Drachenherz von Alaska (Zusammenarbeit von Ulysses und Alaska) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog Der Karren wackelte und schwankte unter seinen Füßen. Scharen von Menschen folgten ihm mit lauten Rufen, Kerzen und Jubelgeschrei. Es war ein großer Tag für alle. Sie sollten endlich wieder ihren Frieden zurückerhalten, der in den letzten Monaten durch die wiederholten Angriffe des Monsters gestört worden war. Heute war es an Eri diesen Frieden wieder herzustellen. Er war der Auserwählte, der Erlöser. Sein Opfer würde den anderen Dorfbewohnern für lange Zeit Freiheit bringen. Seine Freunde gingen neben dem Karren her, um ihm in den höchsten Tönen vorzuschwärmen, welch Ehre ihm zuteil wurde. Eris Blick war starr nach vorn gerichtet, während er die Stufen zum Opferalter hinauf geführt wurde. Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt, sein schlanker Körper bis auf einen Lendenschurz aus Leder unbekleidet. Am Fuße der Treppe stand seine Familie. Seine Mutter weinte, aber Eri beachtete sie nicht. Jetzt weinte sie. Jetzt, da er geopfert wurde. Sie hätte ihn eher retten sollen, statt ihn so bereitwillig aufzugeben. Aber es war ja eine Ehre für das Dorf zu sterben. Niemand hatte ihn gefragt, ob er wollte, dass ihm diese Ehre zuteil wurde! Der Wind zerrte an seinen langen dunkelroten Haaren, die wie flüssiges Feuer um seinen Kopf tanzten. Dicke Strähnen fielen ihm vor das Gesicht und verschleierten seine Sicht auf die feiernde Menge. Das waren Menschen, mit denen er aufgewachsen war. Freunde, mit denen er gespielt und Spaß gehabt hatte. Sie alle freuten sich...dass er sterben würde. Eri, er war eben erst volljährig, gerade einmal siebzehn Jahre alt, wurde am Ende der Stufen an einen Pfahl gebunden und ein Priester malte ihm Zeichen auf den Oberkörper und das Gesicht, die nach seinem Tod den Geistern beweisen sollten, dass er ehrenvoll gestorben war. Die gemurmelten Beschwörungsformeln und Gebete würden seine Seele schützen. Alles Humbug! Eri blickte starr auf den Horizont, dorthin, wo sein Tod bereits lauerte. Kein Gebet der Welt würde ihn retten können. Dann zog die Prozession wieder zurück ins Dorf und ließ ihn allein. Selbst seine Familie ging. Keiner wollte zusehen, wie er zerfleischt wurde. Das war ja auch kein Wunder. Eri wäre auch lieber Zuhause geblieben und hätte sich in der Scheune versteckt. Der Wind wurde stärker, als wolle er absichtlich die letzten Stunden des Jungen erschweren, ihn langsam zermürben. Vor Kälte und Angst zitternd schloss Eri die Augen und wartete auf sein unabwendbares Ende. Kapitel 1: Neue Feinde - neue Freunde ------------------------------------- Titel: Drachenherz Teil: 1/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: Endlich die versprochene Drachengeschichte von Ulysses und mir. Wie alle unsere Geschichten ist sie einem RPG entsprungen. Wir hoffen, sie gefällt euch und ihr schreibt fleißig Kommis ^_^ Noch eine kleine Anmerkung von mir: wenn ihr Kommis schreibt, tut das doch bitte im Plural, denn wir sind ZWEI Autoren und es ist dem anderen Part gegenüber ungerecht, wenn es immer heißt: "deine FF finde ich..." Das lag mir noch auf dem Herzen, aber jetzt viel Spaß beim Lesen ^^ Neue Feinde, neue Freunde Stunden vergingen, in denen nichts geschah. Eris Hände schliefen langsam ein, da die Fesseln zu straff gezogen waren. Außerdem schmerzte die gestreckte Haltung, seine Hände waren über dem Kopf befestigt, damit er auch ja hilflos war und sich nicht wehren konnte. Es blieb ihm genug Zeit, um noch einmal über sein bisheriges, so kurzes, Leben nachzudenken. Bis jetzt war er eigentlich glücklich gewesen, denn sie hatten nie Hunger leiden müssen oder waren in einen Krieg geraten. Aber wer griff schon ein Dorf an, das unter dem Bann eines solchen Monstrums lebte? Alles war wundervoll gewesen, auch wenn man ihn in der Schule so manches Mal für seine Haarfarbe gehänselt hatte, doch er hatte seine zwei jüngeren Geschwister, die immer zu ihm gehalten hatten. Je länger er über sie nachdachte, desto unerträglicher wurde das Warten. Verdammt, er wollte nicht sterben! Er wollte nur glücklich sein, wie jeder andere Mensch auch! Es dämmerte bereits, als sich am Horizont etwas bewegte. Zuerst war es nur ein schwarzer Punkt, doch er kam beständig näher, bedrohlich wie eine Gewitterfront. Bald konnte man die Schatten von kräftigen Flügeln erkennen, sicherlich über vierzig Meter Spannweite. Eri sah dem Monster entgegen, mit stolzem Blick. Er hatte sich geschworen nicht zu schreien, kein Laut sollte über seine Lippen kommen. Er hatte zwar Angst, schreckliche Angst, aber er würde dieser Bestie nicht die Genugtuung verschaffen und es zeigen. Als das Biest näher kam, konnte der Junge auch den mächtigen an die 60 Meter messenden Körper erkennen. Die schwarzen Schuppen glänzten im roten Abendlicht, als wären sie mit Blut bespritzt, und gaben dem Ungetüm ein noch gefährlicheres Aussehen. Der glatte Rücken führte zu einem langen Schwanz, dessen Ende mit vier spitzen Dornen besetzt war. Sie hoben sich mit ihrem dunklen Grau genau wie auch die Klauen deutlich vom Rest des Körpers ab. Selbst der Kopf besaß große Hörner, die ihn wie ein Kranz umgaben. Doch am eindrucksvollsten war das dunkelrote Horn auf der Schnauzenspitze. Die Farbe von glimmender Asche und Blut. Die Luft wurde durch die riesigen Schwingen aufgewirbelt, Staub und Erde flogen durch die Gegend und nahmen Eri die Sicht. Der Boden bebte, als das Monster aufsetzte und die Krallen sich in die Erde bohrten. Ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönte, dann wurde es still und zwei giftgrüne Drachenaugen starrten den Jüngling an. Eris Atem beschleunigte sich, seine Augen brannten vom Staub. Er schaute in die Augen des Monsters, sah die Fänge, das große Maul. „Mach schon...“ presste er zwischen den Zähnen hervor. „Mach und bring es zu Ende.“ Bevor er selbst den Mut verlor und begann zu betteln. Seine Beine waren wackelig, der Zug auf seine Handgelenke wurde immer stärker. Trotz der Kraft, die er aufzubringen versuchte, legte sich kalte Todesangst um sein Herz und er hoffte, dass sein Ableben in den Klauen dieser Bestie schnell und schmerzlos war. Das riesige Maul näherte sich ihm und hielt so dicht vor seinem Gesicht, dass er die Wärme und den Atem auf seiner Haut spüren konnte. Dann schnaubte der Drache einige Male, als würde er an ihm schnüffeln und hob erneut den Kopf zu einem Brüllen. Die Klauen scharrten über die Erde und hinterließen tiefe Furchen. Eri biss sich so fest auf die Lippen, dass sie anfingen zu bluten. Er wollte nicht schreien. Er würde keinen Laut von sich geben. Niemals! Niemand sollte ihn um sein Leben brüllen hören! Er hielt seine Augen weiterhin starr auf den Drachen gerichtet. Dessen Nüstern begannen zu zittern und er senkte sein Haupt, dieses Mal direkt an das Gesicht. Er hatte das Blut gerochen. Eine große, aber überraschend wendige Zunge fuhr dem Jungen über Mund und Nase. Der Drache gurrte leise und schien zufrieden. Die glühenden Augen waren weiterhin auf Eri gerichtet, während das Monstrum eine Pranke ausstreckte und mit Leichtigkeit den Pfahl umstieß. Das Holz riss den Jungen mit sich zu Boden. Nun schloss er die Augen. Er hatte sie sogar offen gelassen, als der Drache ihn abgeleckt hatte, aber jetzt konnte er es nicht mehr. Eri erwartete die Dunkelheit des Todes, am ganzen Körper zitternd. Doch er hörte nur Knirschen und Krachen. Das Holz zerbarst und seine Hände waren frei. Allerdings konnte er sich nicht lange darüber freuen, denn der Drache beugte sich über ihn und öffnete das Maul. Die großen Zähne hoben ihn vom Boden auf. Dann ging ein Ruck durch das Ungetüm und kalte Luft begann zwischen der geöffneten Schnauze über ihn zu ziehen. Eri riss die Augen auf. Er steckte im Maul des Monstrums, aber dieses hielt ihn ebenso vorsichtig wie eine Katze ihre Jungen. Er konnte die großen Zähne berühren, spürte die feuchte Zunge. Unter ihm, so weit unten, raste die Erde vorbei, zerklüftete Berghänge, Wälder, Flüsse. Was sollte das? Warum schleppte ihn die Bestie weg statt ihn sofort zu fressen? Die Umgebung wurde immer dunkler durch das schwindende Tageslicht. Der Drache brachte Eri in bergigeres Gebiet. Er steuerte direkt auf eine große Felsformation zu, die von einem dichten Wald umgeben war, der sich über Meilen in alle Richtungen erstreckte. Die Erschütterung bei der Landung rüttelte den Jungen ordentlich durch, doch dann wurde er plötzlich fallen gelassen und landete in warmem Wasser. Es war ein kleiner Teich, der anscheinend von einer unterirdischen heißen Quelle gespeist wurde und an einer Stelle nahe der Felswand über eine natürliche Rinne ablief, sobald zuviel Wasser in das Becken strömte. Das kleine Bächlein floss fort in den Wald. Prustend kam Eri wieder an die Oberfläche, sein Haare klebte an seinem Kopf. Bunte Schlieren zogen sich durch das angenehme Wasser, die Farbe von seiner Haut hatte sich abgewaschen. Der Drache ließ sich auf allen Vieren niedersinken und legte den Kopf schief. Die Augen wirkten überraschend intelligent, nicht wie die einer Bestie. Er war vollkommen friedlich. Eri krabbelte mühsam aus dem Wasser und sah sich um. Was sollte das alles hier? Keine Berge von Knochen, kein Geruch nach Blut und Tod. Und der Drache schien ihn nicht einmal fressen zu wollen. „Was tust du da?“ fragte er die Echse, obwohl sie ihn ja nicht verstand. „Warum quälst du mich so? Bring es doch endlich zu Ende!“ Der Drache gab ein schnaubendes Geräusch von sich, als würde er seinen Gefangenen auslachen. Der riesige Kopf senkte sich und legte sich flach vor dem Jungen auf den Boden. Plötzlich wirkte er nicht mehr so furchteinflößend, sondern erinnerte ein wenig an einen jungen Hund. Eris dunkelgrüne Augen wanderten über das mächtige Haupt, er war einen Schritt zurückgewichen. „Was soll das?“ Leises Gurren erklang und der Drache kroch näher. Eri wich ruckartig zurück und fiel dabei hin, unsanft landete er auf seinem dürftig bedeckten Hintern und kroch noch ein Stück weiter. Der Drache machte es ihm nach. Sein Schwanz pendelte dabei freudig hin und her, wobei er die umstehenden Bäume umriss ohne es zu merken. „Friss mich endlich, du Monster!“ Eri krallte sich in den Boden. Das konnte doch nicht wahr sein, er fühlte sich wie eine Maus, die zum Spielball der Katze wurde. Nun stand der Drache wieder auf und sah Eri lange reglos an. Seine Augen schienen ihm etwas sagen zu wollen, doch letztlich schüttelte die Echse nur den Kopf und drehte sich Richtung Höhleneingang um. „Was soll das?! Bei allen Göttern! Warum tust du Untier mir so etwas an?!“ Erwartete er wirklich eine Antwort? Nun ruckte der mächtige Kopf wieder zu ihm herum und der Drache knurrte bedrohlich. Sein Schwanz peitschte nun wild und rasierte Reihenweise die Baumkronen ab. Mit einem Brüllen streckte er eine Pranke nach Eri aus und schubste ihn zum Höhleneingang. Für den Jungen war die Wucht natürlich hundertmal größer und er flog durch die Luft. Nun entfuhr Eri doch ein Schrei, er schlug hart am Eingang der Höhle auf, seine Arme überzogen blutige Striemen, dort wo sie über das Gestein geschrammt waren. „Verdammte Bestie.“ knurrte er. Das Stampfen des Drachen ließ die Erde erzittern. Er trieb den Jungen tiefer in die Höhle und legte sich dann in den Weg, so dass dieser nicht mehr zurück konnte. Tiefer in der Grotte flackerte Licht. War dort jemand? Eri entfernte sich von seinem Bewacher und wanderte auf das Licht zu. Er wusste allmählich gar nichts mehr. Noch heute Morgen war er sicher gewesen, vor der Abendröte nicht mehr auf dieser Welt zu sein, und nun? Der große Gang endete in einer kleineren Höhle. Es war eine Sackgasse, von hier führte kein Ausweg weiter. Nur oben an den Seiten war Gestein herausgebrochen, so dass Licht hinein fallen und die Luft zirkulieren konnte. Ansonsten erinnerte alles an einen Wohnraum. Es gab ein Bett, das mit dicken weichen Fellen ausgelegt war. Diese bedeckten ebenfalls Teile des Bodens. Ein Tisch mit zwei Stühlen, Schränke und Regale an den Wänden rundeten das Bild ab. Es ließen sich sogar Vasen mit hübsch arrangierten Blumensträußen finden. An den Wänden hingen Halter mit Fackeln, die ein gedämpftes Licht verbreiteten. „Ich verliere meinen Verstand, das muss es sein.“ Eri ging langsam in die Wohnstatt hinein, erwartete schon, dass sich jeden Moment all das als Trugbild entpuppen und er nur noch einen Haufen menschlicher Gebeine vor sich sehen würde. Aber nichts davon geschah. Was hatte dieser Drache denn mit ihm vor? Ihn als Haustier halten? Das Untier war weiter in den Gang gekrochen, so dass es Eri beobachten konnte. Die Wohnhöhle konnte es nicht betreten, dazu war es zu groß, doch der Kopf passte durch den Eingang. Aufmerksam verfolgte der Drache die Bewegungen des Menschen und schnaubte leise. Eri strich sich seine langsam trocknenden Haare aus dem Gesicht. „Was erwartest du? Dank?“ Und was erwartete er? Etwa immer noch eine Antwort? „Was soll das hier? Soll ich noch etwas mein Leben genießen, bevor du mich zerfleischst?“ Der Drache schüttelte angedeutet den Kopf, als habe er verstanden. Leise gurrte er und kroch noch etwas näher. Dabei kratzte der Dornenkranz an der Decke über den Stein und riss einige Brocken heraus. Eri wich einem aus. „Was soll das?!“ Allmählich wurde er wütend. „Ich bin dein Opfer! Du musst mich fressen! Quäl mich nicht länger! Bitte!“ Er sank direkt vor dem Drachen auf die Knie und schloss die Augen. „Bitte...“ Es blieb still, bis wieder das leise schürfende Geräusch erklang, als sich die Echse aus dem Gang zurückzog und weiter vorn wieder hinlegte. Eri bekam keine Antwort. Wie auch? Ein Drache konnte nicht reden. „Verdammte Bestie!“ fluchte der Junge. Er zitterte. Das war ein Albtraum. Schließlich zog er sich zurück und rollte sich auf dem Bett zusammen, kauerte sich möglichst eng hin und hoffte, dass er bald erlöst würde. Doch es kam anders, als Eri gedacht hatte. Der Drache war überraschend freundlich zu ihm. Er wurde nur wütend, wenn der Junge es auch wurde. Ansonsten hätte Eri sich in unmittelbarer Umgebung aufhalten, baden oder – in Drachenbegleitung – durch den Wald streifen dürfen. Das wusste und wagte der Rotschopf allerdings nicht und so verhielt er sich weiterhin wie das todgeweihte Opfer eines Monsters. Nach einer Woche erwachte er morgens und war allein. Der Drache war nirgends zu sehen, auch vor der Höhle nicht. Manchmal hatte er sich oben auf den Felsen versteckt, um Eri zu erschrecken, aber selbst dort war er nicht. Der Junge überlegte angestrengt, was nun zu tun war. Sollte er eine Flucht wagen? Warum auch nicht? Wenn er es nicht tat, würde er hier weiter schmoren und wenn er es tat, wäre er endlich frei. Oder tot. Beides besser als gefangen. Also nahm er, trotz seiner spärlichen Bekleidung und der nackten Füße, die Beine in die Hand und rannte in den Wald. Immer weiter weg von diesem verfluchten Plateau. Seine Lungen brannten und ihm brach der Schweiß aus. Weit würde er nicht mehr kommen, er war kein ausdauernder Jäger wie sein Bruder, ihn hatte es immer zu den schönen Künsten gezogen und die trainierten nicht den Leib. Plötzlich öffnete sich der Wald vor ihm und er stand auf einer Lichtung. Vor einer kleinen Hütte! Niemand war zu sehen, doch der sorgsam gepflegte Garten und die sauberen Fenster wiesen darauf hin, dass sie bewohnt war. Aus dem Schornstein stieg sogar Rauch auf. Eri schlich näher. Er hatte Angst, aber hier wohnte sicher kein Drache, sondern ein Mensch. Vorsichtig näherte er sich der Tür und klopfte. „Es ist niemand da.“ ertönte eine sanfte Stimme hinter ihm. Eri fuhr herum und prallte mit dem Rücken gegen das Holz, er war zu Tode erschrocken, seine Nerven lagen blank. „Huch, ganz ruhig, junger Freund.“ lachte der Mann und setzte den Korb mit Äpfeln ab, den er im Arm trug. „Es droht dir hier keine Gefahr.“ „Ihr müsst mir helfen! Bitte!“ Eri fiel vor dem Mann auf die Knie. „Bitte, helft mir!“ Verwundert blickte der Fremde auf ihn herab und sah sich um, ob irgendwo feindliche Angreifer versteckt waren, die ein solches Verhalten rechtfertigten. „Aber was ist denn passiert? Komm doch erst einmal herein. Möchtest du etwas essen? Ich habe gerade frische Äpfel gepflückt.“ „Der Drache! Diese Bestie da im Wald! Er...“ Eri sah sich um, vielleicht war das Untier schon auf dem Weg. „Lasst mich bitte ins Haus! Ich tue alles für Euch!“ Sein Stolz war im Moment nur eine wage Erinnerung, die Tage in der Drachenhöhle hatten ihn fast verrückt gemacht. Der schwarzhaarige Mann ließ ihn ein und folgte. Im Inneren der Hütte war es gemütlich und warm. Ein kleines Feuer prasselte im Kamin und darüber hing ein Topf, aus dem es köstlich duftete. „Mein Name ist Goran.“ stellte sich der Fremde vor und setzte den Korb auf dem Tisch ab. „Setz dich doch.“ Er wies auf eine Art Sofa, wie es adelige Familien und Könige besaßen. Doch dieses Exemplar hatte nichts mit den edlen Stoffen und kunstvoll verzierten Schnitzereien zu tun. Es war ein einfaches Gestell aus Holz mit Planken, auf denen eine dicke Lage Felle für Weichheit sorgte. Goran nahm Platz und lächelte Eri ruhig an. Seine grünen Augen musterten den Jungen eingehend, als wolle er ihn einschätzen. „Was ist nun mit Nargonim?“ „Heißt die Bestie so?“ Eri tigerte im Raum auf und ab, ständig sah er aus dem Fenster. „Ich wurde ihm geopfert! Aber er quält mich nur, statt mich endlich zu fressen. Er spielt mit mir, wie die Katze mit der Maus...“ „Tatsächlich?“ Goran lehnte sich zurück und ein feines Schmunzeln spielte um seine Mundwinkel. „Was hat er dir denn schon angetan?“ Eri schüttelte wild den Kopf. „Er hält mich gefangen, wiegt mich in Sicherheit...er macht mich verrückt! Ich war auf meinen Tod vorbereitet, aber er zögert ihn heraus. Aber nun konnte ich fliehen...“ „Wer Nargonim einmal geopfert wurde, entkommt ihm nicht. Er wird dich suchen, bis er dich gefunden hat und zur Strafe dein Dorf zerstören. Er mag es gar nicht, wenn man sich ihm widersetzt.