dem, was sie gesagt hatte, schien etwas geholfen zu haben. „Wir werden ganz viel kuscheln, versprochen. Aber zuhause.“ Der Highlander drückte sie fest an sich. Es tat so gut, dass sie da war. Sein Blick glitt zu seinen Eltern. Dass sie auch hier waren, tat ihm gut. Er hatte nicht einen Vorwurf von ihnen gehört. Sie standen ihm einfach nur bei. „Wenn das nur gut geht“, seufzte April bekümmert. „Ich will mir das gar nicht ausmalen.“ Die Lehrerin schüttelte den Kopf. „Man kann auch drinnen heiraten“, informierte der Scharfschütze sie. „Ist mir egal wo, du wirst Misses Willcox“, bestimmte er dann. „Idiot!“ Leicht boxte seine Braut ihn gegen die Schulter. Er rückte ein Stück von ihr fort. „Ach, du willst mich gar nicht mehr“, stellte er dabei fest. „Genau. Sonst geht es dir aber schon gut?“ Robin verringerte den eben geschaffenen Abstand zwischen ihnen. Was hatte er denn jetzt wieder für Wahnvorstellungen? „Ja ja, schon gut.“ Schmollend schuf er wiederum Distanz. „Mein Ersatz ist ja auch viel pflegeleichter“, tat er verstehend. „Welcher Ersatz, du Pflaume?“, wollte Robin wissen. Sie verstand kein bisschen, was er gerade hatte. Noch mal kam sie zu ihm und bekam die Erklärung für seine seltsame Anwandlung. „Du weißt schon, der der dir so schöne Augen macht und über den du nur Lobeshymnen trällerst. Oder sind das Liebeserklärungen? Jedenfalls muss ich keine Sorge haben, dass du vor Langeweile stirbst. Der beschäftigt dich sicher und das auch gern, “ gab sich der Scharfschütze fast ganz der Vorstellung hin, dass der böse Konkurrent sofort zur Stelle wäre, wenn der Cowboy gehen musste. „Der einzige, der von mir Liebeserklärungen kriegt, bist du. obwohl ich mir das angesichts deines Anfalles noch mal stark überlegen muss. Was siehst du eigentlich für Hirngespinste, Colt?“ Robin konnte diese Anwandlung wirklich nicht nachvollziehen. Es war so, wie sie gesagt hatte. Der einzige, dem ihr Herz gehörte, war der Kuhhirte. „Ich sehe genug. Und so, wie mein Nachfolger dich ansieht, macht er die eine oder andere Sache mit dir sicher genauso gern wie ich. Wenn wir auch sonst nichts gemeinsam haben, dann das.“ Oh, der Gedanke gefiel ihm so gar nicht. Er konnte sich leider sehr gut ausmalen, wie Woody Steeker seinen Part an Robins Seite übernahm und da gehörte er nun mal nicht hin. Die Lehrerin verpasste dem Eifersüchtigen eine Kopfnuss. „Hör auf, zu spinnen. Der einzige, der was mit mir machen darf, kassiert grad einen Schlag auf den Hinterkopf. Wie kommst du denn bloß auf so einen Schwachsinn?“, fuhr sie ihn leicht an. „Oh bitte Robin. Woody Woodpecker ist doch ganz offensichtlich ganz scharf drauf zu decken, “ erklärte er, aber nur noch halb so überzeugt wie zuvor. Hatte er sich da doch etwas eingebildet, das nicht war? „Woody Woodpecker?“, wiederholte sie ungläubig. Wann hatte sie dem denn Avancen gemacht oder sich von ihm welche machen lassen? „Hast du einen Schlag zu viel auf den Kopf gekriegt? Was soll ich denn mit ihm?“ Der war doch so gar nicht wie ihr chaotischer, kleiner Cowboy. Dass der jemals an ihr zweifeln würde, und dann noch so massiv, war unglaublich. „Was denkst du eigentlich von mir?“ Jetzt schossen ihr Tränen in die Augen. „Dass ich nur drauf warte, dass du mich verlässt?“ Das war doch bitte nicht sein Ernst. So durfte er nicht von ihr denken. Dass ihre Augen so glänzten, verunsicherte ihn noch mehr. Sie sollte doch nicht weinen. Er verstand es doch, wenn sie sich von Woody trösten ließ, auch wenn ihm selbst das so überhaupt nicht gefiel. Aber offensichtlich war er mit dieser Einstellung ganz schön auf dem Holzweg. „Schatz, das habe ich so nicht gesagt“, versicherte er hastig und trat wieder einen Schritt zu ihr. Unbeholfen versuchte er seine Arme um sie zu legen, aber sie drehte sich weg. „Lass mich!“, schniefte sie unglücklich. „Nicht genug, dass wir dann nicht mehr heiraten können. Du unterstellst mir auch noch ernsthaft, dass ich das gar nicht mehr will, “ klagte sie zutiefst gekränkt. „He Robin.“ Geplättet über seinen Irrtum, legte er die Arme um sie. „Schatz ... Engel ...“ Hörte sie ihm zu? „Ich unterstelle dir gar nichts.“ Er drückte seine Stirn an ihre Schulter. „Ich hab nur...,“ stammelte er. „Du hast mir nur wehgetan“, erklärte sie verletzt. „Ich habe nur vor nichts so viel Angst“, gestand er hilflos. Sie schniefte noch einmal. „Wovor?“ hakte sie nach. „Davor, dass ich da dann raus komm und du bist nicht mehr da, “ schüttete er ihr sein Herz aus und hustete verlegen. „Ich werde immer da sein, du Idiot, “ fuhr sie herum und ihn an. „Ach, haust du mich deshalb immer?“, wollte er wissen. „Irgendwie muss ich dir das doch klar machen und auf Worte allein hörst du nicht“, entgegnete sie mild und schmiegte sich an seine Brust. „Fühlt sich aber manchmal so an, als hättest du mich nicht mehr lieb“, ließ er sie noch einmal in seine Seele blicken. „Ich hatte dich nie mehr lieb“, murmelte sie zurück. Jetzt nahm er sie ebenfalls in die Arme. „Wirst du da sein? Willst du immer noch meine Frau werden?“, musste er wissen. Was immer nun auf sie zukommen würde, mit der Gewissheit wäre es leichter zu ertragen. Sie hob den Kopf und schaute ihm in die Augen. „Ich möchte für immer deine Frau sein, Colt. In guten, wie in schlechten Tagen. Und wenn das heißt, dass wir mit den schlechten starten müssen, “ versicherte sie ihm. Erleichtert gab er ihr einen langen Kuss. Chily hatte amüsiert diese Szene beobachtet. „Deine Zweifel müssen ansteckend sein“, bemerkte sie an ihren Mann gewandt. „Welche Zweifel?“, tat der ahnungslos. „Die typischen Manapizweifel.“ Der sollte mal bloß nicht so tun, als wüsste er nicht, wovon sie sprach. „Die enden aber meistens so.“ Saber verschloss ihr den Mund mit seinen Lippen, ehe er von ihr noch mehr solcher unangenehmen Wahrheiten zu hören bekam. April hielt sich den Bauch. Charlene strampelte darin und verursachte ihr Schmerzen. Fireball schob seine Freundin gleich fürsorglich auf einen Stuhl, hielt sie an der einen Hand und legte die andere auf ihren Bauch. „Tut sie dir weh?“ fragte er besorgt. „Ja. Ihr gefällt das Ganze wohl auch nicht, “ antwortete April. Er nickte nur und lehnte traurig seinen Kopf gegen ihren. „Spürst du das?“ Die Blondine schob seine Hand an eine Stelle, an der der künftige Erdenbürger immerzu zu streicheln schien. „Ja“, murmelte er rau und glitt ebenfalls kraulend darüber, wie zur Antwort. „Versucht wohl zu trösten, unsere Kleine“, meinte er leise. „Hm, möglich, “ bestätigte sie. Die Bewegung hörte auf, aber nicht der Druck auf die Bauchwand. „Ich glaube, sie weiß, dass du das bist.“ Das machte es für Fireball nicht gerade leichter. Wenn seine Tochter tatsächlich schon wusste, wer er war, wie sollte er es dann ertragen, sie nicht zu sehen? Es war so schon kaum vorstellbar. Er ließ die Hand an der Beule ruhen und hob den Kopf leicht, so dass April sich an seine Schulter lehnen konnte. „Sie spürt, dass ich euch halte“, presste er hervor. „Und weiß, dass du das immer wirst“, versicherte die Navigatorin leise. In ihren Augen sammelten sich Tränen. Sie war überzeugt, dass das kleine Mädchen in ihr genau wusste, wann welche Person den Bauch berührte, in dem es zuhause war. Und oft genug beruhigte sie sich erst, wenn sie den Rennfahrer spürte. Die Schwangere versuchte die Tränen weg zu klimpern ohne dass ihr Freund es merkte. „Wenn es in meiner Macht steht“, murmelte er in ihr Haar, hauchte einen Kuss darauf und verstärkte ein wenig den Griff, mit dem er sie hielt. Sie sollte spüren, dass er bei ihr war. Aber sie spürte auch, wie wenig er überhaupt fort von ihr wollte. „Ich weiß“, schniefte sie unterdrückt und fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Nicht weinen, Süße“, bat er. Die Gefahr, dass er mit heulen würde, war groß. „Tu ich doch nicht“, log sie unglaubwürdig, weil ihr nun doch die Tränen über das Gesicht liefen, ungeachtet dessen, wie sehr sie versucht hatte, dass zu verhindern. Wie sollte sie bloß ohne ihn klar kommen? Sie brauchte ihn doch genauso sehr wie er sie brauchte. In der Zwischenzeit betraten die Mitglieder des Beraterstabes den Raum, in dem sie ungestört zu einer Entscheidung kommen sollten. Und diese musste einstimmig sein, da es nicht erwünscht war, dass eine der beiden Seiten Revision einlegen und so die Angelegenheit verlängern konnte. Der erste Lieutenant Colonel war verheiratet und kinderlos. Er öffnete den obersten Uniformknopf, als er sich auf einen der Stühle an dem runden Tisch setzte und bemerkte würdevoll. „Also, das übertrifft alles, was ich bisher gesehen habe Der Major, der seinen Sohn im Krieg verloren hatte und den daheim noch eine Frau und eine Tochter erwarteten, setzte sich ebenfalls. „Für mich ist der Fall klar,“ murmelte er dabei. Mit einem Blick auf das Kärtchen, das vor seinem Stuhl auf dem Tisch stand, bemerkte er, dass er diesmal B2 war. Der geschiedene desselben Ranges, der noch einen Sohn hatte, platzierte sich hinter Schild B3. „Unglaublich,“ brummte er. Die beiden verbliebenen Lieutenant Colonels setzten sich auch. Bei Nummer B4 war nicht zu erkennen, was der unverheiratete, kinderlose Mann von der ganzen Sache dachte. Seine Miene war undurchschaubar. Die Mutter einer Tochter hinter Tischkärtchen B5 seufzte bedauernd. „Tragisch auf seine Art und Weise.“ Sie schaute in die Runde. An einem solchen Tisch würden nie ihre Namen stehen, sondern Nummern, wie es bei Verhandlungen eben üblich war. Jetzt meldet sich B1 wieder zu Wort. „Peinlich, wenn ich mir Misses Rider ansehe. Ich hab mein Lebtag noch nicht so was Respektloses erlebt. Und das als Frau eines Befehlshabers.“ Verständnislos schüttelte er den Kopf. Seine Frau tat schließlich, was er ihr sagte. Im Leben würde ihr nicht einfallen ihm zu widersprechen. Ganz so, wie es seiner Meinung nach eben sein sollte. „Das können Sie auf alle Beteiligten münzen. Diese Einheit ist schlicht und ergreifend das unbeherrschteste Gebilde, das wir im KOK haben. Es sollten mehr Konsequenzen für Team Ramrod daraus folgen, als diese Entscheidung,“ bemerkte B3 unzufrieden mit der gesamten Anhörung. Die Zwischenrufe, die Tonlagen, die Art und das Verhalten der Beteiligten – nein, so durfte sich eine Einheit nicht benehmen. „Von unbeherrscht würde ich nicht reden. Die S.a.D.s mögen nicht unbedingt einsehen, was Captain Rider anordnet, aber sie gehorchen trotzdem,“ widersprach B2. Die Angelegenheit ging den Betroffenen offenbar spürbar an die Nieren, trotzdem war es nur zu Zwischenrufen und nicht zu Handgreiflichkeiten gekommen, wie es schon in manchen, weniger persönlichen Fällen geschehen war. „Sie handeln intuitiv, das kann es doch nicht sein,“ erklärte nun einigermaßen herrisch sein Rangkollege. „Wir wissen alle, dass es Momente im Kampf gibt, wo man nur reagieren muss,“ betonte die Frau der Runde nun um unnötigen Streit zu vermeiden. „Aber Kämpfe werden nicht allein durch Handeln entschieden. Es erfordert Disziplin und Gehorsam. Zwei Tugenden, die gerade auf die beiden S.a.D.s nicht zutreffen,“ beharrte B3. „Sie verfügen über beides. Diese ganze Crew. Wie sonst hätten sie es vor mittlerweile fast zwei Jahren sonst schaffen sollen, den Outrider-Planten in seine Dimension zurückzuschicken?“ widerlegte B2 erneut. So verfingen sich die vier in einer Debatte über ihre Ansichten zu den Angeklagten und den Zeugen. So wohl der Lieutenant Colonel, welcher zwar verheiratet, aber kinderlos war, als auch der geschiedene Major, Vater eines Sohnes waren sich einig über die wilde, unbeherrschte Horde, die sich Ramrod-Crew schimpfte. Dagegen war der Major, der seinen Sohn im Kampf verloren hatte, und Lieutenant Colonel, die Mutter einer Tochter eindeutig vom Gegenteil überzeugt. Es wurde gewertet, inwieweit Saber, Colt und Fireball selbst dafür verantwortlich waren, dass diese Mission so extrem persönlich waren und was sie hätten, wenn wäre. „So kommen wir nicht weiter,“ brummte B1 nach reichlich einer Viertelstunde und beendete diese ergebnislose Auseinandersetzung damit. Die übrigen vier Anwesenden nickten. Die erste Regung damit, die B4, ebenfalls Lieutenant Colonel, allerdings ohne Frau und Kind, seit er Platz genommen hatte, zeigte. Im Augenblick waren der Major, B2, und B5, die Mutter von einem minder schweren Fall überzeugt. Dagegen hielten B1 und B3 das ganze für Vorsatz. B4 war schweigsam geblieben. Nun seufzte B1 und übernahm die Moderation des Ganzen. „Was sind die Gründe für einen minder schweren Fall?“ fragte er um alle wieder zum eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit in der Anhörung und jetzt im Beratungsraum zu bringen. „ …war der Täter ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt,“ las die Frau der Runde vor. „Der Tatbestand ist erfüllt. Denken Sie nur daran, dass Miss DeMartin die werdende Mutter mit einem geladenen Blaster bedroht hat. Das ist Misshandlung,“ fügte sie dann hinzu. „Miss Johnson wurde von ihr entführt, auch das sehe ich als Misshandlung an,“ ergänzte B2 sofort. „Aber der Zickenterror zwischen Miss DeMartin und Misses Rider fällt da raus,“ stellte B3 richtig. „Der Mord an Starcaptain Yamato, die von allen Beteiligten eine gute Freundin war, fällt definitiv wieder rein,“ argumentierte sein Rangkollege augenblicklich weiter. B5 nahm das Sitzungsprotokoll zur Hand und las die Aufzählung vor, die Colt auf Steekers Frage abegeben hatte. „Wie viel persönlicher noch? Wie viel mehr Minderungsgründe noch?“ wollte sie dann wissen. „Das ist das Problem. Es war viel zu persönlich. Es hat alle drei vergessen lassen, wofür sie eintreten, was ihr Job ist. Ich vermute nach wie vor Vorsatz dahinter,“ beharrte B1. Verstehend nickte die Leserin und zitierte wiederum die Mitschrift. „Jeder, der ein Herz in der Brust hat, schaltet auch mal den Verstand aus. Egal ob es richtig ist oder nicht. Das ist es nämlich, was uns von den Outridern unterscheidet.“ Das ließ sie jedoch kommentarlos erst mal im Raum stehen, damit diese Aussage wirken konnte. Und sie wirkte. Jetzt griff B1 nach dem Protokoll und überflog es. „ ... und das alles nagt an ihrem Gewissen.“ Er schaute auf. „Das schwächt den Vorsatz,“ gab er dann zu. „Ich weiß nicht, wie ich die Aussage von dieser Zeugin werten soll. Ich meine, es war doch Misses Rider richtig?“ bekundete B3 seine Zweifel. Abwartend sahen ihn alle an. „Nun ja, sie hat eindrucksvoll gezeigt, dass sie keinen Respekt hat. Zum einen. Zum anderen hört sie dann aber aufs Wort, was Captain Rider ihr sagt. Soll ich ihr also ihre Aussage glauben?“ erklärte er sich und damit seine Vermutung, der Schotte hätte seiner Frau in den Mund gelegt, was sie zu sagen hatte. „Er hat sie lediglich an die Verhaltensvorschriften erinnert,“ bemerkte B5. „Stimmt, sie hat bewiesen, dass es ihr an Respekt mangelt. Sie war laut, ungehobelt und direkt. Sie hat gesagt, was sie gedacht hat, ohne einmal zu überlegen, was sie da sagt. Und die soll lügen?“ B1 zog skeptisch die Brauen hoch. Er hielt nicht viel von diesem Frauenzimmer, aber genauso wenig glaubte er daran, dass sie log. Lügener waren berechnender und beherrschter als sie. „Abgesehen davon, waren alle drei Frauen recht angriffslustig, was Lieutenant Haywoods Fragen angeht,“ grinste B2 nun. Das hatte ihn doch schwer beeindruckt. Selten zuvor hatte ein Angeklagter so haltlose Unterstützung gehabt. In diesem Fall traf das auf alle drei Beklagten gleichzeitig zu. Das war in der Tat bemerkenswert. „Diese Frauen stehen hinter ihren Männern, soviel ist klar,“ musste auch der skeptische B3 zugestehen. Dieser Umstand schwächte seine Ansicht. Wie konnten drei Frauen so einhellig und fest hinter ihren Männern stehen, wenn sie auch nur den leisesten Zweifel an ihrer Unschuld hatten. Nein, eine der drei hätte sich bestimmt an einer Stelle der Befragung negativ geäußert, aber das war nicht der Fall gewesen. Dann ließ sich auf einmal B4 vernehmen. „Für die drei Herren ging es um alles. Ihre Freunde, ihre Familie. Sie standen unter einer enormen psychischen Belastung.“ Dabei wies er auf die Familienväter. „Wie hätten Sie gehandelt, wenn jemand Ihre schwangere Frau bedroht hätte und damit das Ungeborene, dass Sie so sehr erwarten? Oder Ihre Frau anschießt?“ Diese Frage richtete er an B1. „Oder was hätten wir alle gefühlt, wenn uns ein sehr guter Freund verraten hätte, wenn er alles daran gesetzt hätte, uns zu nehmen, wofür wir in erster Linie kämpfen? Denn wir kämpfen als erstes für Freunde und Familie. Sie haben sich tapfer gehalten, haben versucht, damit umzugehen. Bedenken Sie die Entführungsorte von Miss Eagle und Miss Johnson. Beide wurden nicht in Tucson-City entführt, sondern von Orten, zu denen sie zu ihrem Schutz gebracht worden waren. Die drei Herren haben versucht, sie aus der Gefahr herauszuhalten. Auch wenn das in der Verhandlung nicht so erwähnt wurde, es ist doch aus den Unterlagen zu erkennen und ein nicht unwesentlicher Fakt. Captain Rider und die S.a.D.s haben versucht, das Persönliche an diesem Fall auf ein Minimum zu reduzieren, doch ihr Gegner hat genau das eingeplant und so waren sie schlussendlich handlungsunfähig, als es darum ging, Miss DeMartin vor dem Tod zu bewahren. Wer von uns kann allen Ernstes behaupten, dass er anders gehandelt hätte? Ich für meinen Teil nicht ohne zu lügen. Es ist, wie S.a.D. Willcox sagte: Es ist das Herz, dass uns von den Outridern unterscheidet…“ Die Stunde zog sich schier ins endlose. Keiner der Beteiligten konnte es noch erwarten, das Urteil zu hören. Sie wollten Gewissheit. Die Anspannung war schier unerträglich. Schließlich durften sie den Saal wieder betreten. Der Beraterstab hatte Platz genommen. Ebenso der Vorsitzende Colonel. Dann stellte er die Frage, die so sehr herbei gesehnt wurde. „Sind Sie zu einem einstimmigen Urteil gekommen?“ B1 bestätigte und erhob sich. Steeker und seine Mandanten standen ebenfalls auf. Sie strafften die Schultern. In der Reihe der Zeugen griffen Chily, Robin, April und Mary je nach der Hand der Frau neben sich, drückten sie fest und hielten den Atem an. Sekunden verstrichen, schienen quälenderweise auch noch langsamer zu verstreichen. Oder stand die Zeit gerade still? „… befinden die Angeklagten Captain Rider, S.a.D. Willcox und S.a.D Hikari, dem Vorwurf der vorsätzlichen unterlassenen Hilfeleistung für nicht schuldig …“ B1 hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da brach Jubel unter den Frauen aus. Keine Trennung. Ihre Männer blieben. Dem Himmel sei Dank. Der Vorsitzende klopfte energisch auf den Pult um sich Ruhe und Gehör zu verschaffen. Streng sah er die Herren an und hatten die eben noch erleichtert ausgeatmet, fuhren sie nun bei den nächsten Tönen erschrocken zusammen. „Dann lege ich das Strafmaß für die unterlassene Hilfeleistung fest.“ Es klang wie eine Drohung. „Für Captain Rider und die S.a.Ds Willcox und Hikari halte ich eine Freiheitsstrafe für drei Jahre zur Bewährung für Tat und Schuld angemessen, unter der Bedingung, dass sie sich umgehend in psychiatrische Betreuung begeben. Das erscheint mir in diesem Fall doch dringend erforderlich.“ Bum. Der Hammerschlag besiegelte alles. Während sich die Mädchen erleichtert um den Hals fielen, waren die Jungs beinahe zu Salzsäulen erstarrt. Entgeistert schaute Fireball zum Recken. Colt wiederholte ungläubig: „Zum Seelenklempner?“ Das war doch hoffentlich ein schlechter Scherz. Als auch noch Saber auf den fragenden Blick des Rennfahrers hin schluckte, entschied der Kuhhirte. „Ich glaub, da gehe ich doch lieber in den Bau.“ Prompt bekam er von seiner Zukünftigen hinter ihm eine Kopfnuss verpasst. „Den Teufel wirst du,“ schimpfte sie halblaut. „Du haust mich ja schon wieder,“ klagte der sofort. „Wenn du solchen Blödsinn von dir gibt es.“ Aber die Kraft ernsthaft zu zetern, hatte die Lehrerin nicht. Erleichtert fiel sie ihm um den Hals. „Ich will dich doch heiraten, du verdammter Idiot,“ murmelte sie an seine Brust. „Ja, aber wenn ich bei dem Seelenheini erst mal auf der Couch lieg und der herausfinden will, wie ich ticke, bin ich auch drei Jahre weg,“ entgegnete der Scharfschütze gewohnt scharfsinnig. Im Gefängnis müsste er wenigstens nicht drüber reden. Aber da würde sich aus niemand so innig an ihn kuscheln und wenn, hätte er was dagegen. Er legte seine Arme um Robin und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. Dann eben hundert Jahre beim Mackenmann, solange er zu ihr zurück konnte. Ganz leise hatte Fireball den Schotten gefragt: „Hast du eine Idee, wieso wir zum … sollen?“ So wenig ihm der Gedanke behagte, konnte er auch nicht aussprechen, dass sie zum Psychotherapeuten sollten. Der Gefragte hob die Schultern. „Um alles zu verarbeiten. Wenigstens liest es Jolene dir dann nicht vor,“ versuchte er ihn aufzu muntern. „Ist auch nicht besser.“ Mit einem Kopfschütteln wischte er den Gedanken erstmal bei Seite und nahm seine Freundin in den Arm. „Süße.“ Sie erwiderte die Umarmung. „Gott bin ich froh.“ Mehr als das brachten sie beide nicht hervor. Schmunzelnd beobachtet der Recke das und schüttelte den Kopf, als er das Ende von dem nicht so ernst zu nehmenden Zwist zwischen der Lehrerin und dem Scharfschützen mitbekam. Das war mal wieder typisch für den. Saber sah zu seiner Frau. „Jolene?“ Sie schaute ihn mit großen Augen an und erhob sich langsam. So wie ihr das Herz in der Brust raste, war es unmöglich für sie nur einen Ton zu sagen. Sehr viel anders ging es dem Schotten nicht. Er nahm sie wortlos in die Arme und presste sie nah an sich. „Gekuschelt wird zu Hause,“ hatte er ihr versprochen. Er konnte dieses Versprechen halten. Über seine Schulter schaute Chily zu den Mitgliedern des Beraterstabes, die nun den Raum verließen. Sie suchte den Blick von B4. Als er ihren Augen begegnete, formte sie ein tonloses „Danke“. Sie wusste genau, dass sie es an ihn richten musste. Einen Moment lang hielt er in der Bewegung inne. Es war, als hätte die Hebamme genau gesehen, wer er war. Als wüsste sie, dass er in den Jungs all das sah, was ihm zu erreichen nie vergönnt war. Als wüsste sie, dass er den Schutz des Neuen Grenzlandes so weit über sein privates Glück gestellt hatte, dass er dieses nie erreicht hatte. Und als verstünde sie genau, wie unglücklich und einsam er sich so ohne liebe Frau und Kindersegen oft fühlte. Ja, diese Hebamme erkannte, dass er nicht anders gehandelt hätte, als der Mann, in dessen Armen sie gerade lag. Eine Sekunde hatte dieses Erkennen und Verstehen gedauert. B4 nickte ihr zu und ging. Nahm ihr ungesagtes Versprechen mit, gut auf alle zu achten und seine Fehler nicht zu wiederholen. Kapitel 23: Bonuskapitel - Happy New Year ----------------------------------------- Okay, ich glaub nicht, dass ich das on stelle. Ich glaub nicht, dass ich das geschrieben habe. Das *räusper* macht man einfach und schreibt nicht drüber. *g* O///////O ... Aber das kommt raus, wenn Smallville mir einen Floh ins Ohr setzt und ich gleichzeitig was testen will, was ich sonst nicht mache. Segen oder Fluch? Eure Entscheidung. Ich wünsche Euch hiermit jedenfalls ... ... Happy New Year Die Einladung zum Sylvester-Banquette im Oberkommando hatten die Jungs ausgeschlagen. Nach der Anklage und der Verhandlung hatten sie erst mal genug davon. Auch Robin, April und Chily legten keinen gesteigerten Wert auf diese Veranstaltung. Außerdem waren auf solchen Feiern immer viele Leute und herrschte reges, wenn auch fröhliches, Treiben. Doch der Bedarf der Freunde an Aufregung war für Jahre hinreichend gedeckt. So war die Entscheidung, unter sich zu bleiben und nur im Freundeskreis ins neue Jahr zu wechseln, schnell gefallen. Das Haus des Kuhhirten war auch schnell ausgelost, da der über einen Partykeller verfügte. Dieser bestand aus zwei Räumen. In einem davon standen eine Bar, ein Pokertisch und ein Darts-Spiel. Im Nebenzimmer befand sich ein Billard-Tisch. Beide Zimmer waren von einer Western-Saloon-Atmosphäre eingehüllt. Dunkles Grün, schummriges Licht, massives Holz und Schwingtüren zu dem Raum mit der Bar. Saber und Chily bestaunten dieses Ambiente am Sylvester-Abend zum ersten Mal. Fireball und April hatten es schon bei dem Abendessen bewundert, bei dem der Schotte die Hebamme zu seiner Frau gemacht hatte. Dessen Eltern und Commander Eagle saßen im Wohnzimmer zusammen und unterhielten sich seit dem Abendessen über die Zeiten, in denen sie selbst noch jung waren. Dass das für die jüngere Generation weniger interessant war, verstanden die drei. Jetzt begutachteten die sechs den Billard-Tisch, die neueste Anschaffung in dem gemeinsamen Haus von Colt und Robin. Nagelneu, betonte der Kuhhirte, und völlig unberührt. „Der muss entjungfert werden“, stellte er dann fest und meinte, eingeweiht. Chily deutete auf den Rennfahrer. „Dann bitte, Little Daddy“, forderte sie ihn auf. Der wies grinsend auf April. „Schon geschehen, wie man sieht.“ Der Bauch der Schwangeren war inzwischen wirklich gewaltig. „Hoffentlich kriegt der Tisch keinen so dicken Bauch. Was kommt da dann raus?“, grübelte die Lehrerin lächelnd. „Was auch immer, ich entbinde es nicht“, wiegelte die Hebamme ab. „Sind ein paar Löcher zu viel.“ – „Taschen, du Huhn“, belehrte sie der Scharfschütze sofort. „Egal. Bälle verschlucken können sowohl der Tisch, als auch April“, schloss sich auch der Schotte dem Geplänkel an. Die Geneckte setzte sich grinsend auf einen der Stühle, Robin nahm auf dem daneben Platz. Chily ging neugierig um den Tisch herum und betrachtete ihn eingehend. „Und wie spielt man jetzt damit?“, wollte sie wissen. „Und wozu sind die Stöckchen gut?“, hakte sie nach, als sie die Queue-Halterungen neben der Tür bemerkte. Sie war zwar oft dabei gewesen, wenn Colt gespielt hatte, hatte sich dabei allerdings weniger für das Spiel interessiert, sondern sich über die Mädchen schlapp gelacht, die dem Kuhhirten auf den Hintern geschielt hatten. Sie selbst hatte noch nie einen Queue in der Hand gehabt. Fireball schnappte sich einen solchen Spielstock und trat an den Tisch. „Also entweder wirfst du das Stöckchen weg und hoffst, dass Saber es zurück bringt, oder du versenkst damit die Kugeln“, schlug er vor und begann eifrig das Spiel aufzubauen. Colt und Saber bedienten sich ebenfalls eines Queues. „Bei Bullet ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ich das Stöckchen wieder bekomme. Findest du nicht? Du hast ihn doch mit Lassi verglichen“, meinte sie und umrundete den Tisch noch einmal. „Und wieso versenken? Ich dachte, wir spielen Billard und nicht Schiffe versenken?“ Naiv klimperte sie die Jungs an. „Lassi war auf was anderes bezogen“, grinste der Japaner unschuldig zurück. „Wir zeigen es dir beim Spielen, vorher verstehst du es eh nicht, Chily.“ Gehorsam trat die Hebamme zur Seite und ließ die Herren der Schöpfung an den Tisch. Der Rennfahrer kontrollierte noch mal fachmännisch sein Werk und fragte dann breit grinsend: „Wer will anstoßen?“ Die kleinen Zweideutigkeiten, die bei jedem Billard-Spiel so vom Stapel gelassen wurden, mochte er. Schon in seiner Zeit als Rennfahrer fand er das lustig. Seltener als seine Rennfahrer-Kollegen allerdings hatte er diesen Anzüglichkeiten auch Taten folgen lassen. Es war einfach nicht sein Fall sich wie diese damit zu brüsten, was sie sonst noch „eingelocht“ hatten. Wenn er sich recht besann, hatte es zwei oder drei solcher flüchtigen Eroberungen gebraucht, um ihm klar zu machen, dass es nicht das war, was er wollte. Dieser Oberflächlichkeit fehlte es an tieferen Gefühlen wie Wärme, Geborgenheit und Nähe. Drei Dinge, die er in April vom ersten Augenblick an gefunden hatte. Je länger er sie kannte, je länger der gemeinsame Dienst auf Ramrod gedauert hatte, desto weniger wollte er etwas anderes, desto weniger wollte er eine andere als sie. Jetzt rief Colt auf seine Frage: „ICH!“ und Saber grinste wissend: „War nicht anders zu erwarten.“ Auch die Lehrerin stichelte leicht: „Sich Zeit zu lassen ist nicht seine Stärke.“ Verständnisvoll lächelte April ihr zu. „Da ist er nicht allein, mit der Ungeduld.“ Ein anzügliches Schmunzeln breitete sich in Fireballs Gesicht aus. „Ist nur die Frage, wie er mit der Länge des Queue umgehen kann.“ Der Scharfschütze beugte sich über den Tisch und erklärte sicher. „Beschwerden gab es noch keine.“ Seine Zukünftige gestattete sich einen anerkennenden Blick auf den Inhalt seiner Jeans und zwinkerte der Hebamme zu. „Wie früher“, stellte diese grinsend fest und linste ebenfalls auf den Hintern ihres Jugendfreundes. April riskierte, nun neugierig geworden, auch ein Auge darauf. Unbeeindruckt hob sie die Schultern. „Hm, ist nix besonderes“, bemerkte sie. Der Recke und der Rennfahrer schauten sich an und verdrehten beide die Augen. „Frauen. Und da heißt es wir würden nur auf Äußerlichkeiten schauen“, schüttelte der Pilot den Kopf. Die Hebamme zuckte mit den Achseln. „Was? Den Anblick kenn ich schon.“ Dann flüsterte sie Robin zu. „Ist aber mit der Zeit immer netter geworden.“ Allerdings war diese Anerkennung nicht leise genug gewesen. Der Kuhhirte hatte sie gehört und wackelte demonstrativ mit dem Po. „Der ist ausgepackt noch netter“, behauptete er und stieß die Kugeln an, leider ohne eine zu versenken. „Weihnachten war schon, also lass eingepackt. Mir reicht der Anblick auch so, “ versicherte Fireball und beobachtete die Kugeln, wie sie ausrollten. „War ja klar, dass du nichts einlochst, Viehtreiber“, stellte er dann erheitert fest. „He, ein guter Stoß will vorbereitet sein. Ich schaff mir nur eine Vorlage“, wiegelte der Scharfschütze die Kritik ab. „Da bedank ich mich doch gleich ganz artig für die schöne Vorlage“, schmunzelte der Recke, der nach ihm dran war, und versenkte meisterlich sauber eine Volle in einer Tasche. „Wow.“ Beeindruckt hob seine Frau die Brauen und lieferte dem Rennfahrer noch mehr Vorlagen zum witzeln. „Hey, ich glaub, du bist nicht überall so zielsicher, wie beim Billard spielen, Boss“, amüsierte der sich. „Es hat jedenfalls nicht so offensichtlichen Erfolg wie bei dir“, versuchte sie klar zustellen und auf Aprils Schwangerschaft abzuzielen, aber Fireball verdrehte das sofort zu Sabers Ungunsten. „Spätestens jetzt würde ich anfangen, mir Sorgen zu machen, Saber. Das klang nicht sonderlich begeistert. Ich glaube langsam, ihr Schotten seid mit allem geizig“, grinste er breit seinen Vorgesetzten an. Der zog seine Frau an den Tisch und drückte ihr den Queue in die Hand. „Versuch du es mal“, schlug er vor. Sie betrachtete den Stab in voller Größe. „Man, ist der lang“, bemerkte sie. Jetzt lachte der Rennfahrer munter. „Und auch noch knapp bemessen.“ Das war einfach zu herrlich. Offenbar war der Hebamme nicht klar, wie vieldeutig ihre Aussagen im Zusammenhang mit Billard waren. Sie stellte den Queue neben sich auf dem Boden. „Der ... äh Stock ist so groß wie ich“, bemerkte sie trocken. „Wo sollte ich denn das hinstecken?“ fragte sie und zog die Brauen hoch. „In ein Astloch, vielleicht, “ schlug Colt grinsend vor und instruierte sie dann. „Abgesehen davon: das Ding steckt man nicht weg, mit dem locht man ein. Lektion Nummer eins deshalb: Der Queue ist nur eine Verlängerung deines Armes und nicht von anderen Körperteilen, egal, wie dürftig diese ausgefallen sein mögen.“ Er schmunzelte dem Schotten zu. Der lehnte sich unbeeindruckt an die Wand. Schließlich musste er hier keinem etwas auf die Nase binden. Seine Frau hatte sich nie beklagt und so zog er es auch hier vor, ganz Gentleman, zu schweigen und bei nächster Gelegenheit wieder zu genießen. „Du sprichst also aus Erfahrung“, neckte die buntgesträhnte Blondine nun ihren besten Freund. „Und wie schieb ich jetzt mit dieser Armverlängerung die Murmeln in die Löcher?“ wollte sie dann wissen. Jetzt stellten sich dem Japaner endgültig die Nackenhaare auf. Die Frau brauchte eindeutig Nachhilfe. Soviel Unwissenheit war ja kaum zu ertragen. Er schob Colt vom Tisch und begann: „Also, das ist ein Queue“, erklärte er und wies auf den in ihrer Hand. „Das sind die Kugeln. Halbe und volle, wie man unschwer sieht. Die schwarze ist tabu und die weiße brauchst du, um die vollen oder die halben einzulochen. Schau her.“ In seine Unterweisung bezog er sie gleich mit ein, legte ihr die Hand auf den Rücken und drückte sie, so dass sie sich über den Tisch beugte. Dann stellte er sich hinter sie und brachte ihre Arme mit dem Queue in eine Position, in der sie gut spielen konnte. „Was ist eine halbe und eine volle Kugel?“, wollte sie noch wissen. „Die halbe hat nur einen farbigen Strich, die volle ist unifarben“, erläuterte er und verbesserte noch einmal ihre Haltung. „Aha. Und jetzt? Schieben?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, Stoßen“, antwortete er. „Dann mach mal“, forderte sie ihn auf. Er griff ihr unter die Arme und schob ihre Stützhand in die richtige Richtung. „So und jetzt ordentlich Schmackes“, wies er sie an. „So?“ Allerdings hatte der Stoß etwas zu viel Schmackes. Die Kugel flog vom Tisch auf den Schotten, der sich wegdrehen musste, um einem Treffer zu entkommen. „Wenn ein Mordversuch geplant war, dann ja“, lachte die Schwangere fröhlich. Erschrocken erkundigte sich die Hebamme. „Alles okay, Schatz?“ Der deutete auf den Piloten. „Ich behaupte einfach, dass es nicht deine, sondern seine Absicht war.“ Seine Frau war doch dafür nicht verantwortlich. „Wieso?“ Unschuldig schaute der auf. „Ganz einfach. Scheint so, als würdest du Chily mögen, “ feixte der Scharfschütze. „Ja, trotzdem ist es nicht meine Schuld. Die Aktion ging ja von ihr aus“, verteidigte Fireball sich. „Nö, gestoßen hast du“, berichtigte die Hebamme ihn postwendend. „Er versucht sich immer bis zuletzt der Verantwortung zu entziehen“, schmunzelte April. „Nicht wahr, Schnucki?“ Der Pilot hob die Schultern. Was mit denen los war, verstand er nicht. Er zeigte doch nur Chily, wie man Billard spielte. Weder er noch sie verschwendeten einen Gedanken darauf, wie anzüglich das auf alle anderen wirken konnte. „Okay, neuer Versuch. Aber diesmal etwas vorsichtiger bitte, “ wandte er sich nun wieder an seine Schülerin. Die nickte, visierte entsprechend seiner Erklärungen die nächste Kugel an. „Schon mal gut für den Anfang?“, fragte sie. „Bist schon fast Profi, wenn du seine Lehrstunden überlebst“, versicherte die Freundin des Rennfahrers ihr. „Ich bin lernfähig.“ Mit dieser Aussage, wollte die Hebamme nun den nächsten Versuch starten. Der Rennfahrer stand immer noch hinter ihr und beobachtete ihr Tun, griff ihr aber nicht mehr unter die Arme. Die Folge war, dass sie den Queue zu locker hielt und er ihr beim Anstoß nach hinten weg glitt. Im nächsten Augenblick stöhnte Fireball: „Okay. Charlene kriegt keine Geschwisterchen mehr.“ Du liebes Bisschen, wie unangenehm. Colt lachte sich schlapp. „Treffer! Versenkt! Nur in der falschen Richtung.“ Die übrigen kicherten heiter, während die Hebamme mit einem erschrockenen „Sorry, Little Daddy“ herumfuhr und Fireball beinahe noch den Queue über den Kopf gezogen hätte. Knapp zog der den ein. „Ich hätte es wissen müssen. Das kann mit dir nicht gut gehen. Da ist Hopfen und Malz verloren. Noch nicht mal April hat mich bei ihrem ersten Spiel halb umgebracht“, beschwerte er sich. „Na danke, das war doch keine Absicht“, entschuldigte sie sich hilflos. Das hatte sie wirklich nicht gewollt. Sie war ja gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass so etwas passieren konnte. „DER“ Colt wies auf den Schotten. „dürfte zufrieden sein, Matchbox. Jetzt hängst du wenigstens nicht mehr auf der falschen Frau, “ bemerkte er grinsend. „Drauf hängen sieht anders aus, Kumpel.“ Schmunzelnd richtete der Japaner sich auf. So empfindlich hatte der Treffer nun doch nicht gesessen. „Das müsstest du wissen, wenn du... Ach, nicht so wichtig, Cowboy, “ winkte er dann ab. „Krieg ich noch eine letzte Chance?“ bat Chily den werdenden Vater. „Aber nur, wenn du dann ordentlich triffst. Noch redet er ja wie ein Wasserfall, “ gestatte ihr Mann. Sie schenkte Fireball einen flehenden Blick. „Bitte. Du kannst das so gut“, kratzte sie sich bei ihm ein. „Ich bin der Beste,“ erwiderte er augenzwinkernd. Robin lehnte sich leicht zu April. „Wenn ich es nur hören würde, würde ich es bedenklich finden“, musste sie zugeben. Was taten die beiden da? Flirteten sie, oder waren sie wirklich so naiv, dass ihnen nicht klar war, wie das Ganze wirkte. April konnte inzwischen gegen leichte Anflüge von Eifersucht nicht ankommen, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. Fireball nahm Chily den Queue ab und demonstrierte ihr wie das Anstoßen gekonnt aussah. Er versenkte professionell gleich zwei Kugeln. „Sieh gut zu, ist ganz einfach“, meinte er dabei. „Wenn man den Sicherheitsabstand einhält“, stichelte Colt. „Jetzt grad frag ich mich, wo euer Zwilling abgeblieben ist“, schmunzelte die Lehrerin. War ja immerhin möglich, dass er öfter gleich zwei Treffer auf einmal erzielte. „Wenn ich die Rennsemmel richtig verstanden hab, hat April den auf dem Gewissen“, erklärte der Scharfschütze und bezog sich auf die Aussage des Rennfahrers, dass nicht mal April ihn beim ersten Spiel umgebracht habe. „Ich hab gar nichts auf dem Gewissen. Zwei kleine Kinder reichen ja auch erst mal“, wehrte sie ab. „Mir reicht mein großes“, bekundete Robin. „Mir auch, “ fügte Saber hinzu. „Ich werde gern umsorgt und gehegt“, erklärte der Lockenkopf schulterzuckend. „Ich auch. Aber jetzt will ich spielen.“ Mit dieser Aussage, die bewies, dass Chily gar nicht richtig zugehört hatte, nahm sie Fireball den Queue ab. „Wie war das jetzt noch mal?“ Er gab ihr erneut Hilfestellung. „Ist sie immer so schwer von Begriff?“, wollte er dabei vom Schotten wissen und zwinkerte ihm schelmisch zu. „Nein, eigentlich lernt sie schnell“, entgegnete der leichthin. „Dann sollte ich ihr mal ein Karotti vor die Nase halten. Oder ein Leckerli in Aussicht stellen“, überlegte der Japaner. „Kommt drauf an, was du anbietest“, stieg sie auf den Scherz ein. „So ziemlich alles“, versprach er ihr. Sie hob die Brauen. „Ernsthaft. Was kriege ich, wenn ich jetzt gut bin?“ Dass sie mit ihrem Geplänkel schon wieder in Anzüglichkeiten geraten waren, war beiden nicht bewusst. Immerhin wussten sie, dass es nur harmlose Späße waren. „Du kannst den da wieder haben“, nickte er in Richtung des Recken und hätte ihr keinen besseren Anreiz geben können. Jetzt zeigte sich, dass seine Erklärungen gefruchtet hatten. Tatsächlich nahm sie ziemlich sicher die Position ein und die nächste Kugel ins Visier. Aber dem Stoß fehlte der nötige Schwung. Die Kugel rollte bis kurz vor die Tasche und blieb dort liegen. „Verreckt“, lachte die Schwanger fröhlich. „Scheiße.“ Als wäre es wirklich zu was nütze, pustete Chily über den Tisch. Die Kugel blieb allerdings liegen, wo sie war. „Jetzt versuch ich mal.“ Robin stand auf. „Nö, nicht bevor ich meinen wieder hab“, verweigerte die buntgesträhnte Blondine ihr. Fireball richtet sich auf und verpasste ihr einen leichten Klaps auf den Hintern. „Allez hopp!“, gebot er und reichte den Queue an die spielwillige Lehrerin weiter. „Du brauchst keine Hilfe, oder?“, erkundigte er sich. Diese schüttelte den Kopf. „Nö, brauch ich nicht, bin schon angelernt“, erklärte sie gelassen und trat sogleich den Beweis an. Souverän versenkte sie eine Kugel. „Komm schon, Baby. Zeig den Pfeifen da, wo der Bartl den Most herholt“, applaudierte Colt begeistert. Hatte er doch die beste aller Frauen. April erhob sich. „Entschuldigt mich. Ich brauche erst mal etwas frische Luft“, meinte sie und ging zur Tür. Die Art, wie sie das tat, verriet dem Piloten, dass er besser mit ihr ging. „Ich begleite dich, Süße“, meinte er und folgte ihr auf dem Fuße. „Kommt aber wieder, ja?“ rief der Schotte ihnen nach. „Ja, gegen später.“ Damit fiel die Tür hinter ihnen zu. „Man“, staunte Chily über Robins Vorführung am Tisch. „Colt war offensichtlich ein guter Lehrer.“ Die Bewunderte grinste leicht. „Selbst ist die Frau, Chily.“ Das hatte sie schon gekonnt, bevor sie den Lockenkopf kennengelernt hatte. „Pokern kann sie dafür nicht“, grinste der. „Aber ich bringe es dir gerne bei“, bot er vielsagend an. „Ach, ich glaub Mau-Mau reicht für dich schon, Colt“, neckte der Recke, wurde aber geflissentlich ignoriert. Die Augen des Scharfschützen hingen ausschließlich an seiner Zukünftigen. „Also, was ist mein Schatz?“ – „Texas Hold'em?“, fragte die nun taff zurück. „Zu gern“, antwortete der Kuhhirte und im nächsten Moment waren auch die beiden aus dem Billard-Zimmer raus. Robin kannte ihren Cowboy. Ihr war nicht entgangen, dass das Geplänkel während Chilys erster Billard-Stunde ihn hin und wieder auf Ideen gebracht hatte. Vor allem der Umstand, dass die Hebamme sich notgedrungen hatte über den Tisch beugen müssen und Fireball dicht hinter ihr gestanden hatte, um ihr die Anweisungen zu geben. Während weder der Japaner noch die buntgesträhnte Blondine sich irgendetwas Schlimmes dabei gedacht hatten, war Robin nicht entgangen, was sich vor Colts geistigem Auge abgespielt hatte. Der hatte zeitweilig nicht die beiden, sondern die Lehrerin und sich selbst gesehen und das bei etwas anderem als Billard spielen. Vor allem mit deutlich weniger Kleidung. Und jetzt wollte er ihr Poker beibringen? Dabei konnte es sich eigentlich nur um eine unanständige Version von „Karten spielen“ handeln. Besonders jetzt, da er ihr eine Karte mit dem Deckblatt nach oben reichte, sich selbst eine nahm und erklärte: „Das niedere Blatt verliert.“ Er ließ sie das Bild sehen, eine Herz Drei. Sie lächelte vielsagend. „Dann verlierst du jetzt dein Hemd“, entgegnete sie und präsentierte ihm die Ansicht ihrer Herz-Dame. Schön, dass sie nichts gegen dieses Spiel hatte. Colt entledigte sich zügig des Kleidungsstückes. Beide wussten, worin das ganze enden würde. Mit den nächsten Karten musste sich die Lehrerin von ihrem Rock und ihrer Bluse trennen. Colts Augen wurden groß. Trug sie doch tatsächlich das Dessous aus schwarzer Spitze, das er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, und halterlose Strümpfe. Bei diesem Anblick war es für ihn mit Halten vorbei. Der Stapel Karten flog über seine Schulter. Jetzt, da sie sich so lasziv auf den Pokertisch setzte und auch noch provozierend die Füße auf die Tischkante stellte, konnte er nur noch an eines denken. Nämlich, dass er dieser Einladung beim besten Willen nicht widerstehen konnte. Das wollte er ohnehin nicht. Er trat an den Tisch heran und legte seine Hände auf ihre Knie. Mit den Fingern glitt er über ihre Schenkel bis hin zu ihrem wohlgeformten Po. Sie lächelte ihn verführerisch an. Behutsam strich er einen ihrer Strümpfe von ihrem Bein und bedeckte dessen Innenseite mit sanften Küssen. Beinahe so, als wollte er sich für das Entkleiden entschuldigen. Seine Lippen strichen von der Wade hin zu ihrem Oberschenkel. Er ging in die Knie, je näher er dabei ihrem Slip kam und suchte dann, fast beiläufig, diese eine Stelle unter dem Stoff. Als er sie fand, legte sie genießend seufzend den Kopf in den Nacken. Sie keuchte flach. Colts Mund glitt weiter zu ihrem anderen Bein. Mit den Zähnen fasste er vorsichtig den Saum des anderen Strumpfes und zog ihn langsam über die zarte Haut und über ihren Fuß. Jedoch leistet er nicht seinem Gegenstück auf dem Boden Gesellschaft. Stattdessen griff der Cowboy die Handgelenke seiner Zukünftigen und band sie damit zusammen. Dann ging er erneut vor ihr in die Knie und tastete sich sacht fordernd zwischen ihre Schenkel. Wieder fand er, was er gesucht hatte, und reizte den Punkt mit der Zunge, schob seine Finger unter den Stoff ihres Slips und sorgte dafür, dass sie ungehalten aufstöhnte. Ihre Hände fuhren in seine Locken und drückten ihn verlangend näher an ihren Schoss. Er wusste nur zu gut, was sie wollte und liebte. Rasch strich er ihr das Höschen ab und ließ seine Finger massierend über das Entblößte gleiten. Seine Lippen arbeiteten sich unterdessen zu ihrem Nabel hinauf, sogen an der weichen Haut und bedeckten sie mit berauschenden Küssen. Robin ließ sich auf den Tisch sinken und schlang ihre Beine um Colts Hüften. Wenn der Scharfschütze noch einen klaren Gedanken fassen konnte, dann, dass sie seine Göttin war und er sie anbetete. Darum ließen seine Finger sie nun in Höhen aufsteigen, die sie so intensiv noch nie zuvor erlebt hatte. Ihr überraschtes Stöhnen zauberte ein zufriedenes Lächeln in sein Gesicht. Er gab ihr Zeit das erste Highlight zu genießen. Ihr Anblick dabei machte ihn endgültig heiß. Als sie ihn mit lustverschleierten Augen ansah, wurde es für ihn eindeutig Zeit sich ihren weichen Rundungen zu widmen und eine ihrer Knospen mit seinen Lippen zu umschließen. Die andere erfuhr eine intensive Liebkosung durch seine Finger, die sanft über die rosige Wölbung rieb. Robin hatte das Gefühl vor Erregung zu schmelzen, gleichzeitig das unbändige Verlangen ihn zu spüren und eins mit ihm zu werden. Sie schloss ihn in ihre Arme. Da diese gebunden waren, konnte sie ihn leichter näher an sich ziehen. Ungeduldig fordernd drängte sie sich an ihn. Eine klare Anweisung. Mit der freien Hand öffnete Colt seine Hose und streifte sie samt Shorts hinab. „Bitte, Colt“, hauchte sie atemlos. Er verschloss ihr den Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss und erfüllte augenblicklich ihren Wunsch. Ihr ungezügeltes Seufzen trieb ihn dazu an, sie spüren zu lassen, wie sehr er sie liebte. Dass er ihren gefesselten Armen nicht entkommen konnte, steigerte seine Hingabe fast ins Grenzenlose. Er presste sie noch näher an sich und ließ den letzten Rest Hemmungen fahren. Das beginnende Feuerwerk draußen schluckte die Geräusche, die der Sinnesrausch in diesem Raum mit sich führte. Heftig atmend und erschöpft brach der Cowboy auf seiner Robin zusammen und bettete seinen Kopf auf ihre Brust. Beide hielten sich fest, genossen das Kribbeln, das durch ihre Körper jagte und ihnen für ein paar Minuten die Sprache nahm. Als Robin und Colt den Raum verlassen hatten, hatte der Schotte gedanklich gejubelt. Nachdem der ganze Monat, abgesehen vom Heiligen Abend und den beiden Feiertagen, einfach nur ein Desaster war, stand ihm doch sehr der Sinn nach etwas trauter Zweisamkeit. Die war nämlich entschieden zu weit auf der Strecke geblieben und bei dem freundschaftlichen Schlagabtausch zwischen seiner Angetrauten und dem Rennfahrer, war dem Schotten einmal mehr bewusst geworden, wie sehr sie ihm fehlte. Seine Frau zog seine Aufmerksamkeit auf sich, als sie nach seinem Queue griff und ihn mit großen Augen anschaute. „Bist du böse?“, fragte sie vorsichtig. Sein bisher eher unbeteiligter Gesichtsausdruck verunsicherte sie. Die Neckereien zwischen ihr und dem Piloten konnte er schließlich ganz bequem in den falschen Hals bekommen haben. Mit der Eifersucht, zu der er fähig war, kein Problem. „Nein“, lächelte er mild und zog sie in seine Arme. „Bist du sicher?“, hakte sie nach. „Ganz sicher“, beruhigte er sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Okay“, ließ sie das auf sich bewenden und deutete auf den Billardtisch. „Zeigst du mir dann, wie das geht?“ Dass sie ihren Mann auf Gedanken gebracht hatte, ahnte sie nicht. Er lotste sie zum Tisch, schob den Queue und ein paar Kugeln zur Seite und hob sie auf die Tischkante. „Ich kenne noch eine andere Art von Billard“, erklärte er dabei. Überrascht klimperte sie ihn an, als sie sich auf ihrem neuen Sitzplatz wieder fand. Er hauchte ihr einen innigen Kuss auf die Lippen und strich mit den Fingern ihre Arme hinauf zu den Schultern. „British Billard“, fügte er hinzu. „Bitte? British? Wie geht das?“, fragte sie irritiert, weil sie grade nicht in Zusammenhang brachte, was seine Zärtlichkeit mit Fireballs vorangegangenen Erklärungen zu tun hatte. „So.“ Saber fuhr mit seinen Händen in ihren Nacken und öffnete beherzt den Reißverschluss ihres Kleides. Seine Angetraute schaltete und schob ihn ganz überfahren von sich. „Spinnst du?“, fuhr sie ihn an. „Bitte?“, hakte er überrumpelt nach. So eine Abfuhr hatte er ja noch nie kassiert. Gut, er bekam Allerhöchst selten eine, aber ganz sicher nicht solch eine. „Du hast richtig gehört. Du musst nicht ganz dicht sein? Colt und Robin sind nebenan“, empörte sie sich. „Die kommen so schnell nicht wieder, Schatz“, versicherte er ihr und trat wieder zu ihr. „Hast du eine Ahnung. Bullets Timing ist manchmal sagenhaft.“ Dabei versuchte sie den Reißverschluss wieder zu zumachen. Allerdings umsonst. Saber öffnete ihn gleich wieder. „Colt ist grad selbst sehr beschäftigt“, versuchte er sie zu beruhigen. „Schatz, die beiden brauchen noch eine Weile.“ Dann machte er Anstalten sie von den langen Ärmeln ihres Minikleides zu befreien. Sie sträubte sich. Der Scharfschütze könne zurück kommen und wenn nicht der, so doch jeder andere in diesem Haus. Unablässig liebkoste der Schotte trotz ihres Widerstandes, fuhr ihr über den Rücken, befreite einen Arm vom Stoff und schickte sich an dasselbe mit dem anderen zu tun. Jedes Argument, das sie dagegen lieferte, entkräftete er. „Jolene, ich liebe dich“, raunte er ihr zu und knabberte liebevoll an ihrem Ohrläppchen. Immerhin wurde ihre Abwehr schwächer. Saber hielt einen Moment in der Bewegung inne, dann wurde ihm klar, weshalb sie das tat. Sie waren in Colts Wohnung. Der Scharfschütze hatte ihr in ihrer gemeinsamen Jugend ja stets einen Keuschheitsgürtel anlegen wollen. Dass sie ausgerechnet in seiner Wohnung das tat, was der so übereifrig hatte verhindern wollen, mutete für die Hebamme wohl seltsam an. Ganz besonders wenn der Cowboy nebenan war. „Ich liebe dich auch“, versicherte sie und rutschte auf dem Tisch so weit von ihm weg, wie es ging. „Aber...,“ setzte sie an. Der Recke ließ sie los, drehte sich zur Tür und schloss diese leise ab, nachdem er erleichtert feststellen durfte, das dies von innen her möglich war. „Aber was?“ hakte er nach. „Ich halte das echt nicht für eine gute Idee“, wandte sie unsicher ein und begann sich wieder anzukleiden. Mit einem Satz war er bei ihr und umarmte sie sanft, hauchte ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn und fuhr, weniger energisch als zuvor, fort ihren anderen Arm aus dem Ärmel zu ziehen. „Ich bin gern mit dir zusammen, Jolene. Was ist falsch daran?“ – „Abgesehen vom Ort, nichts“, antwortete sie. „Hör mal, Colt wird uns töten, wenn er das rauskriegt.“ Diese Aussage mochte stimmen, interessierte den Schotten aber gerade herzlich wenig, das spürte sie. Die einzige Chance, die sie noch sah, der Sache zu entkommen, war über die Länge des Tisches zu krabbeln. Aber der Versuch scheiterte. Saber hielt die Flinke noch eben am Fuß fest. „Er wird es nicht rauskriegen, das verspreche ich dir“, beschwor er sie. Sie war auf dem Tisch gelandet, als er sie am Knöchel gehalten hatte. „Und wenn doch? Ich will ihm das echt nicht erklären müssen.“ – „Das werde ich übernehmen.“ Im nächsten Moment war der Recke bei seiner Angetrauten auf dem Tisch, drehte sie auf den Rücken und beugte sich über sie. „Jolene, er wird es nicht erfahren. Lass dich fallen und genieß es. Niemand ist hier“, versuchte er ihre Bedenken zu zerstreuen und strich mit seinen Lippen über die glatte Haut ihres Armes. „Aber“, setzte sie zu Protest an. „Liebst du mich nicht mehr?“, musste er jetzt nachhaken und fuhr hinauf zur Schulter. „Doch, natürlich“, entgegnete sie und hoffte, dass jetzt nicht auch noch Eifersüchteleien anfingen. Aber sein Mund glitt weiter ihren Hals hinauf zu ihrem Ohr. „Dann bitte gib mir, wonach ich mich sehne“, raunte er. Unweigerlich hob sie die Brauen. „Sehnst du dich nur danach?“, fragte sie. „Nicht nur“, flüsterte er zurück. „Aber grade sehr.“ Er arbeitete sich von ihrem Ohr zu ihren Lippen vor und verschloss diese gegen weitere Widerworte. Nur zögerlich erwiderte sie seine Küsse. Er legte mehr Leidenschaft hinein, wollte ihr so Geborgenheit geben, damit sie sich endlich fallen lassen konnte. Er wollte sie endlich wieder spüren. Saber schob ihr Kleid hinunter und begann ihren Bauchnabel zu verwöhnen. Sein zärtliches Saugen an der weichen und doch straffen Bauchdecke brachte endlich den gewünschten Erfolg. Hoffte er, als er sie seufzen hörte und ihre Hände über seine Schultern glitten. „Gott.“ Das klang nicht gut, eher so, als hätte sie etwas auf dem Herzen. Er hob alarmiert den Kopf. „Was ist?“, Sie schüttelte den Kopf. „Nichts“, behauptete sie, doch er sah etwas in ihren Augen glänzen. Damit war bei ihm alles runter gefahren. Er richtete sich ganz auf. „Jolene, was hast du?“, fragte er und konnte nicht verhindern, dass es ungehalten klang. Sie richtete sich ebenfalls auf. „Nichts. Nicht das, was du denkst“, versicherte sie hastig und legte ihm die Hand auf die Schulter. Er nahm diese Hand und hauchte einen Kuss darauf. „Aber was hast du dann?“, fragte er ruhig. Sie schmiegte sich an ihn. Er ließ sie gewähren, fühlte, dass sie endlich alle Anspannung hatte ablegen können, auch die restliche von der Verhandlung. „Ich bin einfach nur so froh, dass du bei mir bist. Dass du wirklich bleibst“, flüsterte sie an seiner Brust und hielt ihn, so fest sie konnte. „Du wirst mich nicht mehr los“, schwor er ihr unter einem sinnlichen Kuss. „Nie wieder.“ – „Gott sei Dank.“ Chily ließ sich auf den Tisch zurück sinken, zog ihn mit sich. Saber fuhr mit der Zungenspitze sanft von ihrem Ohrläppchen in die Halsbeuge, wieder hinauf und begann dieses zart mit den Zähnen zu traktieren. Sie hielt ihn noch umschlungen und tat es ihm gleich, schickte ihm angenehme Schauer über den Rücken. Seine rechte Hand tastete sich nach dem BH-Träger und strich ihn leicht von ihrer Schulter. Seine Finger glitten zurück zu ihrem Hals, umfassten ihn kurz sanft und wanderten über ihr Dekolleté. Am Saum ihres BHs wurden sie nicht wirklich aufgehalten, sondern huschten zielstrebig unter den Stoff, befreiten die verhüllte Haut. Behutsam umfasste er die Rundung und massierte sie leicht. Das leise Seufzen an seinem Ohr verriet ihm ihren Genuss. Sie hatte aufgehört, sein Ohrläppchen mit zarten Bissen zu traktieren, sondern legte nun den Kopf zurück und schloss die Augen. Das nächste, was sie fühlte, war das sanfte Saugen an ihrer Knospe. Wieder stöhnte sie genießend, drückte ihren Rücken durch und sich ihm so entgegen. Mit der anderen Hand fuhr der Recke zu ihrer anderen Brust und entblößte sie ebenfalls. Sanft knetete er sie und reizte sie furch feinfühliges Reiben. Ihr Stöhnen wurde lauter. Sie hatte sich ganz fallen lassen und wurde unter dieser Behandlung zusehends Wachs in seinen Händen, wie er zufrieden feststellte. Er steigerte die Intensität seiner Liebkosungen. Zielstrebig wanderte sein Mund zu ihrem Nabel und glitt mit der Zunge darüber während seine Hände nicht aufhörten ihre Rundungen zu verwöhnen. Chily begann sich zu winden. Nicht um ihm zu entkommen, sondern vor Verlangen. Seine Zärtlichkeit brachte sie um den Verstand. Immer wieder fuhr sie mit den Händen durch sein Haar und kraulte seine Schultern und seinen Nacken. Saber konnte getrost sein Leben darauf verwetten, dass er nicht einen Tropfen Blut mehr im Hirn hatte. Das sammelte sich eindeutig in einer anderen Region. Er ließ seine Hände an ihren Seiten entlang zu dem halb hinab geschoben Kleid gleiten und streifte es endgültig ab. Achtlos ließ er es auf den Boden fallen. Das Nichts, das sie Tanga nannte, erregte nicht nur seine Aufmerksamkeit. Er beugte sich wieder über sie und vergrub den Kopf in ihrem Schoß. Sie hatte das Gefühl den Halt zu verlieren und griff danach suchend wieder in sein Haar. Durch den Stoff ihres Slips fand er ihren empfindlichen Punkt und reizte ihn, bis sie sich erst aufbäumte und dann ganz auffuhr. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und zog ihn vorsichtig hoch. Der Blick, mit dem sie ihn ansah, gefiel ihm. Er hatte sie ganz entflammt. Er wusste, was das bedeutete und wunderte sich nicht, als sie ungestüm sein Hemd aufknöpfte und es ihm vom Körper riss. Ihre Ungeduld erregte ihn noch mehr. Er umfasste ihre Taille und presste sie fordernd gegen seine. Sie sollte spüren, wie sie ihn angeturnt hatte. Ihre Hände fuhren über seinen Oberkörper, während sie ihn hingebungsvoll küsste. Als sie auch noch von seiner Brust her über seine Hose strich, stöhnte er in den Kuss. Was Beherrschung war, konnte er nur noch damit erklären, dass es das sei, was er eben verloren hatte. Er musste aus dieser Hose raus, in der es unerträglich eng war. Dass sie sich so verlangend an ihn schmiegte, brachte ihn um das letzte bisschen Verstand. Genauso wie ihre behutsam tastenden Finger, die sich anschickten ihn von seiner Kleidung zu befreien. Er registrierte nur noch die zart fordernden Berührungen ihrer Lippen, ihrer Zunge und Finger. Sie schien ihn ganz darin eingesponnen zu haben. Saber rutschte zur Tischkante und entledigte sich zügig der störenden Sachen. Sie kniete neben ihm auf die Ellenbogen gestützt und beobachtete es lächelnd. Noch weniger achtsam als zuvor ihre, landete nun seine Kleidung neben dem Tisch. Er wandte sich wieder zu ihr. Sein Blick fixierte ihre Taille, die wie eine Aufforderung emporragte. Jetzt musste wirklich dieser blöde Tanga weg. Das bisschen Stoff war noch zu viel und ihr süßer Po verdiente entweder die leidenschaftliche Behandlung seiner Hände, oder die, nach der ihm grad noch der Sinn stand. Im Moment zählte nichts anderes. Weder die im Haus Anwesenden, die jederzeit stören konnten, noch das Paar nebenan, dass sie hören konnte, oder sonst etwas. Und von Dingen, wie Moral, Anstand oder Sittlichkeit stritt Saber ab, je etwas gehört zu haben. Nicht bei dieser einladen Position seiner Frau und der verführerischen Art, wie sie ihren Po an seinen Bauch drückte. Er presste ihr einen fordernden, stürmischen Kuss auf das Tattoo in ihrem Nacken und glitt mit den Fingern die Engelsflügel von ihrer Wirbelsäule her zur Hüfte nach. Fest packte er ihre Taille und gab der Versuchung nach. Ihr lustvolles Keuchen spornte ihn an. So weit er noch Hemmungen gehabt hatte, kickte er diese nun kurzerhand über Bord. Chily hatte alles beiseite geschoben. Nur sie und ihr Manapi, mehr gab es nicht und ihn zu spüren, war alles, was sie wollte. Sie ließ ihren Oberkörper auf die Tischplatte sinken. Die heftigen Bewegungen seiner Hüften ließen sie nur ein sinnloses Jaja stammeln. Stammelte sie überhaupt? Egal, sie genoss es. Das Getöse des Jahreswechsels, welches Schlag zwölf begann, übertönte alle anderen Geräusche. Schwer atmend brachen beide auf dem Tisch zusammen und genossen das Beben, das durch ihre Körper jagte. Gleichzeitig dachten weder April noch Fireball an eine solche Umsetzung von Kartenspiel und Billard. Tatsächlich hatte der Rennfahrer mit der verstimmten Mutter seiner Tochter ein Rätsel vor sich. An der Garderobe schlüpfte sie in ihren dicken Mantel mit dem Plüschkragen und verschwand in der kalten Nacht. Der Rennfahrer riss seine Jacke und einen Schal vom Haken und zog sich an, während er ihr folgte. Ihm war nicht klar, was er verbrochen hatte, aber wenn sie sich so benahm, hatte er wohl was verbrochen. „Süße, was ist los? Warum hast du es auf einmal so eilig?“ rief er ihr nach. „Ich brauche frische Luft“, beharrte sie verstimmt. „Und das hier. Sonst erkältest du dich noch.“ Fürsorglich wollte er ihr den Schal um legen, aber sie schob ihn von sich. „Lass das, Fireball“, wehrte sie ab. „Was denn? Was hast du auf einmal?“ fragte er ratlos. Sie musste wirklich sehr verärgert sein, wenn sie diese Geste ausschlug und zusätzlich nicht mal mehr eine Koseform für ihn hatte. „Langsam glaube ich, Haywood hatte Recht“, begehrte sie nun auf. In dem Gesicht des Rennfahrers zeichneten sich unglaublich viele Fragezeichen ab. „Wie kommst du jetzt auf den?“ Das nachzuvollziehen war für ihn wirklich schwer. Sie wollten doch nur gemeinsam mit Freunden ins neue Jahr wechseln. Was hatte das denn mit Haywood zu tun? Ganz besonders, wo der diesen Abend beinahe verhindert hätte. „Du bist und bleibst ein Rennfahrer, wie er im Buche steht“, fauchte sie ihn an und wandte sich ab. Straffen Schrittes marschierte sie durch den Schnee und verließ das Grundstück. Mit einem perplexen „Was?“ war Fireball im ersten Moment wie angewurzelt stehen geblieben. Dann eilte er ihr hinterher. „Du hast mich schon richtig verstanden“, knurrte sie, als sie ihn im Augenwinkel neben sich gewahrte. Sie zog den Mantel fester um sich. Es war eine verflucht kalte Nacht. Was er darauf erwidern sollte, wusste er nicht. Aber er sah genau, dass sie fror und versuchte ihr erneut den Schal um zu legen. April riss ihn ihm aus der Hand. „Dir macht das Spaß, nicht wahr“, grollte sie und legte sich selbst umständlich den Schal um. Doch egal, wie sehr sie sich hinein kuschelte, ihr wurde nicht wärmer. „Im Moment macht mir gar nichts Spaß“, murmelte er bedrückt und der Wahrheit entsprechend. „Was hast du denn nur? Ich dachte, wir machen uns alle einen netten Abend unter Freunden“, versuchte er hilflos herauszufinden, was ihr für eine Laus über die Leber gelaufen war. „ Für dich ist der Abend doch nett. Beim Kugelstoßen“, stellte sie spitz fest. „Du meinst Billard spielen?“, hakte er nach, um sicher zu sein, dass er den richtigen Faden an der richtigen Stelle aufgenommen hatte. Er hatte, wie er gleich darauf erfuhr. „Wenn man das bei dir und Chily noch so nennen kann“, gab die Schwangere zurück und ihre Eifersucht zu. „Ich verstehe nicht, was du meinst. Ich habe ihr doch nur erklärt, wie das Spiel geht. Was war denn daran bitte falsch?“ Er war sich tatsächlich keiner Schuld bewusst. „Die Art, wie du es ihr gezeigt hast vielleicht? Hast du sie mit Mandarin verwechselt?“, knurrte sie zurück. Getroffen senkte der Pilot den Kopf. Über den Tod seiner besten Freundin kam er noch nicht hinweg. Aber als seine Freundin das so aussprach, wurde ihm bewusst, dass ein ähnliches, freundschaftliches Band auch zwischen ihm und der Hebamme entstanden war. Wie auch früher, hatte seine Herzdame auch diesmal nicht den geringsten Grund das mit Argwohn zu sehen. Zum einen, weil er April ganz einfach liebte und zum anderen, weil Chily mit dem Schotten verheiratet und damit ja sowas von tabu war. „Lass sie doch jetzt bitte raus. Sie ... Du weißt schon“, bat er leise. „Und an der Art kann nichts falsch gewesen sein, sonst hätte Saber doch was gesagt“, rechtfertigte er sich schwach. Allerdings war er von dieser Aussage auch überzeugt. Der Recke hatte bei der Verhandlung nur zu gut erahnen lassen, was dem blühte, der seine Frau anrührte. In gewisser Weise besitzergreifend, andererseits auch wieder verständlich, wenn man daran dachte, wie sehr er darunter gelitten hatte, dass er in der vorherigen Beziehung so ohne Vorwarnung ausgetauscht worden war. „Saber ist ein Mann“, schnappte April. „Wie schnell ihr was merkt, sieht man ja an dir. Seit du dich mit Chily gefetzt hast, läuft da was zwischen euch ab. Das sehe ich doch.“ Die Navigatorin beschleunigte ihre Schritte. Der werdende Vater ebenfalls, denn sie hatte ihn schon wieder vor ein Rätsel gestellt. „Was soll denn da laufen?“, wollte er naiv wissen. „Sag du es mir!“, schnaubte April und blieb abrupt stehen. In ihren Augen sammelten sich Tränen, als sie auf ihren Bauch schaute. „Ich weiß doch selbst, wie unförmig ich aussehe“, schniefte sie. Sie hatte es genossen, schwanger zu sein, das Leben in sich zu spüren und oft genug einfach nur über dieses Wunder auch zu staunen. Trotz aller bösen Einflüsse, würde sie sagen, dass sie eine schöne Schwangerschaft gehabt hatte. Doch die Geburt rückte näher und damit wurde ihre Situation immer schwieriger, für sie selbst immer ansträngender. Ein Punkt, den Fireball nur schwer nachvollziehen konnte, aber sich doch sehr darum bemühte. In diesem Augenblick scheiterte seine Mühe. „Unförmig??? Mit unserer Tochter in deinem Bauch? Wie soll denn das bitte gehen?