“ Goran stand auf und machte sich daran die Äpfel in einem Eimer Wasser zu waschen. Eris ganzer Bericht schien ihn nicht im geringsten zu beeindrucken. „Mein Dorf...?“ Eri erschauderte. Seine kleine Schwester, sein jüngerer Bruder. Sie hatten mit all dem nichts zu tun. „Wie kannst du hier leben? Direkt bei dieser...Bestie?“ „Warum bezeichnest du dieses Geschöpf als Bestie? Hat der Drache dir etwas getan?“ „Er ist ein Monster!“ ereiferte sich Eri. „Ein Monster, das uns bedroht und dem junge Männer zum Fraß vorgeworfen werden müssen! Er zwingt Familien ihre Söhne dem Tod zu übergeben! Und diese ihr Leben zu geben, bevor es richtig begonnen hat! Ich wünschte, es gäbe jemanden, der dieses Monster erlegen könnte!“ „Du bist grausam, dafür, dass du so jung bist.“ stellte Goran ruhig fest und nahm ein Messer, um einen Apfel zu schälen. „Ich frage mich, warum du noch lebst, wenn dieses...Monster...dein Leben gefordert hat.“ „Weil es ihm offenbar Spaß macht, mich zu quälen! Ich sagte es ja! Wie eine Katze die Maus in ihren Fängen!“ Er schlug mit der Faust an die Wand. „Wie kannst du so ruhig sein und dieses...Ding auch noch verteidigen?!“ „Wie kannst du solche Dinge über den Drachen sagen, ohne ihn wirklich zu kennen? Du weißt doch nur, was man sich in deinem Dorf erzählt, nicht wahr?“ Goran viertelte den Apfel, entkernte jedes Stück und bot Eri eines an. „Aber du weißt mehr, ja?!“ Gierig nahm der Junge es und biss hinein. „Ja.“ Goran lächelte milde und stand auf. Er ging zu einem kleinen Schränkchen, öffnete eine Schublade und holte ein Tuch hervor. „Hier, mach es auf.“ Als Eri den Stoff beiseite schob, kam eine glänzende schwarze Schuppe zum Vorschein, die die Größe seines Kopfes hatte. „Ich habe viele Jahre bei Nargonim gelebt – als sein Gefährte.“ Die Schuppe fiel zu Boden, ebenso das Stück Apfel, das er noch in der Hand gehabt hatte. Eri starrte sein Gegenüber entsetzt an. „Keine Angst. Ich werde dich nicht verraten, wenn es das ist, was du jetzt denkst.“ Goran hob den Apfel und die Schuppe auf. „Es war ein Geschenk. Zum Abschied.“ Ein schmerzliches Lächeln erschien in dem schönen Gesicht, das keine Spur von Alter aufwies. Es wirkte zeitlos und anmutig mit den hohen Wangenknochen, den vollen Lippen und den langen Wimpern, die die sanften grünen Augen umrahmten. „Du musst wirklich keine Angst vor ihm haben. Er will dich nicht fressen, er sucht nur einen Gefährten.“ „Einen...ich soll...mit dieser Bestie? Wie hast du...wie hast du das ertragen?“ Eri sackte auf das behelfsmäßige Sofa. Goran gesellte sich mit einem neuen Apfel zu ihm. „Warum ertragen? Er ist sehr zärtlich und liebevoll, wenn du ihn näher kennst. Er hat sich um mich gesorgt, mich beschützt und ich habe ihn dafür gekrault. Er liebt es, wenn man ihn direkt unter dem Kinn streichelt. Genau hier.“ Der Mann reckte den Kopf und deutete auf die Stelle, wo Hals und Kopf zusammenführten. Dabei huschte ein frecher Glanz durch seine Augen. „Bei den Göttern...warum ich?“ Eri winkelte die Beine an und drückte sie gegen die Brust. „Ich habe nie jemandem etwas getan, ich bin ein guter Mensch! Warum ich?!“ „Zufall. Bei mir war es nichts anderes. Der Drache verlangt nur einen Jüngling und damals fiel die Wahl auf mich. Ich war genauso entsetzt und verzweifelt wie du, aber ich habe gelernt hier zu leben und Nargonim zu lieben.“ Goran hielt Eri den Apfel hin und biss selbst, als dieser das Gesicht verzog, hinein. „Und warum bin ich dann hier? Warum teilst du nicht mehr mit ihm diese verfluchte Höhle?!“ Eri sprang auf. „Warum hat er dich gehen lassen?!“ Goran senkte plötzlich traurig den Kopf. Ein schmerzvoller Ausdruck ersetzte das ruhige Lächeln und die ganze Körperhaltung war angespannter. „Weil ich...mich in einen anderen Mann verliebt habe.“ „Wie das? Wenn du in seiner Höhle gefangen warst?! Und warum hat er dich nicht gleich gefressen?!“ Eri zweifelte allmählich wirklich an seinem Verstand. „Warum begreifst du nicht, dass Nargonim dich weder fressen, noch gefangen halten will? Wenn du dich eingelebt hast und nicht mehr versuchst wegzulaufen, dann wird er dich auch unbewacht zurück lassen, wenn er auf Beutezug fliegt oder einige Zeit weg ist. Manchmal ist er Wochen lang verschwunden.“ Goran stand auf und ging zum Tisch, um die Drachenschuppe wieder in das Tuch zu wickeln. Dabei sah er sie lange sehnsüchtig an. „Nargonim hat mich nach drei Monaten ziehen lassen. Ich durfte mich frei bewegen, jagen gehen, obwohl ich das nicht hätte tun müssen, weil er für mich gesorgt hat. Ich hätte sogar in mein Dorf gedurft, wenn ich nur zu ihm zurück gekommen wäre. Ich war kein Gefangener. Und du bist es auch nicht.“ „Ich begreife das alles nicht. Heißt das...heißt das, ich soll jetzt einfach wieder zurückgehen? Und du lebst hier, weil du dieses Schuppentier...irgendwie noch liebst?“ Er schüttelte den Kopf. Das war alles zu fantastisch! „Ja und nein. Ich lebe hier, weil ich ihn liebe und weil ich bereue. Weißt du, Junge, wenn du Nargonim einmal ablehnst, wirst du keine zweite Chance erhalten. Ich habe meine vertan, als ich mit dem Mann gegangen bin, den ich zu lieben glaubte.“ „Eri...mein Name ist Eri.“ Der Rotschopf lächelte. „Also muss ich ihm nur sagen, dass ich ihn nicht will und ich kann gehen?“ Goran lächelte nachsichtig und schüttelte den Kopf. „Nein, so einfach ist es nicht. Jeder sträubt sich zuerst gegen Nargonim, aber die Meisten verfallen ihm doch irgendwann. Du sperrst dich noch und gibst dem Drachen keine Chance dich zu erobern. Aber glaub mir, er wird es schaffen.“ „Ich werde mich niemals diesem...diesem Monster hingeben. Eher sterbe ich!“ Eri drehte den Kopf zur Seite. „Niemals...“ „Mit dieser Einstellung wirst du das auch tun.“ sagte Goran nur trocken und verstaute seinen Schatz wieder in der Schublade. „Eri, warum gibst du Nargonim keine Chance? Er hat dir bis jetzt nichts getan und das wird auch so bleiben, wenn du ihn nicht zu sehr ärgerst. Er wird dir sicherlich Zeit zum Eingewöhnen geben, aber irgendwann ist diese Schonfrist um.“ „Und dann? Stürzt er sich dann auf mich und nimmt mich mit Gewalt?“ Der Junge lachte bitter. „Ich verstehe das immer noch nicht. Dieser Drache...was will er von einem Menschen? Das geht nicht...das ist vollkommen wider der Natur. Wir sollten nur Nahrung für ihn sein.“ Er hatte Tränen in den Augen, zum ersten Mal seit er hier war, erlaubte er sich Gefühle, vor allem, weil er sich bei Goran sicher fühlte. „Ich will wieder nach Hause.“ „Na, na, wer wird denn weinen?“ Der schwarzhaarige Mann kam zu ihm herüber und nahm Eri in den Arm. Ungefragt zog er den Jungen an seine Brust und strich durch die feuerroten Haare. Wenn er die Augen schloss, konnte sich Goran sogar vorstellen, dass sie nach Feuer rochen. „Ich weiß nicht, was du für eine Vorstellung von Drachen hast, aber sicherlich ist sie nicht ganz richtig. Glaubst du wirklich ein Drache könnte mit einem Menschen das Bett teilen?“ Das leise Lachen war warm und fürsorglich. „Du hast ein falsches Bild, Eri. Nargonim ist sehr alt, weißt du? Über 3000 Jahre lebt er bereits auf dieser Welt und hat vieles kommen und gehen sehen. Früher waren Drachen weitaus häufiger, als heute. Damals wäre keinem auch nur eingefallen, einen Menschen als Gefährten zu wählen. Aber heute ist das anders, denn es gibt nur noch wenige von seiner Art und diese sind über die ganze Welt verstreut.“ Goran hob das schmale Gesicht des Jungen mit einer Hand an, so dass dieser ihm in die Augen blicken musste. „Was ich meine...Nargonim ist einsam. Er sucht nur nach jemandem, mit dem er sein Leben teilen kann oder der ihn wenigstens einen Teil dieses Lebens begleitet, denn die menschliche Zeit ist sehr begrenzt.“ Eri schaute ihm in die wunderschönen grünen Augen und konnte nicht anders als plötzlich einen Anflug von Mitleid zu empfinden. Die Vorstellung war schrecklich. Eine Ewigkeit voller Einsamkeit und Leere. „Ist er...wirklich so allein?“ „Ich denke schon, dass er ohne seine Artgenossen einsam ist. Deshalb sucht er immer wieder nach einem Partner, den er beschützen kann. Das macht Nargonim nämlich sehr gern.“ Goran grinste breit und zwinkerte frech auf den Kleineren herab. Eris Blick irrte zum Fenster, der Abend dämmerte. „Dann...dann sollte ich vielleicht wieder in die Höhle gehen. Bevor er wütend wird, weil ich weggelaufen bin.“ „Oh...ja!“ Goran stand auf und ging zum Fenster, als suche er den Himmel nach einer großen verdächtigen Echse ab. „Beeil dich lieber. Nach so kurzer Zeit, die du hier bist, könnte Nargonim sehr wütend reagieren, wenn du nicht bei der Höhle bist.“ Er lächelte Eri freundlich an. „Aber es würde mich sehr freuen, wenn du mich mal wieder besuchen kommen würdest.“ „Gern...danke...“ Eri verbeugte sich, schaute dann aber noch einmal auf bevor er ging. „Er wird mich also nicht fressen?“ „Nein, nur wenn du ihm auf die Füße trittst.“ lachte Goran und warf seinem Gast noch einen Apfel zum Abschied zu. „Auch Drachen haben empfindliche Füße.“ Eri knurrte und fand das gar nicht so komisch, aber er lächelte dann doch zum Abschied und rannte zur Höhle zurück. Auf dem Weg schlang er den Apfel hinunter, er hatte sich seit einer Woche geweigert richtig etwas zu essen, es tat sehr gut seinen Magen zu füllen. Tatsächlich war er noch allein, als er die Kaverne betrat, von seinem Kerkermeister – oder was auch immer – war keine Spur zu sehen. Dieser kam erst lange nach ihm an. Auf sein Eintreffen wies das kleine Erdbeben hin und der Sturm, den Nargonims Flügel verursachten. Mit ihnen fest an den Körper gepresst, betrat der Drache die Höhle und kroch bis zu Eris Teil vor, um zu sehen, ob er noch da war. Als er den Jungen erblickte, konnte man fast meinen einen zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen. Aber es war wohl eher Einbildung. Nargonim legte sich in den Eingang und sah seinen neuen Gefährten neugierig an, als wolle er etwas von dessen Tag wissen. Eri hatte auf seinem Fell gelegen und erhob sich nun und strich seinen Lendenschurz glatt. Langsam kam er näher und rief sich dabei die Worte von Goran ins Gedächtnis, dass der Drache ihn nicht fressen würde. Hoffentlich war das die Wahrheit. Er stand nah vor dem gewaltigen Kopf und streckte zitternd die Hand nach der schuppigen Haut aus. Der Drache schnaubte ihn erfreut an und senkte sein Haupt, bis es auf der Erde lag. Was Eri nicht sehen konnte, war der erwartungsvoll hin und her schwingende Schwanz am Höhlenausgang. Eri überwand seine Angst und strich über die Schuppen, sie fühlten sich hart und rau, aber nicht unangenehm an. So etwas hatte er noch nie gespürt. Er war sich des Blickes bewusst, den die tiefgrünen Augen aussandten. „So...ein Gefährte, hm?“ flüsterte er eher zu sich selbst. Seine Hand glitt über die Schnauze, ganz vorsichtig. Kurz zuckte der Drache bei den Worten. Die Augen verengten sich misstrauisch und leises Knurren drang aus seiner Kehle, wobei sich die schmalen Lippen leicht kräuselten. Woher wusste der Junge davon? Doch das Kraulen besänftigte ihn wieder und er rückte noch etwas näher. „Im Moment wirkst du gar nicht so bedrohlich.“ Eris Hand glitt weiter über den massigen Kopf, er ging dabei etwas an dem Drachen entlang. Wo hatte Goran gesagt? Am Kinn? Wo war bei einem Drachen das Kinn? Dieser hier drehte sich ganz von selbst auf die Seite und reckte den Kopf. Auf der Unterseite des Kiefers waren die Schuppen weicher und geschmeidiger. Hier wäre auch eine Schwachstelle, wenn man ihn hätte attackieren wollen. Eri zuckte kurz zurück, riss sich aber zusammen. Er kraulte über diese viel angenehmere Stelle des Drachenleibes und kam sich selbst dabei vollkommen grotesk vor. Tiefes Grollen schwang durch den Raum und hallte von den Wänden wider. Es war ein sanfter Laut, der kaum zu einem Monster passen wollte. Nargonim beobachtete Eri soweit es ihm möglich war. Die kleine Hand auf seinen Schuppen kitzelte etwas und zitterte heftig, als seine Kehle wieder zu vibrieren begann. „Gefällt dir das?“ Eri bebte am ganzen Körper. Er hatte furchtbare Angst, dass der Drache plötzlich herumfahren und ihn zerfleischen würde, plötzlich und ohne Vorwarnung. Aber dafür sprach eigentlich gar nichts. Vielleicht hatte Goran wirklich Recht. Das Vibrieren wurde stärker und das Maul öffnete sich, als würde der Drache lächeln. Nargonim wurde mit der Zeit immer ruhiger und bald war nur noch das tiefe, regelmäßige Atmen zu hören. Die Augen waren immer noch geöffnet, aber völlig entspannt. Eri machte weiter, bis ihm langsam die Hand lahm wurde. Er konnte nicht mehr. Aber er wollte dem Drachen auch nicht sofort seine Nähe entziehen. Also setzte er sich vorsichtig hin und lehnte sich gegen den überraschend warmen Leib. Er fühlte sich fast wie der wohlige Ofen in seinem Elternhaus an. Einer der Flügel bewegte sich plötzlich und schrammte am Stein entlang, während er sich behutsam über Eri schob. Dieser saß nun in einer Art lebendem Zelt. Der Drache zog sich fürsorglich um ihn zusammen, damit er es warm und gemütlich hatte. Der Junge wagte kaum zu atmen, aber offenbar sollte ihm nichts geschehen. Etwas unsicher berührte er die lederne Haut der Schwingen, drückte sich dann etwas dichter an die Wärme und schloss die Augen. Sollte so sein weiteres Leben aussehen? Als Schoßtier dieser Echse, sie kraulend und beschmusend? Kapitel 2: Drachen sind auch nur Menschen ----------------------------------------- Titel: Drachenherz Teil: 2/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: So, und schon geht es weiter. Dieses Mal bin ich mal richtig schnell im Hochladen ^^ Viel Spaß bei diesem Kapitel und vielen Dank für die letzten Kommis! Drachen sind auch nur Menschen Am nächsten Morgen schlich sich Nargonim aus der Höhle, wenn das bei einem sechzig Meter Drachen überhaupt möglich war. Er schüttelte sich kräftig, um seine Muskeln zu lockern und die Verspannungen zu lösen, die durch die Enge in dem Gang entstanden waren. Nach einem kleinen Schluck aus dem kleinen Teich, obwohl warmes Wasser nicht unbedingt schmeckte, spannte die Echse ihre Flügel und hob mit einigen starken Schlägen ab. Aufmerksam umkreiste Nargonim den Fels und weitete dann seine Flugbahnen auf den umliegenden Wald aus, um nach etwas Fressbarem zu suchen, das er Eri bringen konnte. Der Junge erwachte, weil ihm die Wärmequelle fehlte. Als er registrierte, dass er allein war, überlegte er zunächst zu Goran zu laufen, entschied sich dann aber doch für ein Bad in dem kleinen Teich vor der Höhle. Er roch etwas streng nach Angstschweiß und...Drache. Wenn man das so nennen konnte. Die Wäsche dauerte dann doch länger, als beabsichtigt, da das Wasser eine wahre Wohltat war. Durch kleine poröse Stellen im Stein, stieg Luft auf, so dass viele kleine Bläschen an Eris Körper kitzelten und tanzten. So vertieft, bemerkte er Nargonim gar nicht, der sich über ihm auf dem Fels niederließ und ihn beobachtete. Der Drache war entzückt von diesem Anblick, da Eri sich völlig entspannt zeigte. Am Abend hatte er die Angst gerochen, aber nun war davon keine Spur mehr. Aber warum sollte er sich etwas vormachen? Sobald er wieder auf der Bildfläche erschien, würde sich das ändern. Eri tauchte kurz ab, sprang dann wieder an die Oberfläche und warf den Kopf in den Nacken, seine langen roten Haare flogen und verteilten glitzernde Tropfen in der Luft, die mit einem leisen Platschen auf der Erde landeten. Es war so herrlich beruhigend in dieser Quelle und Eri ertappte sich bei dem Wunsch, nicht allein hier sein zu müssen. Es wäre schön diesen Moment mit Goran zu teilen. So ein warmes Bad war für den schwarzhaarigen Mann bestimmt auch ein Luxus. Nargonim leckte sich über die schmalen Lippen und kämpfte gegen das Aufwallen seiner Begierde. Dieser Junge war so schön wie das alte Feuer. Vielleicht waren es auch nur die leuchtenden Haare, die ihn daran erinnerten, aber er merkte schon jetzt, dass er Eri wohl nicht mehr gehen lassen wollte, egal wie dessen Entscheidung nach Ablauf der Eingewöhnungsphase war. Schließlich breitete er seine Schwingen aus und ließ sich einfach gen Boden fallen. Im letzten Moment schlugen die Flügeln, so dass sein Aufsetzen sanfter war. Eri wirbelte herum und keuchte entsetzt auf bei dem Anblick des Drachen. Das Maul war mit Blut beschmiert. Es sah noch frisch aus und tropfte in kleinen Fäden auf die breite Brust und den Boden. Die ruhige Stimmung verflog von einer Sekunde auf die nächste, er brachte angstvoll noch ein paar Schritte zwischen sich und den Drachen, wagte es aber nicht, den Teich zu verlassen. Nargonim legte verwundert den Kopf schief und brummte missmutig. Hatte er es nicht vorausgesagt? Er versuchte ein freundliches Gesicht zu machen, was bei einem Drachen nur schwer zu vollbringen war, denn es bewirkte nur, dass er seine Zähne bleckte. Langsam kam er auf den Jungen zu und senkte den Kopf zu ihm herunter. Eri presste sich mittlerweile gegen den rauen Rand des kleinen Teiches, lag fast auf dem Rücken. Die Zähne, das viele Blut. Sein Atem ging immer schneller. Wollte Nargonim ihn nun doch fressen?! Der gewaltige Kopf war nun schon ganz nahe und schwebte über dem Wasser. Enttäuscht über das Verhalten seines neuen Gefährten grollte der Drache leise und stupste Eri auffordernd an, damit er endlich aus dem Teich stieg und Nargonim ihm sein Geschenk geben konnte. Dabei streifte sein Blick kurz die Wasseroberfläche und nun erst bemerkte er das ganze Blut um seine Schnauze herum. Natürlich, er hatte gefressen! Sofort zog Nargonim sich zurück und fuhr mit einer Pranke über sein Maul, doch das Rot klebte an seinen Schuppen wie Teer. Kurzerhand tauchte die Echse ihren Kopf in den kleinen Teich, in dem Eri immer noch zitterte, und schüttelte sich kräftig. Dabei schwappte das Becken ordentlich über. Eri kniff die Augen zusammen und floh dann mit einem erschrockenen Quietschen vor dem spritzenden Nass und den Blutschlieren, die sein warmes Bad nun besudelten. Nackt und nass stolperte er ein Stück weg, riss sich dann aber mit aller Kraft zusammen und schaute den Drachen wieder an. Er hockte auf den Knien am Boden, die Hände über den Schritt gedeckt. Nargonim schüttelte das Wasser aus seinen Augen und Ohren, um Eri dann hoffnungsvoll anzusehen. War er jetzt beruhigt, dass das Blut abgewaschen war? Doch dessen Haltung wirkte nicht wirklich so. Missmutig legte sich der Drache wieder hin und kroch näher, um Eri zu zeigen, dass er ihm nichts tun wollte. Freundschaftlich leckte er ihm sogar über den Körper und gurrte leise. Eri schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus, um sein rasendes Herz zu beruhigen. Scheinbar war alles okay. Es bestand keine Gefahr. Wahrscheinlich hatte es...hatte Nargonim nur Nahrung zu sich genommen und es fehlte ihm an Tischmanieren. Die Zunge kitzelte auf seiner Haut und der Junge musste lachen. Er streckte, wenn auch etwas zitternd, die Hand aus und tätschelte die Seite des großen Kopfes. „Du hast mich erschreckt...also das Blut.“ erklärte er. Plötzlich war Nargonim wie verwandelt. Er rollte sich um Eri zusammen und reckte den Kopf vor, um ihm seine Lieblingsstelle zugänglich zu machen. Dabei gurrte und knurrte er leise, während sein Schwanz leicht hin und her schwang. Eri konnte nicht anders, als zu lachen. Er kicherte leise und beugte sich hoch, um die besagte Stelle am Hals zu kraulen und zu streicheln. „Du bist...ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ sprach er mehr mit sich selbst, weil er meinte, der Drache verstünde ihn sowieso nicht. „Du wirkst gar nicht so bedrohlich, wenn man dich näher kennt.“ Was redete er da nur für einen Schwachsinn? Dieses Vieh war gefährlich...oder? Der Schwanz schwang schneller und stutzte einigen Bäumen die Kronen. Nargonim stieß mehrmals kräftig Luft aus, so dass es wie ein Lachen klang und scharrte mit seinen Krallen über den Boden. Es war so himmlisch, wenn Eri ihn dort streichelte. Seine Schuppen begannen dann immer zu vibrieren vor Wohlgefallen. Vorsichtig schob er eine Pranke näher an den Jungen heran. Sie hinterließ eine blutige Spur und als er sie entfernte, lag dort ein totes Reh. Nargonim hoffte, dass Eri sein Geschenk mochte. Die Augen des Jungen weiteten sich entsetzt und das Kraulen stoppte abrupt. Das Tier war leicht zerfetzt, seine Innereien hingen an einer Stelle heraus. Eri kannte den Anblick, wenn die Jäger seines Dorfes die Beute ausnahmen und schon damals war er kaum damit klar gekommen. Er wich vor dem toten Tier zurück und presste die Hand auf den Mund. „Für...für mich?“ brachte er hervor, seine Augen auf den Drachen gerichtet, um nicht den blutigen Kadaver sehen zu müssen. Nargonim legte neugierig den Kopf schief und nickte leicht. Er schob das tote Reh näher zu Eri, damit er es sich besser ansehen konnte. Der Rothaarige kämpfte gegen den akuten Brechreiz an, die Galle brannte in seinem Hals. „Danke...danke schön.“ wimmerte er beinahe. Das war so widerlich. Aber der Drache meinte es sicher gut. Dieser wusste nicht recht, ob er sich freuen sollte oder nicht, denn Eri wirkte nicht sehr glücklich. Aber da der Junge sich bedankte, musste ihm sein Geschenk gefallen, also beschloss Nargonim sich zu freuen. Er erhob sich und schüttelte den Staub von seinen Schuppen. Zu seiner vollen Größe vor Eri aufgebaut, brummte er leise. Auffordern stupste er ihn wieder mit der Schnauze an und hielt den Kopf flach über dem Boden. „Was denn jetzt?“ Eri hatte schon Angst gehabt, er müsse nun vor den Augen des Drachen mal ein leckeres Stück Wildbret probieren. Roh und blutig. Aber danach sah es nicht aus. Nargonim grollte und schlug mit den Flügeln, damit Eri verstand. Er schob sich noch näher an den Jungen und reckte den Hals einladend. „Oh...“ Eri schaute sich um. „Na ja, wenn du meinst. Moment, ja?“ Er eilte an den Teichrand und band sich so schnell er konnte seinen Lendenschurz um, damit der Drache nicht ungeduldig wurde. Dann kletterte er etwas mühsam über die raue und stachlige Haut nach oben und nahm am Halsansatz des Schuppentieres Platz. Er hatte eine Stelle zwischen zwei der Dornen gefunden, so konnte er sich an einem festhalten. Nargonim wartete noch einen Moment, damit Eri sich wirklich gut fest hielt und stieß sich dann mit seinen kräftigen Beinen vom Boden ab. Die Schwingen erzeugten starken Wind und Staub und Blätter wurden aufgewirbelt. Die ersten Schläge über wurde der Rotschopf ordentlich durchgeschüttelt, doch als sie höher stiegen, konnte Nargonim besser die Luftströmungen ausgleichen. Hier war es kalt. Je näher sie dem Himmelszelt kamen, desto eisiger wurde es und der Wind zerrte an der spärlichen Kleidung des Jungen. Nargonim spürte es gar nicht. Er zischte mit einer unglaublichen Geschwindigkeit über das Land. Das Gefühl von Freiheit durchströmte seinen Körper und der Drache startete waghalsige Manöver und tobte ausgelassen durch die Lüfte. Immer wieder entfuhr Eri ein Schrei. Seine Lippen waren mittlerweile blau. Ihm war schrecklich kalt und seine Finger fühlten sich taub an. Außerdem rieben seine nackten Schenkel schmerzhaft über die raue Haut des Drachen und irgendwann wurde es wärmer darunter. Eri wurde klar, dass er blutete. Doch er wagte nicht, Nargonim den Spaß zu verderben. Es dauerte lange, bis der Drache sich zur Rückkehr entschloss. Sie hatten so viel Freude gemeinsam gehabt, jetzt war es an der Zeit etwas zu fressen. In Gedanken stellte er sich bereits Eris glückliches Gesicht vor, wenn er von seinem Rücken stieg. Ein Drachenritt war für jeden Menschen ein aufregendes Erlebnis. Als sie am Boden aufsetzten, verlor Eri den Halt, er konnte nicht mehr. Hilflos rutschte er von Nargonims Rücken, versuchte sich irgendwo festzuhalten, aber es gelang ihm nur bedingt. Zumindest schlug er nicht zu hart auf dem Boden auf. In seinen Augenwinkeln waren Tränen zu Eis erstarrt und auch in seinen noch vom Baden nassen Haaren glitzerte es. Die Innenseiten seiner Schenkel waren blutig und die bläulichen Lippen bebten. Nargonim brüllte entsetzt auf. Das war nicht das Bild, das er sich vorgestellt hatte. Gurrend senkte er die Schnauze und leckte über Eris eiskalten Körper. Alarmiert rollte sich die Echse um seinen kleinen Freund und bedeckte ihn wieder mit einem Flügel. Dieses Mal steckte er allerdings auch seinen eigenen Kopf darunter und in seinen Lungen begann es zu knistern. Dann stieß er eine große Wolke heißen Dampfes aus, so dass es unter dem Flügel warm wie in einem Schwitzhaus wurde. Mit besorgter Miene beobachtete er Eri, der nah an seinem Körper lag und sich nicht rührte. Das aufheizen mit heißer Luft wiederholte er noch einige Male. Langsam kehrte das Gefühl in den Körper des Jungen zurück, er fing an zu schwitzen. Begierig nach Wärme rückte er näher an Nargonim heran und ignorierte dabei die Schmerzen seiner Beine, die Haut war dermaßen aufgescheuert, dass er Blut auf dem Steinboden hinterließ. Der Drache bemerkte es wohl, doch beschloss es als zweitrangig anzusehen. Zuerst musste sich Eri aufwärmen, dann konnte er sich die Wunden ansehen. Warum hatte er auch nicht daran gedacht? Menschen waren so viel zarter als Drachen. Bedauernd gurrte Nargonim, so dass seine Brust vibrierte, was sich auch auf Eri übertrug. Eri wurde plötzlich nicht nur körperlich warm, sondern auch ums Herz. Das Verhalten dieser Bestie war so liebevoll und gleichzeitig schuldbewusst. „Schon okay, ich überlebe es. Du hast es doch nur...gut gemeint...“ Er schmiegte sich gegen die angenehme Vibration; so beruhigend. Schon erleichterter setzte Nargonim sein Gurren fort und blies noch zwei Mal heiße Luft unter seinen Flügel. Danach gab er Eri etwas Zeit, bevor er sich von ihm trennte, um sich die Wunden anzusehen. Die Möglichkeiten zur Versorgung waren eingeschränkt und alles, was der Drache tun konnte, war das Blut ablecken. Es schmeckte köstlich, ganz süß und warm. Er wollte, dass dieser Junge bei ihm blieb. An ihm erinnerte ihn alles so herrlich an Feuer und Glut. Eri verlor langsam das Bewusstsein, die Anstrengungen waren zuviel gewesen. Er spürte kaum noch das Brennen der feuchten Zunge auf seinen Wunden und glitt allmählich in eine wohlige Ohnmacht. Nargonim sah ihn bedauernd an und schmiegte sacht sein Maul gegen den schlaffen Leib. Vorsichtig schob er das rote Horn auf seiner Nasenspitze unter Eri und gabelte ihn somit auf. Eri fiel auf seine Schnauze und der Drache trug ihn in die Höhle, um ihn dort auf einem Fell auf dem Boden abzulegen. Bis zum Bett kam er nicht vor, da seine Schultern zu breit waren. Dann drehte er sich um und legte sich vor den Eingang, damit nicht zu viel Kälte durch den Gang drang. Eri schlief lang, er wusste nicht einmal wie lang. Als er erwachte, war es draußen Tag, aber es konnte auch schon der nächste sein. Und er war wieder allein. Seine Beine schmerzten bei jedem Schritt und waren verschorft, doch ständig riss wieder etwas auf. Er fühlte sich schrecklich einsam, so wund und verletzlich. Kurz entschlossen wagte er den Weg in den Wald bis zu Gorans Hütte. Als er sie erreichte, lief bereits wieder Blut an seinen Schenkeln hinab. Der schwarzhaarige Mann arbeitete in seinem kleinen Garten und sah auf, als er einer Bewegung am Waldrand gewahr wurde. „Eri! Bei den Göttern, was ist mit dir passiert?“ Sofort ließ er seine Arbeit liegen und lief zu dem verletzten Jungen. Da seine Hände schmutzig waren, wollte er ihn nicht berühren, überlegte es sich dann aber doch anders, als die Knie des Anderen einzuknicken drohten. „War das Nargonim?“ Es klang traurig. „Ja...“ Eri rang nach Atem, er hasste Schmerzen. „Aber nicht...nicht absichtlich...“ „Oh, dieser Trampel von einem Drachen! Er wird es wohl nie lernen, dass Menschen zerbrechlicher sind, als seines Gleichen!“ Kopfschüttelnd griff Goran unter die Knie des Rothaarigen und hob ihn hoch. „Komm, ich versorge deine Wunden.“ Im Haus legte er Eri auf das weiche Bett und setzte einen Kessel mit Wasser über die Feuerstelle. „Was hat er getan, um dich so aufzureißen?“ wollte Goran geschäftig wissen, während er sich zunächst die Hände wusch und dann einige Tücher, Verbände und aus einer Schale einige Blätter und Blüten holte. „Mich zu einem Ritt eingeladen. Ich wollte nicht nein sagen...er hatte mir vorher einen hübschen blutigen Kadaver geschenkt.“ Der Junge legte die Hand auf den Mund. „Davon ist mir so schlecht geworden, aber er meinte es ja gut...und dann ist er mit mir...ausgeritten.“ Unwillkürlich schüttelte es ihn. „Ich hatte das hier an und nasse Haare.“ Goran schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. „Deine Kleidung ist nicht wirklich passend für diese Gegend. Lauft ihr bei euch im Dorf alle so rum?“ Seine schlanken langen Hände rupften Blätter und Blüten in einen Mörser und zerkleinerten sie. Ein bisschen eines wohlriechenden Öls vervollständigte das Gemisch. „Er muss dich sehr mögen. Damals dauerte es sehr lange, bis er mich zu einem Ritt eingeladen hat.“ Das klang traurig und auch ein bisschen vorwurfsvoll. „Leg deinen Lendenschurz ab und stell die Beine auf, damit ich die Wunden säubern kann.“ Goran ging zu dem Kessel und schöpfte Wasser in eine Schale. „Magst du kein Fleisch?“ Eri lief ein wenig rot an, als er sich nackt und mit gespreizten Beinen seinem Gegenüber präsentieren musste. „Nein, das ist nur mein Opfergewand.“ beantwortete er die erste Frage. „Ich sollte ja eigentlich gefressen werden, wenn es nach meinen Leuten ginge.“ Sein Gesicht fühlte sich schrecklich heiß an. „Und ich esse sehr gern Fleisch, besonders Wild...aber der Anblick von Gedärm und Blut drehte mein Inneres nach außen, ich ekle mich davor.“ Goran schmunzelte und arbeitete gewissenhaft, ohne dass sein Blick auch nur einmal in Eris Privatbereich abglitt. Vorsichtig tupfte er das Blut mit dem Wasser getränkten Lappen ab, was Eri oft zusammen zuckten ließ. Es tat weh, brannte, aber war unumgänglich. „Du wirst ein Problem bekommen, wenn du Tiere nicht ausnehmen kannst. Nargonim sorgt zwar für dich, aber er kann dir nur dein Essen bringen, es nicht zubereiten. Höchstens das Feuer dafür entfachen.“ „Ich werde mich schon überwinden, muss ich ja, wenn ich nicht verhungern will. Aber ich war eben schockiert, verstehst du? Es kam so plötzlich. Erst dachte ich, er wolle mich fressen, weil er über und über am Maul mit Blut beschmiert war...“ Der Junge zuckte zusammen und stieß Luft zwischen den Zähnen aus. „Und dann legt er mir plötzlich dieses tote Tier vor die Füße.“ „Entschuldige.“ Goran legte eine Hand auf den angespannten Bauch und strich sanft darüber. „Spann die Muskeln nicht so sehr an, dann tut es nicht ganz so weh.“ Mit vorsichtigen Fingern nahm er etwas von der grünen Paste und schmierte sie auf die Wunden, welche sofort warm zu werden schienen und leicht prickelten. Danach legte er die Verbände an und verhielt noch etwas zwischen den Beinen des Jungen. „Hast du dir noch andere Stellen wund gescheuert?“ Nun begutachtete er ihn völlig ungeniert. „Nein!“ keuchte Eri und legte so schnell er konnte die Hand über sein Geschlecht. Er war rot wie die Äpfel, die Goran ihm bei ihrem ersten Treffen angeboten hatte. „Schon okay...danke.“ Er lächelte schwach, Schweiß stand auf seiner Stirn. Die Haare des anderen Mannes glänzten so schön, fast wie der Onyx aus der Halskette der Frau seines Dorfchefs. Und seine grünen Augen waren so geheimnisvoll und anziehend. „Dann ist gut.“ lächelte Goran und schien weit mehr amüsiert, als er zeigen wollte. Er legte seine benutzten Arzneien beiseite und setzte sich auf die Bettkante. „Die Paste wird Entzündungen verhindern und dafür sorgen, dass die Wunden weich bleiben, damit nichts aufreißt und du wieder blutest.“ Goran zeigte Eri die rohen Blätter und erklärte dabei beiläufig wie sie verarbeitet wurden. „Bleib noch etwas liegen, ja?“ Er stand auf und ging zu einem Schrank, aus dem er einige Kleidungsstücke heraus nahm. „Sie werden dir etwas zu groß sein, aber sie schützen besser, als dein kleiner Lappen da.“ grinste er und legte sie für Eri bereit. „Ich danke dir, ohne dich wäre ich hier wirklich verloren.“ Eri streckte die Hand nach ihm aus. „Legst du dich einen Moment zu mir?“ Goran sah ihn durchdringend an und in den grünen Augen blitzte etwas auf, das nicht zuzuordnen war. „Einverstanden.“ Er schob eine Decke zur Seite und legte sich neben Eri. „Du hast doch Nargonim, der auf dich aufpasst und für dich sorgt. Warum brauchst du dann mich?“ Eri dachte nicht groß nach, er drängte sich an den warmen Körper und schmiegte sich an. „Ja, aber du bist ein Mensch. Mit dir kann ich reden, du verstehst mich und antwortest. Ich sehne mich nach Nähe...“ Goran seufzte und legte einen Arm um den Jungen. Er war noch ein halbes Kind, was sollte man da erwarten? „Aber Nargonim versteht dich doch auch. Er hört dir zu und antwortet auf seine Weise. Und gibt er dir keine Nähe? Distanziert er sich von dir?“ Gedankenverloren kraulten seine Finger durch das feuerrote Haar und spielten mit den Strähnen. „Nein, ich habe mich sogar an seinen etwas strengen Geruch gewöhnt.“ Er lachte leise. „Aber diese Nähe ist nicht das Gleiche. Ich fühle mich etwas verloren...du bist so...“ Er fand kein Wort. „Danke, dass ich hier sein darf.“ „Keine Ursache. Sei nur nicht leichtfertig. Damit könntest du dich und mich in Gefahr bringen. Nargonim toleriert mich hier nur, weil er weiß, dass ich ihm nicht schaden, sondern in seiner Nähe sein will. Doch wenn er merkt, dass du immer zu mir kommst, wird er eifersüchtig. Ich habe kein Recht seinen Gefährten anzufassen und er würde mich in Stücke reißen, würde er uns so sehen.“ Der Gesichtsausdruck des Mannes war schmerzlich. Es hatte Zeiten gegeben, da war das anders gewesen. Nargonim war erst seit seinem Betrug an ihm so eifersüchtig geworden. „Tu ihm nicht weh, okay? Er ist ein Drache, aber er ist genauso verletzlich wie wir Menschen.“ „Das will ich ja gar nicht!“ Eri setzte sich auf, zuckte dabei aber zusammen. „Aber was erwartet er von mir? Ich kann ihm keine wirkliche Liebe geben. Wie sollte ich? Ich würde es ja tun, aber wie? Und ich habe auch Bedürfnisse...“ Er presste die Lippen aufeinander. „Aber dann sollte ich wohl lieber gehen. Ich will nicht, dass dir was passiert. Ich habe dich jetzt schon so gern.“ „Ich mag dich auch sehr, Eri. Du bist ein lieber Junge, deshalb tut deine Gesellschaft Nargonim auch sicherlich gut.“ Der Schwarzhaarige stand wieder auf und ging hinaus. An der Tür drehte er sich noch einmal kurz um. „Wenn du dich angezogen hast, sag Bescheid. Ich warte solange draußen.“ Eri tat wie ihm geheißen, die Kleider waren wirklich zu groß, aber er glaubte, Gorans angenehmen Duft an ihnen wahrzunehmen. Eine Mischung aus frischem Laub, Äpfeln und gegerbtem Leder. Plötzlich fühlte er sich schrecklich wohl in dieser Kleidung. Sie war von Goran. Lächelnd trat er vor die Tür. „Fertig?“ Kurz musterte der Mann ihn, dann nickte er und zupfte das Oberteil etwas zurecht. „Das wird dich warm halten. Und wenn Nargonim dich das nächste Mal auf einen Ritt einlädt, dann leg ihm eine Decke oder ein Fell über. Und dir auch. Dort oben ist es eisig, nicht wahr?“ Goran lächelte und dachte daran zurück, wie glücklich er immer in den Lüften gewesen war. „Ich habe nicht viel davon mitbekommen, aber ich würde es gern noch einmal erleben. Danke, Goran!“ Er umarmte ihn und wollte eigentlich gar nicht mehr loslassen. „Ich darf doch wiederkommen, oder?“ „Natürlich. Du bist in meinem Haus jeder Zeit willkommen.“ Goran drückte ihn kurz an sich und entließ Eri mit einem Lächeln. Sein Blick war traurig, als der Junge Richtung Wald davon lief, um zur Drachenhöhle zurückzukehren. Eri beeilte sich in seine Behausung zurückzukehren, das Laufen fiel ihm viel leichter, obwohl er immer noch Schmerzen hatte. Nargonim war nicht da, zum Glück wie der Junge fand, weil er immer noch nicht wusste, ob es ihm erlaubt war, zu Goran zu gehen. Doch diesmal würde es sowieso auffallen, wenn man seine neue Kleidung bedachte. Zum ersten Mal seit er hier war, schaute er sich in seiner Wohnung richtig um und war fasziniert, wie viele menschliche Annehmlichkeiten er hier finden konnte. Plötzlich donnerte es vor der Höhle und ein scharfes Fauchen dröhnte bis zu Eri. Der Junge zuckte zusammen und ließ vor Schreck die Schale fallen, die er eben in der Hand gehabt hatte. Das tönerne Gefäß zersprang in Tausend kleine Stücke. So schnell er konnte, rannte er aus der Hölle, damit der Drache sehen konnte, dass er zugegen war. Nargonim stand auf dem kleinen Vorplatz seiner Behausung und wirkte reichlich missmutig. Als er Eri sah, fauchte er ihn an und wandte sich ärgerlich ab. „Was?