“, fragte er verständnislos. Tatsächlich fühlte er sich ihr näher als jemals zuvor. Wie oft hatte er ihr über die Wölbung gestrichen, das Wesen darin beruhigt, mit ihm gesprochen. Unzählige Dinge, manchmal nur Kleinigkeiten, waren ihm aufgefallen und hatte er über seine Freundin gelernt. Und wenn es nur so simple Sachen waren, wie ihr die Füße zu massieren. Auf die Idee war er vor der Schwangerschaft nie gekommen, hatte es aber gern währenddessen gemacht, wenn sie ihn darum gebeten hatte. Bald hatte sie ihn nicht mal mehr bitten müssen. Da hatte er es von sich aus getan. Und er würde es auch nach der Geburt weiterhin für sie tun. Einfach, weil sie sich dabei entspannte und die Frau, die er liebte, nur die fürsorglichste und liebevollste Behandlung verdiente. Aber offensichtlich war der Frau, die er liebte, das nicht aufgefallen. „Grade mit diesem Bauch. Ich kann doch nicht mal meine Füße sehen“, klagte sie nämlich nun zutiefst unglücklich und schaute heulend an sich hinab. „ Chily ist da sicher eine feurige Abwechslung.“ Das musste so sein. Chily-Schoten waren verdammt scharf und wie feurig der Rennfahrer bisweilen sein konnte, wusste April nur zu gut. Das Ergebnis davon schlief gerade selig unter ihrem Herzen. „Sie ... ich ... du ..., “ stammelte er, brach aber ab, weil er nicht wirklich wusste, was er darauf sagen sollte. Zumal ihr auch noch Tränen in Strömen über ihr wunderschönes Gesicht liefen und kaum etwas war so schlimm, wie dieser Anblick. Er kramte ein Taschentuch hervor und tupfte ihr behutsam die Wangen trocken. „Süße, bitte. Nicht weinen. Dafür hast du doch gar keinen Grund“, flüsterte er fast. „Aber sie... du, “ schluchzte die Schwanger. „Ach, ich liebe doch nur dich, Fireball. Du darfst mir das einfach nicht antun“, flehte sie unglücklich. So süße Gesten, wie diese, durften nicht auch noch für eine andere bestimmt sein. „Aber ich tu dir doch gar nichts an. Warum sollte ich denn?“ Er zog sie vorsichtig in seine Arme und hoffte, dass sie ihn nicht gleich wieder von sich stieß. „Du“, setzte sie an, aber ihr Kummer schnürte ihr den Hals zu. „Ich möchte dich mit niemand teilen“, presste sie dann hervor. Gern wollte sie ihren Kopf an seine Schulter legen, wagte es aber noch nicht, weil sie Angst vor seinen nächsten Worten hatte. Hätte der Rennfahrer richtig begriffen, wie sie sich fühlte und dass sie ernsthaft eifersüchtig auf Chily war, hätte er diese Worte mit mehr Bedacht gewählt. „Oh“ meinte er nun. „Aber das wirst du wohl bald müssen.“ April schob ihn von sich. „Nein“, entschied sie. „Dann gehe ich, Fireball.“ Damit wollte sie sich abwenden, aber er ließ das nicht zu und hielt sie an den Schultern fest. „So habe ich das nicht gemeint“, beschwor er sie. „Ich meinte, du wirst mich teilen müssen, wenn Charlene erst da ist. Oder willst du unsere Kleine nicht mehr?“ Die Schwangere runzelte die Stirn. „Von Charlene rede ich nicht“, berichtigte sie, „Ich meinte eine andere Frau.“ – „Es gibt nur zwei Frauen, für die ich alles tun würde. Eine versuche ich davon abzuhalten mich verlassen zu wollen und die andere wird erst noch geboren.“ Fireball zog sie wieder näher an sich und tastete nach ihrem Kinn unter dem dicken Schal. Behutsam hob er es an und schaute ihr tief in die, oh so wunderschönen blauen, Augen. „Du und Charlene, ihr seid die einzigen Frauen, die ich brauche um glücklich zu sein“, flüsterte er. Eigentlich hatte er es im normalen Ton sagen wollen, aber ihre Augen machten ihn oft so schwach, dass manchmal vernünftiges Sprechen unmöglich war. „Aber Chily?“, schniefte April noch einmal. Hatte sie sich das etwa wirklich nur eingebildet? „Chily ist mit unserem Säbelschwinger verheiratet. Ich will nicht wissen, was der mir antut, wenn ich überhaupt nur auf die Idee kommen würde. Und bis eben bin ich nicht auf die Idee gekommen, weil das absoluter Unsinn ist. Ich meine, ich habe dich“, raunte er nun und drückte seinen Kopf an ihre Stirn. Sie sollte nicht immer gehen wollen. Das tat ihm weh. „Wirklich nicht?“, fragte sie leise. Er strich ihr zart über das Haar. Leichter Flockenfall setzte ein und einige Schneesternchen setzten sich da und dort auf ihre weiche Mähne, als wollten sie sie noch verzieren. „Wirklich nicht. Ich meine, ich mag Chily. Sie ist eine gute Freundin, aber eben auch ein verrücktes Huhn. Nicht mal unter Androhung der Todesstrafe würde ich sie gegen euch beide tauschen“, erklärte er warm und fuhr mit einer Hand von ihren Schultern zu ihrem Bauch. „Oh, Turbo.“ Die Blondine drückte ihren Kopf an seine Schulter, wie sie es eigentlich schon die ganze Zeit über tun wollte. Jetzt schämte sie sich, an so was auch nur gedacht zu haben. Er drückte sie ganz nah an sich. „Du darfst nicht immer so was von mir denken“, bat er leise und legte sein Kinn auf ihren Kopf. „Ich weiß, ich müsste es besser wissen, aber...“ Sie schmiegte sich an ihn. Aber was? Sie konnte es nicht sagen. Die Wärme, die die beiden gerade einhüllte, nahmen ihr nicht nur die Zweifel, sondern auch die Worte. „Ich will dich nicht verlieren. Niemals“, murmelte er und drückte ihr einen Kuss auf den leichten Schleier aus Schneeflocken. „Ich will dich nicht mehr hergeben.“ April schaute zu ihm auf und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. „Daddy“, wisperte sie. Er strich ihr eine Strähne zurück. „Sag das noch mal“, bat er leise. „Papa“, wiederholte sie. Er hätte nicht sagen können, was für ein Gefühl dieses Wort in ihm auslöste. Stolz und Glück, Freude und Liebe. Und … „Ist das nicht eines der schönsten beiden Worte, die es gibt, Mummy?“, fragte er sie und strich sanft mit dem Daumen über ihre Wange. Sie nickte nur und gab ihm einen innigen, warmen Kuss. Dass das neue Jahr mit Böllerschüssen und Raketen begrüßt wurde, nahmen sie nur am Rande war. Saber hob den Kopf von Chilys Rücken. Er lag halb auf ihrer rechten Seite und halb auf dem Tisch. Sein Atem ging immer noch stoßweise, aber ruhiger. Drei, zwei … „Manapi“, hauchte sie leise und er lächelte. Seine Hand glitt unter ihren Bauch und suchte nach ihrem Schoß. „Was hast du vor?“, fragte sie leise, noch etwas zittrig von dem Sinnesrausch eben. „Sch“, raunte er zurück. „Was auch immer, genieß es.“ Im nächsten Moment keuchte sie auf. Saber hatte gefunden, was er gesucht hatte, und fuhr sanft massierend darüber. Unwillkürlich schob sie ihr freies Bein zur Seite und hob ihr Becken leicht an, damit er besser an diese Stelle kam. Ihr Entgegenkommen quittierte er, indem er die Liebkosung intensivierte und den Druck sanft verstärkte. Chily bemühte sich ihr Stöhnen zu unterdrücken. Sie fürchtete, sie könnte außerhalb des Zimmers gehört werden. Dass draußen Sylvester-Raketen durch die Luft pfiffen, drang nicht in ihr Bewusstsein. Saber richtete sich auf. Das war nicht, was er wollte. Sie sollte genießen, nicht sich zurück halten. Er stoppte sein Tun und drehte sie vorsichtig auf den Rücken. Dann fuhr er fort sie zu locken. Nicht nur mit der Hand zwischen ihren Beinen, sondern auch mit der freien an ihrer Rundung und seinen Lippen an der anderen Knospe. Chily begriff kaum, wie ihr geschah. Wie er es nur immer wieder schaffte sie zur Ekstase zu treiben? Sein Mund küsste sich seinen Weg abwärts über ihren Bauch und übernahm schließlich die Liebkosung seiner Finger. Er musste seine Position ändern und sich mit seinem Oberkörper über ihre Hüfte beugen. Folglich streckte er seine Beine in die Richtung, in der zuvor sein Kopf gelegen hatte. Noch einmal unterdrückte sie ein allzu lautes Stöhnen und gewahrte leicht erstaunt seine neuerliche Einsatzbereitschaft. Andererseits, nach fast vier Wochen Durststrecke nicht unbedingt so überraschend. Kurzerhand revanchierte sie sich mündlich für die ihr verschafften Wonnen und es war an dem Schotten ein verwundertes Keuchen zu unterdrücken, ehe er ihr seinerseits entgegenkam. Seine Zunge fuhr intensiver über ihre Schenkelmitte, je intensiver sie ihn reizte. Je mehr er sie verwöhnte, desto mehr ließ sie ihm dieses Vergnügen ebenfalls zukommen. Seine Hand tastete sich über ihren Körper zu der zarten Knospe und rieb diese sanft. Mit der anderen musste er sich abstützen. Ebenso sie. Ihre freie Hand glitt massierend über seinen festen Po und jede weitere Verlockung, die er ihr schenkte, gab sie gern wieder. Einen Augenblick lang fasste Saber nicht, dass seine Frau keinen seiner Wünsche unerfüllt ließ, dann konnte er nur noch in ihren Schoß keuchen und fühlen, dass sie es auch tat. Mit geschlossenen Augen schwelgte er in dem zweiten Rausch. Als der anfing abzuebben, drückte er seinen Kopf an ihren Bauch und versuchte einmal mehr zu begreifen, dass dieser Engel wirklich seine Frau war. Dieser Engel fuhr ihm nun sanft durchs Haar. „Happy New Year“, kicherte sie schelmisch. Kapitel 24: Wind of Change -------------------------- Wind of change Robin beseitigte die Unordnung in der Küche und im Esszimmer, die die Silvesterfeier mit sich geführt hatte. Gegen Mitternacht hatten sich alle auf der Terrasse eingefunden und das Feuerwerk bewundert. Wer wann genau eingetrudelt war, war nicht wirklich aufgefallen. Die Pärchen waren viel zu sehr mit verliebtem Geturtel, dem Funkenzauber und mit sich selbst beschäftigt. Das verständnisvolle Lächeln von Sabers Eltern und Commander Eagle hatten sie, mehr oder weniger befangen, erst registriert, als sich alle ein gesundes, neues Jahr wünschten. Gegen zwei Uhr am Morgen hatten sich alle verabschiedet und Colt und Robin waren todmüde ins Bett gefallen. Jetzt, nach einem Frühstück, das zeitlich gesehen ein Mittagessen war, beseitigten die beiden die Spuren der Feier. Colt tat dies einigermaßen lustlos im Partykeller. Zumindest so lange, bis er gewisse Zeichen auf dem Billardtisch vorfand. Schlagartig war er restlos wach und grinste anzüglich. So war das also. Die letzten beiden hier drinnen, waren Saber und Chily gewesen. Mit dem, was er sah, war nun vollkommen klar, was sich hier abgespielt hatte. Na, das musste er ihnen doch bei Gelegenheit unter die Nase reiben. Schon allein, um zu sehen, wie seine beste Freundin so richtig in Verlegenheit geriet. Die Gelegenheit bekam er, als die Lehrerin das private Mobiltelefon der Hebamme fand. Nun, dass musste man ihr doch zurückbringen und der Scharfschütze erledigte das, bevor Robin überhaupt einen Ton dazu sagen konnte. Gegen Abend klingelte er deshalb an der Tür des Rider-Hauses. „Saber, auf einem Billardtisch wird so eingelocht, dass es keine Spuren hinterlässt“, meinte er dreist, kaum dass er in der Diele stand. Der Recke und die Hebamme starrten ihn erschrocken an. Chily wurde rot vor Scham, griff sich ihr Mobiltelefon, das der Kuhhirte ihr hinhielt, und brachte es, weil der Akku leer war, ins Wohnzimmer zur Ladestation. Als sie Colt auch noch laut lachen hörte, entschied sie dort in Ruhe im Erdboden zu versinken. Das Ganze war ihr unglaublich peinlich. Die Männer sprachen noch kurz etwas mit einander, dann verließ ein noch immer fröhlicher Scharfschütze das Haus. Der Schotte kam zu seiner Angetrauten. Kaum war er eingetreten, warf sie ihm, unverändert in höchster Verlegenheit, vor: „Ich habe dir gesagt, der kriegt das raus.“ Er nahm sie in den Arm. „Aber er ist nicht ausgerastet“, versuchte er sie zu beruhigen. „Das wird er uns auf den Grabstein meißeln und uns bis dahin aufziehen so oft er kann. Als hätte er noch nie einen Pokertisch für andere Kartenspiele missbraucht, “ jammerte sie und ahnte in dem Augenblick nicht, wie nah sie an der Wahrheit war. „Das wird er nicht, Jolene. Davor bring ich ihn eigenhändig unter die Erde, “ lächelte der Blonde. So schlimm war doch die ganze Angelegenheit nun auch wieder nicht. Seine Angetraute sah das anders. „Das kannst du nie wieder gut machen“, erklärte sie verstimmt. „Ach nein?“ Amüsiert hob er die Brauen. Hach, was war sie putzig, wenn sie sich so leicht aufregte. „Nein, nie wieder“, beharrte sie noch immer schamrot. „Schade.“ Er musste ein Grinsen unterdrücken. Sie hasste es wie die Pest, wenn sie das Gefühl hatte, nicht ernst genommen zu werden, was ihm unter diesen Umständen recht schwerfiel. Dafür fand er ihr Verhalten zu drollig. „Das war definitiv das erste und letzte Mal, dass ich mich von dir zu sowas hab überreden lassen“, bestimmte sie dann. „Sonst hat auch keiner unserer Freunde einen Billardtisch“, konterte er amüsiert. Sie kam weder gegen den Humor, noch gegen die Logik in dieser Aussage an. „Ach du ...“ Verstimmt machte sie sich von ihm los, warf die Arme in die Luft und wollte das Zimmer verlassen. Er hielt sie an der Hand fest. „Ja, ich“, meinte er, „Ich liebe dich, Jolene und Colt wird schon wieder aufhören. Sonst muss ich leider mit anderen Geschichten aufwarten.“ Schmunzelnd fügte er hinzu. „Was glaubst du wohl, was Robin und er gemacht haben?“ – „Woher soll ich das wissen?“, schmollte sie. Ihr war klar, dass er das nicht so eng sah, wie sie. „Dasselbe wie wir.“ Er schlang seine Arme um sie. „Oh. Und der reißt die Klappe auf“, schimpfte sie kopfschüttelnd. „Na ja, “ murmelte der Schotte in ihr Ohr. „Immer schön auf die anderen zeigen, wenn man nicht will, dass man auf einen selbst sieht.“ Sie nickte. „Ja, Bullet eben.“ Dabei befreite sie sich erneut von ihm und schickte sich an, das Wohnzimmer zu verlassen. „Jolene, was machst du jetzt?“ wollte er wissen. Wieso musste sie ihm weglaufen, wenn er lieber ihre Nähe spüren wollte? „Sicherheitsabstand zu dir halten. Wer weiß, wo du mich als nächstes vernaschen willst. Im Aufzug im Kaufhaus?“ Wieder musste er schmunzeln. „Nein, ein bisschen Anstand hab ich noch“, beruhigte er sie. „Das bedeutet? Es ist die Tiefgarage darunter, oder wie?“ hakte sie skeptisch nach. „Nur noch in unseren eigenen vier Wänden“, versicherte er ihr. „Versprochen.“ Zu dem letzten Wort schenkte er ihr noch den unschuldigsten Blick, den er unter diesen Umständen noch aufbringen konnte. Sie hielt sich die Augen zu und wandte sich von ihm ab, um sicher zu gehen, dass er sie nicht einwickeln konnte. „Highlander-Ehrenwort“, ergänzte er sofort und hob die Hand zum Schwur. Da sie ihm aber den Rücken zugewandt und immer noch die Augen geschlossen hielt, sah sie es nicht. Genauso entging ihr, dass sie die Tür verfehlte und sie gegen die Wand lief. „ Autsch“, klagte sie um gleich zu fluchen, „Man.“ Chily blinzelte irritiert und rieb sich den Kopf. „Das ist alles deine Schuld“, warf sie ihrem Mann vor. „Nur meine“, bekannte er sich schuldig, nahm sie wiederum in die Arme und strich ihr über die Stelle, an der sie sich den Kopf gestoßen hatte. Sie kam der Geste entgegen, ahndete ihn aber trotzdem: „Du bist ab sofort auf einmal pro Monat beschränkt.“ Eine zu harte Strafe befand er leicht schluckend. „Oh, okay“, fügte er sich dennoch vorsichtshalber. Hoffentlich meinte sie das nicht so. Sie schaute ihn überrascht an. „Kein Protest?“ Er schüttelte den Kopf. „Du bist der Boss, mein Engel“, meinte er nur. „Na, wenn das so ist…“ In ihrem Gesicht entstand ein breites, schelmisches Grinsen. „Dann wirst du ja brav tun, was ich sage“, erkannte sie neckisch. Sie wusste doch, dass er Nachholbedarf hatte und jede seiner Berührungen unterstrich das. „Alles, was du willst, Schatz.“ Er gab ihr noch einen sacht saugenden Kuss. „Dann solltest du jetzt schön brav den Kühlschrank auf Vollständigkeit prüfen und mir sagen, ob nichts fehlt. Milch, Butter, Schlagsahne, “ ordnete sie an. Verwundert musterte er sie, dann trollte er sich in die Küche um den Auftrag auszuführen. Er wunderte sich doch etwas darüber, dass sie ihn in ihre so heilige Küche ließ, sagte aber nichts dazu. Irgendwas schien sie auszuhecken und da war es besser abzuwarten. Kaum hatte er die Kühlschranktür geöffnet, schlenderte die Hebamme den Flur entlang und erkundigte sich beiläufig. „Und? Alles da? Auch die Schlagsahne?“ Jetzt ging ihm ein Licht auf. „Sahne da. Soll ich mitbringen?“ Sie kicherte. „Na hör mal, wir haben schließlich einen neuen Monat. Wie lange willst du warten?“ Damit verschwand sie aus seinem Blickfeld. „In dem Fall. Gar nicht.“ Der Recke schnappte sich die Flasche mit der Sprühsahne und folgte einer Spur aus Kleidungsstücken und dem neckisch verführerischem Kichern seiner Frau. Auf einmal pro Monat beschränkt? Ha. Die Drohung musste er kein Stück ernst nehmen. Sie war genauso verrückt nach ihm, wie er nach ihr. Das stand fest. Das Jahr wurde gerade eine Woche alt, als Robin beginnen musste, sich auf ihre Klassen und den Lehrstoff vorzubereiten. Colt konnte noch seine Winterpause genießen. Der Schotte erhielt einen Brief vom Oberkommando. Er durfte wieder als Ausbilder arbeiten. Folglich bereitete er sich ebenfalls darauf vor. Chily öffnete ihre Praxis wieder regulär. Von Weihnachten bis jetzt war sie nur in Notfällen zu erreichen gewesen, die es glücklicherweise nicht gegeben hatte. Währenddessen hatte Fireball ein langes Gespräch mit seinem Boss vom Rennzirkus. Der Japaner wollte nicht mehr fahren. Es war ein gefährlicher Job und hatte er auch seither das Risiko gesucht, hielt er es nun, angesichts der näherrückenden Entbindung seiner Tochter, für zu hoch und unnötig. Leider musste er feststellen, dass sein Chef von dieser Ansicht nicht viel hielt. Ebenso wie die Firma, für die der Rennfahrer fuhr, sah er nur ungern seinen besten Mann gehen. Ganz besonders da Fireball, durch seinen zweiten Beruf als Starsheriff, doch sehr medienwirksam war. In der Woche vor dem errechneten Geburtstermin fand sich der Ramrod-Pilot in einer heftigen Verhandlung wieder. Je energischer er zum Bleiben aufgefordert und je bestimmter er an seinen Vertrag erinnert wurde, desto sturer beharrte er auf seinen Ausstieg. Sie sprachen von einer Geldstrafe wegen Vertragsbruch. Er kannte die Klausel und die darin festgelegt Summe. Er zahlte das, warf er ihnen an die Köpfe. Er hatte genug Ersparnisse um das zu tun und vorläufig noch keine finanziellen Schwierigkeiten zu bekommen. Zähneknirschend gaben sie sich geschlagen. Der Rennfahrer überwies die vertraglich festgelegte Summe, kaum dass er zurück bei April war. Er sah sie auf dem Sofa ausgestreckt liegen und schlafen. Da wusste er, dass er diese Entscheidung nie bereuen würde. Ihm war klar, dass er sich nach einem neuen Job umsehen musste, doch schrieb er vorläufig keine Bewerbungen. Weder er noch April hatten die Ruhe und Geduld sich die Stellenanzeigen durchzulesen. Nicht so lange Charlene noch nicht geboren war. Außerdem musste der Pilot die ersten beiden Termine beim Psychotherapeuten des KOK wahrnehmen, was ihm überhaupt nicht schmeckte. Saber wunderte sich sehr, dass das Haus im Dunkel lag, als er heimkehrte. War seine Frau nicht da? Es schien so, musste er feststellen, als er in die Diele trat. Er schaltete das Licht ein und horchte irritiert nach Geräuschen im trauten Heim. Leises Surren war aus der Küche zu vernehmen. Das konnte er so gar nicht zu ordnen. Er hängte seine Jacke an die Garderobe und folgte dem Geräusch. Er öffnete die Küchentür und sorgte auch hier für Helligkeit. Dann blieb ihm der Mund offen stehen. Auf der Anrichte fand sich eine Schüssel, in der Eier und Zucker verrührt worden waren. Der beste Beweis dafür war das elektrische Handrührgerät, das daneben lag. Dessen Rührstäbe ragten empor und hatten diese Mixtur in der gesamten Küche verteilt. Die Mehltüte lag umgestoßen neben dem Kühlschrank und hatte ein Buch unter sich verschüttet. Er zog es hervor. Kuchenrezepte. Nun, zumindest schien Chily nicht vergessen zu haben, dass er heute Geburtstag hatte, das war schon mal tröstlich. Aber wo war sie hin? Es musste ja dringend gewesen sein, wenn sie sich nicht die Zeit genommen hatte wenigstens den Mixer abzuschalten. Er tat das kurzerhand, prüfte noch den Anrufbeantworter, der aber keine Nachricht für ihn hatte, und begann die hinterlassene Unordnung zu beseitigen. Wahrscheinlich war sie bei einer Entbindung. Da war sie so darauf fixiert, dass sie vergaß ihm Bescheid zu sagen. Er brauchte also auch gar nicht erst versuchen, sie auf ihrem Beeper oder dem Diensthandy zu erreichen. Beides war ausgeschaltet, wenn sie im Krankenhaus war. Er seufzte leicht. Ausgerechnet an seinem Geburtstag. Das Telefon der Hebamme hatte geläutet. Zwar das dienstliche, aber mit dem, was ihr daraus entgegen trötete, hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Dem ganzen wütenden Kauderwelsch hatte sie immerhin entnehmen können, dass Fireball und April im Krankenhaus von Yuma-City waren. Recht unwahrscheinlich, dass dies der dritte Fehlalarm war und so, wie der Rennfahrer klang, liefen die Dinge nicht, wie sie sollten. Sie ließ alles stehen und liegen und stürmte aus dem Haus. Noch völlig außer sich fing Fireball die Hebamme gleich am Eingang ab. Bei April hatten die Wehen eingesetzt, konnte Chily aus dem Wortschwall heraushören. Der Gynäkologe, an den die beiden verwiesen worden waren, hatte die Schwangere in ein Untersuchungszimmer gebracht, den werdenden Vater jedoch vor der Tür stehen lassen, da die beiden nicht verheiratet waren. Der Kindsvater war ernstlich erbost darüber. Während er wetterte, dass es jenseits von Gut und Böse lag, erkundigte sich die Hebamme am Empfang nach Arzt und Untersuchungszimmer. Sie schleifte den Rohrspatz, ungeachtet seines Zorns, mit in den Aufzug und von dort in den Raum, der ihm zuvor verwehrt geblieben war. Kaum fand er sich darin wieder, gab er Ruhe, zog sich einen Stuhl herbei und nahm an Aprils Seite Platz. Der behandelnde Arzt schaute die Hebamme im höchsten Maße verwundert an. Diese ignorierte diesen Blick, setzte den Fachmann kurz und bündig ins Bild und ließ sich die Untersuchungsergebnisse mitteilen. Dann verließ der Mediziner das Zimmer und holte seinen Kollegen, welcher schon mit Chily zusammen gearbeitet hatte. „Was ist los?“, wollte Fireball wissen, als sie allein waren. Die werdenden Eltern konnten mit dieser Untersuchung nichts anfangen. Chily hatte sie nicht auf so etwas vorbereitet, also musste es ungewöhnlich sein. „Ich bin mir sicher, dass es Wehen sind.“ April schaute beunruhigt drein. „Schon gut“, beschwichtigte die Geburtshelferin sie. „Es ist folgendes: Am Ablauf an sich ist alles in Ordnung. Du hast Wehen und dein Körper bereitet sich auf die Geburt vor. Nur etwas zu langsam und zu schwach dafür, dass der Geburtstermin um zehn Tage überschritten ist. Das ist kein Grund zur Sorge, “ versicherte sie rasch, als sie die erschrockenen Gesichter der beiden sah. „Es gibt folgende Möglichkeiten. Wir leiten den Geburtsvorgang künstlich ein, was ein sehr minimales, aber eben doch, ein Risiko für euch beide ist. Oder wir helfen durch ein natürliches Medikament nach. Alles wird dann so laufen wie es soll. Wir schieben nur etwas an. Augenblicklich würdest du bis morgen früh um sechs in den Wehen liegen. Das ist nicht nur unangenehm, sondern für deinen Körper eine zu große Belastung, “ erläuterte sie dann fachlich ruhig. Beide nickten. Durch Chilys Kompetenz fanden sie zur Gelassenheit zurück. „Wenn die Geburt künstlich eingeleitet wird?“, setzte Fireball zur Frage an. „Dann ist Charlene in drei bis vier Stunden da“, erhielt er zur Antwort. April schüttelte den Kopf. „Natürlich ist am besten. Ich will nicht von einem Extrem ins andere fallen, “ entschied sie. Der eintretende Arzt hatte den Satz gehört. Er gab Chily die Hand, dann dem Paar und erklärte ihnen, etwas detaillierter als gerade die Hebamme, was sie zu erwarten hatten. Dann wurde die Schwangere in ein Krankenzimmer gebracht und ihr das Medikament verabreicht. Danach hieß es erst mal warten. Ihr Körper musste sich auf die Niederkunft einstellen, sie vorbereiten. Fireball wich nicht von Aprils Seite, Chily nur, wenn es nicht anders ging. Sie strahlte dabei Ruhe und Sicherheit aus und hüllte die Erwartungsvollen darin ein. Sie wachte genau über den Zustand der Navigatorin, deren Krämpfe heftiger wurden, je spätere Abendzeit die Uhr anzeigte, und ließ sie im Zimmer und auf dem Flur auf und abgehen um den Prozess noch weiter voranzutreiben. Schließlich wurde April in den Kreissaal gebracht. Fireball blieb, in entsprechende Krankenhauskluft gesteckt, unablässig bei ihr. Ebenso Chily. Kaum war jedoch die junge Schwangere durch die Schwingtüren in den Entbindungssaal geschoben worden, setzte das Grausen vor dem Kommenden ein. Sie war unausweichlich an dem Punkt, da sie gebären würde, da sie endgültig und unwiederbringlich Mutter wurde. Das machte ihr Angst. Was, wenn sie als Mutter versagte? Wenn die Schmerzen so unerträglich waren, dass sie nie wieder ein Kind bekommen wollte. Tausende, teilweise lächerliche, Zweifel stiegen in ihr auf, die ihr zuvor nie in den Sinn gekommen waren. Sie umschloss fest Fireballs Hand. In ihm, hingegen, wuchs die Anspannung und die Vorfreude. Endlich würde er sein Töchterchen sehen, durfte er sie im Arm halten. Beruhigend strich er mit der freien Hand über das Haar seiner Freundin. „So wie grad, fühl ich mich sonst nur bei einem Rennen, wenn ich auf die Zielgerade zu rase“, gestand er etwas befangen. Chily grinste, während sie mit dem Arzt die letzten Vorbereitungen traf. Sie spürte Aprils Sorgen deutlich. Sie musste sie irgendwie davon ablenken. „Ich verstehe, was du meinst“, sagte sie deshalb zu dem Rennfahrer und stimmte ein Lied an. Er erkannte es gleich und setzte mit ein „… Feel the rush, oh feel it everywhere …“ http://www.youtube.com/watch?v=FjspxBtxFXg&feature=related Der Doktor und die Schwangere starrten die beiden Sänger an, als wären sie nicht mehr ganz richtig im Kopf. Dann schmunzelte der Mediziner und schob den Mundschutz zurecht. Er kannte die, teilweise unkonventionellen, Methoden der Hebamme und stieg mit ein, trällerte mit. Die Presswehen setzten ein. „Na, komm, Little Mama, “ forderte Chily auf. „… Feel the rush …“ April verstand die Aufforderung und presste. Nur Blicke zwischen ihr und der Geburtshelferin genügten und die Gebärende wusste, was sie zu tun hatte. Der Gesang um sie herum begann sie zu entspannen und zu unterstützen. „Feel the rush“, sang sie nun angestrengt mit und presste, drückte Fireballs Hand dabei. Das war verrückt, schoss es ihr durch den Sinn. Nie im Leben hätte sie gedacht, bei der Geburt zu singen. Das war vollkommen abgedreht. Das würde ihr niemand glauben, wenn sie das erzählte. Im Leben nicht. So was Durchgeknalltes. Beinahe hätte sie lachen müssen. Der schiefe Gesang war ihr tatsächlich eine Hilfe. Unfassbar. Noch unfassbarer klang das Geschrei eines Kindes durch den Kreissaal und beendete jäh das Lied. „Wollen Sie die Nabelschnur durchschneiden, Mister Hikari?“, fragte der Arzt unter dem Mundschutz schmunzelnd. Der Angesprochene nickte ohne nachzudenken. Das seltsam verschmierte Etwas, das sich gerade die Seele aus dem winzigen Körperchen brüllte, war seine Tochter. Er hätte nicht sagen können, was er fühlte. Nur seine Augen leuchteten in einer Mischung aus Stolz und Freude, die nur Väter in einem solchen Augenblick empfinden konnten. „Schau sie dir an“, hauchte er fassungslos vor Erstaunen, als der kleine Mensch auf Aprils Brust gelegt wurde. „Sie ist wunderschön“, presste sie abgekämpft hervor und lachte leicht. „Sieh nur, die kleinen Hände.“ Dieses verblüffte Bestaunen, die Wärme und Freude, die das Paar jetzt im Kreissaal versprühte, waren die Gründe, weshalb Chily so leidenschaftlich gern Hebamme war. Diese Seligkeit. In ihren Augen sammelten sich Tränen. Jedes Mal aufs Neue unbegreiflich für sie, so etwas zu erleben. Sie zwang sich zur Uhr zu sehen und die Geburtszeit einzutragen. Im Augenwinkel sah sie den frisch gebackenen Vater einen innigen Kuss auf die verschwitzte Stirn der erschöpften Mutter drücken. Eine Freudenträne tropfte auf die Zahlen 0 und 29. Während sich die kleine Familie hielt und die Welt um sich herum vergessen hatte, hätte Chily diese Welt umarmen mögen. Noch weit später dachte sie nicht ans Schlafen, sondern saß im Aufenthaltsraum der Krankenschwestern und fertigte die Nabelschnurbehälter. Sie dienten den Bräuchen der Indianer Nordamerikas dazu, die schlechten Geister zu verwirren und das Neugeborene vor deren Einfluss zu schützen. Die Nabelschnur eines Neugeborenen galt als Zugang zu den Gedanken und der Seele, weshalb in einen der Behälter die Nabelschnur, in einen anderen, gleichaussehenden, Büffelhaar eingenäht wurde. So wollte man die Geister verwirren, da sie nicht wussten, in welchem der beiden Behältnisse die Nabelschnur war. Für Mädchen wurde ein solcher Nabelschnurbehälter in Form einer Schildkröte gemacht, da die das Sinnbild für Mutter Erde und der Gabe, Leben zu schenken, war. Die junge Familie träumte glücklich von der Zukunft. Am späten Vormittag des nächsten Tages trudelten Saber, Colt und Robin im Krankenhaus ein. Chilys Abwesenheit und das Verschwinden von Fireball und April hatte sie bald darauf gebracht, dass die drei zur Entbindung im Krankenhaus waren. Dort hatte die Hebamme seit den Morgenstunden alle möglichen Untersuchungen und notwendigen Unterlagen für das Neugeborene zur Unterschrift vorbereitet, um den jungen Eltern diesen Papierkrieg weitgehend zu ersparen. Sie sollten sich über Charlenes Anwesenheit freuen. Folglich fanden die drei Besucher auch nur den Rennfahrer und die Blondine in dem Krankenzimmer vor. Ihr Töchterchen war noch bei einer Untersuchung. „Da kommt der liebe Onkel Colt und euer Töchterchen ist nicht da! Den Anstand hat sie jetzt schon von dir, Turbofreak. Nämlich keinen, “ beschwerte sich der Scharfschütze, kaum dass er eingetreten war. „Oder von Onkel Colt, “ konterte der Japaner gähnend. „Das wage ich zu bezweifeln, “ grinste der Kuhhirte dreist und stichelte dann. „Wovon bist du eigentlich müde? Vom Zusehen?“ Der Vater hob seine rechte Hand in die Höhe. „Ich bin froh, dass die noch dran ist“, meinte er trocken. „Das ist nichts, im Vergleich zu dem, was ich durchgestanden hab“, bemerkte April. „Das glaub ich sofort.“ Saber schmunzelte verständnisvoll. Chily hatte ihm einmal eindrucksvoll erklärt, wie sich das anfühlte. Seither bewunderte er jede Frau nur noch mehr darum, dass sie das auf jeden Fall einmal ertragen konnte. „Also: Wie groß, wie schwer und so weiter. Wenn wir sie schon nicht sehen können, dann hätten wir doch gerne eine Beschreibung, “ verlangte er dann neugierig zu wissen. „Wann kam sie denn?“ fragte die Lehrerin. „0 Uhr 29, 2800 Gramm ...“ informierte der junge Vater und seine Freundin ergänzte. „ 47 Zentimeter groß.“ Sie hatte noch immer das Gefühl, jeden einzelnen davon zu spüren. „Bist du sicher, dass sie dann deine ist, Fire? Ich meine, so groß warst du bei der Geburt bestimmt nicht. Du bist ja jetzt kaum größer, “ neckte Colt fröhlich. Justament öffnete sich die Tür und die Hebamme trug das Neugeborene herein. Sie hatte gerade noch Colts letzten Satz gehört und kommentierte den nun. „Einen Vaterschaftstest braucht er nicht.“ Tatsächlich sah das Mädchen aus, wie die Miniaturausgabe des Ramrod-Piloten. Sogar der feine, schwarze Haarflaum stob wild in die Luft. Einzig die großen Knopfaugen hatten das klare, etwas dunklere, Blau der Mutter. „Lass dich mal ansehen, du kleines Elend. Mensch, in welche Familie du da rein geraten bist.“ Colt war mit einem Satz bei Chily und hätte ihr beinahe den Säugling vom Arm gestoßen. „Bullet!“ mahnte sie ihn sofort streng und wich einen Schritt zurück. „Selber machen und mir nicht fast vom Arm schubsen.“ Robin schob ihren, berechtigterweise gerügten, Zukünftigen zur Seite um auch einen Blick auf Charlene zu erhaschen. „Zu süß“, schwärmte sie aufrichtig. „Und kerngesund“, fügte die Hebamme hinzu. Dann legte sie die Kleine ihrer Mutter in den Arm. „Gut gemacht, Little Mama, “ lobte sie, ehe sie auf einem Besucherstuhl Platz nahm. Fireball kuschelte sich an Aprils Seite und strich seinem Töchterchen über den zarten Haarschopf. „Himmel auf Erden“, schmunzelte Saber. Er stand am Fußende des Bettes und betrachtete die beiden, die augenblicklich alles um sich herum vergessen hatten. „Die Hölle im Kreissaal“, scherzte Chily und grinste müde. Jetzt machte sich bemerkbar, dass sie mittlerweile seit über vierundzwanzig Stunden wach und auf den Beinen war. „Irgendwie hab ich ja Angst“, gestand Colt unvermittelt. „Wovor?“ wollte Robin verwundert wissen. Der Gefragte deutete auf das Paar im Krankenbett. „Die sind im Doppelpack schon kaum zu ertragen. Wenn Charly auch nur ein bisschen von ihnen hat, und das ist durchaus im Bereich des Möglichen, wird aus dem Doppel ein Tripplepack. Zuviel für mich, “ erläuterte er dabei. „Das Risiko ist gering, “ gähnte die Hebamme. „Sie ist ja jetzt da, da wird er“ Sie wies auf den Rennfahrer, „ja nicht mehr so abdrehen, “ meinte sie und streckte die Beine von sich. „Oder er, “ Auch der Scharfschütze deutete auf den Piloten, „dreht jetzt völlig durch“, überlegte er laut. „Was soll das? Tu mal nicht so weich. Mich hast du doch auch überlebt, “ gähnte die buntgesträhnte Blondine erneut. „Du bist nur halb so wild wie er, wenn er erst anfängt“, entgegnete der Cowboy. „Ja, sehr wild ist er grad“, grinste Saber und nickte zu den jungen Eltern. Die hatten nicht ein Wort von dem Gesprochenen mitbekommen. „Ein Wolf im Schafspelz, wenn ihr mich fragt“, lächelte die Lehrerin. „Der Grund dafür ist wirklich hinreißend.“ Saber warf noch einen Blick auf Charlene, wie sie ruhig und aufmerksam zu ihren Eltern aufsah. „So könnt es bleiben“, seufzte Robin und lehnte sich an Colts Schulter. Es war gerade sehr ruhig und idyllisch in diesem Raum. Wenigstens bis Chily ein leises Schnarchen hören ließ. Die Erschöpfte war eingeschlafen. Colt schüttelte leicht den Kopf, verschwand kurz und kam mit einer Decke zurück. Fürsorglich deckte er sie zu. „Wie kannst du schlafen, wenn sie so sägt?“, fragte er den Schotten amüsiert. „Ich bin deine Akustik noch gewöhnt“, gab er trocken zurück. „Wirst du auch eine Weile noch. Immer wieder mal“, versprach Colt heiter. „Ich freue mich schon drauf“, erwiderte der Recke und verdrehte die Augen. „Hättest ja auch ins Exil gehen können“, kommentierte der Cowboy unbeeindruckt, aber Saber ging nicht darauf ein. Seine Frau bewegte sich auf dem Stuhl, stellte er besorgt fest. „Sie ist zuhause besser aufgehoben, als hier.“ Damit streichelte er sie vorsichtig wach. „Schatz?“, flüsterte er. „Komm, ich bring dich nachhause.“ – „Jetzt nicht“, murmelte sie verschlafen zurück. „Ich bin müde.“ Ihr Mann schüttelte den Kopf und hob sie auf seine Arme. Robin hielt ihm die Tür auf. „Wir sollten wohl auch gehen, bevor der Virus Schwangerschaft noch ansteckt“, schlug Colt vor und so ließen sie die jungen Eltern allein, die das erst sehr viel später bemerkten. Lächelnd deckte Saber das schlafende Knäuel, mit dem verheiratet war, zu. Sie war schon gestern zeitig auf den Beinen gewesen und hatte einiges zu erledigen gehabt. So tief und fest, wie sie die ganzes Heimfahrt in Robins Auto geschlafen hatte, konnte der Schotte getrost Stein und Bein darauf verwetten, dass sie nicht eine Minute Ruhe gehabt hatte. Von Schlummer wollte er da gleich gar nicht sprechen. Während sie nun vor sich hin träumte, beantwortete er in ihrer Praxis einige Anrufe, die auf dem Anrufbeantworter waren, las die Post durch, sortierte diese für sie nach Wichtigkeit und kümmerte sich danach um seine eigene Schreibarbeit. Sie schlief noch am Abend. Es bekümmerte ihn ein wenig. Eine große Geburtstagsparty an seinem Geburtstag zu feiern, war weniger sein Fall, aber ein gemütlicher, ungestörter Abend mit seiner Frau wäre eben doch sehr nett gewesen. Aber man hatte nun mal keinen Einfluss darauf, wann Kinder zur Welt kamen. In den Gesprächen, die sie so über ihre Berufe geführt hatten, war ihm klar geworden, dass sie mit der gleichen Hingabe Hebamme war, wie er Starsheriff. Daher konnte er sie nur zu gut verstehen. Am nächsten Morgen wachte er vor ihr auf und betrachtete ihren verstrubbelten, buntgesträhnten Schopf. Liebevoll strich er darüber und entschied, dass sie ein Frühstück am Bett verdiene. Kaum gedacht, setzte er das in die Tat um. Er stellte das Tablett auf ihrer Seite auf die Kommode und beugte sich zu ihr. Vorsichtig schob er ihr Haar zur Seite und sang ihr sacht ins Ohr. „You are my sunshine...“ Sie hatte gespürt, dass er das Bett verlassen hatte und fühlte, mehr im Halbschlaf, als dass sie schon wach war, wie er sie berührte. „Mitten in der Nacht?“, murmelte sie verschlafen. „… My only Sunshine... you make me happy, when skies are grey,“ sang er weiter und hauchte ihr Küsse aufs Ohr, in den Nacken und die Halsbeuge. Er würde sie schon wach bekommen, hoffte er. Sie zog sich nur die Decke über den Kopf. „Jetzt nicht, Manapi“, brummte sie träge. Er zog diese wieder fort. „Frühstück ist fertig, Aiyana“, schmunzelte er. „Schön.“ Sie angelte nach dem Betttuch. Dann drangen seine Worte in ihr Bewusstsein. „Frühstück?“ Schlagartig saß sie im Bett. „Ja, ganz recht. Frühstück.“ Saber reichte ihr den Kaffee. „Guten Morgen, mein Sonnenschein“, lächelte er warm. Sie rieb sich den letzten Schlaf aus den Augen und nahm die Tasse. „Aber das ist falsch rum so“, bemerkte sie. „Warum?“, fragte er und setzte sich zu ihr ans Bett. „Na, du musst das Frühstück kriegen. Du hattest Geburtstag, “ erklärte sie und fügte hinzu. „Gestern.“ – „Vor... gestern, “ schmunzelte er. „Aber egal. Und jetzt lass mich dir eine Freude machen und mit dir im Bett frühstücken.“ Dabei langte er nach seiner eigenen Tasse. „Vorgestern?“ Ungläubig sah sie ihn an. „Nee, ne?“ Verwirrt versuchte sie zusammen zu puzzeln, was genau in welcher Reihenfolge geschehen war, bevor sie geschlafen hatte. Aber das war nicht ganz so leicht, wenn ihr Mann auch noch so erheitert nickte. „Das darf doch nicht wahr sein.“ Auf den Schreck leerte sie die ganze Tasse. Man musste wach sein um das zu begreifen. „Der Versuch eines Kuchens ist schwindelig gerührt worden“, feixte ihr Angetrauter. „Back lieber nichts mehr, solange du Hebamme bist, mein Schatz“, schlug er amüsiert vor. Seine Frau starrte ihn fassungslos an und brachte keinen Ton hervor. Dafür knurrte ihr Magen. Noch immer grinsend reichte er ihr ein Honigbrötchen, von dem sie gierig abbiss. Also war sie genauso wenig zum Essen, wie zum Schlafen gekommen, erkannte er. „Soll das heißen, ich habe vergessen den Mixer auszuschalten?“, hakte sie dann mit vollem Mund nach. „Ja, hast du“, nickte er erneut. „Aber dafür hast du überall das Licht ausgeschaltet und die Haustür geschlossen“, schmunzelte er. „Und jeder Einbrecher hätte sich vor unserem Wachmixer gefürchtet“, konnte er nicht widerstehen, sie zu necken. Sie schluckte den Bissen hinunter. „Dann back ich dir eben keinen Kuchen mehr. Ist doch nicht meine Schuld, dass Little Daddy mir so hysterisch ins Ohr kreischt, “ rechtfertigte sie sich leicht. „Aber nicht doch. Unser Fire ist die Ruhe in Person“, lachte ihr Angetrauter leise und fuhr fort sie zu füttern. „Bist du denn wieder ausgeschlafen?“, erkundigte er sich dabei. Sie nickte kauend. „Hast du ein Paket gesehen?“, wollte sie dann von ihm wissen. Allmählich setzten sich die Vorgänge vor ihrem komaartigen Schlaf wieder zusammen. Saber schüttelte den Kopf. „Zumindest war keins in der Post“, antwortete er nach kurzem Überlegen. Sie riss erschrocken die Augen auf. „Irgendwo in der Wohnung?“, hakte sie nach. „Hättest du eines bekommen sollen?“, wollte der Schotte nun seinerseits wissen. Es schien wichtig zu sein, wenn es sie so alarmierte. „Ich hab es schon bekommen. Ich weiß nur nicht mehr, wo ich es hingetan hab. Vielleicht hatte ich es auch versteckt, dann weiß ich aber auch grad nicht mehr wo“, erklärte sie ihm daraufhin. Oh, Mann. Darüber konnte sich der Recke nur amüsieren. Gelegentlich wuchs Chily zu einem Chaosbolzen aus, wenn allzu viele Dringlichkeiten gleichzeitig auf sie einstürzten. Nach dem ersten Schreck sortierte und handelte sie diese ab, um anschließend ganz verzweifelt ihre Jacke zu suchen, die sie trug. „Das ist bedenklich, Schatz“, scherzte er nun. „Jetzt lach mich halt gleich richtig aus, dann hab ich es hinter mir. War ja bloß dein Geschenk drin“, versetzte sie leicht gekränkt. Dieser Charakterzug war eine Schwäche, über die sie sich selbst ärgerte, weshalb sie Neckereien damit nur schlecht ertrug. Aber die Erwähnung seines Präsentes hatte ihrer hauseigenen Spottdrossel den Schnabel gestopft. „Das war für mich?“, hakte er, jetzt hellhörig geworden, nach. Da hatte sie ihre Genugtuung und stopfte sich, statt einer Antwort, den Rest des Brötchens in den Mund. Jetzt war es an dem Recken zu schmollen. „Hoffentlich finden wir es wieder“, seufzte er. „Ach“, winkte sie munter ab, „das reicht, wenn es Weihnachten wieder auftaucht. Dann hab ich schon was, dass ich dir unter den Weihnachtsbaum legen kann.“ Sie schluckte den Bissen hinunter und grinste breit. Ach wie schnell sich das Blatt doch wenden konnte. Trotzdem hätte sie sich gern wieder daran erinnert, wo sie das Paket versteckt hatte. Es hatte sie viel Mühe gekostet, den Inhalt ausfindig zu machen. Und sie hatte es ganz sicher versteckt, damit Saber nicht, entgegen seiner Angewohnheit und seiner Manieren, auf die Idee kam es zu öffnen. Das Ding sah ja schließlich nicht wie das Postgut aus, das sonst hier ankam. „Das dauert ja noch elf Monate“, jammerte er jetzt, „Das ist nicht fair, Aiyana.“ Sie hob nur die Schultern. „C'est la vie …“, kicherte sie unterdrückt. Oh, wahrscheinlich würde er noch viel mehr klagen, wenn er wüsste, was in dem Paket war. „… bis zum Knie“, setzte er ihren Satz fort, „Jaja, ich weiß. Colt bringt den Spruch auch alle paar Meter“, seufzte er schon ernstlicher bekümmert. Da war sein Geburtstag also tatsächlich ausgefallen. Mann, das war ja schon gemein. Seine Angetraute entschied sich, ihn für seine vorangegangenen Neckereien etwas zu strafen und ihn vorerst in dieser Annahme zu lassen. „Frühstückseier?“, fragte sie deshalb nur und linste auf das Tablett. Gedanklich überlegte sie fieberhaft, wo die doch wertvolle Fracht hingekommen war. „Vom hauseigenen Huhn, bitte.“ Saber reichte ihr eines. „Ist zwar ein bisschen verrückt, aber Eier legen tut es noch“, fügte er hinzu. Die Aussage zeigte ihr, wie wenig der ausgefallene Geburtstag ihm gefiel. Sie klopfte das Ei auf. „Salz?“, fragte sie und unterdrückte ein Kichern. Sie wusste, dass sie mit dem Huhn gemeint war und fand, sie könne diese Meinung ruhig etwas bestätigen. Saber reichte ihr den Salzstreuer. „Was hältst du davon, wenn ich zum Mittag den hauseigenen Hahn schlachte“, grinste sie ihn an. „Der lässt sich nicht schlachten. Außerdem ist er schon zu alt“, wehrte der Recke ab, obwohl die knappen zwei Jahre nicht wirklich ein wesentlicher Altersunterschied waren. „Das Huhn dagegen ist noch jung, das würde sich gut als Backhühnchen machen“, zwinkerte er ihr dann spitzbübisch zur. Ein bisschen Spaß musste schon sein, um zu verdrängen, dass sein Wiegenfest verpatzt worden war. Sie starrte ihn an und vergaß sogar das Schlucken des Stückchens Ei, welches sie sich gerade in den Mund geschoben hatte. Jetzt konnte der Schotte wieder Schmunzeln. Wieder hatte sich das Blatt gewendet. „Sei froh, dass es nicht als Grillhühnchen endet“, zog er sie auf. Sie würgte endlich den Happen hinunter, schaute ihn mit großen Augen an und drückte ihm das Ei und den Löffel in die Hand. Mit dieser Reaktion konnte Saber so gar nichts anfangen. „Was denn?“, fragte er irritiert. War er mit seinem Scherz zu weit gegangen? Tatsächlich hätte Chily beim besten Willen nicht erklären können, in welchem Zusammenhang die Hühner-Witze mit der Erinnerung an den Verbleib des Paketes stand, aber es war ihr wieder in den Sinn gekommen. Jetzt fegte sie auf der anderen Seite aus dem Bett und aus dem Schlafzimmer. Halb die Treppe schon im Erdgeschoss rief sie ihrem Mann zu. „Bleib ja, wo du bist!“ – „Hab ich eine andere Wahl?“ Verwirrt schielte er ihr nach. Musste er das verstehen? Nein, zumindest noch nicht. Er linste verunsichert in die Tasse und nahm noch einen Schluck von dem Kaffee um sicher zugehen, dass er nicht versehentlich Espresso gebrüht hatte, aber das Gebräu entpuppte sich als ganz normaler Muntermacher. Das wusste wohl nur der Teufel, was da wieder in seine Frau gefahren war. Das musste man manchmal einfach nur hinnehmen. Das Gepolter und Gerumpel aus der unteren Etage und am Treppenabsatz musste er allerdings nicht hinnehmen. „Lass bitte das Haus ganz. Wir haben doch grad erst renoviert“, erinnerte er sie mahnend. „Jaha“, rief sie zurück, „Bleib du einfach da.“ Der Krach kam jedoch immer näher und wie Saber bald feststellte, beförderte sie ein großes, längliches und offenbar sehr schweres Paket, lärmend Stufe um Stufe hinauf ins Schlafzimmer. Sie keuchte vor Anstrengung. „Gott, hast du Steine aus dem Steinbruch gekauft?“, fragte er verwundert. „Ja, das ist dein Grabstein“, schnaufte sie am oberen Ende angekommen. Jetzt versuchte sie die Kiste ins Schlafzimmer zu schieben, trat dabei mehrfach auf der Stelle, bis sie genügend Kraft zum Gelingen aufbrachte. Ihr Mann, auf dem Bett sitzend, fand sich vor einem unlösbaren Rätsel. „Hoffentlich steht ein netter Spruch drauf. Ich will nicht trübsinnig auf meiner Beerdigung erscheinen“, meinte er und beäugte das Paket. Was sollte das sein? Seine Augenbraue zuckte skeptisch hoch. „Tja, über die Toten nur Gutes. Also kein Spruch“, schnaufte sie schwer. Sie hatte angeordnet, dass er oben blieb. Sie wollte seine Hilfe nicht, aber jetzt war sie doch sehr erschöpft von dem Hinaufbefördern seines Geburtstagsgeschenkes. „Ich werde mich beherrschen“, bemerkte er nur halbherzig und rätselte noch immer, was der Inhalt wohl sein konnte. „Damit auf meinem Grabstein nur Gutes steht.“ Schließlich riss er die Augen vom Paket und schaute seine Frau an. „Ist das für mich?“, fragte er. Sie richtete sich auf. „Ja, aber du scheinst, ich weiß nicht, als ob du jetzt schon wüsstest, das es dir nicht gefällt“, meinte sie, krabbelte auf das Bett und aß ihr Ei weiter. „Gar nicht wahr. Ich frage mich lediglich, was so schwer sein kann, dass du es fast nicht tragen kannst. Und ich hab keine brauchbare Idee, offen gestanden“, gab er wahrheitsgemäß zu. „Tja, dann solltest du es wohl einfach aufmachen“, schlug sie vor. Das musste sie ihm dann auch nicht zweimal sagen. Er war mit einem Satz von der Matratze runter und suchte ungeduldig nach einer guten Stelle um dem ominösen Postgut sein Geheimnis zu entreißen. Er war zum Platzen neugierig. Seine Frau unterdessen goss sich noch mal einen Kaffee ein und langte nach einem weiteren Brötchen. Der Schotte faltete den Deckel auseinander und klappte ungläubig den Mund auf. Allerdings brachte er keinen Ton hervor. Träumte er? Chily beobachtete ihn aufmerksam. Gedankenverloren biss sie dabei von dem Brötchen ab und kaute langsam. Gefiel es ihm? Sabers Blick fiel als erstes auf eine Nachbildung des legendären Schwertes Excalibur, welches offenkundig zu Dekorationszwecken diente. Darunter waren, in weiches, dunkles Leder gebunden und mit goldenen, schnörkligen Lettern gravierte, ganze fünfzehn, ziemlich dicke und große Buchbände über Schwerter zu finden. Saber kannte diese Reihe Nachschlagewerke vom Hörensagen. Sie enthielt eine Zusammenfassung über die historische Fertigung und Herstellung, über den Ursprung der Waffe in den einzelnen Ländern und die bedeutendsten Legenden der jeweiligen Nation. Wahllos zog er eines der Bücher heraus und las den Titel vor. „Klingen schottischer Herrenhäuser.“ Das war unglaublich. „Jolene?“ Streng sah der Recke seine Frau an. Die setzte sich bei diesem Ton aufrecht hin, als wäre sie bei etwas Schlimmen ertappt worden, schluckte erschrocken, legte die angebissene Semmel weg und antwortete verunsichert: „Ja?“ Jetzt deutete er auf sich und ordnete an. „Komm mal her.“ Das klang gar nicht gut. Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, das Schimpfe vom Vater bekommen sollte. Normalerweise würde sie sich darüber beschweren, aber nicht in diesem Fall. Er hielt sein Geburtstagsgeschenk in der Hand und schien alles andere als erfreut darüber. Dann musste sie sich wohl schimpfen lassen, wenn sie so falsch mit dem Präsent gelegen hatte. Vorsichtig krabbelte sie übers Bett und auf ihn zu, hielt aber sicherheitshalber an der Bettkante. „Zu mir her, Jolene“, verlangte er nachdrücklich und klopfte auf seinen Schenkel. Wollte er sie etwa übers Knie legen? Du lieber Himmel. „Nö“, weigerte sie sich unbehaglich. „Doch!“ Das war schon fast ein Befehl. Langsam kletterte sie nun vom Bett runter und kniete, die Tür für eine möglicherweise erforderliche Flucht im Auge behaltend, neben ihm. „Hab ich was angestellt?“, fragte sie. „Ja“, erklärte er hart, dann zog er sie rasch in seine Arme und drückte der Perplexen einen ungestümen Kuss auf die Lippen. „Du verrücktes Huhn, wie bist du an die Bücher gekommen?“, wollte er dann wissen und jetzt konnte er nicht länger verbergen, wie sehr er sich darüber freute. Die Werke waren sehr selten und es war ihm seither nicht gelungen sie aufzustöbern und zu erwerben. Nun hielt er sie in den Händen. Unglaublich. Seine Frau musste sich unter dieser stürmischen Geste an ihm festhalten und erwiderte den Kuss. „Wie ich an die Bücher gekommen bin?“, wiederholte sie seine Frage. „Ja, woher wusstest du, dass ich die Bücher suche?“ Das Leuchten in seinen Augen machte sie unsagbar glücklich. Hatte sie doch richtig gelegen. Nun grinste sie. „Bitte? Du fragst mich, woher ich das weiß?“ Wollte er sie veralbern? Der Schotte schnaubte leicht. Vor Überraschung hatte er doch tatsächlich vergessen, mit was für einer Frau er da verheiratet war. „Sogar dazu missbrauchst du deine Fähigkeiten“, schalt er sie lächelnd „Na hör mal. Das stand im Manapi-Gedanken-Buch auf Seite 1670, linke Seite dritte Zeile und war fett mit rot markiert“, grinste sie zurück. „Ich hab mir die Hacken danach abgerannt“, fügte sie kopfschüttelnd hinzu. Das konnte er sich gut vorstellen. „Wo hast du die Bücher nun her?“, bohrte er weiter und zog sie auf seinen Schoß, so dass er beinahe wie ein Kind hielt. „Das war eine Odyssee“, meinte sie und schlang beide Arme um seinen Hals. „Das Leben reicht nicht um dir zu erzählen, wie lange ich nach dem Laden gesucht hab, der sie führt. Aber als ich ihn gefunden hatte, war das Kaufen schnell erledigt“, fasste sie die verlangte Auskunft auf das Wesentliche zusammen. „Mein verrücktes Huhn“, murmelte er außer sich und küsste sie wieder. Ein schöneres Geschenk hätte sie ihm kaum machen können. Sie ahmte spitzbübisch ein Huhn nach, sogar recht überzeugend. Er strich ihr schmunzelnd eine Strähne aus dem Gesicht und begann von neuem zu singen. „You are my sunshine, my only sunshine; you make me happy, when skies are grey... You never know dear how much I love you …” Na gut, er hatte Geburtstag gehabt, darum ließ sie ihn zu Ende trällern ohne ihn zu unterbrechen und egal, wie schief es klang. Erst danach küsste sie ihn wieder, höchst zufrieden, ihm eine solche Freude gemacht haben zu können. Eine Woche später wurde April aus dem Krankenhaus entlassen. Nachdem die Wehen nicht so eingesetzt hatten, wie sie sollten, hatte man sie etwas länger unter Beobachtung haben wollen um sicher zu stellen, dass alles im grünen Bereich war. Nun endlich durfte sie nach Hause. Sie wollte wieder zu ihrem Rennfahrer. Sie wusste, dass er noch zwei Sitzungen beim Psychotherapeuten gehabt hatte, die ihm so gar nicht gefielen, weil er nun mal nicht gern über sein Seelenleben sprach. Es war besser, wenn sie und Charlene bei ihm waren um ihn auf andere Gedanken zu bringen oder einfach nur mit ihm darüber zu schweigen. Außerdem gehörte eine Familie zusammen, in die gleiche Wohnung und sie selbst hatte nun wirklich genug vom Krankenhaus und seinem allzu sterilen Geruch. Fireball hatte sie abgeholt, trug ihr die Tasche zum Auto und fuhr seine beiden Frauen Heim. Kaum hatten sie den Fahrstuhl in ihrer Etage verlassen und die Wohnungstür aufgeschlossen, krähte ihnen schon die Schar wartender Freunde entgegen. „Willkommen daheim.“ April schmunzelte erfreut. Von der Stille in der Klinik hatte sie wirklich genug gehabt und eine Überraschungsparty war immer eine nette Idee. Jetzt ließ sie die Umarmungen und Glückwünsche auf sich ein rieseln und lächelte glücklich in die Runde. Nach Regen folgte Sonnenschein und diese spontane Feier ließ sie auf ganz viel davon hoffen. Natürlich, so behauptete Colt, gehörte zu einer solchen Feier auch ein Glas Sekt. Da April aber keinen Alkohol trinken durfte, so lange sie stillte, hatte er ihr extra die alkoholfreie Kinderversion besorgt. Fröhlich ließ er die Korken knallen. „Schieß die Dinger nicht durch die Decke“, schimpfte Robin ihn lachend. Breit grinsend deutete er auf Fireball und Chily. „Die tun es öfter. Charly muss daran gewöhnt werden, “ erklärte er und schenkte ein. Die Hebamme fuhr ihn scherzhaft an. „Wer schießt hier durch die Decke?“ Aber dies quittierte der Scharfschütze nur damit ihr schmunzelnd ein Glas Sekt in die Hand zu drücken. „Solang ihr keine tragenden Balken abschießt und jemanden unter euch begrabt, schießt, wohin ihr wollt“, meinte Saber gelassen. „Hier kann uns nur die Decke auf den Kopf fallen“, beruhigte der junge Vater ihn und reichte ihm ein Glas. „Sagt der Meister im durch die Decke schießen“, neckte Colt leicht. Der nickte stolz und grinste. Sie stießen auf Charlenes Gesundheit an. Chily setzte das Glas ab und berichtigte Fireballs letzte Aussage. „Das warst du nicht, Little Daddy.“ Erstaunt schaute Colt von ihr zu dem Japaner. „Wovon redet ihr beiden?“, wollte er wissen, wurde aber ignoriert. „Da fällt mir ein: Ich krieg noch was von dir, Chily“, grinste Fireball und hielt seine Hand auf. Da war ihm doch glatt die Wette wieder in den Sinn gekommen, die sie scherzhaft vor der Verhandlung geschlossen hatten. Der Hebamme ebenso. „Ach ja, was?“, tat sie jedoch ahnungslos. „Etwas für Charlene“, setzte er sie in Kenntnis. „Spielschulden sind Ehrenschulden, Lady Rider. Hat dir Saber das nie eingetrichtert?“, Sich drücken zu wollen galt schließlich nicht. „Mir eintrichtern? Der war gut“, konterte die Frau des Schotten trocken und amüsiert. „Außerdem, du hast nicht gewonnen, sondern ich.“ Damit verschränkte sie die Arme vor der Brust, um ihr Statement zu unterstreichen. „Nur, wenn du die Ausbrüche von deinem Gatten dazurechnest und das ist unlauterer Wettbewerb, Baby“, stellte der Pilot unbeeindruckt klar. „Baby ist da.“ Chily wies auf Charlene in Aprils Arm und machte dem Rennfahrer deutlich, dass sie nicht so genannt werden wollte. Er hatte Mandarin so genannt und auch, wenn sich eine vergleichbare Freundschaft zwischen der Geburtshelferin und dem Hitzkopf entwickelte, wollte sie doch bitte sie selbst bleiben. Sie hatte den Rotfuchs sehr gemocht und gerade deshalb durfte sie in ihren Augen auf keinen Fall ersetzt werden. So stand der Hebamme von daher auch nicht der Spitzname der Getöteten zu. „Und austicken kann ich alleine auch ganz gut“, ergänzte sie dann. „Wer hat denn angedroht bekommen aus dem Saal zu fliegen? Du oder ich?“, hakte sie nach. „Der war nur frauenfeindlich, das ist alles“, wiegelte Fireball ab. „Also, ich warte immer noch.“ Er hielt der bunt gesträhnten Blondine die offene Hand direkt unter die Augen. Die schaute darauf. „Mann, hast du eine kurze Lebenslinie“, stellte sie fest und grinste nun den Japaner an. „Das ist bedenklich“, feixte sie. „Die kurze Lebenslinie ist den Hikaris angeboren, hat aber nix zu bedeuten“, behauptete der lapidar, ehe April womöglich auf die Idee kam, in diesen Umstand etwas hinein zu interpretieren, das nicht wahr war. Chily nahm nun Fireballs Hand und begann gespielt fachmännisch darin rumzudeuteln. „Hier, diese Linie heißt, dass du noch zweimal Vater wirst“, meinte sie, drehte und wendete die Hand, als wäre sie nicht mit einem Arm verbunden. „Steht aber nicht da, ob mit der gleichen Frau“, bemerkte sie dann stichelnd. Er verzog das Gesicht spöttisch, entwand ihr seine Hand und tätschelte ihr den Kopf. „Doofes Huhn. Ich wahrsage dir, dass du es nicht mehr lange machen wirst, wenn du so weitermachst“, drohte er ihr im Spaß. Sie nickte, als verstünde sie. „Dann ist die kurze Lebenslinie auch erklärt.“ Immerhin würde Saber den jungen Vater nicht ungeschoren davon kommen lassen, sollte der seine nicht vorhandenen Mordgelüste an ihr ausleben. „Übrigens hab ich noch gelesen, dass du Wetten immer verlierst“, meinte sie dann heiter. „Also die inklusive.“ Fireball schüttelte den Kopf. „Du musst dich verlesen haben. Außerdem weiß ich, dass du nur auf das Sushi-Messer spekulierst.“ Die verwirrten, verdatterten und leicht ratlosen Gesichter ihrer Zuhörerschaft fielen den beiden Scherzkeksen nicht auf. Sie genossen es einfach mal nur Blödsinn vom Stapel zu lassen, bei dem der andere auch noch munter mitzog. „Das habe ich mir auch verdient, so wie ich Haywood habe leuchten lassen“, erklärte Chily nun überzeugt. „Du hast da was falsch verstanden. Du hättest leuchten sollen, nicht Haywood, “ wiegelte Fireball ab. „Also, de facto ...“ Jetzt formte er mit den Fingern ein L und hielt es sich an die Stirn. „Loser.“ Während alle anderen nun Zweifel bekamen, ob das noch Spaß oder schon Ernst war, schwang sich die Hebamme kichernd auf das Scherzlevel. Sie bildete ihrerseits erst ein O, „Opfer“, dann ein V, „Versager“, schlug sie verbal zurück und der Rennfahrer lachte laut. Das war zu herrlich. So albern wie eben hatte er sich schon ewig nicht mehr aufgeführt. „Oh, du musst noch eine Menge lernen, kleine Hebamme“, belehrte er sie und legte den Arm um ihre Schulter. „Ein Fireball verliert nicht. Niemals, nicht die kleinste Wette.“ Die bunt gesträhnte Blondine war froh, dass er sie gerade so hielt, sonst hätte sie vor Lachen am Boden gelegen. „Du verlierst gleich deine Kronjuwelen, Little.“ Unverschämt grinsend tat sie, als wolle sie in die betreffende Region langen, aber der Pilot war schneller. Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück. „Denk nicht mal dran, oder der da“, Er zeigte auf Saber, „wird von der nächsten Mission nicht mehr heim kommen“, mahnte er feixend. „Ach, da hab ich keine Sorge“, winkte sie ab. „Der wird auf keine Mission mehr gehen, weil ich ihn daheim festtackern werde, du Strohfeuer“, schlug sie diese leere Warnung locker in den Wind. „Du weißt, was ein Hanabi ist? Etwas mehr als ein Strohfeuer, du Huhn“, informierte er sie kichernd. „Also nicht du. Du bist ja grad mal groß genug für einen Funken“, neckte sie ihn. „Auf die Größe kommt es nicht an, wie wir schon öfter gelernt haben. Nur auf die Technik und die Ausdauer. Tja, du wirst dir die Zähne ausbeißen, so sieht es nämlich aus“, bemerkte er mit einem wissenden Nicken. „Na, ih! Was denkst du von mir? Ich nehm doch nicht alles in den Mund“, empörte sie sich lachend. Er verdrehte die Augen. „Der Funken muss dir wohl mal beibringen, was Ausdauer heißt, Mariechen.“ – „Der Funken sollte aufpassen, dass ich ihn nicht ausblase“, gab sie zurück. „Das macht den Funken nur größer“, schmunzelte er. Colt legte seine Hände um Charlenes Ohren. Die Kleine war mit einer Woche eindeutig zu jung für derartige Zweideutigkeiten. „Träumst du“, krähte Chily vergnügt. „Ja, von einem Geschenk für Charlene“, bestätigte deren Vater. Die Hebamme hob die Schultern. „Hat sie doch bekommen“, meinte sie schlicht. „Dann eben auf den Wetteinsatz. Komm, raus damit, Misses Rider“, zwinkerte er ihr zu. „Wir hatten einen Einsatz?“, tat sie naiv. „Die Unschuldsnummer mag bei Dudelsackhighlander ziehen, aber nicht bei mir. Ein Handschlag zählt. Und ja, wir hatten einen Einsatz. Wenn ich mich recht entsinne, waren das fünfzig Mäuse“, rief er ihr die Fakten in den Kopf zurück, die sie ohnehin wusste. „Ja, und die sollte ich, falls du gewinnst, was du nicht hast, in ein Geschenk für Charlene investieren. Sie hat die Nabelschnurbehälter bekommen und die sind echte Handarbeit. Weit mehr wert, als 50 Piepen.“ Nun, da hatte sie recht. Fireball wusste, dass sie dieses Geschenk selbst gemacht hatte und hütete sich, Spaß hin oder her, einen falschen Ton darüber zu sagen. Was er nicht wusste, war, dass Charlene sie auch ohne eine Wette bekommen hätte. Chily fertigte dieser Art Präsente grundsätzlich für Elternpaare, die ihr besonders am Herzen lagen. „Du bist eine kleine Kräuterhexe, echt“, lächelte er kopfschüttelnd. Aber wen wunderte das, wenn man bedachte, wie sie aufgewachsen war. „Das Sushi-Messer liegt in der Küche“, informierte er sie dann. „Weil du es mir ja auch nie freiwillig gegeben hättest“, grinste sie und hatte unbeabsichtigt den höchstmöglichen Frevel begangen. Sie hatte wieder in seinem Kopf nachgelesen. „Wo in der Küche, ich will nix durch einander bringen“, fragte sie schnell, um dies zu überspielen, aber Fehlanzeige. Fireball warf ihr einen düsteren Blick zu. „Auf der Anrichte. Weißt du, nicht alle meine Messerchen haben rote Schleifen“, antwortete er merklich kühler. Sie machte sich auf den Weg in die Küche und rief zurück. „Wo genau?“, Sie wollte schließlich kurz mit ihm allein reden und konnte das so am geschicktesten einfädeln. „Nicht nur ein verrücktes, sondern auch ein blindes Huhn“, grummelte er vor sich hin, als er ihr folgte. „Ja, manchmal“, gestand sie und griff nach dem Messer, das unübersehbar dort lag, wo der junge Vater gesagt hatte. Sie begutachtete es eingehend und meinte, als er eintrat. „Tut mir leid. Ich kann nicht dagegen an, weißt du doch.“ Wieder hatte sie in seinen Gedanken gestöbert, obwohl es jedem aufgefallen war, wie es ihm sauer aufstieß, dass sie es getan hatte. „Wie kann ich dir das abgewöhnen?“, wollte er ehrlich wissen und schob seinen Groll beiseite. Sie schaute ihn entschuldigend an. „Gar nicht. Ist angeboren“, erwiderte sie genauso aufrichtig. Er seufzte leicht und wies auf das Messer. „Gefällt es dir wenigstens?“ Chily nickte. „Das ist wirklich makellos. Perfekt. Erzähl was du willst, aber das hat weit mehr gekostet. Dazu muss ich nicht in deinem Kopf nach lesen“, erklärte sie dann. „Ich hab es aus einer kleinen Manufaktur in Nagano. Der Meister dort ist schon fast hundert, aber Messer machen kann er“, lächelte er. „Bei fachgerechtem Gebrauch wird es niemals stumpf.“ Jetzt musste er schelmisch grinsen. Da hatte Saber ihm doch erst vorgestern was erzählt. „Also bitte, bitte, steck es nicht in den Mixer, Huhn“, flehte er amüsiert und revanchierte sich so gleich für den unerlaubten Aufenthalt in seinem Oberstübchen. Chily schlug sich leicht die Hand gegen die Stirn und schmunzelte verlegen. „Ich werde es an ihm testen, wenn er noch mal so was weiter tratscht.“ Damit legte sie das Messer zur Seite und begann in ihrer Tasche zu kramen. „Das wär dann der zweite Tote, der indirekt auf meine Kappe geht. Ich sollte es doch besser behalten.“ Fireball beobachtete, wie sie nach etwas wühlte. Sie stellte die Tasche auf die Anrichte und grub darin herum. Er lächelte leicht. „Gott, Frauen und Handtaschen. Ein ewiges Mysterium.“ Chily nickte. „Endlich.“ Sie zog das gesuchte, flache Päckchen heraus und hielt es ihm hin. „Was ist das?“, fragte er verwundert, drehte und wendete es nach allen Seiten. So flach und so leicht. Was konnte das sein? „Aufmachen“, ordnete sie nur an. Er tat, wie ihm geheißen. „Aha ein?“ Verwundert blickte er sie an. „Ein Traumfänger. Alle schlechten Träume und Energien verfangen sich in den Fäden und werden am Morgen beim ersten Sonnenstrahl zerstört“, schmunzelte sie und faltete das Papier weiter auseinander um ihm den zweiten zu zeigen. „Und du bringst zwei, weil...?“, versuchte er nachzuvollziehen. „Für Charlene und ihre Eltern“, entgegnete sie leichthin. Gleich würde er sie wieder Kräuterhexe nennen. „Du bist echt eine Kräuterhexe“, stellte er fest und nahm sie in den Arm. „Danke.“ Sie erwiderte die Geste. „Gern geschehen. Ich danke dir auch“, meinte sie warm. „Ist nicht der Rede wert, Chily. Du warst und bist eine große Hilfe und gute Freundin“, versicherte er. „Gleichfalls“, schmunzelte sie, verstaute ihr Geschenk sorgsam und schlenderte mit dem Rennfahrer ins Wohnzimmer zurück. „Solang er nicht bockt, oder?