“ Der Junge blieb stehen, er legte den Kopf schräg, so dass seine langen roten Haare über seine Schultern fielen. „Was ist los? Geht es dir nicht gut?“ Schon wieder redete er mit diesem Drachen! Aber Goran hatte ja gesagt, dass er ihn verstehen würde. Die Echse grollte und schien sehr verstimmt zu sein. Nargonim hielt eine Pranke angehoben und zischte erneut. In seinen Krallen hielt er einen ganzen Busch von den Blättern, aus denen Goran die Paste hergestellt hatte. Doch aus irgendeinem Grund ließ Nargonim ihn nicht los. Eri verstand ihn nicht, er wusste nicht, was er getan haben sollte. Plötzlich schaute er an sich hinab. Die neuen Kleider. „Ist es...bist du böse?“ Er strich über den Stoff. „Mir war kalt.“ Doch Nargonim sah ihn nicht einmal an. Er hob die Krallen an sein Maul und nestelte an dem Baum herum. Frustriert schnaubend wandte er sich zu Eri und kam auf diesen zu. Dabei benutzte er nur drei seiner Beine. „Was ist denn nur?“ Eri bekam langsam Panik. Er stolperte zurück und fiel prompt auf den Hintern. „Ich hab doch nichts gemacht!“ Kurz vor Eri ließ sich Nargonim einfach auf den Boden fallen und sah den Jungen aus frustrierten grünen Augen an. Seine Pranke lag offen neben ihm und der Busch ragte immer noch aus ihr hervor. Er schien geradezu aus der schuppigen Haut zu wachsen. Eri rappelte sich auf und kam langsam näher. Erst jetzt konnte er erkennen, was wirklich los. Ein dicker Ast, vermutlich spitz, ein Teil des Busches, hatte sich in das Fleisch der Pranke gebohrt und steckte offenbar fest. „Du hast Schmerzen...“ Die Feststellung galt eher ihm selbst. „Soll ich versuchen, ihn heraus zu holen?“ Der Drache knurrte und zog die Pranke dicht an die Brust, um dann seinen Kopf darüber zu legen. Sein Gesicht glich dem eines schmollenden Kindes, dass Angst davor hatte, dass das Herausziehen des Splitters mehr Schmerz verursachte, als das Hineinbohren. Eri lächelte. Das war direkt niedlich. „Ich bin ganz vorsichtig.“ Er strich dem Drachen über die Nase. „Wenn das einwächst, tut es noch mehr weh.“ Nargonim brummte maulig. „Ich will dir doch nur helfen.“ Eri lächelte. „So wie du mir.“ Er deutete auf seine Schenkel. „Du hast sie sauber geleckt.“ Die großen Nüstern näherten sich den Beinen und schnupperten. Ruckartig zog der Drache seinen Kopf weg und schüttelte ihn. Mit der unverletzten Pranke rieb er sich über die Nase. Anscheinend stach ihn der Geruch der Paste. „Oh, entschuldige!“ rief Eri schnell. „Das ist Wundsalbe. Sie ist von...von Goran.“ Er schaute dem Drachen in die Augen, um ihm zu zeigen, dass er keine Geheimnisse haben wollte, sondern ihm freiwillig sagte, dass er weg gewesen war. Die feinen Lippen des Drachen kräuselten sich und tiefes, böses Knurren drang aus seiner Kehle. Er kam näher an Eri, bis sie sich in die Augen sehen konnten. Nargonim knurrte immer noch. Auf diese Weise starrten sie sich schier endlose Minuten an, dann schnaubte der Drache einmal missmutig, was Eri von den Füßen warf, und zog sich wieder zurück. „Ich habe ihn durch Zufall getroffen!“ Der Rothaarige hatte das dringende Bedürfnis sich zu rechtfertigen. „Die Wunden...sie bluteten wieder und er...er hat mir einfach nur geholfen! Sei ihm nicht böse! Vielleicht hätten sich meine Beine sonst entzündet, so wie deine Pranke es tun wird!“ Eri strich sich nervös eine Strähne aus der Stirn. Mit verengten Augen musterte der Drache ihn und man konnte nicht sagen, was er denken mochte. Dann ließ er seinen verletzten Vorderlauf nur einen Meter vor Eri zu Boden sausen und sah den Jungen dann höhnisch an, als glaube er nicht, dass so ein Knips diesen Ast heraus ziehen können würde. Eri knurrte leise beim Anblick dieses ‚Gesichtsausdrucks’, den er durchaus zu deuten wusste. Er näherte sich der Pranke und suchte in den Ästen des Busches nach ausreichendem Halt. Dann stemmte er seine Füße gegen die Tatze, um selbst Halt zu haben. „Gleich ist es vorbei.“ – hoffte er. Eri schloss die Augen, spannte die Arme...und zog dann so fest er konnte. Zunächst rührte sich das Holz überhaupt nicht. Es schien tief zu sitzen, doch als er einige Male fest daran ruckte, was Nargonim bedrohlich fauchen ließ, löste er sich plötzlich mit einem schmatzenden Geräusch. Aus der – für einen Drachen kleinen, für einen Menschen tödlichen – Wunde sickerte rotes Blut, doch die schwarze Echse beachtete es gar nicht und stand wieder auf. Anscheinend ging es ihr viel besser. Eri war auf den Rücken gefallen und lag unter dem Busch, sein Gesicht hatte ein paar Kratzer abbekommen. Er wälzte sich darunter hervor und stand auf, klopfte sich den Schmutz von seiner geliebten neuen Kleidung. „Ist es wieder besser?“ Nargonim schnaubte und leckte ihn der Länge nach zum Dank ab. Dann versuchte er Eri auf den Busch aufmerksam zu machen. Er war weit geflogen, da das Gewächs nicht in dieser Gegen zu finden war. Aber für seinen Gefährten nahm er jede Distanz auf sich, damit es ihm besser ging. Eri lachte und wischte sich mit der Hand über das Gesicht. Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Gewächs zu. „Das ist der Busch aus dem die Heilsalbe gemacht wird, oder? Hast du den extra für mich geholt?“ Irgendwie war er gerührt. Der Drache war tief genug am Boden mit seinem Kopf, so dass Eri seine Arme in ihrer ganzen Länge an ihn legen konnte, als würde er ihn umarmen. „Danke.“ Nargonim sah sehr zufrieden aus und gurrte leise. Die großen grünen Augen schlossen sich und er genoss diese Nähe. Eri war in der kurzen Zeit überraschend zutraulich geworden und er fragte sich, woran das lag. Bis jetzt hatte er mehrere Monate darauf verwendet seine neuen Gefährten von seiner Harmlosigkeit und Liebe zu überzeugen. Aber dieses Feuerkind war anders. Am liebsten hätte er sich auf das zarte Wesen gestürzt und es an sich gedrückt, aber dann würde das Dorf gleich seinen nächsten Jüngling stellen können. Eri spürte die Wärme des Drachen an seinem Leib und mit einem Mal wünschte er sich, wieder in den Armen von Goran zu liegen. Dort war es auch warm und sicher. Und soviel näher und geborgener als hier. Er spürte instinktiv, dass ihm von Nargonim keine Gefahr drohte, der Drache schien ihm auf eine Weise friedlich, die er niemals erwartet hätte. Und trotzdem blieb die innere Unruhe. Er konnte nicht Nargonims Gefährte sein, nicht den Rest seines Lebens. Immer wieder schlich sich Goran in seine Gedanken. Sein Lachen, seine Augen. Goran... Kapitel 3: Der Drachentöter --------------------------- Titel: Drachenherz Teil: 3/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: Durch meine Schusseligkeit habe ich dieses Kapitel völlig übersehen und gleich das eigentlich vierte hochgeladen. Warum hat denn niemand mal was gesagt, dass da irgendwie etwas fehlt und völlig unlogisch ist! >_< Naja, besser spät als nie...hier das richtige dritte Kapitel und ich hoffe, dass es jetzt stimmt. Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, die richtige Reihenfolge herzustellen. Also echt, dass mir das passiert ist...es tut mir wirklich leid ^^' Der Drachentöter Der Drachentöter Sie verbrachten den Abend in friedlicher Zweisamkeit und Nargonim ließ sich wieder ausgiebig kraulen. Er war ganz versessen darauf. Dieses Ritual fand von da an jeden Abend statt. Dadurch festigte sich ihre Bindung und Nargonim vertraute Eri immer mehr. Genauso anders herum. Der Drache tolerierte sogar, dass sein Gefährte in seiner Abwesenheit zu Goran ging, doch wenn er da war, verlangte Nargonim Eris volle Aufmerksamkeit und Zuwendung. In den nächsten Wochen wurde Nargonim allerdings unruhiger und entfernte sich immer seltener von seiner Höhle, als spüre er eine Gefahr. Es kam sogar vor, dass er Eri nicht heraus ließ und mit ihm den ganzen Tag im Felsen hockte. Dafür gab es keine ersichtliche Erklärung und bald legte der Drache dieses Verhalten auch wieder ab und flog seine üblichen Streifzüge. Eri wunderte sich schon über das Tun seines Gefährten, vor allem vermisste er in dieser Zeit Goran mehr als schmerzlich, er baute eine immer stärkere Bindung zu dem Mann auf, die bald über bloße Zuneigung hinaus ging. Aber das gestand er ihm natürlich nicht. Doch seine Gedanken waren immer öfter bei ihm, so auch heute. Eri hockte am Eingang der Höhle und malte, indem er mit selbst hergestellten Farben, deren Mischung Goran ihm erklärt hatte, und seinen Fingern Muster auf die Steine der Höhle brachte. Er liebte die Malerei. Sie beruhigte ihn und gab ihm eine Aufgabe außerhalb der Drachenversorgung. Auf einmal raschelte es hinter ihm im Gebüsch. Eri fuhr herum. „Ist da jemand?!“ Er war allein und das machte ihm mit einem Mal Angst. Erneut zitterten die Blätter und eine vermummte Gestalt trat hinter einem Busch hervor. Sie trug einen weiten grauen Umhang, der am Kragen mit Fell besetzt war und einen tief ins Gesicht gezogenen Hut. Seine Stiefel waren aus Kaninchenfell und auch die übrige Kleidung wirkte sehr verwahrlost und selbst notdürftig zusammengeflickt. Doch als der Fremde die Krempe seiner Kopfbedeckung zurück schob, kamen zwei freundliche blaue Augen zum Vorschein, die im starken Widerspruch mit dem dunklen Vollbart standen, der ihm ein düsteres Erscheinungsbild verlieh. „Wer...wer seid Ihr?“ Eri sprang auf und klopfte seine Kleidung sauber. Dabei schmierte er natürlich Farbe darauf und ärgerte sich sogleich schwarz. Die schönen Kleider von Goran. „Hallo. Mein Name ist Tjerke. Ich bin auf der Durchreise.“ Die schönen Augen musterten Eri amüsiert und der Mann trat näher, mit ausgestreckter Hand. „Auf der...Durchreise?“ Eri nahm die Begrüßung entgegen. Es war komisch wieder einen Menschen zu sehen. Goran war seit langem der einzige seiner Art gewesen, mit dem er hatte reden können. „In dieser Gegend?“ Er lächelte schüchtern. „Oh...Eri...mein Name.“ Tjerke kratzte sich verlegen am Hinterkopf und lachte. „Naja, eigentlich bin ich auf der Suche. Es freut mich dich zu treffen, ich habe schon lange keine Menschen mehr hier gesehen. Wohnst du in der Nähe?“ Dabei wanderten die Augen des Mannes über den Höhleneingang und verengten sich minimal. „Ich...“ Was sollte er nun sagen? Dass er bei Goran wohnte? Aber wenn er das tat und Nargonim kam zurück, würde der Drache ärgerlich sein. Und was sprach gegen die Wahrheit? „Hier...dort hinten.“ Er deutete ins Dunkel. „Wie? Du wohnst direkt hier?“ Die blauen Augen schienen plötzlich sehr interessiert zu leuchten. „Ganz allein? Das finde ich sehr mutig von dir. Zeigst du mir dein Heim?“ Die überraschend weißen Zähne des Mannes blitzten auf. Obwohl er äußerlich ziemlich verlottert wirkte, wiesen kleine Details daraufhin, dass er diesen Zustand nur durch die Reise erlangt hatte und sicherlich gewaschen und rasiert ein ansehnlicher Kerl war. Eri war vielleicht schon zu lange allein, um nicht jede Möglichkeit auf Gesellschaft zu nutzen, aber der Gedanke an Nargonim blieb in seinem Gedächtnis. Er wunderte sich kaum über die direkte, fast schon forsche Art des anderen Mannes. „Aber nur kurz.“ Er ging voran und winkte Tjerke ihm zu folgen. Die Höhle hatte sich verändert, überall fanden sich die Zeichnungen und Malereien des Jungen, viele Bildnisse stellten seinen Gefährten dar. Im Flug, schlafend, Feuer speiend, obwohl er das noch nie gesehen hatte. Der Drache hatte es amüsant gefunden, als Model zu dienen und Eri seine Freude gelassen. Die Bilder waren sogar sehr hübsch und er mochte die Art, wie der Junge ihn malte. Für Tjerke waren diese Malereien ebenfalls sehr interessant und er sah sie sich eingehend an. „Du bist begabt.“ murmelte er langsam und nahm ein Bild, auf dem Nargonim die Flügel bedrohlich ausgebreitet hatte und Feuer aus seinen Nüstern stieß, genauer unter die Lupe. „Und das alles aus dem Gedächtnis?“ Tjerkes Augen verengten sich und musterten Eri lauernd. „Nun ja...ich...“ Eri war noch nie ein guter Lügner gewesen. Schon als kleines Kind war jeder gestohlene Keks ans Tageslicht gekommen, bei jeder geschwänzten Stunde in der Dorfschule war er ertappt worden. „Ich...“ Er seufzte. „Das ist mein Beschützer.“ Tjerke schien nicht überrascht, aber seine Augen leuchtete aufgeregt. „Du meinst...das hier ist die Höhle eines Drachen?“ „Nargonim heißt er.“ Eri lächelte. „Er sorgt für mich.“ Dazu sagte der Mann nichts, sondern starrte den Rothaarigen nur an. Dann verzog sich sein Mund zu einem Lächeln, doch es war nicht echt. Eine leise Bedrohlichkeit schwang darin mit. „Dann bist du freiwillig hier?“ Eri senkte betreten den Blick. „Nein...ich wurde...ich wurde als Opfer dargebracht, mein Dorf hält mich wohl für tot.“ Er trat von einem Fuß auf den anderen. „Und irgendwie bin ich das auch, denn es ist mir nicht erlaubt, Nargonim zu verlassen. Wahrscheinlich würde er mich dann wirklich töten.“ Nun folgte doch wieder ein schwaches Lächeln. „Aber es ist weniger schlimm, als es klingt! Ich lebe sehr gut hier. Ich kann jetzt sogar Tiere ausweiden!“ Tjerke verzog das Gesicht und seufzte. „Du armer Junge. Du bist von diesem Monster entführt worden und wirst hier gefangen gehalten? Das ist doch kein Leben! Vor allem schwebst du ständig in Gefahr gefressen zu werden. Lass mich dir helfen! Ich bringe dich weg von hier, zurück in dein Dorf, zu deiner Familie. Ich kann dir deine Freiheit zurückgeben.“ Plötzlich war der Fremde Feuer und Flamme. Aufgeregt trat er näher an Eri und ergriff dessen Schultern. Er konnte Berechnung und Triumph in den hellen Augen lesen, die immer wieder gierig über die Malereien streiften. Eri starrte ihn entsetzt an. „Nein!“ keuchte er. „Nargonim würde mich jagen und töten! Er kann sehr zornig werden!“ Das hatte Eri einmal herausgefunden, als er unerlaubt fortgelaufen war, weil er Goran einen frischen Beerenbrei hatte bringen wollen. Der Drache war nicht unbedingt amüsiert gewesen und hatte ihn regelrecht zur Höhle zurück gescheucht. „Und er wird mein Dorf vernichten! Ich bleibe hier und füge mich!“ „Du brauchst keine Angst vor der Bestie zu haben. Ich kann dich beschützen.“ Tjerke richtete sich zu seiner vollen Größe auf und warf sich in die Brust. „Ich bin ein Drachentöter aus dem Tal der tausend Flüsse! Und zwar ein guter!“ Zum Beweis holte er unter seinem Umhang ein Schild hervor, das die ganze Zeit auf seinen Rücken geschnallt und von dem Stoff verdeckt worden war. „Das sind echte Drachenschuppen. Hart wie Granit und absolut feuerfest. Sie sind von dem letzten Drachen, den ich getötet habe.“ „Ihr seid ein....?“ Eri hob die Hand vor den Mund. „Ihr würdet Nargonim töten?“ „Er ist eine Bedrohung für die Menschen. Ich habe von so vielen zerstörten Dörfern gehört! Von verkohlten Leichen. Was glaubst du, frisst dein Drache, wenn er weg ist? Diese Biester verstehen nur eine Sprache und die ist der Tod. Und wenn du nicht eines Tages in seinem Magen landen willst, dann solltest du deine Chance jetzt nutzen und mir helfen. Ich kann dir deine Freiheit zurückgeben. Denk doch nur mal nach, was das bedeutet!“ Tjerke klang vollkommen überzeugt. Eri sah sich hilflos um. Freiheit. Er würde zu Goran können. Aber würde der Schwarzhaarige ihm den Tod des Drachen verzeihen? Doch selbst wenn nicht, er selbst würde wieder in Freiheit leben, seine Geschwister wiedersehen. Allerdings musste Nargonim dafür sterben. Eri biss sich auf die Lippe. „Was...was müsste ich tun?“ Der Wunsch nach Freiheit loderte wie ein Waldbrand, immer heller und größer. Tjerke lächelte triumphierend und klatschte in die Hände. Er war voller Tatendrang und freute sich auf eine neue Trophäe und die Gewissheit den Menschen in diesem Land einen großen Gefallen getan zu haben. Zudem brachte ihm diese Tat eine Menge Ruhm und Ehre in seinem eigenen Land ein, und diverses an Gold, wenn er Drachenhorn, -herz und –augen verkaufte. Auch die Knochen waren sehr gefragt. Wenn er Glück hatte, konnte er sogar den gesamten Kopf an einen Baron in seiner Heimatstadt verkaufen, der diese begeistert sammelte. „Du musst ihn nur in die Höhle locken, ihn ablenken, damit er mich nicht sofort wittert. Diese Viecher sind ja ziemlich dumm und fallen auf solche einfachen Tricks rein. Hauptsache er bemerkt mich nicht, bis ich ihm meinen Speer ins Herz stoße.“ „Wie...wie Ihr wünscht.“ Eris Herz krampfte sich zusammen, aber er wollte frei sein. Dafür würde er selbst Nargonim verraten, der ihn hier gefangen hielt. Also half er dem Mann ein geeignetes Versteck am Höhleneingang zu finden, von dem aus dieser den Drachen problemlos aus dem Hinterhalt attackieren konnte. Dort bezog Tjerke Stellung und Eri setzte sich an den Eingang des Tunnels und wartete auf die Echse am Himmel. Es dauerte noch einige Stunden, in denen Tjerke regloser verhielt, als Eri. Dieser war nervös und schaute sich immer wieder nach dem Drachentöter um. Je länger er warten musste, desto hartnäckiger kratzte das schlechte Gewissen an seiner Entschlossenheit. Dann endlich konnte Eri einen dunklen Punkt am Himmel erkennen, der schnell größer wurde. Nargonim schlug kräftig mit den Flügeln, als er aufsetzte und wirbelte Unmengen von Staub auf. Wie so oft, wenn er von einem Beutezug zurückkehrte, war sein Maul mit Blut verschmiert. Als er Eri sah, ließ er den Hirschkadaver vor ihn fallen und knurrte begrüßend. Eri lächelte gequält. Bevor er auch nur ein Wort zur Begrüßung sagte, sprang der Rotschopf auf und lief ins Halbdunkel des Eingangs, er versteckte sich hinter dem Drachentöter, tat als wolle er mit dem Drachen Verstecken spielen, was sie sogar schon mal getan hatten. Es war sicherlich nicht die fantasievollste Art Nargonim hineinzulocken. Nargonim legte den Kopf schief und schnaubte. Eigentlich war er nicht zu Spielchen aufgelegt, aber er wollte seinem Gefährten auch nicht den Spaß verderben. Mit Schritten, die die Erde beben ließen, folgte er ihm ins Innere ihres Zuhauses. „Komm her, du Bestie!“ triumphierte Tjerke leise. Er zog ein langes Messer aus seinem Bund und umfasste den Speer fester. Eri sah ihn an, schaute zu Nargonim. Seinem Drachen. Das riesige Wesen hatte ihm kein Haar gekrümmt, war immer für ihn da gewesen. Er hatte ihn umsorgt, mit ihm gespielt. Und wie dankte er es ihm? Mit feigem Mord? Nein, das konnte er nicht zulassen. So etwas war grausam. Plötzlich hörte er genau diese Worte aus Gorans Mund in seinem Kopf. „Bitte, lasst es sein!“ bat der Junge eindringlich und lehnte sich vor, vorbei sein Fuß gegen einen kleinen Felsbrocken stieß, die hier zuhauf herumlagen, da Nargonim sie oft abbrach mit seiner Körpergröße. „Halt deinen Mund!“ Tjerke machte sich zum Angriff bereit, er würde ein Held sein. „Nein!“ In Eri setzte etwas aus, als ihm klar wurde, dass er den Mann nicht von seinem Vorhaben abbringen können würde. Er packte den Stein und sprang auf, um ihn dem Drachenjäger über den Kopf zu schlagen, ohne an die Konsequenzen zu denken. Doch Tjerke war schneller und wendiger. „Du kleine dreckige Drachenhure!“ fluchte er wenig galant und schlug mit der flachen Seite seines Speeres nach Eri, bevor dieser ihn überhaupt erreichen konnte. Der Junge wurde zu Boden geschleudert, aber der Jäger auch enttarnt. Und er war nicht mehr in Angriffsposition. Nargonim sah den Eindringling sofort. Seine Augen fingen den Speer ein, seinen am Boden liegenden Gefährten und ein wütendes Brüllen löste sich aus seiner Kehle. Niemand, aber auch wirklich niemand, vergriff sich an seinem Gefährten! Und jeden, der es wagte, würde ein schmerzvoller Tod ereilen. Dunkler Rauch quoll aus seinen Nüstern, als er auf den Angreifer zustampfte. Die Höhle war eigentlich zu eng für einen Kampf, aber der Drache war voller Zorn und sah nur das kleine Menschlein, das es gewagt hatte seinen Eri zu verletzen. Tjerke wirbelte herum und wollte den Speer heben, doch ein Regen aus kleinen Steinen ging auf ihn herab, als Nargonims Flanken erneut an den Höhlenwänden entlang streiften. Feiner Staub setzte sich in seine Augen und Panik wallte in dem Mann auf. Er stach wie ein Wilder um sich, in der Hoffnung den Drachen zu erwischen. Eri lag benommen am Boden, er blutete aus einer kleinen Wunde an der Stirn, doch der Schlag hatte ihm die Orientierung geraubt. Endlich konnte Tjerke genug Staub aus seinen Augen reiben, dass er den Speer in die richtige Richtung heben konnte und das noch früh genug. Seine Augen blitzten. Er würde diesen Drachen töten, koste es was es wolle. Mit seiner Waffe ging er auf Nargonim los. Dieser brüllte auf und ging ebenfalls zum Angriff über. Aus dem Hinterhalt hätte der Drachentöter noch eine Chance gehabt mit seinem Speer, doch nun war er nicht mehr als ein angespitzter Stock. Nargonim wartete einen Augenblick das Gefuchtel mit dem Stab ab, dann biss er einmal zu und das Holz barst. Tjerke wich zurück und starrte den abgebrochenen Speer an. Er sah den Drachen und wusste, dass nun sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Und das war alles die Schuld dieses Jungen! Tjerke warf sich auf dem Fuß herum und stürmte zu Eri, riss das Messer in die Höhe, das er die ganze Zeit fest umklammert hatte. „Du Mistkerl!“ fauchte er. Wenn er schon sterben musste, dann würde die Drachenhure mit ihm untergehen. Doch er kam gar nicht soweit. Nargonim fauchte böse auf, drehte den Kopf blitzschnell und bevor die Klinge Eri treffen konnte, war sie samt des Angreifers im Maul des Drachen verschwunden. Ein Schrei, dann das schmatzende Geräusch von Fleisch und lautes Knacken. Nargonim schluckte, dann war es still. Eri, der langsam wieder zu sich gekommen war, starrte den Drachen an und weinte. Er kauerte am Boden und schluchzte bitterlich vor Angst. Nargonim würde ihn nun auch fressen. Ganz sicher. Diesen Verrat würde er nicht verzeihen. Der große Kopf der Echse näherte sich ihm, aber stoppte kurz vor Eris Gesicht. Nargonim schnupperte und leckte dann besorgt mit der Zungenspitze über den Kopf des Kleinen. Er blutete und hatte Angst. Beides konnte er riechen. Fürsorglich zog er Eri mit den Zähnen an der Kleidung zu sich und rollte sich um ihn. Beruhigend gurrte das große Wesen und versuchte seinen Gefährten zu besänftigen. Was musste dieser für Ängste ausgestanden haben? Wie war der Fremde überhaupt hier eingedrungen? Er musste zu der Gruppe von Männern gehört haben, die er schon seit Wochen beobachtete. Sie durchstreiften den Wald, hatten sie aber mittlerweile wieder nach Norden verzogen. Dieser musste zurückgekehrt sein. Ärgerlich rümpfte der Drache die Nase und beschloss in Zukunft noch vorsichtiger zu sein. Eri hingegen konnte es nicht fassen. Er lebte noch. Dann begriff der Junge. Nargonim hielt ihn für unschuldig an all dem...weil er Tjerke verraten und in den Tod geschickt hatte. So musste es sein. Nargonim wollte seinen unschuldigen kleinen Gespielen trösten. Eri klammerte sich an die Echse und weinte immer mehr. Die Angst löste sich noch nicht. Und vielleicht würde sie es nie. Denn wenn Nargonim dies hier je erfahren sollte, würde er ihm das gleiche Schicksal wie Tjerke angedeihen lassen. Dessen war Eri sich vollkommen sicher. Kapitel 4: Die Wege von Liebe und Hass -------------------------------------- Titel: Drachenherz Teil: 4/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: Ich versuche dieses Mal wirklich mindestens ein Kapitel pro Woche hochzuladen, damit ich die Geschichte noch vor Semesterende fertig hochgeladen habe. Es freut mich, dass ihr eifrig Spekulationen anstellt (natürlich werde ich nichts bestätigen ^^), wie denn nun die einzelnen Beziehungen zueinander sind. Den Vorschlag, dass alle glücklich zusammen in der Höhle leben, ist leider nicht zu verwirklichen, weil Drachen (vor allem dieser) sehr eifersüchtig sind und Nargo es bestimmt nicht gefallen würde, wenn sein Schatz immer mit Goran zusammenhängt. Es gibt auch noch einen anderen Grund, warum es nicht geht, aber dazu später *unschuldig guck* Jetzt erst mal viel Spaß beim Lesen ^^ Die Wege von Liebe und Hass Als Eri am nächsten Morgen erwachte, war er allein in der Höhle. Weder im Tunnel, auf dem Vorplatz oder oben auf den Felsen war Nargonim anzutreffen. Dafür lagen am Waldrand zwei frische Hirschkadaver. Der Drache fehlte und kam auch nicht am Abend zurück. Als die Sonne langsam hinter den Baumkronen verschwand, hielt es Eri nicht mehr aus. Die Tiere verrieten ihm, dass Nargonim vielleicht länger nicht wieder zurückkam. Das musste er nutzen. Eri rannte einfach los, er wurde nicht eine Sekunde langsamer bevor seine Faust nicht gegen die Holztür von Gorans Heim krachte. In schnellem, geradezu panischem Rhythmus. Er schnappte dabei hastig nach Luft, ignorierte so gut es ging die Seitenstiche. Einige Augenblicke später wurde die Tür aufgerissen und der schwarzhaarige Mann stand mit besorgter Miene vor ihm. Sein Oberkörper war nackt und nass, einige Tropfen perlten vom Schlüsselbein herab über die Brust mit den harten Erhebungen und hinunter zum Bauchnabel, wo sie dann von der Hose aufgesogen wurden. „Eri! Was machst du denn hier? Ist etwas passiert?“ Nun bemerkte Goran auch die Wunde am Kopf. „Um Himmels Willen, was ist denn los?“ Er trat zur Seite, damit Eri hereinkommen konnte. Doch dieser betrat nicht das Haus, sondern warf sich ihm in die Arme und klammerte sich an ihn. „Schick mich nicht weg! Bitte, schick mich nicht weg!“ Verwirrt blickte Goran auf ihn herab und legte die Arme um ihn. „Hey, was ist denn los? Komm doch erst mal herein.“ Er zog den zitternden Jungen sanft mit sich und schloss die Tür. Dann bugsierte er Eri zum Tisch und drückte ihn auf einen Stuhl. Auf der Anrichte stand eine Schüssel mit Wasser, in dem ein Lappen schwamm. Eri wollte die Hand des Mannes nicht einmal loslassen, er drückte sie verzweifelt und hielt sich an ihm fest, obwohl er nun saß. „Ich habe...ich...ich habe Angst...Nargonim wird mich töten.“ Nun wirkte Goran alarmiert und umfasste die schmale Hand fester. „Eri, was ist passiert? Wie kommst du auf diese Idee?“ „Weil ich...“ Der Junge schaute ihm in die unendlich tiefen grünen Augen. Sein Gewissen erdrückte ihn, er hatte die halbe Nacht kein Auge zugemacht und den ganzen Tag nur zitternd in einer Ecke der Höhle gehockt. Er musste es jemandem sagen. Und wem, wenn nicht Goran? „Ich...ich habe ihn hintergangen.“ Die Augen des Mannes verengten sich. „Was hast du getan?“ Seine Stimme klang angespannt und tiefer. Die Reaktion Gorans verstörte Eri etwas. Er sackte im Stuhl ein wenig unter den strengen Augen zusammen. „Ich...ich...“ Tiefes Einatmen. „Da war dieser Mann...ein Drachenjäger...er hat mir versprochen, mich in mein Dorf zurück...also in die Freiheit...und ich...“ Eri hielt Gorans Blick nicht mehr stand. „Ich habe...ich habe ihm geholfen...ich habe ihn in der Höhle versteckt.“ „Du hast was?!“ Goran sprang auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. In seinen Augen glomm Wut auf, das Grün der Iris schien sich fast schon auf die Pupillen auszuweiten, doch er fasste sich schnell wieder. Trotzdem ging er ein paar Schritte von Eri weg und wandte ihm den Rücken zu. „Ist er verletzt? Hat der Drachentöter sein Werk vollenden können?“ Eri starrte ihn entsetzt an. Goran durfte sich nicht von ihm abwenden! Das durfte nicht passieren. Nicht Goran! „Nein!“ rief er und sprang auf. „Nein! Er hat es nicht...er...er hat es nicht.“ „Warum hast du das gemacht? Was hat dir Nargonim getan? Er vertraut dir und du willst ihn töten lassen. Ich kann das nicht verstehen.“ Goran schüttelte den Kopf und ging zu der Waschschüssel, neben der auch ein Handtuch lag. Mit diesem trocknete er sich grob ab und streifte sich sein Hemd wieder über. „Ich wollte doch nur frei sein!“ Eri spürte Tränen in den Augen. „Ich...bitte hass mich nicht!“ Er trat an Goran heran, der ihm immer noch den Rücken zudrehte, streckte zitternd die Hand aus. „Ich konnte es nicht...ich habe...der Jäger ist wegen mir gestorben...ich habe ihn an Nargonim verraten...“ „Bist du so ein Mensch?“ Goran wirbelte herum und sah ihn wütend an. „Verrätst du jeden, wenn es dir gerade von Nutzen ist? Ist deine Freiheit den Tod eines solchen Wesens wert? Weißt du überhaupt, was es bedeutet, einen Drachen zu töten? Ein Wesen, das so stark und mächtig ist!“ Goran ging zu einem Eimer und kippte das Wasser hinein. Der Lappen fand seinen Platz auf dem Fensterbrett zum Trocknen. Trotz seines Zorns, der aus jeder Pore seines Körpers strömte, war er überraschend ruhig nach außen. „Nein! Ich bin nicht so!“ Eri fing an zu weinen. „Ich wollte das alles nicht! Ich wollte es nicht! Als er mir von der Freiheit erzählte...ich...ich weiß nicht, was ich dachte! Aber als ich realisierte, dass Nargonim sterben müsse...als ich den Speer sah. Ich wollte nicht, dass der Jäger stirbt...aber Nargonims Tod hätte ich nicht ertragen.“ Er schaute zu Boden, Tränen tropften auf das Holz. „Und warum nicht?“ Gorans Stimme klang seltsam hohl. „Liebst du ihn? Oder ist er für dich einfach nur ein großer Wachhund?“ Eri sah ihn verstört an. Die Antwort fiel ihm schwer. „Ich...“ Er kniff die Augen zusammen, Tränen quollen hervor. „Ich weiß nicht, was ich für ihn empfinde. Er ist gut zu mir...aber er ist ein Drache. Und wenn...“ Ein bitteres Lächeln stahl sich in sein Gesicht. „dann bin doch wohl eher ich das Haustier, oder?“ „Nein!“ Der Schwarzhaarige wirbelte herum und funkelte sein Gegenüber erregt an. „Nargonim sieht seine Gefährten als gleichwertig an! Wenn er sicher ist, dass er ihnen vertrauen kann, lässt er ihnen alle Freiheiten, die sie brauchen, um glücklich mit ihm zu sein.“ Er setzte sich voller Eifer für Nargonim ein. „Du bist kein Haustier, du bist sein Geliebter. Er hat noch nie so schnell einen Jungen gern gehabt oder sich so um ihn bemüht. Aber du trittst das mit Füßen!“ „Das tue ich doch gar nicht! Ich bin ihm dankbar! Ich...ach, verdammt, ich fühle mich nur so allein! Nargonim ist wundervoll zu mir, aber ich kann nicht mit ihm reden! Ich sitze in dieser Höhle, male und nehme Tiere aus, kraule ihn! Soll das mein Leben sein? Goran, ich wünsche mir mehr!“ Er drehte sich weg. „Jetzt habe ich alles kaputt gemacht. Du hasst mich jetzt, oder? Liebst du Nargonim noch so sehr?“ „Ja.“ Der große Mann setzte sich auf den Stuhl Eri gegenüber und lehnte sich zurück. „Meine Gefühle für Nargonim übersteigen Liebe bei weitem. Ich war lange Zeit sein Gefährte, bis ich ihn betrogen habe. Danach wollte er mich nicht mehr, aber ich bin trotzdem bei ihm geblieben. Aus Reue. Ich habe Jahre lang gehofft, er würde mich erhören, mich wieder aufnehmen, aber er hat es nicht. Nicht ein einziges Mal.“ In den Worten schwang so viel Schmerz mit. „Aber mit der Zeit habe ich begriffen, dass ich die Vergangenheit nicht mehr rückgängig machen kann und nun gebe ich mich damit zufrieden, in seiner Nähe zu sein. Im Gegensatz zu dir, hat mir das immer gereicht. Wir konnten Stunden lang in der Höhle liegen und uns gegenseitig liebkosen und...“ Goran brach ab und sah zur Seite. „Tut mir leid. Ich sollte dir das nicht erzählen. Wenn du nicht bei ihm sein willst, geh zu ihm und sag es ihm. Wie lange bist du nun schon hier? Zwei Monate? Drei? Wenn du noch immer nichts für ihn empfindest, wirst du es nie tun. Und wenn du ihn sogar lieber tot siehst, um deiner Freiheit Willen, dann ist es besser, er lässt dich gehen.“ „Hör auf damit!“ schrie Eri auf, so laut wie noch nie in seinem Leben. „Hör auf! Hör auf! Ich will ihn nicht tot sehen! Mein schlechtes Gewissen frisst mich auf! Ich wollte das alles nicht! Ich habe doch nur an dich und mich gedacht!“ Er weinte immer heftiger. „Ich würde Nargonim nie etwas Böses wollen. Ich habe...ich habe doch nur an uns gedacht...“ Goran zog die Brauen zusammen und verengte die Augen. Er machte sich gar nicht die Mühe sein Misstrauen zu verbergen. „Was meinst du damit? An uns gedacht.“ Eri starrte ihn entsetzt an und schlug die Hand vor den Mund. „Vergiss es! Ich sollte zur Höhle zurück!“ Er warf sich herum und rannte zur Tür, blieb aber mit der Klinke in der Hand stehen, denn die große schlanke Hand Gorans war gegen das Holz geknallt. Dicht neben Eris Kopf. „Lauf nicht vor mir weg, Junge. Ich habe dir eine Frage gestellt.“ Plötzlich klang die Stimme des Mannes nicht mehr so weich und freundlich, sondern tief, fast knurrend. Sein Körper drückte sich von hinten gegen den schmalen Rücken, die Lippen waren Eris Ohr ganz nahe. Eri zitterte am ganzen Körper. „Bitte...bitte zwing mich nicht...ich will Nargonim nicht noch mehr Schande machen.“ „Wozu soll ich dich nicht zwingen?“ Eri konnte den warmen Atem des Anderen auf seiner Wange spüren und presste sich gegen das Holz, doch er konnte Gorans Nähe nicht entkommen. „Hör auf...“ Seine Stimme klang dünn. „Ich kann nicht...ich darf das nicht. Er wird mich töten...und ich hätte es verdient.“ „Was darfst du nicht?“ Goran drückte sich noch dichter gegen ihn. Sein Körper versagte jede Möglichkeit auf Flucht. Es gab kein Entkommen. Eri fing wieder heftiger an zu weinen. „Ich darf dich nicht lieben!“ All die Wochen hatte er dieses Geständnis mit sich getragen und immer wieder verleugnet, weil er sie nur unglücklich gemacht hätte, nun war es raus. Plötzlich wurde der Körper hinter ihm ganz weich und die vorher angespannten Arme sanken herab und schlangen sich um Eris schmalen Rücken. Gorans Hände legten sich auf seine Brust und den zitternden Bauch. „Du fühlst dich sehr allein, oder?“ Zärtlich setzte er kleine Küsse auf den Hals des Jungen und streichelte ihn. Eris ganzer Körper verspannte sich, trotz der liebevollen Berührungen, er weinte immer noch, die Stirn gegen die Tür gepresst. „Ja...ich fühle mich schrecklich allein...und dauernd...dauernd bist du in meinem Kopf...nur du...“ Ohne seine Liebkosungen zu unterbrechen, öffnete Goran Eris Hemd, damit seine Hände über die nackte Haut wandern konnten. Sie war genauso zart und dünn, wie er es sich vorgestellt hatte. Er konnte jede Rippe fühlen und zeichnete ihre Bögen entzückt nach. „Aber du bist jetzt weder allein, noch bin ich nur in deinem Kopf, oder?“ Seine Stimme hatte einen rollenden Akzent, den er gar nicht mehr bemerkte. Seit er Eri das erste Mal gesehen hatte, wollte er ihn berühren und küssen. Er hatte noch nie ein so wundervolles Geschöpf gesehen. Die feuerroten Haare zogen ihn magisch an und er vergrub sein Gesicht tief in ihnen. „Er wird mich töten und ich verdiene es.“ flüsterte Eri immer wieder. Er war Wachs in Gorans Händen. Hier wurden eben seine Träume wahr, die Phantasien in den langen Nächten in der Höhle, die Sehnsucht nach Wärme und Nähe. All das. Und mehr... „Er wird mich töten. Und dich auch.“ „Er wird es nicht erfahren.“ hauchte Goran, drehte Eri mit einem Ruck herum und presste seine Lippen auf dessen Mund. Ihre Leiber schmiegten sich so dicht aneinander, als wären sie eins. Rücksichtslos stieß Goran seine Zunge in die warme Höhle und nahm sie für sich ein. Seine Hände flogen über Eris Körper, als könnten sie es nicht mehr erwarten, den Stoff abzustreifen. Einen solchen Kuss hatte Eri noch nie in seinem Leben bekommen, hilflos ließ er sich mitreißen. Gorans Hände fühlten sich so gut an. Sie streichelten die Angst aus seinem Kopf, ersetzten sie durch etwas Anderes. Begierde. Liebe. Verlangen. Goran beendete den Kuss abrupt und sah Eri schweigend an. Es schien, als würden die grünen Feuer bis in die Pupillen reichen und Flammen durch das Schwarz züngeln. Den Blick des Jungen gefangen genommen, drängte Goran ihn von der Tür weg, hin zum Bett. Als sie dort angekommen waren, hatte er Eri längst wieder in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelt. Das Verlangen nach dem zierlichen, fast noch kindlichen Körper machte ihn halb wahnsinnig. Er dachte gar nicht mehr daran, sich zurück zu nehmen, sondern streifte das Hemd einfach ab und öffnete bereits die Hose, die die schlanken Beine verbarg. Eris Herz schlug wie wild. Er war aufgeregt und gleichzeitig von einer inneren Ruhe erfüllt, wie er sie seit Wochen, seit Monaten nicht mehr kannte. Er beobachtete wie sich die schwarzen Haare des Mannes bewegten, wie seine Smaragde gierig über seinen Körper glitten. „Ich liebe dich.