“, fügte er zwinkernd an. Seine Schwächen kannte er schließlich und war froh darüber, dass nachtragend zu sein nicht zu ihren Eigenschaften gehörte. Fireball und April durchlebten nun den Stress, den alle frisch gebackenen Eltern zu ertragen hatten. Charlene hatte ihre Bedürfnisse und brüllte sie heraus, wenn sie diese erfüllt haben wollte und ungeachtet der Tages- und Nachtzeiten. Das an sich wäre nicht das Problem gewesen, immerhin waren der Pilot und die Navigatorin den ganzen Tag bei ihr und konnten sich ihre Pflichten dem Nachwuchs und dem Haushalt gegenüber aufteilen. Dennoch waren sie keine Bilderbuchfamilie in der ausschließlich Harmonie herrschte. Der junge Rennfahrer suchte erfolglos nach einem neuen Job und haderte teilweise sehr stark mit den Sitzungen beim Psychotherapeuten. Eines Nachts wurde er dafür kurzerhand aus dem gemeinsamen Schlafzimmer auf die Couch verbannt. Nachdem er dort wie gerädert zu einer recht unchristlichen Zeit aufwachte, schlich er reumütig zu seiner Freundin und kuschelte sich an sie. Er brauchte ihre Nähe und es tat ihm leid, seinen Frust an ihr ausgelassen zu haben. Sie hatte ihm diese Sitzungen nicht aufgebrummt und sie waren definitiv das kleinere Übel als drei Jahre im Gefängnis sitzen zu müssen. Wenigstens war April bei ihm und er konnte Charlene jeder Zeit auf den Arm nehmen. Chily stand ihnen auch in dieser Zeit zur Seite, schwächte unnötige, aus Unsicherheit geborene, Sorgen und Bedenken und schwebte damit irgendwo zwischen dem, was ihre Aufgabe als Hebamme war, und freundschaftlicher Unterstützung. Saber tat es gut, wieder in seinem Job als Ausbilder tätig zu sein. Er fühlte sich rundum wohl damit. Er verschwendete schon lange keine Gedanken mehr an die vorangegangene Beziehung, oder zog gar noch Vergleiche zwischen den beiden Frauen. Anders, als er selbst erwartet hatte, kam er sogar mit den Treffen beim Psychologen zurecht. Seine Frau hatte unbemerkt auf ihn abgefärbt und das zahlte sich an dem Punkt aus. Dennoch, wenn er die Wahl gehabt hätte, hätte er sich lieber von ihr therapieren lassen. Sie hatte immerhin eine sehr zärtliche Art seine Fortschritte zu belohnen. Zärtlichkeit jedoch war etwas, dass im Haus von Robin und Colt nur noch relativ klein geschrieben wurde. Colt übernahm den Haushalt, da die Lehrerin in der Schule alle Hände voll zu tun hatte. Es musste schließlich der Unterricht vorbereitet, Klausuren geschrieben und kontrolliert werden und galt, Gespräche mit Schülern und deren Eltern zu führen. Der Scharfschütze hatte völliges Verständnis wenn seine Braut abends abgekämpft und müde war, trotzdem wunderte er sich still über einige Veränderungen an ihr. Zum Beispiel, dass sie neuerdings Gerichte probierte, die ihr eigentlich zu deftig waren. Gut, dass war positiv für ihn, denn er mochte diese sehr, aber es versetzte ihn schon ein wenig in Erstaunen. Für gewöhnlich gab es auch recht viel Zärtlichkeit unter ihnen, doch fing diese an, sich nur noch auf harmlose Küsse und liebevolle Umarmungen zu beschränken. Intimitäten, die mit der Silvesternacht vergleichbar waren, gab es, nun, seit jener Nacht nicht mehr. Gegen seinen Willen kam Colt sich abgewiesen vor und mahnte sich selbst zu Geduld und Verständnis. Er redete sich ein, dass dies nur eine Phase war, die vorbei ginge, vermisste diese traute Zweisamkeit aber doch sehr. Immer wieder trafen sich die Freunde zumindest mal auf einen Kaffee. Dass sie sich wieder aus den Augen verloren, wie es nach dem Krieg der Fall gewesen war, sollte nicht noch mal passieren. Seit Colt sie nach Tucson-City geholt, ihnen seine beste Freundin vorgestellt und ihnen von der geplanten Hochzeit mit Robin erzählt hatte, hatten alle folgenden Ereignisse schlussendlich dafür gesorgt, dass keiner mehr auf dieses starke Band der Freundschaft verzichten wollte. Inzwischen war es beinahe so, als gehöre die Hebamme von Anfang an dazu und hätte es nie diese komische Brünette in Sabers Leben gegeben. Endlich konnte man, sehr zu Robins und Colts Freude, wieder von der Hochzeit der beiden reden. Deshalb stöberte die Lehrerin nun mit der Hebamme als Unterstützung in einem Brautmoden-Geschäft nach dem passenden Kleid für diesen Anlass. Mit gerunzelter Stirn ging sie an einer Modellpuppe in einem tiefroten, sehr pompösen Kleid vorbei. Nein, das kam für sie ja so gar nicht in Frage. Sie warf einen Blick in die Schatulle, in der sie das Schmuckset bei sich trug, welches Colt damals aus dem verwüsteten Haus seiner Eltern mitgenommen hatte, damit Robin es bei der Trauung trug. Sie suchte darum nun ein Kleid, das zu den goldenen Rosen-Anhängern mit Knospen aus Saphiren passte. Eine schwierige Aufgabe stellte sie nun fest und schaute sich nach der Hebamme um. Sie entdeckte sie bei Kleidern, die im Empirestil gefertigt waren. „Was machst du da, Chily?“, fragte Robin verwundert. „Schauen?“, gab diese unschuldig zurück. „Die Modelle sind doch auch nicht schlecht.“ Da stimmte die Lehrerin ihr schon zu, aber ihrer Ansicht nach, kamen solche Kleider nur für Frauen infrage, die schwanger vor den Altar traten. „Was soll ich damit?“, wollte sie deshalb wissen, dann glaubte sie verstanden zu haben. „Du und Saber heiratet noch mal mit Freunden und kommenden Nachwuchs?“ hakte sie nun nach. Chily schüttelte den Kopf und umrundete einen Kleiderständer mit einer sehr schlichten, cremefarbenen Ausführung. „Das ist zwar eine Überlegung wert, noch mal mit Freunden vor den Altar zu treten“, gab sie dabei zu, „aber von Nachwuchs kann keine Rede sein. Wir verhüten momentan doppelt, weil ich das Präparat gewechselt habe“, erklärte sie dann. Robin nickte langsam ohne wirklich zu verstehen, warum ihre Freundin dann diese Modelle überhaupt in Betracht zog. „Ach komm, so schlecht sieht der Empire-Stil doch nicht aus“, meinte die nun halbherzig von ihren eigenen Worten überzeugt. Offensichtlich, dass sie vorgab, dies sei eine Aussage ohne größere Bedeutung. Aber Robin ahnte, dass dem nicht unbedingt so war. „So lang ich ihn nicht trage“, grinste sie dann. Chily hustete erschrocken und bestätigte die Vermutung der Braut. „Womit hältst du schon wieder hinterm Berg?“, fragte sie, überzeugt, dass da etwas nicht stimmte. Die Hebamme wand sich. „Ich? Mit gar nichts“, spielte sie denkbar schlecht die Ahnungslose. „Klar, und ich bin Befehlshaber der Sektion West“, versetzte Robin. Das konnte die Gute dem Papst erzählen, aber nicht der Lehrerin. Jedes kleine Kind konnte besser und überzeugender lügen als die Hebamme und die schaute gerade aus der Wäsche, wie ein solches, das man dabei ertappt hatte. Robin verschränkte energisch die Arme vor der Brust und schaute sie streng an. Die Hebamme räusperte sich. „Vielleicht sollten wir das hier verschieben und woanders hingehen. Wie wäre es mit einem Teehaus?“, bog sie ihre bevorstehende Beichte ab. „Gern“, nahm Colts Zukünftige diesen Vorschlag an. Sie standen vor der Tür und kuschelten sich in ihre Schals. Auch wenn der Februar-Wind schon ganz leicht nach Frühling roch, er war noch immer kalt. Die Hebamme schaute sich um, griff Robins behandschuhte Finger und schleifte sie mit sich die Straße nach unten. Das erste ruhige Cafe, das sie fand, wurde sogleich zu ihrem erklärten Ziel. Sie zog die Überraschte hinein und schob sie in die entlegenste Nische an einen kleinen Tisch. Halb schälte sie sich aus dem Mantel und setzte sich auf die Bank. Robin tat es ihr gleich und rutschte dicht an sie heran. Was immer Chily wusste, es musste ein unglaubliches Geheimnis sein, nach ihrem Verhalten zu urteilen. Der Kellner nahm die Bestellung auf und verschwand so rasch und unaufdringlich, wie er gekommen war. „Also, jetzt raus mit der Sprache“, drängte Robin die buntgesträhnte Blondine. Diese suchte nach den richtigen Worten. Sie wollte nicht wieder mit ihrem Wissen so heraus poltern wie beim letzten Mal. „Ist dir in letzter Zeit mal schwindlig geworden. So morgens beim Aufstehen?“, fragte sie deshalb vorsichtig. Robin grübelte kurz über diese seltsame Frage. „Das nicht. Ich hab momentan eine total empfindliche Nase“, antwortete sie dann. Chily nickte verstehend. „Okay“, fuhr sie gedehnt fort. „Und du isst Sachen, die du sonst eigentlich nicht so magst. Richtig?“, wollte sie wissen. Die Lehrerin nickte. „Ich hab grad eine Probierphase“, erklärte sie den Treffer. Wie kam die Frau des Recken nur darauf? Der Ober brachte ihnen den georderten Tee. Chily umfasste das Glas mit beiden Händen und sog das Vanille-Aroma ein. „Nee, hast du nicht“, berichtigte sie dann kleinlaut. „Doch“, beharrte Robin. Was sollte es denn sonst sein? „Number 1?“, Chily räusperte sich umständlich und verlegen. „Du erinnerst dich doch noch, wann und wie ich April die guten Nachrichten erzählt hab. Sehr viel besser läuft das grad auch nicht“, gestand sie der Zukünftigen ihres besten Freundes dann. Die riss erschrocken die Augen auf und hätte beinahe ihre Tasse fallen lassen. Die Hebamme musste sich irren. „Nee, oder“, presste die Lehrerin vollkommen ungläubig hervor. Die buntgesträhnte Blondine legte der perplexen Freundin die Hand auf die Schulter. „Doch, ganz bestimmt. Kein Zweifel“, versicherte sie. Die Lehrerin wusste nicht, wie ihr geschah. Sie wusste, dass Chilys Urteil an dem Punkt zuverlässiger war als jeder Schwangerschaftstest, aber genau betrachtet, war es eben das, was sie so aus der Bahn warf. Robin war schwanger. „Oh, mein Gott“, brachte sie mühsam hervor. Chily strich ihr über den Rücken. „Tut mir leid, dass es keine guten Nachrichten sind“, meinte sie. Die Zukünftige ihres Jugendfreundes war ziemlich offensichtlich nicht sehr erfreut darüber. Eher hatte die Hebamme das Gefühl, sie hätte der Lehrerin ihr Todesurteil verkündet. Diese schlug sich fassungslos die Hände vors Gesicht. „Doch nicht jetzt“, ließ sie sich gequält dahinter vernehmen. Wie konnte das nur passieren? Nun gut, das Wie war eigentlich klar. Aber warum jetzt? Vor nicht allzu langer Zeit hatten Colt und sie sich doch darauf geeinigt, nicht sobald Aprils und Fireballs Beispiel zu folgen. Sie wollten doch erst in Ruhe die Ehe genießen, den Frieden und sich auf ihre Jobs und ihre Beziehung konzentrieren. „Ich fürchte doch. Junior ist da“, erklärte Chily leise und nahm sie in den Arm. „Bei dem ganzen Wirrwarr, mit dem wir die ganze Zeit zu kämpfen hatten, kann es gut sein, dass die Pille ausgesetzt hat. Das Risiko ist gering, aber da“, fuhr sie fort. „Das ist Unglück“, klagte Robin unglücklich. Die Hebamme rückte ab. Das waren die falschen Worte für sie. Keine Frau, die sie während dieser Zeit betreute, hatte je so darauf reagiert und die, die es taten, wurden von ihr nicht betreut. Denn meistens folgte dann die Frage nach der Abtreibung und das verstieß völlig gegen Chilys Überzeugung. „Ein kleiner Cowboy“, stellte sie trocken klar. Doch Robin hörte nicht hin. „Gerade, wo Colt und ich uns einig waren, damit zu warten“, schluchzte sie stattdessen, mit der Tatsache überfordert. „Mutter Natur wartet nicht“, bemerkte die buntgesträhnte Blondine und reichte ihr ein Taschentuch. „Es sollte so sein, sonst hätte es nicht geklappt.“ Dieser Satz war jedoch kaum tröstlich. „Was wird Colt dazu bloß sagen?“, fragte die Lehrerin. Chily presste die Lippen zusammen. Sie konnte sich die Reaktion des Cowboys gut vorstellen, sagte aber nichts dazu. Es war nicht ihre Beziehung und sich in diesem Fall da einzumischen, war die schlechteste Idee überhaupt. „Sag es ihm bald“, riet sie daher nur. „Später sieht er es“, schaffte es Robin irgendwie auch noch den Galgenhumor auszupacken, doch die Hebamme blieb ernst. „Je früher er es weiß, desto besser. Glaub mir“, entgegnete sie streng. „Das Kind tut mir auch so schon leid. Die Begeisterung.“ Ganz gleich wie viel Mühe sie sich gab, sie konnte das Verhalten der werdenden Mutter nicht nachvollziehen. Ein Kind zu bekommen, war ein Grund zur Freude. Punkt. Auf Robin wirkte diese Aussage, wie Salz in der Wunde. Sie zog den Kopf ein. Chily seufzte leicht. „Rede mit ihm und entscheidet euch. Aber eins sag ich gleich dazu. Ich mache es nicht weg. Da müsst ihr euch einen andern suchen“, erklärte sie und sprach als Hebamme zu der Lehrerin. Dann fügte sie diesen, doch recht harten, Worten einige mildere an. „Wenn du nicht mit Kindern könntest, wärst du keine Lehrerin“, erinnerte sie sie nun als Freundin um zu versuchen, ihre Bedenken zu zerstreuen. Robin erhob sich ruckartig. „Zahlst du meinen Tee bitte mit?“, fragte sie, als hätte sie den letzten Satz nicht gehört. Sie zog eilig ihren Mantel an. „Wenn du reden willst, du weißt, wo du mich erreichst. Am besten sprichst du mal mit April drüber“, schlug die buntgesträhnte Blondine ihr vor. Auch dies verhallte scheinbar ungehört. Robin nahm ihre Handtasche und verließ das Café ohne sich noch einmal umzudrehen. Chily sah ihr nach und stützte, als die Freundin aus ihrem Blickfeld verschwunden war, den Kopf auf die Hände. „Okay, du Huhn“, schalt sie sich selbst. „Wie hättest du an ihrer Stelle reagiert?“ Das war ja wirklich ganz und gar nicht gut gelaufen. Wieso musste sie auch immer aussprechen, was ihr gerade durch den Kopf ging? Sie hoffte nur, Robin würde mit der Navigatorin reden. Die war gerade die beste Ansprechpartnerin dafür. Robin zog ihren Schal fester um den Hals. Der Wind war sehr kalt und sie wollte keine Grippe bekommen. In Anbetracht der Tatsache, dass sie nun schwanger war, schien es ihr noch unpassender, als ohnehin. Niemand war gern krank und dies nun noch in der Schwangerschaft war für das Ungeborene nicht gerade von Vorteil. Ach, Gott, sie musste den Kopf frei bekommen. Irgendwie. Doch dafür war es ungünstig, dass sie gerade durch die Fußgängerzone lief. Sie hatte nicht wirklich einen Blick für das Gewühl, die Auslagen in den Boutiquen oder die Straßenmusikanten, denn scheinbar hatten sich alle jungen Mütter Yumas dazu entschieden ihr genau jetzt über den Weg zu laufen. Jedes Mal, wenn Robin den Blick von ihnen abwandte, schaute sie entweder zu einer anderen Mutter oder in ein Schaufenster, in dem Babykleidung auslag. Es war wie verhext. Sie seufzte frustriert und bog an der nächsten Kreuzung in Richtung des Stadtparkes ab. Was sollte sie nur tun? Es stand außer Frage, dass sie Kinder liebte. Deshalb war sie Lehrerin geworden und deshalb half sie ihrer eigenen Mutter so gern bei Joshs Erziehung. Ihr kleiner Bruder allerdings war auf ein Internat geschickt worden. Zumindest für ein Jahr, weil Mary Jane, die Mutter, der Ansicht war, er klammere sich zu sehr an seine große Schwester und wäre für sein Alter noch nicht selbständig genug. Außerdem schwärmte er ein bisschen zu sehr für den Starsheriff an der Seite der Lehrerin, was der pazifistischen Frau auch nicht gefiel. Auf diesem Institut, so hoffte sie, würde sich das geben. Robin schüttelte den Kopf. Für sie stand fest, dass ihr Brüderchen sich tapfer dieses eine Schuljahr dort durchschlug, danach aber wieder zurück wollte. Ihr selbst würde das gefallen, denn sie vermisste ihn. Aber dennoch, Josh war ihr Bruder, nicht das Kind, das in ihrem Körper heranwuchs. Trotz des gleichen Blutes, war und blieb das ein Unterschied. In ihr wuchs ein Mensch. Neun Monate lang. Durch sie würde er das Licht der Welt erblicken. Sie würde ihn stillen, ihn aufwachsen sehen und erziehen. Sie würde sich um ihn sorgen, wenn er anfing mit anderen Kindern zu toben, Streiche zu spielen oder in irgendwelchen Mutproben bewies, dass er ein richtiger Junge war. Sie bekam einen kleinen Cowboy. Wenn der nach Colt schlug … Sie brachte den Gedanken kaum zu Ende. Ein neuer drängte sich sogleich auf. Wie wollte sie es Colt sagen? Sie hatte keine Ahnung. Nicht die leiseste und sie fürchtete sich vor seiner Reaktion. Wenn er sie nun nicht mehr wollte? Wenn mit dem Wachsen des neuen Lebens in ihr, seine Liebe zu ihr starb? Wie sollte sie nur den Racker ohne ihn großziehen? War sie selbst überhaupt schon bereit, diese Verantwortung zu tragen? Sie horchte in sich hinein, hörte aber nur wirre, durcheinander flüsternde, Gefühle. Keine klare Antwort. Nein. Sie war unbewusst an einem Spielplatz, im Zentrum des Parks, stehen geblieben. Eine Schar Kinder lieferte sich fröhlich eine Schneeballschlacht. Sie nutzten die Gelegenheit dazu. Der Wetterbericht sprach vom ersten Tauwetter. Ein kleiner, blonder Junge warf seine Mütze in den Schnee und strubbelte sich mit nassen, vor Kälte schon roten Fingern durchs Haar. Ihm war warm von dem Getobe, aber so konnte er sich leicht erkälten. Ehe Robin wusste, was sie tat, ging sie zu ihm und setzte ihm die Mütze wieder auf. Überrascht sah der Knirps sie an. „Du erkältest dich sonst“, hörte sie sich sagen, „dann kannst du erst nächsten Winter wieder eine Schneeballschlacht machen.“ Der Kleine lächelte schief und bedankte sich. Nahm sogar gehorsam seine Handschuhe aus den Jackentaschen und zog sie an. Dann stürmte er davon und tollte mit seinen Freunden umher. Robin schaute ihm nach. Es fühlte sich ein bisschen so an, als hätte sie sich selbst dabei zugesehen. Oh Gott, was war nur los? Sie verließ den Park auf der anderen Seite und fand sich vor dem Wohnhaus wieder, in welchem Fireball und April wohnten. Sie erinnerte sich an Chilys Rat, den ihr die Hebamme im Cafe nachgerufen hatte. Bestimmt war es gut, wenn sie mit der jungen Mutter sprach. Sie hatte ebenso unverhofft erfahren, dass sie freudiger Erwartung war. Kurz entschlossen klingelte sie. Kapitel 25: Wind of Change II ----------------------------- April öffnete leicht erstaunt die Tür und ließ die Lehrerin ein. Fireball nahm einen Termin bei diesem Psychologen wahr und so wie Robin in die Wohnung schlich, schien es wirklich gut zu sein, dass sie unter vier Augen zusammen reden konnten. „Danke, dass du kurz Zeit hast“, meinte sie befangen. April winkte ab. „Ist kein Problem. Was hast du denn auf dem Herzen? Du siehst irgendwie fertig aus.“ Besorgt musterte sie das blasse Gesicht ihrer Freundin. „Unterm Herzen“, berichtigte Robin kaum hörbar. Erfreut blitzten die Augen der jungen Mutter. „Du bist schwanger?“, verstand sie sogleich. Ihr Strahlen erlosch jedoch sofort, als sie sah, wie die Lehrerin unglücklich nickte und hörte, wie sie flüsterte: „Eine Katastrophe...“ Die Navigatorin hob die Brauen. Das klang alles andere als begeistert. Eher erschrocken oder geschockt, so, wie sie sich selbst gefühlt hatte, als die Hebamme sie mit dieser Diagnose überfallen hatte. „Weißt du, ich mach dir mal den Tee, den Chily mir für diese Zeit und Stimmung empfohlen hat. Der tut dir sicher gut“, schlug sie vor und verschwand in der Küche. „Setzt dich ruhig ins Wohnzimmer“, rief sie von dort aus und setzte Wasser an. Robin tat wie ihr geheißen. Unbehaglich nahm sie auf dem Sofa Platz. Dass sie sich so unwohl fühlte, lag jedoch nicht an der jungen Mutter, sondern an der Lehrerin selbst und dem Etwas, das in den kommenden Monaten in ihr wohnen würde. „Schläft Charlene noch oder fängt sie an, sich zu bewegen?“, wollte April wissen, während sie in der Küche mit dem Geschirr klapperte. Erst jetzt schenkte die Braut des Scharfschützen dem Zimmer nähere Betrachtung. Die gegenüberliegende Couch war ausgezogen und weit hinten, an der Lehne schlummerte die kleine Tochter. Offenbar hatte April sich hier gerade mit dem Säugling ausgeruht. „Schläft seelenruhig“, gab Robin etwas beschämt zurück. Sie hatte mit ihrem Anliegen nicht stören wollen. „Hier bitte.“ Mit diesen Worten riss Fireballs Freundin sie aus ihren Gedanken und reichte ihr die Tasse. „Danke.“ Die Lehrerin sah zu, wie April an ihr vorbei zum ausgeklappten Sofa ging, sich halb neben ihre Kleine legte, halb an der Lehne lehnte und sie leicht über die Wange streichelte. Dabei ließ sie die Lehrerin aber nicht aus den Augen. Was immer diese auf dem Herzen hatte, sie sollte es sagen. Das verriet der Blick der Mutter. „Wie war das für dich, als du es erfahren hast?“, platzte Colts Freundin deshalb heraus. „Es war schon ein Schreck“, gab die Gefragte unumwunden zu. „Ich meine, wir haben so gar nicht damit gerechnet. Wenn man nicht zielstrebig darauf hin arbeitet, erwartete man es auch nicht“, ergänzte sie und warf ihrem Töchterchen einen Blick zu. „Und gewollt?“, fragte Robin zaghaft. April schüttelte den Kopf. „Nicht so zeitig, dachte ich so im ersten Moment.“ Sie schenkte Charlene ein warmes Lächeln. „Aber jetzt würde ich nichts mehr rückgängig machen wollen. Gar nichts“, versicherte sie mehr dem Baby, als der Ratsuchenden. „Aber wie hast du dich gefühlt, als du es erfahren hast? Ich meine, du liebst doch deinen Job“, hakte Robin nach. „Tja“, versuchte sich die junge Mutter zurück zu erinnern, „ich weiß noch, dass mir klar war, dass ich ihn vorläufig bei Seite schieben muss. Ich hab das mehr so zur Kenntnis genommen, als das ich etwas dabei gefühlt habe. Dann sah ich diesen kleinen, komischen Punkt auf dem Ultraschall, von dem Chily behauptet hat, das sei mein Kind.“ Sie lächelte leicht. „Es war überhaupt nicht als solches zu erkennen, aber mein Job war mir in dem Moment vollkommen egal“, gab sie dann zu. „Fireball hat es gut aufgenommen, nicht wahr?“ Traurig schaute die Schwangere zu Boden. Oh, Colt würde ausrasten, da war sie sich sicher. „Er wusste es ja noch vor mir“, lachte April, „Aber die Bestätigung hat ihn schon etwas aus der Bahn geworfen. Er hat sogar seinen Vertrag gekündigt. Ich wollte ihn nie darum bitten, weil ich weiß, wie wichtig ihm diese Rennen seither waren. Aber sie ist wichtiger. Er musste sie noch nicht mal auf dem Arm halten. Er ist mit der Zeit da rein gewachsen“, antwortete sie und schaute ihre besorgte Freundin warm an. „Colt wird das sicher auch“, meinte sie dann zuversichtlich. „Na, mein Cowboy“, zweifelte die Lehrerin. „Entweder fällt er tot um oder...“ Sie brach ab und fügte gedanklich hinzu „Er lyncht mich.“ Ihm diese Nachricht überbringen zu müssen, schien ihr das Schlimmste von allem zu sein. „Ach, das glaub ich nicht. Chily hat mir mal erzählt, dass er total verrückt nach Kindern ist. Das merkt man ja auch an Charlene“, versuchte die Navigatorin diese Bedenken zu zerstreuen. Immerhin trug der Scharfschütze, wenn er zu Besuch war, die kleine Charlene ständig mit sich herum und gab sie kaum her. „Solang er sie zurückgeben kann“, brachte Robin diesen Beleg von April jedoch ins Wanken. Diese dachte zurück an die Geschichte, die die Hebamme ihr erzählt hatte. „Also wie war das. Das Baby hatte eine Kolik und hat gebrüllt wie am Spieß. Colt hat es beruhigt und in den Schlaf gewiegt. Er hat wohl mit dem Kind auf dem Arm geschlafen und es am nächsten Tag kaum mehr von sich gegeben. Er war wohl sehr stolz darauf, dass sich das Kleine nur von ihm hat beruhigen lassen“, berichtete sie, um ihre Behauptung zu bekräftigen. Robin nickte leicht. Die Geschichte kannte sie. „Aber was wird er zu seinem eigenen sagen?“, fragte sie ungläubig. Das war ja dann doch ein Unterschied. „Hm, vielleicht: Hurra?“, schlug April vor und fügte hinzu: „Robin, du siehst das glaub ich im Moment alles viel zu schwarz, weil du selber noch nicht damit umgehen kannst, dass du schwanger bist. Nimm dir mal etwas Zeit, so ein oder zwei Tage, um dich daran zu gewöhnen. Dann wird es dir auch nicht mehr so schlimm vorkommen, wenn du daran denkst, dass du es Colt sagst.“ Ihre Zuversicht erreichte die Lehrerin jedoch kaum. Der Schreck über die so unerwartet veränderte Situation saß ihr noch in allen Knochen. „Ich hoff es“, meinte sie nur lahm. Irgendetwas musste die junge Mutter doch tun können. Hilfesuchend schaute sie zu ihrem Töchterchen. „Testen wir mal was.“ Da hatte ihr die Kleine doch glatt eine Idee gegeben. Sie hob sie vorsichtig vom Sofa. Charlene begann sich zu bewegen. Nur leicht, noch mehr im Schlaf, als wach. Gespannt beobachtete Robin das Geschehen. „Halt sie einfach.“ Damit legte April den Säugling in die Arme der werdenden Mutter. Diese schaute auf das Bündel Mensch und hätte nicht beschreiben können, was sie fühlte. So ein süßes, zerbrechliches, kleines Geschöpf würde sie auch bekommen, mit ähnlich winzigen Fingern, mit einem so kleinen Näschen und so zarter Haut. Es würde sich ebenso an sie schmiegen und blind darauf vertrauen, dass sie ihm Sicherheit und Liebe gab. Es würde sie ebenso unschuldig mit ähnlichen Knopfaugen anschauen, wie Charlene es gerade tat. Aber Colt … Würde er es auch so sehen? Oder würde er sich nur beschweren, dass er die Windeln wechseln musste? Robin liefen Tränen übers Gesicht. Sie wollte dieses Gefühl mit ihm teilen. Charlene bewegte sich auf ihrem Arm. Sie fühlte eine Brust an ihrer Wange. Hunger und Instinkt ließen ihr Köpfchen in diese Richtung drehen und ihren kleinen, zahnlosen Mund versuchen, ungeachtet der Kleidung über der möglichen Nahrungsquelle, ob das Bedürfnis zu stillen war. Trotz ihrer Tränen musste Robin schmunzeln. „Die falsche Mama, Charlene“, flüsterte sie weich und reichte April ihre Tochter. Bevor die Kleine lautes Gebrüll anstimmen konnte, legte ihre Mutter sie an ihre Brust und stillte sie. „Ein schönes Gefühl, nicht wahr?“, bemerkte sie dabei warm. Robin nickte nur. Dieses Gefühl, dieses Bewusstsein, hatte sie gebraucht, um zu verstehen, wie wunderbar ihre Umstände eigentlich waren. „Was sagt Chily eigentlich? Junge oder Mädchen?“, wollte April nun wissen. „Ein kleiner Colt“, antwortete die Lehrerin. „Ich glaube, dann machst du dir wirklich unnötige Sorgen. Hey, wir wissen alle, was Colt für ein Pantoffelheld ist. Wenn du ihm erzählst, dass er einen Sohn bekommt, wird er sicher vor Freude in die Umlaufbahn schießen“, versicherte die Navigatorin zuversichtlicher noch, als zuvor. „Oder er erschießt mich“, bekundete die Braut des zukünftigen Vaters unveränderte Skepsis an diesem Punkt. „Das glaub ich wirklich nicht. Was bringt dich nur auf so eine Idee?“ Verständnislos schaute die Stillende sie an. „Er möchte im Moment keine Kinder. Wir haben darüber gesprochen. Vor kurzem erst“, murmelte die Gefragte bedrückt vor sich hin. „Ach, aber Robin. Denk mal bitte. Als ich das erfahren hab, haben Fireball und ich gerade angefangen zu überlegen, ob wir zusammen ziehen sollen. Wir waren noch lange nicht beim Thema Kinder. Nein, nichts lag ferner. Und von jetzt auf gleich wurden wir Eltern. Die Tatsache, dass das so war, hat alle vorher gefassten Pläne gekickt“, berichtete April aus ihrer eigenen Erfahrung. „Welche Pläne hattet ihr?“, hakte Robin nach und schaute auf Mama und Tochter, die offensichtlich sehr zufrieden und ausgeglichen waren. Wieder grübelte die Navigatorin. Es war für Robin sicher hilfreich zu sehen, dass ihr und Fireball es so ähnlich gegangen war. „Fireball wollte noch fünf Jahre mindestens Rennen fahren. Und ich habe mit diesem Frühwarnsystem begonnen. Das hätte genauso lange gedauert. Wir hatten beschlossen, dass wir uns erst mal nur auf uns und unsere Arbeit konzentrieren und genießen, das wir uns haben, das wir verreisen können und na ja, einfach leben. Verstehst du?“, erläuterte sie dann. „Ein Fünfjahresplan.“ Verstehend nickte die Lehrerin. Ja, so einen hatten sie auch. „Wir wollten zum Beispiel beide unbedingt mal Fallschirm springen und die Chinesische Mauer entlang reisen. Wir wollten auf den Fujijama und shoppen in Paris. Vergiss es. Aber hey, ich hab wirklich nicht schlecht getauscht“, fuhr April fort. „Aber wirst du das nicht später alles vermissen? Ich meine, wirst du es mal nicht bereuen, das alles nicht gemacht zu haben?“, bohrte die Lehrerin an diesem Punkt nach. „Ich glaube eher weniger. Ich meine, dass schiebt sich, wenn, dann nur auf. Irgendwann können wir das nachholen, oder anders gestalten. Dann können wir zu dritt die Mauer entlang campen und ich mach mal mit Charlene zu ihrem Sweet 16 eine Shopping-Tour durch Paris“, antwortete April und überdachte ihre eigenen Worte kurz. „Also wirklich. Im Grunde haben sich die Pläne etwas geändert, aber so richtig aufgeben müssen wir sie doch nicht“, stellte sie dann fest. „Hoffentlich macht mir Colt keine Vorwürfe“, flüsterte Robin kaum zuversichtlicher, als zu Beginn des Gespräches. „Glaub ich wirklich nicht.“ Es kehrte Schweigen ein. Charlene nuckelte genügsam an der Brust ihrer Mutter und brauchte gerade nichts anderes. Die Schwangere begann ihre Freundin um dieses Gefühl zu beneiden. Leicht berührten die Fingerchen die Brust, gluckste die Kleine vor sich hin und schmatzte schließlich gesättigt. „Willst du sie noch mal halten?“, fragte April, als sie ihre Tochter hatte aufstoßen lassen. Wieder nickte die Gefragte. Das Baby zu halten beruhigte sie gerade irgendwie. „Es ist wirklich gut, Chily als Hebamme zu haben. Sie hilft einem gut durch diese Zeit und Probleme, die sich anbahnen könnten, kann man mit ihrer Unterstützung gut umschiffen“, meinte April leicht, um ihr zu vermitteln, dass es nicht so schlimm war, wie es ihr im ersten Augenblick vorgekommen war. Sie ahnte nicht, dass dies eine weitere Sorge der Lehrerin war. „Wenn sie noch mit mir redet“, entgegnete diese nun geknickt, „Ich hab sie vor den Kopf gestoßen, vorhin.“ Erstaunt hob die Freundin des Rennfahrers die Brauen. Man konnte Chily vor den Kopf stoßen? „Inwiefern?“, musste sie da nachhaken. „Ist nicht so wichtig“, wiegelte Colts Braut ab. Sie wollte nicht darüber reden. „Sie kennt sich jedenfalls in ihrem Job aus und ist einfach gut. Sie versteht die unterschiedlichen Reaktionen und kann damit umgehen. Nichts, von dem, was du gesagt hast, wird sie persönlich nehmen“, erwiderte sie dann, das Schweigen der Freundin akzeptierend und doch gleich wieder deren Zweifel zerstreuend. „Ganz bestimmt“, betonte sie noch. Ehe Robin noch irgendetwas sagen oder fragen konnte, ging die Wohnungstür auf. Mit eingezogenem Kopf schlich Charlenes Vater herein. „Hi hi, Süße. Bye Bye, Robin“, murmelte er und an seiner zittrigen Stimme war deutlich, wie aufgewühlt er war. „Oh, oh. Ich will dich nicht rausschmeißen, aber das klingt gar nicht gut.“ Alarmiert stand April auf und warf Robin einen entschuldigenden Blick zu. „Macht nichts“, meinte sie und gab der Mutter ihr Kind wieder auf den Arm. „Gute Nacht, Fireball.“ Rasch verließ sie die Wohnung und April hatte gerade noch genug Zeit ihr nachzurufen. „Ruf Chily einfach noch mal an.“ Dann schlug die Tür zu. „Hey Turbo“, begrüßte April ihren Freund. Er drückte sie kurz an sich. „Hey“, kam tonlos von ihm die Antwort. „So schlimm?“, fragte sie besorgt. Ein „Hm“ und ein Nicken bevor er zu Charlene schaute. April übergab sie ihm. Sie wusste nun, dass der Psychotherapeut heute wieder Antworten von ihm gefordert hatte, die Fireball nur äußerst widerwillig herausgerückt hatte. Unter diesen Umständen war das Töchterchen das einzige, was ihm die Fassung wieder gab. „Sie ist satt“, meinte April und drückte ihn auf das Sofa, auf dem eben noch Robin gesessen hatte. „Schön. Satt und glücklich“, raunte er, lehnte sich zurück und bettete Charlene auf seine Brust. „Im Gegensatz zum Papa.“ Am besten April fragte ihn nicht weiter nach der Sitzung. Er kam nie übertrieben gesprächig von einer solchen zurück, sondern musste sich erst mal darüber ausschweigen. Das konnte er am besten, wenn seine Freundin und seine Tochter einfach nur bei ihm waren und ihn spüren ließen, dass es nicht nötig war zu reden. April nahm neben ihm Platz und lehnte sich an seine Schulter. „Wird schon wieder, Süße“, versicherte er ihr auf ihre stumme Frage, ob es ihm gut ginge, und legte den Arm um sie. Sie fuhr zart mit der Hand in seinen Nacken und kraulte ihn liebevoll. „Solang ich euch beide habe.“ Das war es, was er jetzt brauchte. Er schielte leicht zur Tür. „Was wollte Colts holdes Weib?“ – „Ach, ein Frauengespräch“, gab April vage zurück. Sie musste ihn damit jetzt nicht belasten. Er hatte gerade andere Sorgen und die der Lehrerin würden sich hoffentlich bald klären. Fireball hauchte einen Kuss auf den Kopf seiner Freundin und sog den Duft ihres Haares ein. Ohne sie würde er nicht eine einzige Sitzung durchstehen, das wusste er. Sie war die Kraft, die Motivation und der Halt, den er dafür brauchte. Währenddessen machte Robin sich auf direkten Weg zu Chily. Der Besuch bei April hatte ihr geholfen und ihr zumindest einen Teil der Angst genommen. Aber ein Rest Unsicherheit blieb besonders in zwei Punkten. Der eine war, wie sie es Colt am besten beibringen sollte und der andere betraf die Hebamme, die sie so einfach hatte sitzen lassen. Die Lehrerin war sicher, dass die Aussage der Navigatorin berechtigt war. Chily wusste wovon sie sprach. Aber nachdem die Schwangere so wortlos und abrupt das Cafe verlassen hatte, fürchtete, sie könne sowohl die Hebamme, als auch die Freundin, die sie in der bunt gesträhnten Blondine hatte, verloren haben. Und zumindest das wollte sie so bald wie möglich geklärt, oder vielmehr verhindert wissen. Darum führte ihr Heimweg sie am Rider-Haus vorbei. Chily wusste genau, dass es Robin war, die da klingelte und schob Saber, etwas schwungvoller als gewollt, zur Seite, ehe der die Tür öffnen konnte. „Das ist für mich“, erklärte sie entschuldigend. Ihr Mann hob nur die Schultern und trollte sich ins Wohnzimmer. Die Hebamme öffnete die Tür. „Hi, das Gespräch mit April hat dir also geholfen“, begrüßte sie die Ankommende. „Hi. Und ja“, erwiderte die, etwas überrascht, dass dies wohl so offenkundig war. „Sehr gut. Sollen wir in die Praxis gehen?“, schlug Chily vor und ließ sie ein. Beschämt nickte die Braut des Scharfschützen und folgte ihr dorthin. „Jetzt mach dir mal keine Gedanken. Solche Reaktionen kenne ich schon. Ich muss nur an der Stelle gleich klar machen, was ich nicht tun werde“, meinte die Hausherrin, als wüsste sie genau, was in der Freundin vor sich ging. Außerdem wollte sie die eventuell missverstandene Aussage bezüglich eines Schwangerschaftsabbruches erklären, damit auch wirklich nichts zwischen ihr und der Lehrerin stand. „Das weiß ich, Chily. Abgesehen davon: es ist für mich keine Option“, entgegnete Robin kleinlaut und wurde auf einen Stuhl gedrückt. Liebevoll strich Chily über die Wange der Niedergeschlagenen. „Du weißt, dass ich immer für dich da bin“, vergewisserte sie sich. „Es tut mir leid, Chily“, flüsterte die Lehrerin von dieser Geste nur noch mehr beschämt. „Ach Gott, jetzt hör aber auf.“ Die Hebamme richtete sich auf und winkte ab. „Das ist doch wirklich nicht der Rede wert. So viele Frauen reagieren so überrascht wie du. Wer weiß, wie ich mich mal aufführen werde“, meinte sie und schüttelte den Kopf. Nein, dass wollte sie sich lieber nicht vorstellen. „Du bist dann wenigstens schon verheiratet“, schmunzelte Robin und linste zu ihr auf. Erleichtert stellte sie fest, dass in deren Gesicht keine Spur von Verstimmtheit zu finden war. Im Gegenteil. „Jaja, die klassische Reihenfolge gilt bis heute“, lachte sie, „Dafür hab ich so gar nicht traditionsgemäß im Kreis von Familie und Freunden geheiratet. Das ist auch nicht wichtig. Das Gefühl ist das wichtigste dabei.“ Ihre Augen musterten die Sitzende. „Wie bei allem anderen auch. Es kommt auf das Gefühl an“, bestätigte diese. „Eben. Und, hast du das Gefühl, du wirst eine gute Mutter sein?“, musste die Hebamme nun wissen. „Ich hoffe es zumindest“, antwortete die Schwangere wahrheitsgemäß. „Das ist doch schon mal ganz gut so“, gab sich die bunt gesträhnte Blondine damit zufrieden. „Also gibt es etwas, was du wissen willst?“ fragte sie dann. „Bleibt diese Angst, Chily?“, flüsterte Robin. Sie wollte ihre Sorgen nicht auf das Ungeborene übertragen und fürchtete, sie könne die gesamte Schwangerschaft darunter leiden. „Manchmal. Das kommt auf dich an. Wenn du Vertrauen zu dir hast und daran glaubst, dass alle gut geht, dann wird es gut gehen. Das Kind spürt deine Gefühle. Wenn es dir gut geht, geht es ihm gut. Achte auf dich, genieße bewusst diese Zeit und du musst dir keine Sorgen machen“, erläuterte die Gefragte fachkundig auch wenn es nicht so sehr aufbauend sein mochte. „Ich werde mir diesen Rat zu Herzen nehmen“, nickte Robin verstehend. „Willst du mal den Gummibauch anlegen? Um einen Eindruck zu bekommen, wie sich das anfühlen wird?“, schlug Chily vor. Die Lehrerin überdachte das Angebot nur kurz und schüttelte den Kopf. „Ich muss mich erst mal an den Gedanken überhaupt gewöhnen.“ Die Antwort stieß auf Verständnis. „Okay, dann hab ich noch was für dich.“ Mit diesen Worten erhob sich Chily und ging zu dem Schrank gegenüber dem Arbeitstisch. Mit einem Griff holte sie eine Dose hervor und reichte sie Robin. „Hier. Der Tee wird dir helfen dich zu entspannen“, erklärte sie dazu. „Danke, Chily.“ Sie nahm das Gefäß und steckte es ein. Erleichtert verließ sie ihre Freundin bald darauf wieder. Immerhin hatte sie sie an ihrer Seite, egal wie Colt auf die Beichte reagieren würde. Das schenkte ihr Zuversicht. Dennoch gelang es ihr nicht so bald ihm die Schwangerschaft zu gestehen. Robin fand die Gelegenheit nicht dazu. Zum einen, weil sie viel Arbeit in der Schule hatte, was ihr in gewisser Weise sogar recht war, zum anderen, weil sie nicht wusste, wie sie beginnen sollte. Sie hoffte, es würde ihm nicht auffallen, bis sie den Mut und die richtigen Worte dafür fand. Aber da unterschätzte sie ihren Cowboy, und vor allem den ehemaligen Scout in ihm, sehr. Der Scharfschütze hatte seine Zukünftige besonders wachsam im Auge, seit er festgestellt hatte, dass Woody Woodsteeker gegen sie nicht abgeneigt wäre. Nun fielen dem Kuhhirten seit Silvester einige Dinge an ihr auf, die ihm suspekt vorkamen. Immer wieder wunderte er sich über ihren Appetit auf Dinge, die sie sonst ablehnte zu essen. Ihre Stimmung schwankte, was er nicht auf den Stress durch ihren Job schieben konnte. Er wusste, dass sich der anders äußerte. Zärtlichkeit und Intimität fiel mittlerweile fast ganz aus. Umarmungen und Küsse wurden nur noch flüchtig getauscht und jedesmal stellte er dabei fest, wie sie angewidert das Gesicht verzog. Meist verschwand sie rasch danach im Bad und er konnte sie unterdrückt ausspucken hören. Er versuchte, sie nicht zu drängen, ihm zu erzählen, was los war. Doch dieses Verhalten, das sich jedes Mal für ihn wie eine Zurückweisung anfühlte, war schwer zu ignorieren. Sie war immerhin die Frau, die er heiraten wollte, mit der er irgendwann einmal eine Familie gründen und sehr alt werden wollte. Jetzt beobachtete er, wie sie sich, einen letzten prüfenden Blick auf ihr Äußeres werfend, vor dem Spiegel drehte. Es war Valentinstag und die sechs Freunde hatten sich entschieden, den Anlass zu nutzen und mal wieder gemeinsam auszugehen. Colt lehnte im Türrahmen und lächelte seine Zukünftige an. Sie sah fantastisch aus in dem dunkelblauen, knielangen Kleid mit dem passenden Bolero und den hohen Stiefeln. Es schmiegte sich wie eine zweite Haut um ihre schlanke Gestalt und lockte ihn, sie zu berühren. Er stieß sich vom Rahmen ab und trat zu ihr. Liebevoll legte er die Arme um sie und hauchte ihr einen Kuss aufs Haar. „Du siehst umwerfend aus“, meinte er aufrichtig anerkennend. Robin lehnte sich leicht gegen ihn und lächelte. Dann passierte es. Sie sog tief sein herbes Aftershave ein und verzog das Gesicht. Heftiger und offensichtlicher als jemals zuvor löste sie sich aus der Umarmung und flüchtete ins Bad. Sie schaffte es nicht mal die Tür zu schließen und konnte daher auch nicht verbergen, was Colt die ganze Zeit vermutet hatte. Sie übergab sich. „Du findest mich seit geraumer Zeit zum Kotzen“, stellte er gereizt fest, als wie wieder zu ihm zurück wankte. Als sie auch noch den Kopf schüttelte, war das der Tropfen, der für den Cowboy das Fass zum überlaufen brachte. Seine Geduld war am Ende. Er wollte endlich wissen, was Sache war. „Sieht aber so aus. Es ist auffällig, Schatz. Seit geraumer Zeit reiherst du nur in meiner Gegenwart“, bemerkte er nüchtern und versuchte seine Aufregung vor ihr zu verbergen. Robin schlich zu ihrer Handtasche, die auf dem Bett bereit stand, und kramte nach einem Pfefferminz. „Das bildest du dir ein“, stritt sie leise ab und schob sich das Bonbon in den Mund. „Ich hab mir nur den Magen verdorben“, behauptete sie dann. Er hob skeptisch die Brauen. „Seit Wochen? Dann solltest du deine Ernährung ändern.“ Sein Ton bei diesen Worten war ungläubig. „Vielleicht legst du dir nur mal ein anderes Aftershave zu. Ich meine, etwas Abwechslung kann ja nie schaden“, versetzte sie unbedacht. Sie wollte sich jetzt nicht aushorchen lassen, da sie doch in wenigen Minuten von Saber und Chily abgeholt werden würden. „Du meinst, ich stinke?“, schlussfolgerte Colt beleidigt. „Nein, ich meine, dass es eine nette Abwechslung wäre. Sonst nichts“, versuchte sie ihre unüberlegte Wortwahl zu korrigieren. „Klar und deswegen drehst du dich im Bett immer von mir weg.“ Jetzt lehnte der Scharfschütze sich gegen den Schrank, verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper und fixierte seine Zukünftige. Sie drehte ihm ja noch immer den Rücken zu. Irgendetwas verbarg sie vor ihm. Davon war er jetzt unabbringbar überzeugt. Er bemerkte den Schreck in der Art wie sie den Rücken durchdrückte und die Schultern straffte. „Wann wollten Saber und Chily hier sein?“, fragte sie hastig um das Thema abzubiegen. „Wann haben wir beide mal wieder so was wie ein Intimleben?“, wollte er seinerseits wissen. Der Scout hatte die Fährte aufgenommen und folgte ihr nun schnurstracks zum Ziel. Alles andere war nebensächlich. „Du tust ja gerad so, als würde ich dich hinhalten. Es war nur in letzter Zeit alles etwas stressig in der Schule und ich war müde. Ist das so schlimm?“, versuchte sie sich erneut herauszuwinden. Für einen Beziehungsstreit war gerade nicht der rechte Zeitpunkt. Aber wann war der schon. „Ja, es war stressig, das mag ja sein“, gestand Colt ihr etwas nachsichtiger zu. „Naja, ich mein ja nur, den Magen hast du dir seit Wochen schon verdorben, jedesmal wenn ich in Riechweite komme, wird die übel, im Bett läuft nichts mehr und neuerdings soll ich mir noch ein anderes Deo zulegen“, zählte er dann auf, was er bemerkt hatte, und machte so deutlich, dass er gern eine Erklärung dafür hätte. „Colt, was machst du ausgerechnet jetzt so einen Aufstand?“, wollte sie wissen. Sie musste ihm in allen Punkten recht geben. Aber diese Beobachtungen zogen sich inzwischen über einen Zeitraum von einem und einem halben Monat hin. Warum musste er ausgerechnet jetzt davon anfangen? Ein Tag mehr war doch jetzt auch gleich. „Weil ich glaube, dass du mir was verheimlichst“, schoss er geradeheraus zurück. Beinahe hätte sich die Lehrerin an ihrem Pfefferminz verschluckt. Sie wurde noch ein wenig blasser, als sie ohnehin gerade war und blinzelte vorsichtig über die Schulter zu ihm. „Du bist komisch. Was sollte ich dir denn verheimlichen?“, Aber es brachte ihr nichts, dass Thema abwürgen zu wollen. Sie konnte ihm ansehen, dass er nicht eher Ruhe geben würde, bis er in Erfahrung gebracht hatte, was er wissen wollte. Die Blondine ahnte, dass das Gespräch darin enden würde, dass sie ihm ihre Schwangerschaft beichtete. Noch immer fürchtete sie sich vor seiner Reaktion und jetzt, da er sie so energisch verhörte, noch mehr. „Woher soll ich das wissen, Baby? Gibt es was, was du mir sagen willst?“, bohrte er weiter. Wieder schluckte Robin. Baby? Oh man, er war näher an der Wahrheit, als er ahnte. „Keine schmutzigen Geheimnisse, die du mir anvertrauen willst?“, hakte er nach, als sie die Antwort schuldig blieb. Sie schüttelte den Kopf. Schmutzig war ihr Geheimnis ja nicht, eher süß. „Nein? Hast du was angestellt?“, forschte der Scharfschütze weiter, löste sich vom Schrank und trat näher zu ihr. Erneut verneinte sie. Sie war es ja immerhin nicht allein gewesen. „Hast du ein schlechtes Gewissen?“ Seinen prüfenden Blick schien sie auf ihrem Rücken spüren zu können. Ja, sie hatte ein schlechtes Gewissen. Die ganze Zeit über schon, weil sie ihm noch nicht gesagt hatte, dass sie in anderen Umständen war. „Nein“, presste sie zögernd hervor. „Nein, was? Also, ehrlich Robin, lügen musst du erst noch lernen“, stellte er argwöhnisch fest. „Hast du dich mit Woodpecker getroffen ohne es mir zu sagen?“, fragt er sie dann weiter aus. Jetzt fuhr sie geplättet zu ihm herum. Wie kam er denn jetzt auf Woody? Das machte für sie nun überhaupt keinen Sinn. Wieder schüttelte sie den Kopf. „Du bist oft weg momentan. Kann es sein, dass du mit Woody was unternimmst?“ Für Colt war dies eine berechtigte Frage. Robin und der Anwalt hatten sich gut verstanden und kannten sich noch von früher. Sie wäre arglos zu einem solchen Treffen gegangen, während Woody, der Dauersingle, seine Chance gesehen hätte, seine Jugendliebe endlich für sich zu gewinnen. „Nein“, erklärte sie endlich mal souverän und suchte schnell nach Worten um zu gestehen, was tatsächlich mit ihr war. „Sagst du auch mal was anderes als Nein? Man könnte ja glauben, es ist etwas, was ich nicht verstehen würde“, meinte der Lockenkopf vorwurfsvoll. „Ich weiß es nicht, Colt“, gab sie kleinlaut zu. Dass sie sich dessen nicht sicher war, ließ den Misstrauischen noch stärker zweifeln. „Du willst mich doch nicht heiraten. Du willst mich überhaupt nicht“, schlussfolgerte er daher. Erschrocken legte sie ihm die Hände auf die Schultern. „Nein, Colt, es ist ganz bestimmt nicht das. Ich will dich heiraten“, schwor sie rasch. „Aber was dann? Willst du das Haus umbauen?“, versuchte er weiter das Rätsel zu lösen. „Vielleicht“, antwortete Robin vage und blickte befangen zu Boden. „Und was ist daran so schlimm? Du wirst doch nicht alle Zimmer rosa streichen?“, hakte er nach, konnte sich aber nicht vorstellen, dass dies das große Geheimnis gewesen sein sollte. Die Lehrerin hingegen war erleichtert. Wenn er darauf kam, dass das Haus renoviert werden musste, war ihm jetzt sicher klar, dass sie schwanger war. „Ich hatte wirklich Angst, Colt. Ich wusste nicht, wie ich dir sagen soll, dass ich schwanger bin. Aber ...“ Weiter als das kam sie nicht. Colt fiel wie eine Latte, steif und mit aufgerissenen Augen, rittlings aufs Bett. „Colt? Alles okay?“ Erschrocken krabbelte sie zu ihm auf die Matratze. „Robin... Da das ist... Was...?“, stammelte er überfahren. „Wie konnte das passieren?“, brachte er schließlich hervor. „Wenn die Rechnung stimmt, dann war es genau Sylvester“, erwiderte sie und fuhr dem Überraschten leicht durch die Locken. Wie sie seine Überraschung werten sollte, wusste sie jedoch noch nicht. Er schwieg einen Moment, während das Wissen auf ihn wirkte. „Kinder?... Ich“, entschlüpfte es seinem Mund alles andere als begeistert. Robin rückte von ihm ab. „Ich dachte gerade, du freust dich.“ Enttäuscht stand sie vom Bett auf. „Ja“, hustete er unglaubwürdig und erhob sich ebenfalls. „Auch du solltest besser lügen lernen“, erklärte sie verletzt und verließ rasch das Zimmer. „Ich ... wir hatten doch ausgemacht, dass wir damit noch warten... Kinder?“ Der Cowboy folgte ihr und versuchte, leider laut, die unterschiedlichen Gedanken zu sortieren. „Sieht so aus als hätte es einen Moment lang nicht in unserer Hand gelegen“, schniefte sie und eilte die Treppe hinab in die Diele. Oh, es war genau so gekommen, wie sie befürchtet hatte. Er freute sich kein bisschen. „Baby, äh, Schatz. ...Ist...“ Bevor Colt die Chance hatte auszusprechen, läutete es an der Tür. Robin öffnete und fiel sofort der bunt gesträhnten Blondine um den Hals, die dort mit dem Recken stand. „Oh Chily“, heulte sie unglücklich. Damit wusste diese sofort, was geschehen war. „Ist wohl nicht so gut gelaufen?“ Beruhigend strich sie der Freundin über den Rücken, während ihr Mann sie verwundert anschaute. „Ahja, auch schon im Bilde, was?“, grüßte Colt den Schotten unfreundlich. Er hatte den Eindruck, alle hätten davon gewusst, außer ihm selbst. „Genauso wie du“, entgegnete der ratlos. „Bullet, wohl vergessen, was mein Job ist?“, fragte Chily und wiegte Robin leicht im Arm. „Schon vergessen, womit ich mein Geld verdiene?“, fuhr der Lockenkopf seine Jugendfreundin an. „Was ist denn nun los?“, schaltete Saber sich dazwischen, bevor die beiden aneinander geraten konnten, wegen was auch immer. „Der Storch kommt. Schon wieder“, schnaubte Colt. „Zu euch?“, staunte der Schotte erfreut. Er warf noch einmal einen Blick vom Scharfschützen zur Lehrerin, die sich an seine Angetraute klammerte. Die Freude verschwand aus seinem Gesicht. Das war sehr offensichtlich keine gute Nachricht für den Kuhhirten gewesen. „Wohl erst mal nur zu ihr, so begeistert wie das klingt“ korrigierte Chily nun sachlich. „Hm, Platz haben wir ja für den Storch und sein Mitbringsel“, schnappte der Scharfschütze und machte damit verständlich, dass er im Augenblick nichts Schönes an dieser Neuigkeit erkennen konnte. „Ich halte es für besser, mal einen Frauenabend einzuschieben. Jetzt gleich, bevor Colt weiter auf ihrem Herz Samba tanzt“, schlug Chily vor, angelte sich Robins Jacke von der Garderobe und legte sie ihr um die Schultern. „Komm, Schatz, wir gehen.“ Damit ließ sie die beiden Männer allein. „Ich ruf Fire an, der soll einen Kasten Bier mitbringen“, meinte Saber, wobei er den beiden Frauen nachschaute. Es galt ganz dringend Schadensbegrenzung zu betreiben. „Einen? Das wird nicht reichen. Ich möcht mich grad am liebsten ins Koma saufen“, brummte Colt und stapft ins Wohnzimmer. Der Schotte folgte ihm kurz darauf und grinste herausfordernd. „Das kannst du auch billiger haben.“ Er würde den aufgewühlten Cowboy schon wieder zur Räson bringen und wenn er ihm dafür eine runterhauen musste. „Ach komm, wie würdest du reagieren, wenn Chily dir so mir nichts dir nichts einen Fresser mehr ins Haus bringt. Wo ihr was ganz anderes abgesprochen habt“, begehrte der auf. „Ich würd mich freuen“, behauptete der Blonde und hoffte, dass der Rennfahrer bald kam. „Ja, logo. So vehement wie ihr euch noch Weihnachten gegen diesen Gedanken gewehrt habt.“ Das glaubte der Lockenkopf kein bisschen und warf sich der Länge nach frustriert aufs Sofa. „Was denkt sie sich dabei?“, fragte er halblaut. Es war doch nun wirklich noch nicht an der Zeit für Kinder. Es war noch nicht so weit. Er war es nicht. Saber seufzte unterdrückt und schaute zur Tür. Er brauchte den jungen Vater hier. Der hatte schließlich in einer ähnlichen Situation gesteckt. Fireball ließ nicht lange auf sich warten. Er war mit April eben am vereinbarten Treffpunkt angekommen, als auch Robin und Chily eintrafen. Die Hebamme schleifte die junge Mutter mit in das Restaurant und ließ einen verwirrten Rennfahrer zurück. Zumindest fühlte er sich nicht ganz eine Minute so überrollt, bis sein Mobiltelefon klingelte und der Schotte ihm kurz umriss, dass sich der Scharfschütze und die Lehrerin gestritten hatten. Schnellen Fußes war er nun zu Colt gekommen, ignorierte die Bierbestellung und murrte, als der Schotte ihn einließ, „Ich hatte eigentlich noch was anderes vor.“ So ganz war ihm nicht klar, welche Rolle er bei einem Disput zwischen Colt und Robin zu spielen hatte. Aus dem Wohnzimmer rief der Lockenkopf ihm zu. „Ich auch und wurde auch nicht gefragt.“ Verwundert ließ sich der Japaner von Saber dorthin führen. „Was hast du denn?“, fragte er den Kuhhirten erstaunt. „Das gleiche mit Robin gemacht, wie du mit April“, antwortete der Schotte. Colt setzte sich auf. „Gratuliere, Cowboy. Sind ja tolle Nachrichten“, freute der junge Vater sich. „Was soll denn daran bitte toll sein?“, schnauzte der Beglückwünschte ihn an. „Okay, in deinem Fall: Das arme Kind“, revidierte der ehemalige Ramrod-Pilot seine Aussage. „Wie wäre es mit: Der arme Kuhhirte. Wieso macht Robin das? Wir waren uns einig, dass das noch ein paar Jahre nach der Hochzeit reicht“, brauste Colt gereizt auf. „Aufklären muss ich dich jetzt aber nicht, oder?“, fuhr der Japaner ihm über den Mund. Mann, da war Robin in glücklichen Umständen und der Scharfschütze freute sich noch nicht einmal darüber. Die Lehrerin konnte einem leid tun. „Du weißt, dass da zwei dazugehören?“, fragte Fireball dann. „Ja, stell dir vor. Und verhüten kann man auch“, schnappte der Cowboy. „Ja, das kann MANN auch.“ Sabers Betonung war energisch auf dem Wort und sollte daran erinnern, dass dies nicht nur Sache der Frau war. „Und nun ist es, wie es ist“, fasste der Rennfahrer zusammen. Er zwang sich zur Ruhe. Das musste er, sonst hätte er seinem Freund für seine Worte eine gelangt. Alles was recht war, aber er konnte nicht im Ansatz verstehen, wieso Colt sich so maßlos über die Schwangerschaft seiner Zukünftigen aufregte. „Muss nicht so bleiben. Chily macht es, so weit ich weiß nicht gern, aber sie macht es ...“ überlegte der Lockenkopf laut, kam aber nicht dazu, den Satz zu beenden. Prompt kassierte er zwei Schläge auf den Kopf dafür. „Geht es dir noch gut?“, rief Fireball entsetzt und zog die Hand zurück. Saber tat es ihm gleich. „Das hat ja wohl in erster Linie Robin zu entscheiden, weil es ihr Körper ist und zweitens tut Jolene das nur in ganz argen Notfällen. Da zählst du aber ganz sicher nicht mit zu“, stellte er lauter als gewollt klar. Die Notfälle, von denen er sprach und das wusste Colt auch, waren die Frauen, die Opfer einer Gewalttat geworden waren. Chily verstand gut, dass nicht alle die Kraft hatten, ein Kind zu lieben, das unter solchen Umständen entstanden war. Der Schotte teilte Fireballs Ansicht. Egal, wie unvorstellbar seine eigene Vaterschaft war und wie wenig er seine Frau im Moment teilen wollte, ein Kind wäre ihm dennoch willkommen. Er liebte die Hebamme und mit ihr alles, was sie ihm schenkte. Colt rieb sich den schmerzenden Kopf. Seine Freunde hatten kräftige Schläge. „Tut doch weh“, jammerte er, stützte die Ellenbogen auf die Knie und fuhr mit den Händen über die getroffenen Stellen. Sein Blick heftete sich auf das Stück Boden zwischen seinen Füßen. Er hatte aber auch gerade Müll geredet. „So in etwa dürfte Robin sich grad fühlen“, bemerkte der Schotte trocken. „Die fühlt sich grad ziemlich mies fühlen. Ein bisschen verraten, vor allem aber verkauft“, stimmte der Rennfahrer ihm zu, ungerührt vom Gejammer des Scharfschützen. Der sprang auf. „Und was ist mit mir? Soll ich mich etwa darüber freuen in absehbarer Zeit stinkende Windeln zu wechseln?“, rief er aus, obwohl das eigentlich nicht seine größte Sorge war. „Herrgott, was bist du den für ein Hirsch? Colt, ihr zwei habt das miteinander zustande gebracht, ihr werdet es auch zusammen meistern. Die stinkenden Windeln werden nicht nur an dir hängen bleiben. Also echt, und da heißt es immer, ich sei unreif“, schrie der junge Vater ihn an und Saber hielt es für klüger sich zwischen die beiden zu schieben, bevor sie auf die Idee kamen richtig handgreiflich zu werden. „Bist du eigentlich sicher, dass du sie heiraten willst?“ fragte er seinen Scout streng und fügte hinzu. „Ich meine: In guten wie in schlechten Zeiten ... Das gehört da mit dazu. Im Moment scheint mir dein Antrag an sie eher leeres Gewäsch zu sein, denn du hältst dich nicht dran.“ Der senkte kurz getroffen die Augen, dann schaute er seinen Vorgesetzten an. „Will ich, will ich immer noch“, antwortete er und konnte Saber dabei problemlos ins Gesicht sehen. „Aber wir waren uns doch einig, dass wir uns das Theater mit Kindern noch sparen“, fügte er dann hinzu. Seine Augen glitten an den beiden vorbei ins Leere. „An dem Theater führt kein Weg mehr vorbei. Wenn du sie willst, dann kriegst du sie nur noch mit Kind“, erwiderte der Recke und sah kurz über die Schulter zu dem Rennfahrer. „Ich glaube, noch mehr kannst du gar nicht gewinnen“, ergänzte er dann. Der junge Vater nickte. „Das Leben wäre nichts wert ohne sie, das glaub mir mal. Was schreckt dich denn so vor einem Kind? Bist doch selber noch eins.“ Das war nicht die beste Wortwahl, aber sie war ehrlich. Fireball wollte nicht eine Minute mit seinem Töchterchen mehr missen. Sie war sein ein und alles, genauso wie April. „Sehr hilfreich“, schnaufte Colt und trabte in die Küche. „Egal, wie man es dir sagt, verstehen tust du es doch eh nicht anders“, rief sein kleiner Hombre ihm nach, um sich zu rechtfertigen. „Das Hauptproblem daran ist, dass es nicht genügend Timothy Dooleys gibt“, stellte Colt klar und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Mit diesem Satz konnten seine Freunde jedoch nicht wirklich etwas anfangen. Wo war da der Zusammenhang zu Robins Schwangerschaft. Sie folgten ihm in die Küche. „Nur das ist der Grund?“, fragte der Japaner verständnislos. Der Cowboy nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. „Macht euch noch einen schönen Abend mit euren Holden. Und schickt meine heim“, grinste er schief. Das Gespräch war für ihn beendet. Er trollte sich hinauf ins Schlafzimmer und ließ die beiden zurück ohne sich um Höflichkeit zu scheren. „Ich wusste nicht, dass du Kinder nur von Dooley willst“, brüllte Fireball ihm sarkastisch nach. Mann, Robin tat ihm wirklich leid. Was hatte sie sich mit dem nur eingefangen? Saber schleifte den Hitzigen in die Diele. „Ich glaube nicht, dass es darum geht“, meinte er und musste leicht schmunzeln. „Komm, suchen wir unsere Ladys“, meinte er dann nur. Es hatte wirklich keinen Sinn einen vernünftigen Dialog mit dem Scharfschützen zu führen, zumindest heute nicht. „Vergesst nicht, mir meine heimzuschicken!“, rief der ihnen aus der oberen Etage zu. „Das ist ihre Entscheidung. Sonst ist sie heute Nacht ein gern gesehener Gast bei Jolene und mir“, erklärte der Schotte. „Sei halt nicht so ein Esel, wie sonst auch“, konnte sich Fireball nicht verkneifen den Kuhhirten zu mahnen. Die einzige Antwort, die er darauf bekam, war das Zufallen einer Zimmertür. „Du musst echt immer das letzte Wort haben“, grinste Saber und schob den Rennfahrer zur Haustür raus. „Klar doch“, bestätigte der. Darüber konnte der Recke nur noch den Kopf schütteln. Wie kleine Kinder. April war über den Ausgang des Geständnisses erschüttert. Nie im Leben hatte sie damit gerechnet, dass Colt so darauf reagieren würde. Hatte sie sich so in dem Kuhhirten geirrt? Hatten sie alle sich so in ihm geirrt? Die Navigatorin war kaum in der Lage, dass zu begreifen und konnte daher noch schlechter Robin trösten. Dafür war Chily gerade besser geeignet. Sie trug die ganze Sache mit einer gewissen Fassung, als hätte sie mal wieder geahnt, was kommen würde. Tatsächlich war die Jugendfreundin des Scharfschützen darauf vorbereitet gewesen, jedoch nicht so sehr auf diese Heftigkeit. Sie konnte von allen Beteiligten am besten damit umgehen und hielt nun die verstörte, verweinte Lehrerin im Arm. Fireball holte April und Charlene ab und ließ den Recken mit den beiden Frauen allein. Sie mussten nicht alle dabei sein und es für die Schwangere dadurch womöglich noch schlimmer machen, als es ohnehin schon war. Auch Saber überließ das Seelenheil der Lehrerin den Händen seiner Angetrauten. Sie wusste einfach besser um werdende Mütter und über Colt Bescheid, als einer der Freunde. Robin klammerte sich schmerzhaft an den Schultern der bunt gesträhnten Blondine fest. „Jetzt beruhige dich, Robin“, beschwor diese die Traurige ungeachtet den Nägeln, die inzwischen den Knochen erreicht haben dürften. So fühlte es sich zumindest an. „Ich kann nicht“, schluchzte Robin heftig und begann einmal mehr, seit sie das gemeinsame Haus verlassen hatte, zu zittern. „Doch du kannst. Du bist stark“, versicherte die Hebamme ihr und wischte ihr die Wangen trocken, so gut es eben ging. „Aber ich kann das nicht ohne Colt und der... der…“ Der Rest des Satzes wurde von bitteren Tränen fortgespült. „Das ist nicht wahr. Du könntest es ohne ihn. Aber er“, versuchte Chily sie zu beruhigen. „war nur genauso erschrocken wie du. Sonst nichts.“ – „Aber er sagt sowas doch sonst nicht. Niemals und nicht ohne Grund“, beharrte Robin und war kaum davon abzubringen. Ob Colt auch nur im Ansatz wusste, was er da angerichtet hatte? Jeder Outrider hätte sich dafür in Grund und Boden geschämt, wäre er für diese Tränen verantwortlich‘, dachte Saber, als er kurz zu den beiden linste und seiner Frau signalisierte, dass er Robins Bett vorbereitet hatte. „Was genau hat er denn gesagt?“, hakte Chily gerade nach. Vielleicht konnte sie das abschwächen. "Wie konnte das passieren? Hm, Platz haben wir ja für den Storch und sein Mitbringsel“, äffte die Gefragte ihren Freund nach. Ein Ex fügte sie allerdings nicht an, auch nicht gedanklich. „Aber ersteres fragen so ziemlich alle Männer, wenn es so unerwartet kommt“, erklärte die Hebamme nun ruhig. „Aber sie reden nicht abfällig über ihren Nachwuchs“, wandte Robin ein und schnaubte herzhaft ins Taschentuch. „Hast du eine Ahnung. Ich hab schon wesentlich Wüsteres gehört. Die einen sagen es im Schock, so wie Colt. Die andren meinen es wirklich so“, berichtigte die bunt gesträhnte Blondine, ahnte aber im Sprechen schon, dass diese wahren Worte kaum beruhigend waren. „Kein Trost, Chily. Colt meint es auch so, das weiß ich.“ Wieder barg die Lehrerin ihren Kopf an der Schulter der Freundin. „Vertrau mir, tut er nicht. Er hat nur einen Schock“, beharrte sie und schaute hilflos zur Zimmerdecke. Sie wusste es doch genau. Wie sollte sie es nur der Schwangeren begreiflich machen, ohne sich in deren Beziehung zum Scharfschützen zu sehr einzumischen und sie dadurch am Ende möglicherweise ganz zu zerstören. Das konnte sie doch nicht verantworten. Robin war Colts Ein und Alles, egal wie wenig es im Augenblick danach aussah. „Der Schock war mir zu ernst“, schniefte dessen Braut nun und krallte sich wieder schmerzhaft nach Halt suchend an die Hebamme. „Ich hab Angst, Chily“, gestand sie unter einem neuerlichen Weinkrampf. „Du hast keinen Grund dazu. Versuch mir das zu glauben,“ flehte diese fast und fand endlich Worte, die sie sagen konnte, ohne das der Schuss nach hinten losgehen konnte. „Immerhin bist du nicht allein“, erinnerte sie die Unglückliche. „Dann bleibst du eben erst mal hier bei Saber und mir, bis sich das mit Colt geklärt hat. Und das wird es sicher bald“, sprach sie ihr Zuversicht zu. Robin nickte leicht und ließ sich langsam von der Frau des Recken ins Gästezimmer begleiten. „Du bist nicht allein Robin“, betonte Chily warm. Es war weit nach Mitternacht, als sich die unglückliche Lehrerin in Chilys Armen in den Schlaf geheult hatte. Müde und doch aufgewühlt schlich diese nun ins Schlafzimmer zu ihrem Angetrauten, der ohne sie für gewöhnlich nicht einschlafen konnte. Heute jedoch, so stellte sie erleichtert fest, war die Müdigkeit stärker gewesen. Chily begann sich auszukleiden. Ihr Blick fiel aus der geöffneten Schlafzimmertür auf den länglichen Fotorahmen im Flur. Bilder von Freunden. Das erste, das sie sah, zeigte Colt und sie selbst auf dem Spring Homecoming, dem letzten Fest, dass sie gemeinsam gefeiert hatten. Sie hielt inne den BH zu öffnen und zog stattdessen ihren Pullover wieder an. Dann verließ sie lautlos den Raum und stahl sich kurz darauf beinahe wie ein Dieb aus dem Haus. Die nächtlichen Straßen schreckten sie nicht. Überall war Licht, liefen sogar noch Menschen durch die Straßen. Es war Wochenende und jeder unternahm noch etwas mit der Freundin oder in der Clique. Dass sie schließlich doch rannte, lag an der Kälte und dem Bedürfnis sobald wie möglich zu Colt zu kommen. Dass im Wohnzimmer des Hauses noch Licht brannte, wunderte sie kein bisschen. Der Cowboy war viel zu aufgebracht, um an Schlaf zu denken. Sie brauchte nicht mal klingeln. Sie hatte eben den Finger ausgestreckt, um das zu tun, da ging die Haustür auf. „Hi Chily, meine Schote“, grüßte Colt rau. Der Blick aus seinen Augen verriet ihr deutlich, wie unglücklich er über den Verlauf dieses Abends war. Sie nahm ihn in die Arme. „Ach Bullet“, flüsterte sie warm, „was machst du nur immer für einen Unsinn?“ – „Kommt sie wieder?