“ wisperte er. Goran drückte ihn lächelnd aufs Bett und entledigte sich des störenden Stoffes. Nackt und zerbrechlich lag Eri vor ihm, keine Stelle blieb ihm verborgen. Genießend ließ er eine Hand von der Wange abwärts gleiten, bis sie über den Oberschenkel strich. „Du bist so zart wie ein Schmetterling.“ Goran kam über ihn und küsste seinen Hals. Dabei drückte er bewusst ihre Hüften zusammen. Eri sollte spüren, was er ausgelöst hatte. Dieser öffnete entsetzt die Augen. Der Druck gegen seinen Leib war enorm. Und er bekam ein wenig Angst. All das hier war so neu und unbekannt. Niemand hatte je mit ihm darüber geredet. So etwas fand im Dorf hinter verschlossenen Türen statt. Und dann auch nur zwischen Mann und Frau. Zumindest hatte Eri das immer gedacht, auch wenn er sich nie etwas aus den Mädchen im Dorf gemacht hatte, wie die anderen aus der Schule. Goran beschäftigte sich derweil intensiv mit seinem Hals und dann ein Stück weiter unten mit den Brustwarzen. Seine Zunge leckte in kreisenden Bewegungen über das empfindsame Fleisch und nippte neckend daran. Unauffällig öffnete er seine Hose und schob sie ein wenig herunter, so dass sich ihre Haut berührte. Dunkel stöhnte Goran auf und bewegte sanft sein Becken gegen Eris. „Bei den Göttern...“ keuchte der Junge. Er spürte das harte Geschlecht an seiner nackten Haut und wusste nicht mehr, ob er Angst haben oder neugierig sein sollte. „Ich...“ Ihm fehlten die Worte. Was sagte man jetzt? „Fühle.“ Gorans Körper schien zu brennen, so unnatürlich heiß war er. Seine Finger glitten zwischen ihre Leiber und umspielten Eris Glied mit einer Geschicklichkeit, die auf Übung schließen lassen sollte. Doch in dieser verlassenen Gegend würde er diese wohl nicht gehabt haben. Er rieb sie gegeneinander und küsste Eri erneut feurig, um ihn zu animieren. Der Junge stöhnte in den Kuss hinein, die Hitze Gorans schien auf seinen Körper überzugreifen, ihn direkt zu verbrennen. Als suche er Rettung aus den Flammen krallte er sich in die Kleidung des Mannes, zerrte daran. Er wollte ihn nackt sehen. Doch Goran machte keine Anstalten sich zu entkleiden, sondern ließ seiner Begierde nur noch freieren Lauf. Eri sollte spüren, wie es war vor Lust zu verbrennen. Er sollte sich winden und vergehen. Doch kurzfristig entschied er sich um. Eri war zu zart, er kannte seinen Körper kaum und sein Verlangen war zu groß, als dass er jetzt noch Rücksicht nehmen konnte. Entschieden schloss er die Hand um das Geschlecht des Jüngeren und begann daran auf und ab zu fahren. „Was...geschieht mit mir?“ wimmerte Eri und drückte sein Becken im Reflex durch, den Berührungen der Hand entgegen. Er versuchte seinerseits unter das Hemd seines Geliebten zu kommen, verzehrte sich nach der nackten heißen Haut. Goran half ihm dabei nicht, sondern lächelte nur auf das gerötete Gesicht herunter. So lange hatte er sich nach diesem Anblick gesehnt. Nun da er Eri soweit hatte, bekam er gar nicht genug. Er wollte noch mehr von diesem leisen Stöhnen hören. „Du verbrennst.“ Er nahm seine Hand weg und brachte sich dafür gegen das Geschlecht. In gleichmäßigem Rhythmus rieb er sich an ihm. „Du wirst brennen vor Lust und zu Asche werden.“ Genießend küsste er die von der Beanspruchung geschwollenen Lippen und packte den kleinen festen Hintern mit den Händen, um Eri besser gegen sich drücken zu können. Und brennen, tat der Rotschopf wirklich. Er presste seinen Kopf in die Laken, keuchte lauter als zuvor. Seine Haut prickelte als würden Flammen an ihr züngeln und sie langsam verbrennen. Eris Augen waren geschlossen, die Lippen lustvoll geschürzt. Er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als ewig hier in Gorans Armen liegen zu dürfen. Dann war der Moment gekommen, in dem die Flammen über ihnen zusammen schlugen und sie in eine süße Hölle führten. Beide stöhnten auf und pressten sich so eng gegeneinander, dass man nicht mehr sagen konnte, wessen Hitze stärker war. Die Feuchtigkeit, die sich unweigerlich zwischen ihnen ausbreitete, empfand Goran als beruhigend und er schmiegte sich bewusst gegen Eri. „Und morgen werden wir wie der Phönix aus der Asche auferstehen.“ hauchte er und strich Eri über die verschwitzte Stirn. Dessen Augen waren halb geschlossen und er wirkte benommen. Lächelnd zog Goran die Decke über sie beide, nachdem er seine Kleidung abgestreift hatte und hielt ihn im Arm. Endlich ganz nah an der nackten Haut seines Liebhabers, hier in der Wärme seiner Umarmung, umgeben von Nähe und den Zeugnissen ihre Leidenschaft, deren warme Feuchtigkeit ihm nicht das Geringste ausmachte, konnte Eri seine Augen nicht mehr aufhalten. Auch die letzten kleinen Schlitze fielen zu und vor den geschlossenen Lidern tauchte das wunderschöne Bild Gorans auf, kurz bevor der Junge in einen tiefen Schlaf fiel. Am nächsten Morgen war Goran schon aufgestanden, als Eri erwachte. Er arbeitete draußen im Gemüsegarten, aber beendete dies sofort, als er seinen Gast in der Hütte herumgehen hörte. Sie nahmen zusammen ein bescheidenes, aber schmackhaftes Frühstück ein, bei dem sich Eri dicht an Goran hielt, um keine flüchtige Berührung zu verpassen. Auch in den folgenden Tagen war Eri kaum von Goran zu trennen, der dies ebenso begrüßte. Der Junge war ihm sehr wichtig geworden und er wollte den Kleinen noch besser kennen lernen. Um abschätzen zu können, wie lange Nargonim wohl fort bleiben würde, kehrten sie zur Höhle zurück und der Schwarzhaarige begutachtete den Futterberg. Natürlich konnten sie das ganze Fleisch nicht verwerten, ohne dass es schlecht wurde und es hatten sich bereits einige kleine Raubtiere daran gütlich getan. Deshalb beschloss Goran nur die Felle zu nutzen und den Rest irgendwo zu verscharren. Für ihn war es kein Problem einen Hasen oder sogar ein Reh zu erlegen und er zeigte es auch Eri. Er brachte dem Jungen über die Wochen so viel über das Leben in diesem Wald bei, wie er konnte und selbst wusste. Doch er brachte ihm auch vieles bei, das nichts mit Überleben zu tun hatte. Sie verschmolzen nicht mehr nur ihre Körper miteinander, sondern auch ihre Herzen. Natürlich folgte daraus nicht nur Freude und Glück, sondern auch Gefahr, denn sollte es Nargonim heraus finden, würden sie beide nicht lange genug leben, um ihr Handeln zu bereuen. Trotzdem riskierten sie es und blieben zusammen. Eri blühte richtig auf und wurde auch ein wenig erwachsener. Und das nicht nur, weil ihn Goran in die Geheimnisse der körperlichen Liebe einweihte, sondern auch durch die zahlreichen Lektionen, die er lernte. Er wuchs an der Zeit mit Goran. Eri lernte tatsächlich Jagen und Fischen, wie man sich Kleidung herstellte, welche Früchte am schmackhaftesten waren. Es war alles unglaublich aufregend. An diesem Abend saßen die Beiden zusammen gekuschelt auf einem weichen Fell und schauten in die Flammen des kleinen Feuers von Gorans Kochstelle. Eri atmete seinen Duft und spielte mit den Fingern auf der breiten Brust des Mannes. „Jede Stunde mit dir ist ein Genuss...jede Minute. Ich...ich fühle mich so wohl bei dir.“ Goran lächelte in die Flammen. Es wirkte auf eine irritierende Weise traurig. „Das freut mich. Ich bin auch sehr gern mit dir zusammen, Eri.“ Er küsste ihn auf die Schläfe und drückte ihn enger gegen sich. „Aber du solltest ab morgen wieder zur Höhle. Es ist viel Zeit vergangen und Nargonim kann eigentlich jeden Tag wieder kommen.“ Eri sah ihn an und mit einem Mal verschwand der glückliche Ausdruck. „Daran...ich habe nicht mehr daran gedacht.“ Er schmiegte sich an Goran. „Laufen wir zusammen weg?“ Ein Seufzen folgte. „Nein...das hat Nargonim nicht verdient.“ „Sehr richtig, es wäre schrecklich für ihn.“ murmelte der Mann in Gedanken und ließ seine Stirn gegen Eris Schulter sinken. „Außerdem würde er uns finden...und dann sicherlich töten. Du musst zu ihm zurück.“ An seiner Stimme konnte man deutlich hören, wie schwer es Goran fiel. „Aber ich darf doch wieder zu dir kommen, wenn er mich allein lässt, oder?“ Unsicherheit schwang in den Worten mit. „Das ist nicht unser Lebewohl...das meinst du damit nicht. Sag bitte, dass es nicht so ist.“ Ein kleines Lächeln erschien auf Gorans Lippen, doch es erreichte nicht seine Augen. „Natürlich darfst du wieder kommen. Ich möchte so viel Zeit mit dir verbringen, wie nur möglich. Du bist doch mein Feuerkind.“ „Soll ich gleich gehen? Oder hältst du mich heute Nacht noch im Arm?“ Eri wusste die Antwort eigentlich schon. Der Gedanke sich von Goran trennen zu müssen, zerriss sein junges Herz. Goran lächelte ruhig und brachte Eri dazu sich hinzulegen. Während seine Hand über die schmale Brust und den flachen Bauch strich, sah er ihm tief in die Augen. „Die heutige Nacht gehört nur uns allein.“ Am nächsten Morgen weckte er seinen Rotschopf sehr früh, damit sie noch gemeinsam frühstücken konnten. Bei dieser Gelegenheit erklärte er Eri auch, dass er für zwei oder drei Tage auf der Jagd sein würde. Er brauchte ein großes Fell für neue Kleidung und die Hirsche waren in dieser Umgebung rar geworden. Kein Wunder bei dem gefräßigen Nachbarn. Nach einer innigen Umarmung und einem langen Kuss lief Eri zurück zur Höhle. Mit jedem Schritt, den er näher an die Grotte tat, hatte der Junge das Gefühl, dass sein Herz immer mehr zu Eis erstarrte. Und gleichzeitig kam eine schreckliche Welle der Angst auf. Sie brandete über das Feuer hinweg, das Goran in ihm entfachte hatte, und erstickte es mit ihren eiskalten Fingern. Nargonim war nicht dumm. Und er hatte gute Sinne. Was, wenn er Goran an ihm roch, egal wie lange er sich auch wusch. Und dazu würde es sowieso nicht kommen. Denn kaum hatte Eri die Höhle erreicht und den Gedanken an ein Bad im Teich gefasst, tauchte auch schon der Drache über den Wipfeln der Bäume auf. Gorans Instinkte, was seinen ehemaligen Gefährten anging, waren offenbar mehr als gut. Wie gewöhnlich landete Nargonim mit einem kleinen Erdbeben gepaart mit einem Sandsturm. Als sich der Staub verflüchtigte und er die Flügel wieder dicht an den Körper gelegt hatte, suchten die grünen Augen sofort nach Eri. Kaum dass er ihn entdeckt hatte, stürmte der Drache auch schon auf ihn los und warf sich ihm regelrecht vor die Füße. Gurrend stupste er ihn mit seiner gewaltigen Schnauze an und ließ die Zungenspitze über seinen Kopf streifen. Er freute sich sichtlich über ihr Wiedersehen und kriegte sich nur schwer ein. Eri lachte auf, auch wenn sein Herz verkrampfte. Die Angst nahm ihm fast den Atem und sie zu überspielen, war schrecklich schwer. Er streichelte Nargonim über die Schnauze, doch seine Hand zitterte dabei. Irritiert hob der Drache den Kopf und schnupperte. Er konnte ganz klar die Angst seines kleinen Gefährten riechen und wunderte sich darüber. Eri hatte ihn doch vor seinem Abflug nicht gefürchtet. Was hatte sich nun verändert? Um ganz sicher zu gehen, streifte er ihn dicht mit den Nüstern. Eri zuckte zurück und fiel dabei beinahe hin. Nargonim schnupperte an ihm. Er konnte es riechen. Er roch Goran. Sämtliche Farbe wich aus dem Gesicht des Jungen, während er ängstlich vor dem Drachen zurückwich. „Es tut mir leid...“ Die grünen Drachenaugen verengten sich misstrauisch und die Echse setzte Eri nach. Woher kam diese Angst? Warum wich er zurück? Nargonim knurrte mürrisch, da er sich seine Rückkehr fröhlicher vorgestellt hatte. Nun war er vor den Kopf gestoßen und verstand nicht, warum sich sein Gefährte so merkwürdig verhielt. Sein Kopf senkte sich dicht vor Eri und der Blick schien den Jungen zu durchbohren. Eri starb Tausend Tode und machte sich auf seinen eigenen gerade gefasst. Und trotz aller Angst war da nur der Gedanke, wie schrecklich es sein würde, Goran niemals wiederzusehen, nichts anderes. „Es tut mir so leid.“ Er ließ sich auf die Knie fallen und senkte demütig den Kopf. „Bitte verzeih mir.“ Sein Atem ging nur stoßweise. „Und grolle nicht Goran...er...er trägt keine Schuld.“ Bei der Erwähnung des Namens ging ein Ruck durch die Echse und sie brüllte laut auf. Die gewaltigen Krallen schabten über den Boden und hinterließen tiefe Furchen. „Nein!“ Eri fiel nach hinten und krabbelte rückwärts von Nargonim weg. „Bitte! Bitte tu mir nichts! Es tut mir leid!“ Der Drache setzte ihm nach und brüllte Eri so laut an, dass dieser sich die Ohren zuhalten musste. Das weit geöffnete Maul war nur wenige Meter von ihm entfernt und er konnte den heißen Atem fühlen. Dann drehte sich Nargonim plötzlich um und stürmte auf den Waldrand zu. Seine Wut war grenzenlos und er tobte sich an den Bäumen aus. Seine Lungen füllten sich mit Luft und seine Wut bündelte sich zu einer heißen Flamme, die aus dem Maul schoss und die Pflanzenwelt ringsherum in Brand setzte. Der Schwanz peitschte wild umher und die Dornen an seinem Ende schlug tiefe Kratzer in den Fels. Eri kauerte am Höhleneingang und weinte und schrie vor Angst. Das Höllenschauspiel ließ ihn keine Minute daran zweifeln, dass er nun sein Leben verwirkt hatte. Er hatte in Gorans Armen Glück, Geborgenheit und Liebe gefunden...und gleichzeitig würden sie für ihn den Tod bedeuten. Aber eines nahm er sich vor. Er würde verhindern, dass Goran leiden musste. Er allein war schuld. Nachdem das gesamte Umfeld der Höhle mehr oder weniger zerstört war, wandte sich Nargonim wieder seinem Gefährten zu. Grollend baute er sich vor ihm auf. Aus seinen Nüstern quoll immer noch Rauch. Da Eri sich noch kleiner gemacht hatte, als er sonst schon war, beschloss der Drache sich annähernd auf gleiche Höhe zu bringen. Wie ein Hund streckte er sich vor ihm aus und starrte ihn aus wütenden Augen an. Eri erwiderte den Blick seines Gefährten, mühsam, seine Augen rot und verweint. Er zitterte am ganzen Körper und machte sich so klein wie möglich. „Ich wollte dir...ich wollte dir nicht wehtun.“ Er schniefte. „Es tut mir so leid!“ Nargonim knurrte böse und rückte noch näher, als wolle er Eri zu einer Erklärung zwingen. „Ich weiß, ich soll dein Gefährte sein.“ begann der Junge. „Ich...ich mag dich, du bist so nett zu mir...sorgst für mich.“ Er drückte sich gegen den kalten Stein hinter sich, ängstlich, soweit wie möglich von dem zähnestarrenden Maul entfernt. „Aber mein Herz...mein Herz ist für jemanden entflammt.“ Es war schmerzhaft die Wahrheit zu hören. Warum bildete er sich auch immer wieder ein so schöne zarte Wesen könnten eine Bestie wie ihn lieben? Noch war die Wut stärker und Nargonim bleckte die Zähne. Vielleicht sollte er Eri einfach fressen und die Sache damit beenden. Er war die ewigen Enttäuschungen leid. Es würde für ihn nie den Partner geben, den er sich wünschte. Fast war Eri von sich selbst überrascht. Er kroch näher an Nargonim heran und beugte sich voller Demut, als wolle er dem Drachen direkt anbieten, ihm den Kopf von den Schultern zu reißen. Sein langes Haar fiel wie Wogen von Magma, tief aus dem Bauch der Erde, über seine Schultern. Altes Feuer aus längst vergangener Zeit. „Wenn du mich töten willst, so bin ich bereit meine Strafe zu akzeptieren. Nur flehe ich dich an...töte nicht Goran. Er hat keine Schuld. Ich erflehe sein Leben von dir, auch wenn es mir nicht zusteht.“ Nargonim ärgerte dieses Verhalten nur noch mehr. Eri hatte nicht das Recht sich so anzubieten! Und es zeigte nur noch einmal wie wenig der Junge für ihn empfand. Er war das grausame Monster, das jeden umbrachte, den es zu fassen bekam. Er war nicht mehr als eine Bestie, die man jagte oder der man zum Opfer fiel. Zornig stampfte der Drache mit einem Vorderfuß auf und begann dann auf Eri zuzugehen. Dieser schloss die Augen und rührte sich nicht. Nur seine Lippen bewegten sich und sein Haar wehte leicht. „Verzeih mir, ich habe dir nie weh tun wollen. Ich habe noch nie so ein wundervolles Wesen wie dich getroffen. Ich hatte kein Recht, alles zu zerstören.“ Er sprach die Worte wie einen Abschied. Doch statt ihn zu fressen oder mit einer Pranke zu zermalmen, gabelte Nargonim den Jungen mit seinem roten Horn auf und brachte ihn auf seiner Schnauze tiefer in die Höhle. In Eris Bereich ließ er ihn sehr unsanft runterfallen und machte dann kehrt, um sich in den Eingang zu legen, so dass der Junge gefangen war und nicht vorbei konnte. Nein, er würde ihn nicht gehen lassen. Er hatte sich für ihn entschieden. Eri begriff, was der Drache ihm sagen wollte. Er wusste nicht, ob er für sein Leben dankbar sein sollte. Nargonim hatte ihm klar gemacht, wem er verpflichtet war. Eri rollte sich auf seinem Bett zusammen und weinte sich in den Schlaf. Er würde Goran niemals wiedersehen. Kapitel 5: Enthüllte Geheimnisse -------------------------------- Titel: Drachenherz Teil: 5/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: Da heute so ein schöner, sonniger Tag ist und ich endlich meine mündlichen Prüfungen hinter mir habe, bekommt ihr ein neues Kapitel ^^ Es sollten sich einige Fragen klären ^^ Bin gespannt, was ihr dazu sagt ^^ Viel Spaß beim Lesen! Enthüllte Geheimnisse Am nächsten Tag verhielt sich Nargonim sehr seltsam. Er lag morgens draußen vor der Höhle und starrte reglos vor sich hin. Die Sonne ließ seine Schuppen glänzen, doch dieser Glanz fand sich nicht in den Augen wieder. Als Eri sich aus ihrer Behausung traute, wandte der Drache ihm einfach nur den Rücken zu und rollte sich zusammen. Obwohl er eingeschlafen war, hatte der Junge in dieser Nacht nicht viel Ruhe gefunden. Schon bald war er wieder erwacht und hatte sich stundenlang herum gewälzt. Er versuchte erst gar nicht mit Nargonim zu reden, sondern wusch sich und zog sich wieder in die Höhle zurück. Er wollte den Drachen nicht wütend machen und den Zorn erneut auf sich ziehen. Die Tage verliefen immer gleich. Nachts lag die schwarze Echse vor dem Eingang und am Tag vor der Höhle. Doch egal, wann Eri auftauchte, Nargonim drehte sich immer weg. Der Schmerz des Drachen war fast greifbar und es passierte sogar, dass er leiderfüllt aufbrüllte und dann einfach zusammensackte. Er suchte auch keine Nahrung für Eri und sich, sondern überließ den Jungen sich selbst. Nichts konnte das gewaltige Wesen aufheitern und er war nicht bereit den Rothaarigen anzuhören. Auch Eri litt in dieser Zeit. Aber nicht, weil er wenig zu essen bekam, trotz seiner Fähigkeit zu jagen, sondern weil er sah, wie Nargonim sich quälte. Er verbrachte viel Zeit im Schatten des Höhleneinganges und beobachtete ihn. Sein schlechtes Gewissen wurde von Tag zu Tag größer, je stärker die Erkenntnis über das ganze Ausmaß von Nargonims Leid wurde. Und durch seine end- und freudlosen Stunden des Nachdenkens wurde Eri sich über vieles klar. Egal, wie groß seine Liebe zu Goran war, die Einsamkeit Nargonims war größer. Größer als alles, was er sich vorstellen konnte. Der Drache war so mächtig...und dabei so allein. Alles, was er sich wünschte, war Gesellschaft, ein Gefährte, der bei ihm war und diese schreckliche Einsamkeit mit seiner Wärme zum Schmelzen brachte. Nargonim war nicht böse, nicht brutal oder schrecklich. Er hatte Gefühle wie jedes andere Wesen und er, Eri, hatte auf ihnen herumgetrampelt. Er betete dafür, dass Goran seine Entscheidung verstehen würde. Er musste sie treffen. So kam der Moment, da Eri sich in der Nähe des Drachen auf den Boden hockte, wieder auf die Knie. „Ich...ich werde bei dir bleiben. Als dein Gefährte...wenn du mich noch willst.“ Zunächst reagierte Nargonim gar nicht, dann verlagerte er den Kopf so, dass er von Eri weg zeigte. Der Junge sank ein wenig zusammen. „Ich verstehe dich. Ich verdiene deine Vergebung wahrscheinlich auch nicht, ich habe dir zuviel angetan. Auch das mit dem...mit dem Jäger...“ Er zog die Nase hoch. „Das war meine Schuld...“ Nargonim rührte sich nicht. Nur eine feine Rauchspur schlängelte sich durch die Luft, deren Ursprung in seinen Nüstern lag. „Aber versteh mich doch bitte!“ fuhr Eri fort. „Ich habe einen schweren Fehler begangen...nein, eigentlich zwei. Ich habe Goran in mein Herz gelassen und ich habe diesem Jäger geholfen, weil ich für Goran frei sein wollte.“ An dieser Erkenntnis hatte er lange gesessen. „Aber ich habe eines nicht begriffen! Ich sah mich als dein Gefangener, ich habe nie erkennen wollen, was ich für dich bin. Nicht nur jemand, der dich krault oder der auf deinem Rücken reitet. Ich bin der Einzige, der deine Einsamkeit mit dir teilt und glaube mir, als ich endlich begriff, wie sehr ich dir weh getan habe...ich hatte kein Recht dazu...“ Der Rauch verdichtete sich, doch Nargonim rührte immer noch keinen Muskel. Dann plötzlich hob er den Kopf und sah Eri durchdringend an, um sein Haupt gleich wieder zu senken. Dieses Mal dem Rothaarigen zugewandt. Der Junge war zusammengezuckt, es war sein Schuldbewusstsein, das dies verursachte. „Ich weiß...ich weiß, wie viel Schande ich über mich gebracht habe, wie sehr ich dich enttäuscht und verletzt habe, aber ich wollte das nicht!“ Er wischte sich über die Augen. „Ich weiß nicht, ob ich dich je lieben kann...so wie ich Goran liebe...“ Sein Blick war nun fest auf das Grün des Drachen gerichtet. „Aber ich will bei dir bleiben...wenn du mich lässt. Ich werde Goran nie wiedersehen und dein Gefährte sein. Und vielleicht lerne ich ja auch, dich zu lieben, denn gern habe ich dich, auch wenn ich zu dumm war, das zu sehen.“ Leises Knurren drang aus der Drachenkehle und die Augen verengten sich. Nargonim schien ihm immer noch nicht zu glauben. Er hatte auch genug von diesem Gewimmer, es nervte. Eri jammerte und suhlte sich in Selbstmitleid. Gleichzeitig glaubte der Drache auch nicht, dass es etwas anderes als Mitleid war, das der Junge für ihn empfand. Mit einem Ruck stand er auf und breitete die Flügel aus. Ein letzter Blick traf den Rothaarigen, dann stieß sich die Echse kraftvoll ab und flog davon. Eri sah zu und war wie vor den Kopf gestoßen. Er öffnete Nargonim sein Innerstes und der ließ ihn sitzen. Eri sprang auf die Beine. „Was willst du denn noch?! Was soll ich tun?!“ brüllte er ihm hinterher. „Ich kann es doch nicht ungeschehen machen!“ Er trat gegen einen Stein, der in den Teich flog. „Verdammt!“ Wütend ging er in die Höhle. Auch am nächsten Tag kam der Drache nicht zurück. Eri tappte weiterhin im Dunkeln, denn er wusste nicht, woran er war. Würde Nargonim ihm verzeihen oder sah er für den Rest seines Lebens den Verräter in ihm? Aus Wut und Frustration zerstörte er einige seiner Kunstwerke an den Höhlenwänden und schrie seine Verzweiflung hinaus. Das Echo wurde noch viele Meilen weiter getragen. Die Sonne sank spät zu dieser Jahreszeit und Eri war müde und legte sich früh schlafen. Es war ganz still in seinem Zuhause. Kein regelmäßiger tiefer Atem wie in den letzten Tagen. Absolute Stille. Er klammerte sich in seine Felldecke und ballte die Fäuste. Es war alles dahin. Nargonim hatte ihn vielleicht nicht getötet, dafür aber verstoßen. Eri fühlte sich schrecklich, das hatte der Drache nicht verdient. Irgendwann schlief er endlich ein, obwohl die Stille in der Höhle ihn beinahe erdrückte. Es war mitten in der Nacht, als sich eine Gestalt der Schlafstätte näherte. Sie setzte sich auf die Bettkante und streckte eine Hand aus, um dem Schlafenden einige Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Eri fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch. Sein Schlaf war nur leicht, seine Nerven angespannt. Panisch zuckte er zurück, erwartete schon wieder jemanden wie Tjerke, doch als er die Gestalt erkannte, war es nicht viel weniger schlimm als ein Drachenjäger. „Was tust du hier?!“ zischte er Goran zu. „Ich wollte dich sehen. Ich habe dich vermisst.“ Der Mann lächelte traurig und ließ seine Fingerspitzen über Eris Wange wandern. „Lass das!“ Eri wich zurück, entfernte sich von den Fingern, deren Berührung so unendlich gut tat. „Du darfst nicht hier sein! Er wird dich töten!“ „Er ist nicht hier. Eri, ich habe nachgedacht.“ Goran machte ein ernstes Gesicht und starrte blicklos in das so schöne Antlitz. „Lass uns fliehen. Wir müssten es nur bis zum Tal der tausend Flüsse schaffen, dort ist die Grenze für alle Drachen. Keiner könnte sie übertreten ohne zu sterben, denn dort werden sie erbittert gejagt.“ Er ergriff Eris Hände und drückte sie gegen seine Brust. „Ich liebe dich und ich will mit dir zusammen sein, egal, was es kosten mag. Du bist mir das Liebste im Leben geworden. Du bedeutest mir mehr, als Nargonim es je konnte.“ Eri sah ihn an, musterte seine Hände auf der breiten Brust, fühlte den Herzschlag und die Wärme. Alles in ihm schrie danach, sofort zuzustimmen. Mit Goran wegzulaufen und vielleicht wirklich glücklich zu werden. Oder zusammen zu sterben. Doch Eri wusste, welche Entscheidung er zu treffen hatte. Und das zeigte vielleicht am deutlichsten, wie reif er geworden war. „Nein.“ Er löste seine Hände von Goran und stand auf, brachte Distanz zwischen sich und den Mann, den er so sehr liebte. „Nein.“ „Warum nicht?“ Goran stand auf und ging einen Schritt hinter Eri her. Auf seinem Gesicht konnte man den Unglauben und die Verletztheit ablesen. Eri machte sofort einen weiteren Schritt zurück. „Weil es nicht richtig ist! Ich liebe dich, Goran, ich liebe dich so sehr, dass es schmerzt. Aber wir können nicht zusammen sein! Ich gehöre zu Nargonim und er hat es nicht verdient, dass ich so auf seinen Gefühlen herumtrampele! Bitte geh!“ Er wunderte sich, wie leicht er die Worte über die Lippen brachte. „Du ziehst ihn mir vor, obwohl du mich liebst? Obwohl dein Herz mir gehört, willst du weiter bei ihm bleiben? Aus Mitleid?“ Goran zeigte keine tiefe Gefühlsregung, da war nur Wachsamkeit. „Ja. Ich habe Mitleid mit ihm, aber es ist nicht nur das. Nargonim ist ein wundervolles Wesen und ich will nicht, dass er auf ewig allein sein muss. Ich will für ihn da sein, so gut ich es kann. Und ich bin mir sicher, dass ich auch lernen werde, ihn zu lieben und nicht nur gern zu haben.“ Eri drehte sich weg, schaute auf die andere Wand. Sein Herz zerriss in diesem Moment, aber er blieb stark. „Bitte geh und komm nicht wieder her. Vergiss uns, mich, alles.“ Goran ballte die Hände zu Fäusten und sah ihn weiterhin an. Seine Stimme war ruhig und bar jeglichen Zitterns, trotzdem konnte man aus ihr den tiefen Schmerz hören. „Das ist unmöglich. Aber wenn es dein Wunsch ist, werde ich gehen und dich nie mehr sehen.“ Er trat dicht hinter Eri und umschlang ihn ein letztes Mal leidenschaftlich mit seinen Armen. Der zierliche Körper passte so perfekt in seine Umarmung. Goran vergrub sein Gesicht in der feurigen Mähne und sog ihren Duft tief ein. Ein letztes Mal küsste er Eri auf die Wange. „Ich werde dich immer lieben.“ flüsterte er in sein Ohr und trennte sich wieder. Im nächsten Moment war er schon aus der Höhle verschwunden. Eri blieb einfach stehen. Er drehte sich nicht um, rührte sich nicht. Nur die Träne auf seiner Wange wischte er mit dem Handrücken weg, versuchte die Erinnerung an die Wärme der eben erlebten Umarmung zu verdrängen. „Leb wohl.“ Langsam ging er zu seinem Lager zurück und rollte sich zusammen. Und so blieb er auch am nächsten Tag. Vergraben in seiner kleinen Welt aus Stein und Kälte. Er rührte sich nicht, aß nichts. Blieb einfach liegen. Die Sonne ging auf und zog am Himmel entlang, überschritt bald schon ihren Zenit. Nargonim verbracht die Zeit mit der stärksten Sonnenstrahlung draußen und ließ sich wärmen. Er hatte morgens kontrolliert, ob Eri noch da war und ihn seitdem nicht mehr gesehen. Das kleine Häuflein Elend weigerte sich das Futter anzurühren, was er ihm gebracht hatte und Nargonim roch immer wieder den Schmerz des Kleinen. Jetzt da die Sonne langsam dem Horizont zuwanderte, erhob sich der Drache und marschierte in die Höhle. Er betrachtete Eri und knurrte dann dunkel auf. Der Junge hob nicht einmal den Kopf. „Ich möchte nicht aufstehen. Bitte...“ Nargonim scharrte mit den Krallen und gab auffordernde Laute von sich. Diese Trübsal war nicht zu ertragen. „Ich möchte heute nicht raus. Bitte lass mich einfach.“ Eri erhob sich dennoch etwas und sah den Drachen flehend an. „Nur heute...bitte...“ Die Echse schüttelte den Kopf und zischte. Als wolle er in die viel zu kleine Höhle eindringen, rammte Nargonim mehrmals mit den Schultern gegen die Öffnung, so dass sich einige Stücke des Felsens lösten und herab fielen. Wenn es nötig war, würde er Eri aus seinem Bett schleifen. Und wenn er den ganzen verdammten Berg zerstören musste. Eri zuckte zusammen und stand nun doch auf, wenn auch sehr widerwillig. Von einem Trümmer erschlagen zu werden, war ja nun auch keine Alternative. Er kam auf den Drachen zu, damit dieser endlich mit seinem infernalischen Treiben aufhörte. „Soll ich dich etwas kraulen?“ fragte er lustlos. Wieder schüttelte Nargonim kaum merklich den Kopf und wandte sich einfach ab, um nach draußen zu gehen. Eri schnaubte, wagte aber nicht sich wieder hinzulegen. Mehr als unwillig folgte er dem Drachen ins Sonnenlicht des Nachmittags. Auf dem Vorplatz wartete die Echse bereits. Sie sah Eri durchdringend an und verhielt völlig reglos in der ihm angeborenen imposanten Pose. Der Kopf war majestätisch vorgereckt, die Flügel locker an die Flanken gelegt, so dass man ihre Spanne nur erahnen konnte. Er wirkte völlig entspannt und die grünen Augen wurden weicher, fast liebevoll. Leises Gurren ertönte, das Eri näher locken sollte. Allmählich konnte der Junge nicht anders als zu lächeln. Nargonim sah immer wieder atemberaubend aus, besonders jetzt, die Sonne ließ ihn regelrecht strahlen. Ein wunderschönes Wesen voller Magie, ein Anblick, den man nie im Leben vergaß. „Ich bin ja hier.“ Er lächelte immer noch. Nargonim wollte ihn offenbar aufheitern, vielleicht verzieh er ihm ja doch. Der große Kopf senkte sich zu ihm herab und stupste Eri hauchzart an. Es war eine sehr zärtliche Geste für einen Drachen. Mit einem lauten Brüllen richtete er sich dann wieder auf und sein Körper begann plötzlich zu verschwimmen. Die Form löste sich auf und schrumpfte immer mehr zusammen. „Bei den Göttern! Was...?!“ Eri wich zurück. Er war kreidebleich. Was ging hier vor? Starb Nargonim etwa?! Von dem Drachen war bald tatsächlich nichts mehr übrig. Er hatte sich aufgelöst und dafür einen nackten Mann mit kurzen schwarzen Haaren zurück gelassen, dessen grüne Augen Eri liebevoll betrachteten. Goran sagte kein Wort, sondern lächelte nur leicht. Eri brachte keinen Laut hervor. Er stolperte zurück, fiel hin. Was passierte hier? Er starrte Goran voller Verständnislosigkeit an. Dieser setzte sich in Bewegung und kam langsam auf sein Feuerkind zu. „Du guckst, als hättest du einen Geist gesehen.“ schmunzelte er und kniete auf ein Bein nieder. „Oder sehe ich so umwerfend aus?“ Eri starrte ihn nur an, den Mund halb geöffnet. Gorans Miene wurde ernst und er streckte die Hand aus, um sie auf die Wange des anderen zu legen. Eris Blick war immer noch auf ihn gerichtet. Er schreckte fast vor der Hand zurück. „Was...?“ „Fürchtest du dich vor mir? Nun, da du weißt, was ich bin? Nun ja, eigentlich wusstest du es ja die ganze Zeit.“ „Ich verstehe das nicht...“ Eris Stimme war so schwach und zittrig. „Ich bin Nargonim und Nargonim ist ich.“ lächelte Goran und seine Augen flackerten in den verschiedensten Grüntönen. „Ich brauchte lange, um zu verstehen, dass es für dich nicht einfach ist, als Mensch einen Drachen zu lieben und ich war wütend, weil du nur für meine menschliche Gestalt gefühlt hast.“ Eri stierte ihn nur weiter an. Er konnte die Worte kaum aufnehmen, sie entglitten seinem Geist wie Sand zwischen den Fingern. Das alles war so verwirrend, so unerwartet. Langsam, unendlich langsam, begriff er. Nargonim und Goran waren ein und die selbe Person. Oder eher ein und das selbe Wesen. Goran hatte die ganze Zeit... Eris Hand klatschte in das liebevoll Gesicht. „Du hast nur mit mir gespielt!“ schrie er den Drachenmann an. Dieser wirkte nicht verwundert über diese Reaktion. Sein Kopf war zur Seite geschnellt, wo er nun erst einmal blieb. „Nein, das habe ich nicht.“ Goran sah Eri wieder an. Ernst, aber nicht wütend. „Ich habe dich auf die Probe gestellt.“ „Du gemeiner Hund! Du Mistkerl!“ Eri warf sich gegen den Mann und schlug ungezielt zu. Er wollte Goran weh tun, ihm Schmerzen zufügen. Solche wie die, die er durchgestanden hatte. „Du Hund!“ „Nein, Drache.“ Damit packte der Mann mit einer Kraft die Handgelenke des Jungen, die man ihm nicht zugetraut hätte, auch wenn Goran nicht schwach aussah. Aber er war immer noch ein Drache und besaß somit auch dessen Fähigkeiten und Kräfte. „Beruhige dich.“ Er schloss Eri in die Arme und drückte ihn erbarmungslos gegen sich. Der Rotschopf weinte und schrie zunächst, doch seine Gegenwehr erschlaffte zusehends in den Armen seines Geliebten. Schließlich lag er nur noch wimmernd darin und presste sich an den warmen Körper, der ihm in so vielen wundervollen Nächten Schutz und Geborgenheit geschenkt hatte. Goran hielt ihn an sich gedrückt und sagte nichts, bis Eri sich beruhigt hatte. Er wollte ihm Zeit lassen, um das Gesehene zu verarbeiten. „Lass uns rein gehen. Dort können wir über alles reden.“ Eri nickte nur und klammerte sich an ihn, als habe er Angst, gleich aus einem Traum zu erwachen. Goran brachte sein Anhängsel in die Wohnhöhle und legte sich mit Eri aufs Bett, da er befürchtete der Kleine würde vom Stuhl fallen bei den folgenden Erläuterungen. „Eri...du musst mich verstehen. Es war der einzige Weg, um herauszufinden, ob du mich liebst oder lieben kannst. Lieben, egal in welcher Form ich bin.“ „Aber ich...ich habe dir doch schon lange gesagt, dass ich dich liebe!“ Eri weigerte sich standhaft, die Hand Gorans freizugeben. „Ja, du hast gesagt, dass du Goran liebst und warst bereit dafür Nargonim töten zu lassen.“ Es klang nicht wie ein Vorwurf, denn der Schwarzhaarige wollte Eri lediglich die Zusammenhänge erklären. „Der Drache war für dich die Bestie, die dich entführt hat, aber kein Wesen, das fühlen und leiden kann.“ „Ich war blind aus Liebe zu dir.“ flüsterte Eri, eine Selbsterkenntnis, die schmerzhafter nicht sein konnte. „Deshalb konnte ich mich dir nicht sofort offenbaren, denn dann hättest du mich als Drache nicht geliebt, sondern nur die Gewissheit, dass ich auch eine menschliche Form annehmen kann. Aber du musst dir im Klaren darüber sein, dass ich ein Drache bin. Kein Mensch. Nargonim ist kein anderes Wesen, sondern ich. Verstehst du das? Die Gestalt, die du jetzt siehst, habe ich nur, weil du ein Mensch bist und ich als Drache mit dir nicht zusammen sein könnte. Wärst du ein anderes Wesen, wäre ich es auch. Nur der Drache bleibt.“ „Das ist alles so...verworren.“ Er lächelte. „Aber ich glaube, ich verstehe.“ Eri lachte leise auf. „Wenn mir vor ein paar Monaten jemand gesagt hätte, dass ich einst einen Drachen lieben würde, ich hätte ihn für verrückt erklärt.“ Nun löste sich auch der angespannte Ausdruck auf Gorans Gesicht und er lächelte. Zärtlich strich er eine Strähne aus dem so schönen Antlitz und küsste Eri hauchzart. Es machte ihn glücklich, dass der Junge es verstand und damit zurecht kam. „Als du mir von dem Drachenjäger erzählt hast, dachte ich, alles wäre vorbei. Ich hätte dich am liebsten in Stücke gerissen.“ „Warum hast du es nicht getan?“ fragte Eri, doch dabei beugte er sich vor, nahm sich einen weiteren dieser herrlich süßen Küsse. „Warum hast du mich stattdessen...geliebt?“ „Weil ich nach und nach erkannt habe, dass es meine eigene Schuld war. Du bist so zerbrechlich und sensibel. Du brauchtest nicht nur Schutz, sondern auch Wärme, menschliche Wärme. Aber ich habe sie dir nicht gegeben, also musstest du unweigerlich solch eine Entscheidung treffen.“ Er brachte Eri halb unter sich, so dass er sich nur mit einem Ellenbogen neben ihm abstützte. „Außerdem hast du bereut. Es tat dir leid und du hattest es aus Liebe getan. Aus falscher Liebe zwar, aber dennoch.“ Goran küsste seinen kleinen Gefährten sanft und streichelte ihm über die Seite. „Und ich habe noch nie ein Wesen wie dich gesehen. Ein Feuerkind mit so einem herrlichen Körper und Geist.“ „Ich bin doch nichts Besonderes. In meinem Dorf haben sich immer alle über meine Haare lustig gemacht, keiner hatte so rote wie ich.