“, fragte er zurück und klammerte sich an seine zierliche Jugendfreundin. „Sie braucht etwas Zeit um sich zu fassen. Lass sie ihr“, riet die Hebamme ihm. Colt schloss die Augen und drückte sie fester an sich. Eine Träne glitt unter seinen Wimpern hervor und rollte über seine Wange. Chily begann zu summen. http://www.youtube.com/watch?v=xGbnua2kSa8 Das Lied machte es ihm leichter, den Damm brechen zu lassen und hilflos zu weinen. Sie wusste, dass er das nur noch mühsam zurückgehalten hatte. Sie wusste es ganz einfach und ließ ihn still gewähren. „ …And I thought, I never fell this way …,“ sang sie leise. Ohne Robin fehlte dem Haus eine gewisse Wärme. Ohne sie war der Scharfschütze seltsam leer und konnte Chily diese Leere nicht ausfüllen. Diese Zeiten waren lange vorbei, da ihr das möglich war. Colt weinte leise, erdrückte seine beste Freundin fast. Er weinte Tränen, die längst überfällig waren, geweint zu werden. Er weinte um Dooley, seinen Mentor und väterlichen Vertrauten, um Mandarin und auch Suzie, die Kolleginnen, die ihm auch Freunde waren. Weinte um jedes unbedachte Wort, das er je einem anderen, ganz besonders seinen Kameraden gegenüber, geäußert hatte und um jede Chance, die er vertan hatte, egal wie sinnlos es war. Chily verstand jedoch jede einzelne Träne, als hätte er sie in Worte gehüllt. So wie früher, als sie noch wie siamesische Zwillinge zusammen gehörten und sich nicht vorstellen konnten, dass ein anderer Mensch den ersten Platz im Herzen des anderen belegen würde. Wie früher, als sie „Heiraten“ nur gespielt hatten, als sie gemeinsam zur Schule gegangen waren und Colt vom ersten Tag an stets Chilys Tasche getragen hatte, als sie Streiche ausgeheckt hatten und dafür bestraft worden waren, als sie bei Klausuren den anderen hatten abschreiben lassen und gemeinsam die Cafeteria auf den Kopf gestellt hatten, als sie sich für das andere Geschlecht zu interessieren begannen und heimlich in der Scheune der Willcox „mit Zunge zu Küssen“ geübt hatten, als es den ersten Liebeskummer gegeben hatte und sie in Streits mit Freunden ihre bessere Hälfte sogar mit den Fäusten verteidigt hatten, als sie fröhliche Partys gefeiert und Pläne für die Zukunft geschmiedet hatten, als die Welt noch in Ordnung war und sie über weites Land geritten waren, als sie ihre Sommerferien bei dem Irokesen-Stamm verbracht hatten und von ihnen gelernt hatten, als sie noch zuversichtlich nach vorn schauen konnten und bevor die abrupte Trennung kam, die sie hatte erwachsen werden lassen. All dies mochte die Diele, in der beide standen, ausfüllen, mochte sich in jedes Zimmer im Haus ausbreiten, in alle Winkel und unter die Tapete kriechen und vermochte doch in keiner Weise zu verdrängen, dass Robins Wärme fehlte, dass sie dem Cowboy fehlte, wie die Luft zum Atmen. „Geht es Colt jetzt besser?“, fragte Saber im Halbschlaf, als seine Frau sich, Stunden nach ihm, endlich zu ihm ins Bett legte. „Ohne Robin? Kein Stück“, erwiderte sie. Er drehte sich auf den Rücken, ließ sie sich an ihn schmiegen und schloss sie in die Arme. „Wie lange gibst du ihnen, bis sie das geklärt haben?“, murmelte er. „Ein, zwei Tage“, flüsterte sie und hauchte ihm einen Kuss auf den Oberkörper. Verschlafen strich er ihr übers Haar und segelte in Reich der Träume zurück. Robin schlich schweigsam und unausgeschlafen am nächsten Morgen in die Küche. Saber machte gerade Frühstück und deckte den Tisch für zwei, als sie eintrat. „Guten Morgen“, grüßte er. Die angesprochene erwiderte diese Freundlichkeit leicht nickend. „Magst du deinen Kaffee mit Milch und Zucker?“, fragte der Schotte, als sei es nichts Besonderes daran, dass die Lehrerin Gast hier war. Er wollte ihr nicht mit einem Übermaß an Mitgefühl wieder zum Weinen bringen, sondern sie stattdessen irgendwie von ihrem Kummer ablenken. Robin fühlte das. Sie setzte sich. „Mit Zucker“, flüsterte sie kaum hörbar, dann glitt ihr Blick über den Tisch, die beiden Gedecke, das noch dampfende Rührei, Toast, Butter und Honig. „Schläft Chily noch?“, wollte sie wissen. Saber setzte sich mit der Kaffeekanne in der Hand ihr gegenüber und goss ihr den Muntermacher in die Tasse. „Sie ist spät eingeschlafen“, antwortete er. Seine Mühe, sie nicht allzu sehr an ihr missglücktes Geständnis erinnern und sie mit diesem Frühstück auf andere Gedanken bringen, sie aufmuntern zu wollen, trieb ihr Tränen in die Augen. Ähnlich viel Mühe gab Colt sich, wenn sie eine anstrengende Zeit in der Schule hatte. Die Lehrerin begann zu weinen. Warum hatte ihr Cowboy sich nicht freuen können? Sie hatte gedacht, nichts könne diese Beziehung mehr erschüttern, nachdem sie den ganzen Fall um Pennyrile und die daraus folgende Verhandlung überstanden hatten. Nun schien das Wesen in ihrem Bauch das Gegenteil zu beweisen. Mit einem Satz war Saber von seinem Platz aufgesprungen und hatte den Tisch umrundet. „Robin.“ Bestürzt und etwas hilflos hockte er sich vor die Unglückliche. Behutsam zog er sie in seine Arme und ließ sie an seiner Schulter weinen. Er wusste nicht, was er sonst hätte tun sollen. Seine Frau fand in solchen Momenten die richtigen Worte. Er suchte diese erfolglos. Doch Robin war dankbar für seinen Halt und die Freundschaft in dieser Geste. Einen Augenblick brauchte sie um die Tränen niederzukämpfen. „Tut mir leid“, murmelte sie befangen und löste sich aus der Umarmung. „Schon gut“, wiegelte er ab. „Kein Grund dich zu entschuldigen.“ Er reichte ihr ein Taschentuch. Sie aßen eher schweigsam. Robin konnte sich kaum von ihrem Kummer lösen und der Recke wagte kaum, sie anzusprechen. Egal, welche Frage er ihr gestellt hätte, sie wären über kurz oder lang wieder auf Colt gekommen und dieses Thema wollte er lieber vermeiden. Chily kam zu ihnen, als sie aufgegessen hatten. Sie umarmte beide liebevoll und hockte sich auf den Stuhl neben der Lehrerin. Diese lehnte ihren Kopf an die Schulter der Hebamme, bemerkte den entschuldigenden Blick nicht, den Chily ihrem Mann zu warf und auch nicht dessen verständiges Nicken darauf. Robin stand unausgesprochen im Mittelpunkt ihres Interesses. Colt hatte mindestens genauso schlecht geschlafen wie Robin. Anders als sie, war er schon in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und hatte begonnen, sein Hobbyzimmer auszuräumen und den Inhalt in den leerstehenden Kellerraum zu verstauen. Das Kind brauchte schließlich ein eigenes Reich und außerdem war es besser, wenn es auf der gleichen Etage schlief, wie seine Eltern. Sollte es nachts aufwachen, konnten Robin oder Colt gleich zur Stelle sein. So etwas gab nun mal Sicherheit, überlegte der Scharfschütze. Kaum waren seine Gedanken zum Thema Sicherheit gekommen, fielen ihm die vielen Gefahrenquellen im Haus ein. Er warf einen Blick zur Uhr. Da er die eine Arbeit erledigte hatte, und das schon sehr zeitig, konnte er nun die andre beginnen. Dafür musste er zum Baumarkt, der eben geöffnet hatte. Als er zurückkam, prüfte er den Anrufbeantworter als erstes. Jedoch hatte Robin sich noch nicht gemeldet, wie er gehofft hatte. Chilys Rat beherzigend, der Lehrerin Zeit zu lassen, unterdrückte er den Impuls bei Riders anzurufen. Er war nicht sicher, ob seiner Zukünftigen eine Nacht reichte um sich zu beruhigen, nach dem, was er ihr alles an den Kopf geworfen hatte. So lud er das Auto aus und beförderte Unmengen an Schrauben, Nägeln, Brettern und speziellen Kindersicherungen für Schränke und Kochherde, zwanzig Prozent Rabatt auf alles – außer Tiernahrung, in das Haus und machte sich daran, es einzubauen. Am späten Nachmittag schaute Fireball bei Chily und Saber vorbei. April hatte ihn gebeten, einen Stilltee für sie von der Hebamme zu holen. Während diese nun in der Praxis verschwand, schaute der junge Vater sich in der Diele um. Ein Paar Schuhe stand dort, das nicht zu den kleinen Füßen der buntgesträhnten Blondine passte, und eindeutig auch nicht dem Recken gehörte. Fireball sprach den Schotten darauf an, der bestätigte, dass Robin noch bei ihnen war. Außerdem wusste er zu berichten, dass Colt sich noch nicht gemeldet hatte, die Lehrerin völlig bekümmert durchs Haus schlich und sich nur schwer von Chily trösten ließ. Weder der junge Vater noch der Recke hatten für das Verhalten des Scharfschützen Verständnis. Warum holte er seine Braut nicht zurück? Kombiniert mit seiner Reaktion vom Vorabend, sah es ganz so aus, als ließe der Kuhhirte seine Freundin im Stich, weil sie schwanger war. Er schien nichts beherzigt zu haben, was seine Freunde ihm geraten hatten. Wut stieg in beiden hoch, je länger sie darüber sprachen. Chily kam gerade in dem Moment zurück, als die beiden losstürmen wollten, um Colt die Einsicht einzutrichtern. Mit einem Satz war sie an der Tür und versperrte ihnen den Weg. „Hier geblieben!“, rief sie und baute sich vor ihnen auf. „Colt braucht ein paar Schläge auf den Hinterkopf, die erhöhen bekanntlich das Denkvermögen“, fuhr Fireball sie an. „Du brauchst Valium“, entgegnete sie trocken und einigermaßen unbeeindruckt. „Na, ausnahmsweise hat unser Kleiner aber Recht, Jolene“, schaltete sich Saber ungewöhnlich haltlos ein. „Ausnahmsweise bist du genauso voreilig“, stellte seine Frau klar und hob die Brauen. „Okay.“ Der Schotte dehnte das Wort und verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper. „Was weißt du, was ich nicht weiß?“, fragte er langsam, denn ihm war klar, dass es so war. Unbehaglich räusperte sie sich. „Einiges“, erwiderte sie und staunte, wie wahr und vage diese Aussage gleichermaßen war. Auch wenn Colt und sie in der vergangenen Nacht nur geschwiegen hatten, so wusste sie doch genau, was in ihm vorging. Aber sollte sie das wirklich erzählen? Colt redete nur ungern darüber und es dürfte ihm kaum gefallen, wenn sie es nun tat. Ihr Angetrauter brachte dafür jedoch nur wenig Verständnis auf. „Dann mal raus mit dir Sprache, Jolene“, verlangte er energisch. „Sonst lass ich Fireball nicht mehr den Vortritt, wenn wir zu Colt gehen“, fügte er warnend an. Die Hebamme seufzte leicht und legte ihm die Hand auf den Oberarm. „Das ist Energieverschwendung, Manapi. Du“, Sie schaute zu Fireball und verbesserte sich. „ihr solltet mal überlegen, warum Colt so reagiert.“ – „Weil er nicht alle Latten am Zaun hat, eindeutig“, schnappte der junge Vater sofort. Ihm fiel genauso wenig wie dem Schotten ein guter Grund für das Verhalten des Kuhhirten ein. „Oh bitte. So leicht ist es nicht“, beharrte Chily ungeduldig. „Kennt ihr ihn denn so wenig?“ Saber krauste die Stirn. „Sieht ganz danach aus. Zumindest in solchen Belangen“, erwiderte er nüchtern. Dass sich hinter diesen Worten auch seine Enttäuschung verbarg, war für sie offenkundig. Dennoch schüttelte sie den Kopf. „Okay, mal anders. Was wisst ihr über ihn?“, versuchte sie erneut, die beiden zu beschwichtigen. „Colt ist Scharfschütze, Scout und hat seine Eltern verloren“, zählte der Schotte die markantesten Punkte auf und fragte sich, worauf sie damit hinaus wollte. Sie nickte. „Und? Denkt doch mal nach“, drängte sie weiter. Die Richtung stimmte doch schon. Sie schaute wieder den Rennfahrer an. „Das musst du doch am meisten kapieren.“ Der hob die Brauen. Was meinte sie? Das einzige, das er und der Scharfschütze gemein hatten, war der Umstand, dass sie ihre Eltern, beziehungsweise der Japaner seinen Vater, durch die Outrider verloren hatte. „Sag mir jetzt bitte nicht, dass es das ist, was ich denke“, wunderte der sich. Sollte das des Rätsels Lösung sein? „Doch, Little Daddy. Das und nichts anderes“, bestätigte die bunt gesträhnte Blondine, die noch immer die Tür verbarrikadierte. „Kein Schicksal wiederholt sich zweimal, das müsste auch Colt kapiert haben“, erklärte Fireball nun kategorisch. Es war schließlich unwahrscheinlich, dass es Colts Kind ebenso gehen würde, wie es ihm selbst ergangen war. „Ach, WEIßT“, Sie betonte das Wort deutlich, als sie nachhakte. „du das auch so überzeugt?“ Skeptisch musterte sie ihn dabei. Er zog prompt den Kopf ein. „Kommt drauf an, wann du mich das fragst“, gestand er, bevor sie das wieder aus seinen Gedanken vorlesen konnte. Chily rollte die Augen. „Dachte ich mir. Hacke nicht auf ihm rum, wenn du einen Scheiß besser bist“, tadelte sie ihn. Saber griff sie bestimmt an den Oberarmen und drehte seine Frau zu sich herum. „Jolene, jetzt mal langsam bitte. Fire ist auch nicht immer schnell von Begriff, das wissen wir mittlerweile alle, aber er hat April wenigstens nicht dafür zur Schnecke gemacht. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied“, nahm er seinen Piloten in Schutz. „Aber willst du denn nicht verstehen, dass das nur eine, zugegeben sehr blöde, Art für ihn war, zu sagen, dass er Angst hat. Gefühle schalten den Verstand aus, dass weiß jeder, und Colt hatte nur Angst“, machte sie noch einmal leidenschaftlich klar. Zumindest verstand der Japaner das Ganze nun „Bei Colt ist die Angst immer verdammt laut“, nickte er. „Aber er hätte es Robin nicht so spüren lassen dürfen“, meinte der Schotte fest. Ein Gentleman tat sowas nicht, egal, wie groß die Angst war. „Ja, aber dafür ist es jetzt zu spät“, gestand die Hebamme ihm zu und seufzte wiederum. „Manapi, du lässt mich doch auch manche Dinge spüren“, musste sie ihm vor Augen führen. Fireball grinste unterdrückt. Dass er mal dabei sein durfte, wie jemand Saber den Kopf zu Recht rückte. „Aber doch nicht so“, wehrte der Recke überrascht ab. „Deine Eifersucht tut mir verdammt weh“, stellte sie klar und ließ ihm keine andere Wahl, als schuldbewusst den Blick zu senken. Damit hatte sie schließlich recht. Wenn es um Eifersucht ging, verletzte der Schotte sie genauso, wie Colt Robin mit seiner Angst davor, dass sich das willcoxsche Schicksal wiederholen könne. „Tut mir leid“, murmelte er betreten. Während der Rennfahrer heiter „Mann oh Mann“ vor sich hin kicherte, zog Chily ihren Mann verständnisvoll in ihre Arme. „Ich weiß“, flüsterte sie. „Ihr müsst Colt nur klar machen, dass er das Robin erklären muss, dass er mit ihr darüber redet. Ich kann das nicht für ihn tun“, bat sie dann leise und schmiegte sich an den Schotten. „Ich versprech es dir“, nickte der und erwiderte die Umarmung. Die Hebamme linste zu Fireball. „Zumindest versuch ich es“, antwortete der, hob aber die Hand und machte klar, dass er nichts versprechen würde. Aber damit gab sie sich schon zufrieden. „Na dann.“ Sie nickte beiden zu und trat von der Tür weg. Der junge Vater umarmte sie zum Abschied. „Wir sehen uns die Tage mal, Chily“, meinte er und schlüpfte hinaus. Saber nahm sich noch die Zeit seiner Angetrauten einen Kuss aufzuhauchen. „Tschüss, Aiyana.“ Dann folgte er dem Rennfahrer. Auf dem Weg zu dem Scharfschützen fragten sich die beiden Freunde, was sie wohl zu erwarten hatte. Colt konnte unmöglich guter Laune sein. Zum einen, weil Robin nicht da war, zum anderen, wegen deren Schwangerschaft. Ob er das wohl immer noch so ablehnte? Aber langsam begriffen Saber und Fireball, was in dem Kuhhirten vor sich ging. Kurz entschlossen klingelten sie schließlich an seiner Tür. Der Cowboy öffnete, hatte noch einen Werkzeuggürtel um die Hüfte, musterte die Ankömmlinge kurz. „Keiner von euch sieht aus wie meine Robin“, stellte er nüchtern fest und wollte die Tür wieder schließen. Ihm war vollkommen klar, dass sie ihn ins Gebet nehmen wollten, dass sie nur deshalb hier waren. Aber Colt hatte Wichtigeres zu tun, als sich von ihnen erzählen zu lassen, dass er sich wie ein Idiot aufgeführt und seine Zukünftige tief verletzt hatte. Das wusste er selbst. Fireball ließ sich jedoch nicht so einfach abkanzeln und schob den Fuß in die Tür. „Aber wir sind genauso nett, glaub mir“, versicherte er die friedliche Absicht und verschaffte sich Zutritt. Der Schotte folgte ihm „Hast du Zeit, oder geht es grad schlecht?“, fragte er rhetorisch. „Ich hab zu tun“, gab Colt wenig begeistert von der Störung zurück. „Ansonsten geht es mir ...“ Er beendete den Satz nicht, sondern schob sich den Mittelfinger ansatzweise in den Hals, als wollte er den Brechreiz damit auslösen. Der Recke und der Rennfahrer tauschten einen kurzen Blick. „Wir helfen dir, dann geht es schneller“, bot der Blonde an und deutete auf den Werkzeuggürtel. Wenn Colt vorhatte, was auch immer er begonnen hatte, erst zu beenden ehe er zu Robin ging, konnte sich das noch sehr lange hinauszögern. „Bei deinem handwerklichen Geschick stehst du in einem Jahr noch hier“, sprach der Pilot aus, was sein Boss dachte. „Hey, hey, langsam. Wollt ihr mir unterstellen ich kann das nicht?“, musste der Lockenkopf sofort abstreiten. Egal, wie sehr die beiden Recht haben mochten, noch war er der Herr dieses Hauses und damit dafür zuständig. „Sagen dir zwei linke Hände was?“, grinste der junge Vater etwas unbeholfen. „Die nennst du für gewöhnlich dein eigen, Cowboy.“ Brummend gab Colt endlich den Weg ins Wohnzimmer frei. „Habt ihr wenigstens ein Bier da? Oder zwei? Wasser gibt es nämlich grad keins“, wollte er wissen. Immerhin hatte er es geschafft, den Abfluss zu demolieren. Wie auch immer ihm das gelungen war, war ihm selbst ein Rätsel, aber vorläufig herrschte Überschwemmungsgefahr, wenn der Wasserhahn aufgedreht wurde. Saber brachte den Sechserpack zum Vorschein. „Danach hat auch keiner gefragt. Da Hopfen und Malz verloren gegangen zu sein scheint, würden wir uns gar nicht trauen hier ohne aufzutauchen“, meinte er leicht und schob den Kuhhirten auf die Couch. Dann reichte er ihm eine Flasche und nahm sich selbst eine. „Sondern? Wonach wird dann gefragt?“, hakte der Scharfschütze nach, öffnete die Flasche und trank erst mal einen Schluck. Da kam doch sicher gleich eine Predigt, schwante es ihm. „Erst mal nach deinem Wohlbefinden“, erklärte Fireball, schob das Bier auf dem Tisch etwas zur Seite und setzte sich auf die Platte. „Sind die wahnsinnigen fünf Minuten vorbei für heute?“, wollte er wissen. Man musste ja schließlich auf alles gefasst sein. „Die dauern an seit Robin weg ist.“ Colt nahm noch einen Schluck. „Du weißt, dass das nichts hilft?“, fragte der Japaner und erntete einen verständnislosen Blick von seinem Gegenüber. Colt wusste nicht, was sein kleiner Hombre meinte. Half der Wahnsinn nicht, oder das Bier? Saber schüttelte den Kopf. So wurde das nie etwas „Hör mal, wir alle wissen, dass du mit deiner impulsiven Art manchmal über das Ziel hinausschießt und vieles nicht arg so meinst, wie du es sagst. Aber wir wissen auch, dass Robin nichts dafür kann und noch weniger das kleine Etwas in ihrem Bauch“, übernahm er das Gespräch. Mit einem weiteren Schluck spülte Colt eine gereizte Antwort hinunter. „Ich weiß auch, dass ich ihr Zeit lassen sollte. Was erwartest du also von mir?“, wollte er dann wissen. „Wir erwarten gar nichts. Aber wir werden da sein, Colt“, versicherte der Schotte ihm. Es war noch nie vorteilhaft gewesen, Colt das Gefühl zu vermitteln, er stünde unter Druck. Meist explodierte der dann. „Sehe ich, ihr seid ja da.“ Der Lockenkopf schnitt eine Grimasse. Er fühlte sich einfach nur schlecht ohne seine bessere Hälfte. Aber das wiederum durfte er nicht an seinen beiden Freunden aus lassen, deshalb fragte er dann besorgt. „Wie geht es ihr, Saber?“ Der Schotte suchte nach einer passenden Umschreibung. So betroffen, wie ihn der Kuhhirte gerade anschaute, wollte er ihm nicht sagen, dass sich die Lehrerin die Augen aus dem Kopf heulte. „Robin ist nicht allein“, entgegnete er dann. „Oh, das ist schön für sie“, murmelte der Lockenkopf und senkte den Blick wieder. Wer tröstete sie bloß? Hoffentlich die Hebamme und kein anderer Mann. Colt wollte seine Zukünftige nicht verlieren. Sein Herz verzog sich schmerzhaft bei dem Gedanken daran. „Ehrlich gesagt, würde sich Robin lieber an jemand anderen klammern, als an Chily. Du verstehst?“, fügte Fireball hinzu, doch leider missverstand der Scharfschütze das völlig. So wie er sich aufgeführt hatte, war ihm nun klar, dass Robin sich nach einem anderen umschaute. Verdenken konnte er ihr das nicht mal. Jeder Outrider hätte liebevoller auf diese Nachricht reagiert, als er. „Na, Scheiße“, fluchte Colt frustriert, „dann hätte ich mir die Mühe ja sparen können.“ Er erhob sich und verschwand in der Küche. Dort begann er aufzuräumen. Es machte ja nun keinen Sinn mehr, dass er das Haus kindersicher machte. Hier würde kein Kind aufwachsen. Saber warf dem Rennfahrer einen tadelnden Blick zu, ehe er dem Cowboy folgte. „Er meinte eigentlich: Sie vermisst dich“, berichtigte er die unglückliche Formulierung des Japaners. „Ja klar. Deswegen hab ich seither noch keinen Piep von ihr gehört.“ Frustriert warf er eine Zange in den Werkzeugkasten, dass es schepperte. „Ich würd dich auch nicht anrufen, wenn ich sie wäre, Colt“, bemerkte Saber trocken. Der Angesprochene hielt in der Bewegung inne. „Ich weiß“, gab er kaum hörbar zu. „Na, also. Mach ihr keinen Vorwurf.“ Mit verschränkten Armen lehnte sich der Blonde an den Türrahmen. „Und jetzt?“ Ratlos kniete Colt auf dem Küchenboden und schaute von seinem Boss zu dem Piloten, der ebenfalls in der Tür stand. „Das kommt drauf an, was du willst, Kumpel“, entgegnete der Wuschelkopf. „Sie“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Und?“, hakte Fireball nach. „Was und? Gar nichts und? Ich will sie so wie sie ist“, erwiderte der Cowboy ungeduldig. Nur sehr vage, aber doch zuversichtlich schmunzelte der junge Vater. „Du wirst das Kind schon schaukeln, Colt, ganz sicher.“ Zumindest hoffte er das aufrichtig für alle Beteiligten. Der Kuhhirte sprang auf. „Ist sie grad bei euch? Oder ist sie mit Chily unterwegs?“, fragte er den Schotten. „Sitzen beide bei uns in der Küche“, gab der Auskunft. In nächsten Augenblick war der Lockenkopf aus der Küche und dann aus dem Haus. „Ich glaub, wir trinken unser Bier besser bei dir aus“, meinte er, wobei er dem Scharfschützen so hinterher schaute, als hätte er das erwartet. Noch länger in dessen Haus zu bleiben schien dem Blonden genauso unhöflich, wie jetzt in sein eigenes Heim zu gehen. Da würde demnächst ein Gespräch stattfinden, das vorrangig die werdenden Eltern betraf und bei dem man sicher nicht stören sollte. „Ich glaube nicht Boss. Dein Haushuhn kann sich doch so schwer raushalten“, gab Fireball nicht so unberechtigt zu bedenken. „Da hast du auch wieder Recht. Also, dann lad ich dich noch auf einen Sprung zu mir ein.“ Saber wies mit der Hand durch die Tür und folgte dem jungen Vater. Colt hastete die Straßen entlang, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Den Impulsiven drängte es zu seiner Freundin, denn so viel hatte er begriffen. Es wurde Zeit, dass sie zu ihm zurückkam. Es fehlte einfach etwas, wenn sie nicht da war. Sein Leben war nicht länger komplett. Im Gegenteil. Sie bekamen ein Kind. Colts Sorgen, die mit dieser Nachricht ans Licht gespült worden waren, waren nicht geringer geworden seither, aber sie verhinderten nicht länger, dass er sich eben doch darüber freute. Jetzt wusste er nur noch eins. Sie sollte heim zu ihm. Sie sollte endlich wieder bei ihm sein. Er nahm sich nicht die Zeit, an der Haustür zu klingeln oder an der Küchentür zu klopfen, schwungvoll polterte er hinein und platzte heraus: „Wir müssen reden Robin.“ Sowohl die Angesprochene, als auch die anwesende Hebamme fuhren bei diesen Worten auf. Keine der beiden hatte damit gerechnet, dass er hier so prompt auftauchte. „Colt”, rief die Lehrerin ungläubig aus, während Chily genügend Zeit fand ihn zu tadeln. „Bullet! Mann, anklopfen ist kein Luxus, das kannst sogar du dir leisten!“ Aber der hatte kein Gehör für sie, nahm sie nicht mal wirklich war. Sein Interesse lag auf seiner Zukünftigen. „Robin?“, fragte er und schaute sie liebevoll an. „Hm“, schniefte die und schaute ihn bekümmert an. Was kam jetzt auf sie zu? Die bunt gesträhnte Blondine fragte sich, ob Saber und Fireball dem Kuhhirten gefolgt waren. Wenn ja, ließen sie sich ganz schön Zeit. Sie konnten sie doch unmöglich mit den beiden allein lassen, wo die Hebamme doch Gefahr lief, sich einzumischen. „Ich will, dass du mit nach Hause kommst“, verlangte Colt leidenschaftlich und tollpatschig zugleich. Es war das, was er dachte, nur kam er nicht auf die Idee, wie fordernd das wirkte. „Pass ich denn noch in dein Konzept?“, wollte Robin wissen und hätte auf der Stelle in neue Tränen ausbrechen können. „Nichts passt, so lange du nicht da bist“, entgegnete Colt wahrheitsgemäß, aber hitzig. Chily schlug sich die Hand vor den Mund und mahnte sich gedanklich, dass sie sich raushalten musste. Gerade in dem Moment tauchte ihr Angetrauter in der Tür auf und zog sie aus der Küche und somit aus der brenzligen Situation. Der Rennfahrer stand neben ihm auf dem Flur und klebte ihr sacht ein Pflaster auf den Mund. „Wir dachten, wir machen dich mundtot, solange Colt und Robin was zu besprechen haben. Sie nahm das Pflaster wieder ab. „Das kann er besser als du, deshalb ist er mein Mann“, erklärte sie und lehnte sich gegen den Schotten. „Da hab ich nichts dagegen“, gab der schmunzelnd zurück. „Und das Kind, Colt?“, fragte Robin. Wie sollte das denn gut gehen? Er hatte sich so gar nicht darüber gefreut. Sollte sie wirklich mit nach Hause kommen, so lange er ihrer Schwangerschaft nicht mal im Ansatz positiv gegenüberstand? „Was soll damit sein?“, fragte der Scharfschütze dümmlich zurück. „Willst du es denn?“ Robins Hand glitt auf das Bäuchlein, ihr Blick auf ihre Füße. Sie hatte Angst vor seiner Antwort, Angst vor einem Nein. „Was soll denn die Frage?“ Colt verstand sie kein bisschen. Er hatte es doch gesagt. Er wollte, dass sie wieder mit nach Hause kam. Das bedeutete so wie sie war und damit auch schwanger. Was verstand sie daran nicht? Natürlich wollte er das Kind. Er hatte begonnen, das Haus kindersicher zu machen. Dabei entging dem Ungeduldigen, dass sie das nicht wissen konnte und nur noch seinen unschönen Ausbruch im Kopf hatte. „Also nein“, glaubte sie daher richtig zu verstehen. Tränen rollten ihr über die Wangen. Was niemand zuvor geschafft hatte, schaffte ein Wesen, das noch nicht mal auf der Welt war. Unglaublich. „Das hab ich nicht gesagt. Ich hab gesagt, ich will, dass du nach Hause kommst“, stellte der Cowboy nun haltlos richtig. Auf dem Flur waren die beiden gehört worden. Jetzt zupfte die Hebamme aufgeregt am Hemd ihres Mannes. „Stopf mir den Mund, stopf mir den Mund“, flehte sie. Saber hob die Schultern und verschloss ihr den Mund mit einem Kuss. „Und das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, weinte Robin unglücklich. Das war noch schlimmer, als sie sich es vorgestellt hatte. Sie war in der Hölle, ganz eindeutig. „Doch hat es“, beharrte Colt ungeduldig. Wie kam sie nur auf etwas anderes? Er wollte doch, dass sie zurückkam, wie sie war. Also schwanger, also mit dem Kind. Wieso verstand sie das nicht? „Kommst du jetzt?“, fragte er. „Nein.“ Robin schüttelte den Kopf. Dem Scharfschützen klappte der Kiefer schier ins Bodenlose. „Warum nicht?“, fragte er perplex zurück. „Colt, ich bekomme ein Kind, das du nicht willst“, erklärte die Lehrerin, wobei ihr Tränen über die Wangen liefen. „Denkst du wirklich, dass das gut geht und dass ich zu dir zurückkommen sollte?“ Jetzt begehrte der Kuhhirte impulsiv auf. „Ich hab nie gesagt, dass ich es nicht will“, fuhr er sie an. „Und du hast auch nichts gesagt, was das Gegenteil beweisen würde“, schniefte sie. „Na, doch. Sonst würde ich doch nicht wollen, dass du Heim kommst“, berichtigte er sie sofort ungestüm. Drückte er sich so unverständlich aus? „Wirklich?“ In Robin keimte Hoffnung auf. „Ja, aber Chily hat gemeint, ich sollte dich auch nicht drängen“, antwortete der Lockenkopf ruhiger. Im Flur löste sich die Hebamme von ihrem Mann und schlug sich leicht gegen die Stirn. „Der Idiot. So was erzählt man doch nicht. Dem werd ich helfen“, schimpfte sie leise und machte Anstalten in die Küche zu gehen. Saber hielt sie fest. „Hier geblieben, Lady!“, befahl er leise. „Aber ...“ hob sie zum Protest an, doch diesmal hielt der Rennfahrer ihr den Mund zu. „Verkneif es dir!“, raunte er ihr streng zu. Widerwillig stampfte sie mit dem Fuß auf, blieb aber der Küche fern. „Und was hat Chily noch gemeint?“, hakte Robin nach. Ihre Hoffnung war mit seinen Worten wieder verschwunden. Er war nicht hier, weil er es wollte, sondern weil seine Freunde, ganz besonders Chily ihm es geraten hatten. So schien es ihr zumindest. Ertappt biss sich Colt auf die Lippen. Das war einen taktisch unkluge Aussage gewesen. „Nichts“, presste er wahrheitsgemäß hervor. „Ach ja? Sollst du bei mir bleiben, nur wegen dem Kind?“, fuhr sie ihn nun an. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Im Gang grollte Chily leise weiter. „Das ist Schwachsinn. Wir haben nicht darüber geredet.“ Das musste sie zumindest vor den beiden Männern klar stellen. „Das mag ja sein, aber wenn du dich jetzt einmischt, geht was in die Brüche. Und ich rede nicht von Geschirr, Schatz“, mahnte der Schotte sie. Kapitel 26: Wind of Change III ------------------------------ Auch Colt versuchte den falschen Eindruck zu korrigieren. „Nein, hat sie nicht.“ – „Was dann?“, wollte Robin wissen. „Wir haben darüber nicht geredet. Wir haben gar nicht geredet“, entgegnete er. Es war sicher schwer vorstellbar aber nun mal Fakt. Die beiden Freunde aus Kindertagen brauchten in manchen Situationen keine Worte mehr. „Natürlich habt ihr das nicht!“, fauchte die Lehrerin schnippisch. „Hast du eine eigene Meinung zu dem Thema?“ Sie deutete auf ihren Bauch. Der Lockenkopf verstand die Welt nicht mehr. Warum glaubte sie ihm nicht? „Was soll denn jetzt der Unsinn? Ich wäre doch sonst nicht hier“, beharrte er weiter. „Und das soll ich dir glauben?“, wollte Robin wissen. „Warum denn nicht? Hab ich dich je angelogen?“, fuhr Colt auf. Er war ja nun ganz sicher nicht die Unschuld vom Lande. Sogar Chily hatte er mal versucht anzuschwindeln, aber Robin definitiv nicht. „Im letzten Jahr?“, fragte diese nun und Colt stieg aus. „Wann?“ Verständnislos schaute er sie an. Die Schwangere schüttelte den Kopf. „Bitte geh, Colt“, sagte sie nur und wünschte sich, dieses Gespräch endlich hinter sich zu haben. Doch Colt dachte nicht im Traum daran. „Auf keinen Fall und nicht ohne dich!“, entschied er einigermaßen herrisch. „Ich will aber nicht mit dir mitgehen. Nicht, wenn das so ist“, erklärte sie fest. „Wenn was wie ist?“ Wieder kam er nicht mit. Was stimmte denn nicht? Was war denn los mit ihr? „Du willst doch kein Kind und mich willst du doch so auch nicht. Das ist sinnlos, Colt“, begründete sie ihm und schaute zu Boden. Jetzt war der Kuhhirte ernsthaft verletzt. „Hey, hey. Das ist kein bisschen wahr. Ich will dich sehr wohl und zwar so wie du bist. Was anderes hab ich nie behauptet“, brauste er ungestüm auf. Robin zuckte zusammen. „Das hört sich aber nicht so an und es fühlt sich nicht so an“, flüsterte sie und wich vor ihm zurück. „Also du kommst nicht mit?“ Der Scharfschütze musterte sie. Da fühlte er ein ganz böses Ziehen in seiner Brust. Die Frau, die er über alles liebte, die ein Kind von ihm unter dem Herzen trug, wich vor ihm zurück und weigerte sich wieder zu ihm nach Hause zu kommen. Jetzt schlug sie die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich. Das hatte er nicht gewollt. Nein, alles, nur das nicht. Unbeholfen näherte er sich ihr und legte ihr leicht die Arme um die Schulter. „Schatz“, flüsterte er. Wieder wollte sie zurückweichen, war jedoch schon an der Arbeitsplatte und kam nicht weiter. „Tu mir bitte nicht weh“, schluchzte sie. Er zog sie in seine Arme. Wie sie sich in dieser bösen Situation wiederfinden konnten, begriff er nur halb. Er hatte unbedachtes Zeug daher geredet, weder auf die Formulierung noch auf die Tonlage geachtet. So holte man keine Frau zurück. So schlug man sie endgültig in die Flucht. „Niemals“, presste er hervor. „Kannst du es versprechen?“, schniefte sie. Sie wollte nicht glauben, dass diese, sonst so wunderbare, Beziehung in Scherben lag. Oh, was war nur passiert? Er nickte leicht. „Schatz, wenn du schon wirklich gehen willst, dann lass mich dich jetzt noch mal halten“, bat er leise resignierend. „Ich“, schluchzte sie auf, „will gar nicht gehen.“ Nein, Robin wollte unverändert bei ihm sein und dieses, ihr gemeinsames Kind, mit ihm aufziehen. Sie wollte Colt. „Dann bleib einfach“, flüsterte er und hauchte ihr vorsichtig einen Kuss aufs Haar. „Bitte“, kam es inständig aus tiefstem Herzen von ihm. „Solange du uns liebst“, wisperte sie zurück. „Wen soll ich denn sonst noch lieben, außer dir?“, fragte er die Frage, die ihm schon unter den Nägeln brannte. „Deinen Jungen.“ Seinen Jungen? Sie erwartete einen Sohn? Von ihm? Glücklich presste er sie ganz fest an sich. „Du erdrückst mich“, keuchte sie matt. Sofort lockerte er die Umarmung, hielt sie aber dennoch innig. Irgendwie hatte er sie doch wieder bei sich. Das war alles, was zählte. „Siehst du, geht auch ohne dich.“ Fireball tätschelte liebevoll Chilys Arm. „Hoffentlich“, murmelte diese zurück. So sehr sie sich auch darüber freute, dass dieses Problem ausgestanden war, sie ahnte ein weiteres, das sich anbahnte. Noch gab es eine Sache über die Colt mit Robin noch nicht gesprochen hatte. So lange er das nicht tat, würde es immer zwischen ihnen stehen und konnte jeder Zeit für neuen Ärger sorgen. Aber wahrscheinlich sollte das vorläufig noch warten. Es fiel der Hebamme jedoch schwer mit ihrem Wissen hinter den Berg zu halten. Sie fühlte sich in einer Zwickmühle gefangen. Sie durfte und wollte sich nicht in die Beziehung ihres Jugendfreundes einmischen. Doch leider sah sie nur zu gut, dass sein letztes großes Geheimnis eine Gefahr für deren Zukunft darstellte. Vor allem so lange Robin den Eindruck hatte, Colt spräche mit der bunt gesträhnten Blondine darüber und nicht mit seiner Zukünftigen. Das konnte Chily nicht auf sich beruhen lassen und so nutzte sie die nächste Untersuchung um die Schwangere darauf zu stoßen. Sicher würde sie Mittel und Wege finden, damit Colt sich ihr endlich anvertraute. Zum großen Leidwesen der Hebamme verlief diese Untersuchung recht unterkühlt. Es herrschte zwar Freundlichkeit, aber die Freundschaft und die Herzlichkeit fehlten doch. Irgendetwas schien zwischen ihr und der Lehrerin zu stehen und sie wusste genau, was es war. „Sieht gut aus“, befand Chily, nachdem sie die werdende Mutter eingehend untersucht hatte. „Sicher?“, hakte Robin nach und bekleidete sich wieder. „So sicher wie Colt verschwiegen ist, ja“, bestätigte die Hebamme und konnte sich diese Formulierung beim besten Willen nicht länger verkneifen. Nein, dass musste geklärt werden. Das, was zwischen ihr und Robin stand am besten sofort. Und das, was noch zwischen Robin und Colt stand unbedingt vor deren Hochzeit. „Verschwiegen? Was weiß ich nicht“, horchte diese prompt auf. Chily notierte sich etwas in der Krankenakte und legte diese dann beiseite. Sie schaute Robin an. „Bevor ich neuen Regen ins Paradies schicke: Gibt es etwas, das wir zwei klären sollten?“, entschloss sie sich den Stier bei den Hörnern zu packen. „Ich hoffe nicht“, kam es leicht irritiert von der Lehrerin. „Warum kriegst du dann kaum einen Ton raus? Mal ehrlich, die Stimmung ist heute irgendwie frostig und das liegt nicht nur an mir“, erwiderte die bunt gesträhnte Blondine postwendend. Natürlich war ihr das nicht entgangen und Robin senkte nun etwas bedrückt den Blick. „Tut mir leid. Ich bin noch immer nicht übertrieben gut gelaunt“, gab sie dann zu. „Und das liegt daran, dass du vermutest, dass Colt eher mit mir über die Schwangerschaft geredet hat, als mit dir“, las die Hebamme aus ihrem Kopf vor. An der Art, wie sie das tat, und dem leicht energischen Unterton in ihrer Stimme wurde deutlich, dass sie das Problem unbedingt aus der Welt haben wollte. „Dass er überhaupt mehr mit dir redet, als mit mir“, berichtigte Robin leise. Chily schüttelte den Kopf. „Tut er aber nicht. Ich weiß, es ist schwer vorstellbar, aber wir reden über bestimmte Dinge nicht. Wir wissen sie einfach. Schätze das passiert, wenn man so wie Bruder und Schwester aufwächst“, versuchte sie sich zu erklären und hob die Schulten. „Und trotzdem teilt er von seinem Leben mehr mit dir als mit mir. So sollte es aber nicht sein“, fuhr nun die Lehrerin ihrerseits auf. „Eine gemeinsame Kindheit?“ Chily hob die Brauen. Das war alles was sich der Kuhhirte und die Frau des Recken teilten. Die Kindheit, nicht das ganze Leben. Das war ein entscheidender Punkt und Chily war sich dessen vollkommen im Klaren. „Ich weiß, was du meinst und ich gebe dir Recht“, sagte sie dann und schaute der Braut ihres Jungendfreundes offen ins Gesicht. „Ich weiß, dass der Tag kommt, sogar schon sehr bald. Da gibt es nur noch eine Number 1 und zwar dich. Und ich, ich werde Number 2 sein. Aber damit das passieren kann, muss Bullet mit dir über die eine Sache reden, über die er mit mir noch nicht mal richtig schweigen kann“, stellte sie dann fest. Verwundert schaute die Lehrerin sie an „Welche eine Sache meinst du?“, hakte sie nach „Was es ihm wirklich bedeutet hat, seine Eltern zu verlieren. Denn das weiß im Moment nur er selbst am besten“, sprach Chily es aus und sich von der Seele. „Und wie soll ich das anstellen?“, wollte Robin wissen. Sie hatte doch schon so viel versucht und nichts war erfolgreich gewesen. „Fragen und wenn das nichts hilft, sag ihm, dass du gehst, wenn er es nicht tut“, grinste die Hebamme schief. Einen besseren Ratschlag hatte sie nicht parat. „Das wär nicht mal eine Drohung“, seufzte Robin. „Dann wirst du ja dieses Geheimnis endlich lüften und für dich behalten“, bemerkte die Hebamme und räumte die Krankenakte in den entsprechenden Schrank. Dann trat sie an einen anderen Schrank und holte eine mittelgroße Dose hervor. Etwas Zuversicht hatte sie wieder. Robin würde endlich so nah an den Cowboy herankommen, wie es für eine gute Beziehung erforderlich war. Davon war dessen Schulfreundin überzeugt, als sie sich wieder zu der Schwangeren umdrehte. „Ja, das werde ich für mich behalten, vorausgesetzt, er spricht mit mir darüber“, entgegnete die und hatte eindeutig Zweifel daran. „Weißt du, was Colt als erstes gesagt hat, als ich ihn besucht hab?“, fragte Chily, wartete aber keine Antwort ab, sondern fuhr fort. „Kommt sie wieder?“ Sie lächelte mild. „Der kann ohne dich nicht. Absolut lebensunfähig.“ Auch die Lehrerin schmunzelte. „Kein Mann ist ohne Frau lebensfähig. Egal ob Mama oder Ehefrau oder Freundin“, erklärte sie. Chily lehnte sich gegen ihren Schreibtisch und nahm einen Bilderrahmen in die Hand. „Nein, wirklich keiner“, grinste sie ohne den Blick zu heben. Lange schaute sie es liebevoll an, ehe sie es Robin zeigte. „Nicht mal er“, lachte sie dann leicht. Es war ihr Hochzeitsfoto. Robin beneidete die beiden schon ein wenig um dieses wortlose, verstehende Band, das sich zwischen ihnen geknüpft hatte. „Dabei hat er sich lange und standhaft gewehrt, lebensunfähig ohne Frau zu sein“, lachte sie sacht. Chily drückte ihr die Dose in die Hand. „Hier, der verhilft dir zu innerer Balance. Na ja, er unterstützt dich darin“, erklärte sie dann. „Meine Balance ist gut“, schmunzelte die Schwangere, wohlwissend, dass dem nicht so ganz war. „Zumindest um den kleinen Cowboy musst du dir keine Sorgen machen“, grinste Chily. „Dafür hab ich ja dich.“ Robin nahm die Hebamme in den Arm. Da war die Freundschaft wieder, so herzlich, wie sonst auch. „Danke.“ Die bunt gesträhnte Blondine erwiderte die Umarmung. „Und ich hab dich für den großen. Kümmere dich gut um Bullet“, antwortete sie. „Ich zieh ihm die Ohren lang“, schmunzelte Robin. „Wir waren nie Rivalinnen oder so was. Ich hoffe, du hast das nie so gesehen.“ Forschend schaute Chily sie an. Was sie gesagt hatte, lag ihr ernsthaft schwer auf dem Herzen. „Na, ja, doch“, druckste Robin verlegen. „Ernsthaft?“ Unbehaglich verzog die Hebamme das Gesicht. „Aber das ist schon lange her“, versicherte die Lehrerin mit einem unschuldigen Lächeln. „Das wollte ich nie. Ich wollte immer nur, dass Bullet glücklich ist“, entgegnete Chily ehrlich. „Das weiß ich inzwischen.“ Noch einmal nahm die werdende Mutter ihre Freundin in den Arm und verabschiedete sich mit dem Versprechen, Colt gehörig die Ohren lang zu ziehen. Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, schlich Chily von der Praxis aus in die Diele. „Manapi?“, rief sie. „Hier“, ertönte es von irgendwo im Haus. „Wo bist du?“ Aufmerksam lauschend trat sie weiter in das Vorzimmer. „Na, hier!“ bekam sie zur Antwort. Sie folgte seiner Stimme und fand ihn im Arbeitszimmer, wo er über einem Berg Papieren, vermutlich Klausuren, brütete. „Hey.“ Schief lächelnd lehnte sie sich in den Türrahmen und beobachtete ihn dabei. Er schaute auf. „Du folgst meinem Ruf, brave Aiyana“, schmunzelte er. „Was hast du?“, wollte er dann wissen. Sie sah so seltsam still aus, dafür, dass sie aus ihrer Praxis kam. Jetzt kam sie zu ihm herüber und setzte sich auf seinen Schoß. „Wahnsinnig lieb hab ich dich“, antwortete sie und schmiegte sich an ihn. Ein zufriedenes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Das hoffe ich doch.“ Er lehnte sich zurück, damit sie es bequemer hatte und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Du solltest es wissen“, flüsterte sie an seiner Brust. „Ist Robin schon gegangen?“, fragte er. Er wunderte sich schon etwas, dass sie so anschmiegsam und ruhig war. „Hm ist sie.“ Chilys Arme glitten um seinen Hals und sie zog sich näher an ihn. „Jolene? Was ist los?“, hakte er skeptisch nach. Die beiden hatten sich doch nicht etwa gestritten? Chily hob den Kopf und schaute ihm ins Gesicht. „Nichts“, versicherte sie. „Ich liebe dich. Und diese drei Worte gehören zu den Dingen, die man nie oft genug sagen kann, du alter Skeptiker“, fügte sie lächelnd hinzu und stupfte ihm auf die Nasenspitze. „Okay.“ Saber schob die Skepsis zur Seite und legte seine Arme um seine Angetraute. „Ich liebe dich auch.“ Damit gab er ihr einen zarten Kuss auf die Nase und ließ seine Lippen zu ihrem Mund hinab wandern. Chily erwiderte die Zärtlichkeit gern. Colt war unglaublich glücklich seine Zukünftige wieder in dem gemeinsamen Haus zu haben. Er versuchte, es sie auch spüren zu lassen. Es gelang ihm auch, obwohl er es recht tollpatschig anstellte. Robin musste darüber schmunzeln. Das war ihr tapsiger, kleiner Cowboy und so liebte sie ihn. Es fiel ihr nicht schwer, über das Gespräch mit Chily zu schweigen. Es war selbst ihr größter Wunsch, dass sich der Kuhhirte ihr anvertraute und mit ihr über seine Eltern sprach. Lange konnte die Lehrerin sein Schweigen nicht mehr ertragen, das wusste sie. Es fehlte einfach das letzte bisschen Offenheit in ihrer Beziehung, um ihm am Altar ein zweifelsfreies, bedenkenloses Ja zu sagen. Drei Tage nach ihrem Besuch bei der Hebamme bot sich ihr eine Gelegenheit, ihn wieder darauf anzusprechen, als Colt reichlich frustriert vom Psychotherapeuten zurückkam. „Der Psychopath sollte sich lieber mal selbst therapieren“, schimpfte er verschnupft, wobei er seine Jacke an der Garderobe verstaute. Die werdende Mutter wusste nun, dass sich diese Sitzung, wie schon die letzte, um Colts Eltern gedreht hatte. Damit war ihr auch klar, dass der Lockenkopf gemauert hatte, was sein Sturschädel so hergab. Jetzt führte ihn sein erster Weg nach oben ins Schlafzimmer. Wie beim letzten Mal. Da hatte er sich darin eine geschlagene Stunde eingeschlossen und auf ihre Frage, was los sei, nicht geantwortet. Er hatte sich in seinen Erinnerungen vergraben. Ohne sie. Wenn sie nicht wollte, dass es sich heute Abend wieder so abspielte, musste sie schnell handeln. Colt schlug schon den Weg nach oben ein. „Ach, Colt“, flüsterte sie liebevoll, woraufhin er prompt stehen blieb und sich in die Arme nehmen ließ. Ihre Fürsorge tat ihm gut. „Was war denn so schlimm?“, fragte sie. Er hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wand sich leicht aus ihren Armen. Die Gefahr, dass er weich wurde und Dinge Preis gab, die er so hartnäckig für sich behielt, war gerade zu groß. „Über manche Dinge redet man ganz einfach nicht“, antwortete er. Sie entließ ihn nicht aus ihrer Umarmung. „Auch nicht mit mir?“ Unschuldig schaute sie zu ihm auf. „Schatz ... ähm ... du weißt doch alles über mich“, hustete er verlegen. „Dir hab ich doch alles erzählt“, behauptete er, wohlwissend, dass es nicht die ganze Wahrheit war. Er sollte wirklich verschwinden, bevor sie darauf kam, diese Aussage auszuleuchten. „Ich schau mal nach dem Dings in dem Bums“, meinte er dann und wollte die Treppe hinaufsteigen. Sie hielt seine Hand fest. „Hier geblieben, mein Lieber“, forderte sie zärtlich. „Es wäre schön, wenn ich alles über dich wüsste, was ich aber nicht tue.“ – „Oh doch glaub mir. Du kennst mich fast ein bisschen zu gut“, versicherte er. Schließlich wusste sie genau, was er ihr verschwieg. „Hör mal Schatz, ich sollte endlich die Kindersicherungen in der Wohnung anbauen.“ Damit küsste er sie auf die Stirn und wollte sich wiederum von ihr lösen. „Bis unser Kind in diesem Haus etwas unsicher macht, dauert es gut und gerne noch ein Jahr, Cowboy“, wiegelte sie den Vorwand ab, schmiegte sich leicht an ihn und gab ihm ihrerseits einen Kuss auf die Wange. „Wir haben Zeit“, flüsterte sie an sein Ohr. „Komm, lass uns ins Wohnzimmer gehen und reden.“ Warm lächelte sie ihn an. Wie konnte er da Nein sagen? Außerdem sah er eine Möglichkeit das Thema, dass sie anstrebte abzubiegen. „Hm vielleicht keine schlechte Idee. Wie sollen wir denn das Kinderzimmer einrichten? Bitte nicht himmelblau“, entgegnete er und folgte ihr ins Wohnzimmer. „Ich wollte etwas anderes mit dir besprechen“, meinte sie und setzte sich mit ihm auf die Couch. „Ja, du hast Recht. Auf wann sollen wir den neuen Hochzeitstermin verlegen?“, fragte er um noch einmal die Richtung ändern zu können. „Darüber wollt ich auch nicht mit dir sprechen, Colt.“ Robin lehnte sich an ihn. Obwohl, das war ein guter Aufhänger für ihr Anliegen. „Weißt du, ich hab als kleines Mädchen immer davon geträumt, dass mich mein Vater einmal zum Altar führen würde“, begann sie dann. „Ja, ich weiß, das ist leider nicht machbar. Tut mir leid für dich, Schatz.“ Verständnisvoll hauchte Colt ihr einen Kuss auf die Stirn. Er wusste, Robins Abneigung gegen Waffen und Krieg hatte ihren Ursprung darin, dass sie ihren Vater bei einem Outrider-Angriff verloren hatte. Er war als Star Sheriff gegen sie in den Krieg gezogen und nie mehr zurückgekehrt. Die Lehrerin vermisste ihn sehr. „Willst du dich lieber von Saber oder Fireball zum Altar führen lassen?“, fragte Colt deshalb und versuchte, noch einmal ihren Kurs zu ändern. Ihm war bewusst, dass sie eigentlich auf seine Eltern und deren Tod hinsteuerte. „Ich hab immer von einer Familienfeier geträumt“, fuhr sie unabbringbar fort. „Meine Eltern, deine Eltern, Freunde und Verwandte. Geblieben ist uns nicht allzu viel an Familie, findest du nicht?“ Der Lockenkopf schluckte nun hörbar. Jetzt wurde es aber eng für ihn. „Aber da ist ja noch was vorhanden und in absehbarer Zeit wird sie sich auch wieder vergrößern.“ Seine Hand glitt über ihren Bauch, in dem ihr Sohn, als solcher noch lange nicht erkennbar, aber eben heranwuchs. „Ja, wir werden Eltern. Wir treten in die Fußstapfen unserer Eltern, Colt. Und ehrlich gesagt, ich möchte unser Kind aufwachsen sehen“, antwortete sie. „Das werden wir auch“, versicherte er ihr, auch wenn er selbst davon nicht so überzeugt war. „Ich will genauso gut vorbereitet sein wie meine es auf mich waren. Ich werd mal los legen“, behauptete er dann und trat aufs Neue die Flucht an. „Colt.“ Gerade konnte Robin noch seine Hand festhalten und fest umschließen. „Weshalb rennst du immer vor mir weg, wenn ich mit dir über deine Eltern sprechen will?“ Er drehte sich nicht zu ihr um. Sie seufzte leise. „Sieh mal, ich dachte immer, dass mir nichts meinen Vater ersetzen kann. Das kann es auch nicht. Aber ich hab mit der Zeit gelernt, dass das Erbe meines Vaters weiterlebt. Solange ich die Erinnerung an ihn im Herzen trage und sie mit jemandem teile“, erzählte sie dann und hoffte, es würde wirken und ihm helfen, sich ebenfalls ein wenig zu öffnen. Doch der Scharfschütze ließ nur den Kopf hängen. „Ich erinnere mich sehr gut an sie. Reicht dir das?“, murmelte er zurück. Nein, natürlich reichte es ihr nicht, das war ihm klar. Er löste sich von ihr und wollte das Wohnzimmer verlassen. „Aber du teilst deine Erinnerung mit niemandem“, rief sie ihm nach. „Niemand weiß, wie deine Eltern waren, nur du und...“ Sie brach ab und fügte gedanklich „Chily“ hinzu. So wurde das nie etwas. Robin stand auf und trat zu ihm. „Du wirst immer ein Geheimnis vor mir haben. Ich werde einen großen und wichtigen Teil deines Lebens niemals erfahren“, bemerkte sie bekümmert. Er drehte sich noch immer nicht zu ihr um. „Verstehst du es denn nicht? Das sind meine Erinnerungen. Das ist alles, was ich noch habe.“ Ahnte sie nicht, wie sehr sie ihn mit ihrer Hartnäckigkeit aufwühlte? Aber sie schien entschlossen zu sein, ihm ausgerechnete heute sein letztes Geheimnis entreißen zu wollen. Als wäre heute die letzte Chance für ihn, darüber zu reden oder … Oder was? Sie zu verlieren. „Deine und Chilys“, berichtigte sie ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mich lässt du dabei außen vor“, schnaubte sie gekränkt. „Vielleicht solltest du mich gleich von allem ausschließen.“ – "Wow, was soll denn das jetzt heißen?“ Überrascht fuhr er zu ihr herum. „In einer Beziehung sollte man alles vom anderen wissen. Das tu ich nicht, Colt. Das werde ich nie, weil du es nicht zulässt“, erklärte sie verletzt. Frustriert warf der Kuhhirte die Arme in die Luft. „Wieso versucht jeder mich da zu psychoanaltüren? Gerade der Psycho vom KOK, Chily hat es auch versucht und du gibst auch nie auf. Hör mal, das ist, wie es ist. Okay? Ich habe meine Erinnerungen und fertig. Und wenn Chily ähnliche hat, dann liegt das daran, dass wir zusammen aufgewachsen sind und sie meine Eltern so gut kennt, wie ich ihre. Aber das ist doch normal“, antwortete er und hoffte, er konnte den Dialog endlich beenden. „Es tut nicht weh, seine Erinnerungen mit jemand zu teilen. Sie werden dadurch auch nicht weniger, Colt. Aber das Vertrauen, das ich dir entgegen bringen kann, wird durch dein Schweigen immer weniger. Wie kann ich jemanden lieben, von dem ich nicht alles weiß? Sag mir, was ich Tim erzählen soll, wenn er nach seinen Großeltern fragt? Ich kann ihm nichts von ihnen sagen, gar nichts.“ So einfach entließ sie ihn nicht daraus. Vor allem, weil ihr irgendetwas sagte, dass sie heute die besten Chancen hatte, das Eis zu brechen. Der Lockenkopf horchte auf. „Tim?“ wiederholte er. Wie sollte er den Namen zuordnen? „Unserem Sohn. Was soll ich ihm sagen, Colt?“, wollte sie ungeduldig wissen. „Unser Sohn soll Tim heißen?“, fragte der Scharfschütze fassungslos. „Ja, Timothy Gary Willcox“, nickte sie. „Ich...“ Sie kam nicht weiter. Colt starrte sie entsetzt an. „Robin…“ Seine Hände begannen zu zittern. Rasch ballte er sie zu Fäusten, um es zu verbergen. „Es war wohl keine gute Idee.“ Unglücklich ließ sie den Kopf hängen. „Ich leg mich eine halbe Stunde hin, Colt.“ Sie konnte ihm wohl nichts mehr Recht machen. Was war nur los in letzter Zeit? Robin wandte sich ab und ging zum Sofa zurück. „Nenn ihn nicht so“, flüsterte Colt ihr nach. „Tu mir das nicht an“, bat er mit zittriger Stimme. … „Willst du echt zum Rodeo? Warum?“ Das dünne Mädchen schaute über das weite Land, wagte nicht den anzusehen, den sie gefragt hatte. Sie ritten langsam neben einander her. Die Sonne bräunte ihre nackten Schenkel, ließ das Fell der Pferde glänzen und wärmte die Reiter. Das Mädchen fror dennoch. Seit er ihr von seinem Vorhaben erzählt hatte, hatte sie geschwiegen. Beinahe eine halbe Stunde trabten die Rosse Seite an Seite bis ihre Reiter wieder zu sprechen anfingen. „Weil ich es kann und weil es mir ganz einfach Spaß macht“, antwortete er. „Außerdem bin ich ja nur diesen Sommer weg“, versuchte er sie zu trösten, als sie den Blick senkte. Aber der kleinen Blonden traten Tränen in die Augen. „Wir waren noch nie getrennt“, antwortete sie kläglich. „Ich weiß. Aber ich muss das tun. Du weiß doch, dass ich schon immer davon geträumt habe. Das ist eine großartige Chance für mich“, verteidigte ihr Begleiter leidenschaftlich seinen Plan. Seine blauen Augen strahlten vor Aufregung. „Chily“, begann er und raufte sich die braunen Locken. „Muss es denn jetzt sein?“, fragte sie kläglich. „Bullet, warum jetzt?“ – „Weil jeder Tag zählt. Darum“, entgegnete er leise. Bedrückt schaute er seine beste Freundin an. Sie verstand ihn, das wusste er. Aber dennoch konnte sie sich nur schwer mit seinem Entschluss abfinden. „Chily, bitte“, begann er von neuem. „Du weißt, ich hab dich lieb, aber …“ – „… aber wenn du bleibst, wirst du es bereuen“, beendete sie seinen Satz und schaute ihn an. Eine Träne stahl sich über ihre Wange. Trotzdem versuchte sie zu lächeln. „Und es ist ja nur für diesen Sommer.“ … … Eine Stunde nach High Noon war das Grab geschlossen worden. Jetzt siebzehn Stunden später, im Morgengrauen des neuen Tages, stand der siebzehnjährige Junge davor. Er hatte seither kein Auge zu gemacht, hatte sich die vergangenen Stunden damit um die Ohren geschlagen in Fotoalben zu blättern und Familienvideos zu schauen. Erinnerungen, die er behalten wollte. An Zeiten, die nie mehr zurückkommen würden. Erinnerungen, die ihm am Ende aus jedem Winkel, in jedem Raum entgegen zu schreien schienen. So lebendig, als wären sie noch nicht Vergangenheit. Es war, als käme seine Mutter die Treppe hinab ins Wohnzimmer, als stünde sein Vater noch immer in der Hausbar, als hörte er sie beide noch reden, lachen. Sie waren da. Er hatte die Hand nach beiden ausgestreckt und beide Male ins Leere gegriffen. Sie waren nicht da. … „Colt“ … „Colt“ … „Colt“ … Nur ein Flüstern. Er hatte in Windeseile seine Tasche gepackt und war aus dem Geisterhaus geflohen. Hier her. Warum, hätte er nicht sagen können. … „Colt“ … „Colt“ … „Colt“ Dieses Wispern schien ihm zu folgen. Nein. Hier war es lauter. Er nahm die Tasche, die achtlos zu seinen Füßen im Gras lag und schulterte sie. Dann drehte er sich ruckartig vom Grab weg und ging. Ging die Hauptstraße entlang … „Colt“ … an den Geschäften vorbei … „Colt“ … passierte die Cafés und Restaurants … „Colt“ … und ließ das Ortseingangsschild hinter sich. … „Pass auf dich auf, Junge.“ … „Bullet!“ … Kein Blick zurück, kein Umwenden, keine Rückkehr, kein Rodeo. Diese verfluchten Outrider. Die aufgehende Sonne warf seinen Schatten weit hinter den Laufenden, blendete ihn, als wollte sie sagen. „Nicht den Weg. Du siehst ihn ja gar nicht.“ Doch er zog den Hut tiefer ins Gesicht und heftete seinen Blick auf seine Füße. Er konnte nicht bleiben. Er konnte nicht. Das dünne, zierliche Mädchen schlug die Augen auf und starrte an die Decke. ER war weg. Das spürte sie. Verdammt. Sie warf den Kopf von einer Seite auf die andere. ‚Bullet, bitte nicht.‘ – ‚Doch!‘ In ihren Augen sammelten sich Tränen. ‚Na dann, gute Reise, Bullet.‘ … „Ich wollte dir eine Freude machen.“ Robins unglückliches Wispern holte Colt zurück. „Du kannst unsern Sohn doch nicht einfach nach den beiden benennen. Ausgerechntet die beiden, die ...“ Der Scharfschütze konnte seinen Protest kaum in Worte fassen. Gary Willcox und Timothy Dooley, die beiden Männer, die ihn am stärksten beeinflusst hatten und die er am meisten vermisste. Das fasste er nicht. „Ich meine“, begann er wiederum und brach wiederum ab. Er schniefte unterdrückt. „Ich wollte die Erinnerung an sie weiterleben lassen. Es“, versuchte die Schwangere sich zu rechtfertigen. „Ach, wie ich es mache, mache ich es falsch“, murmelte sie dann entmutigt. Der Scharfschütze schüttelte den gesenkten Kopf. „Papa würde platzen vor Stolz“, brummte er in seinen nicht vorhandenen Bart. Ja, Gary Willcox hätte sie damit die allergrößte Freude gemacht, die sie ihm als Schwiegertochter hätte machen können. Robin horchte auf und schaute ihren Zukünftigen aufmerksam an. Der schniefte noch einmal. „Colt?“ Die Lehrerin trat auf ihn zu und legte ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter. “Hör mal, ich wollte dich nicht kränken“, versicherte sie ihm. „Hast du nicht“, gab er leise zurück, wagte aber nicht, sie anzusehen. „Ich hör ihn noch sagen, dass ...“ Colts Stimme versagte unter den unterdrückten Tränen. Aber lange würde er sie nicht zurückhalten können. Nicht mehr. „Was hat er gesagt?“, hakte sie warm nach. „Die einzige Chance, die ich hätte den ganzen Blödsinn, den ich angestellt hab, wieder gut zu machen, sei, meinen Sohn Gary zu nennen. Und ein Mädchen sollte Mabel heißen, nach Mum.“ Colt zog Robin in seine Arme und hielt sich an ihr fest. Jetzt brachen die Tränen hervor, die er sogar vor sich selbst nie zugelassen hatte. Die Tränen für seine Eltern. „Oh, Colt.“ Sie hielt ihn fest und strich ihm sanft über den Rücken. “Er hat gegrinst dabei“, sprudelte es aus dem Lockenkopf hervor. „Aber er wäre wirklich stolz, wenn...“ Wie konnte man unter Tränen, die so lange so vehement zurückgehalten worden waren, vernünftig sprechen. Colt weinte hemmungslos. Robin hätte es wohl nicht geglaubt, hätte man es ihr erzählt. Aber der Damm war endlich gebrochen. „Warum willst du es dann nicht?“, fragte sie leise. „Na, weil es mich ständig an sie erinnern würde und ich irgendwann mit dir oder mit Junior hätte drüber reden müssen.“ Perplex lotste sie ihn zum Sofa und platzierte sich und ihn darauf. Der Kuhhirte schien sich kaum mehr zu beruhigen. „Sie fehlen mir so.“ Colt klammerte sich noch fester an Robin. Wie sehr er sie jetzt brauchte, wie sehr er sie überhaupt brauchte, hatte sie nie zuvor so deutlich gespürt wie in diesem Augenblick. „Das weiß ich, Schatz. Aber du bist nicht alleine“ flüsterte sie mild. Er drückte seinen Kopf in ihre Halsbeuge. „Sie haben gesagt, sie wären immer für mich da. Aber sie konnten nicht“, schniefte er. „Das lag nicht in ihrer Macht, Colt. Aber glaub mir, sie sind immer noch bei dir. Sie sind hier.“ Ihre Hand glitt von seinem Rücken über die Schulter auf sein Herz. „Hier, in dir“, fügte sie dann hinzu. „Und was ist, wenn es irgendwann auch nicht mehr in unserer Macht liegt. Es gibt ja nicht mal mehr einen Dooley, der unseren Kleinen auffängt, bevor er bruchlandet“, schüttete er ihr seine größte Sorge aus. Mit einem Mal verstand sie seine heftige Reaktion, als er erfahren hatte, dass sie ein Kind erwartete. „Aber es gibt einen Saber, einen Fireball, eine Chily und eine April, die auf unseren Zwerg aufpassen würden. Schatz, bitte glaub mir, wenn ich dir sage, dass unsere Kinder jemand haben werden, sollte uns etwas zustoßen“, beruhigte sie ihn. Er löste sich von ihr und versuchte sich wieder zu beruhigen. Er wischte sich über die Augen und musterte sie. „Uns wird aber nichts zustoßen“, meinte sie dann zuversichtlich. „Papa hat immer gesagt, was er am meisten an Mum liebt, ist, dass sie ihn sogar dann noch anlächeln kann, wenn er es am wenigsten verdient und am meisten gebraucht hat. Das konnte sie auch bei mir. Ich wollte immer auch so eine Frau finden“, schniefte er noch einmal. „Hast du diese Frau denn gefunden?“, fragte die Lehrerin vorsichtig. So wie er das sagte, bekam sie Angst, vor allem vor der Antwort. „Nein“, räusperte er sich. „Aber weshalb“, setzte sie verzagt an. Er lächelte leicht. „Weshalb ich dich heiraten will?“, beendete er ihre Frage. „Weil ich in dir noch weit mehr als das gefunden hab“, gab er gleich darauf die Antwort dazu. Liebevoll zog er sie an sich und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. „Colt, du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe“, flüsterte sie und erwiderte die Zärtlichkeit. „Und du scheinst immer wieder mal zu vergessen, was du mir bedeutest“, warf er ihr mild vor. „Wenn du es mir so selten zeigst“, rechtfertigte sie sich. „Wie soll ich es dir denn zeigen?“, fragte er naiv. „Na, zeigen halt. Mir einfach öfter sagen, dass du mich liebst oder mich mehr an deinem Leben teilhaben lassen“, antwortete sie lächelnd. Der gute Wille war ja immerhin vorhanden und der Scharfschütze erwies sich als gelehriger Schüler. „Dann zeig ich dir mal was“, nickte er, legte einen Arm um sie aus dem Wohnzimmer die Treppe hinauf. Verwundert stellte sie fest, dass er sie ins Schlafzimmer führte. „Was hast du denn vor?“, wollte sie wissen, konnte sich gerade keinen Reim darauf machen. „Das hier zeigen.“ Damit holte er eine Kiste unter dem Bett hervor und klappte sie auf. „Was ist das?“ Drei Blaster lagen oben auf. „Meine Sicherheitsvorkehrung“, antwortete er und zwinkerte ihr spitzbübisch zu. „Eine Kiste in der das oben aufliegt, machst du sofort wieder zu.“ Sie musste ebenfalls schmunzeln. Da hatte er Recht. Diese Kiste hätte sie nie angerührt. Erstaunlich, wie gut er sie kannte. Jetzt nahm er die Waffen runter und schob sie unters Bett. Dann setzte er sich darauf und bat sie. „Komm her zu mir.“ Gehorsam setzte sie sich zu im. „Was ist das?“ Sie war doch schon sehr gespannt. Die Kiste enthielt die mit Abstand persönlichsten Erinnerungen des Kuhhirten. Einiges davon wusste nicht einmal Chily. Nun zog er ein Fotoalbum hervor und schlug es auf. Das erste Bild verriet, das es das Hochzeitsalbum seiner Eltern war. Erstaunt schaute Robin ihn an. „Deine Mutter war eine hübsche Braut“, murmelte sie und betrachtete die strahlende Frau. „Oh sie war noch weit mehr als das.“ Colt drückte Robin noch einen Kuss aufs Haar, ehe er anfing zu erzählen. Sie sprachen lange über seine Eltern. Tatsächlich fühlte sich Colt seltsam erleichtert. Es tat ihm gut, sich ihr anzuvertrauen und seine Erinnerungen mit ihr zu teilen. In dieser Nacht schlief er tief und fest. Er träumte von etwas, dass er schon fast vergessen hatte. http://www.youtube.com/watch?v=Ieokk3G0NiE&feature=related Die zwei Männer saßen auf der Veranda und unterhielten sich. Gary Willcox strich sich gerade aufmerksam lauschend über den dunklen Schnauzer, während sein Freund, Joel Adams, ihm von dem bevorstehenden Pferdemarkt in einer benachbarten Stadt erzählte. Er schlug dem Lockenkopf vor, Frau und Kinder mitzunehmen, als sie ihn in der Ferne gewahrten. Joel schmunzelte amüsiert. „Die Sonne steht tief, er macht sich bereit, ich kann seinen Colt glänzen sehn. Er kommt wegen Chily, er will keinen Streit, aber ich lass Chily nicht gehn.“ Ebenso amüsiert grinste Gary. „Er prahlt überall, dass sie ihn liebt, und dass er sie heute noch holt. Und jeder, der sich ihm in den Weg stellt, wird noch eine Kerbe im Colt. Er hielt noch nie viel von Arbeit, er spielt und er gibt kräftig an. Er lebt mit ner älteren Dame, und sie schafft das Geld für ihn ran.“ Jeols blaugrüne Augen blitzen munter, als er aufstand und auf den Ankommenden zu trat. Dessen Augen ruhten wachsam und düster auf ihm. Das helle Hemd war ihm noch eine Nummer zu groß und das Halfter mit der Waffe hing ihm mehr in den Kniekehlen, als an der schmalen Hüfte. Bedächtig schritt er durch das Gras, das fast so hoch was wie er selbst, auf den Mann zu. „Die Sonne steht tief, er macht sich bereit, ich kann seinen Colt glänzen sehn. Er kommt wegen Chily, er will keinen Streit, aber ich lass Chily nicht gehn.“ Joel schob den Cowboyhut in den Nacken und grinste. Erwartungsvoll verschränkte er die Arme vor der Brust. „Schlau wie ein Fuchs und schnell wie der Blitz blickt er jeder Gefahr ins Gesicht. Ich fürchte, er hat gute Chancen, denn er ist viel jünger als ich. Nun kommt er, die Sonne im Rücken, ganz langsam die Straße herauf. Sein Schießeisen tief an der Hüfte, die Hand immer nahe am Knauf. Die Sonne steht tief, er macht sich bereit, ich kann seinen Colt glänzen sehn. Er kommt wegen Chily, er will keinen Streit, aber ich lass Chily nicht gehn.“ Jetzt erhob sich Gary und trat zu seinem Freund. Nicht weniger belustigt als der, beobachtete er den jüngeren, der sich vor ihnen aufgebaut hatte, bereit sich zu duellieren. Beide Männer entschieden sich, ihn ernst zu nehmen und beobachteten ihn scharf. „Nun steht er im Garten und zögert, und als er mich sieht, weint er los. Ich geh zu ihm hin, nehm in auf den Arm und sag: Na, Du bist doch schon groß! Du bist doch bestimmt schon vier Jahre, und Chily ist gerade erst drei. Gleich wird es dunkel und Chily muss schlafen, komm nächstes Mal früher vorbei. Die Sonne geht unter, ich fahr ihn nach Haus, im Dunkeln weiß er nicht Bescheid. Und Chily ist wieder in Sicherheit, wenn auch nur für kurze Zeit. Und Chily ist wieder in Sicherheit, wenn auch nur für kurze Zeit.“ Gary hob seinen Sohn auf den Arm und trug ihn vom Hof. Kurz schaute er sich noch einmal nach Joel um und zwinkerte ihm verstehend und erheitert zu. Der hob die Hand zum Gruß und betrat das Haus. Er stieg die Treppen hinauf und ging in das Zimmer seiner Tochter. „Aber morgen spiele ich ganz lange mit Bullet“, flüsterte die verschlafen. „Ja, morgen, mein Schatz“, antwortete er leise, deckte sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. Auf der Ranch der Familie Willcox strich sich Mabel ihr rotblondes Haar über die Schulter zurück und fasste es mit einer Spange zusammen. Dann hob sie ihren Sohn, der sein Duell unausgefochten gelassen hatte, auf ihren Arm. Es war Zeit für den Knirps ins Bett zu gehen. „Mama, werde ich auch mal so ein großer Cowboy, wie Papa?“, fragte der Junge und rieb sich müde die Äugelein. Oh, wie sehr er zu seinem Vater aufschaute. Mabel schmunzelte warm und versicherte ihm. „Ganz bestimmt wirst du ganz groß … vielleicht noch größer als die Tür … Und die Ranch mit tausend Cowboys … die gehört dann endlich dir … Und mit deinem großen Colt … bewachst du Kisten voller Gold … Wenn du erst mal Sheriff bist … und das wirst du ganz gewiss.“ Angelockt von dem Gesang seiner wunderschönen Frau trat Gary aus der Küche, in der er eben noch den Geschirrspüler eingeräumt hatte, und folgte ihr die Treppen hinauf. Sein Sohn schmiegte sich an die Schulter seiner Mutter. „Kleine Cowboys werden groß, … jeder Cowboy fängt so an. … Er ist erst so klein wie du … und dann wird daraus ein Mann. … Kleine Cowboys werden groß, … doch es braucht halt leider Zeit. … Schlaf jetzt ein und träum ganz schnell … dann ist der Weg nicht mehr so weit.“ Sie legte ihn behutsam in sein Bett und deckte ihn liebevoll zu. Der Junge drehte sich auf die Seite, so, dass er sie anschauen konnte. Sein Blick glitt zum Fenster. „Keine Angst es ist der Mond … der da durch dein Fenster scheint. … Manchmal schaut er grimmig drein … doch es ist nicht so gemeint. … Er ist neidisch auf dein Pferd … das vor deinem Bettchen steht. … Er will gern reiten so wie du … und ärgert sich das es nicht geht.“ Die Hand des Jungen glitt unter der Decke hervor und angelte sich den Zügel des Schaukelpferdes. Er gähnte. „Kleine Cowboys werden groß, … jeder Cowboy fängt so an. … Er ist erst so klein wie du … und dann wird daraus ein Mann. … Kleine Cowboys werden groß, … doch es braucht halt leider Zeit. … Schlaf jetzt ein und träum ganz schnell … dann ist der Weg nicht mehr so weit.“ Der Junge blinzelte müde mit den blauen Augen, die er von seiner Mutter hatte. „Sei ganz ruhig und schlaf ein … halt dein Pony ganz fest im Zaum. … Mach die Augen leise zu … und hol dir deinen großen Traum. … Kleine Cowboys werden groß, … jeder Cowboy fängt so an. … Er ist erst so klein wie du … und dann wird daraus ein Mann. … Kleine Cowboys werden groß, … doch es braucht halt leider Zeit. … Schlaf jetzt ein und träum ganz schnell … dann ist der Weg nicht mehr so weit.“ Dem kleinen Jungen waren die Augen zu gefallen. Ruhig und regelmäßig ging sein Atem. Er war schon fast eingeschlafen. Sie strich ihm sanft über die Locken. „Schlaf jetzt ein und träum ganz schnell … dann ist der Weg nicht mehr so weit.“ Mit diesem Versprechen erhob Mabel sich und trat zu ihrem Mann, der im Türrahmen lehnte. Diese Szene konnte er jeden Abend beobachten und jedes Mal ging ihm aufs Neue das Herz dabei auf. Er hatte wirklich eine wunderbare Frau und einen phantastischen Sohn. Jetzt legte er einen Arm um seine Angetraute. „Ich frage mich, wie viel von dem, was du ihm jeden Abend versprichst, wohl in Erfüllung geht“, murmelte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich hoffe, alles“, gab sie leise zurück und erwiderte die Umarmung. Garys Lippen tasteten sich nach denen seiner Frau. „Das hoffe ich auch“, flüsterte er und drückte ihr einen innigen Kuss darauf. Wie Colt sich am nächsten Morgen fühlte, hätte er nicht beschreiben können. Irgendwie befreit, irgendwie erleichtert, irgendwie vollkommen und zufrieden. Da war noch ein bisschen mehr Nähe zu Robin, noch mehr Wärme und Liebe für sie und etwas, dass wohl Einheit sein musste. Sie kannte ihn nun besser, als alle anderen, besser als Chily. Aber diese Feststellung war eher eine Wohltat, als das er bereute, nie mit seiner Jugendfreundin über das gesprochen zu haben, was er gestern Abend Robin anvertraut hatte. Das Band zwischen ihm und der Lehrerin war fester, reißfester, geworden. Er drehte sich zu ihr um und betrachtete sie, wie sie schlief. Diese wunderbare Frau, die bald seine sein würde, die seinen Sohn unter ihrem Herzen trug und ihn Timothy Gary nennen würde; er beobachtete sie, wie sie träumte. Die Lippen leicht geöffnet und tief und regelmäßig atmend. Entspannt. Das Haar leicht zerzaust. Seine ganz einfach. Warmherzig, treu, lieb, verständnisvoll und leidenschaftlich: all diese schönen Eigenschaften schien es nur für ihn zu geben. Sie schenkte ihm Geborgenheit und das Gefühl von zu Hause zu sein, von Ruhe und Frieden, einfach nur durch ihre Anwesenheit, durch ihr gleichmäßiges Atmen, wenn sie schlief, durch die Liebe in ihren Augen, wenn sie ihn ansah. Er musste sich wirklich zwingen, sich von ihrem Anblick loszureißen und der Eingebung nachzukommen, ihr mal wieder ein leckeres Frühstück zu zaubern. Der Gedanke an ihr erfreutes Lächeln machte es ihm dann doch leichter. Er schob sich unter der Decke hervor und schlich sich in die Küche. Während er dabei war, Kaffee aufzusetzen, den Tisch zu decken und Blumen darauf zu stellen, fiel ihm wieder ein, was er ihr gestern gesagt hatte, bevor sie schlafen gegangen waren. … "Meine Eltern haben sich immer gewünscht, dass ich aus meinem Leben etwas mache...“, hatte er ihr gesagt. Sie hatte gelächelt. „"Du hast aus deinem Leben bereits etwas gemacht. Du hast für den Frieden gekämpft." Er wusste, dass sie es nicht so gern zu gab, weil es den Beigeschmack von Gefahr, Krieg und Tod hatte, aber sie gestand es auch genau deshalb ein. Es gab keine Gefahr, keinen Krieg und daraus resultierenden Tod mehr. Er hatte seinen Job gut gemacht. „Nein, ich hab Cowboy und Indianer gespielt“, hatte er abwiegelte. „Dass ich wirklich was draus gemacht habe, kann ich noch nicht behaupten.“ Dann hatte er sie in seine Arme gezogen und ihr sanft über den Bauch gestrichen. „Na ja, aber jetzt hab ich mal gut angefangen“, hatte er dann gelächelt. „Ach, Colt, du hast so vielen Menschen das Leben gerettet. Du wirst auch gut weitermachen, das weiß ich“, hatte sie versichert und sich an ihn geschmiegt. „Willst du mich los werden? Die Lebensversicherung lohnt sich aber noch nicht für dich.“ Dabei waren seine Augenbrauen in die Höhe geschossen. Sie hatte leicht den Kopf geschüttelt. Der Kerl konnte einfach nie ernst bleiben. „Ich will damit doch nur sagen, dass ich hinter dir steh, bei allem was du tust“, hatte sie ernst erklärt. Genauso ernst hatte er sie angeschaut. „Steh lieber vor mir, damit ich besser in deinen schönen blauen Augen sehen kann“, hatte er dann gelächelt und ihr einen liebevollen Kuss gegeben. … Jetzt seufzte Colt leicht. Er hatte ein Problem, ging ihm auf. Starsheriff war er keiner mehr. Es war Frieden. Er war beim Rodeo. Noch. Er konnte doch nicht wirklich wieder auf ein Pferd steigen und sich nach möglichst erst acht oder neun Sekunden wieder abwerfen lassen. Das Risiko, dass er sich dabei auch das Genick brechen konnte, war immer da, ganz gleich, wie viel Erfahrung man hatte. Dann wären Robin und Timothy Gary allein. Nein, das Rodeo war kein Weg, den er weiter verfolgen würde. Aber was sollte er dann tun? Ein ähnliches Problem hatte Fireball. Er genoss es zu Hause zu sein und seine Tochter auf den Arm nehmen zu dürfen, wann immer er wollte. Die Art, wie sie ihre Nase hoch zog, wenn es aus ihrer Windel verdächtig roch, war dieselbe, wie die ihrer Mutter. Diese kleinen, dunkelblauen Knopfaugen schienen mehr zu wissen und mehr zu verstehen, als alle anderen es vermochten. Wenn er sie auf dem Arm hatte, während er die Zeitung nach Stellenangeboten durchsah, schien sie zu wissen, dass ihr Vater einfach nicht ausgelastet war und eine Aufgabe brauchte, ebenso sehr wie ihre Liebe. Doch die Zeitung gab nichts her. Keine Firma sagte ihm zu und die, die es taten, schickten seine Bewerbungsunterlagen wieder zurück. Vielen erschien er einfach als zu risikofreudig und sprunghaft. In Aprils Armen fühlte er sich geborgen. Sie gab ihm das Gefühl gebraucht zu werden und tröstete ihn, wenn wieder eine Absage ins Haus flatterte. Für sie war er einfach alles, was er sein wollte. Die Sitzungen beim Therapeuten verliefen recht unterschiedlich. Während der Mann mit dem Rennfahrer beinahe verzweifelte und nur langsam vorankam, weil Fireball sich Fremden gegenüber kaum öffnen konnte, stand es mit Colt und Saber anders. Nachdem der Scharfschütze sich zumindest Robin anvertraut hatte, waren auch die Besprechungen beim Psychologen leichter für ihn. Der Schotte hingegen hatte überhaupt keine Probleme mit dieser Bewährungsauflage. Zwar war dem Psychologen durchaus klar, dass die Angetraute des Recken noch weit mehr wusste, als der ihm erzählte, aber für die Arbeit mit dem Highlander reichte es. Für den Blonden liefen die Dinge so, wie sie laufen sollten. Seine Arbeit füllte ihn aus und zu Hause hatte er die Frau, die ihn glücklich machte. Oft beobachtete er sie, wie sie durch die Küche tanzte, vor sich hin sang, wenn sie als Putzteufel durch das Haus fegte oder behaglich die Augen schloss, wenn er sie liebkoste. Häufig sprachen sie über ihre Arbeitstage oder ihre Freunde. Beide machten sich Gedanken, wie die jungen Familien wohl zu Recht kamen, hatten aber auch die Sicherheit, dass alles in Ordnung war. Noch hatte keiner um die Hilfe der Riders gebeten, aber alle hatten die Gewissheit auf den anderen zählen zu können. Mit einem „Wir kaufen nix“ begrüßte Fireball die vier Gäste, die eines Abends aus heiterem Himmel vor seiner und Aprils Tür standen. „Warum nicht? Was stimmt an Angebot und oder Preis nicht? Komm, lass uns feilschen“, entgegnete Colt munter und ließ die Augenbrauen des Rennfahrers in die Höhe schnellen. Was war denn mit dem los? Hatte der, seit er sich mit Robin ausgesöhnt hatte, zu oft „Das Leben des Brian“ geguckt? Den Mädchen jedoch schien es zu gefallen. Die junge Mutter ging direkt darauf ein. „Ich biete einen arbeitslosen Rennfahrer. Wer will?“, grinste sie. „Kein Bedarf“, wehrte Saber ab. „Aber als Pilot lass ich mir das Geschäft schon eingehen, wenn es denn soweit ist.“ – „Tauschst du ihn gegen einen untalentierten Handwerker?“, unterbreitete Robin schmunzelnd ein Gegenangebot. „Selbst ist die Frau“, schmunzelte April zurück. „Also muss ich in Zukunft mit zwei Schreihälsen zu Recht kommen.“ Grinsend stupste die Lehrerin ihren Zukünftigen an. „Können wir das drinnen klären? Ich muss mal Pipi“, vermeldete die Hebamme und schob sich in die Wohnung ohne auf eine Einladung zu warten. Für sie galt es gerade schnell auf die Toilette zu kommen oder in den Hausflur zu machen und letzteres war nun wirklich keine Option für sie. „Dann mal rein in die gute Stube“, lud Fireball ein und öffnete die Tür weit für die anderen Wartenden. „Aber bitte nicht zu laut“, mahnte er dann. „Charlene schläft also schon“, schlussfolgerte der Recke. „Sehr richtig, und das soll auch so bleiben“, bestätigte April. Es war ein langer Kampf gewesen, die Tochter ins Bett zu bringen. Offenbar hatte sie geahnt, dass Besuch kam und hatte aufbleiben wollen. Jetzt führten die jungen Eltern ihre Freunde ins Wohnzimmer. „Was wollte ihr trinken?“, fragte der Rennfahrer. „Ein kühles Blondes wäre nicht schlecht.“ Colt ließ sich auf das Sofa plumpsen. „Ja, das wäre es wirklich nicht.“ Saber nahm neben ihm Platz. „Darf es ein Kurzer vorher sein?“, bot der Japaner an. „Sozusagen als Vorspeise, denn zu Essen gibt es heute nichts.“ Dafür waren die vier zu überraschend aufgetaucht. „Ein kühles Blondes haben sie ja ohnehin schon“, bemerkte April zwinkernd, als Chily zu ihnen kam. „Die heiße Blondine hab ja ich abgekriegt“, blinzelte der ehemalige Pilot zurück und verschwand in der Küche. Gleich darauf kam er mit dem bestellten Bier und drei Kräuterlikören zurück. „So, drei Mal Bier und drei Mal das harte Zeug für die Ladies.“ Damit wollte er die Getränke verteilen. Chily nahm ihm die drei Gläser für die Frauen ab und bedankte sich schmunzelnd. „Du musst dir den Abend schön saufen?“ Erstaunt hob April die Brauen. „Spricht nicht für die Gastgeber“, fügte sie dann hinzu. „Ich trinke nur für euch mit, so lange du stillst und sie“, sie wies dabei erst auf die Navigatorin, dann auf die Lehrerin, „schwanger ist“, erklärte sie amüsiert. Der Rennfahrer zog den Kopf ein und verschwand wieder in der Küche. Den Fehler musste er wieder gut machen. Jeder wusste, dass es im allgemeinen nicht tragisch war, wenn eine Stillende oder eine Schwangere ein kleines Glas Sekt oder etwas ähnliches mittrank, Chily lehnte es dennoch strikt ab, Frauen in dieser Zeit auf diese Weise zu „vergiften“, wie sie es nannte. Ihre Patientinnen hielten sich zum größten Teil an diese Anweisung. Der Grund lag für die Hebamme einfach darin, dass die Umstände auch so den Körper hinreichend beanspruchten und es nicht erforderlich war, ihn auch noch mit dem Abbau von Alkohol, ganz gleich wie gering die Menge war, zu belasten. „Du wirst dein Haushuhn blau mit heim nehmen, wenn er so weiter macht, Boss“, stichelte Colt und lehnte sich zurück. Robin nahm im Sessel neben ihm Platz. „Ja, langsam hab ich den Verdacht, er will meine Frau abfüllen.“ Nachdenklich aber lächelnd strich sich der Recke übers Kinn „Bedenklich.“ Seine Angetraute setzte sich neben ihn. „Dann ist er heute Abend ja beschäftigt“, behauptete sie etwas großspurig, aber die beiden Herren, bei denen sie saß, wussten, dass sie lange nicht so viel vertrug, wie sie eben vor gab. Ihr Mann nahm ihr zwei der Gläser ab und stellte sie auf den Couchtisch. „Du steigst wohl lieber auf was weniger Hartes um, Jolene“, schlug er leicht mahnend vor. „Die drei hauen mich nicht um, so lange ich sonst nix mehr davon trinke“, meinte sie und nippte an dem Glas in ihrer Hand. „Oder bis du aufstehst“, neckte ihr Jugendfreund prompt. „Wer hat nach der Party damals bei Anthony James den Heimweg mit seinem Mageninhalt verziert?“, konterte sie. „Ich hab es nur wie Hänsel und Gretel gemacht. Nur waren die Brotkrumen schon im Magen. Leider“, gestand er und hob unschuldig die Hände. „Gib ihr die wieder Saber. Fireball, bringe Colt mal noch ein Bier mit. Ich bin gespannt, was wir noch erfahren, wenn die beiden so weiter machen“, lächelte Robin mild. Der Gerufene kam mit zwei farbenfrohen Cocktails für die Lehrerin und seine Freundin zurück. „Aber jetzt. Tut mir echt leid.“ Mit der Entschuldigung stellte er die Drinks auf dem Tischchen ab. „Bunt und garantiert ohne Alkohol“, versicherte er und wandte sich wieder um, um noch einmal in die Küche zu gehen. „Wenn das so ist, bring ich Sake und Cognac.“ Saber und Chily fuhren auf. „Bloß nicht“, riefen beide erschrocken aus. Das konnte nicht gut gehen, nicht bei der bunt gesträhnten Blondine. April kam mit Knabbereien hinzu. „Lass den guten Cognac ja dort, wo er jetzt ist, Fire“, wies sie den Rennfahrer an. Erleichtert lehnte sich das Ehepaar zurück. Das war knapp. „Bring lieber den Obstler mit“, zwinkerte die Mutter dann. Chily winkte ab. „Trink ich eh nicht.“ – „Was jetzt? Cognac, Schnaps oder doch lieber das kleine Mädchen-Gesöff?“, hakte der Rennfahrer ungeduldig nach, welche Anweisung er nun ausführen sollte. „Lass gut sein, wir sind versorgt“, meinte Chily und schmiegte sich an ihren Mann. „Davon wird man nicht benebelt, Chily. Das endet maximal in, naja, worin sowas halt endet. In Hobbyräumen zum Beispiel“, nutzte der Cowboy den Moment um ein wenig zu spötteln. Die Hebamme tat ihm auch noch den Gefallen und wurde rot. „War da nicht auch jemand im Hobbyraum nebenan?“, wollte der Schotte wissen und linste vom Lockenkopf zur Lehrerin. Die horchte alarmiert auf. „Wovon redet ihr?“, fragte sie vorsichtig und hoffte, dass es sich nicht um die Silvesternacht drehte. „Bei unseren Nachbarn sind nicht nur Raketen hochgegangen“, grinste der Recke vielsagend. Jetzt begann die Schwangere zu leuchten. „Muss ja hochinteressant gewesen sein. Und wir zwei stehen in der Kälte und frieren uns was ab. Tststs.“ Kopfschüttelnd legte der Japaner einen Arm um die Mutter seiner Tochter. „Tja, die einen spielen Billard und die anderen Poker“, versuchte Colt das herunter zu spielen. Saber schloss sich ihm an. „Und wieder andere beobachten die Sterne“, ergänzte er. Als dritte Frau in der Runde leistete April nun den beiden anderen mit dunklerer Gesichtsfarbe Gesellschaft. Der Recke hatte es nicht ahnen können, aber er hatte einen Volltreffer gelandet. Charlene war bei einem Abendspaziergang auf einer Wiese im Park entstanden. „Unsere Frauen sind Ampeln“, stellte der Scharfschütze fest und schaute von einer zur anderen. „Und alle stehen gerade auf Rot.“ Fireball nahm den Arm wieder von April und trat einen Schritt zurück um die drei zu mustern. „Sagen wir einfach, es ist der Alkohol, der ihnen die Farbe ins Gesicht zaubert“, schlug er vor, schaute noch einmal zu Robin und April und ergänzte so unschuldig, wie es unter unterdrücktem Feixen möglich war. „Oh, ihr trinkt ja keinen Alkohol. Was macht euch dann so heiß?“ Den beiden schoss direkt noch etwas mehr Röte ins Gesicht. Chily leerte ihren Kräuterlikör in einem Zug. Das war ja gerade nicht nüchtern zu ertragen, so viel Doppeldeutigkeit. Die Herren im Raum erheiterte es umso mehr. „Ich mach mal das Fenster auf, unseren Mädels scheint irgendwie heiß zu sein“, neckte der Kuhhirte und machte Anstalten aufzustehen. Der Recke hielt ihn zurück. „Das liegt daran, dass es in der Wohnung weder Partykeller noch Sternenhimmel gibt, da hilft auch die frische Luft grad wenig, Cowboy.“ Die Hebamme kippte augenblicklich das zweite und das dritte Glas hinunter. „Kann ich die Flasche haben, Fireball?“, fragte sie dann und verkniff sich ein Schütteln. Sie würde diesen Abend wohl nur alkoholisiert überstehen, so schien es. „Muss schon blöd sein, wenn die Frau immer einen gewissen Level braucht, um ...“, grinste der Angesprochene dem Schwertschwinger zu, sparte es sich aber den Satz auszusprechen, sondern zwinkerte nur verständlich. Das war zu viel für die bunt Gesträhnte. Sie flüchtete in die Küche um sich die Flasche eben selbst zu holen. „... um zu beichten?“, beendete der Schotte den Satz. „Nein, das ist immer sehr aufschlussreich“, meinte er dann. „Aus dem Alter sollte sie raus sein. Außerdem seid ihr verheiratet, da ist das keine Sünde mehr, sondern eheliche Pflicht,“ stellte Colt klar. Dann rutschte er auf dem Sofa vor, spähte nach seiner Jugendfreundin, rückte zu Saber auf und hakte gespielt vertrauensvoll nach: „Erfüllt sie denn ihre ehelichen Pflichten, Säbelschwinger?“ – „Das geht dich einen Scheißdreck an“, rief Chily aus der Küche zurück. Sie kannte doch Colt gut genug um zu wissen, dass er das jetzt fragte. Der Lockenkopf und der Japaner grinsten sich breit an. „Also nein“, stellten sie wie aus einem Mund fest. Saber schüttelte schmunzelnd den Kopf. Egal, was er oder Chily nun sagten, aus der Sache kamen sie nicht mehr heil raus. Colt und Fireball waren in Fahrt und würden jedes Wort zu Ungunsten des Paares verdrehen und sich darüber schlapplachen. Er erhob sich, ging in die Küche und nahm seiner Frau die Flasche aus der Hand. „Das reicht für heute, Jolene“, entschied er mild und führte sie wieder ins Wohnzimmer. „Rohrkrepierer“, funkelte die Hebamme den Scharfschützen an. Der erinnerte sich sofort an das Ereignis, auf das sie das Wort bezog. „Das wäre in dem Fall jedem passiert“, rechtfertigte er sich, verzog aber das Gesicht dabei. „Da würde auch der Oberheld keine Ausnahme machen“, grinste er dann schmutzig. „Das war ja jenseits von Gut und Böse. Jeder andere hätte es vorgezogen auf Handbetrieb umzuschalten,“ erklärte sie einigermaßen empört und Colt wusste, dass die Empörung berechtigt war. Die damals ihrem Namen alle Ehre machende Tausend-Tonnen-Tina verführen zu wollen, war tatsächlich nicht seine beste Idee gewesen. Aber welcher Mann hatte schon gute Ideen, wenn die Hormone mit ihm durchgingen? Die Kombination mit Alkohol war auch keine gute Entschuldigung dafür. Der Recke schaute von Colt zu Chily. „Ansonsten sind das nur Gerüchte, meine Freunde“, meinte er dann. „Die enthalten immer einen Funken Wahrheit“, neckte der Scharfschütze rasch, um sich nicht länger dieser Erinnerung hingeben zu müssen. „Aber ein Gentleman kann trotzdem Abhilfe schaffen“, konterte der Schotte. Erstraunt darüber, dass der edle Schwertschwinger offensichtlich schon genauso verdorben wie der ehemalige Kopfgeldjäger war, schauten sich April und Robin an. „Will ich das jetzt so genau wissen?“, fragte Fireball und hob skeptisch die Brauen. „Hey, Schwertschwinger, das Kamasutra kommt eher aus der Ecke da“, grinsend deutet der Kuhhirte auf den Rennfahrer, „was hat ein Schotte da schon zu bieten?“ Unbeeindruckt hob der Blonde die Schultern. „Oder ein Cowboy?“ Sehr viel mehr konnte die gelockte Spottdrossel ja dann auch nicht vorweisen. „Andere Tricks halt“, lachte der Scharfschütze munter. „Aha, nicht gezinkte Karten, sondern eher Ersatzteile“, stellte Saber noch immer nicht aus der Reserve zu lockend fest. „Ist alles noch Original“, versicherte Colt nun seinerseits. „Fehlen die Batterien oder sogar noch original verpackt?“, stieg der Japaner in den zweideutigen Dialog ein. „Dazu braucht es keine Batterien“, grinste der Scharfschütze und linste auf seinen Hoseninhalt. „Dafür vibriert er auch nicht so schön“, erklärte Robin trocken, erhob sich und verschwand in der Küche. Colt entgleisten die Gesichtszüge, während Saber und Fireball vor Lachen fast vom Sofa fielen. Da war ihm seine Holde ja mächtig in den Rücken gefallen. „Schande, Colt“, prustete der junge Vater. „Aber die allergrößte“, kicherte der Highlander. „Ja, groß trifft es“, nickte Colt und sah eine Chance wieder Oberwasser zu bekommen. Aber da hatte er die Rechnung ohne die Hebamme gemacht. „Nur wenn du von deiner Klappe sprichst. Alles andere nennt man wohl eher Kümmerling.“ Damit folgte sie der Lehrerin. „Auf alle Fälle vergrault es die Frauen scharenweise“, lachte Fireball munter. „Uh, Colt, du hast schlechte, entschuldige, schmächtige Karten“, feixte er. „Wer hat die wohl ausgeteilt?“ April schloss sich den beiden Freundinnen an und verabschiedete sich ebenfalls aus dem Wohnzimmer. Das Gesprächsthema war eindeutig zu Testosteron gefärbt und nicht ihr Fall. Colt lehnte sich zurück. „So viel zum Thema gentlemanlike“, kommentierte er und sah den Schotten an. Der nahm einen Schluck von seinem Bier und hob nur die Schultern. An der Flucht der drei Frauen war er schließlich nicht allein Schuld. „Hey, Mädels, kommt wieder zurück. Ist doch nur Spaß“, rief der Rennfahrer ihnen nach. Dann trank er ebenfalls noch einen Schluck. Es folgte keine Reaktion, also machte auch er es sich bequem und schaute seine beiden Mitstreiter an. „Na, gut. Können wir mal in Ruhe über die wichtigen Sachen im Leben reden“, grinste er. „Ich dachte, das hätten wir“, merkte Colt trocken. „Das waren deine Nebensächlichkeiten“, korrigierte Saber nüchtern. „Und, was willst du noch lernen, Kleiner?“, wandte der sich schulterzuckend an den Rennfahrer. „Was willst du mir schon noch groß beibringen können, Viehtreiber?“, hakte der Angesprochene nach. „Wie man sich als Arbeitsloser die Zeit totschlägt. Zum Beispiel.“ Aufmerksam horchte der Recke auf. Darüber hatten sie noch nicht gesprochen. „Wann kam der Geistesblitz zu kündigen?“, hakte er beim Rennfahrer nach. „So zwei Wochen vor dem Geburtstermin“, gab der Japaner zur Antwort und hob die Schultern. Na schön, dann hatte er diesen Job eben aufgegeben. Was war schon dabei? Immerhin war es doch riskant, Rennfahrer zu sein und seine beiden Frauen brauchten ihn. Er hatte nicht schlecht getauscht, fand er. „Wir sollten dir öfter eins auf den Hinterkopf gönnen, das scheint wirklich die Denkfähigkeit zu erhöhen“, stichelte Colt, staunte aber doch sehr. Dafür, dass es für den Rennfahrer mal alles bedeutet hatte, ging er doch recht gelassen damit um. „Und was wirst du jetzt machen?“, fragte er dann ernst. „Ich bin Vater. Reicht doch erst mal“, gab Fireball zurück. Nun, zumindest war es das, was er sich einzureden versuchte. „Glücklicher Papa, wie es scheint.“ Saber fiel durchaus auf, dass dem nicht so war. „Wann willst du Ehemann werden?“, wollte er dann wissen. Irgendwelche ernsthaften Pläne musste der Kleine doch gemacht haben. Nun fuhr der auf. Irgendwie war er in ein Verhör geraten, glaubte er. „Ich hab eine Familie“, stellte er etwas erschrocken fest. „Dafür braucht man doch nicht unbedingt einen Trauschein.“ Der Scharfschütze lachte keck. „Ha! Der hat eiskalte Füße.“ Saber schüttelte den Kopf. Das war nicht der Zeitpunkt um aufs Neue in albernes Geplänkel zu verfallen. Es ging immerhin um die Zukunft dieser Familie. Tatsächlich spielte der Name dabei eine weniger wichtige Rolle, als das Einkommen. So eine Familie wollte schließlich ernährt werden. „Der hat auch keinen Job“, erinnerte er den Lockenkopf und wandte sich an den Wuschelkopf. „Ernsthaft, Fireball. Niemand streitet ab, dass du deine Tochter liebst, aber du bist kein Hausmann“, bemerkte er dann. Der nickte bestätigend. „Du hast auch sicher die Stellenangebote durchforstet“, hakte der Schotte weiter nach. „Nö.“ Ironisch zog der junge Vater das Wort lang. „Was glaubst du denn? Durchforstet schon, aber nix gefunden“, gab er dann etwas verstimmt Auskunft. Der Recke nickte verstehend und schaute zum Scharfschützen. „Und du hast das gleiche Problem, sehe ich das richtig?“, mutmaßte er. Wenn der kleine Hitzkopf Vernunft annahm, weil er Vater geworden war, bestand bei einem Hallodri wie Colt durchaus auch eine Chance. „Ich muss erst mal das Haus kindersicher machen. Naja, bei meiner Begabung dauert es halt ein bisschen länger“, entgegnete der und verriet damit, dass er wohl noch nicht allzu weit mit seinen Überlegungen zu diesem Punkt gekommen war. „Und das Rodeo?“, bohrte Saber sofort nach. „Zu sprunghaft geworden. Ich will bei meiner Robin sein“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Nun, wenigstens das war entschieden. Erstaunlich, was Kinder schon bewirken konnten, wenn sie noch nicht mal da waren. „Und was hast du dann vor?“, ließ sich der Highlander dennoch nicht davon abbringen, weiter nachzuforschen. Colt hob die Schultern und machte ein ratloses Gesicht. „Das ist die Frage, auf die ich noch keine Antwort habe.“ – „Die Frage ist, was du so kannst außer Viecher zusammen zu treiben“, berichtigte Fireball mit einem leichten Zwinkern. „Ach, ich kann eine ganze Menge. Ich bin ein Organisationstalent, kann gut mit Menschen, auch mit Rennsemmeln, und ich hab Humor“, wusste der Kuhhirte sofort aufzuzählen. „Wenn du so fragst, Fireball, was kannst du außer Rennen fahren?“, schoss Saber seine nächste, nicht so unwesentliche Frage hervor. „An und für sich bin ich ja ein erstklassiger Chauffeur“, grinste der Angesprochene. „Aber, die Zeiten sind vorbei. Also kann ich nur von mir behaupten, dass ich einen guten Riecher fürs Geschäft hab, gesellig bin und endlich mal wieder eine berufliche Herausforderung brauch“, erwiderte er. Und das konnte er auch getrost behaupten. Dass der Pleitegeier im Hause Hikari Eagle noch nicht Einzug erhalten hatte, lag überwiegend daran, dass der Wuschelkopf sein Geld gut angelegt hatte und etwas davon verstand zu wirtschaften. Er hatte in den Verhandlungen mit seinen Vorgesetzten im Motorsport eine Menge Erfahrungen sammeln können, die er seither zwar nur im privaten Bereich hatte nutzen können, aber wenn er es recht überdachte, sicher auch auf beruflicher Ebene erfolgreich anwenden konnte. „Aber ihr habt es beide nicht so mit Vorgesetzten“, ergänzte der Recke die Liste ihrer Eigenschaften. Sie waren ja gelegentlich recht aufmüpfig während des Falles um Pennyrile gewesen. „Ein bisschen mehr sein eigener Chef sein, hätte schon was für sich“, musste da der Rennfahrer zugeben. „Tja“, schmunzelte der Schotte und schaute an seinen Beinen hinunter. „Wenn ich schönere Beine hätte, hättet ihr wohl mehr auf mich gehört.“ Der Rennfahrer winkte lässig ab. „Ich wette, in den richtigen Strümpfen hast du auch tolle Stelzen“, grinste er dann. „Ja, wobei Fire eher die Figur für die Dessous hätte, als wir zwei“, bestätigte Colt keck. „Ach deshalb wollte Jolene ihn mal in ein Cheerleader- Outfit stecken“, kapierte der Schotte und schlug sich leicht mit der Hand gegen die Stirn. Den Japaner musternd strich sich der Scharfschütze übers Kinn. „Ja, mit so rosa Pumps“ Er meinte die Pompoms, dass wussten seine Freunde. „könnt ich ihn mir gut vorstellen“, grinste er dann. Der Rennfahrer lehnte sich zurück. „Rosa?“ Skeptisch hob er die Brauen. „Passt aber so gar nicht zu meinen Augen“, bemerkte er dann ernst. Der Blonde und der Lockenkopf schauten sich einen Momentlang überrascht an, dann prusteten sie los und wären vor Lachen fast vom Sofa gefallen. Zumindest hingen sie verdächtig absturzgefährdet darauf. „Von mir aus auch rot, aber dafür will ich dann einen Spagat sehen“, japste der Kuhhirte. „Gern, wenn du den vormachst“, grinste der Japaner zurück. „Ihr solltet euch zusammentun und eine Akrobaten-Nummer einstudieren“, scherzte der Blonde. „Wir uns zusammen tun? Nur wenn wir einen Ort finden, wo er in seinen Buggys rumkurven kann und ich wenigstens einen elektrischen Bullen zum reiten hab“, entgegnete Colt grinsend. „Am Stadtrand gibt es eine nette Gokartbahn mit einem Restaurant, steht schon seit Jahren leer. Leider. Die Gaststätte war so riesig, da würden drei von deiner Sorte Bullen reinpassen“, meinte Fireball und erntete ein Grinsen von dem Scharfschützen. „Und wie viele von deinen Seifenkisten? Dann machen wir da einen Laden auf“, unkte er. „Genug“ war die Antwort. Wie es oft mit solchen verrückten Ideen war, spann der junge Vater diese weiter. „Eine echte Marktlücke wär das dann, wenn wir auch noch Sushi und Westernschmaus anbieten würden.“ Der Schotte schaute von einem zum anderen. Die waren ja dabei etwas zu planen, ohne dass es ihnen bewusst wurde. Er lehnte sich zurück und hörte aufmerksam zu. „Na, dann musst du den Futtertempel aber in zwei Bereiche aufteilen. Mischen kann man so eine Deko nicht“, behauptete der Kuhhirte postwendend. „Und ob ich das kann“, widersprach der Wuschelkopf. „Ich mal deinem Bullen Schlitzaugen auf, das kommt sicher gut“, spielte er mit dem Japaner-Klischee. „Da muss ja jeder Bulle ausschlagen und bocken“, schmunzelte Colt. „Ja, oder wenn deine talentfreien Finger an die Mechanik kommen“, warf der Recke dazwischen. Das hatte er nicht unterdrücken können. Fireball lachte munter. „Meine Güte, kannst du dir das vorstellen?“, fragte er den Lockenkopf. „Wir zwei zeigen der multikulturellen Stadt Yuma mal, was Multikulti wirklich heißt!“ Der grinste breit. „Ja, und ich weiß auch schon wie wir den Laden nennen: WEast“, schlug er vor, womit er die Worte West und East kombinierte. „Du hast sie echt nicht alle, Cowboy.“ Fireball lachte noch mehr. Obwohl, so richtig hatte er selbst sie auch nicht mehr alle. „Oder noch besser“, unterbreitete der Scharfschütze einen neuen Vorschlag. „No Risk No Fun. Man braucht schon Mut um sich auf sowas einzulassen“, begründete er dann. Saber nickte leicht vor sich hin. Die Idee gefiel ihm. Das Ganze könnte sogar klappen, dachte er, während er das gedanklich auswertete. Ja, das war wirklich keine schlechte Sache. Auch Fireball überlegte. „NoRiNoFu“, meinte er dann. „Klingt doch gar nicht mal so übel und etwas asiatischer.“ Colt hob die Schultern. „Ich such jedenfalls die Bedienungen aus“, lachte er. „Und der Koch ist dir wurscht, oder was? Wenn es nicht schmeckt, hat die Bedienung nicht lange Gäste zum bedienen“, ließ der Japaner den Manager in sich zum Vorschein kommen. „Den darfst du aussuchen“, gestattete Colt ihm großzügig. „Mach ich doch glatt. Testesser bin ich ohnehin ein guter“, erwiderte der junge Vater. „Wir sollten den Geizhals mit einbeziehen“, überlegte der Cowboy laut und deutete auf den Recken. „Da ist im Notfall wenigstens noch was zu holen“, fügte er feixend hinzu. Abwehrend hob der die Hände und schaute die beiden an. Denen schien noch das letzte bisschen Überzeugung zu fehlen, um den Plan in die Tat umzusetzen. Das würde er ihnen liefern. „Ich komm gern als Gast, aber Geld steck ich keins rein und Arbeit schon gleich drei Mal nicht“, versicherte er. Die beiden Energiebündel sahen ihn überrascht an, dann je den anderen. „Er traut es uns nicht zu“, stellte Colt schlicht fest. „Dann sollten wir ihn eines Besseren belehren“, meinte der Rennfahrer und schlug in die Hand, die der Lockenkopf ihm anbot. „Dann zeig ich dir morgen Vormittag mal, wo das Schmuckstück genau liegt.“ Damit war es eine beschlossene Sache. Die Mädchen hatten unterdessen die Küche betreten. „Unfassbar.“ Kopfschüttelnd stellte Robin ihren Cocktail auf der Theke ab. „MÄNNER. Große Klappe …“, begann Chily beim Eintreten. „... nichts dahinter“, beendete April, wobei sie ihr folgte. „Leg sie auf die richtige Couch und sie kriegen keinen Ton raus“, fügte die Navigatorin hinzu. „Ach, deiner auch?“, schmunzelte die Lehrerin. „Das Schweigen der Lämmer“, schnaubte die Gefragte zurück. „Eher das schwarze Schaf. Lämmchen ist meiner keins, aber garantiert nicht.“ Robin lehnte sich an die Anrichte und schaute zu der Hebamme. „Wie geht es Saber damit?“, fragte sie. „Das ist nicht mehr der Mann, den ich kennen gelernt habe. Zumindest nicht in dem Punkt“, erwiderte diese. Ihre beiden Freundinnen wussten, was sie meinte. Der Recke war offener geworden und mauerte sich schon lange nicht mehr so eisern ein, wie einst. „Wenigstens einer scheint was gelernt zu haben.“ April seufzte. Das konnte sie leider nicht über den Vater ihrer Tochter behaupten. Die Lehrerin nickte verstehend. „Stimmt. Hab ich vorher noch gedacht, Colt wäre schweigsam, so hat er mich nach der ersten Sitzung eines Besseren belehrt. Da war jede Leiche gesprächiger“, klagte sie. „Soll das heißen, er hat dir noch nicht von seinen Eltern erzählt?“, wollte Chily überrascht wissen. Das war doch wohl hoffentlich jetzt nicht wahr. „Doch“, räumte die Schwangere ein, „aber erst spät und ohne Sitzung beim Psychodoc.“ Zufrieden mit dieser Auskunft lehnte sich die Hebamme an die Tür des Kühlschrankes und nahm einen Schluck von ihrem Drink. „Hätte ich unsere Plaudertasche gar nicht zu getraut, dass er mal was nicht erzählt“, staunte die junge Mutter. „Er hat so vieles nicht erzählt, April. Aber deiner ist da ja auch nicht besser.“ Auch Robin trank noch etwas von ihrem Cocktail. Fireball hatte wirklich etwas leckeres damit zusammen gemischt. „Amen“, bestätigte die und schüttelte über diesen Umstand alles andere als erfreut den Kopf. Überrascht hob die Lehrerin die Brauen. Das war ja wirklich ein Volltreffer gewesen. „Er kommt mit dem Tod von Mandy nicht klar. Egal, wie gut er sich mit Chily versteht“, erklärte April bedrückt. In dem Punkt machte ihr Freund ihr wirklich Sorgen, ganz besonders deshalb, weil sie nicht wusste, wie sie an ihn herankam. „Das ist mir auch schon aufgefallen. Also, ich meine, dass er sich mit Chily gut versteht“, erwiderte die Schwangere. „Die Sache mit Mandy belastet Fireball wohl mehr, als man merken würde“, stellte sie dann fest. „Allerdings“, nickte April die neuerliche Bestätigung. Die bunt gesträhnte Blondine nahm noch einen weiteren Schluck. Nichts von dem, was sie gerade hörte, überraschte sie. Das alles hatte sie schon die ganze Zeit über gespürt. „ Ich hoffe bloß, du bist auf mich nicht so eifersüchtig, wie auf sie“, meinte sie dann mit leichtem Unbehagen. Es war schon schlimm genug, dass Robin so empfunden hatte, da sollte April sich nicht anschließen. „Wie könnte ich?“, lächelte die Navigatorin zurück, trotzdem erkannte Chily die Notlüge darin und schluckte beklommen. Ernst fuhr die junge Mutter nun fort. „Manchmal glaub ich, er schiebt alles zur Seite, als hätte es Mandy nie gegeben, oder wär das alles nie passiert. Es ist grad schwierig mit ihm, vor allem, wenn er vom Doc kommt. Eine Katastrophe.“ Bedeutungsvoll schaute sie zur Lehrerin. Das, was diese einmal mit erlebt hatte, war noch die zensierte Vorstellung gewesen. „Tja, ich schätze, ich habe ein ähnliches Kaliber daheim“, seufzte Robin. „So lange sich die beiden dagegen wehren, wird es wohl auch nicht besser werden“, stellte Chily fest und nahm noch einen Schluck. „Da hilft wohl nur die Devise: Augen zu und durch“, meinte April und widmete sich auch mal ihrem Glas. „Und Geduld“, ergänzte die bunt gesträhnte Blondine. „Amen.“ Robin und April waren für sie sehr zu bedauern. Es war nicht leicht, wenn man gern für den Partner da sein wollte, der es aber nicht zuließ. Sie war doch sehr erleichtert, dass ihr Mann sich in diesem Punkt doch gründlich gewandelt hatte. „Es ist schon unglaublich“, meinte sie nun. „Da sitzen die drei zusammen, reden einen Testosteronunsinn daher, tun sonst wie groß oder hart und sind in Wahrheit alles Weichspüler“, schmunzelte sie dann um die bekümmerten Gesichter der beiden Blondinen zu vertreiben. Es wirkte. „Blöd nur, dass es unsere sind. Wir haben sie an der Backe und werden sie nicht mehr los, die Helden des Neuen Grenzlands“, lachte April. „Pantoffelhelden“, korrigierte die Lehrerin sie ebenfalls kichernd. „Ich frag mich nur, was die grad sonst noch quatschen?“ Die junge Mutter linste ins Wohnzimmer. Die Schwangere tat es ihr gleich. Gerade deuteten Colt und Fireball auf den Schotten. „Spekulieren wohl drauf, wann Saber Papa wird, so wie es aussieht“, schlussfolgerte die Lehrerin grinsend. „Na, da sind sie dann wirklich den ganzen Abend beschäftigt“, bemerkte Chily und nippte wieder an ihrem Drink. „Ich sehe schon die ersten Wetten diesbezüglich laufen.“ Damit wandte sich die Navigatorin wieder zu ihren Freundinnen in die Küche um. „Wie man an uns sieht, schlägt es sowieso immer dann zu, wenn man es nicht erwartet. Wetten also völlig zwecklos“, meinte Robin und lächelte die Hebamme an. „Vor allem haben Saber und ich schon vier große Kinder“, grinste diese breit und zwinkerte den beiden Blondinen zu. „Selbst eingebrockt. Da gibt es mal gar kein Mitleid“, kam es von denen wie aus einem Mund zurück. „Aha, hab ich sozusagen adoptiert, als ich ihn geheiratet hab“, stellte die bunt gesträhnte Blondine dann scheinbar leicht erschrocken fest. „Ja, eindeutig“, nickte April. „Na, das hätte ich vorher wissen müssen.“ Auf den Schrecken leerte die Hebamme ihr Glas auf einen Zug. „Stand ganz dick im Ehevertrag. Punkt I Ziffer I Absatz I. Wer mich heiratet, bekommt auch den Rest der Star Sheriffs sowie dessen Partner, anvertraut“, informierte Robin sie trocken. „Oh. Na, wer lesen kann, ist echt klar im Vorteil“, lachte die Angetraute und daher Betroffene munter. „Ich weiß gar nicht, was du hast. Für Saber und vor allem für uns war es ein echter Gewinn“, neckte April sie leicht. „Beruhigend. Für mich auch“, lächelte die bunt gesträhnte und füllte ihr Glas aufs Neue. Sie würde mit einem Schwips nach Hause gehen, das wusste sie, aber es hielt sie nicht davon ab noch einen weiteren Kräuterlikör zu trinken. Dass Saber es ihr aktuell nicht verbieten konnte, kam ihr gelegen. „Mit uns wird es niemals langweilig“, nannte Robin ihr ein gutes Argument für diese unfreiwillige Adoption. „Das war ohne Kinder so und wird mit auch nicht besser“, fügte April hinzu und warf wieder einen Blick ins Wohnzimmer. „Nein, mit den Kids niemals“, schmunzelte sie dann „Amen“, ließ Chily sich vernehmen und trank noch etwas. „Die werden nie erwachsen“, stellte die Navigatorin kopfschüttelnd fest. „Wie schaffen die es nur immer wieder, das Neue Grenzland zu beschützen?“ Da konnte sie ja glatt Jesse Blue verstehen, wie sie sich schockiert eingestehen musste. Aber das hielt nicht lange an. „Na, du weißt doch, Kinder haben besondere Schutzengel“, erklärte Chily ihr das Phänomen und Robin ergänzte dies. „Und mehr Glück als Verstand.“ Die drei schmunzelten sich an. „Dann ist es gut, dass sie nie erwachsen werden“, meinte die junge Mutter und schob die Hebamme zur Tür. „Wir sollten sie zur Vernunft bringen, bevor sie noch irgendeinen Blödsinn aushecken können. Was meint ihr?“, schlug sie dabei vor. Die Geschobene nickte. „Hoffentlich ist es nicht schon zu spät“, unkte Robin und folge. Die drei Frauen kamen gerade rechtzeitig zurück um Zeugen einer höchst seltsam klingenden Konversation zu werden. Eben erklärte Fireball entschieden, aber grinsend: „Eins sag ich dir, Kuhtreiber. Fifty fifty, so wie es sich gehört.“ Wie das zu dem zuvor gehörten testosterongefärbten Schlagabtausch passte, konnten sich die Vertreterinnen der holden Weiblichkeit nicht erklären. Ihre Augenbrauen schossen ungläubig in die Höhe und Fragezeichen prangten auf ihren Gesichtern. „Ich hoffe, ihr teilt das Bier“, brachte Chily schließlich hervor und wies auf die Flaschen auf dem Tisch. „Das texanische Bier, das wir in unserer Kneipe zapfen, ja. Und vor allem die Kohle, die da abfallen wird“, erklärte Colt sofort und unbeachtet der Tatsache, dass keine der drei wissen konnte, worum es dabei genau ging. „Bitte?“, ließen sich die Frauen im Chor vernehmen. Der Rennfahrer deutete keck auf den Schotten und behauptete, an dessen Angetraute gewandt, ganz unschuldig: „Der ist Schuld!“ Chily entgleisten einen Augenblick lang verständnislos die Gesichtszüge. Sie leerte ihr Glas in einem Zug und entschied dann. „Ich geh noch einen trinken. Die Welt ist nicht in Ordnung, wenn mein Mann für so was Seltsames verantwortlich ist.“ Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand wiederum in der Küche. Saber sprang auf und ging ihr hinter her. „Schatz, seit wann vertraust du auf Aussagen eines halbwahnsinnigen Rennfahrers in Frührente?“, rief er dabei, schmunzelte aber. So ganz Unrecht hatte sie ja damit nicht. „Okay. Erklärung bitte, Colt“, verlangte Robin, als die beiden verschwunden waren, und schaute ihren Zukünftigen gespannt an. „Matchbox und ich haben uns Arbeit gesucht. Einen Haufen Arbeit“, erhielt sie freudestrahlend, aber noch immer zusammenhangslos zur Antwort. „Ein bisschen genauer bitte?“, hakte sie deshalb nach. Nicht weniger begeistert startete nun der Rennfahrer einen Erklärungsversuch. „Colt und ich gehen unter die Küchenchefs.“ – „Und hinter die Bar. so à la "Cocktail“ Die beiden saßen so breit grinsend vor ihren Freundinnen, wie kleine Jungs nach einer großen, abenteuerlichen Entdeckungstour. Wie sollten die junge Mutter und die Schwangere da folgen können. „Ihr werdet Tellerwäscher?“, missdeutete die Navigatorin. „Ich weiß ja nicht, wie das mit Fireball ist, aber Colt ist den Job ganz schnell wieder los, so viel wie er dabei zerdeppern würde. Er wird kein Tellerwäscher und damit auch kein Millionär“, meinte die Lehrerin skeptisch. „Ich werd nix zerdeppern, weil ich keine Teller rumschubsen werde. Dafür hat man heutzutage Personal“, versicherte der Lockenkopf verschmitzt. „Du nennst mich doch nicht etwa dein Hausmädchen?“ Robins Brauen schoben sich tadelnd nach oben. „Nein, Schatz“, korrigierte der Scharfschütze schnell. „Aber im Restaurant, da haben wir dann Personal. So nette Schankmädels halt.“ Unverändert ungläubig konnten die beiden Frauen nur noch mal nachhaken. „Schankmädels? Restaurant?“ Sie hatten eindeutig etwas verpasst. „Mal bitte von Anfang an, ich komm kein bisschen mit.“ Ungeduldig und streng verschränkte Robin die Arme vor der Brust und schaute die beiden an, wie sie es als Lehrerin tat, wenn ihr die Rabauken auf der Nase herumtanzen wollten. „Okay, noch mal zum Mitschreiben und Mitdenken“, begann der Japaner nun und sortierte seine eigenen Gedanken dabei noch mal. „Also, Colt und ich werden uns selbständig machen, vorausgesetzt, das mit dem Areal haut so hin, wie wir uns das vorstellen. Wir hatten die Idee, ein kleines Restaurant hier in Yuma aufzumachen, mit ein bisschen WildWest-Flair und Asialook. Nebenbei eine kleine GoKartBahn...“ Colt ergänzte sofort. „ …ein paar elektrische Bullen.“ Dann wandte er sich an seinen zukünftigen Geschäftskollegen. „Dart und Billard wäre auch nicht schlecht. Müsste man sehen, wie es rein passt“, ergänzte er die vorangegangenen Ideen und meinte dann wieder zu ihren Freundinnen. „Die Speisekarte wird jedenfalls schön gemischt von Ost nach West gehen.“ – „In 80 Happen um die Welt“, grinste Fireball. „Ja, das hatte ich auch schon gedacht. Ernsthaft. Und die Gerichte sollten wir entsprechend benennen. Orientexpress das darf exotisch und scharf sein“, schaltete der Cowboy sofort. „Halt, Moment mal. Haltet ihr das wirklich für eine gute Idee? Ihr versteht doch beide nichts vom Kochen“, hakte Robin skeptisch nach, bevor der Vater ihres Ungeborenen in einem Strudel an Ideen davon schwimmen konnte. „Na, dafür stellen wir uns ja auch Leute ein. Wir wissen, wie es schmecken muss und suchen uns den raus, der das auch so hinbekommt. Schöne Beine zum Bedienen im Minirock haben wir auch nicht, da werden wir uns auch entsprechende Angestellte zulegen müssen“, meinte er mit einer leichten Selbstverständlichkeit. April unterdrückte ein Grinsen, als sie in Robins Augen ein eifersüchtiges Funkeln gewahrte, und versuchte das Thema etwas abzubiegen. „Ich hab Fires Beine schon in Shorts gesehen. Das kann man dem Rest der Welt getrost ersparen“, schmunzelte sie und schlug den Bogen davon weg. „Wie habt ihr euch das gedacht, wenn man mal neugieriger Weise nachfragen darf? Ich mein, die Geschäftsidee ist nicht so übel, es gibt in ganz Yuma kein Restaurant, das Küche von überall anbietet.“ Da hatten die beiden eine echte Marktlücke gefunden. Das konnte was werden. „Tja, bis jetzt haben wir nur grobe Vorstellungen davon. Alles steht und fällt im Grunde mit dem Objekt unserer Begierde“, erläuterte der Rennfahrer, froh darüber, dass April wohl mit der Idee einverstanden war. „Willst du mitkommen und es dir ansehen?“, fragte er sie deshalb. „Der Kleine wird dann die Buchhaltung übernehmen, in Mathe war er ja gut“, lachte Colt. „Ja, wenn er sonst schon nichts konnte“, grinste die junge Mutter zurück. „Bis zehn zählen geht grad noch, das reicht vollkommen“, stieg Fireball auf die Neckereien ein und hielt seine Hände in die Höhe. „Und was wirst du tun, Colt? Die Bedienungen auf Tauglichkeit prüfen? Wenn sie schnell genug vor dir flüchten können, können sie auch den ganzen Tag rumlaufen und Gäste bedienen. Oder wie sieht der Eignungstest aus?“, bohrte Robin von Eifersucht geplagt nach. „ Na, eigentlich wollt ich schauen, wie vollgestapelt das Tablett sein kann, bis sie es nicht mehr von der Küche bis zum Gast heil schaffen. Im Ernst jetzt, Schatz. Ich kann gut mit Leuten. Ich kann mir das gut vorstellen, hinter der Bar zu stehen und Guavensaft auszugeben“, antwortete er aufrichtig und konnte in dem Moment nicht ganz nachvollziehen, was in seine Braut gefahren war. „Du kannst vor allem gut mit jeder Frau“, schnappte die prompt und setzte sich auf den Sessel, der am weitesten von dem Scharfschützen entfernt stand. Dort grummelte sie vor sich hin, wie viele Frauen, die in absehbarer Zeit fülliger werden würden und sich Sorgen um ihre Attraktivität für ihren Partner machten. Colts bisherige Schwäche für das schöne Geschlecht war da nur Salz auf der Wunde. Die Hebamme hatte sie davor gewarnt, dass sie so empfinden konnte, aber das half nicht, dieses Gefühl einzudämmen. Dafür half Charlene, die wohl etwas von der Geburtshelferin abbekommen hatte und sich entschied jetzt durchs Babyphone zu brüllen. „Ich geh schon“, sagte April und auch der Rennfahrer stand auf. „Ich geh schon, Süße“, meinte er gleichzeitig. Das Paar lächelte sich an und ging gemeinsam nach dem Töchterchen sehen. Es war ein wenig so, als hätte die Kleine bewusst geschrien, damit Colt und Robin ungestört den Disput beenden konnten, ehe er wirklich aufkam. Der Scharfschütze rutschte langsam, aber stetig zu seiner Herzdame auf, um sich dann auf die Armlehne des Sessels zu setzen und sie mit großen Augen unschuldig anzusehen. „Schatz?“, ließ er sich bittend und klagend zu gleich vernehmen. Sie wandte sich jedoch ab und zeigte ihm sprichwörtlich die kalte Schulter. „Och, Robin.“ Er legte ihr sanft die Hand auf jene Schulter und schmiegte sich so nah er konnte an sie. „Du musst mich lieb haben, schon vergessen? Du willst mich heiraten“, erinnerte er sie leise. „Ich bekomme auch deinen Sohn, das scheint dich auch nicht davon abzuhalten, dich weiter umzuschauen“, gab sie schmollend zurück. „Ich schau mich doch gar nicht um. Das dumme Geschwätz.“ Er küsste sie sanft in den Nacken. „Das Schönste“ Wieder hauchte er ihr einen Kuss auf die Stelle. „das Beste“ Ein weitere Kuss kam hinzu. „und das Liebste“ Und noch einer. „hab ich doch schon längst gefunden“, versicherte er ihr so. Weil diese Zärtlichkeit angenehm kribbelte, zog Robin den Kopf in den Nacken. „Und wie lange weißt du das, wenn ich wie ein Hefekloß aussehe und vor deiner Nase so eine kleine Barbie-Puppe rumtanzt?“, wollte sie wissen. „Jeden Atemzug lang“, schwor er aufrichtig. „Denkst du, ich weiß nicht, was du für ein Schwerenöter bist“, versetzte sie noch immer eifersüchtig. „War“, berichtigte er sofort. „Das bin ich nicht mehr. Nicht mehr, seit ich dich kenne“, murmelte er an ihre Schulter und hauchte ihr noch einen Kuss darauf. „Ach, dass soll ich dir glauben.“ Robins Zweifel rührten nicht wirklich daher, dass sie in ihrer Beziehung zu Colt je Grund zur Eifersucht gehabt hätte, sondern mehr daher, dass sie wie jede, biologisch gesehene, Nestbauerin sicher stellen wollte, dass das Nest für den Nachwuchs bereit war. Dazu gehörte ganz dringend ein zuverlässiger Partner. April hatte ähnlich verursachte Momente gehabt, wie Colt mitbekommen hatte. Deshalb drehte er die Schwangere nun behutsam zu sich herum und schaute sie warm an. „Sieh mich an, Robin. Wie könnte ich eine andere Frau auch nur ansehen, wenn ich meinen Schatz zuhause habe? Ich würde nicht mal auf den Gedanken kommen, würde ich nicht“, versicherte er. Er musste ihr diese Bedenken nehmen. „Du hast in den Momenten gedacht?“, fragte sie schnippisch zurück. Getroffen senkte er den Kopf. Ihre Vorwürfe galten seiner wenig rühmlichen Vergangenheit zu dem Thema. „Lass mich nicht auflaufen, Robin. Dann gehe ich auf Grund“, bat er leise. „Niemand, und ich meine wirklich niemand, bedeutet mir so viel, wie du es tust. Du und der kleine Cowboy in dir“, betonte er noch einmal ehrlich, aber sie schien ihm nicht zu glauben. Leise seufzend ließ er die Hände sinken. Was sollte er noch tun? Er hatte ihr ja mit seiner ersten Reaktion auf die Schwangerschaft nicht gerade Sicherheit gegeben. So unberechtigt war ihr Verhalten ja gar nicht. Aber sie wurde milder. „Meinst du das ernst?“, wollte sie zaghaft wissen. „Natürlich mein ich das ernst, sonst würde ich das nicht sagen“, erwiderte er leidenschaftlich und zog einen Schmollmund. „Colt, ich weiß schon ziemlich gut, wie du früher warst und mir fällt es manchmal schwer zu glauben, dass du dich geändert hast. Besonders jetzt.“ Sie wies leicht auf ihren Bauch. „Ich hab Angst, dass ...“, brach sie dann aber ab und schluckte das „du mich verlässt“ hinunter. Colt verstand auch so. „Du brauchst keine Angst zu haben. Das wird niemals passieren. Niemals.“ Sanft zog er sie an sich, ließ sie ihren Kopf an seine Schulter lehnen und strich ihr sacht über den Bauch. Darin wuchs sein Sohn heran. Die Lehrerin schmiegte sich an ihn. „Ich schaff das nicht ohne dich“, flüsterte sie. „Das musst du auch nicht. Ich bin da, bei dir und Klein-Timmy.“ Er drückte ihr einen Kuss aufs Haar. „Ob Tim wohl noch einen Struppi braucht?“, überlegte er dann laut mit der Ernsthaftigkeit, die nur er haben konnte, und die anderen in solchen Momenten weniger ernst erschien. Deshalb hob sie jetzt leicht irritiert den Kopf. „Was meinst du damit?“ – „Na, Tim und Struppi, der Hund, Liebling“, antwortete er mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre es das Leichteste seiner teilweise recht sprunghaften Logik zu folgen. Wieder strich er über ihren Bauch. „Vielleicht legen wir uns später mal einen Hund zu, damit Tim mit ihm spielen kann?“, meinte er dann. „Das ist eine gute Idee, finde ich. Wenn er reiten lernen will, bringen ihm Saber und Chily das sicher gern bei“, stieg sie auf die Idee ein. „Weil der Papa das nicht kann, oder wie?“ Entrüstet deutete er auf sich. „Aber die beiden haben die Pferde“, wandte Robin ein. „Die kann man sich auch mal leihen, ne Stunde oder zwei, drei...“, wiegelte er sofort ab. Die Lehrerin musste lachen. „Oh, Cowboy.“ – „Bist selbst schuld. Du wolltest mich. Du hast mich gekriegt. Also beschwer dich nicht“, grinste er verschmitzt zurück. „Werd ich nicht so lange du bleibst.“ Diesmal gab sie ihm einen sachten Kuss. „Dann wirst du dich nie beschweren. Hach, die Welt ist schön“, stellte er munter fest. Bevor er noch mehr solcher Feststellungen treffen konnte, versiegelte sie ihm den Mund mit einem warmen, langen Kuss. Weder Saber noch Chily hatten irgendetwas davon mitbekommen, was sich im Wohnzimmer abgespielt hatte. Gleich nach seiner Ankunft in der Küche hatte der Recke ihr das Glas aus der Hand genommen und amüsiert schmunzelnd festgestellt. „Du hast einen Schwips, Jolene.“ Sie kicherte leicht und sah ihm zu, wie er es weit von ihr auf die Anrichte stellte. „Ja“, bestätigte sie, „und du hast es nicht verhindert.“ Er trat wieder zu ihr. „Wie denn, wenn du lieber mit den anderen beiden in der Küche tratscht?“, wollte er wissen. „Den testosterongesteuerten Dialog konnte man ja nicht nüchtern ertragen“, rechtfertigte sie sich halbherzig. „Ach nein?“ Er zog sie in seine Arme und schmiegte sich an sie. Sein Blick dabei verriet ihr genau, was er vorhatte. Sie schob ihn von sich und tat entsetzt. „Mister Rider, was geht denn schon wieder in Ihrem Kopf vor?“ Aber er ließ sich nicht schieben. „Das, was mir immer in den Sinn kommt, wenn ich meine bezaubernde Frau ansehe“, antwortete er. Tatsächlich ging ihm auf, dass ihre Vorliebe für Röcke oder Kleider, unabhängig zu welcher Jahreszeit, ihm gerade mehr als gelegen kam. Sanft ließ er seine Hand unter den Saum des Rockes gleiten, den sie gerade trug. „Das soll an mir liegen? Wohl eher hat dich das Gespräch mit den beiden andern Knilchen wieder drauf gebracht. Du musst niemand beweisen, dass bei uns alles läuft wie es soll. Abgesehen von mir“, wies sie ihn darauf hin. „Ich möchte auch niemandem etwas beweisen, mein Schatz. Ich will ganz einfach die schönste Nebensache der Welt mit dir genießen“, meinte er leicht und fuhr, wie zum Beweis dafür, den oberen Saum ihres Höschens nach. „Hier? Hatten wir da nicht eine Absprache?“ hakte sie nach. Er lächelte so charmant wie unschuldig. Seine Finger glitten beiläufig über den Stoff. „Hatten wir?“, tat er ahnungslos. „Hatten wir.“ Das wusste sie genau. Da sie ihn aber nicht wegschieben konnte, konnte sie nur ausweichen indem sie sich auf die Anrichte setzte. Er nutzte die Chance sofort und schob sich zwischen ihre Beine. „Ich kann mich an keine erinnern. Du musst dich geirrt haben, Schatz“, behauptete er. Dass er sich nicht erinnern konnte, oder wollte, glaubte sie ihm sofort, so zielstrebig, wie seine Hand aufs Neue unter ihren Rock fuhr. „Aber ganz sicher nicht. Ich will mich nicht auch noch von Fire und April einer solchen Schandtat“ Das Wort betonte sie allerdings zweideutig „überführen lassen. Außerdem ist die Tür noch offen“, grinste sie. Er stieß die Tür mit dem Fuß zu. „Jetzt nicht mehr. Und die beiden müssen diesbezüglich ganz kleine Brötchen backen und sollten nicht zu weit ausholen“, entgegnete er schmunzelnd. „Du bist unmöglich.“ Noch einmal versuchte sie ihn von sich zu schieben. Erfolglos. „Du hast mich geheiratet, dein Pech“, erklärte er, hob die Schultern und strich zart mit den Händen über ihre Oberschenkel. „Ich habe einen Mann geheiratet, der sich lieber eingemauert hat und sich kaum geöffnet hat. Jetzt allerdings hab ich einen Mann, vor dem ich mich in Acht nehmen muss, damit er mich nicht plättet, mit dem, was er fühlt“, bemerkte sie, wobei es nicht so klang, als hätte sie etwas dagegen so geplättet zu werden. „Und es gibt nur einen Grund für diese Gefühle, Jolene“, antwortete der Schotte, küsste sie erst auf die Stirn, dann auf die Nasenspitze und schließlich auf den Mund. „Sitzt der gerade vor dir?“, fragte sie. „Nein, nebenan“, gab er trocken zurück. Was für eine Frage. „Dann geh rüber“, benutzte sie diese Antwort, um ein letztes Mal und deutlich halbherziger als zuvor, ihn von sich zu drücken. Aber auch diesmal für nichts. „Ich bleib viel lieber bei dir“, erklärte er und presste ihre Taille an seine. „Weil?“, bohrte sie. „Ich dich liebe?“, fragte er zurück, als könne es daran wirklich Zweifel geben. „Tust du das?“, wollte sie wissen. „Aus tiefsten Herzen und jeden Augenblick ein bisschen mehr“, murmelte er und strich mit seinen Lippen über ihre Schulter. „Bereust du irgendwas?“, fragte sie, wobei sie ihn näher zu sich zog und ihm tief in die Augen schaute. „Nichts, gar nichts“, raunte er zurück und bekam dafür einen sanften, innigen Kuss. Seine Hände fuhren nun unter ihr Shirt. „Ich liebe dich“, flüsterte er ihr ins Ohr und knabberte sanft ihr Ohrläppchen an. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals. „Und ich liebe dich“, wisperte sie zurück. Er verstand diese Einladung. „Mein kleiner, beschwipster Schatz“, schmunzelte Saber und schob ihr Shirt weiter nach oben. „Sei froh, sonst hätte ich mehr Bedenken“, lächelte sie zurück und half ihm beim Ausziehen des Oberteils. Lag es daran, dass sie ihr Treiben und die dazugehörige Geräuschkulisse durch heiße Küsse auf ein Minimum reduzierten, oder an der gut abdichtenden Küchentür? Lag es daran, dass alle Personen in der Wohnung zu sehr anderweitig beschäftigt waren und Charlene nur eine volle Windel hatte, die ihr den Schlaf raubte, oder daran, dass das Malheur auf Colts Billard-Tisch sie hatte diesbezüglich vorsichtiger werden lassen? Wie auch immer, es blieb unbemerkt, was sich zwischen Saber und Chily abspielte. Nur in einem hatte der Rennfahrer Recht behalten. Diesmal hatte die Hebamme ein gewisses Level gebraucht, um sich darauf einzulassen. Aber das kam dem Recken diesmal sehr gelegen. Er drückte seiner Angetrauten einen langen, innigen Kuss auf, ehe sie zu den anderen ins Wohnzimmer zurückkehrten. Colt kam nicht dazu, das zu kommentieren, weil auch April und Fireball sich wieder zu ihnen setzten und die Navigatorin das Gesprächsthema von zuvor aufgriff. „Erklärt mir das mal genauer, Jungs“, begann sie. „Was genau willst du denn wissen?“, hakte ihr Freund nach. „Wie du die Buchhaltung manipulieren willst, Turbo?“, neckte sie ihn leicht. Der Gefragte runzelte die Brauen. „Na, erst mal steht und fällt doch alles, mit dem Areal. Wir brauchen gar nicht anfangen, wenn das nicht hinhaut. Vorher brauch ich auch noch keine Kostenübersicht machen“, antwortete er. „Und wenn das mit dem Areal hinhaut, ist sowieso vorher Kreativität gefragt. Und handwerkliches Geschick. Bevor du da investierst, wird erst mal durchgerechnet, wie viel wir von dir brauchen, Prinzessin“, fügte der Scharfschütze halb ernst, halb scherzend hinzu. „Man kann Colt ja schon ein zwei Sachen da machen lassen, solange es nichts mit Elektrik zu tun hat“, nickte der Rennfahrer, „Aber wir brauchen sicher noch einiges Inventar. Die Bullen, die Karts, Möbel fürs Bistro und das Geschirr“, zählte er dann auf. Tatsächlich konnte er aber noch nicht die geforderten, genauen Auskünfte geben, weil seine Gedanken aktuell noch nicht so weit gereift waren. Colt und er hatten diesen Plan ja schließlich erst an diesem Abend gefasst. Der Kuhhirte brüskierte sich grinsend über die Aussage seines künftigen Geschäftspartners: „Soll das heißen, ich kann nichts?“ Dabei hielt er ihm drohend die Faust unter die Nase. Der Japaner schmunzelte leicht. „Den Türsteher brauchen wir wohl nicht mehr einstellen“, parierte er den Spaß, wurde dann aber ernst, als er kurz gedanklich überschlug, worauf sie sich da wirklich einlassen wollten. „Da kommt einiges auf uns zu“, bemerkte er leicht. „Bürdet ihr euch da nicht zu viel auf? Keiner von euch hat jemals ein Geschäft geführt“, bekundete nun auch Robin nicht so unberechtigte Zweifel. „Das wird sich doch noch herausstellen, Schatz. Traust du uns denn gar nichts zu?“ Der Lockenkopf strich ihr leicht über die Schulter. Es lag nicht in seiner Natur, manche Dinge als zu realistisch zu sehen, obwohl es manchmal besser wäre. In diesem Fall ging er recht frohgemut und optimistisch an die Sache und dachte nicht wirklich an die Konsequenzen, die das haben konnte, falls das Unterfangen scheiterte. Fireball war ihm da einen Schritt voraus. „Das Risiko ist gering, da wir das Private aus der Haftung raushalten werden“, konnte er deshalb die junge Lehrerin beruhigen. „Hoffentlich klappt das Besser, als Privates von Ramrod fernzuhalten“, lächelte die junge Mutter milde. „Sonst sehe ich leider schwarz für euch zwei.“ Unauffällig schluckte der Pilot des Friedenswächters. Auch das waren nicht unbegründete Bedenken. „Verlass dich drauf. Ich riskier doch nicht Charlenes Zukunft, nur weil ich mich mit dem Verrückten da einlasse“, versicherte er April und deutete grinsend auf den Cowboy. Der brachte es dann auf den Punkt. „Warum schießt ihr beiden Löcher in unsere Pläne, wenn wir noch nicht mal wissen, ob wir die überhaupt umsetzen können?“, fragte er. Es war schwer einen eben erst gefassten Plan zu verteidigen, wenn man ihn noch nicht mal richtig gefasst hatte und Fireball war bei den Fragen der beiden Frauen doch etwas unbehaglich zu Mute geworden. „Vielleicht solltet ihr noch mal darüber schlafen“, schlug Chily nun vor und löste so die ganze Debatte vorläufig auf, denn ihr Jugendfreund stieg sofort darauf ein. „Gute Idee“, meinte er und erhob sich. Robin, Saber und die Hebamme folgten seinem Beispiel und verabschiedeten sich von den jungen Eltern. Die Idee wollte überdacht werden. Das lag auf der Hand. Zu diesen Überlegungen war es auch notwendig, sich das betreffende Objekt anzusehen, so verabredeten sich der Rennfahrer und der Scharfschütze für den nächsten Tag. Kapitel 27: Wind of Change IV ----------------------------- Das Restaurant und das dazugehörige Grundstück übertrafen Colts Erwartungen und waren noch besser, als Fireball in Erinnerung hatte. Es lag nicht nur zentrumsnah, sondern bot genügend Fläche, um auch im Freien noch Spiel und Spaß bieten zu können. Der Makler, der schon eine Weile erfolglos versuchte, dieses Grundstück an den Mann zu bringen, hatte sich sogleich für die Beiden Zeit genommen und führte sie nun herum. Hinter der Glasfront befanden sich der Eingangsbereich und die Theke. Von hier aus konnte man ins Bistro oder in die Halle gelangen. Zwar war die Küche, die an das Bistro angrenzte, etwas klein, aber das konnte man bei Bedarf noch erweitern. Auf jeden Fall hatte man einen guten Ausblick auf die Anlage. Die Halle, auf der anderen Seite des Eingangsbereiches, war schon vom Vorbesitzer als Go-Kart-Bahn genutzt worden und würde wieder diesen Zweck erfüllen. Vom Nebenzimmer aus konnte man die Fahrer auf der Bahn beobachten und ein weiteres Nebenzimmer bot Platz für die geplanten elektrischen Bullen. Draußen konnte man die Glaswände des Bistros auch öffnen und so im Sommer die Sitzmöglichkeiten auf die dazugehörige Terrasse erweitern. Trotzdem hatte man immer noch Platz für ein kleines Basketball-Feld. Colt gingen bei den unzähligen Möglichkeiten die Augen über. Er richtete im Geiste schon ein, sah eine Fülle an Gästen und hörte bereits die Kasse klingen. Fireball überschlug gedanklich die anfallenden, monatlichen Kosten, das Geld, das sie für die Renovierung und den Kaufpreis benötigen würden, welche Anträge es auszufüllen galt, an welche Bestimmungen sie sich zu halten hatten und wie viel sie allein schaffen konnten, bevor Personal unabdingbar war. Das Objekt war eine Goldgrube, zweifelsohne, und zum Glück für die beiden Starsheriffs Außer Dienst war der Vorbesitzer nicht im Stande gewesen, das zu erkennen. Noch am gleichen Nachmittag begannen sie ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sie brauchten eine Woche, um aus der fixen Idee eine ausgefeilte Geschäftsidee zu machen und die Hämmer für die Sparschweine zu zücken. Mit Beginn der neuen Woche sausten diese Hämmer auf die Köpfe der Tontiere nieder und wurde der Inhalt verwendet, um das Inventar zu besorgen und die Renovierung einzuleiten. Entgegen seiner anfänglichen Behauptung half auch Saber so oft und so viel es ihm möglich war. Zeitgleich übernahmen es die Frauen, die Hochzeit von Colt und Robin zu planen, die nach all der Zeit endlich stattfinden sollte. Keiner der sechs ahnte, dass Charles Eagle unterdessen auch so seine Sorgen plagten. Es war Frieden und das war wunderbar so. Doch dieses kostbare Gut wollte beschützt werden und im Notfall hätte er dann gern auf die Besatzung des Ramrod-Friedenswächters zurückgegriffen. Natürlich schlugen sie alle neue Wege ein, gute und richtige Wege, und wurden so von den unangenehmen Dingen der Vergangenheit weitgehend abgelenkt, nur durften die dabei nicht untergehen, da sie lange Schatten auf die Zukunft der Freunde werfen konnten. Saber, Colt und Fireball waren nach dem Prozess zu Gefängnisstrafen verurteilt und diese zur Bewährung ausgesetzt worden. Diese Bewährung war an gewisse Auflagen geknüpft und immer wieder galt es zu prüfen, ob sie denen auch nachkamen. Commander Eagle, als ihr Leumund, hatte nicht nur durch seinen Zuspruch vor Gericht dieses günstige Urteil mit beeinflusst, sondern auch die Aufgabe zu prüfen, ob die drei ihren Bewährungsauflagen nachkamen. Deshalb war er gerade auf dem Weg in das Büro von Professor Maron, der dem Trio als Psychotherapeut zugeteilt worden war. Er wurde auf sein Klopfen hin hereingebeten und nahm auf dem Stuhl gegenüber dem Therapeuten an dessen Schreibtisch Platz. Trotz seiner Uniform wirkte der Seelendoktor recht unpassend im Vergleich zu den Leuten, die sonst für das KOK arbeiteten. Das wirre, lockige, rotbraune Haar wirkte wie ein Helm und stand oberhalb der Ohren beinahe waagerecht vom Kopf des Trägers ab. Auch die kleine, eckige Brille wollte nicht recht in das rundliche, weiche Gesicht passen und verlieh ihm eine Härte und Strenge, die nicht die Natur des Besitzers zu sein schienen. Äußerlich wirkte er wie ein wunderlicher Kauz. Dass er es dennoch in den Dienst des KOKs geschafft hatte, lag an den ausgezeichneten Zeugnissen und einer Vielzahl von Abschlüssen in den verschiedensten psychologischen Bereichen. „Also, was haben Sie zu berichten, Professor Maron? Wie kommen Sie voran?“, begann Eagle das Gespräch und da der angesprochene wusste, worum es bei diesem Termin ging, war er entsprechend vorbereitet. Seine langen, dünnen Finger glitten über die drei Akten, die neben ihm auf dem Schreibtisch lagen. „Das kommt drauf an, nach wem von Ihren Schützlingen Sie mich fragen. Sie machen sich alle drei recht unterschiedlich“, antwortete er. Kurz blinzelte der Commander überrascht. Das ließ ahnen, dass zumindest einer nicht die Fortschritte machte, die man sich erhoffte. „Nun, ich frage Sie natürlich nach allen dreien. Mit wem wir starten, überlasse ich ganz Ihnen“, erwiderte er dann mit leichtem Unbehagen. Die Finger seines Gegenübers nahmen die erste Mappe vom Stapel. „Fangen wir mit Mister Willcox an“, entschied Maron, nachdem er den Namen darauf gelesen hatte. „Wir hatten erst gestern eine Sitzung.“ Eagle nickte. „Also, ich bin ganz Ohr, Professor Maron. Wie macht sich der Scharfschütze bisher?“ Der Psychotherapeut wiegte leicht den Kopf und verzog dann das Gesicht. „Er ist vorlaut, respektlos und dreist. Man könnte ihn auf den ersten Blick als dumm-frech einordnen, aber das ist Fassade. Die hat er auch eine ganze Weile ziemlich gut aufrecht erhalten“, begann er seinen Bericht. Charles schmunzelte beim ersten Satz der Antwort. Das war ihm bekannt. Colts loses Mundwerk eilte ihm oft voraus und schreckte all jene Zeitgenossen ab, die nicht bereit waren, sich näher mit dem Kuhhirten zu befassen. „Wie schätzen Sie ihn nach den Sitzungen bisher ein, Professor Maron? Gibt es Auffälligkeiten?“, hakte der Commander nach. „Den Clown spielen oft die, die entweder viel Aufmerksamkeit brauchen, oder sehr besorgt sind. Mister Willcox ist eine Mischung von beiden. Ich war erstaunt, wie viele abfällige Bemerkungen es über meinen Berufszweig geben kann. Er beginnt jede Sitzung damit. Inzwischen gehört es für ihn wohl schon zum Ritual, um sich auf die Gespräche einzulassen. Seine Hauptsorgen sind seine Lebensgefährtin, das Kind, das sie erwartet und dann folgen gleich darauf seine Freunde und der kleine Bruder seiner Lebensgefährtin. Es war mir bis vor kurzem ein Rätsel, weshalb es einem Menschen wie ihm auf so viel Aufmerksamkeit ankommt und ich dachte zuerst an eine Vernachlässigung in der Kindheit. Das zu bestätigen oder zu widerlegen war schwer. Er hat bezüglich seiner Eltern unglaublich stark gemauert“, setzte der nun seinen Bericht fort. „Die Arbeit mit Colt scheint schwierig zu sein“, nickte der Oberbefehlshaber der Sektion West. „Sehen Sie seinen Wiedereinstieg ins Oberkommando diesbezüglich gefährdet?“ Das war die Frage, die daraufhin kommen musste. Maron hatte sie erwartet. „Nein, da es ihm gelungen ist diese Mauer einzureißen. Er beginnt den Tod seiner Eltern zu verarbeiten und sieht im Kampf gegen die Outrider oder sonstige Feinde nicht mehr seine Rache. Was ganz wesentlich ist. War früher in schwierigen Momenten, Revanche für die Ermordung seiner Eltern, seine letzte Motivation, so ist es heute immer mehr der Gedanke an einen sicheren Ort, ein Zuhause für seine Familie und seine Freunde. Ein Zuhause, wie er es einst hatte.“ Damit konnte er seinen Gesprächspartner beruhigen. Auf einen so guten Schützen an Bord des Friedenswächters konnte man nur schwer verzichten. Eagle wollte genau genommen auf keinen der drei verzichten müssen. Nicht nur wegen ihrer beruflichen Qualitäten, sondern auch, weil sie ihm am Herzen lagen und als Team und Freunde einen sehr starken, beneidenswerten Zusammenhalt hatten. „Er beginnt also offen mit Ihnen darüber zu reden“, stellte er fest. „Das beruhigt mich. Bisher waren seine Eltern immer ein rotes Tuch, niemand durfte mit ihm darüber sprechen.“ Die Erfahrung hatte er auch machen müssen. Nach dem Vorfall mit Dooley und dem Verdacht auf dessen Verrat, und auch in der Zeit des Waffenstillstandes, hatte Eagle versucht, mit Colt zu reden, ihm die getroffenen Entscheidungen zu erklären und war im Verlauf dieses Gespräches an die Mauer gestoßen, hinter der sich Colts Gefühle für seine Eltern verbargen. Der Commander hatte versucht dem hitzigen Scharfschützen zu vermitteln, dass es, vor allem in der Zeit des Waffenstillstandes, darauf ankäme, die Sicherheit für all die Familien im Neuen Grenzland herzustellen und jede Chance diesbezüglich zu nutzen. Der Lockenkopf hatte nur verächtlich geschnaubt und erklärt, dass Frieden mit feigen Phantomwesen nicht möglich sei und dass er dies besser als jeder andere wüsste, da er diese Lektion mit dem Leben seiner Eltern bezahlt habe. Der Rest war verbocktes, verbittertes Schweigen gewesen. Mehr war nicht aus ihm heraus zu bekommen. Ein Segen, dass sich dies nun änderte. Zuversichtlich erkundigte sich der Commander nun: „Wie steht es mit den anderen beiden?“ Diese Zuversicht hielt nicht sehr lange. Maron schob nun Colts Akte zur Seite und nahm die nächste vom Stapel. „Shinji Hikari“, las er den Namen darauf vor und schaute besorgt drein. „Weniger erfreulich“, konnte Eagle so leicht, aber unbehaglich erkennen. „Bedenklich trifft es eher. Ich habe selten Patienten, die derart stark abblocken. Im Grunde liegt er nur seine Zeit ab. Er demonstriert mir oft, dass er nicht mit mir reden muss, wenn er nicht will. Und er will nicht“, schürte der Professor dieses Unbehagen. „Woran liegt das? Haben Sie eine Idee?“, fragte Eagle. „Er verkraftet Verluste sehr schwer und wir wissen beide, dass er schon welche erfahren musste. Leider zieht er es vor, sich dann in ein Schneckenhaus zu verkriechen. Wenn seine Freundin es schafft an ihn heranzukommen, wäre es gut und er würde sich mit der Zeit vielleicht öffnen, aber den Eindruck habe ich nicht“, entgegnete der Therapeut sachlich. Dieser Patient bereitete ihm einiges Kopfzerbrechen und bisher war er noch nicht dahinter gekommen, wie er dessen Schweigemauer einreißen konnte. „Ich hatte ehrlich gesagt immer den Eindruck, er würde meiner Tochter vertrauen und zumindest mit ihr sprechen“, meinte Charles nachdenklich. „Sie bekommen aus Fireball also gar nichts raus. Das heißt, er macht keine Fortschritte.“ Diese Feststellung war niederschmetternd. „Tja, ich fürchte, er spricht nicht sehr viel mit ihr, wenn es um den Tod seines Vater und der beiden Kolleginnen geht. Aus dem Protokoll ging zu deutlich hervor, wie emotional und angreifbar er da ist. Der Vorwurf verletzt sein Ehrgefühl und löst sein schlechtes Gewissen aus. Da dies bereits mit dem Tod seines Vaters beginnt und er nicht bereit ist, sich damit auseinander zusetzen, kann ich aktuell nur davon abraten, ihn je wieder in einen Krieg zu schicken“, musste Maron wahrheitsgemäß und wenig aufbauend antworten. Mehr als ein „Hm“ brachte der Commander dazu nicht hervor. Schon von der beruflichen Seite her, war das eine ungünstige Auskunft. Es bedeutete, dass man unter diesen Umständen einen neuen Piloten für Ramrod finden musste. Aber beinahe schwerer wog für Aprils Vater das Wissen, dass der Rennfahrer seiner Tochter nicht hundertprozentig vertraute, wie es in einer guten Beziehung eigentlich sein sollte. Bevor er gedanklich zu weit vom Thema abschweifen und die junge Familie, die er bisher für völlig intakt gehalten hatte, grundlegend anzweifeln konnte, besann er sich und fragte: „Was ist mit Saber? Ich hoffe, er macht sich besser als Fireball.“ Darauf hoffte er fast schon verzagt. Immerhin machte der Cowboy Fortschritte, dann sollte der Schotte das doch auch können. „Ich würde Mister Hikari noch nicht aufgeben, Commander. Er hängt sehr stark an seiner Familie und deren Wohl geht ihm über alles. Das ist der Punkt, an dem man ihn knacken kann“, ließ der Professor es sich nicht nehmen, seinem Gesprächspartner einen Hinweis einzustreuen, ehe er die Akte beiseite legte und die des Recken zur Hand nahm. „Saber Rider“, murmelte er versonnen mehr zu sich selbst, als an seinen Zuhörer gewandt. „Erstaunlich. Diese Entwicklung hatte ich nicht erwartet. Das muss ich zugeben“, meinte er dann in normaler Lautstärke und an den Commander gewandt. Was er davon halten sollte, wusste der nicht so recht. „Inwiefern meinen Sie das?“, wollte er darum wissen. „Nun, aus allen Berichten, Beurteilungen und Zeugnissen geht hervor, wie kühl, sachlich und distanziert er sei. Aber das ist nicht der gleiche Mann, den ich hier erlebe. In der ersten Sitzung gab er sich ruhig und ernst, bis ich ihn nach seiner Familie und nach seiner Frau fragte. Sie haben ihn in der Verhandlung erlebt, sagen Sie mir, wie die Sitzung weiter ging.“ Dabei verbarg Maron ein sachtes Grinsen in dem er seine dünnen Finger über seinen Mund legte und sein Kinn auf den Daumen stützte. „Ich?“, fragte Eagle überrascht zurück. Das war eine knifflige Aufgabe. Seit der letzten Mission war Saber für ihn nicht mehr so leicht einzuschätzen. „Entweder hat er ebenso auf stur geschalten, wie seine beiden Kollegen, oder aber er ist an die Decke gegangen“, mutmaßte er, zweifelte aber an seinen eigenen Worten. Oh, der Blonde war eindeutig nicht mehr der Mann, den Eagle als Captain für die Ramrod-Crew berufen hatten. Das war nicht negativ behaftet, sondern einfach eine Tatsache. „Weder noch, Commander“, schmunzelte Maron zurück und ließ die Hand auf die Tischplatte sinken. „Er konnte ganze drei Sitzungen ausschließlich von ihr schwärmen ohne sich nur ein einziges Mal zu wiederholen“, löste er das Rätsel auf und ließ es einen Moment lang auf Eagle wirken. Der klappte nur den Mund auf. „Hat er das?“, hakte er verblüfft nach. „Ja, hat er“, bestätigt der Zauskopf. „Ich war selbst überrascht. Ich musste ihn ausbremsen, sonst würde er wohl heute noch nur von ihr sprechen. Es heißt, er sei sehr verschlossen, aber es scheint seiner Frau gelungen zu sein, diese Schlösser zu öffnen. Mister Rider ist ein Patient, wie man ihn sich wünscht: offen, selbstkritisch und nachdenklich. Er ist bald wieder so weit. Dass er aktuell als Ausbilder arbeitet, tut ihm gut. Er liebt die Arbeit für das KOK und das Neue Grenzland. Er erkennt seine Fehler, Stärken und Schwächen und ist absolut souverän im Stande Schuld, vor allem seine eigne, im rechten Maß zuweisen zu können“, berichtete er. Geplättet lehnte sich der Oberbefehlshaber im Stuhl zurück. „Wow. Das klingt fantastisch.“ Das Beste kam also zum Schluss. Maron nickte. „Er ist von allen der, der in jeder Weise ausgeglichen ist“, fasste er zusammen. „Mister Willcox nähert sich diesem Punkt. Und Mister Hikari ... hm. Er kann ihn erreichen, sofern es uns gelingt, ihn in diese Richtung zu schieben.“ Es lag nicht in der Natur des wunderlich erscheinenden Therapeuten, einen Patienten aufzugeben und als Fehlschlag abzustempeln. „Schon mal versucht, einen Büffel zu schieben, wenn er nicht will, Professor Maron?“, fragte Eagle ein wenig verzagt lächelnd. „Einen Büffel? Sie müssen ein Häschen aus dem Bau locken, mehr nicht“, schwächte der Gefragte grinsend ab. „Ist aber ein stures Häschen“, gab Eagle zu bedenken. „Finden Sie eine Karotte, die appetitlich genug ist“, schlug Maron vor „Das müsste eine sehr süße Möhre sein, die man ihm da vor die Nase hält.“ Im Augenblick sah der Commander seine Felle bezüglich Fireball davon schwimmen. Der Vater seiner Enkelin gebrauchte seinen Sturkopf an der falschen Stelle und es schien ihm nicht klar zu sein, wohin das führen konnte. Was tat der Japaner nur April mit seinem mangelnden Vertrauen an? Und der kleinen Charlene erst, wenn er tatsächlich wegen Nichteinhaltung der Bewährungsauflagen ins Gefängnis musste. Eagle wusste wohl, das Rennfahrer dies ganz sicher nicht wollte, aber mit dem Dickkopf schien sich diese Richtung augenblicklich nicht ändern zu lassen. „Vielleicht sollte Ihre Tochter bei einer solchen Sitzung anwesend sein“, überlegte Maron laut. „Allerdings bräuchten die beiden dann einen Babysitter.“ – „Ach, die beiden haben gute Freunde, die das gerne mal eine Stunde oder zwei übernehmen würden“, entgegnete Eagle und fragte sich, worauf der Psychotherapeut genau hinaus wollte. „Dann sollten Sie, Commander, auch anwesend sein“, fügte der seinem laut geäußerten Gedanken hinzu. „Bis zu April konnte ich noch folgen. Jetzt bin ich allerdings ausgestiegen. Weshalb sollte ich ebenso anwesend sein?“, bat Eagle um Erklärung. Maron nickte leicht und erläuterte seine Gedankengänge: „Nun, wie ich schon sagte, sein Ehrgefühl und sein schlechtes Gewissen hängen mit dem Tod seines Vaters zusammen. Er ist sehr stolz auf ihn, das konnte ich schon feststellen. Gleichzeitig glaubt er aber auch, dass er in seiner Schuld steht, weil sein Vater sterben musste, damit er in Frieden leben kann und deshalb kann er auch den Verlust der beiden Kolleginnen so schwer verkraften. Er sollte etwas mehr über seinen Vater erfahren vor allem aus dessen Zeit beim KOK und da können Sie weiterhelfen. Die Abwesenheit seiner Tochter bei einem solchen Gespräch wird ihn daran erinnern, dass er sie einige Zeit nicht sieht, wenn er nicht mit uns zusammen arbeitet. Nun und ihre Tochter wird ihm den Druck, der bei diesem Gedanken entsteht, nehmen und es ihm leichter machen.“ Das war einleuchtend. Verstehend nickte Eagle. Hoffentlich ließ sich der Dickkopf auch irgendwie ohne größere Schwierigkeiten auf die Sache ein. Aber da vertraute er dann doch auf April und Charlene und den Umstand, dass der Rennfahrer sie liebte. So würden sie den Japaner schon zum Reden bringen. Die Tür wurde sanft aufgestoßen. Frische, nach feuchter, warmer Erde riechende Morgenluft drang in das staubige Wohnzimmer. Sie glitt hinein und sah sich überrascht um. Umgestoßene Möbel, herausgerissene Schubladen, umherliegende Papiere und Fotos – hier war sie einst zu Hause gewesen. Er folgte ihr. Sanft schob er ihr rotblondes Haar aus dem Nacken und schlang einen Arm um ihre Taille. Behutsam hauchte er ihr einen Kuss in die Halsbeuge. „Sei nicht traurig, mein Engel“, flüsterte er. „Er hat sich darum gekümmert. Er ist ein guter Junge.“ Sie nickte leicht. „Ja, das ist er. Wir können wirklich stolz auf ihn sein“, antwortete sie leise und nahm seine Hand. Wenn man von dem Chaos absah, war hier nichts mehr verändert worden. Die Möbel waren dieselben und die meisten Bilder hingen, wenn auch schief, noch dort an den Wänden, wo sie sie hingehängt hatte. Nur den Verlust ihres Hochzeitsschmuckes konnte sie feststellen. Sie lächelte warm. „Robin wird sehr hübsch damit aussehen“, meinte sie und wandte sich zu ihm. Er nickte. „Zwar kaum schöner als du damals, aber sie wird nahe herankommen“, schmeichelte er. Sie kicherte. „Oh Gary, das hat er so eindeutig von dir.“ Er schmunzelte charmant. „Ich sage nur, was wahr ist, Mabel“, erwiderte er. „Ich bin beruhigt, dass unser Junge doch noch seinen Weg gefunden hat. Schade nur, dass ich Robin nicht zum Altar führen darf.“ Sie strich ihm sanft über die Schulter. „Sie hat einen guten Ersatz für dich“, lächelte sie. „Und wir, wir schauen uns das Ganze von unseren Logenplätzen aus an. Wie immer“, tröstete sie ihn dann. Er nickte und schlang seine Arme um sie. „Wie immer.“ Damit hauchte er einen Kuss auf ihre süßen Lippen. Der Spuk, den ohnehin niemand bemerkt hatte, endete, als die Haustür zuschlug. „Aua.“ Colt ließ den Hammer fallen und schüttelte die Hand, auf deren Daumen er sich eben geschlagen hatte. Verdammt, tat das weh. „Auf die Fliese, nicht auf den Daumen, Kumpel“, kicherte Fireball und auch Saber neben ihm unterdrückte ein allzu lautes Lachen. Die drei waren bereits seit dem Morgengrauen damit beschäftigt, dass NoRiNoFu zu renovieren. Während der Schotte und der Japaner damit beschäftigt waren, die elektrischen Leitungen zu verlegen, flieste Colt den Wandbereich um die Spüle hinter der Bar. „Ich treffe gleich einen Nagel auf den Kopf, Kurzer“, knurrte er verstimmt zurück. Die beiden Spottdrosseln immer. Den ganzen Tag schon zogen sie ihn auf, wenn ihm ein handwerkliches Missgeschick passierte. „Nein, ganz sicher nicht“, konnte der Recke sich nicht verkneifen zu kommentieren. „Der trifft sonst was, nur nicht das, was er soll. Aber gib ihm ein Schießeisen in die Hand und er ballert von hier einer Maus in Mexiko die Schwanzspitze weg“, grinste der Wuschelkopf. „Ich baller dir auch mal den Stuss aus dem Kopf, wenn du willst, Kleiner. Könnte jedenfalls nicht schaden“, brummte Colt verstimmt und besah sich den malträtierten Daumen. War nur halb so schlimm. „Da hat man es mal wieder“, grinste Saber. „Getroffene Hunde bellen. Egal, wer für den Treffer verantwortlich ist.“ – „Der bellt nicht, der keift schon“, lachte der Rennfahrer und fuhr fort, die Leitung für die Außenanlage zu montieren. Der Recke wandte sich einem Stapel Kisten zu und schob ihn auf die Seite. „Auch recht, solange er nicht beißt“, meinte er Schultern zuckend und erkundigte sich dann. „Was ist da drin?“ Die Kartons waren schwerer, als er erwartet hatte. „Gib es nur nicht Colt, da ist Geschirr drin“, erhielt er vom Japaner zur Antwort, ohne dass der von seinem Tun aufsah. „Doch her damit. Für den Polterabend“, widersprach der Lockenkopf und grinste nun. „Das Geschirr fliegt nach der Hochzeit noch früh genug. Spar dir das lieber, Kumpel.“ Mit dieser, von der Ehe wenig begeisterten Aussage, verwickelte Fireball zwei Drähte miteinander. „Ach, deshalb bist du nicht vor den Altar zu bekommen“, stellte der Bräutigam fest und widmete sich wieder den Fliesen. Er prüfte den Kleber, strich ihn auf die Stelle, auf der als nächstes eine angebracht werden sollte und drückte diese dann darauf. „Das ist nicht dein Problem, Colt.“ Fireball betätigte einen Schalter, um zu sehen, ob der Strom nun dort lang floss, wo er sollte. Zufrieden mit dem Ergebnis hantierte er weiter. „Ich krieg dich schon vor den Altar. So oder so“, versprach der Lockenkopf, nachdem auch diese Fliese hielt. „Das will ich sehen. Den Beweis dafür darfst du gern antreten.“ Es dauerte eine Weile, bis der Rennfahrer diese Antwort gab, da er mit dem Kabel beschäftigt war und sich erst wieder an dem Gespräch beteiligte, als es unter der Sockelleiste verborgen war. „Ganz einfach. Willst du mein Trauzeuge werden?“ Colt wischte über die Wandverkleidung und prüfte die Qualität seiner Arbeit. Ja, das würde halten. Der junge Vater schaute überrascht zu Saber, dann zum Cowboy. „Wir hätten die Kaffeemaschine wohl doch noch mal spülen sollen, bevor wir sie einweihen. Irgendwas muss noch drin gewesen sein, das er nicht vertragen hat“, bemerkte er dann an den Blonden gewandt. Skeptisch hob Colt die Brauen. „Soll ich das jetzt als Nein werten?“, hakte er nach. Er hatte diese Frage nicht als Scherz gemeint. „Unser Turbofreak glaubt nur nicht, dass du das ernst meinst“, erklärte der Schotte. „Wieso nicht? War doch eine normale Frage.“ Der Lockenkopf schaute seine Freunde etwas verwundert an. Was gab es denn daran nicht zu verstehen oder was daran konnte man missdeuten? „Normal? Colt, ich bitte dich. Nichts was mit Sesshaft werden und Heiraten zu tun hat und aus deinem Mund kommt, meinst du in der Regel ernst oder ist normal für dich“, erwiderte Fireball, der seinerseits diese Frage immer noch nicht ganz ernst nehmen konnte. Damit beschwor er jedoch die Ungeduld des Scharfschützen herauf. „Warum bereiten denn dann die Mädels eine Hochzeit vor? Weil mein Antrag an Robin ein Witz war oder was?“, schnappte der beleidig, wandte sich seiner Arbeit zu und klopfte unsinnigerweise noch einmal die Fliese fest, wobei er sich wieder auf den Daumen schlug. „Hey, kein Grund, dich zu verstümmeln. Das machen schon andere.“ Beschwichtigend legte der Rennfahrer seinem künftigen Geschäftspartner die Hand auf die Schulter. „Ich hab es doch nicht so gemeint“, versuchte er ihn zu beruhigen. Doch Colt war schon gekränkt. Zum einen, weil die Hochzeit mit Robin nun mal wirklich keine Sonntagslaune war. Zum anderen, weil der Japaner seine Frage noch immer nicht bejaht hatte. „Was ist mit dir, Boss? Das Angebot gilt für dich genauso“, wandte er sich unwirsch an den Blonden. Der musste ein Grinsen unterdrücken. Das war Colt, wenn er schmollte. „Sehr gerne. Ich steh dann hinter dir“, antwortete er und verkniff sich unter diesen Umständen ein „damit du nicht flüchten kannst" anzuhängen. Er nickte nur schlicht und freute sich aufrichtig über das Angebot, auch wenn es nicht allzu herzlich gemacht wurde. Dazu war der Cowboy im Schmollzustand nun mal nicht fähig. „Schön, freut mich zu hören. Dann steht mein Trauzeuge ja fest“, stellte der jetzt fest und strich wieder über die Fliese, um irgendetwas zu tun. Es wurmte ihn gewaltig, dass der junge Vater so skeptisch darauf reagiert hatte und er gedachte ihn nun dafür mit Nichtachtung zu strafen. „Ja, einen hast du sicher“, bestätigte der Schotte und schaute zum Rennfahrer. Der senkte den Kopf. Oje, da war der Wuschelkopf Colt aber gewaltig auf die Zehen getreten. „Dann sehe ich mal, dass deine Blumenmädchen zum Altar finden“, meinte er, als er den Kopf wieder hob, und grinste schief. „Was für Blumenmädchen?“, wollte der Scharfschütze wissen. „Na die, die Robin angeheuert hat“, entgegnete der Japaner zwinkernd und bekam prompt den nächsten Treffer vor den Bug. „Hat sie nicht, wird sie auch nicht. Das weiß ich mal sicher, wir haben heute Morgen noch darüber gesprochen. Und wehe einer schmeißt Reis“, brummte der Lockenkopf. Es schien, als dürfe Fireball tatsächlich „nur“ Gast sein. „Wir können auch was anderes werfen. Popcorn, Tomaten und faule Eier“, zählte er auf, um dieses unbehagliche Gefühl in der Magengegend durch einen Witz zu vertreiben. „Nein, im Ernst, ich werde mich hüten, Lebensmittel zu werfen. Fruchtbar ist eure Ehe ja schon jetzt“, fügte er dann hinzu, als er den düsteren Blick des Bräutigams bemerkte. „Er kann Robin ja zum Altar führen“, versuchte Saber zu vermitteln, damit sich so kurz vor der Hochzeit nicht noch ein ernsthafter Streit wegen eines Missverständnisses anbahnen konnte. „Ich setze ihn auf die Ersatzbank, Brautführer hat Robin bereits einen ominösen“, gab Colt zur Auskunft. „Tatsächlich? Wen?“ Saber hob erstaunt die Brauen. Das hatte ihm seine Frau ja noch gar nicht erzählt. „Woody?“, riet der Rennfahrer, nicht weniger verwundert als der Schotte, und tappte in den nächsten Fettnapf. „Wehe wenn ich den auf meiner Hochzeit sehe!“, knurrte der Cowboy sofort. Du lieber Himmel, färbte der Scharfschütze etwa auf den jungen Vater ab? „Na ja, die Überraschung wirst du dann wohl am Altar erleben“, grinste der Highlander. „Wer auch immer es ist, er wird ihm nicht eine Predigt am Altar halten, so wie Toto das bei mir gemacht hat.“ Bei der Erinnerung an seine eigene Trauung huschte ihm ein kleines Lächeln über die Lippen. Nichts daran bereute er oder würde er im Nachhinein anders machen wollen. „Dafür werd ich ihm da“ Der Kuhhirte wies auf Fireball. „irgendwann mal in einer ruhigen Minute eine Predigt halten. Und ich meine nicht wegen der schlampigen Kalkulation“, drohte er. Unbehaglich schluckte der Japaner. „Pater Willcox“, presste er hervor. Die ruhige Minute war gerade. Zwangsläufig war durch das Gespräch eine Pause in der Arbeit entstanden. Da konnte der Cowboy auch gleich mit ihm klären, was er zu klären hatte. Und es war günstiger, es jetzt zu besprechen, so lange Saber als Blitzableiter anwesend war. „Kriegt man von dir mal ein Ja oder Nein, wenn man dir eine Frage stellt, Matchbox?“ fuhr ihn Colt postwendend an. Ein etwas irritiertes „Ja“ bekam er als Antwort auf beide Fragen. „Ja, was? Ja, du willst auch mein Trauzeuge sein, oder ja, du kannst tatsächlich auf eine simple Frage auch eine simple Antwort geben?“, hakte der hartnäckig schmollende Scharfschütze nach. „Ja .... ich mein; nein ... ich mein doch ... ich ...“, stammelte der Rennfahrer jetzt und fühlte sich doch ein wenig überrollt, von dem Ausbruch. „Das war schon mal ein anschaulicher Vorgeschmack auf deine Hochzeit, Fire. Ein simples Ja wird in beiden Fällen reichen“, feixte Saber. „Ich hoffe doch“, grinste Fireball unsicher. Der Cowboy rollte die Augen. „Also ja oder ja?“, wollte er ungeduldig wissen. „Was denkst du eigentlich Colt? Natürlich ja“, erklärte der Japaner nun entschieden. „Bei dem Stuss, der da am laufenden Band kommt, denkst du bestimmt gar nichts“, versetzte der Scharfschütze nun, konnte aber schon wieder schmunzeln. „Da sagt doch wieder der eine Hase zum anderen: Hast du aber lange Ohren.“ Kopfschüttelnd sah der Blonde zwischen den beiden dunkelhaarigen Temperamentsbolzen hin und her. Die beiden benahmen sich doch immer wieder wie Kindsköpfe. Aber irgendwie schien genau dies ein wichtiger Teil dieser Freundschaft zu sein. „Deine sind aber noch größer“, grinste Fireball, knuffte Saber leicht in die Seite und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. „Klar, bin ja auch der Boss“, gab der verschmitzt zurück und tat es seinem ehemaligen Piloten gleich. „Unser Obermümmelmann. Klasse einfach!“ Munter begannen wieder die beiden einige Kisten zur Seite zu schieben, um einen Durchgang zu schaffen. In diesem Moment trat Robin ein, die auf dem Heimweg aus der Stadt ihren Zukünftigen abholen wollte. Sie hatte Fireballs letzten Satz gehört und nutzte ihn, um sich bemerkbar zu machen. „Hm, frische Karotten hab ich da.“ Sofort spitzte Colt die Ohren. „Ich bin der hungrigste Hase!“ Im nächsten Moment ließ er den Hammer fallen und war schon bei ihr. Man hatte kaum sehen können, dass er sich überhaupt erst umgedreht hatte, ehe er zu ihr gestürmt war. „Na, was sagst du, Baby?“, fragte er und zog sie in die Arme. „Du bist noch am Leben, wie schön“, neckte sie sanft und erwiderte die Umarmung. „Er hat schließlich uns. Wir passen schon auf deinen Gemahl auf“, lachte Fireball im Hintergrund. „Beruhigend“, murmelte die Lehrerin und hauchte Colt einen Kuss auf. „Das ist beruhigend.“ Der Scharfschütze drückte sie sogleich noch etwas näher an sich und man musste schon ein reichlich naiver Beobachter sein, um nicht zu erkennen, was in dem Lockenkopf vorging. „Das ist nichts für Zuschauer“, erkannte der Highlander sofort. „Ich geh freiwillig“, erklärte Fireball, griff Saber am Ärmel und zog ihn mit sich. „Komm, ich zeig dir was.“ „Du bist unmöglich“, kicherte Robin, als die beiden verschwunden waren. „Das ist der Grund, weshalb du mich heiratest“, gab der Scharfschütze verschmitzt zurück und zwinkerte neckisch. „Auch ja. Einer von den vielen“, gestand sie und wechselte dann das Thema. „Wie weit seid ihr gekommen?“ Der Lockenkopf sah über seinen Schulter, ließ den Blick kurz schweifen, ehe er sich wieder zu der Blondine in seinen Armen wandte und antwortete: „Wir haben einiges geschafft. Fire und Saber haben die Elektroleitungen verlegt und ich hab die Wände gefliest.“ Sie nickte leicht. „Schön. Klingt als würde auch bei euch alles nach Plan laufen“, stellte sie fest und wollte gehen. Allerdings ließ Colt sie nicht los. Er hob seine Daumen, hielt sie vor Robins blaue Augen und machte ein ganz bemitleidenswertes Gesicht. „Solang die dran bleiben. Autsch“, klagte er. Schmunzelnd strich die Lehrerin ihm über die Daumen und hauchte Küsse darauf. „Besser?“ –„Das tut ganz doll weh“, jammerte der Lockenkopf weiter. Noch einmal gab sie sanfte Küsse auf die malträtierten Finger und erinnerte ihn mit einem vielsagenden Lächeln: „Die Krankenpflege ist zu Hause aber besser.“ Seine Miene erhellte sich augenblicklich, zufrieden mit dem Erfolg seiner Klage. „Dann muss ich sofort heim“, erklärte er, nahm Robins Handgelenk und wollte sie aus dem Gebäude schleifen, aber sie blieb vorerst noch stehen. „Verabschieden wir uns von den beiden noch? Habt ihr die offenen Fragen schon geklärt?“, hakte sie nach. „Die Trauzeugenfrage hat mich zwar gut und gerne eine halbe Stunde gekostet, aber ja. Ja mein Schatz“, antwortete er ungeduldig. Mit der Aussicht auf die liebevolle Krankenversorgung daheim hatte er es furchtbar eilig. „Jungs? Ich muss leider weg, dringende Geschäfte und so. Wir sehen uns morgen!“ Damit schleifte er seine Zukünftige förmlich zum Auto, ohne ihr oder seinen Freunden Zeit für weitere Abschiedsworte zu lassen. Kopfschüttelnd sahen die beiden dem Paar nach. „Also, zeigst du mir jetzt endlich noch, was du mir zeigen wolltest?“, fragte der Schotte den Wuschelkopf. Der nickte und führte ihn zur Terrasse. Dort wies er auf den überdachten Vorsprung. „Die Idee hat mich heute Morgen gebissen. Eine kleine Leinwand, um im Freien Sport gucken zu können“, erklärte er dabei. Saber entdeckte allerdings eine große und bereits voll installierte Leinwand. Grinsend schüttelte er den Kopf. „Denk dran, dass das dein Geschäft ist und nicht dein privater Vergnügungspark. In erster Linie solltest du damit deine Mädels ernähren“, mahnte er. „Keine Sorge, ich krieg auch normales Programm rein“, grinste der Japaner verschmitzt zurück und wies auf die provisorisch aufgebaute Anlage im Bistro, in der sich Beamer, TV, Heimkino, Stereoanlage und Boxen zu einem Traum an Unterhaltungstechnik verbanden. Die entsprechenden Kabel hatten sie heute schon gelegt. „Kindskopf“, tadelte der Highlander, allerdings nicht ernsthaft. „Wenn dir die geballte Frauenpower wieder Fragen stellt, solltest du das hier noch nicht erwähnen.“ Der Rennfahrer grinste nur noch breiter. „Was erwartest du? Ich war immer einer und ich werd immer einer bleiben. Und nur mal nebenbei erwähnt: Das“ Er deutete auf die Leinwand. „weiß April schon“, informierte er seinen ehemaligen Boss. „Glück gehabt“, meinte der amüsiert. „Nein.“ Fireball schüttelte bestimmt den Kopf. „Klüger geworden“, berichtigte er dann Sabers Aussage. Der Blonde schaute ihn fragend an, was den jungen Vater irritierte. „Was denn? Auch Rennfahrer lernen dazu“, verteidigte er deshalb seine Aussage. „Schon“, gestand Saber ihm zu. „Aber was hast du gesagt, dass sie nichts dagegen hatte?“, wollte er wissen. War doch immerhin interessant zu erfahren, wie viel der Kleine dazugelernt hatte. „Ich hab ihr das ganz simpel erklärt. Sport lockt immer viele Menschen an, Fußball zum Beispiel, oder Eishockey oder Formel 1. Da sitzen die Leute gern zusammen und sehen sich das an. Richtige Sportbars sind oft verraucht und schmuddelig, bei uns kann man auch was essen. Simpel genug, damit jeder versteht, dass das langfristig viel Kohle bringt. Du bist nicht das einzige Genie in unserer Runde“, erläuterte der ehemalige Pilot schlicht. „Stimmt, aber das größte“, grinste Saber und schielte betont die wenigen Zentimeter zu seinem Freund hinab. „Bah, wegen den zwei Zentimetern.“ Fireball versuchte gar nicht erst, sich größer zu machen, musste aber dennoch lachen. „Haben oder nicht haben“, schmunzelte der Schotte. „Nebenbei: Haben wir für heute fertig?“, wollte er noch wissen und trat wieder ins Bistro. „Das Feierabendbierchen steht da hinten“, erwiderte Fireball und wies auf die Theke. „Schließt du dann ab?“ – „Ja, aber ohne das Bier. Trotzdem danke“, lehnte der Recke das Angebot ab und verriegelt die Tür. Der junge Vater erwartete ihn am Vordereingang. „Ich kann dich heimfahren, liegt nämlich auf dem Weg“, schlug er dann vor, ließ Saber hinaus und verzog leicht das Gesicht. Der Weg war nur deshalb der gleiche, weil der Japaner noch zum Psychotherapeuten musste, was dem sehr widerstrebte. „Gern“, nahm der Blonde das Angebot diesmal an. „Jolene wird ja hoffentlich schon da sein.“ Er freute sich auf seine Frau. Je näher sowohl der Eröffnungstermin, als auch der Hochzeitstermin rückten, desto mehr griff das Ehepaar den Freunden unter die Arme und hatte folglich umso weniger Zeit für sich. Aber die Hebamme hatte etwas von heute zeitiger zuhause sein gesagt und ihr Angetrauter hoffte auf einen schönen gemeinsamen Abend. Mal wieder. „Ganz sicher. Sie muss ihren Helden doch gut bekochen“, meinte Fireball und stieg in sein Autor. „Das tut sie immer, aber heute scheint sie was vor zu haben. Sie tat so geheimnisvoll.“ Saber nahm auf dem Beifahrersitz Platz. „Na, für Ehebruch seid ihr noch nicht lange genug verheiratet“, stichelte der Japaner ohne zu ahnen, dass diese Worte an Sabers wundem Punkt kratzten. „Wahrscheinlich gibt es etwas, dass wir schon lange nicht mehr hatten und an das ich gerade nicht denke“, erwiderte der und hob die Brauen verstimmt. Die Vorstellung, seine Jolene könne jemals untreu werden, war die schlimmste für ihn. „Oder sie trifft sich mal mit einer guten Freundin. Sowas soll es geben“, bagatellisierte der Rennfahrer sogleich. „Ich schätze, ich werde mich überraschen lassen müssen“, kommentierte der Blonde nüchtern und wechselte das Thema. „Wie läuft es eigentlich?“, wollte er stattdessen wissen, da dem Rennfahrer entschlüpft war, was für einen Termin er heute noch hatte. „Eagle wird sich sicher mal danach erkundigen.“ Der Japaner nickte und münzte das Gesagte sofort auf seine Familie um. „Klar. Welcher Opa erkundigt sich nicht nach dem Enkelkind? Und das wächst und gedeiht.“ Über die Sitzungen zu reden, die ihm jedes Mal aufs Neue wie eine Folter erschienen, war für ihn, ganz besonders vor einer solchen, schlichtweg ein Graus. „Ich meinte ...“, setzte Saber an, dann verstand er. „Vergiss es.“ Für ein tiefgehenderes Gespräch über diese Angelegenheit war keine Zeit mehr. Sie hatten das Haus der Riders schon erreicht. „Schon passiert. Weil ich dich da jetzt rauswerfe“, antwortete Fireball daher. Der Recke schnallte sich ab und warf dabei einen Blick auf das Haus. „Sie ist da“, bemerkte er, als er Licht brennen sah. „Hoffentlich alleine“, konnte der junge Vater sich nicht verkneifen zu kommentieren. „Werd ich ja gleich sehen.“ Der Schotte brummte, als er die Tür öffnete und ausstieg. „Danke fürs Fahren, das nächste Mal Tanken geht auf mich“, verabschiedete er sich. „Ich schreib es von der Steuer ab“, entgegnete der Wuschelkopf zwinkernd. „Genieß deinen Abend und denk nicht zu viel drüber nach, Säbelschwinger.“ Irritiert hielt der inne, die Autotür zu schließen. „Worüber?“, bohrte er nach. „Über die diversen Freizeitaktivitäten deiner Angetrauten. Die denkt noch nicht mal dran“, antwortete der kopfschüttelnd. Was der Oberheld immer gleich dachte. „Du musst es ja wissen“, wich der Blonde dem Gespräch nun seinerseits aus. „Gute Nacht.“ – „Schönen Abend noch, Ciao.“ Die Autotür schlug zu. Fireball fuhr weiter und Saber lief auf das Haus zu. Ob er wollte oder nicht, Fireballs Stichelei hatte an einer alten, tiefen Wunde gekratzt. Noch immer fürchtete der Schotte nichts mehr, als das seine Frau ihm jemals untreu wurde. Nichts als diese Zweifel, diese Eifersucht belastete die Ehe, aber das dann zur Genüge. Er öffnete die Haustür. „Hey Manapi.“ Chily kam ihm entgegen gelaufen. „Du bist schon da“, wunderte sie sich. Er schloss die Tür und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Hi, mein Schatz“, begrüßte er sie. Die Hebamme spürte sofort, dass er etwas auf dem Herzen hatte. Irritiert darüber erwiderte sie den Kuss nicht, sondern musterte ihn besorgt. Das wieder verwirrte ihn restlos. „Ist was, Aiyana?“, wollte er wissen. „Das wollte ich dich auch grad fragen. Alles okay bei dir?“, gab sie zurück. Er wandte ihr den Rücken zu und legte den Schlüssel auf die Kommode. „Ja. Ist nur ein heillose Durcheinander bei den zweien im Geschäft“, antwortete er. „Kann ich mir vorstellen.“ Sie legte ihm die Hände auf die Schultern, massierte sie leicht und küsste ihn zwischen die Schulterblätter. „Hast du Hunger?“, hakte sie dann nach. Er ging auf ihre Liebkosung nicht ein, fragte nur nüchtern zurück: „Hast du gekocht?“ Ihm wollte es in seiner argwöhnischen Stimmung erscheinen, als hätte sie ein schlechtes Gewissen. „Es ist noch nicht ganz fertig. Ich hab dich später erwartet.“ Damit ließ sie ihn los und ging in die Küche voraus. „Habt ihr euch gestritten?“, versuchte sie die unterkühlte Art ihres Mannes zu ergründen. „Nein. Alles in Ordnung“, versicherte er ihr und folgte. „Was gibt es denn heute gutes? Verrat es mir, mein Schatz.“ Sie trat an den Herd und schaute prüfend in die Töpfe. „Dein Lieblingsessen“, antwortete sie. Jetzt war er endgültig alarmiert. Er hob überrascht die Brauen. „Wirklich?“ Sie schaute ihn fragend an. „Ja. Freust du dich nicht?“ Er hob die Hände und beeilte sich zu versichern: „Doch, doch. Ich wundere mich nur.“ Der Abend schien unter dem Zeichen nicht enden wollender, gegenseitiger Verwunderung zu stehen. „Warum? Du hattest in letzter Zeit so viel zu tun. Ich dachte, ich mach dir eine Freude damit“, erwiderte sie und kam so gar nicht darauf, was mit ihrem Angetrauten nicht stimmte. Nur das etwas mit ihm nicht stimmte, das war deutlich. Er lehnte sich in den Türrahmen und beobachtete sie. „Du hattest auch nicht wenig zu tun. Ich dachte nur, kochen ist grad so ziemlich das Letzte, was du noch machst und dann ist es auch noch fast fertig, obwohl du mich nicht so früh erwartet hast“, erklärte er sich und zauberte noch mehr Fragezeichen in ihr Gesicht. „Ist doch nicht so wichtig“, winkte er daher schnell ab. „Du sollst mich nicht anlügen“, meinte sie tadelnd. Es gehörte für sie schließlich noch nie viel dazu einen Menschen einer Unwahrheit zu überführen. „Was ist los mit dir? Du bist so, ich weiß nicht, kühl ... abweisend“, hinterfragte sie wiederum die seltsame Stimmung. „Nein, Aiyana. Ich bin nur ein bisschen müde heute“, stritt er ab und rieb sich, diese Aussage unterstreichen wollend, die Augen. „Was in deinem Kopf vorgeht, möchte ich grad wirklich wissen.“ Chily wandte sich wieder dem Herd zu und schaltete ihn ab, bevor etwas einbrennen konnte. Er wich ihr aus, dann sollte sie wohl vorläufig das Thema wechseln und es über einen anderen Weg versuchen. „Wie geht es Little Daddy und Bullet?“ Saber schmunzelte leicht. „Stur und tollpatschig wie immer“, antwortete er, froh über das neue Gesprächsthema. Die Angabe Stur bezog sich auf Fireball, Tollpatschig auf Colt, das verstand die Hebamme ohne Probleme. „Dann musst du besser auf ihn aufpassen. Für die Hochzeit sollte er am Leben bleiben“, grinste sie schief. „Wir haben ihm schon alles weggenommen, was gefährlich werden könnte“, beruhigte der Schotte sie scherzhaft. „Gut, dann muss er nur noch den Weg zum Altar finden.“ Eine fröhliche Stimmung ließ sich leider nicht dadurch erschaffen. Chily fühlte genau, dass diese seichte Fröhlichkeit nur oberflächlich war. Sie holte die Teller aus dem Schrank. „Den findet er auch, keine Sorge. Mit zwei Trauzeugen kann nicht viel schief gehen.“ Saber löste sich vom Türrahmen und half ihr, den Tisch zu decken, während sie begann, das Essen auf die Teller zu tun. „Ah, das ist dann also auch geklärt“, stellte sie nur fest. Er verteilte das Besteckt auf dem Tisch. „Hat sich Robin auch schon für jemanden entschieden, der sie zum Altar führt?“, wollte er nun über die Hochzeit wissen. „Ja, das steht schon eine ganze Weile fest.“ Ihre Stimme klang belegt. Saber setzte sich und musterte sie. „Und du weißt es?“ hakte er nach. Die buntgesträhnte Blondine stellte ihm den Teller hin und setzte sich ihm gegenüber. „Ja, natürlich. Du weißt doch, ich helf ihr bei den Vorbereitungen. Das ganze wird eine schöne Überraschung“, entgegnete sie. Jetzt schnellte wieder skeptisch die Braue nach oben. „Für wen?“ bohrte er scharf nach. „Da es ein Geheimnis ist: für alle anderen“, gestand sie leise und biss sich auf die Unterlippe. Unter seinem Tonfall war sie zusammengezuckt. Saber schluckte hart. Die Reaktion seiner Frau verhieß für den misstrauischen überhaupt nichts Gutes. „Kennst du ihren Brautführer?“, fragte er schließlich. „Ja, tu ich.“ Chily legte alles aus der Hand. Die Alarmglocken schrillten. Sie schien sich dem zu nähern, was ihm unter den Nägeln brannte. „Und?“ hakte er schon einsilbig nach. „Stehe unter Schweigepflicht“, presste sie hervor, wagte es eigentlich kaum, weil sie schon ahnte, wohin es führte. „Ach so.“ Jetzt war für Saber alles klar. Eifersucht loderte einmal mehr in ihm auf. „Manapi, warum fühl ich da eine Mauer zwischen uns?“ wollte Chily leise wissen. Sie konnte jetzt nicht locker lassen. „Wo siehst du schon wieder eine Mauer? Ich hab dich was gefragt, du hast es mir gesagt und gut“, entgegnete er knapp, hatte allerdings tatsächlich innerlich seinen alten Schutzwall wieder halb aufgerichtet. „Nein, das ist nicht wahr“, widersprach sie leidenschaftlich. „Wenn es nicht an den Jungs liegt, ist es dann wegen mir? Hab ich was angestellt?“ Oh, es trieb sie schier in den Wahnsinn, wenn er so reagierte, einsilbig, misstrauisch und distanziert. „Weiß ich nicht. Sag du es mir“, gab er nüchtern zurück. „Ich ... ich ... Gar nichts...“, stammelte sie überfordert. Heute Morgen war die Welt doch noch in Ordnung gewesen. Was war passiert, dass sich das geändert hatte? Erneut hob er die Brauen kritisch. „Ganz sicher?“ und sie fühlte sich bei dieser Frage unbehaglich wie bei einem Verhör. „Ja. Manapi, bitte, sag mir, was los ist. Ich verstehe nicht, warum du so misstrauisch bist.“ Sie hätte vor Ohnmacht die Wände hoch gehen können. „Man kriegt in letzter Zeit nicht viel von dir zu hören oder zu sehen“, antwortete er und atmete tief durch. „Von dir auch nicht, wir haben gerade beide viel zu tun. Aber rechtfertigt das Misstrauen?“, schoss sie zurück. Der Recke blieb sachlich. „Nur du redest von Misstrauen. Dann sag mir, ob es Grund für Misstrauen gibt“, meinte er, so nüchtern, als würde er mit seinem Team reden. Chily fuhr mit ihrem Stuhl zurück. „Nein, gibt es nicht“, kam es wie aus der Pistole geschossen. Er nickte leicht und schaute auf seinen Teller. „Na also, dann ist doch alles okay“, hakte er das ganze ab, als ob es tatsächlich so einfach wäre. Denn das war es nicht. Etwas lag über ihnen, bedrückte beide, als sie sich leise einen Guten Appetit wünschten und zu Essen begannen. Aber Chily hatte keinen Hunger mehr und obwohl sie wirklich sehr gut gekocht hatte, schmeckte es auch dem Schotten nicht wirklich. So richtig wusste er nicht, wie er sie und sich in diese blöde Situation befördert hatte, aber er hatte. Die Hebamme fühlte sich hilflos und überfordert. Ihr fehlte jeder Zusammenhang zwischen dem liebevollen, warmen Frühstück und diesem distanzierten Abendessen. Es machte ihr das Herz schwer. Seine Skepsis war der einzige Makel, den sie an ihrer Ehe sah, und es war ein sehr gefährlicher. Mistrauen sei eine Axt am Baum der Liebe, hatte ihre Mutter oft gesagt. Währenddessen mahnte sich Saber selbst. Er wusste es doch besser, als das, was er eben gesagt und getan hatte. Jedes Kind konnte besser lügen als seine Frau. Er sollte mehr Vertrauen zu ihr haben. Sie hatte ihm schließlich mehr als einmal schon treu zur Seite gestanden. Er kniff die Augen zusammen. Nein, diese Spannung war nicht mehr zu ertragen. „Entschuldige“, murmelte er schließlich leise. Irritiert hob sie den Kopf. „Was?“ Zerknirscht schielte er zu ihr hinüber. „Dass ich unseren Abend verdorben habe“, antwortete er leise. „Sag mir doch bitte einfach, was du denkst, was ich getan hab. Ich versteh dich gerade so gar nicht und ... Es ist als stünde etwas zwischen uns. Aber ich weiß nicht, was und ich kann es nicht wegschieben ...“ Hilflos suchte sie nach den richtigen Worten, nach einer Erklärung und vor allem einem Weg aus dieser Situation. Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl herum und beschämte Saber ungewollt noch etwas mehr. Er legte das Besteck beiseite. „Ich sehe dich momentan kaum und ich weiß auch nicht, was du machst. Du sagst es nicht. Und niemand weiß es, vor allem ich nicht...“, erklärte er sich, nicht mit übertrieben mehr Geschick als sie. „Ich helfe Robin mit der Hochzeitsvorbereitung. Schatz, dass weißt du doch. Was willst du hören? Dass wir morgen noch einen letzten Termin bei der Änderungsschneiderin haben? Dass die Blumengestecke blau-weiß sein werden? Dass uns die Sitzordnung Kopfzerbrechen macht?“, sprudelte sie hervor. „Ja, zum Beispiel“, nickte er schlicht. Mit ungenauen Angaben tat er sich schwer umzugehen. „Dann entschuldige du bitte. Ich dachte, du hast keinen Nerv so was zu hören, wenn du von Bullet und Little Daddy kommst“, ließ sie sich nun leise vernehmen und senkte den Blick wieder auf den Teller. „Ich höre dir gerne zu und ich möchte wissen, was du am Tag so alles anstellst“, versicherte er ihr erleichtert. Da hatte er sich einmal mehr wieder für nix aus dem Konzept bringen lassen. Ausgerechnet er. Unglaublich. „Was als so etwas sollte ich denn sonst anstellen?“, wollte sie wissen, da ihr noch immer nicht ganz klar war, woher sein Mistrauen eben gekommen war. „Ich weiß es nicht“, gestand er etwas kleinlaut. Er konnte sich selbst nicht so recht erklären, woher diese Eifersuchtsanfälle wider besseren Wissens kamen. „Ich... naja... Ich hatte einfach das Gefühl, du lässt mich nicht an deinem Leben teilhaben, oder du möchtest es nicht, da...“ Saber brach ab. Er musste nicht weitersprechen. Chily tat es für ihn. „…hast du wieder vergessen, dass ich nicht ... na die eben ... bin.“ Beschämt senkte der Blonde die Augen und nickte. „Die Gefühle lassen sich dahingehend leider nicht eines Besseren belehren. Es tut mir leid, wirklich...“, versuchte er sich zu erklären, stockte aber, als sie abrupt Besteck und Teller von sich schob und aufstand. „Aiyana?“, fragte er unsicher. Sie kam langsam auf ihn zu. Es tat ihr weh, dass er immer wieder mal Momente hatte, in denen er ihr sowas unterstellen konnte, aber sie wusste auch, warum das so war. Er griff nach ihrer Hand und zog sie zu sich auf den Schoß. „Meinem Kopf ist vollkommen klar, dass du nicht wie sie bist. Aber mein Herz, Aiyana, mein Herz hat einfach nur Angst“, murmelte er schuldbewusst. Sie setzte sich auf seinem Schoß zu Recht und schloss ihn innig in die Arme. „Ich weiß, mein Manapi, ich weiß“, raunte sie ihm warm ins Ohr. Sie verstand ihn genau und wusste, dass diese seltenen, verletzenden Vergleiche mit der Ex nicht beabsichtigt waren. Das und die Tatsache, dass sie ihn über alles liebte, machten es ihr leicht, darüber hinweg zu sehen. Saber drückte sie so nah an sich, wie er nur konnte. „Ich liebe dich. Und irgendwann, wird auch dein Herz keinen Zweifel mehr daran haben, dass ich hier zu Hause bin“, flüsterte Chily und hauchte ihm einen Kuss aufs Ohr. Ein wohliger Schauer jagte ihm über den Rücken. „Mein Kopf wird es ihm jeden Tag aufs Neue sagen und ich weiß, dass du es meinem Herzen zeigen wirst“, gab er leise zurück und küsste ihr sanft die Stirn, selig darüber, dass sie war, wie sie war. Professor Maron seufzte müde. Er setzte die Brille ab und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Was für ein unglaublicher Starrsinn. Was für ein unglaublich verbocktes Schweigen. Mit einem solchen Exemplar im Lehrbuch vergraulte man sich erfolgreich zukünftige Therapeuten. Das war so sicher, wie das Amen in der Kirche. Aber er war nicht bereit aufzugeben. Nein, noch nicht. Eine Chance hatte er noch. Der Plan war ausgeklügelt, alle Beteiligten informiert, bis auf die Hauptperson, so wie er es ersonnen hatte. Er erhob sich von seinem Schreibtisch, ging zur Tür, löschte das Licht und verließ sein Büro und schließlich das Gebäude als letzter, sehr viel später als alle anderen. Der Plan würde morgen umgesetzt werden. Dafür musste er ausgeruht sein. Mit düsterer Miene trat Fireball ein. Gestern Abend hatte er diesen Typen auf dem Hals gehabt und heute Morgen gleich wieder. Das konnte auch nicht der Umstand mildern, dass April an seiner Hand in das Büro folgte. Eher löste es das Gegenteil in dem Rennfahrer aus. Heute war eindeutig etwas im Gange. Er fragte sich, was dass alles sollte, aber weder Aprils offene Augen, noch Maron, der mit verschränkten Armen vor seinem Schreibtisch stand, gaben dem jungen Vater eine Antwort darauf. Unbehaglich nahm er auf dem angebotenen Stuhl Platz und verfolgte das Geplänkel zwischen seiner Freundin und dem Seelenklemptner mit gerunzelter Stirn. Woher kannten sich die beiden? Der Professor lehnte sich wieder an den Tisch, nachdem er auf die Navigatorin zu getreten war und sie begrüßt hatte. Wieder verschränkte er die Arme vor der Brust, fing Fireballs Blick auf und hielt es für nötig ihn endlich ein wenig ins Bild zu setzen. „Commander Eagle wird auch gleich hier sein. Er wollte noch etwas erledigen, bevor er kommt“, meinte er. Jetzt hatte die Skepsis bei dem Japaner überhandgenommen. „Was wird das denn, wenn es fertig ist?“, fragte er. Ein leichter Seitenblick auf seine Freundin genügte, um festzustellen, dass sie, im Gegensatz zu ihm, genau wusste, was hier gespielt wurde. Maron nahm es der Blondine ab, dass zugeben zu müssen. „Nun, Mister Hikari, sehen Sie es als Unterstützung Ihre Bewährungsauflage zu erfüllen“, erklärte er unbeeindruckt von der Verwirrung und dem Unmut des wuscheligen Dickkopfes. „Ich erfülle meine Bewährungsauflage auch so“, trotzte der prompt und krallte seine Finger in die Armlehnen. „Mister Hikari, Sie haben keine Auflage bekommen so und so viele Stunden hier abzusitzen, sondern sich therapieren zu lassen“, stellte der Therapeut gelassen richtig. „Wenn ich keine Ergebnisse bei Ihnen vor weisen kann ...“ Er sprach bewusst nicht zu ende. Fireball musste sich das jetzt denken können. Erwartungsgemäß biss dieser sich auf die Lippe und schaute zu Boden. Ja, er ahnte, was passieren würde. Nur April war dieses Ausmaß noch nicht bewusst gewesen. Absichtlich hatte Maron es ihr verschwiegen. Der erschrockene Ausdruck ihrer Augen musste leider sein, wenn der Plan aufgehen sollte. Und auch ihr überraschtes „Fireball?“ Überrumpelt schaute die Navigatorin den Rennfahrer an, dann Maron. „Soll das heißen Sie bekommen nichts aus ihm heraus?“, hakte sie nach. Er schüttelte bedauernd den Kopf, nicht nur um zu verneinen, sondern auch aus Bedauern, dass er ihr das nicht schon gesagt hatte, als er mit ihr telefoniert hatte. „Ein Felsen würde mir mehr erzählen“, lautete seine niederschmetternde Antwort. Der ehemalige Ramrod-Pilot schloss die Augen. Warum sollte er auch darüber reden, besonders, wenn er es nicht wollte. „Schatz, bitte“, wandte sich April an den Wuschelkopf. „Willst du Charlene und mich allein lassen?“ Vor dieser Konsequenz hatte sie Angst. Sofort ergriff der Angesprochene ihre Hand. „Ganz sicher nicht. Das weißt du, Süße. Ich will und ich werde euch nicht alleine lassen“, versicherte er ihr schnell und haltlos. Sie nickte beruhigt. Dann würde diese Sitzung ja Erfolg haben, so wie Professor Maron es sich vorgestellt hatte. „Dann sollten Sie langsam mit mir zusammen arbeiten. Denn, wie übrigens sehr viele Menschen, können Sie mit dem Verlust von Nahestehenden nicht umgehen. Mehr als das sollen Sie hier nicht lernen“, schaltete sich der nun ein und nahm kurz seine Brille von der Nase. Prüfend schaute er hindurch und rieb einen Fleck mit dem Pulloversaum weg. „Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Leben weiter geht, egal wen oder was man verloren hat“, erklärte Fireball ungehalten. Ungehalten, wie alle Antworten, die er dem Psychotherapeuten gab, weil der viel zu nahe an die Tatsachen kam, mit dem, was er so sagte. „Sicher, da sind wir uns einig“, bestätigte Maron gelassen. „Das Entscheidende daran ist WIE das Leben weitergeht“, bemerkte er dann. Es klopfte. Im nächsten Moment trat Commander Eagle ein. „Entschuldigt meine Verspätung.“ Damit schloss er die Tür rasch hinter sich und kam zu den bereitgestellten Stühlen vor dem Schreibtisch des Professors, auf denen April und Fireball schon saßen. „Hi und macht nichts. Du hast nichts verpasst“, murrte der Wuschelkopf. Jetzt schmeckte ihm das alles noch viel weniger. April begrüßte ihren Vater mit einer Umarmung und ließ ihn auf der andren Seite von sich selbst Platz nehmen. „Commander. Freut mich, dass Sie hier sind“, nickte Maron ihm zu. Der Neuankömmling erwiderte die Begrüßung und warf einen prüfenden Blick auf den vor sich hin grummelnden Rennfahrer. „Sie konnten ihm also schon die Konsequenzen verdeutlichen“, stellte er fest. Ein genervtes Brummen war von dem Japaner zu hören. „Wie Sie sehen hat er es auch verstanden“, antwortete der Professor trocken. Der Wuschelkopf hob seinen Blick und schaute noch einmal skeptisch in die Runde. „Was wird hier jetzt wirklich gespielt?“, wollte er ungeduldig wissen. „Da ich mit Ihnen allein nicht reden kann: Gruppentherapie.“ Der Therapeut ließ sich noch immer nicht von der ablehnenden Art des jungen Vaters beeindrucken oder aus der Reserve locken. Auch nicht von dem Augen rollen diesem, seinem persönlichen Sorgenkind. Die Reaktion bedeutet, dass der Japaner nicht glaubte, dass dadurch irgendetwas besser würde. „Okay“, kam es gedehnt von ihm und verdeutlichte, dass er diese Sitzung ebenfalls für Zeitverschwendung hielt, wie alle anderen davor auch. „Normalerweise gehören Kinder auch in diese Art Sitzung, aber Ihre Tochter ist dafür noch etwas zu klein“, erläuterte der Professor, um dem jungen Vater noch mal in Erinnerung zu rufen, dass dessen Familie davon betroffen war, wenn er wegen der Nichterfüllung seiner Bewährungsauflage ins Gefängnis musste. „Und so leid es mir tut, Mister Hikari, sehr viele Möglichkeiten und auch sehr viel Zeit habe ich nicht mehr, Ihnen zu helfen“, fügte er hinzu. Wie jedes Mal, wenn er unter Druck gesetzt wurde, besonders von Professor Maron, schaltete der ehemalige Ramrod-Pilot auf Stur. „Ich brauche aber keine Hilfe. Mir geht es gut, ich kann mit dem leben, was passiert ist“, behauptete er, um es sich selbst noch einmal einzureden. Allerdings klang es so, als würde er es selbst nicht glauben und entsprechend skeptisch war Marons Blick. „Ich glaube, du hast die Sachlage nicht richtig verstanden. Dir läuft die Zeit davon. Wenn nicht bald eine kleine Veränderung an dir festgestellt werden kann, hast du deine Bewährungsauflage nicht erfüllt“, schaltete sich Eagle fassungslos über den Starrsinn seines Schwiegersohnes in sehr viel Spe ein. „Ich hab es schon verstanden, Charles.“ Frustriert stützte er die Arme auf die Knie und den Kopf auf die Hände. Das durfte doch einfach alles nicht wahr sein. „Und trotzdem scheinst du das Schweigen vorzuziehen. Bedeutet dir deine Familie so wenig.“ Aprils Vater konnte es kaum glauben. Ob diese Beziehung wirklich gut war für seine Tochter? Bis vor kurzem hätte er das noch prompt mit Ja beantwortet, doch seit Marons Bericht wuchsen seine Zweifel. Auch April schaute den Rennfahrer mit großen Augen an. „Turbo ...“ Aber mehr als das brachte sie nicht hervor. Fireball sank in sich zusammen. Die Unterstellung von Charles Eagle tat ihm weh. Verunsichert wandte er sich an seine Freundin. „So ist es nicht, Süße. Charly und du...“ Er brach ab. „Es liegt bei dir, Turbo, aber du tust nichts.“ In die blauen Augen der jungen Mutter traten Tränen. Sie wandte sich ab. Angst beschlich sie, dass Fireball nicht rechtzeitig zur Vernunft kam. Denn leider sah es im Augenblick genau so aus. Ihr Vater nahm sie in den Arm und blickte enttäuscht auf Fireball. Der strich der Blondine hilflos über die Schulter. Dass sie sich von ihm abwandte behagte ihm noch weniger, als dass sie überhaupt bei dieser Sitzung dabei war. Verunsichert linste er zu Maron, doch der übersah dies geflissentlich und sprach den Commander an. „Commander, erzählen Sie mir doch bitte mal, wie Captain Hikari war. Ist der Sturkopf und die Uneinsichtigkeit vererbt worden?“, wollte er ganz bewusst provokant wissen. „Shinji war auch stur und uneinsichtig. Aber er wusste, wann andere Dinge wichtiger sind“, erwiderte der Gefragte und strich April sanft über die Mähne. „Welche meinen sie?“, wollte der Professor wissen und setzte sich endlich die Brille wieder auf. „Familie zum Beispiel.“ Eagle warf dem Japaner einen kurzen Blick zu. „Für seine Frau und sein Kind hat er alles getan. Leider hatte er dazu nicht mehr allzu viel Gelegenheit“, ergänzte er dann. „Jaja, das ist bekannt. Der Held, der lieber gestorben ist, als seinen Sohn aufwachsen zu sehen“, winkte Maron nun ab und schob seine Brille zurecht. „Es gab sicher damals genug Soldaten, die keine Kinder hatten. Es gab überhaupt keinen Grund für den Captain, so ein Wagnis anzugehen und dabei dann auch noch draufzugehen. Vaterliebe ist das sicher nicht, wenn man bedenkt, was für ein Trauma er seinen Sohn damit verpasst hat, weil er ohne ihn aufwachsen musste“, fügte er nicht gerade des Lobes voll hinzu. Der Wuschelkopf schluckte schwer. Ihm wurde ganz anders dabei. Zum ersten Mal hörte er keine Lobgesänge auf seinen Vater sondern Abwertung. Etwas verwundert schaute Eagle den Redner an. Auch für ihn war das eine neue Erfahrung. Einen Moment brauchte er, dann begriff er, in welche Richtung der Psychotherapeut damit wollte. „Dann hat er die Vaterliebe vererbt. Shinji war risikofreudig, das stimmt. Er hat manchmal nicht nachgedacht“, meinte Charles. Maron nickte leicht und beobachtete, wie Fireball sich einmal mehr zurück zog. Er durfte jetzt nicht locker lassen. „Tja, manche Menschen sehen ihn wohl als Helden, andere halten ihn für einen Versager und Angsthasen“, erklärte er schonungslos. Der Rennfahrer hielt den Blick auf den Boden gerichtet und biss sich auf die Unterlippe. War er das auch? Ein Angsthase, ein Versager? „Ein Held war er für alle jene im Oberkommando. Aber Freunde und Familie, nun sie hatten zu wenig von ihm“, bemerkte Eagle. „Genau da liegt ja das Problem“, bestätigte der Professor ganz so, als wäre der Japaner nicht anwesend. April blieb an ihren Vater gelehnt und schaute verwundert auf Maron. Fireball glaubte, dass keinen Moment länger ertragen zu können. Unverändert verharrte er in seiner Position, formte nur mit den Lippen „Aufhören“. Wieso nur wagte der Heinz so über seinen Vater zu sprechen? Sein Vater hatte sich geopfert, damit Fireball in Frieden aufwachsen konnte. Der Captain war ein Held, ein Idol, das der Rennfahrer an Größe nie erreichen würde. Gut, vielleicht war er unbedacht in die Schlacht gestürzt. Möglich, dass er noch nicht gewusst hatte, dass er Vater wurde. Vielleicht hatte er im Gefecht nicht aufgepasst, einen Fehler gemacht … Fireball stolperte über seine eigenen Gedanken. Captain Shinji Hikari war fehlbar! Zum ersten Mal dämmerte dem jungen Vater, dass hinter den alten Zeitungsartikeln, die den Captain zu einem Gott aufbauschten, auch nur ein Mensch steckte, mit Stärken und Schwächen. Nicht unfehlbar. Nicht unerreichbar, aber unverändert tapfer und es wert, ihm nachzueifern. Zumindest teilweise. „Commander, mir scheint, der jungen Dame geht es nicht gut. Vielleicht wäre sie an der frischen Luft besser aufgehoben. Für die nächsten Minuten zumindest“, drang Marons Stimme in sein Bewusstsein. Eagle erhob sich und nickte. „Keine Sorge, ich kümmere mich um meine Tochter“, erwiderte er und betonte die letzten beiden Worte. „Gut“, nickte der Professer und umrundete den Tisch, nachdem die beiden gegangen waren. Er setzte sich und musterte den Wuschelkopf vor sich. Etwas arbeitete in ihm, stellte er fest. „Ein Glas Wasser, Mister Hikari?“ Der Gefragte schüttelte den Kopf. Ihm war im Augenblick alles vergangen. Maron gönnte ihm eine Pause und schlug die Mappe seines Sorgenkindes auf. Er begann etwas darin zu notieren und grübelte, ob er seinen Plan weiter verfolgen sollte, oder nicht. Allerdings lief ihm die Zeit davon und wollte er Fireball helfen, durfte er ihn eigentlich nicht zu lange schonen. Der Rennfahre sank noch weiter in sich zusammen. April war weg. Charlene war nicht hier. Charles Eagle war enttäuscht und Maron schrieb, wie es schien das Todesurteil des jungen Vaters. „Ich halte mich an die Bewährungsauflage. Ich tu es doch schon die ganze Zeit über“, presste er zermürbt hervor. Der Professor schaute nicht auf, um seine Überraschung zu verbergen. Also schön, dann weiter im Text. „So leid es mir tut, da unterliegen Sie einem Irrtum. Sie sitzen Ihre Stunden hier ab und mehr als das kann ich Ihnen nicht bescheinigen. Man kann mit Menschen nicht reden, die es vorziehen zu schweigen“, entgegnete er und kritzelte weiter. „Das einzige, was ich daran beeindruckend finde, ist, wie leidenschaftlich Sie Ihrer Freundin zuvor versichert haben, Sie würden sie und Ihre Tochter niemals allein lassen und dann lassen Sie zu, dass sie geht“, fügte er sachlich hinzu, ohne dass der Stift dabei still hielt. Fireball beobachtete den Schreibenden, dann schaute er zur Tür, aus der April und ihr Vater gegangen waren. Er steckte fest. Noch eine Erkenntnis, aber die schmeckte ihm überhaupt nicht. „Man muss nicht alles breit treten. Schon gar nicht vor fremden Leuten“, rechtfertigte er sich unbeholfen. „Nun, sicher. Keiner verlangt, dass Sie es in die Zeitung setzen“, bestätigte Maron, schaute ihn kurz an und unterbrach sein Gekritzel. „Es besteht da schließlich ein Unterschied zwischen dem und Vertrauen zu seiner Lebensgefährtin zu haben“, meinte er und seufzte schwer. „Mister Hikari, was mich angeht, ich kapituliere. Sie reden nicht mit mir und da ich derjenige bin, mit dem Sie per Urteil reden sollten, weiß ich auch, wie Ihre Zukunft aussieht. Ich hätte es Ihnen gern erspart, aber ich kann Sie zu nichts zwingen.“ Damit glitt der Stift wieder übers Papier. „Ich habe Vertrauen zu April, Professor Maron“, versicherte Fireball und tatsächlich bestritt der Therapeut das nicht. Er beobachtete über den Rand seiner Brille, wie der Ramrod-Pilot wieder zur Tür sah, sich umwandte und sichtlich zwang, die nächsten Worte auszusprechen. „Was wollten Sie hören?“, fragte er und kniff die Augen zusammen. Der Wuschelkopf rang um Ruhe. Leider war die Schonfrist abgelaufen. „Antworten, auf die Fragen, die ich Ihnen schon von Anfang anstelle, aber, lassen wir das“, tat der Professor, als wäre alles zu spät. Fireball zog sich das Herz zusammen. Nein, es durfte noch nicht zu spät sein. Eagle hatte von Bald gesprochen, also musste er noch eine Chance haben. „Bitte“, flehte er leise. „Was wollen Sie hören? Ich... ich liebe meine Familie.“ Der Gedanke April und Charlene nach all diesen, wenn auch erfolglosen, aber quälenden Sitzungen doch noch zu verlieren, schmerzte mehr, als alles andere. Nein, zu reden konnte nicht schlimmer sein, als das. „Wie es scheint mit der gleichen Hingabe, wie ihr Vater. Eine recht fragwürdige, möchte ich behaupten“, provozierte Maron ihn. Irgendwann musste der Japaner doch mal ausbrechen. „Sie hätten wohl lieber Krieg“, flog dem Therapeut eine verbitterte Feststellung um die Ohren. Also war es jetzt so weit. „Haben Sie schon mal gekämpft? Wissen Sie, was Krieg bedeutet?“, grollte der Pilot des Friedenswächters. „Ich muss mir das nicht von einem Grünschnabel erklären lassen. Ich habe den Krieg miterlebt“, schnappte Maron zurück, wohl wissend, wie sauer es dem jungen Starsheriff aufstoßen musste, so genannt zu werden. „Das war klar“, schnaubte der getroffen. „Ich kann nichts dafür, dass ich noch nicht älter bin, tut mir wirklich leid.“ Beleidigt verzog er das Gesicht. „Hätte Ihr Vater es vorgezogen, Sie aufzuziehen und Ihnen ein paar Manieren beizubringen, statt sich umzubringen, hätten Sie Ihre Probleme jetzt nicht“ reizte ihn der Professor trocken weiter. „Meine Mutter hat das auch ganz gut alleine hinbekommen, wenn Sie mich fragen. Und meine Probleme, wenn ich welche hätte...“ Der Rennfahrer brach ab und zwang sich zur Ruhe. Aber das war nicht, was der Therapeut wollte. Nein, der Kleine musste sich stellen, nicht wieder verleugnen und verdrängen. Er startete einen neuen Versuch. „Ja, klar. Sieht man ja, wie gut Sie Ihr Leben im Griff haben. Nichts wissen Sie, Kleiner. Gar nichts“ bemerkte er unbeeindruckt und fuhr fort, auf dem Papier zu kritzeln. „Sie wissen nichts! Was zum Teufel wissen Sie von meinem Leben? Gar nichts“, fuhr der Hitzkopf nun auf. Er hätte augenblicklich die Wände hochgehen können, tigerte stattdessen aufgebracht durchs Büro. Wie anmaßend dieser Psychotherapeut doch war. „Sie hatten einen Vater, der den Helden spielen musste, haben eine Mutter, die es nicht schaffte sie vernünftig zu erziehen. Sie haben eine Freundin, der Sie nicht vertrauen und deren Vater Sie zutiefst enttäuscht haben und nicht zu vergessen eine Tochter, die Sie bald nicht mehr sehen werden. Das alles nur, weil Sie nicht im Stande sind, über jene Mandarin und jene Suzie zu sprechen“, fasste Maron nun nüchtern zusammen und hatte den Rennfahrer nun endlich da, wo er ihn die ganze Zeit schon haben wollte. Fireball stoppte vor dem Fenster und drehte ihm den Rücken zu. „Und noch mal, Maron: ICH vertraue meiner Süßen. Sie versteht mich, auch wenn ich nichts sage. April weiß es.“ Allerdings musste er hart schlucken. Sein Vertrauen in April, war der einzige Punkt, in dem er Maron widersprechen konnte. In allem anderen musste er ihm Recht geben und es tat weh, das eigene Leben auf so rationale Weise vorgeführt zu bekommen. „Deshalb hat sie sich zum Schluss auch an ihren Vater gelehnt. Sie wollen mir was von der Bedeutung des Krieges erzählen, wenn Sie nicht mal merken, wie sehr Ihr Schweigen ihre Freundin verletzt?“, legte Maron den Finger auf diesen Punkt und schüttelte abwertend seinen zerzausten Kopf. „Im Krieg sterben Menschen, Maron. Sie verlieren für so einen Schwachsinn ihr Leben. Sie kommen nicht mehr zurück. Nie wieder“, erwiderter der junge Vater tonlos. Sein Blick glitt auf die Straße. Er sah seine Freundin, unglücklich, ihren Arm in den ihres Vaters eingehakt. Fireball lehnte die Stirn an das kalte Glas. „Alles, was ich will, alles, was ich brauche, das hab ich bei April. Sie ist alles für mich“, flüsterte er und Tränen stiegen ihm in die Augen. „Hm“, brummte Maron unzufrieden. „Sie werden sie verlieren, gewöhnen sie sich an den Gedanken. Denn Sie tun noch immer alles, nur beantworten Sie nicht meine Fragen. Sie reden immer noch nicht über Mandarin und Suzie“, stellte er klar. „Was soll ich über die beiden erzählen?“ Fireball legte die Hand auf die Fensterscheibe, als könne er so verhindern, dass April und ihr Vater aus seinem Sichtfeld verschwanden. „Sie waren beide Freunde von uns. Und beide sind bei der letzten Mission gestorben. Mandy erstochen und Suzie von einem Outrider erschossen“, fügte er hinzu. „Wie gute Freunde waren sie drei?“, wollte Maron wissen. „Suzie war eine gute Freundin von April. Mandy war...“, begann der Rennfahrer, brach aber ab. „… in Sie verliebt?“ riet der Professor. „Meine beste Freundin“, krächzte Fireball, nickte aber auch. „Als das ausgesprochen wurde, wie war das?“ bohrte der verstrubbelte Professor hartnäckig weiter. Es war nicht wichtig, dass der Rennfahrer ihm den Rücken zu drehte. Seine Körpersprache war deutlich genug. „Ich war... Ich hab damit nicht gerechnet“, flüsterte der und bemerkte nicht wirklich, dass er eigentlich mitten in einer Therapiesitzung gelandet war. „Sie haben ein schlechtes Gewissen deshalb. Ist es so?“ folgte die nächste Frage. „Ich hätte da sein müssen, als Suzie sie...“ Der Wuschelkopf löste sich von der Scheibe und ließ den Kopf noch weiter hängen. „Warum? Weil man Freunde nicht im Stich lässt? Wussten Sie da schon, dass Suzie keine Freundin mehr war?“ hinterfragte Maron weiter. Obwohl immer noch zuhören war, wie ein Stift über Papier fuhr, hörte der Psychotherapeut aufmerksam zu. „Wir wussten, dass Mandy und Suzie keine Freunde mehr waren. Ich, ich war nicht da“, presste der Japaner angestrengt hervor und trat langsam einen Schritt vom Fenster weg. April und ihr Vater waren nicht mehr zu sehen, schloss Maron daraus. „Langsam. Sie wussten von Suzies Verrat, vor oder nach Mandarins Ermordung?“ fragte er und war nun wirklich gespannt darauf, ob er noch länger Antworten bekam. „Sie hat sich nach Mandys Tod verraten“, gab Fireball tonlos Auskunft. Mit einem innerlichen „Yes“ kitzelte der Professor weitere Informationen heraus. „Wie kommen Sie dann darauf, dass Sie Mandarin im Stich gelassen haben?“ – „Sie war meine Freundin. Ihr ging es die ganze Zeit über schon nicht gut. Ich hätte für sie da sein müssen“, warf sich der Gefragte selbst vor und wankte einen weiteren Schritt zurück. „Verstehe, Sie hatten ein schlechtes Gewissen, weil Sie ihre Gefühle verletzt hatten, als Sie ihr sagten, dass Sie in ihr Ihre beste Freundin sehen. Ganz gleich was sie Ihnen versichert hat, Sie haben sich ein bisschen für diese Zurückweisung geschämt. Deshalb glauben Sie auch, dass es ihre Schuld ist und übersehen dabei, dass Mandarin das Ganze wahrscheinlich viel besser verstanden hat, als Sie ihr zu trauen“, schlussfolgerte Maron souverän. Noch immer mit hängendem Kopf drehte sich der Wuschelkopf zu Maron um. „So, wie das alles gelaufen ist... Ich hab es nie gemerkt...“, versuchte er sich zu erklären. „Woran hätten Sie es denn merken wollen?“ Zumindest der Professor musste jetzt etwas trinken. Fireball sah halb zu ihm auf. „Alle anderen haben es gesehen. Colt hat immer wieder blöde Scherze gemacht, aber ich...“ Es war wohl noch nie so offensichtlich gewesen, wie sehr der junge Vater sich mit diesen Selbstvorwürfen plagte, aber er war blass im Gesicht und wirkte abgekämpft. „Das heißt gar nichts. Was andere sehen, oder zu sehen glauben, muss nicht automatisch stimmen. Jeder hat eine andere Wahrnehmung und die ist beeinflusst von dem, was wir selber denken. Wenn Sie nie daran gedacht haben, sich auf Mandarin einzulassen, wie wollen Sie dann erkennen, dass sie es getan hat? Zumal Sie wahrscheinlich damals schon nur Augen für ihre Freundin hatten“, entgegnete Maron ruhig und lehnte sich im Stuhl zurück. Fireball wischte sich über die Augen. Oh, er vermisste Mandarin. „Dieser letzte Fall hat zu viel Blutzoll gefordert und ich hätte beinahe mehr als meine beste Freundin verloren. Keinem wär es damit gut gegangen.“ Maron betrachtete ihn schweigend und zählte gedanklich zurück. Drei, zwei, eins. „April hätte unsere kleine Tochter fast verloren. Unsere Familie wäre um ein Haar schon vor der Geburt unserer Kleinen keine geworden“, fuhr der Wuschelkopf von sich aus fort. Er trat wieder zum Schreibtisch des Professors, setzte sich, stützte wieder die Arme auf die Knie und den Kopf auf die Hände. „Dank Jean-Claude und Colts verstoßenem Onkel. All das nur wegen Alkalit! Das war es nicht wert“, murmelte er. „Was hat Jean-Claude mit Suzie zu tun?“, fragte Maron, sehr zufrieden mit der Redseligkeit seines Sorgenkindes. „Er war ihr Verhängnis. Sie hat Dankbarkeit mit Liebe verwechselt“, erhielt er darauf zur Antwort. „Nun, manchmal macht Liebe blind. Den Spruch gibt es nicht von ungefähr. Im Grunde scheint sie mir dann doch recht bedauernswert“, meinte der Professor. „Mein Bedauern für sie hält sich in Grenzen, tut mir leid“, schniefte der Japaner leicht und strafte seine Worte Lügen damit. „Verständlich. Es dürfte in etwa dasselbe Gefühl sein, wenn eine Freundin auf die Mutter seines Kindes zielt, wie es für diese Freundin ist, wenn ihr Lover auf sie zielt. Zum Schluss bleibt nur die bittere Erkenntnis, wie schwer man sich getäuscht hat.“ Maron unterbrach sein Gekritzel. Fireball nickte nur, also drückte der verstrubbelte Professor den Knopf der Sprechanlage. „Misses Pack, schicken Sie doch bitte Miss Eagle herein.“ Dann nahm er den Stift wieder zur Hand und wandte sich beiläufig an den Rarmod-Piloten. „Das Kommentar: Shit happens, ist wohl etwas zynisch. Vor allem steht die Frage im Vordergrund, wie viel dieser bitteren Erkenntnis ihr Leben noch heute beeinflusst?“ Der sah noch immer nicht auf. „Ich versuche, das Beste aus jedem Tag zu machen“, meinte er ausweichend, aber sein Gegenüber war clever genug die eigentliche Bedeutung dieser Worte zu erkennen. Der junge Vater schob alles konsequent zur Seite und vergrub es so weit im Hinterkopf, wie er konnte. „Verdrängen wird irgendwann für den großen, vor allem aber vernichtenden Knall sorgen. Bedenken Sie, Sie verschweigen es auch der Mutter Ihres Kindes. Für eine Beziehung bedeutet das: Mangel an Vertrauen und damit unweigerlich das Ende“, erklärte Maron und bedeutete unauffällig April, die leise eingetreten war, noch einen Moment abzuwarten. Fireball kämpfte gegen Tränen. „Ich will sie nicht verlieren“, versicherte er kläglich. „Nun, keiner sagt, dass Sie sie verlieren werden, nur, dass es Ihnen passieren Kann“, stellte der Professor richtig. „Ich liebe sie und ohne sie würde ich keinen Tag überleben. Ohne sie würde ich sterben...“ Die Stimme des Rennfahrers war so dünn wie Pergament. Nichts war schlimmer für ihn, als einen Tag ohne sie zu sein. Maron wusste, dass es sein Sorgenkind quälte, aber musste es ihm vor Augen führen, so verdeutlichen, dass dieses verbockte Schweigen nie wieder aufkam. Nicht nur für diese Sitzungen hier, für die Bewährungsauflage. Nein, das war eine Lektion, die der Rennfahrer für sein ganzes Leben lernen musste. „Wie schnell man von Sterben sprechen kann, Mister Hikari“, nickte der Professor. „Sie sollten mal sehen, wie schnell man wirklich sterben kann“, entgegnete der und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Ich weiß, wie schnell Menschen sterben können und manchmal ist das ein Vorteil, dass es schnell geht. Ich wünschte, meine Mutter hätte sich nicht ein halbes Jahr quälen müssen. Aber wie auch immer. Sie sollten sich langsam mit einigen Dingen auseinander setzen.“ Maron beobachtete auch April aus dem Augenwinkel. Sie litt mit ihrem Freund und wäre am liebsten sofort zu ihm gelaufen, aber sie wagte es nicht ohne die Erlaubnis des Professors. Leise trat sie von einem Fuß auf den andren und knetete nervös die Hände. „Sie konnten sich von Ihrer Mutter verabschieden“ entgegnete Fireball. „Ja, und Sie sich nie. Weder von ihrem Vater, noch von Mandarin, oder Suzie“, nickte der Professor ganz selbst verständlich. „Meinen Vater hab ich nie kennen gelernt. Alles, was ich von ihm weiß, weiß ich von Mum und alten Freunden. Und Mandy...“ Der Wuschelkopf brach ab und wischte sich über die Augen. Maron schob sich die Brille zu Recht und hakte nach: „Was ist mit ihr?“ – „Sie war meine beste Freundin, das wissen Sie doch schon. An manchen Tagen erwische ich mich dabei, wie ich sie anrufen will....“ Die Tränen in Fireballs Augen glitten über die Lider. Maron nickte leicht und April war mit zwei großen Schritten bei ihrem Freund und zog ihn in ihre Arme. Er vergrub sein Gesicht an ihrem Bauch und hielt sie fest. „Süße“, hörte man ihn undeutlich murmeln. Sanft kraulte sie ihm den Nacken. Er sog diese Geste, ihre Anwesenheit mit jeder Faser seines Körpers auf. Sie war da. Sie war endlich wieder bei ihm. Sie durfte niemals gehen. Verunsichert durch Maron und dessen Worte über Vertrauen und Schweigen, schaute der Rennfahrer auf. „Bitte vertrau mir, Süße“, flüstere er. „Es fällt leichter, wenn du redest. Ich wusste die ganze Zeit, dass du Mandy vermisst, nur gesagt hast du es nie“, erwiderte die Navigatorin. „Weil es nicht besser wird“, verteidigte er sein Schweigen nur noch schwach. „Es bringt Mandy nicht mehr zurück. Sie wird nie wieder mit uns um die Häuser ziehen oder mit mir basteln. April, ich konnte ihr nicht mehr helfen. Sie hat wegen mir ihr Leben verloren. Damit ich bei dir und unserer Kleinen sein kann.“ – „Es geht nicht darum, ob es Mandarin zurück bringt, Mister Hikari“, musste der Psychotherapeut ihm erklären, „sondern darum, dass Ihre Freundin die Gewissheit für sich hat, dass Sie sie richtig kennt und Sie ihr die Chance lassen für Sie dazu sein. Und darüber hinaus ...“ Er brach ab und ließ den beiden schmunzelnd einen Moment. April löste sich gerade lang genug von ihrem Rennfahrer, dass sie auf dem Stuhl neben ihm wieder Platz nehmen konnte. Sofort rutschte er zu ihr und schmiegte sich an sie. „Ich fühl mich so lausig. Chily war schwer verletzt, Saber wär in der Mine fast drauf gegangen, Colt ist abgestürzt und du, April“ Er drückte sie noch etwas fester an sich. „du und Charlene wärt fast erfroren. Ich hätte meinen Schatz und meine Tochter für immer verloren, weil ich nicht da war und dich beschützt habe“, sprudelte aus ihm heraus, was er seither unterdrückt hatte. Sie kam seinem Bedürfnis nach ihrer Nähe nach und rutschte auf seinen Schoß. Näher zusammen zu sitzen war nicht möglich. „Aber es ist doch alles gut gegangen. Colt ist gesund, Chily auch, Saber geht es bestens und unsere Tochter wächst und gedeiht“, raunte sie ihm warm und beruhigend zu. „Es ist absolut verständlich, dass Sie sich so fühlen. Vergessen Sie dabei nur nicht, dass es nicht Ihre Schuld ist, dass die Dinge so gelaufen sind“, ließ sich Maron wieder vernehmen. Er wusste, dass der Rennfahrer ihn gehört hatte, auch wenn der die Mähne seiner Freundin zurück strich, seinen Kopf an ihre Schulter lehnte und die Augen schloss. Natürlich war er fertig für heute. Was Maron an Themen angerissen hatte, sollte eigentlich in mehrere Sitzungen in Ruhe besprochen werden. „Mister Hikari!“, musste der Professor streng auf sich aufmerksam machen. Noch ganz war er trotzallem nicht mit ihm fertig. „Vieles ist meine Schuld“ meinte der Gerufene und sah den Rufenden über die Schulter der Navigatorin hinweg an. „Wie bitte kommen Sie darauf?“, fragte der irritiert zurück. Das schien ihm gerade etwas seltsam. Der Wuschelkopf atmete tief durch. „Mandy und Suzie sind der Ersatz von Colt und April gewesen. Wäre April nicht schwanger geworden, dann...“ Er schaute April entschuldigend an. „Versteh mich nicht falsch, Schatz. Ich bin glücklich, dass ich Charly und dich habe. Aber ich hab Ramrods Besatzung durcheinander gebracht. Ich, niemand sonst“, erläuterte er seine These, an der ein gewisser Lockenkopf und Scharfschütze nicht ganz unschuldig war. Colt hatte mehr als einmal mehr oder weniger im Scherz, erklärt, dass Fireball für den Schlamassel, so dessen Wortwahl, mit April verantwortlich sei. Während Maron leicht erstaunt über diesen Unsinn den Wuschelkopf anschaute, schüttelte die Blondine energisch den Kopf. „Dann bin ich genauso Schuld daran, denn ich bin an diesem Schlamasel, der jetzt auf den Namen Charlene hört, genauso beteiligt wie du“, stellte sie bestimmt klar. Dafür würde sie Colt bei Gelegenheit eine überbraten. „Ganz abgesehen davon, ist wohl eher derjenige daran schuld, der überhaupt erst die Handlung von StarSheriffs erforderlich gemacht hat - William Maddox“, bemerkte der Professor trocken und warf einen langen Blick auf das Paar vor sich. Einer stützte den anderen, einer gab dem anderen Halt und Geborgenheit. „Mister Hikari, mir scheint, in Zukunft werde ich tatsächlich mit Ihnen arbeiten können“, stellte er schließlich fest. „Wenn es bedeutet, dass ich bei April bleiben kann“, erwiderte der. „Hm, natürlich. Solange ich in Zukunft nicht mehr solche Keulen gegen Sie verwenden muss“, gab der Professor zurück. Gern hatte der das schließlich nicht gemacht und er verkniff sich zu sagen, dass Fireball sich diese Tortur hätte sparen können, hätte er eher begriffen, was ihm heute mehr oder weniger eingehämmert worden war. „Keine Keulen mehr, bitte nicht.“ Der Rennfahrer schlang seine Arme fest um April. „Seien Sie das nächste Mal pünktlich. Und jetzt raus“, grinste Maron. Dass er das nicht zweimal sagen musste, war ihm klar. Mit seiner Freundin noch auf dem Schoß, stand Fireball auf und trug sie so gleich mit nach draußen. „Auf Wiedersehen, Mister Maron“, rief er noch, dann war die Tür schon zu. Der Professor grinste noch breiter vor sich hin und schaute auf das Blatt, auf das er seither gekritzelt hatte. Sieh da, da hatte er doch die Zieleinfahrt des Red Fury Racers skizziert. Kapitel 28: Wind of Change V ---------------------------- Vor dem Büro Marons stellte er April behutsam auf den Boden. Seine Arme umschlangen noch ihre Taille, seinen Kopf drückte er immer noch an ihre Schulter. „Wir holen jetzt Charly und dann fahren wir nachhause, Süße“, murmelte er ihn ihre Mähne. „Guter Plan“, flüsterte sie zurück und strich ihm sanft über den Rücken. Beide bemerkten Eagle nicht, der im Gang auf sie gewartet hatte. Der machte sich nun bemerkbar. „Die Stunde abgesessen, Fireball?“, fragte er und musterte das Paar sachlich. Der Rennfahrer hob kurz den Blick und schüttelte den Kopf. Unzufrieden mit dieser Reaktion runzelte der Commander die Brauen. In was für einer Beziehung lebte seine Tochter da? Was er heute miterlebt hatte, ließ ihn doch stark zweifeln, ob sie so wirklich glücklich war. „Dir ist nicht klar, was dein Verhalten für Auswirkungen haben wird. Und zwar nicht nur auf dich, sondern auch auf deine und vor allem auf meine Tochter, Fireball“, stellte er scharf fest und verschränkte die Arme vor der Brust. Als Vater konnte er nicht tatenlos dabei zusehen. Er hielt es für seine Pflicht, seinen Schwiegersohn in sehr viel Spe dann doch mal ein paar Takte zu sagen. Der zog den Kopf ein und schaute verunsichert auf April. „Süße...?“, begann Fireball fragend, als sie sich auch noch halb aus seiner Umklammerung heraus und ihren Vater zu wandte. Sein stummes „Du verstehst mich doch“ verstand sie sehr gut. „Daddy, jetzt bitte nicht“, meinte sie leise zu Eagle. Ihr Lebensgefährte war heute hinreichend unangenehm traktiert worden. Er brauchte eine Pause, seine Tochter und die Navigatorin um das zu verdauen. Da Eagle allerdings nicht wusste, was in Marons Büro gesprochen worden war, konnte er nur erstaunt die Brauen heben. „Was für eine Beziehung soll das sein, in der alles tot geschwiegen wird?“, bekundete er offen seine Verwunderung. „Es ist nach wie vor eine wundervolle Beziehung, Daddy. Turbo wird lernen, darüber zu reden, das weiß ich. Hab Vertrauen in“ Ihr Blick glitt zum Rennfahrer. Sie hielt seine Hand und drückte sie warm. Das war der Mann, mit dem sie alt werden wollte. Sie gehörte zu ihm. Selten hatte sie das so stark gespürt, wie in diesem Moment, weshalb sie ihren Satz mit „ in uns“ beendete. Auch der Blick ihres Vaters ruhte auf dem Wuschelkopf. „Den Eindruck hatte ich nicht“, äußerte er seine Bedenken. Das Paar sog scharf Luft ein. „Daddy, das meinst du nicht Ernst, oder?“, hakte April ungläubig nach. Sie hatte nie daran gezweifelt. Ebenso wenig der Japaner selbst und mit dem Rückenhalt, den die Blondine ihm gerade vermittelte, konnte er entsprechend antworten. „Alle haben geglaubt, Saber und Sincia hätten eine wunderbare Beziehung. Du hast da keine Ausnahme gemacht, Charles, und doch war das ein Irrtum. Du kannst nicht wissen, wie gut oder wie schlecht unsere Beziehung ist, weil es nicht deine ist. Nur April und ich können das beurteilen.“ Demonstrativ legte er der jungen Mutter den freien Arm um die Schulter und erwiderte ihren Händedruck mit der anderen. Eagle konnte nur den Kopf schütteln. Fireball hatte es nötig, sich jetzt aufzuspielen, wo er ebennoch wie ein wimmender, unreifer Kindskopf den Schwanz eingezogen hatte, scheinbar ohne Rücksicht auf irgendwelche Konsequenzen. Das war mal dreist. Allerdings, so geschlossen und einig, wie die beiden jungen Eltern sich vor ihm aufbauten, schien doch irgendetwas an dieser Sitzung ein Erfolg gewesen zu sein. Nur, wie viel und wie anhaltend war das? Eagle stieß schwer Luft aus und bedeutete April, zu ihm zu kommen, um sich mit ihr kurz allein zu unterhalten. Es war ihm Ernst und den starrsinnigen Hitzkopf, den der Rennfahrer gleich auszupacken würde, als könne man den noch ernst nehmen, konnte Aprils Vater dabei nicht gebrauchen. Mit leichtem Widerstreben ließ sie Fireball los und trat zu ihrem Vater. „Bist du dir ganz sicher, dass es das ist, was du willst?“, fragte er ernst und besorgt, mit den Bedenken, die nur Väter haben können. „Wie kommst du denn nur darauf, Daddy?“, wollte sie entsetzt wissen, unfähig, nach allem was sie gehört und gesehen hatte, seine Bedenken zu verstehen. „Weil du vor hin alles andere als glücklich zu sein schienst“, erläuterte er ihr schlicht. „Ich kann auch nicht glücklich sein, wenn ich sehe, wie sich mein Freund quält und nichts anderes war das bei Professor Maron. Fire ist der liebevollste Mann und Vater, den ich kenne. Nur, weil er mit dem Fall rund um die Mine noch nicht umgehen kann, weil er noch nicht darüber reden kann, ist er noch lange kein schlechter Mensch. Nein, gerade, weil es ihm damit schlecht geht, ist er das nicht. Er braucht mich jetzt, Daddy. Bitte sag so etwas nie wieder.“ Sie warf dem Japaner einen kurzen Blick zu, ehe sie ihn weiter leidenschaftlich verteidigte. „Wir haben schon so viel zusammen durchgemacht, wir werden auch das überstehen. Er wird mich nicht im Stich lassen, niemals. Das weiß ich“, schwor sie aufrichtig. Eagle musterte sie nachdenklich und nickte schließlich zögerlich. „Gut April. Dann will ich mich raushalten“, erwiderte er und hoffte, dass seine Zweifel wirklich unbegründet waren. So wie sich seine Tochter für ihren Freund eintrat, wollte er gern daran glauben. Seiner Tochter lag es schließlich im Blut, die zu verteidigen, die ihr etwas bedeuteten. Wie sehr, erkannte er, als sie einigermaßen harsch forderte: „Ich bitte darum. Solange Fire und ich uns haben, wird alles gut.“ Ein wenig getroffen fuhr der Commander zurück. „Verzeih deinem Vater, dass ihm dein Wohl am Herzen liegt“, murmelte er gekränkt. Beschämt schaute die Blondine zu Boden. Da hatte sie wohl ihre Krallen etwas zu sehr ausgefahren, vor allem gegen ihren Vater. „Entschuldige, Daddy. Es ist nur“, begann sie kleinlaut. „Ich liebe den Chaoten da drüben wirklich. Er ist das, wonach ich immer gesucht habe und wie ich vorhin schon gesagt habe, er ist ein liebevoller Vater und Partner.“ Ihre Augen strahlten bei ihren letzten Worten und der Rauschebart konnte nur noch mild lächeln. Ja, das war seine Tochter. „Solange du glücklich bist.“ Damit nahm er sie liebevoll in die Arme. „Das bin ich jeden Moment, den ich bei ihm sein kann“, entgegnete sie und erwiderte die Umarmung. Eagle unterdrückte ein Seufzen. „Fahrt ihr Charly abholen?“, wechselte er das Thema. „Ja“, nickte April und lächelte leicht. „Wir hatten für heute genug Aufregung. Sollen wir dich mitnehmen?“ Das Lächeln ihrer Mutter. „Nein schon gut“, wiegelte er ab. „Fahrt nur. Ich hab hier noch zu tun.“ Wieder nickte sie und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die bärtige Wange. „Wir sehen uns spätestens Sonntag“, verabschiedete sie sich. „Ja, bis dann.“ Er sah ihr nach, wie sie zu Fireball zurückstürmte, seine Hand nahm und mit sich fort zog. Der Rennfahrer hatte kaum Zeit, die Hand zum Gruß zu heben, da verschluckte die beiden auch schon der Fahrstuhl. Dem Wuschelkopf war es ganz recht. Schnell wieder Heim, sich mit seiner Tochter und seiner Freundin aufs Sofa kuscheln und über alles reden, nur erst mal nicht mehr über die heutige Sitzung. Dass Eagle sich vornahm, dennoch ein wachsames Auge auf den ehemaligen Ramrod-Piloten zu haben, konnte der sich an einer Hand ausrechnen. Selig döste Fireball etwa eine Stunde später mit Charlene auf dem Arm, auf dem Sofa liegend, vor sich hin. Die Welt war wieder im Lot. Schmunzelnd löste April ihren Blick von diesem Bild. Wie hatte er auf der Heimfahrt gesagt. „Wenn Colt ein Vorschlaghammer, Saber ein Bohrhammer und du, Süße, gelegentlich ein Dampfhammer bist, wie kann ich da was anderes werden, als behämmert werden?“ Immerhin fand er zu einer Portion Galgenhumor zurück, was in der jungen Mutter den Glauben bestärkte, dass er in Zukunft wirklich lernen würde, über Dinge zu sprechen, die ihn so schwer belasteten. Lächelnd begann sie die Wohnung aufzuräumen. Ein paar Stunden Fireballs und Aprils Tochter zu hüten, hatte Colt gezeigt, wie sehr er sich auf den eigene Nachwuchs freute, und Robin den Wahrheitsgehalt der Geschichten bewiesen, in denen Chily ihr erzählt hatte, wie verrückt der Kuhhirte nach Kindern wäre. Immerhin hatten sie heute trotz des süßen, kleinen Gastes, der Colts ganze Aufmerksamkeit genossen hatte, auch viele Arbeiten in Timotheys künftigem Zimmer erledigt. Zufrieden mit diesem Tagewerk, schlummerte Colt rasch ein und träumte süß. Robin erkannte es an seinem Lächeln. Er kicherte so gar ihm Schlaf. Was er wohl träumte? Mit großen, weit aufgerissenen Augen schwor der blonde Junge „Papa, da ist ein Mann im Schrank.“ Der Lockenkopf schüttelte diesen. „Tim, ich habe schon dreimal nachgesehen. Da ist niemand“, versicherte er seinem Sohn, der sich in den hintersten Winkel seines Bettes verkrochen und halb unter der Bettdecke vergraben hatte, als könne ihn der Stoff beschützen. „Doch Papa, ganz bestimmt ist er da“, erklärte der Kleine verängstigt. Colt war mit seinem Latein am Ende. Es wurde langsam spät und es war längst Zeit, dass sein Sohn schlief. Aber solange er sich vor Männern fürchtete, die nicht in seinem Schrank existierten, war daran nicht zu denken. Dem Scharfschützen gelang es nicht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Er konnte doch seinen Sohn nicht als übergeschnappten, kleinen Spinner abtun. Er schüttelte noch mal den Kopf. „Ich bin gleich wieder da.“ Damit verließ er das Kinderzimmer. „Papa“, rief ihm der Dreikäsehoch verunsichert nach und harrte mit Bange der Dinge, die da kommen würden, oder der Männer in seinem Schrank. Schraffen Schrittes war Colt zurück, einen Blaster in seiner Hand. „Also, du bist sicher, dass er immer noch da drinnen ist?“, hakte er nach. Sein Sohn schaute ihn verdattert an und nickte. Also dann. Colt zielte mit der Waffe und feuerte das Magazin auf den Schrank ab. Timothy versteckte sich erschrocken unter der Bettdecke und wagte erst hervorzulugen, als die Schüsse aufhörten. „Wenn da jetzt noch ein Mann drin ist, dann geht es ihm sehr schlecht“, erklärte der Cowboy ihm aufmunternd. Die Bettdecke flog zur Seite und Junior sprang strahlend vor Erleichterung auf dem Bett herum, bis Robin mit düsterer Miene und in die Hüften gestemmten Händen in der Tür erschien. Ihr Gesichtsausdruck verriet alles andere als Freude über offenkundig grundloses Schießen im trauten Heim, inklusive der Zerstörung des Mobiliars. „Ich hab wieder Angst, Papa“, ließ sich der Zwerg bei dem Anblick seiner Mutter kleinlaut vernehmen und legte seine kleinen Arme um Colts Hals. Der schluckte trocken, in Vorahnung auf das Donnerwetter, zu dem seine Frau offenbar gerade in Stimmung war. „Aber auf Mama muss ich nicht schießen“, versicherte er hastig und verlegen seinem Stammhalter. „Sie ist eine ganz Liebe und bestimmt kein Monster.“ – „Aber sie guckt so“, widersprach der Junge und trat den Beweis an, dass er nach seinem Vater kam. „Ach was.“ Er verstrubbelte dem Kind aufmunternd die Haare. „Mama ist immer ganz lieb“, betonte er noch einmal und gab mit betretenem Blick auf seine Angetraute zu. „Nur der Schrank ist ein bisschen hinüber.“ – „Ein bisschen?“ wiederholte Robin ungehalten. „Das ist kein Schrank mehr, das ist Kienholz“, fuhr sie auf. „Haben wir wenigstens schon genug Holz für den Winter, mein Liebling“, grinste Colt schief zurück. Die großen, unschuldigen Augen, die sich bei dieser Aussage, sowohl von Vater, als auch von Sohn auf sie richteten, verfehlten ihre Wirkung nicht. „Und brauchst keine Ausrede mehr um dich vorm Holz hacken zu drücken“, meinte sie, ein Grinsen unterdrückend. Ihre beiden Chaoten immer. „Da brauch ich ja kein Holz mehr zu hacken. Hab es ja vorgezogen“, erläuterte der Scharfschütze noch einmal. „Hör auf damit. Du musst ja gar nicht auf die Couch“, schaltete sich Timothy altklug ein, dem weder die unterdrückte Belustigung seiner Mutter entgangen, noch die Masche seines Vaters unbekannt war. Erleichtert löste er sich von seinem Vater und ließ sich zufrieden aufs Bett plumpsen. Colt nahm dafür lieber mal treuherzig seine Frau in den Arm. „Muss ich wirklich nicht?“, hakte er mit dem Blick eines reuigen Sünders nach. Liebevoll strich Robin ihm über die Wange. „Nein mein Schatz“, begann sie sanft lächelnd, „diesmal geht es in den Keller“, fügte sie keck grinsend hinzu. „Was?“ Geschockt schluckte der Cowboy. Auch Junior auf dem Bett sprang erschrocken auf. „Mama?“, rief er entsetzt und jetzt lachte Robin laut heraus. „So hab ich mich gefühlt, als ich die Schüsse gehört hab“, gluckste sie. „Entschuldigung. Aber jetzt ist da kein böser Mann mehr im Schrank“, rechtfertigte Colt sich und schaute reichlich belämmert drein. Die Lehrerin wunderte sich über diese Entschuldigung nicht wirklich. Besonders, als Timothy auch noch ergänzte: „Und wenn, dann geht es ihm sehr schlecht.“ Nein, da blieb nur noch die Frage, wer von ihren beiden Männern eigentlich das größere Kind war. Hatte er da gerade was von einem Mann im Schrank gemurmelt? Robin beschlich der Verdacht, dass der Film „Immer Ärger mit Major Paine“ ihren Zukünftigen dauerhaft auf dumme Ideen bringen würde. Aber er schien glücklich, mit dem, was er träumte. Sie löschte das Licht und schmiegte sich an ihn. Was Colt in der Nacht sonst noch geträumt hatte, das er überhaupt geträumt hatte, daran erinnerte er sich am nächsten Morgen nicht mehr. Aus einem Grund, den er sich nicht wirklich erklären konnte und der ihm eigentlich auch egal war, drängte es ihn an einen ganz bestimmten Ort. Er musste dorthin, das fühlte er. Es war wichtig, um es abzuhaken. So entführte er, recht wortkarg, Robin auf einen Spaziergang. Verwundert über sein Schweigen, betrachtete ihn die Schwangere. Er schien ein Ziel zu haben, sagte aber mit keiner Silbe welches. Er ergriff nur ihre Hand und umschloss sie mit behutsamem Druck. Sie erwiderte diesen, fragte aber erst, wohin es ginge, als sie schon halb aus der Stadt heraus waren und es hier nur noch einen weitläufigen Friedhof und seinen angrenzenden Park gab. Verwundert schaute sie ihn an, als er antwortete. „Zu einem Freund.“ Robin sah sich um und erkannte, dass der Lockenkopf den Weg zum Friedhof eingeschlagen hatte. Dann ging es ihr auf. Sie hatte bis eben nicht gewusst, wo Dooley beigesetzt worden war, aber da der Scharfschütze zu einem Freund wollte und hierherkam, war ihr alles klar. „Zu diesem Freund also“, stellte sie leise fest. Er nickte leicht. „Alle anderen hätten wir doch angerufen und gesagt, dass wir vorbeikommen“, gab er schlicht zurück. „Stimmt. Nur“, begann die Schwangere nachdenklich, „ich hätte nicht gedacht, dass du mich mitnimmst.“ Sie schritten durch das Eingangstor. Colt hob verwundert den Blick. „Wen sollte ich denn sonst mitnehmen?“, fragte er und führte sie durch die Gräberreihen. „Für gewöhnlich niemanden. Oder Chily.“ Jetzt richtete die Blondine die Augen auf ihre Füße, welche unter dem leicht gewölbten Bauch noch gut zu sehen waren. Sie begriff, was das bedeutete. Nicht nur Chily hatte das Feld für die neue Number 1 geräumt, deren bester Freund hielt sie auch nicht zurück. Nein, Colt wollte wirklich die Lehrerin an seiner Seite haben und mit ihr alles teilen, was in ihm vor sich ging. „Was soll denn Chily hier?“, fragte der Scharfschütze nun. „Sie kennt ihn ja nicht mal.“ Wieder nickte die blonde Lehrerin. „Aber sie ist deine beste Freundin“, erklärte sie. „Ja, genau. Meine beste Freundin. Nicht die Frau, der ich einen Antrag und einen dicken Bauch gemacht hab“, kam es schlicht und schlecht formuliert von ihm zurück. Ihr schoss die Röte ins Gesicht. Einmal mehr hatte der Cowboy klipp und klar gesagt, was er wollte, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie es wirkte. Aber sie verstand ihn und mochte diese tollpatschige Art, die er wohl ewig behalten würde, manche Dinge zu sagen. Sie hielten an Dooleys Grab. Der Scharfschütze sah von dem Bild seines Mentors zu Robin auf und bemerkte erschrocken ihr rotes Gesicht. „Geht es dir nicht gut, Schatz? Du bist so rot. Willst du dich kurz ausruhen?“, fragte er besorgt, darüber, dass sie sich überanstrengen könnte. Dass seine Ausdrucksweise für ihre Röte verantwortlich war, auf die Idee kam er nicht. Sie wandte den Blick zum Grab und dem Foto von Dooley darauf. Zu Lebzeiten hatte sie ihn nie gesehen und jetzt hatte sie nur dieses Bild. Ihm persönlich begegnet zu sein, hätte ihr besser gefallen, aber sie erkannte auf dem Bild doch genug. Ein Mann, der auch eine Maske trug, ähnlich wie Colt, und dessen Gedanken und Gefühle sich hinter einem eher losen, von Coolness geprägtem Mundwerk verbargen, als könne ihn nichts wirklich aus der Fassung bringen. Tief im Inneren jedoch waren die wahren Empfindungen verborgen. Wohl behütet, wie auch diejenigen, die ihm etwas bedeuteten. „War Dooley nicht mal beim KOK?“, fragte sie nach einer Weile, die sie gebraucht hatte, um sich an die kargen Informationen zu erinnern, die Colt über seinen Mentor seither preisgegeben hatte. „Ja, lange Zeit. Ein überzeugter Star Sheriff. Überzeugt von dem, was er tat. Eigentlich in allen Dingen. Trotz des Missverständnisses wegen des Konvois, hielt er ihnen immer noch die Treue und ließ nichts auf Eagle kommen“, erwiderte der Lockenkopf nachdenklich. Die Schwangere erkannte den Ton in seiner Stimme. Ähnlich hatte ihr Zukünftiger geklungen, als er sich ihr bezüglich seiner Eltern anvertraut hatte. Deshalb setzte sie sich nun. Es bestand die Hoffnung, jetzt auch mehr über Dooley zu erfahren. „Bist du durch ihn zum Oberkommado gekommen?“, wollte sie leise wissen. „Tut mir leid, Colt, ich weiß das alles nicht.“ Er nickte leicht. Sie musste sich nicht entschuldigen, er hatte ihr nichts erzählt. Woher sollte sie es also wissen? „Hm. Ist wie mit Mum und Dad“, murmelte er. Darüber zu sprechen war schwer. Nicht mehr so sehr, wie er gedacht hatte, aber auch nicht so leicht, wie er erhofft hatte. „Er hat mich nicht zum KOK gebracht. Das wollte ich nicht, schien mir alles zu streng und diszipliniert. Darum hat er mich zum Kopfgeldjäger ausgebildet“, gab er dann Auskunft. „Aber ohne deine Spürnase hätte der beste Ausbilder nicht helfen können“, lächelte sie warm. „Er war dein Freund.“ Abermals nickte der Lockenkopf. „Einer der Besten, nicht nur als Schütze.“ Er schluckte trocken. Wieso nur fehlte ihm der Komiker so? Colt hatte selten so in sein Bewusstsein gelassen, wie wichtig ihm Dooley war und nun, hier am Grab, war es am stärksten zu fühlen, und am empfindlichsten. Robin strich ihm über die Wange, konnte genau spüren, was in ihm vorging. „Ach Colt. Er hat dich ein Stück des Weges begleitet und das aus dir gemacht, dass du heute bist“, sagte sie leise und er konnte nur bestätigen. „Ohne ihn wäre ich es nicht.“ Er blinzelte aufsteigende Tränen weg. Verdammt, wieso stiegen die ihm eigentlich immer wieder in die Augen, wenn es um so etwas ging. Er war doch kein Weichei. Aber er konnte es nicht verhindern und wenn er ehrlich war, schämte er sich auch kaum noch dafür. Trotzdem: Mussten diese Tränen denn wirklich sein? Verflixt noch mal. Na ja, Robin küsste ihn auf die Wange, nah unter dem Auge, beinahe, als würde sie jene Tränen wegküssen. „Es ist gut so, wie du bist“, murmelte sie dabei. Er schniefte leicht. Wieder küsste ihn die Lehrerin und ihr Zukünftiger öffnete sich noch etwas mehr. „Ich war so wütend damals. Einfach nur wütend. Auf alles und jeden. Und er hat, er war da. Verstehst du? Ich hab so viel Scheiße gebaut und hab mich immer gefragt, wann er mich vor die Tür setzt. Ich an seiner Stelle hätte mich selbst rausgekickt. Warum hat er das nie?“, sprudelte es aus ihm hervor. „Weil er wusste, dass du ihn brauchst“, erwiderte sie schlicht. „Du hast ihn so sehr gebraucht, wie wir dich brauchen.“ Dabei wies sie leicht auf ihr sich sacht wölbendes Bäuchlein. „Aber …“ Colt wusste nicht, was er sagen wollte. Es war nur wichtig, sie jetzt nah bei sich zu haben und so zog er sie fest in seine Arme. Die Blondine erwiderte diese Umarmung und schmiegte sich an ihn. „Nichts aber, mein Schatz“, wiegelte sie den schwachen Protest seinerseits ab. „Ich werde nie kapieren, wie er das konnte. Ich habe mehr Schaden angerichtet, in der Zeit, die ich bei ihm gewohnt habe, als du dir vorstellen kannst. Er hat es mir nicht mal in Rechnung gestellt. Er wollte nichts davon hören.“ Mit denkbar schlechtem Gewissen erinnerte sich Colt an beschädigte Vitrinen, Böden und Möbelstücke, die er auf dem Konto seines damaligen Frustes zu verbuchen hatte. „Das tun Freunde für einander. Das tut Familie für einander“, erklärte sie leise, um ihm seine Schuldgefühle diesbezüglich zu nehmen. „Das mindeste ist, dass wir Junior nach ihm benennen. Das war wirklich eine sehr schöne Idee von dir“, raunte er zurück und wiegte die Schwangere sanft. Es war eines der vielen Dinge, die er so sehr an ihr liebte. Robin nickte. „Er hat es verdient.“ Davon war sie nun noch mehr denn je davon überzeugt. Colt musste erstickt lachen. „Aber er würde mir die Ohren dafür lang ziehen, wenn er könnte“, brachte er schief grinsend hervor. „Er müsste sie mir lang ziehen, denn es war meine Idee“, wiegelte sie ab. „Das würde er nie. Dich mochte er zu sehr. Außerdem sagte er immer: Frauen behandelt man wie Gläser. Vorsichtig, sonst zerbrechen sie“, klärte er sie auf. Sie schmunzelte keck. „Das hätte er dir ein zwei Mal öfter sagen sollen“, meinte sie neckend. Wieder machte sich Colts schlechtes Gewissen bemerkbar, war es ihm im Gesicht abzulesen. „Teilweise konnte er reden, was er wollte. Ich wusste alles besser und hatte es mit dem Zuhören nicht so“, gestand er beschämt. „Das Problem kenne ich. Aber ich weiß, wie man nicht zum Zuhören bringt“, versicherte sie lächelnd und gab ihm einen sanften Kuss. „Hätte er das versucht, hätte ich ihn getötet“, murmelte der Lockenkopf in diesen Kuss, ehe er sie innig näher zog und den Kuss intensiviert. Gedanklich seufzte die werdende Mutter schmunzelnd. Typisch Colt. Der Scharfschütze strich ihr durchs Haar und schaute ihr fest in die Augen. „Das Beste, das mir je passiert ist, bist du“, erklärte er ernst, wie selten zuvor. Unter diesem aufrichtigen Geständnis konnte die Lehrerin nur geschmeichelt lächeln. Was für ein Kompliment, ganz besonders unter diesen Umständen. Allerdings war dem mal wieder nicht so klar, was er da wirklich gesagt hatte, beziehungsweise, was es auslösen konnte. Besorgt legte er ihr die Hand auf die Stirn. „Wir sollten wieder heimgehen. Dir scheint es nicht so gut zu gehen heute. Hast du Fieber?“ Sie schüttelte den Kopf. „Mir geht es gut, Colt“, versicherte sie ihm leicht kichernd, „aber du machst mich verlegen.“ Verdattert sah der Scharfschütze sie an. „Wie das denn? Was mach ich denn? Was sag ich denn? Ich sag doch nichts, dass ich nicht hätte sagen sollen. Oder?“ Er schaute aus der Wäsche, wie ein Hund der geschimpft wurde und nicht verstand, warum. Robin konnte beim besten Willen ein weiteres Kichern nicht unterdrücken. Das war ihr Kindskopf, wie er leibte und lebte. „Du bist so süß“, schmunzelte sie aufrichtig und herzlich. „Und so etwas, mein kleiner Schatz, ist ein Kompliment“, erklärte sie ihm dann liebevoll. So ganz konnte er ihr nicht folgen, konnte aber auch nicht verhindern, dass es zur Abwechslung mal er war, der rot wurde. Noch etwas mehr, als seine Braut fort fuhr: „Dafür liebe ich dich. Weil du ohne nachzudenken sagst, was dir durch den Kopf geht. Das ist so süß.“ Sanft strichen ihre Finger über seine Wange. Ein Glück konnte sie davon ausgehen, dass er immer so bleiben würde. „Und ich liebe dich dafür, dass ich sagen kann, was ich denke, ohne ständig eine rein zu bekommen“, brachte er schließlich heraus. „Nein, du kriegst nur eine von mir drauf, wenn du wieder mal ausflippst“, schmunzelte sie noch immer zurück. „Ausflippen? Ich? Bin ich noch nie. Hab nur mal etwas deutlicher gesagt, was ich gedacht hab. Wenn ich dann noch gedacht hab“, versuchte er diesen Vorwurf abzuschwächen und dies in einer Weise, die einem kleinen, verschmitzten Schuljungen glich. Lachend schüttelte Robin den Kopf und ließ gern zu, dass er sie noch mal an sich drückte und ihr einen ungestümen Kuss auf die Lippen presste. „Lass uns heimgehen“, meinte er leise. Sie nickte, verlor sich in seinen Augen für einen Moment und murmelte beinahe ergeben: „Ja, lass uns heim gehen.“ Er stand auf und griff nach ihrer Hand. Einen langen, noch bekümmerten Blick warf er auf Dooleys Grab. Robin drückte Colts Hand sanft. Er eiste seinen Blick los und schaute sie an. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, ehe er den Heimweg mit ihr einschlug. „Na, einer muss ja auf dich aufpassen. Immer noch, Kleiner. Weil du dich manchmal benimmst, als hättest du gar nix kapiert. Aber deine Robin ist schon die Richtige. War sie schon, als du mir zum ersten Mal von ihr erzählt hast. Sie war die erste, abgesehen von dieser Chily, deren Namen du dir gemerkt hast. Ich erinnere mich. Du sagtest: „Ich hab ein tolles Mädchen getroffen.“ Dachte nur: ‚Mal wieder‘, dann meintest du: „Ihr Name ist Robin.“ Da wusste ich, sie ist was Besondres. Ach Kleiner. Sie durchschaut dich genauso gut wie ich.“ Verhalten feixte er. „Sie hat nur die besseren Methoden, dir in den Hintern zu treten. Aber klar. Sie ist schließlich eine Frau.“ Diesmal lachte er lauter. „Hast mehr Glück als Verstand. Immer noch. Willst deinen Sohn Timothy Gary nennen. Gary ist okay. Aber nach mir? Bist echt nicht ganz dicht. Eindeutig. Hättest ihr das ausreden sollen. Aber wie, hm? Wirst ja weich, wenn du ihr in die Augen guckst. Wachsweiche Wüstenmaus, du.“ Er amüsiert blitzten seine Augen. „Nach mir. Ausgerechnet. Aber du weißt es ja eh mal wieder besser. Kleiner Klugscheißer.“ Das Lachen zu unterdrücken misslang. „Nee, nee. Du machst das schon. Hast du immer irgendwie. Mal mit Verstand, mal mit Glück, aber deinen Weg bist du immer schon gegangen und endlich weißt du mal, wohin du gehörst und willst. Ist okay so. Nur eins, eins tut mir leid. Die Sache mit der Miene. Hätte dich gern da rausgehalten. Und deine Freunde auch. Wusste, mit Saber hätte ich dich schützen können. Aber dass wir eine Verräterin in unseren Reihen haben... Hätte wohl damit rechnen sollen. Tut mir leid, dass es so gekommen ist. Hast es für mich beendet. Danke dafür. Schade nur, dass ich dir das nicht so bald sagen kann. Und schade, dass ich nicht auf deiner Hochzeit tanzen kann. Hätte Robin gern zum Altar geführt oder einen auf Trauzeuge gemacht. Sorry, Kleiner. Nicht alles liegt in unserer Macht. Na ja. Weißt ja. Ohren steif halten und so. Pass auf euch auf …“ Sanft und bedächtig trugen die Pferde ihre Reiter über das flache, endlos scheinende Land. Sie erwartete in der Ferne die natürliche Begrenzung durch die Bergmassive oder, nachdem sie ein Waldstück durchquert hatten, durch den Ohio zu sehen. Doch beides tauchte nicht auf Chily wurde sich bewusst, dass sie sich nicht auf der Steppe um Tucson-City befand, sondern im Flachland um Yuma. Seit sie die Stadtgrenze hinter sich gelassen hatte, trabten Demon und Steed friedlich über die tatsächlich endlosen Weiten. Kein Gebirge würde sich in ihr Sichtfeld schieben. Nur wenn sie sich umwandte und zurückblickte, schaute sie auf die Skyline von Yuma. Chily seufzte leise in einer seltsamen Mischung aus Schmerz und Freude. Saber warf ihr einen besorgten Blick zu. Er musste nicht fragen, sie antwortete auch so. „Es ist nichts, Manapi. Mir ist nur klar geworden, dass ich eine neue Heimat habe.“ Ihre Stimme klang dabei, als wäre sie gedanklich in der alten Heimat, fern von ihm. Entsprechend beunruhigt, da es bedeuten konnte, sie wolle vielleicht dahin zurück, hielt sein Blick sie nun fest. Sie lächelte warm. „Keine Angst. Ich habe nicht vor nach TC zurück zu gehen. Vor allem nicht ohne dich. Es ist nur …“ Sie suchte nach Worten. „Alles ändert sich. Die Freunde, die man hat, gewinnt oder verliert. Die Art, wie man Entscheidungen trifft und wofür man sich entscheidet. Einfach alles. Verstehst du?“ Saber nickte vage. So ganz konnte er ihr noch nicht folgen, aber er erahnte die Richtung. „Ich, du, wir beide sind uns immer selbst treu gewesen“, begann sie noch einmal, „also müssten wir doch noch dieselben sein, wie vor einem Monat oder vor einem Jahr. Aber das sind wir nicht. Seltsam irgendwie.“ Sie lachte verlegen. „Und gerade“, fuhr sie fort, „ist mir klar geworden, das selbst Heimat sich ändert. Der Ort unserer Kindheit. Sobald wir ihn verlassen, wächst er nicht mehr mit uns. Wir entfremden uns davon. Einfach, weil nichts still steht, weil Leben Veränderung ist.“ – „Das ist immer schon so, Jolene“, entgegnete der Schotte. Sie nickte schlicht. „Ich weiß. Es ist ja auch gut so. Und richtig. Ich trauere der Vergangenheit auch nicht nach. Es ist mir nur gerade bewusst geworden. Das ist alles.“ Saber lächelte mild. So leichthin wie eben, gab sie immer ihre Gedanken kund. Das war etwas, was auf andere bizarr wirken konnte, weil schwer war, den Sprüngen jener Gedanken zu folgen, aber der Schwerschwinger liebte es an ihr. Es war ihr Wesen, ihre Art und vor allem eben ihr Gefühl. Saber verstand gut, was sie meinte. Für gewöhnlich liefen Veränderungen leise und kaum merklich ab. Doch in der letzten Zeit brachen sie wie ein Sturm über die Freunde herein. Nein, kein Sturm, korrigierte er sich gedanklich. Sie waren ein frischer, sanfter Wind, der jeden von ihnen umstrich. Er betrachtete sie eine Weile nachdenklich. Sie hatte recht, mit dem, was sie gesagt hatte. Sich selbst treu zu sein, bedeutete trotzdem, sich zu ändern. Sie war ein guter Beweis dafür. Ihre einst so übermächtige Freiheitsliebe hatte ihre Macht verloren und sich in haltlose Liebe zu ihm gewandelt. Bedingungslos hielt sie zu ihm, war sie bei ihm und immer da, wenn er sie brauchte. Sie war noch immer der impulsive, emotionale Wirbelwind. Allerdings wirbelte sie nur noch um ihn und die Freunde, mit der gleichen übersprudelnden Zuneigung. Und er selbst? Er selbst war wohl lebendiger geworden, nicht mehr nur ernsthaft, sachlich und distanziert. Er lebte intensiver und sehr viel bewusster. Teilweise so intensiv, dass seine Gefühle ihn übermannten und Eifersucht zu ließen. Nicht unbedingt die positivste Entwicklung, auch wenn die Angst seine Frau zu verlieren, worauf sich ja seine Eifersucht begründete, bewies, dass er zu weit tieferen Gefühlen fähig war, als jeder andere, auch er selbst, geglaubt hatte. Wenn er an seine Freunde dachte, stellte er ähnliches fest. Der frische Sonnenschein April blühte in ihrer Rolle als Mutter weit mehr auf, als in ihrer Arbeit als Navigatorin und Wissenschaftlerin. Ihre warmen Strahlen um flirrten Charlene und Fireball. Der hatte endlich begonnen, sich den unangenehmen Dingen seiner Vergangenheit zu stellen. Endlich wich er dem nicht mehr rückradlos aus, sondern reifte daran, wurde erwachsener. Ernsthaft und konsequent fing er an, sich mit dem Tod der beiden Kolleginnen und den Begleitumständen auseinanderzusetzen. Mehr noch, er erkannte allmählich, was und vor allem wer sein Vater war, begriff, dass ein Vergleich mit ihm nicht die Gegenüberstellung mit einer übermächtigen Streitmacht war. Mehr und mehr wurden sie einander ebenbürtig. Zeit wurde es. Sabers Gedanken schweiften zu Robin ab. Die liebevolle, manchmal unerschütterlich strikte Lehrerin hatte gelernt zu zweifeln. Mit der Schwangerschaft waren ihr gleichermaßen auch Bedenken an ihren Fähigkeiten als Mutter gekommen. Ihr warmes, verständnisvolles Wesen, das ebenso konsequent und unnachgiebig sein konnte, war nach Sabers Auffassung genau das, was sie zu einer wundervollen Mutter machen würde. Nun wurde es noch um ein gesundes Maß an Selbstreflektion erweitert. Sie würde den Wilcox’schen Stammhalter ebenso im Zaum halten, wie seinen Vater. Der Schotte schmunzelte. Noch etwas war ihm aufgefallen. Colt hatte für all diese Veränderungen gesorgt. Unbeabsichtigt, aber ganz bestimmt. Hätte der Scharfschütze sie nicht alle zusammen gerufen und ihnen Chily vorgestellt, wären diese Veränderungen nicht so abgelaufen. Colt war der Ausgangspunkt, wie man es auch drehte und wendete. Er hatte den Stein ins Rollen gebracht, als er Saber und Chily miteinander bekannt gemacht hatte. Seine Sticheleien bezüglich Aprils Schwangerschaft hatten das junge Paar aus der Reserve gelockt und noch etwas stärker zusammen geschweißt. Ähnlich, wie auch der Recke und seine Frau sich gegen die Gluckenanfälle des Scharfschützen gemeinsam gewehrt hatten. Hätte Colt sich manche Aussage verkniffen, hätte Fireball nie die Schuld für den Fall um Pennyrile und seinen Verlauf bei sich gesucht. Folglich hätte der Wuschelkopf auch nicht, oder nicht so bald begonnen, aufzuarbeiten, was er so konsequent verdrängt hatte, nämlich das Gefühl zu haben, im Schatten seines Vaters zu stehen. Über kurz oder lang kam man immer wieder darauf zurück, dass alles begonnen hatte, als sich die vier Starsheriffs im Café in Tucson-City getroffen hatten. Saber schüttelte kaum merklich den Kopf und sah zu seiner Angetrauten. „Ich sehe, du denkst dasselbe, wie ich“, lächelte sie leicht. Er nickte schlicht. Sie grinste zufrieden. „Lass uns zurück reiten“, schlug sie vor und presste Demon ihre Schenkel in die Flanken, sodass der träge kehrt machte. Saber folgte ihr, betrachtete den sanften, wiegenden Ritt der bunt gesträhnten Blondine auf die Skyline Yumas. Ein schöner Anblick. Durch die Räume, die größtenteils noch leer waren, hallten deutlich die Stimmen zweier Männer. Das NoRiNoFu steckte mitten in den Umbauabreiten und wer seine beiden Inhaber, welche gerade so debattierten, nicht kannte, hätte geschworen, sie stritten, so energisch klangen sie. „Rennsemmel, zum letzten Mal. Lass das Geschäft erst mal anlaufen, ehe du Geld in diese Aktion steckst“, mahnte Colt den Wuschelkopf ungeduldig. Demnächst würde es unsachlich werden, das war sicher. Denn wo sonst der Japaner den klaren Kopf behielt und eine Änderung der Umbaupläne zweimal oder mehr überdachte, spielte nun dessen Rennleidenschaft ihm einen Streich. Gepaart mit seinem Sturkopf war es für Colt und seinen Mangel an Geduld schwer sachlich zu diskutieren. „Später müssen wir die Bahn schließen und haben für die Dauer des Baus Einnahmeeinbußen zusätzlich zu den Kosten, die anfallen werden“, schoss Fireball impulsiv zurück. „Wenn wir das jetzt mitmachen, sind wir von vornherein besser im Geschäft“, beharrte er. Der Lockenkopf seufzte laut und frustriert. Theatralisch schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. „Wenn der Laden erst mal läuft, und ich betone Wenn, dann werden wir keine Probleme mit eben jenen Kohlen haben. Wenn wir aber gar nicht erst über die ersten drei Jahre rauskommen, haben wir mehr Schulden, als Lebensjahre, zum Abzahlen.“ Colts Stimme wurde mit jedem Wort fester. „Vielleicht hast du genug zur Seite gelegt, um das zu kompostieren, aber ich nicht.“ Dass der Scharfschütze kompensieren meinte, wusste der Rennfahrer. Genauso wusste er, dass sein Freund und jetziger Geschäftspartner nun mal kein Sparfuchs war und Vater wurde. Fireball ließ sich auf einen der Reifenstapel sinken, stützte die Ellenbogen auf die Knie und den Kopf auf die Handflächen. Okay, noch mal von vorn. Sie waren damit beschäftigt gewesen, in der Halle, die mal eine Go-Kart-Bahn werden sollte, Reifenstapel an den Begrenzungsmarkierungen seitlich der künftigen Fahrbahn aufzustellen. Die Lüftungsanlage unter der Decke, verborgen durch die breitflächige Beleuchtung, würde, zusammen mit den großen Fenstern, an den Wänden, für die nötige Frischluft trotz der Abgase sorgen. Aber gerade jene Fenster hatten den Rennfahrer auf seine Idee gebracht. Zwei der Wände zeigten auf Yuma-City und seine wunderschöne Skyline. Diese Wände aus Beton durch eine riesige Glasfront zu ersetzten und jenen fantastischen Panorama-Blick auf die Metropole zu erweitern, war der Tupfen auf dem I dieser Kart-Bahn. Das bestritt auch der Scharfschütze auch gar nicht. Vielmehr war der Zeitpunkt zum Streitpunkt geworden. Während Fireball am liebsten sofort mit der Umsetzung seiner Idee begonnen hätte, stattete die Vernunft Colt einen Höflichkeitsbesuch ab und riet, vorläufig noch zu warten. Das Ergebnis war jener Disput. Fireball überdachte noch einmal alles. Er wusste, dass der Lockenkopf nicht unerhebliche Ausgaben hatte. Schließlich kostete die Renovierung des NoRiNoFu einiges. Zusätzlich stand eine Hochzeit bevor, die es, im Gegensatz zu einem Kinderzimmer und der entsprechenden Erstlingsausstattung, nicht bei Ikea oder in irgendeinem Schlussverkauf gab. Das war ein sachlicher und berechtigter Einwand, den Colt da erhoben hatte. „Also wirklich. Wenn die Vernunft dich schon nur einmal im Schaltjahr beehrt, dann doch nicht ausgerechnet auch noch dann, wenn ich eine solche Idee habe“, jammerte er gespielt und grinste schief. „Ich hab sie ja nicht eingeladen“, rechtfertigte sich Cowboy schon wieder versöhnlich, weil er durchaus verstand, dass Fireball nachgab. Er stieß dem jungen Vater gegen die Schulter, dass der ächzte. „Los, machen wir weiter, alter Mann“, meinte Colt munter. „Saber frei zu geben, war schließlich auch deine Idee.“ Der Japaner erhob sich, ging ein paar Schritte auf einen der Reifenstapel zu und schickte sich an, diesen an seinen Platz zuschieben. „Reicht, wenn zwei Frauen vergessen, wie ihre Männer aussehen“, verteidigte er diesen Entschluss. „Ganz besonders im Falle des verrückten Haushuhns kann ich gut darauf verzichten ausgerechnet sie zu Frau Nummer Drei zu machen.“ Colt musste lachen, als er sich ebenfalls einem Reifenstoß zuwandte. „Du sagst es, Kleiner, du sagst es“, bestätigter er munter. „Sie würde uns teeren und federn. April und Robin gleich mit, sollten sie zu Protest antreten. Und dann …“ Er machte eine kurze Pause, um Luft zu holen, dann fuhr Colt fort: „Dann würde sie sich Charly schnappen und die beglucken.“ – „Das wird der liebe Gott nicht wollen“, entfuhr es dem Rennfahrer ernsthaft schockiert und der Cowboy ließ den Stapel Reifen los. Keinen Meter konnte er ihn bei dem Anblick schieben, nur sich vor Lachen auf dem Boden wälzen. Charlene quietschte schrill vor Freude und gluckste gleich darauf. Fröhlich strampelte sie im wohlriechenden, angenehmen Badewasser, fühlte sich pudelwohl und ahnte nicht, wie hilflos sie Robin mit ihrer Zappelei machte. Das kleine Energiebündel, dessen zerzauster Flaum vom Wasser gebändigt worden war, wähnte nicht, dass die junge Lehrerin heute an ihr unterrichtet wurde. Charlene nahm nur große, blaue Augen wahr und liebevolle, vorsichtige Hände, die zwar nicht ihrer Mutter gehörten, aber ihr dennoch bekannt waren und Geborgenheit vermittelten. Wie jene Augen verunsichert fragend zu April schauten, aus Sorge dem zarten Wesen weh zu tun, es falsch zu behandeln und so für eine Verletzung verantwortlich zu sein, bemerkte eben jenes Wesen nicht. Es spürte seine Mutter in seiner Nähe. Ihm konnte nichts geschehen, dieses Urvertrauen war in Charlene gefestigt. April lächelte Robin aufmunternd zu. Jeder Handgriff war richtig, sanft und sicher. Ihre Tochter erkannte keinen Unterschied und war munter wie immer, wenn sie gebadet wurde. Auch in das flauschige Handtuch schmiegte sie sich behaglich und strahlte Robin mit ihren Knopfaugen glücklich an. Dann jedoch verzog sie das Gesicht unwohl. Die feinen Brauen kräuselten sich und die junge Lehrerin schaute aufs Höchste alarmiert zur Navigatorin, als Charlene zu weinen anfing. „Was hat sie?“, wollte sie erschrocken wissen. „Hab ich was falsch gemacht?“ Die Gefragte schüttelte den Kopf und trat ruhig zu ihrer Freundin an den Wickeltisch. Diese, verwundert von der Gelassenheit der jungen Mutter, machte ihr Platz. April sprach beruhigend auf ihr Töchterchen ein und glitt massierend mit der Hand über deren kleines Bäuchlein. Einmal, zweimal, dreimal, dann war zu hören, was Charlenes Unbehagen ausgelöst hatte. Robin lachte leise und überrascht auf. „Ich mache das inzwischen jedes Mal nach dem Baden. Es gehört schon zum Ritual dazu. Das konntest du ja nicht wissen. Das erste Mal hab ich auch so einen Schreck bekommen, aber man findet schnell, warum sie schreien“, lächelte sie leicht und wies auf die Lehrerin, das sie weitermachen sollte. Charlene blinzelte schon wieder zufrieden und gluckste selig, als Robin sie endlich, frisch gewickelt, auf den Arm nahm. Zwei Wochen vor der Hochzeit zogen Wärmegewitter auf und beunruhigten Robin, da dieses Wetter meist Regen nach sich zog. Die Schwangere und Braut wollte nicht, dass es ausgerechnet an diesem großen Tag wie aus Eimern schüttete. Noch im Scherz versicherte April ihr, dass es sicher nicht regnen würde und selbst wenn, dies Glück bedeute. Nach drei Tagen setzten jedoch die ersten Güsse ein. Robins Mutter und Josh stichelten bei ihrer Ankunft, dass sie besser hergeschwommen wären, was die Lehrerin nicht sonderlich komisch fand. Bekümmert musste sie fest stellen, dass die Regenschauer auch noch bis zum Wochenende ohne Unterbrechung bis zum Wochenende anhielten und es dadurch auch fast empfindlich abkühlte. Fireball und Saber beschlossen, diesen kurzzeitigen Wetterumschwung zu nutzen und Colt aus seinem Junggesellendasein zu verabschieden. Es war den ganzen Tag über nicht wirklich warm gewesen und entsprechend kühl wurde der Abend und die Nacht in der die drei um die Häuser zogen, ehe sie die letzte Station für diesen Tag, einer GoGo-Bar, erreichten. Die bis dahin angeheiterte Stimmung wurde jäh unterbrochen, als der Türsteher Fireball die Hand auf die Brust drückte und ihn nicht rein lassen wollte. Auf dessen verwunderten Gesichtsausdruck hin, erklärte die menschliche Schrankwand ungerührt. „Hey, Söhnchen, die Märchenstunde findet zuhause statt. Hier hast du nichts zu suchen.“ Die drei tauschten bedeutungsvolle Blicke. Na, hoffentlich wurde der Abend hier nicht ruiniert. „Er ist doch in Begleitung von zwei Erwachsenen“, versuchte Saber die Situation eher sachlich zu entschärfen. Der Rennfahrer jedoch reagierte etwas hitziger. „Und selber auch schon erwachsen, Kumpel“, parierte er gereizt, weil Betitelungen wie „Söhnchen“ oder „Kleiner“ ihm im schon angerauschten Zustand noch schneller aufstießen, als gewöhnlich. „Behauptet er immer wieder“, kommentierte Colt trocken und verdrehte die Augen. Wenn sich der Wuschelkopf hier so aufführte, würden sie ganz sicher nicht in den Laden gelassen werden. Türsteher provozierte man nicht, sie hatten die Macht. Man versuchte locker und ruhig sie zu überzeugen, oder gar nicht. Die hitzige Debatte, die nun einsetzte, drohte beinahe schon, ein Lokalverbot mit sich zu ziehen. „Okay, Kumpel“, blaffte Fireball schließlich ungehalten. „Ein Junggesellenabschied sollte kein Hürdenlauf werden. Colt, Saber? Könnt ihr mal mit Nachdruck nachhelfen?“ Die Hilfe brauchte er. Mit seinem Temperament hatte er sich bei dem Türsteher alles andere als beliebt gemacht. Der hob jetzt allerdings die Brauen. Die erste, deutlich erkennbare Reaktion in dessen düsteren Miene, die Überraschung verriet. Saber schob den Wuschelkopf zur Seite und zückte seinen Dienstausweis vom KOK. „Nennen wir es Betriebsausflug und er gehört dazu“, erklärte er trocken und steckte den Ausweis wieder weg. Das hatte die Wirkung, die es haben sollte. Ihnen wurde endlich der Zutritt gewährt. „Geschaut wird übrigens nur mit den Augen, nicht mit den Händen“, unterwies der Schotte den Rennfahrer freundschaftlich neckend „Das gilt nur für dich“, grinste der Cowboy den einzigen, schon verheirateten an. „Auch für euch, sonst gibt es am Ende noch Halbwaisen“, konterte der lässig und visierte einen Tisch, mit gutem Blick auf die Bar und die Tanzfläche, an. „Halt du dich an deine Weisheiten, Saber.“ Colt setzte sich und schaute sich um. Fireball nahm ebenfalls Platz und bekam prompt ein Glas Wasser, mit freundlichen Grüßen vom Türsteher, serviert. Ein Seitenhieb, bei dem der Rennfahrer das Gesicht verzog. „Reden was wahr ist, trinken was klar ist“, schmunzelte der Recke. „Ums klar zu stellen, Boss, es wird nicht gevögelt was da ist“, vollendete der Lockenkopf den Spruch. Der nickte. „Ist genauso klar, wie das Wasser da“, grinste der zurück und wies auf das Glas, das vor dem Rennfahrer stand. Der leerte es in einem Zug. Die Ermahnungen von Colt zeigten deutlich, dass mit dem Alkoholspiegel in seinem Blut auch der Beschützerinstinkt bezüglich der Hebamme wieder anstieg. „Gut, sonst wirst du nie Kinder haben“, versicherte der Cowboy nun und lieferte somit den Beweis für die eben gefasste Theorie des Highlanders. „Ich muss euch nicht alles nachmachen. Macht mir erst mal das mit dem Heiraten nach, dann reden wir weiter“, ließ der sich von seinem mehr oder weniger Schwager allerdings nicht aus der Reserve locken. „Bin dabei“, erklärte Colt eifrig und begeistert. „Nur Affen äffen nach“, ließ sich endlich auch mal wieder der junge Vater vernehmen, der von der Wirkung des Etablissements, oder vom Alkohol, etwas erschlagen schien. „Tja, dann hat sich die Sache mit den Kindern für mich wirklich vorläufig erledigt. So ähnlich bin ich Colt dann nicht“, meinte Saber und sah sich nach einer Kellnerin um. Der Lockenkopf ignorierte die Spöttelei und warf interessiert und anerkennende Blicke auf die Tanzfläche. Leicht bekleidet, eindeutig blickend und aufreizend räkelten sich die Mädchen mehr, als das sie tatsächlich tanzten. Trotz des Dunstes von Zigaretten, Zigarren und der Nebelmaschine war das Wesentliche zu erkennen. Viel nackte Haut und Körper, die um die GoGo-Stange glitten. Männer, die Scheine in die Höschen steckten und irgendwo unterhalb des Parkettes musste es eine Rinne geben, in welcher der Sabber einiger Gäste ablief, so stellte Colt grinsend fest. Nun andererseits, bei den Mädchen kein Wunder. „Netter Bootyshake“, ließ er sich anerkennend vernehmen. Fireball wiegte unschlüssig den Kopf. „Wenn wir das Robin erzählen“, neckte er nun den Lockenkopf, der sich endlich wieder zum Tisch umdrehte. „Keiner von euch beiden wird sich morgen noch an irgendwas erinnern können“, lachte der Bräutigam fröhlich. Es war schließlich schon zu Beginn des Abends klar gewesen, dass der folgende Morgen verkatert beginnen würde. „Ist auch besser so. Manche Dinge, die er noch so von sich geben wird, will man lieber schnell vergessen“, kommentierte Saber, der inzwischen endlich erfolgreich eine Kellnerin heranwinken konnte. Da die Bar recht voll war und das Geschäft offensichtlich gut lief, war dies nicht ganz so einfach. Aber immerhin kam sie nun auf den Schotten zu und präsentierte ihm ziemlich deutlich, was ihr tiefer Ausschnitt ohnehin nicht verbergen konnte, während er die drei Drinks bestellte. „Komm schnell mit den Drinks wieder, wir verdursten, Kleines“, meinte er und eiste seinen Blick von ihrem Dekolleté los. „Gern Großer“, flötete sie und verschwand. „Das war mal so was von eindeutig der falsche Ausschnitt, Boss. Ich bin schockiert. Dass du das meiner Chily-Schote antust“, empörte sich Colt mehr im Scherz, als ehrlich entsetzt. „Wenn es mir so vor die Augen gehalten wird? Ich kann ja nicht in die andere Richtung gucken, während ich bestelle“, rechtfertigte sich der Blonde achselzuckend. Er musste jetzt ja nichts zugeben, was ihn Kopf und Kragen kosten konnte. „Okay. Und wenn sie dir was anders bietet, nimmst du das dann auch an?“, hakte der Lockenkopf nach. „Was soll sie mir anbieten?“, fragte Saber unschuldig zurück. Colt parierte sofort:„Das weißt du genau, du Scheinheiliger.“ – „Der Heiligenschein ist ihm in Tucson-City schon abhanden gekommen“, warf Fireball amüsiert dazwischen. „Wenn er überhaupt einen hatte. Ich kann ihm nur raten, sich dran zu erinnern, wo er hingehört“, brummte der Cowboy. Bevor jedoch dieses Geplänkel ausarten konnte, kam die Bedienung mit den Drinks zurück. Sie stellte je ein Glas vor den Japaner und den Scharfschützen und gab sich viel Mühe, Saber beim Servieren erneute Einblicke zu gewähren. „Kann ich sonst noch was für dich tun?“, wollte sie lasziv wissen. Der Schotte linste zum Bräutigam. Colt schaute nicht anders auf die Dame, als Saber selbst. Der Blonde konnte nicht wiederstehen, dem Lockenkopf ein wenig zu einheizen. Das lud einfach zu sehr ein. Er schaute das Mädchen wieder an. „Dreh dich mal um“, bat er grinsend. Da sie ihm ohnehin schon allzu offensichtliche Avancen machte, war sie für diese Spiel zu haben. Langsam und aufreizend drehte sie sich vor ihm. „Und? Gefällt dir, was du siehst“, wollte sie verführerisch lächelnd wissen. Während Fireball sich bei dieser Einlage errötete, purzelten Colt fast die Augen aus den Höhlen. Der Blonde lehnte sich zurück. „Kannst du das noch mal machen? Von ein bisschen weiter drüben.“ Dabei wies er zum Lockenkopf. „Ich glaub, von da sehe ich dann besser. Die böse Weitsichtigkeit“, erklärte er und unterdrückte ein allzu unverschämtes Grinsen. Da die Kellnerin darauf bedacht war, ihm zu gefallen, schlenderte sie nun hüftschwingend zum Bräutigam um drehte sich einmal mehr betont langsam und verführerisch um ihre eigene Achse. Colt starrte sie unverhohlen an. Saber hätte am liebsten laut gelacht, aber dann wäre er vom Stuhl gefallen. Er wusste nicht, welcher seiner Freunde gerade den komischeren Anblick bot. Fireball, mit dem schamroten Kopf eines Schuljungen oder doch Colt, dessen Augen jetzt zwar an ihren Rundungen klebten, der diesen Umstand aber spätestens morgen früh auf Gedeih und Verderb Robin beichten würde. Zumindest war genug Stichelfläche für den Schotten da. „Kannst du auch tanzen?“, fragte er das Mädchen. Diese nickte und begann, sich im Rhythmus der Musik teils vor, teils auf dem Schoss des Scharfschützen zu bewegen. Sie drückte ihr Heck an dessen Bauch und schob es so an seine Hand, die lässig auf seinem Oberschenkel lag, während er mit der anderen seinen Drink hielt. Colt strich neugierig über das Heck. Fireball langte nach seinem Drink. „Das halt ich nicht aus.“ Mit der Feststellung leerte er das Glas in einem Zug. Saber unterdessen motivierte die Kellnerin munter. „Ein bisschen näher, solang er noch darf, Schätzchen.“ Das Grinsen in seinem Gesicht wurde breiter. Allerdings war seine Bitte nicht ganz, was im Sinne der Bedienung war. Sie wandte sich lasziv auf dem Schoß des Cowboys und schaute ihm tief in die Augen. Dafür musste sie seinen Kopf zu ihrem hin aufdrücken, denn dessen Blick hatte sich an ihrem Dekolleté verfangen. Sie lächelte und führte seine Hand über ihren Oberkörper und bog diesen weit nach hinten, so dass sie den Schotten sehen konnte. Colt strich mit der Hand zurück. Die Tänzerin richtete sich auf, schenkte ihm einen weiteren tiefen Blick und stieg gekonnt von seinem Schoß. Dann ließ sie von ihm ab und tänzelte zum Recken. Der hob die Brauen und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, als sie ihm einen Lapdance gab. Dabei ließ sie ihre Finger nicht von ihm und erzeugte Körperkontakt, wo sie nur konnte. Sie presste ihre Rundungen an seinen Oberkörper und glitt ihren Lippen über seine Wange, während sie ihre Taille vielversprechend auf seinem Schoss bewegte. „Hey, der Blondschopf darf nicht mehr“, protestierte Colt sofort. Sie ignorierte den Einwurf und beugte sich nah zu Sabers Gesicht. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, hauchte sie verheißungsvoll. „Es scheitert bereits am Willen“, erklärte das Objekt ihrer Begierde entschieden. Abrupt hielt sie inne, schaute ihn überrascht an und rauschte beleidigt ab. Offensichtlich, dass sie selten eine derartige Abfuhr kassierte. „Das war nicht freundlich von dir Saber. Da wird das Trinkgeld auch nicht mehr helfen“, stellte Fireball fest, ohne der Frau hinterher zu sehen. Colt lachte laut heraus, teils über die trockene Abfuhr, teils über den Rennfahrer, der demnach seine Sprache noch nicht verloren hatte. „Was denn? Ich dachte, schauen ist erlaubt?“, hakte der Verheiratete irritiert nach. „Ich lache eigentlich mehr über unser Ampelmännchen“, stellte der Scharfschütze richtig und wies auf den Japaner. „Und hättest du deine Finger nicht bei dir behalten, hätte ich sie dir gebrochen.“ Diese Ergänzung machte deutlich, dass Colt noch immer ein Auge auf das Wohl der Hebamme hatte. „Ampel ist draußen, Kumpel. Außer du meinst die Blumenampel da hinten“, ließ der Wuschelkopf sich vernehmen und deutete über die Bar. Gleichzeitig zog er jedoch den Kopf zwischen die Schultern, als könne er so verbergen, dass er tatsächlich wie das besagte Verkehrssignal leuchtet. Grinsend schüttelte Colt den Kopf und meinte an den Schotten gewandt: „Du bist mehr Schwerenöter als ich dachte.“ Tatsächlich hatte er dieses Verhalten von seinem Boss nicht erwartet. „Du denkst“, grinste der frech zurück. „Oha, das ist mir ganz was Neues.“ Dann wanderte sein Zeigefinger zum jungen Vater. „Aber unser schüchterner Schuljunge macht wieder wett, was ich betreffs der Getränkelieferung vergeigt habe.“ Der Angesprochene wurde noch etwas tiefer rot und brachte seine Freunde nur noch mehr zum Lachen. „Unglaublich. Wie hat der Charly zustande gebracht?“, krähte der Scharfschütze heiter. „Wir sollten April mal dazu interviewen. Ich hab da eine Befürchtung, Colt“, lächelte der Blonde verschmitzt. Das kratzte an dessen Ego. Unbeholfen versuchte er verbal zurück zu schießen. „Du solltest dich da lieber um deine Frau kümmern“, schnappte er, wobei er auf die Eifersucht des Highlanders abzielte, allerdings denkbar schlecht. Der grinste unvermindert weiter. „Oho, mit Sprüchen haut es auch schon nicht mehr so richtig hin, Matchbox.“ Damit klopfte er ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Stell dich nicht so an. Die Mädels sehen nicht anders aus, als andere Mädels oder als April“, fügte er grinsend hinzu. Fireball schüttelte den Kopf. „Sie sehen anders aus, als April. Die da zum Beispiel hat braune Haare, die da hat einen viel flacheren Hinter, die hat zu grelles Make-up und die“ Dabei wies er auf die Oberweiter der Tänzerin, die eben das Parkett betrat. „Das hatte April nur in der Schwangerschaft.“ Dann biss er sich kurz auf die Lippen und wurde abermals rot. Colt fiel fast vom Stuhl, so musste er über den japanischen Wuschelkopf lachen. Der versuchte hastig sein Verhalten zu erklären. „Ich wollte damit sagen: die schönste hab ich daheim.“ Das versicherte er wie ein Schuljunge, der eine gute Ausrede brauchte, damit er vor den anderen nicht als Feigling dastand. „Das haben wir auch. Aber Appetit holen darf man sich auswärts immer noch“, meinte Saber grinsend. Dieses Grinsen vertiefte sich anzüglich, als er sich vorstellte, seine Frau würde ihm einen solchen Lapdance schenken. Gleich darauf kamen ihm noch viele andere Ideen, die einem solchen Lapdance ihrerseits folgen konnten. „Solange du wirklich daheim isst.“ Colt riss ihn mit diesen Worten aus seinen Phantasien. Der Recke fing seinen prüfenden Blick auf. „Sicher, nur daheim, Colt“, erwiderte er dann und linste zum jungen Vater. „Um ihn mach ich mir langsam aber sicher Sorgen“, meinte er dann schon wieder stichelnd. Colt nickte und warf Fireball das gleiche Grinsen zu wie sein Boss. „Was denn? Was kümmern mich die Bienen, wenn ich die Königin hab?“ gab der mit einer Selbstverständlichkeit zurück, die seine beiden Freunde beinahe wieder zum Lachen gebracht hätte. „Schon in Ordnung, Blümchen“, beteuerte der Schotte zwinkernd. „Wie man feststellt, gucken sie alle wieder. Früher oder später“, nickte Colt. „Ihr zwei könnt ja von mir aus. Ich muss nicht unbedingt“, wollte der sich jedoch nicht belehren lassen und als hätte er nicht längst bewiesen, dass er ebenso wenig mit Scheuklappen in der Bar saß, wie seine Freunde. „Da das mein Junggesellenabschied ist, darf ich“, grinste der Lockenkopf, schaute sich ebenfalls um. Dann winkte er ein Mädchen heran. „Was wollt ihr Jungs?“, fragte sie keck und lehnte sich verführerisch an die Tischkante. „Was hast du denn?“, wollte Saber wissen. „Ist mir egal, solang es kurz und stark ist“, murmelte Fireball. „Jeden Drink. Pur, auf Eis oder“ Sie reckte sich ein wenig und lenkte die Blicke der drei auf ihre Taille. „auf mir“, antwortete sie leichthin und einmal mehr an diesem Abend glühte der Wuschelkopf auf. „Pur, danke“, orderte er dann. Colt legte die Stirn in Falten. „Verlockend, das letzte Angebot. Soll ich oder nicht“, zog er die Serviervorschläge ernsthaft in Betracht. „Deine letzte Chance für den Blödsinn, Kumpel“, zwinkerte der Recke ihm zu. Dadurch ermutigt bestellte er. „Auf dir.“ Das Mädchen nickte Saber zu. „Und du?“ Bei einem Seitenblick auf den Bräutigam ging dem Schotten der Schalk für diesen Abend durch. Er bestellte beide Varianten, die seine Freunde gewählt hatten. Die Kellnerin füllte zwei Gläser und stellte sie vor Fireball und Saber auf den Tisch. Dann legte sie sich lächelnd auf den selbigen und füllte ihren Bauchnabel mit dem Drink. Colt gewährte Saber als Boss den Vortritt, wollte sehen, ob der nicht vielleicht doch noch kniff. Aber genau aus diesem Grund ließ der Recke sich dazu vollends hinreißen. Er beugte sich über sie und sog die Flüssigkeit aus ihrem Nabel. Just in diesem Moment fiel ihm einmal mehr seine Angetraute ein. Nein, dem Vergleich konnte die Bedienung nicht standhalten. Nur diesmal formulierte Saber das eleganter, als bei ihrer Kollegin davor. „Doch lieber aus dem Glas“, meinte er und exte mit dem Rennfahrer, der sich dieses Schauspiel kaum ansehen konnte, das Glas, während Colt noch einen zweiten Whisky aus dem Bauchnabel der Serviererin trank. „Das ist das erste, dass er morgen früh Robin beichtet“, feixte der Schotte an Fireball gewandt. „Ohne Zweifel wird er das“, bestätigte der und grinste leicht. Die Kellnerin richtete sich vom Tisch auf und schaute den Wuschelkopf an. „Sicher, dass du nicht willst?“, hakte sie nach. „Oh ja, ganz sicher.“ Das Mädchen lächelte und beugte sich zu dem jungen Vater vor. „Deine Freundin hat Glück“, raunte sie ihm zu, ehe sie ihm einen Kuss auf die Wange hauchte und im Gedränge des Lokals verschwand. „Wie bitte?“, fragte Fireball verdattert und errötete noch einmal bis in die Haarwurzeln. „Aus dem Alter sollte er längst raus sein“, grinste Colt. Auch der Highlander schmunzelte breit. „Wir sollten alle so einiges“, bemerkte er und verkniff sich eine weitere Neckerei an den Rennfahrer. „Zumindest weiß ich, dass du morgen früh in Schwierigkeiten steckst“ Jetzt wies er grinsend auf Colt. „so bald du Robin den heutigen Abend beichtest.“ Der tat prompt großspurig. „Da gibt es doch nichts zu beichten“, wiegelte er ab. „Das ist das erste, was du morgen früh tust und wenn du das überlebst, fängst du an zu beten, dass sie dich trotzdem noch heiratet“, erklärte Fireball. „Ach, quatsch keine Opern. Du wirst April wahrscheinlich heute Nacht noch sofort beichten, wo du warst“, versenkte der Scharfschütze gekonnt den Gegentreffer. Fireball schluckte und wandte sich, so gut er konnte, da raus „Mal sehen“, murmelte er unbestimmt. „Unglaublich.“ Jetzt konnte Saber sich beim besten Willen nicht mehr vor Lachen halten. „Und wie gestehst du deinem Haushuhn deine Schandtaten?“, schnappte der Rennfahrer, weil er sich, mehr oder weniger auch zu Recht, ausgelacht fühlte. „Dazu müsste ich Schandtaten begangen haben“, gab der Blonde schlicht zurück. „Na, ich geh mal davon aus, wenn deine Jolene das gleiche bei einem Typen machen würde, wie du vorhin bei der Kellnerin, dann würdest du aber abdrehen“, konterte Fireball und traf ziemlich gut damit, denn Saber parierte sofort: „Meine“ Und das betonte er besonders deutlich. „Jolene macht so was nicht.“ Er fuhr sogar im Stuhl vor, in dem er bisher lässig gelehnt hatte. Was für eine Einladung an den Japaner, noch einmal verbal nachzutreten. „Seit wann bist du dir denn da sicher? Ist noch nicht so lange her, da warst du davon nicht so überzeugt“, gab er amüsiert zurück. Doch Saber hatte seine Selbstbeherrschung zurück. „Die Zeiten ändern sich. Das wirst du auch noch lernen“, erklärte der Schotte relativ ruhig. Allerdings musste er sich eingestehen, dass es ihm nicht im Mindesten gefallen würde, hätte seine Angetraute etwas Ähnliches getan. Den Treffer hatte der Rennfahrer sauber versenkt. „Ich hoffe, ihr habt beiden einen Tanzkurs abgelegt, sonst könnt ihr das hier noch lernen“, schaltet sich jetzt Colt in das Gespräch ein und deutete auf eine der GoGo-Tänzerinnen, die sich bewegte, als hätte sie keine Knochen im Körper. Mit einem kurzen Blick auf sie, bemerkte der Recke: „Gentlemen können tanzen. Bei Kuhhirten und Rennfahrern bin ich mir nicht so sicher.“ Langsam erhob er sich. Es wurde Zeit zu zahlen. „Ich hatte da eine gute Lehrerin.“ Augenzwinkernd stand auch Colt auf. „Wen? Robin?“, wollte Fireball schmunzelnd wissen, ehe er es den beiden älteren gleich tat. Sie bahnten sich ihren Weg durch die Menge zum Ausgang. „Nein, Chily. Deshalb sind die Füße deiner Frau jetzt auch so klein, Saber“, grinste der Lockenkopf munter und brachte den Wuschelkopf zum Lachen. „So viel steht fest, Saber. Der erste Tanz, nach dem Hochzeitstanz, gehört mir“, bestimmte Colt vor dem Lokal. „Kannst du haben. Dafür gehört der erste Tanz mit deiner Frau mir“, sah der Blonde zu, dass er ebenfalls zu seinem Recht kam. Sie schlugen den Weg zum Taxistand ein. „Und zu welchen Bedingungen wird der Tanz mit April verhökert?“, wollte der Scharfschütze wissen und gähnte unterdrückt. Das war eine lange Nacht geworden. „Da wird gar nichts verhökert, weil nicht getanzt wird“, entschied der Japaner kategorisch. „Klar wird. Saber kriegt April, du Robin und ich schnapp mir Charly.“ Bei dieser Aufteilung grinste Colt von einem Ohr zum anderen. „Gott bewahre! Dass willst du Robin wirklich antun“, entfuhr es dem Wuschelkopf, als sie ins Taxi stiegen. „Er will sie heiraten. Ich halte das für das größere Übel“, stellte Saber trocken fest. Der junge Vater prustete los. „Oh, Fireball, es gibt Neuigkeiten. Ich habe eben gehört, das Chily Witwe wird“, ließ der Cowboy sich nicht weniger trocken vernehmen und drohte Saber scherzhaft. „Amen“, nickte der Angesprochene und war froh, dass das Taxi vor seiner Tür als erstes hielt. „Endlich zu Hause. Hoffentlich hat April noch nicht vergessen, wer der Vater von Charly ist.“ Damit kletterte er aus dem Auto. „Mensch, noch nicht mal verheiratet und du stehst jetzt schon unterm Scheffel“, grinste Colt und verabschiedete ihn ohne zu zögern. „Mach, dass du zu deiner Holden kommst, Kleiner.“ Als nächstes hielt der Fahrer vor Sabers Tür. „Genieß die Zeit mit Robin, solange ihr noch alleine seid“, verabschiedete er sich. „Grüß die Witwe in Spe“, winkte Colt zurück. Der Blonde lachte „Mach ich, mach ich“ und wankte ins Haus. Da ihre Herzdamen für jeden von ihnen so hoch im Kurs standen, dass keine andere daran reichen konnte, beichteten Colt und Fireball wirklich alle Ereignisse des Abends, kaum dass sie zur Wohnungstür hereingetreten waren. Es war keine Taktik, um den größten Schaden abzuwenden, sondern der Wunsch nach Ehrlichkeit. Es war von Vorteil, da beide unter Alkoholeinfluss über ein Kleiner-Junge-Gen verfügten, dem weder Robin noch April ernsthaft böse sein konnten. Saber hätte auf jenes Gen nicht mal zurück greifen brauchen, wäre er etwas leiser eingetreten und weniger tollpatschig auf seiner Seite vom Bett gelandet. Noch nicht wirklich entkleidet kuschelte er sich an seine Angetraute, die er mit seiner Ankunft geweckt hatte. „Dein Bauch ist der schönste und der weichste und schmeckt am besten, egal, was ich aus deinem Nabel trinke“, murmelte er fahrlässiger Weise. Chily drehte sich um und war sie bis eben noch nicht richtig wach gewesen, so war sie es jetzt. „Bitte was?“, hakte sie nach und glaubte einen Moment lang sich verhört zu haben. Ihr Mann jedoch schmiegte sich noch etwas enger an sie und belehrte sie des Gegenteils. „Du hast den schönsten Bauch weit und breit“, erklärte er halb schläfrig, halb alkoholisiert. Sie richtete sich auf. „Wie kommst du jetzt darauf?“, wollte sie wissen und sah im Halbdunkel auf ihn hinab, da er auf der Matratze liegen geblieben war. „Na, weil es die Wahrheit ist. Und glaub mir, Whiskey aus dem Glas schmeckt einfach besser“, erwiderte er von dort her. Seine Hand tastete sich nach ihr. Er wollte sie wieder zu sich ziehen, aber sie blieb dort, wo sie war und rührte sich nicht. Träge linste er zu ihr herauf und erkannte noch am Zucken ihrer linken Augenbraue, dass sie überlegte, ob sie jetzt gleich oder erst morgen früh weitere Fragen stellen sollte. „Wir haben doch Junggesellenabschied mit Colt gefeiert. So wie man das halt macht. In einer Bar mit leichtbekleideten Frauen und Schanktanten eben“, begann er daher von sich aus zu erläutern. „Aha. Und weiter?“ Na, sie war doch sehr gespannt auf das, was er ihr gleich erzählen würde. Er setzte sich doch erst mal auf, musste sich aber kurz den Kopf halten. Es drehte sich alles, entweder vom Whisky oder von dem schwungvollen Aufsetzen. „Die Getränkeliste war lang, das Angebot an Serviervorschlägen auch und naja, Colt und ich haben uns durch alles gearbeitet, pur, auf Eis, auf Serveuse“, fuhr er dann fort. Chily wäre beinahe aus dem Bett gefallen. „Auf der Barmaid? Hab ich mich verhört?“, fragte sie eher verwundert als böse. Aber in seinem Zustand konnte Saber keinen Unterschied heraushören. „Ja“, gestand er kleinlaut und beteuerte sofort. „aber kein Vergleich zu meinem Engel zuhause.“ Entgeistert starrte sie ihn an. „Also du ...“ Mehr brachte sie nicht hervor. Das verschlug ihr schlichtweg die Sprache. „Also ich“, bestätigte er und nickte fahrig. „Aber wie gesagt: pur und auf Eis ist in Ordnung, auf Kellnerin lediglich so lala. Muss man halt auch mal probiert haben.“ Die bunt gesträhnte Blondie riss die Augen auf. „Sag mal spinnst du eigentlich?“, fuhr sie ihn nun doch entrüstet an. „Wieso?“ Verständnislos blickte der Schotte sie an und lieferte dann das logischste und zugleich unbrauchbarste Argument hinterher. „Colt hat es doch auch gemacht.“ Jetzt war seine Frau aus dem Bett. „Bullet unterstellt mir auch nicht alle Pupse lang, ich würde fremdgehen“, warf sie sofort zurück. „Tu ich auch nicht. Nur alle heiligen Zeiten.“ Oh, noch ein Treffer mehr heute. Ob das noch gut ging? Treuherzig sah er sie an. „Und das tut mir leid, das weißt du, Aiyana“, musste er da noch einmal versichern. „Das grenzt an Doppelmoral, das ist dir schon klar“, gab sie zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es war ein Junggesellenabschied, Aiyana. Absolut unbedeutend und eine einmalige Sache“, versuchte er das Ganze zu entkräften und stellte sich selbst ein Bein, als er hinterher murmelte. „Bis Fire endlich heiratet halt.“ – „Na super.“ Sie warf die Arme in die Luft. „Was machst du dann? Die Eule fi... ?“ In dieser Frage lag ihrerseits auch etwas wie Eifersucht. Aber noch ehe sie zu Ende gesprochen hatte, schnitt er ihr bestimmt das Wort ab. „Nein. Abgesehen davon, wird der Kleine seinen Junggesellenabschied wahrscheinlich ein bisschen anders feiern.“ Er grinste von einem Ohr zum anderen, als er daran dachte, wie der Rennfahrer im letzten Lokal wirklich alle, wie hatte seine Angetraute gesagt, Pups lang rot geworden war. „Das mag für Little Daddy stimmen, aber was machst du da? Das heute war ja schließlich Colts Abend“, gab sie zurück und kam an dem Unbehagen in sich nicht ganz vorbei. Schmollend schob der Schotte die Unterlippe nach vorn. „Hab nachgefeiert“, rechtfertigte er sich schwach und schaute aufs Laken. Sie schlug sich die Hand vor die Stirn „Dann feier noch schön. Ich brauch ein Glas Wasser“, versetzte sie und ging um das Bett herum, um sich jenes auch zu holen. Saber sprang auf und erwischte sie am Handgelenk, ehe sie die Tür erreichte. Halb stolperte er auf dem Weg zu ihr. „Ach, Schatz, bitte. Jetzt ist es eh schon passiert. Wieso bist du jetzt so kratzbürstig? Nur deswegen?“, wollte er fast bettelnd wissen. „Was soll das heißen: Nur deswegen?“ Streng schaute sie ihn an. „Weil nix passiert ist. Ich hab einen Schluck Whiskey aus ihrem Bauchnabel getrunken und nix weiter. War ja nicht mal sein Geld wert“, versicherte er fast gekränkt darüber. Sie hob die Schultern. Ihr eifersüchtig angehauchtes Unbehagen war schon wieder verraucht. Es war etwas anderes, das sie tatsächlich ärgerte. „Es geht mir weniger darum. Eher um das, was hier los wäre, hätte ich das bei einem Typen gemacht. Das hier ist im Vergleich dazu harmlos“, stellte sie klar. „Jolene...“ Sabers Einwand verebbte sofort. Er konnte nicht widersprechen. Sie hatte Recht. Das hier war harmlos. Das verstand er in seinem alkoholgetränkten Zustand noch. „Hm“, nickte sie. „Genau das meine ich.“ Damit löste sie sich von ihm und verschwand nach unten in der Küche. Ihm blieb nur noch eins, er konnte ihr nur noch betreten hinterher gucken. Dann resignierte er und entschied das wohl einzig richtige in dieser Situation zu tun. Er schnappte sich sein Bettzeug und wankte nach unten gen Wohnzimmer. Folglich torkelte er an der Küche vorbei, wo seine Angetraute diesen Vorbeimarsch irritiert beobachtete. „Was tust du?“, fragte sie und steckte den Kopf aus der Tür. „Auswandern“, schniefte er unglücklich. „Du willst mich ja nicht im Bett haben.“ Sie hob überrascht die Brauen. „Wann hab ich das gesagt?“, hakte sie nach. „Na, du bist sauer auf mich und wenn du sauer auf mich bist, willst du nicht, dass ich mich zu dir kuschle. Und ich kann mich nur nicht zu dir kuscheln, wenn ich auf der Couch schlafe“, erklärte er, als wäre er Musterschüler der ersten Klasse. Mit dem treubraven Blick und den leicht verstrubbelten Haaren war diese Erscheinung wirklich perfekt. Wie sollte sie denn da noch böse sein? „Saber, du bist manchmal ein Idiot“, gab sie rigoros zurück und leerte das Glas, ehe sie einen Lachanfall bekommen konnte. Nein, er schaute wirklich zu drollig aus der Wäsche. „Idioten haben ein gutes Herz.“ Mit treudoofer Miene, großen, blauen Augen sah er sie an und klemmte sich noch einmal unbeholfen das Kissen unter den Arm. Sie schlug rasch den Rückweg ins Schlafzimmer ein und ließ ihn bekümmert seinen Weg ins Wohnzimmer fortsetzen, wobei er die Bettdecke hinter sich her schleifte. „Schlaf gut, mein Schatz“, fiepte er und hoffte immer noch, sie würde ihn wieder mitnehmen. Aber alles, was er bekam war ein „Du auch“ und ihre Schritte, die verrieten, wie sie die Treppe hinaufstieg. Selbst sein bittendes „Schatzi“ schien ungehört zu verhallen. Seufzend entschied er sich dazu, sich umzuziehen und es sich auf der Couch bequem zu machen. Dabei fiel er jedoch von der selbigen und klagte leise vor sich hin. Ach, was war sie aber auch gemein zu ihm. „Suchst du was?“, fragte diese gemeinste aller Frauen, zu der er sie eben gedanklich erklärt hatte, mit unterdrücktem Kichern. Da musste er sich wohl erst mal wieder aufrappeln. „Meine Würde“, murmelte er dabei. „Da musst du wohl zu dem Mädel mit dem Whiskynabel gehen, die wird noch bei ihr sein“, gab sie zurück und umrundete das Sofa, nur, um es auszuklappen und sein Kissen und seine Decke darauf auszubreiten. „So ist es besser zum Schlafen“, meinte sie dann zufrieden. Zwar setzte er sich darauf, stellte aber unverändert betreten und in Musterschülermanie fest: „Ist egal. Am besten zum Schlafen ist immer noch neben meiner Frau.“ Sie nickte bestätigend und umrundete die Couch wieder, als wolle sie ihn hier allein zurück lassen. Er schob die Beine unter die Decke und sah ihr nach. „Du hast mich gar nicht mehr lieb, oder?“, fragte er mit Dackelblick. Sie blieb hinter der Couch stehen und hob etwas vom Boden auf. Im nächsten Moment flogen ein zweites Kissen und eine zweite Decke neben ihn. „Doch, muss noch so sein.“ Damit fand sie sich neben ihm auf dem Sofa wieder. „Der Himmel weiß, warum du unbedingt auf der Couch schlafen wolltest“, seufzte sie und lächelte leicht. Sofort schmiegte er sich so fest an sie, dass er sie beinahe von der Schlafstatt geschoben hätte. „Deswegen vielleicht?“ Er drückte ihr einen stürmischen Kuss auf, erleichtert darüber, dass sie ihm doch nicht böse war. Sie verzog unwillkürlich das Gesicht. „Oder weil ich jetzt im Koma lieg“, gab sie zurück und rümpfte die Nase. Er ließ von ihr ab und zog sich zurück. „Okay“, klang es schon wieder schmollend von ihm. „Hier geblieben.“ Jetzt war es an ihr, sich an ihn zu schmiegen. Leise flüsterte sie. „Ich hab dich lieb, Manapi.“ Warm und zärtlich klang es, wie er es von ihr kannte. Er schlang beide Arme um sie. „Ich dich auch, meine Aiyana“, raunte er zurück. Sie richtete sich noch einmal auf und hauchte ihm vorsichtig, wegen der üblen Fahne aus seiner Richtung, einen Kuss auf die Lippen. „Gute Nacht und denk dran: ich hab jetzt einmal flirten eifersuchtsfrei“, konnte sie nicht verkneifen zu sagen. Er salutierte ansatzweise. „Aye, mein Schatz!“ Sie konnte doch alles von ihm haben. Zufrieden schmiegte er sich an sie. „Du bist und bleibst die beste“, fügte er hinzu und verschwieg, dass er vor einer Minute noch vom Gegenteil überzeugt war. Es war drei Atemzüge später ohnehin aus seinem Gedächtnis gestrichen und einen weiteren Atemzug später schlief er selig. Am nächsten Morgen regnete es, als hätte es nie eine Unterbrechung geben. Dann wurde das Wetter wechselhaft. Regen kühlte die Luft, wärmende Sonnenstrahlen danach machten sie drückend feuchtwarm, bis sie wenige Stunden später wieder abflaute. Unter diesen Bedingungen hoffte und bangte Robin jedes Mal aufs Neue um ihren großen Tag und hoffte, Chily würde ihr Versprechen halten und jenen weißen Regenschirm für das Brautpaar besorgen, um den die Lehrerin gebeten hatte. Oder sollte Colts Zukünftige doch auf die Vorhersage der Hebamme vertrauen, die da besagte, dass der Schirm nicht nötig wäre? Der Morgen drei Tage vor der Hochzeit begann mit drückender, lähmender Schwüle. Chily erhob sich langsam und wie gerädert aus dem Bett. Des Tages Arbeit rief nach ihr und ihrem Mann. Die erste Tat im gewohnten Ablauf war es für sie, Frühstück zu machen. Schläfrig wankte sie aus dem Bett und versuchte die Benommenheit abzuschütteln, die sie noch festhielt. Saber richtete sich auf und beobachtete sie. Tapsig war sie gelegentlich schon morgens, meist dann, wenn die Nacht zu kurz war. Aber heute schien es ihm etwas schlimmer zu sein als sonst. So wie sie das Ehebett umrundete, drängte sich ihm die Frage einfach zu sehr auf. „Ist dir nicht gut?“, wollte er daher wissen. „Nur etwas schwindlig“, bagatellisierte sie murmelnd und tapste weiter. „Dann solltest du dich vielleicht besser wieder setzen, Jolene“, schlug er fürsorglich vor. „Ach was, das geht“, behauptete sie lahm und wurde mit dem nächsten Schwindelanfall sogleich Lügen gestraft. Denn auf dem Weg zum Stuhl neben der Tür geriet sie ins Straucheln und drohte umzufallen. Der Recke war mit einem Satz bei ihr und fing sie auf. „Jolene!“, rief er erschrocken und hielt sie fest. „Danke, Manapi“, erwiderte sie leise und versuchte sich aus ihrer halb liegenden, halb stehenden Position in seinen Armen aufzurichten. Aber noch drehte sich alles und fühlte sie eine dünne Schicht kalten Schweiß auf ihrer Haut. „Du solltest dich wieder hinlegen, Aiyana“, mahnte ihr Angetrauter sie sanft, während sie einigermaßen sicheren Stand zurück gewann. „Das geht aber grad gar nicht. Ich muss noch in die Praxis runter. Die Arbeit tut sich schließlich nicht von allein und ich habe etwas zu viel davon aufgeschoben.“ Sie löste sich mit zitternden Fingern von ihm. „Ich brauche bloß einen guten Kaffee sonst nix“, wiegelte sie ab. Seine Arme ruhten noch immer um ihre Taille, falls sie gleich wieder fiele. „Du brauchst vor allem Ruhe, mein Schatz“, beschwor er sie beunruhigt. „Leg dich wieder hin, den Kaffee bring ich dir auch ans Bett.“ Sie entfloh ihm endgültig. „Ach jetzt hör aber auf. So schlimm ist es doch gar nicht.“ Damit schlug sie den Weg Richtung Küche ein. Er folgte ihr. Weder entging ihm ihr wankender Schritt, noch die fahrige Bewegung, mit der sie die Küchentür öffnete. Dass sie den Kopf gesenkt hielt, bestärkte seinen Verdacht. „Darf ich was fragen?“ – „Hm“, brummte sie unkonzentriert zurück und begann Kaffee anzusetzen. Saber konnte nicht länger zu sehen. Das war zu viel. Er platzierte sie mit sanfter Bestimmtheit auf einen Stuhl und nahm ihre Arbeit auf. „Was fehlt dir, Aiyana?“, hinterfragte er dabei. „Ach, nichts weiter. Wahrscheinlich nur etwas Schlaf im Allgemeinen. Heiß ist es heute auch ganz schön. Da kann so was mal vorkommen. Mach dir doch bitte nicht so viele Gedanken“, erwiderte sie, blieb jedoch sitzen, da die Welt endlich mal still stand. „Ich mach mir Gedanken. Ich bin dein Mann“, schmunzelte er zurück und stellte ihr einen Kaffee, mit Zucker und schon verrührt, auf den Tisch. „Ich weiß“, lächelte sie warm, „aber das musst du nicht. Passiert halt immer wieder mal. Ist aber nicht schlimm.“ Der Blonde ließ das nicht gelten. „ Wäre es nicht schlimm, müsste ich keine Angst haben, dass du mir über die Stufen runterfällst“, widersprach er ihr. „Gestern bin ich auch nicht die Stufen runter gefallen“, murmelte sie in die Kaffeetasse, ehe sie einen Schluck trank. „Ich will nicht, dass du mir überhaupt die Treppe runterfällst“, erklärte er und setzte sich ihr gegenüber. Wieder musterten seine Augen sie besorgt. „Hast du dir etwas eingefangen? Eine Sommergrippe oder etwas anderes?“, bohrte er weiter. „Möglich ...“, wich sie aus und spülte einen Schluck dem nach, was sie allerdings hörbar selbst nicht so recht glaubte. „Oder?“ Saber hob die Brauen. Das war alles andere als beruhigend. Nein, wirklich nicht. „Wer hat was von Oder gesagt?“, mimte diese unschuldig. „Manapi, das kann alles Mögliche sein.“ Dem Schotten schossen alle möglichen Gedanken durch den Kopf, ausnahmslos alle, die Grund für das blasse Gesicht seiner Angetrauten sein konnten. „Klär mich bitte mal über ‚alles Mögliche‘ auf. Ich möchte vorbereitet sein“, verlangte er einigermaßen gefasst, auch wenn er nicht hätte sagen können, wie er auf die bisher nicht bedachte eine Wahrscheinlichkeit, oder besser, deren Bestätigung reagieren würde. Sie blieb ihm die Antwort schuldig. Perplex starte sie ihn an. Er klang beinahe so, als wüsste er, welche Ahnung sie auf dem Weg in die Küche beschlichen hatte. Aber seit wann hatte auch der Recke hellseherisch anmutende Fähigkeiten? „Was kann ‚alles Mögliche‘ sein, mein Schatz? Was kann dir fehlen, beziehungsweise was kannst du haben?“, drängte er sie, seine Frage zu beantworten. „Ja, was halt so fehlen kann. Kaffee zum Beispiel“, sie nahm noch einen Schluck von dem Muntermacher, „und alles, was man eben haben kann. Ach Manapi, du übertreibst. Nur weil es heute etwas schlimmer ist, als die vergangenen Wochen, und du es daher gemerkt hast.“ Und jetzt trank sie gleich mehr, damit die warme, gesüßte Flüssigkeit endlich ihre Wirkung entfalten konnte, denn sie hatte sich verplappert. Saber war das sofort aufgefallen .Er fuhr überrascht auf. „Die vergangenen Wochen?“, wiederholte er ungläubig. „Schatz, warum sagst du denn nichts?“ Sie blinzelte leicht. „Genau deshalb“, erwiderte sie und deutete auf ihn. „Weil du dir zu viele Gedanken machst. Jetzt hör bitte wieder auf.“ Damit erhob sie sich und wollte erneut die Flucht in ihre Praxis antreten. Doch weit kam sie nicht. Saber hielt ihre Hand fest. „Schatz, bitte. Wenn du mir nicht sagst, was los ist, mach ich mir erst recht Sorgen. Ich will doch nur, dass es dir gut geht“, beschwor er sie. Sie setzte ein unschuldiges Lächeln auf. „Es geht mir doch gut“, beteuerte sie. Seine Miene verriet, dass er ihr nicht glaubte. „Es geht dir eben nicht gut“, stellte er energisch fest. „Jolene“, fuhr er streng fort. „Muss ich dich in dem Zustand wirklich erst zu Colt bringen, damit du es mir sagst?“ Sie riss die Augen auf. „Was soll ich denn bei Colt? Ich hab zu tun, lass mich das bitte erledigen“, bat sie. Bei dieser Drohung ihres Mannes wollte sie nur noch schneller fort, ehe er diese Ankündigung auch noch wahr machte. Aber er verstellte ihr den Weg. Das hielt er kaum noch aus. „Jolene, lass mich im Dunkeln tappen und dein Manapi fängt das Flippen an“, mahnte er etwas ungehalten. Beide wussten, dass es stimmte. Ehe sie ihre schlechten Ablenkungsmanöver fortsetzten konnte, fragte er nachdrücklich: „Wieso willst du mir nicht sagen, was du dir eingefangen hast?“ Sein Blick hielt sie ernsthaft bittend fest. Sie gab seufzend nach. „Weil ich mir nicht sicher bin“, gab sie zu. Saber stutzte. „Nicht sicher? Du musst doch wissen, ob du dich verkühlt hast oder …“ – „Sagen wir, ich hab da ein seltsames Gefühl im Bauch“, kürzte sie sämtliche Vermutungen auf die eigentliche ab, die sie selbst hegte. Erst überrumpelt, dann fragend starrte der Schotte seine Frau an. Was sagte sie ihm da? Sollte es bedeuten, dass er den Spuren seiner Freunde schneller folgte, als er gedacht hatte? „Ich geh einfach mal zum Arzt. Okay?“, schlug sie ihm vor. „Ist das jetzt ein Grund für mich in Panik auszubrechen?“, wollte er wissen und wusste nicht so recht, ob er lachen sollte oder nicht. Sie lächelte warm und beruhigend. „Ich weiß ja noch gar nicht, ob ich da was von dir hab.“ Er hatte sich in den wenigen Minuten, die sie wach waren schon viel zu viele Gedanken gemacht. Er sollte jetzt nicht verrücktspielen, wo sie selbst nicht sicher war. Er schluckte leicht und versuchte die Tragweite zu begreifen. Langsam streckte er seine Hand nach ihrem Bauch aus. Wuchs darin wirklich etwas von ihnen heran, das seine Augen und ihre Nase haben konnte? „Was sagt dein Gefühl dazu?“, fragte er. Ihr Gefühl hatte sich doch noch nie geirrt. Sie lachte auf. „Es sagt gar nichts. Das ist es ja.“ War das zu glauben? Auch er lachte irritiert. „Funktioniert dein Radar nur bei anderen?“ Er zog sie in seine Arme. „Kann es denn sein, dass wir wirklich ...“ „Es scheint so. Ich werde am besten einen Test machen. Ich bin doch etwas später dran als die ein, zwei stressbedingte Tage.“ Sie lehnte sich an ihren Angetrauten. Sehr viel anders als ihm erging es ihr auch nicht. Es war verwirrend. Ihr Radar setzte bei ihr aus, das war schon seltsam. Ob sie nun schwanger war oder nicht, schreckte sie nicht. Sie freute sich auf ein Kind ebenso, wie sie Zeit mit ihrem auch gern noch ausschließlich mit ihm verbrachte. „Wir werden wohl warten müssen“, bemerkte der. „Aber egal, was raus kommt. Ich freu mich so oder so. Werden wir einer mehr, ist das wunderbar. Bleiben wir zu zweit, ist das auch wunderschön.“ Damit sprach Saber ihre Gedanken aus. Sie schaute ihn etwas besorgt an. „Ist es das wirklich? Ich hab dir nichts gesagt, weil ich es eben nicht weiß und nicht wollte, dass du dich auf was freust, das vielleicht doch nicht ist.“ Bei ihrer Erklärung hob er die Brauen skeptisch. „Da nimmst du es in Kauf, dass ich mir Sorgen mache?“ Sie hob verlegen die Schultern. „Ach Jolene, mein Schatz. Wir haben geheiratet, weil wir uns lieben – in guten wie in schlechten Zeiten und in denen zwischen drin. Ich liebe dich wegen einer Schwangerschaft, die ist oder nicht, ganz bestimmt nicht weniger“, versicherte er ihr. Jetzt nickte sie lächelnd. Das wusste sie doch. „Das nächste Mal wüsste ich gern Bescheid, wenn du dich nicht wohl fühlst oder glaubst, deine Umstände ändern sich. Du weißt, ich mach mir Sorgen um dich.“ Sie grinste spitzbübisch. „Und du bist so niedlich dabei.“ Er hob skeptisch die Braue. „Bitte? Das gefällt dir auch noch?“ Sie lachte auf. „Umsorgt zu werden? Von dir? Aber klar doch.“ Er seufzte. „Ich würde dabei trotzdem gern nachts ruhig schlafen können.“ Als er das aussprach, fragte er sich, ob er überhaupt eine Nacht ruhig schlafen könnte, wenn sie tatsächlich schwanger wäre. Er bekam Zweifel daran und das las ihm seine intuitive Frau natürlich geradewegs aus seinem Kopf vor. „Vielleicht sollte ich nie schwanger werden, sonst kannst du neun Monate lang nicht schlafen. Oder stell dir vor, das Kind wird krank, bekommt Koliken und Fieber? Oh, so viele schlaflose Nächte für den armen Papa“, grinste sie verschmitzt. Ein wenig schmollend entließ er sie aus seiner Umarmung. Von wegen verrücktes Huhn. Eine kleine Spottdrossel hatte er sich da nicht nur angelacht sonder auch geehelicht. „Jaja, der arme Papa.“ Versöhnlich strich sie ihm über die Wange. „Du bist wie Colt“, erklärte sie dann heiter, wodurch der Trost sich nicht ganz entfaltete. „Jetzt ist aber genug, Aiyana“, begehrte er schmollend auf. Er war doch keine Glucke, lediglich fürsorglich. Wie kam sie denn bitte auf diesen Vergleich? Sie lachte auf und umarmte ihn noch einmal innig. „Der wichtigste Unterschied ist, ich bin Deins, ganz und gar“, versicherte sie ihm anschmiegsam. Noch einmal suchte sie seine Lippen und küsste ihn. So machte sie es ihm schwer, ernstlich beleidigt zu sein. „Die Arbeit ruft“, meinte sie dann. „Okay, aber lass es mich wissen, wenn es dir nicht gut geht“, bat er sie und küsste sie noch einmal. Sie nickte breit grinsend: „Ja, Bullet, äh, Manapi“, konnte sie sich nicht verkneifen, ihn ein letztes Mal zu necken, ehe sie sich an die Arbeit machte. „Haha, sehr witzig“, lachte er zurück und versetzte seiner hauseigenen Spottdrossel einen leichten Klaps auf ihr Hinterteil, ehe auch er endgültig in den Tag startete. Während das Ehepaar Rider noch aufarbeitete, was es konnte, ehe die Hochzeit begann und ihre Hilfe als Brautjungfern und Trauzeugen das nicht mehr zuließen, setzten auch Colt und Fireball alles daran, einen bestimmten Stand im NoRiNoFu zu erreichen, ehe die Hochzeit begann. Im Grunde wollten sie die Einrichtung soweit fertig bekommen, dass nach Hochzeit und Flitterwochen nur noch mal ein kurzer Check nötig war, ehe die Eröffnung stattfinden konnte. Klang nach viel Arbeit, war auch viel Arbeit. Sie klotzten ran. April und Robin bereiteten ihre trauten Heime vor, um die übrigen geladenen Gäste zu empfangen und unterzubringen. Robins Mutter und ihr Bruder Josh waren nur zwei davon. Natürlich fehlte auch General Whitehawk nicht und auch König Jarred und Prinz Roland samt Verlobter Angelique standen auf der Gästeliste. Nur zog es die königliche Familie aus mehreren Gründen vor, in einem Hotel zu übernachten. Die Hochzeit würde diesmal endgültig stattfinden, allerdings nicht, wie der Scharfschütze es ursprünglich geplant hatte, auf der Adams Ranch, sondern in einem Park Yumas. Es gab viele davon, angesichts der Einwohnerzahl der Metropole und dieser war ein besonders schöner. Er war von einem Mischwäldchen umrandet, so dass man vergessen konnte auch nur in der Nähe einer Stadt zu sein. Sein Zentrum bildete ein großer See, an dessen Sonnenufer ein Bootshaus im Schilf stand und auf dessen dazugehörigen Bootssteg die Trauung stattfinden sollte. Eine Kette aus elf großzügigen Pavillons schwang sich entlang des Seeufers und bot so Raum und Möglichkeit für Feiern jeden Anlasses. Der größte Pavillon stand dem Bootssteg gegenüber und bildete die Mitte der Kette. Es war möglich, den Park zu buchen und abzuriegeln, so dass keine ungeladenen Gäste stören konnten, wenn sie zum See schlenderten oder durch die Blumenpracht gegenüber dem Pavillonufer zu flanieren. Chily war es gelungen, diesen Park ausfindig zu machen und das Brautpaar war sofort einverstanden gewesen. So hatte sie, ohne deren Wissen, die Anzahlung übernommen und die Buchung in ihrem Auftrag abgeschlossen. Die Kosten der Hochzeit waren noch immer hoch genug. Es hätte sie keiner davon abhalten können. Colt konnte mochte es noch am Vortag gelungen sein, seine eigene Aufregung zu verdrängen. Doch zwei Tage vor der Hochzeit, nachdem er und Fireball erledigt hatten, was sie sich vorgenommen hatten, war das kaum noch möglich. Er wirbelte durch das Haus, konnte kaum still sitzen um sich mit seinen Gästen unterhalten. Selbst wenn er kurz Ablenkung fand, sei es um sich die Predigt seiner künftigen Schwiegermutter anzuhören, die es sehr bevorzugte, dass er unter die Veranstalter und Unternehmer ging, statt weiter Star Sheriff zu sein – und hier zählte sie ihm all die für sie negativen Aspekte daran auf – oder um mit Josh in dem nun kleineren Partykeller Darts zu werfen. Colt blieb rastlos, zumal auch noch immer nicht alle Antworten auf die neuerlichen Einladungen eingetrudelt waren. Das beunruhigte ihn. Er wollte zu Chily gehen, um besser auf andere Gedanken zu kommen, aber Robin band ihn geschickt ans Haus, als sie ihn daran erinnerte, dass sie sich in ihrem Zustand unmöglich allein um die Gäste kümmern konnte. Ihr verstohlenes Lächeln bemerkte er dabei nicht, wartete doch im Hause Rider mittlerweile die Überraschung, mit der der Scharfschütze ziemlich sicher nicht rechnete. Saber und Jolene empfingen an diesem Tag die Brautführer und den, der einen Segen und Fürbitten für das Paar sprechen würde. Als die drei eintraten, begleitet von ihrer Familie, verstand der Recke, weshalb seine Frau so lange verbissen geschwiegen hatte. Jetzt lächelte er verstehend und reichte dem Ankommenden die Hand. „Sei gegrüßt, Aiyana Etu“, sagte der freundlich. „Aiyana Etu?“, wiederholte Saber verwundert. Ein Nicken war die Antwort. „Du bist unserer ‚ewigen Blume‘ die ‚Sonne‘.“ Auf diese Übersetzung hin presste der Schotte verlegen die Lippen zusammen, während seine Frau nur munter lachte. Dann hieß sie ihre Gäste mit einer innigen Umarmung herzlich willkommen. Am Vortag der Hochzeit ergoss sich noch einmal ausgiebiger Regen über Yuma. Robin schaute unglücklich aus dem Fenster. Chily hatte hoffentlich an den Schirm gedacht, betete sie gedanklich, aber sicher war sie da nicht. Ihre Freundin erklärte immer wieder souverän, dass die Sonne scheinen würde. Erst am Nachmittag brach die Wolkendecke auf und ließ späte, aber umso wärmere Sonnenstrahlen hindurch. Sofort stieg die Temperatur. Es wurde warm und schwül. Über Nacht regulierte sich die Temperatur und am Hochzeitsmorgen begrüßte ein sonniger Sommertag die Welt. Robin atmete erleichtert aus. Bald war es so weit. Nur noch wenige Stunden, nachdem es mittlerweile über ein Jahr her war, dass die Hochzeit stattfinden sollte. Wehe dem, der es wagen sollte, heute noch irgendeinen Fall dazwischen zu schieben. Keine geheimen Aufträge, keine TOP-SECRET-Missionen, keine Verräter, keine Outrider – wehe, sie fuschten wieder dazwischen. Schwanger oder nicht, sie würde sie persönlich in die Phantomzone treten. Das stand fest. Sie verabschiedete sich von Colt und ihren Gästen. Sie würde sie am Altar wiedersehen. Jetzt brach sie zu Jolene auf, die ihr mit dem Kleid und dem Make-up helfen würde. Im Hause Rider ging es bereits turbulent zu. Chily war seit dem frühen Morgen auf den Beinen, nahm eingehende Anrufe, des Hochzeitsplaners entgegen, machte ein Zimmer bereit, in dem die Braut sich herrichten konnte, beruhigte aufgeregte Patientinnen, die sich ebenfalls meldeten, und wollte eben noch beginnen Frühstück für alle zu machen. Hier allerdings schritt Saber ein. Immerhin war sie erst vor ein paar Tagen bedenklich durch das Haus gewankt. Er schaltete in der Praxis den Anrufbeantworter ein, um seiner Frau etwas Stress abzunehmen, und übernahm es, das Frühstück vorzubereiten. Auch hielt er sie davon ab, ihm die Sachen rauszusuchen und kümmerte sich um die Gäste, die sich verhalten zu nickten, einig in ihrer Ansicht über sein Handeln. Als Robin im Hause Rider ankam, erfasste sie, angesichts der Überraschungsgäste, eine zweite Welle der Erleichterung. Sie begrüßte sie freudig, flog dann aber gleich die Treppen hinauf, wo Chily mit dem Kleid wartete. Sie half ihr hinein und die Lehrerin drehte sich vor dem Spiegel. Sie hatte nicht geglaubt, dass sie ein schönes Kleid für Anlass und Umstand finden würde, doch in diesem Traum, den April entdeckt hatte, fühlte sie sich wie eine Königin. Der cremeweiße Stoff fiel leicht an ihr hinunter, verbarg nicht das Bäuchlein, das nicht mehr zu verbergen war, betonte es aber auch nicht übermäßig. Das Bandeau, das ihre Brust einhüllte, war mit Perlen, saphirähnlichen Steinchen und goldfarbenem Garn verziert. Die schmalen Träger waren auf die gleiche Weise verziert. Die Träger wurden auf dem Rücken von drein feinen Ketten verbunden, die sich zwischen den Schulterblättern der Trägerin vereinten und dort von einer goldenen Rosenblüte halten wurden. Damit dieses Schmuckstück auch gut zu sehen war, verpasste ihr die Hebamme eine Hochsteckfrisur. Dafür zauberte sie ihr Locken, die sie mit feinen Kämmen vom Oberkopf bis in den Nacken mit zusammenschob, so dass sie einem Iro glichen. Dann legte sie ihr den Schmuck ihrer verstorbenen Schwiegermutter an, den Colt ihr für diesen Anlass gegeben hatte. Viel Make-up benötigte die werdende Mutter nicht, sie strahlte aus ihrer Seele. April war unterdessen dem Hochzeitsplaner vor Ort zu Hilfe gekommen. Nun stand ein Wildblumen-Spalier auf dem Bootssteg und war ein kleiner Altar an dessen Ende aufgebaut. Der Tisch des Brautpaares war im mittleren Pavillon eingedeckt. Die Tische für die Gäste wurden eben vorbereitet. April kümmerte sich um den Geschenktisch und wies den Lieferanten mit den Blumengestecken die Richtung. Einige von ihnen betrachteten sie stutzend, bis ihnen bewusst wurde, dass sie nicht die Braut sein konnte. Das Kleid der Brautjungfer mit seinem schimmernden, beigen Farbton konnte auch ein Brautkleid sein. Es glich dem Robins, fiel aber weniger weit, hatte keine Träger, keine blauen Steinchen und auch die Kette auf dem Rücken fehlte. Das Haar hatte die junge Mutter ebenfalls aufgesteckt. Ein Haarreif mit einer Rosenblüte war der der einzige Schmuck. Jolene würde nachher ebenso erscheinen. Zunächst kamen der Caterer und die Musik. Die Tanzfläche, die Musikanlage und das Buffet wurden aufgebaut. Es wurde zügig und routiniert gearbeitet, an diesem Vormittag. Es ging zügig voran und lief, bis auf wenige Rücksprachen mit der Hebamme ehe die junge Mutter zur Unterstützung geeilt war, reibungslos. Colt, Josh und dessen Mutter erschienen als erstes, kurz bevor die Arbeiten gänzlich beendet waren. Es dauerte kaum mehr als eine Minute, bis der Bräutigam den Wunsch verspürte, seine Schwiegermutter in den See zu werfen. Sie begann erst wegen des Spaliers und Sitzreihen auf der Wiese davor Änderungen vorzuschlagen, dann wegen der Tischdekoration. Es verunsicherte den Hochzeitsplaner und Colt rollte die Augen. Seit die Mutter seiner Zukünftigen angekommen war, hatte sie alles in Frage gestellt, was das Paar bezüglich der Hochzeit geplant hatte. Er versicherte dem Mann mit einem Schulterklopfen, dass der sich keine Gedanken machen müsse. Alles war so vorbereitet worden, wie es sich die beiden vorgestellt hatten. Darauf reagierte wiederum die Mutter der Braut verschnupft. Josh führte sie zu ihren Plätzen am Ufer von wo aus sie einen guten Blick auf den Bootssteg hatten. Colt verstand, dass sie sich beteiligen wollte, drehte es sich hier immerhin um ihre Tochter, doch für seinen Geschmack grenzte es an Bevormunderei. Er wollte sich eben nach passendem Gestein für die Füße seiner Schwiegermutter umsehen, da kamen seine Trauzeugen an. Sie steckten in klassischen, schwarzen Anzügen mit weißen Hemden und kamen Schnurrstracks auf ihn zu. Fireball trug Charlene noch auf dem Arm. „So nah am Wasser? Hast du dir das gut überlegt?“, fragte Saber schmunzelnd und wies leicht auf den Altar unter dem Spalier auf dem Steg. Der Angesprochene nickte. „Es wird kein falsches Wort geben, für das sie mich untertauchen könnte“, erwiderte er zuversichtlich. „Zumindest nicht, solange du da stehst“, nickte der Schotte verstehend und klopfte ihm leicht auf die Schulter. „Sie wird ihn noch vor der Hochzeitsnacht ertränken“, mutmaßte der Wuschelkopf heiter, „Lange kann er sein loses Mundwerk doch nicht im Zaum halten.“ – „Oh, du bist aber ein ganz schlauer“, versetzte der Scharfschütze. „Gesell dich doch zu meiner Schwiegermutter, da sind die Schlauberger ganz unter sich.“ Fireball fuhr etwas zurück. Kam da die Nervosität zum Vorschein? So tief wie Colt ausatmete, lag das nahe. Sein Töchterchen gluckste amüsiert auf seinem Arm. In den nächsten Minuten kam die Hochzeitsgesellschaft allmählich zusammen – Verwandtschaft, Freunde Kollegen. Colt schüttelte Hände und begrüßte seine Gäste. Hatte er wirklich so viel eingeladen? Er staunte über seine Mischung aus der sich seine Gästeliste zusammensetzte. Seine Schwiegermutter und Josh, Donna Joe und Toto, Commander Eagle und General Withehawk, König Jarred, sein Sohn Roland und dessen Zukünftige Angelique – trotz der Unterschiede waren sie alle durch den Anlass und das Brautpaar verbunden. Das Erscheinen von Reverend Steam überraschte seine Trauzeugen, erinnerten sie sich doch daran, dass dieser wegen der Verführung seiner Tochter wohl nicht so gut auf Colt zu sprechen sei. Offenbar aber, waren die Jugendsünden vergeben. Die Begrüßung war freundschaftlich. Nun begleitete er den Bräutigam über den Bootssteg zum Altar. Die Trauzeugen folgten. „Ob er jetzt fliegt?“, mutmaßte Fireball leise an Saber gewandt. Der hob die Schultern. „Ich seh mich mal nach einem Rettungsring um“, überlegte der junge Vater dann weiter. „Scheint mir ein guter Plan“, bestätigte der Recken. Steam trat hinter den Altar und bereitete sich auf die Trauung vor. Colt blieb davor stehen und wandte sich zu seinen Gästen um. Neben ihm nahmen Saber und Fireball Platz. Auf der anderen Seite stellte sich April ebenfalls bereit, nachdem sie Charlene in die Hände ihres Vaters übergeben hatte, wo ihre Tochter sofort die Aufmerksamkeit König Jarreds erregte. Alle waren da, die ihr Kommen zugesagt hatten. Demnach fehlten nur noch die Braut und die zweite Brautjungfer. Schade, schoss es dem Scharfschützen einmal mehr durch den Sinn, dass weder ihr Vater noch seiner oder Timothy Dooley sie zum Altar führen konnte. Dann würde wohl diese Aufgabe seine Jugendfreundin übernehmen. Das war auch in Ordnung. Saber stieß ihn an. „Wenn du dir nicht gerade einen Fluchtweg überlegst, entspann dich“, raunte er ihm zu. Colt nickte. „Wo ist der Ring?“, wollte er dann wissen. Mit einem Griff in seine Jackentasche beförderte Fireball die kleine Schatulle hervor und öffnete sie. Da lag das gute Stück und glänzte frisch poliert in der Sonne. Ein lauer Wind strich über den Ort der Feierlichkeit. Fireball schloss rasch die Box und schob sie in seine Tasche zurück, ehe es ein Unglück gab und er im See danach tauchen musste. Colt atmete noch einmal durch und sah auf seine Uhr. So langsam war es Zeit. Sie müsste jeden Augenblick hierher kommen. Die Musik sollte in diesem Moment zu spielen beginnen. Es müsste wirklich gleich soweit sein. Es sei denn, durchfuhr es ihn kalt, das Leben erwies sich einmal mehr als Miststück und funkte wieder dazwischen. Er warf seinen Trauzeugen flüchtig einen besorgten Blick zu. Beide schüttelten die Köpfe beruhigend. Gut. Dann: Wo blieben die beiden? Es müsste doch jetzt die Musik spielen. Die Gitarre müsste anzupfen, als würde sie sich auf das eigentliche Lied einstimmen, unterbrochen vom Taktschlag eines Tamburin und eines Trommelschlags. Die Menge sollte sich umdrehen und nur leise raunen. Er spitzte die Ohren. Was war das? Raunte die Menge da nicht? Colt wandte sich um. Auf dem Weg zwischen den Stühlen, der zum Bootssteg führte, schritt er daher. Colt hielt die Luft an. In heller Hose und dunklem Hemd, den Festschmuck der Heimat auf der Brust schritt Häuptling Hinun auf den Altar zu. Ihm folgten, in derselben Kleidung, seine Söhne Taima und Patamon. Auf dem Gesicht des Scharfschützen breitete sich ein Strahlen aus, das seine Freunde nicht kannten. Jetzt spielte die Gitarre an, als wolle sie sich einstimmen. Das Tamburin und die Trommel schlugen dazwischen an. Die Gitarre spielte weiter. Ihre Klänge, tönte auch der Schellenring und das Schlagzeug rhythmisch dazwischen, vervollkommneten sich zu einer Melodie. „I been tryin do it right … I been living a lonely life …“ erklang es über die Hochzeitsgesellschaft hinweg. Je näher Hinun und seine Söhne dem Altar kamen, desto öfter sah man einen blonden Schopf hervorblitzen. Die Gäste sahen, was Colt nur erahnte und dessen er sich immer sicherer wurde, je näher die Gruppe schritt. Die jungen Männer, die mit dem Cowboy wie Brüder aufgewachsen waren, führten Robin zum Altar. Sie hielten ihr je einen Arm hin. Sie hatte sich bei beiden untergehakt. In einem größeren Abstand, so dass man sich nur auf die Braut konzentrierte und ihre Anwesenheit kaum bemerkte, folgte Jolene, den Brautstrauß in der Hand. Es war ein bemerkenswerter Aufmarsch. „I belong to you … you belong to me … Your’e my sweet …“ Robin strahlte hinter dem Rücken Hinuns und zwischen den Brüdern. Sie schaute über die Schulter des alten Indianers, sah sie die blauen Augen ihres Cowboys strahlen, dass es fast blendete. Nie hatte sie ihn ausgeglichener und glücklicher gesehen. Er lächelte warm und erwartungsvoll. Als sie den Bootssteg erreichten, blieben die Brüder stehen. Hinun schritt voraus. Leise knarrte das Holz. Väterlich warm war seine Miene, als er den Lockenkopf erreichte und ihm die Hand auf die Schulter legte. Der schluckte fahrig und brachte keinen Ton hervor. Hinun nickte ihm zu und stellte sich dann hinter dem Altar an der Seite des Reverend auf. Endlich konnte Colt seine Zukünftige ungehindert anschauen. „Love, we need it now … let’s hope for some …“ Bezaubernder hatte sie nie ausgesehen. Wie eine kostbare Elfe sah sie zwischen den Brüdern, den Kriegern, aus. Beide setzten nun ihren Weg fort und führten sie weiter. Eine leichte Schleppe glitt hinter der Braut her über den Boden. Das Bäuchlein wurde sacht vom feinen Stoff ihres Kleides eingehüllt und verschwand doch beinahe darunter. Sie trug den Schmuck seiner Mutter. Er stand ihr so ausgezeichnet, dass Colt prompt noch einmal schluckte und sich verstohlen über die Augen wischte. Seine Mutter würde jetzt sicher mit seiner Braut um die Wette strahlen. Wenn sie es doch nur sehen könnte. Sein Blick wanderte weiter über seine Herzdame. Ihr Lächeln und das Strahlen ihrer Augen ließen den Schmuck neben ihr verblassen. Ihr Haar hatte er noch nie so frisiert gesehen. Es sah gleichermaßen liebreizend aus wie es Selbstbewusstsein ausstrahlte. Damit passte die Frisur perfekt zu ihr, symbolisierte gleichermaßen ihre Stärke wie ihren Liebreiz. „I belong to you … you belong to me … you’re my sweet …“ Sie hatten den Altar erreicht. Das Lied verklungen. Taima und Paramon nickten dem Scharfschützen zu und übergaben seine Braut. Sofort ergriff der Lockenkopf deren Hand und strahlte, sofern es möglich war, noch wärmer. Schmunzelnd hatte der Recke bemerkte, wie Colt sich ein Tränchen aus den Augen gewischt hatte. Nun beobachtete er, wie der die Augen kaum von seiner Braut nehmen konnte und völlig zu vergessen schien, was um ihn herum passierte. Reverend Steam musste sich räuspern, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Liebe Familie, liebe Freunde, liebe Gäste“, begann er dann, als das Brautpaar ihn ansah. „Wir haben uns heute hier versammelt, um Robin Johnson und Colt Willcox im Bund der Ehe zu vereinen.“ Feierliche Stille breitete sich bei diesen Worten aus. Aller Aufmerksamkeit richtete sich auf die Zeremonie, die sich auf dem Steg am See abspielte. „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch“, zitierte der Geistliche und führte aus, wie auch das Brautpaar durch die Zeit ihrer bisherigen Beziehung zusammengehalten und sich gegenseitig unterstützt hatte, wie sie den Weg gemeinsam gegangen waren und Hindernisse darauf überwunden hatten. „Längst wollten sie den Bund der Ehe eingegangen sein. Sie, liebe Gäste, wissen darum. Sie haben im vergangenen Jahr bereits die Einladung erhalten. Doch legte ihnen das Schicksal eine Prüfung auf. Es galt zu schützen, was kostbar ist, die Heimat und die Familie. Krankheit kam hinzu, Colt wurde schwer verwundet. Nicht einmal in dieser Zeit wich Robin von seiner Seite, stand zu ihm und unterstützte ihn. Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Für die beiden ein Grundpfeiler ihrer Liebe. Deshalb stehen wir nun heute hier und vollenden die Prüfung, schließen sie ab.“ Der Reverend machte eine Pause und ließ Hinun sprechen. Der Häuptling räusperte sich. „So vielfältig sind die Wunder der Schöpfung“, stimmte er seinem Vorsprecher zu und begann ein uraltes Dankesgebet zu sprechen. „Der Schöpfung Schönheit wird nie enden“, richtete er dann seine Worte an das Brautpaar. Er hob die Hände und fuhr fort. „Die Schöpfung ist hier. Sie ist genau jetzt in dir“, Er wies auf Colt und auf Robin. „Ist es immer schon gewesen. Die Welt ist ein Wunder. Die Welt ist Liebe.“ Dabei machte er eine Geste, als Hülle er das Paar ein. „und sie ist hier. Jetzt.“ Dann senkte er den Kopf. Colt blinzelte, doch es half nichts. Er wischte noch einmal verstohlen über seine Augen. Auch Robin schluckte und tupfte vorsichtig die Tränen, die über ihre Wimpern zu rollen drohte. „Nennen wir es Schöpfung, Großer Geist, Gott oder Alles“, betete Steam feierlich abschließend. „Wir sind alle ein Teil davon und werden es immer sein“, schloss auch Hinun nun. Er nickte dem Wuschelkopf zu, der ihm rasch die Ringbox reichte. „Ich erkläre euch, Kraft des mir verliehen Amtes und vor all euren Gästen, zu Mann und Frau.“ Steam nickte dem Bräutigam zu. „Du darfst die Braut jetzt küssen.“ „Als ob er das noch nie getan hätte“, murmelte Fireball vor sich hin. Saber stieß ihn mahnend an. Colt zog seine Angetraute in seine Arme und überdeckte so das Schlucken. Er hatte einen Kloß im Hals wie beim ersten Mal, bei dem er sie geküsst hatte. Sein Herz raste, hämmerte gegen seinen Brustkorb, als wolle es ihn sprengen oder selbst zerspringen. Nicht anders erging es Robin. Der erste Kuss als Mann und Frau weckte eine nervöse Freude und seltsame Aufregung in ihnen, die erst verflog, als sich ihre Lippen berührten. Sie schlossen die Augen. Den Applaus um sich herum nahmen sie nicht wahr. In diesem Augenblick war die Welt für sie vollkommen. Was immer danach kommen würde, sie waren bereit. Sie waren stark genug dafür. Steine oder Hürden, Umwege oder neue, Unbekanntes oder Unvorstellbares – was immer die Zukunft brachte – es war ihre. „… Take me to the magic of the moment … on a glory night … where the children of tomorow share their dreams … with you and me … Takte me … to the magic of the moment … on a glory night … where the children of tomorow dream away … in the wind of change …“ Epilog: Epilog -------------- Fünf Jahre später „Oh, Papa, Autos sind so doof!“, schimpfte Charlene und stampfte trotzig mit dem Fuß auf. „Ich will lieber zu Onkel Bullet!“ Ihre blauen Augen funkelten verstimmt und ihr strubbeliges Haar wurde vom Wind noch mehr zerzaust. „Jaja, Onkel Bullet hier, Onkel Bullet da“, versetzte ihr Vater schmollend. Dabei hatte er gehofft, seine Tochter wenigstens ein wenig für seine Fahrleidenschaft begeistern zu können. Aber die schaute lieber begeistert Colt beim Schießen zu und bestaunte seinen Blaster mit großen Augen. Fünf Jahre alt, wusste sie genau was sie wollte. Es war schwer zu sagen, wessen starken Willen sie hatte. Fireball und April befürchteten, sie hätte ihn von ihnen beiden. „Lass uns einfach fahren“, lenkte April ein und zwinkerte dem ehemaligen Rennfahrer zu. „Das NoRiNoFu ist im Betriebsurlaub. Das sollten wir nutzen.“ „Na, schön, von mir aus“, gab der Vater seinen beiden Holden nach. Er kam zu April und gab ihrer Wange einen sachten Kuss. „Auf geht’s.“ „Oh, Papa. Autos sind viel cooler!“, motzte Timothy und ballte wütend die Fäuste. Seine goldbraunen Locken schienen sich regelrecht zu sträuben. „Können wir nicht zu Onkel Fireball fahren?“ Seufzend ließ Colt den Kopf hängen. Ein Schütze, geschweigedenn ein Scharfschütze, würde sein Sproß wohl nicht werden. Das schien Charlene eher zu interessieren. Aus seinem Sohn würde eher ein Reifenschänder. Er wusste schon jetzt mehr über Autos, als über Blaster, sehr zum Leidewesen seines Vaters. Hinter ihm lachte Robin auf und strich sich über ihren Bauch, in dem ihr zweites Kind heranwuchs. „Da ist wohl irgendetwas schief gelaufen“, kicherte sie verschmitzt. „Aber Hoffnung besteht ja noch.“ „Ja“, gab Colt zerknirscht zur Antwort und nickte seinem Sohn zu. „Na, dann: Allez hopp.“ Der fünfjährige brach in Jubel aus und machte sogar einen kleinen Luftsprung. Colt unterdrückte ein weiteres Seuzfen. Betriebsferien im NoRiNoFu – das sollten sie nutzen. Vor allem, da es ihnen gelungen war, dass auch die dritte Familie in diesem Bunde Urlaub hatte. Es war leichter, sich mal an einem Nachmittag oder Abend zu treffen oder zu den Feiern überhaupt, als gleich ganze Wochen zusammen zu verbringen. Wer wusste, wann sich diese Gelegenheit wieder ergab. So packte Colt seine Familie ins Auto und machte sich auf den Weg. „Und keine Kommentare zum Termin“, mahnte Robin vorsorglich. „Sie haben sich entschieden, alles andere zählt nicht. Ein halbes Jahr Vorlauf ist völlig okay.“ Colt lachte auf. „Ja, aber es passt zum Kleinen. 29. Februar.“ Er schüttelte amüsiert den Kopf. „So muss er alle vier Jahre an den Hochzeitstag denken. Kann so viel leichter passieren, dass er ihn vergisst.“ Robin lachte ebenfalls. „Ja, alle Jubeljahre eben“, scherzte auch sie. „Vielleicht haben wir ihnen den Floh ins Ohr gesetzt. Wir haben sie vielleicht zu oft damit aufgezogen, dass man Fireball nur einmal pro Schaltjahr vor den Altar bekommt.“ – „Kann sein“, lachte Colt, „kann sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)