“ Eri hatte die Augen halb geschlossen und atmete nun ruhig, die Berührungen waren so vertraut, so zärtlich. Er hatte nicht geglaubt, sie je wieder erfahren zu dürfen. „Sie sind wunderschön, wie Feuer.“ Goran griff in die dicke Mähne hinein und rollte sich ganz auf Eri. „Du bist wunderschön. Und dein Körper passt sich dem meinen perfekt an.“ Er streifte dem Jungen seine Hose von den Beinen und rutschte zwischen sie. Eri keuchte auf. Das hatte er nun nicht erwartet. Aber es war ihm willkommen. Er liebte die Schwere von Gorans Körper auf dem seinen, genoss jede Berührung, jede Sekunde, wenn der Mann ihm so nahe war. Und mit einem Mal wirkte er noch anziehender, noch geheimnisvoller. Es waren seine Augen. Sie waren nicht mehr einfach nur noch schön. Sie waren magisch. „Ich will dich, Eri.“ hauchte Goran und nippte an den vollen roten Lippen. „Ich bin dein...mein Körper, meine Seele, mein Geist und all meine Liebe gehören dir.“ Eri gierte regelrecht nach den Küssen. Das Verlangen zwischen ihnen war nicht mehr aufzuhalten und sie umschlangen sich wie Ertrinkende. Goran verschwendete keine Zeit, sondern hob das Becken des Jungen einfach an und drang in ihn, während eines tiefen Kusses. Eri verspürte keinen Schmerz, da sein Geliebter ihn mit seiner Macht fortgewischt hatte. Dieses Mal liebten sie sich nicht einfach nur, es war eine magische Vereinigung, die sie näher brachte, als jemals zuvor. Von dem Drachenmann floss etwas auf Eri und umgekehrt. Sie waren eins und Goran ließ es seinen Gefährten spüren. All die Macht, die Kraft und Erfahrung. Er teilte sie mit Eri in einem berauschenden Tanz ihrer Körper. Der Rothaarige klammerte sich überwältigt davon an den starken Körper. Mehr denn je hatte er das Gefühl, in Gorans Feuer zu verbrennen. Und lieber als heute, hatte er es nie getan. Er gab sich dem Drachen hin, alles von sich. Für alle Ewigkeit, wenn Goran es so wollte. Später lagen sie friedlich nebeneinander, Eri eng gegen seinen Drachen geschmiegt. Es war wieder ganz ruhig in der Höhle. Die Echos ihrer ekstatischen Schreie waren in der Nacht verklungen. In der Umarmung aus Wärme und Liebe fühlte sich der Junge zum ersten Mal vollkommen sicher. Verträumt schaute er sein magisches Wesen an, ergötzte sich an dem Anblick seines wunderschönen Gesichtes. Er hatte schon lange festgestellt, dass er sich an Goran nie satt sehen konnte. „Darf ich dich was fragen, Goran? Oder soll ich nur noch Nargonim sagen?“ „Du musst nicht. Aber wenn du willst, kannst du es tun.“ Der Drachenmann lächelte auf seinen kleinen Gefährten herab. „Es spielt keine Rolle, wie du mich nennst, mein Feuerkind. Was möchtest du wissen?“ „Diese Geschichte...Goran und der Drache. Ihre Liebe, der Betrug...hast du dir das alles für mich ausgedacht?“ Seine Finger tanzten sanft über den kräftigen Arm des Drachen. „Nein, es ist wirklich geschehen. Vielleicht habe ich manches dazu erfunden oder weggelassen, aber er hat mich wirklich betrogen.“ Gedankenverloren strich Goran über die zarte Haut. „Er hieß Nica.“ Eri versuchte sich ein Gesicht zu dem Namen vorzustellen, seine Phantasie war sehr ausgeprägt, was ihm ja auch bei der Malerei zugute kam. „War er ein Opfer? So wie ich?“ „Sie waren immer Opfer so wie du. Aus deinem Dorf stammen all meine Gefährten, die ich im Laufe der Jahre hatte. Manche waren nur Freunde, andere Geliebte. Es gab nur wenige, die ich gefressen habe. Sie hatten es nicht anders verdient. Aber ich habe sie auch ziehen lassen, wenn es für ihr Seelenheil das Beste war.“ Goran lächelte schmerzerfüllt. Jeder Abschied war ihm schwer gefallen und er hatte keinen je wieder gesehen. Noch heute vermisste er diese Jungen und hoffte, dass sie ein glückliches Leben geführt hatten. Die Offenbarung, dass Nargonim durchaus auch Opfer gefressen hatte, ließ Eri kurz erschaudern, aber er konnte sich nicht denken, dass sein Drache das aus reiner Bosheit getan hatte. Trotzdem verscheuchte er den Gedanken aus seinem Kopf. So wollte er Goran nicht sehen. „Und Nica? Hast du ihn verstoßen? In wen hatte er sich verliebt?“ „Nica.“ Der Mann sprach den Namen fast zärtlich aus. Ein trauriger Zug lag um seine Augen. „Nica hatte viel Ähnlichkeit mit dir, obwohl er völlig anders aussah. Er hatte kurze blonde Haare und seine Augen waren so blau wie es nur der Himmel an besonders schönen Sommertagen sein kann. Sein Körper war wie deiner sehr zierlich, aber er war größer als du.“ Goran strich dabei weiterhin über die weiche Haut und küsste Eri sacht. „Aber er hatte nichts von deinem Wesen. Er war abenteuerlustig, rücksichtslos und sprunghaft. Ich habe ihm meine Identität sehr lange verheimlicht. Obwohl Nica bereits 21 war, hatte er deine Reife noch nicht erreicht. Für ihn war ich ein großes Tier, das ihn durch die Lüfte tragen konnte und an kalten Abenden wärmte. Goran war nichts, als ein Freund, mit dem er den Wald unsicher machen konnte. Dennoch habe ich mich in ihn verliebt, denn niemand konnte sich so kindlich über das Singen eines Vogel oder einen Regenbogen freuen wie er.“ Das Lächeln auf Gorans Lippen war innig, die Augen geschlossen und er erinnerte sich an die freudigen Züge des jungen Mannes. „Er hat mit dem, was er tat, nie etwas Böses gewollt. Man könnte sagen, er wusste es nicht besser. Als ich einige Zeit weg war, verliefen sich einige Jäger in dieses Gebiet. Normalerweise meiden sie es, weil sie wissen, dass es ihren Tod bedeuten könnte, aber diese kamen von weit her. Nica lief ihnen bei einem seiner Streifzüge über den Weg und da sein Herz immer offen war, verliebte er sich schnell in einen der Männer. Dabei hatte er mir Liebe geschworen, selbst wenn er sie nicht empfand.“ Eri spürte bei diesem Anblick ein schmerzhaftes Ziehen in der Brust. Eifersucht. Obwohl ja völlig unbegründet. Er biss sich ein wenig auf die Lippen. „Liebst du ihn noch immer?“ Die Frage, die Art wie er sie stellte, verriet seine Gefühle leider nur zu deutlich. Er konnte eben nicht lügen. „Und was ist aus ihm geworden?“ „Ich liebe jeden meiner Gefährten immer noch, ja. Aber es ist nicht die Liebe, die ich für dich empfinde, Feuerkind.“ Er küsste Eri beruhigend und lächelte. Sogar wenn Eri eifersüchtig war, fand er ihn wunderbar. „Er ist mit den Männern weggegangen. Als ich zur Höhle zurück kam, war Nica verschwunden. Meine Sorge war unermesslich und ich suchte lange nach ihm. Meine Angst, ihm könne etwas zugestoßen sein, machte mich fast wahnsinnig.“ Die grünen Augen flackerten. „Schließlich habe ich sie gefunden. Nica war in einer schlechten Verfassung. Der Mann hatte es nicht ehrlich mit ihm gemeint und Nica Gewalt angetan. Ich habe die Jäger alle verschlungen und meinen Gefährten verstoßen. Ich wollte ihn nicht mehr nach diesem Betrug, denn ich konnte ihm weder vertrauen noch ohne Schmerz begegnen. Meine Enttäuschung war zu groß.“ Goran seufzte und schmiegte sich gegen Eri. Er duftete nach verglühendem Feuer, jedenfalls bildete er sich das ein. „Ich brachte Nica zu seinem Dorf, kehrte hierher zurück und versuchte mit dem Verlust zurecht zu kommen. Nach zwei Wochen tauchte Nica plötzlich auf und flehte um Vergebung. Er hatte erkannt, was er verloren hatte und das war auch das erste und einzige Mal, dass ich mich ihm gezeigt habe. Er war erschüttert, hat mich angebettelt, aber mein Entschluss stand fest. Doch Nica war nicht mehr fähig ohne mich zu leben. Er hatte Angst, war allein und in seinem Dorf nicht mehr gewollt. Er flehte mich an in meiner Nähe bleiben zu dürfen, also gestattete ich ihm in der Hütte im Wald zu leben.“ „Aber er war nicht dort.“ stellte Eri eigentlich recht überflüssig fest. Die Geschichte fesselte ihn immer mehr und machte die Eifersucht auf seinen Vorgänger vergessen. „Was ist aus ihm geworden?“ wiederholte er die Frage. „Er ist tot. Nica ist vor zwölf Jahren gestorben, im Alter von 87.“ Goran musste bei dem Gedanken an seinen alten Freund lächeln. „Er hatte ein gutes Leben, auch wenn es ihn schmerzte, dass ich einen neuen Gefährten hatte. Doch Tares starb bei einem tragischen Unfall und ich war wieder allein. Ich war es leid, dass jedes Wesen, dass ich liebte, irgendwann von mir gerissen wurde. Also beschloss ich zunächst kein neues Opfer zu fordern. Seit dem lebten Nica und ich nebeneinander. Er besuchte mich oft und unterhielt sich mit mir. Ich glaube, es hat ihm geholfen. Als er in seinen letzten Stunden nicht allein sein wollte, habe ich mich ihm noch einmal als Mensch gezeigt. Auch wenn der Betrug immer noch schmerzt, habe ich ihm vergeben und das auch gesagt. Er starb glücklich, denke ich.“ Eri antwortete nicht. Das Bild war vor seinem geistigen Auge, der alte Mann, einst ein stolzer und wilder Jüngling, der sein Leben lächelnd in Gorans Armen aushauchte. Ihm liefen die Tränen über die Wangen. Als die Tropfen auf Gorans nackte Haut trafen, sah er Eri verwundert an. Bestürzt seinen Geliebten zum Weinen gebracht zu haben, wischte er die Tränen fort und lächelte aufmunternd. „Warum so traurig?“ „Weil es mich gerührt hat.“ Eri kuschelte sich in seinen Arm, die Tränen verebbten langsam. „Ich schwöre dir, ich werde dich nie betrügen. Ich will immer an deiner Seite sein. Du wirst nie wieder Einsamkeit fühlen.“ Er schloss die Augen. Ja, genau das wollte er. Die Ewigkeit in den Armen seines geliebten Drachen. Kapitel 6: Wandlungen --------------------- Titel: Drachenherz Teil: 6/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: Endlich gibt es ein neues Kapitel. Sorry, war etwas im Klausurenstress, aber jetzt ist es vorbei und es geht weiter ^^' Der erste Abschnitt der Geschichte ist eigentlich schon abgeschlossen, nun beginnt ein neuer. Es freut mich, dass es doch noch einige gab, die von den Offenbarungen im letzten Kapitel überrascht waren ^^ Somit dürfte auch endgültig klar sein, warum Nargonim nicht einfach mit Eri und Goran zusammenwohnen kann ^^ Trotzdem ist euer Wunsch von einer WG doch erfüllt...irgendwie *fg* Nun also viel Spaß mit dem nächsten Kapitel und noch einmal vielen Dank an die fleißigen Kommischreiber! Wandlungen „Goran? Hey, Goran! Schau, was ich gefangen habe!“ Eri kam aus dem Wald geeilt, über seinen Schultern ein stattliches Reh, durch dessen Gewicht er leicht gebeugt ging. Seine roten Haare, zu einem langen Zopf fast bis zum Po gebunden, fielen ihm wie eine Flut aus Feuer über die Schulter. Er war ein wirklich gut aussehender Mann geworden. Mit achtzehn hatte er noch einen kleinen Wachstumsschub gemacht und sein Körper war vom Leben in der Wildnis stärker als früher, allerdings immer noch schlank und geschmeidig. In den letzten acht Jahren hatte er nur Glück erfahren und sein Leben mit Goran genossen. Es war die schönste Zeit seines Lebens und er wollte um nichts in der Welt von seinem Drachen getrennt werden.. Goran blickte auf und lächelte seinen Gefährten an mit einem anerkennenden Nicken an. „Da hast du ja wirklich einen guten Fang gemacht. Wo hast du es erlegt?“ Ohne Schwierigkeiten half der Drachenmann seinem Geliebten das tote Tier von den Schultern zu wuchten. Dabei berührten sich ihre Arme und das altbekannte Verlangen wallte in Goran auf. Es verging kein Tag, an dem er sein Feuerkind nicht begehrte und eben in diesen Momenten, in denen ihm die starke, schlanke Gestalt seines Partners bewusst wurde, empfand er dieses Gefühl nur noch intensiver. Eri mochte sich äußerlich verändert haben, war gereift an Statur und Charakter, aber sein Herz war noch genauso kindlich und lebensfroh wie früher. Er erschien Goran jeden Tag schöner. „Dann brauche ich mich ja nicht mehr um die Jagd zu kümmern, nicht wahr?“ „Nein, musst du nicht.“ lachte Eri, seine Stimme hatte sich auch noch etwas verändert, ein wenig tiefer war sie geworden. „Du kannst in der Höhle auf mich warten...und mich nach einer langen Jagd entspannen.“ Er drückte sich gegen Goran und stahl ihm einen Kuss. Dieser schloss seine Arme um den jungen Mann und grinste. Auch der Drache war älter geworden. Allerdings nur um Eris Willen. Er wollte nicht, dass sein Gefährte alterte und er jung blieb, obwohl er es könnte. „Und wie stellst du dir diese Entspannung vor?“ „Du wirst schon die eine oder andere gute Idee haben.“ Eri legte den Kopf gegen die kräftige Brust seines Geliebten. Die letzten Jahre waren wie im Flug vergangen. Er fühlte sich Goran so nah und Nargonim verehrte er nicht weniger stark. Sie unternahmen stundenlange Flüge und wenn der Drache sich ihm als Mensch zeigte, konnte Eri nicht genug von ihm und seinem Anblick bekommen. Er berauschte sich geradezu an dem Äußeren des anderen Mannes, malte ihn Dutzendfach, die Höhle war schon über und über bedeckt mit Bildnissen. Und in seinen Armen fand er eine Erfüllung, die fast nicht von dieser Welt zu sein schien, die Ekstase zwischen ihnen hatte nie abgenommen. Goran drängte Eri einige Schritte Richtung Höhleneingang, dann hielt er inne und seufzte. „Mir fällt eine Menge ein, aber wenn wir diesen Kadaver nicht zerlegen, wird das Fleisch faulig und Insekten nisten sich ein.“ Er hob Eris Kinn zu sich empor und küsste ihn noch einmal leidenschaftlich. Dann trennte er sich von ihm und zog das Reh in den Schatten zum Häuten. „Schaffst du das allein?“ Der junge Mann lächelte. „Ich habe so geschwitzt und würde gern baden.“ „Mach mir nicht solche verlockenden Angebote, wenn ich zu tun habe.“ grinste Goran und zückte das Messer, das immer an seinem Gürtel befestigt war. „Geh schon.“ „Lustmolch!“ gluckste Eri und eilte zum Teich, dabei fingerte er bereits an den Verschnürungen seines Hemdes. Die Kleidung aus Leder und Fell passte ihm als sei sie für ihn gemacht. Was sie ja auch war. Goran hatte ihm gezeigt, wie man sich selbst Kleider herstellte. Im Gehen streifte er das Hemd ab, so dass der Stoff ihm kurz die Sicht nahm. Dieser Augenblick der Unachtsamkeit genügte bereits. Eri trat auf einen spitzen Stein, knickte um und stürzte mit einem Schrei. Sein Kopf schlug gegen einen Felsen und er sank lautlos daran zusammen und blieb liegen. Auf dem Stein klebte etwas Blut. „Eri!“ Goran ließ das Messer fallen und stürmte zu dem Verletzten. Vorsichtig drehte er ihn auf den Rücken und umfasste seinen Hinterkopf. „Eri, wach auf! Los, mach die Augen auf!“ Das Blut floss langsam über das Gesicht hinab und Goran wischte es mit der Hand weg. In seinem Inneren krampfte sich etwas zusammen, das er bereits lange kannte und all die Jahre verdrängt hatte. Kurzerhand nahm er Eri auf die Arme und trug ihn in die Höhle. Auf dem Bett abgelegt, wurde der junge Mann sofort versorgt, während der Drache weiterhin leise auf ihn einredete. Kalte Angst presste seine Eingeweide zusammen. Es dauerte ein paar Minuten, doch schließlich flatterten Eris Lider und er öffnete langsam die Augen. Benommen schaute er hin und her. „Was...wo bin ich?“ Er verzog das Gesicht, wollte an seine Stirn fassen, wo Schmerz flammte. Goran fing seine Hand ab und tupfte statt dessen mit einem feuchten Lappen um die Wunde herum. „Ruhig. Du bist gefallen und an einen Fels geschlagen. Bleib liegen.“ Die Erleichterung drängte der Drache zurück, damit er sich gänzlich auf die Versorgung konzentrieren konnte. „Ich wollte....baden...wieso...“ Eri war schwindelig. „Ich habe so Kopfschmerzen...“ „Ja, du hast auch eine hübsche Platzwunde, mein Feuerkind. Bleib einfach ruhig liegen, bis ich sicher sein kann, dass dein Kopf nicht noch mehr Schaden genommen hat.“ Mit einem liebevollen Lächeln beugte sich Goran über seinen Gefährten und sah ihm in die Augen. Sie wirkten noch verklärt und orientierungslos. „Du wirst es überleben.“ Er küsste ihn auf den Mund und holte dann aus einer Schatulle Nadel und Faden. „Was hast du vor?!“ Eri hatte die Werkzeuge gesehen und war hoch gefahren, soweit war sein Verstand dann doch klar. Aber er sank sofort mit einem Stöhnen zurück, die Augen zusammen gepresst. Sein Kopf schien zu bersten und schon wieder fühlte er die Wärme von Blut. „Bleib liegen!!“ donnerte Goran und funkelte ihn wütend an. „Hör wenigstens einmal auf mich!“ Geschickt fädelte er den Faden in die feine Öse der Nadel und setzte sich dann neben Eri aufs Bett. „Halt still.“ Eris Augen fixierten die glitzernde Nadel, er zitterte am ganzen Körper. Der schwarzhaarige Mann hielt seinen Kopf fest. Die feinen Züge hatten sich verdunkelt, denn dieses Verhalten verletzte den Drachen. Er setzte die Nadel an der Wunde an, doch Eri versuchte sich mit aller Kraft zu befreien. „Bitte nicht! Was machst du?!“ Seine immer noch trüben Augen spiegelten Angst wider. „Tu mir nicht weh! Bitte nicht! Bitte!“ Eri weinte. Egal, ob Mann oder Junge, Eri hatte immer noch schreckliche Angst vor Schmerzen und wurde wie ein ängstliches, kleines Kind, wenn es dazu kam. Das Gesicht des Drachen wurde zu Stein und die grünen Augen verengten sich wütend. Er legte die Nadel schweigend beiseite und stand auf. „Dann willst du lieber, dass die Wunde offen bleibt und sich entzündet, ja? Dass sich Eiter bildet, der dir dann stinkend in die Augen rinnt? Bitte. Aber glaub nicht, dass es schmerzfrei wird.“ „Entschuldige!“ schluchzte Eri. „Ich bin erbärmlich...ich habe nur solche Angst vor der Nadel...bitte hilf mir!“ Er streckte die Hand nach Goran aus. „Bitte...es tut mir leid.“ Dieser sah ihn nur stumm an, doch Eri konnte nach so langer Zeit den verletzten Ausdruck deuten. „Vertraust du mir so wenig? Glaubst du wirklich, ich würde dir Schmerzen zufügen wollen? Oder würde zulassen, dass dir welche zugefügt werden?“ Der Jüngere schüttelte schwach den Kopf. Er schämte sich in Grund und Boden. „Bitte...bitte verzeih mir. Das wollte ich nicht...nicht sagen...“ Seine Augen suchten im Grün des Drachen nach Vergebung. „Ich vertraue dir über alles.“ „Ist das so?“ Goran klang nicht überzeugt und blieb auf Distanz. Eri zog einen Schmollmund, was bei seinem nicht allzu kantigen Gesicht schon wieder kindlich wirkte. „Dass du das anzweifelst ist mindestens genauso verletzend wie meine Reaktion auf die Nadel...“ „Dann sind wir ja jetzt quitt.“ Goran trat wieder ans Bett und setzte sich. Er nahm die Nadel in die eine Hand und legte die freie auf Eris Kopf. „Wirst du jetzt ruhig sein?“ „Ich...ich versuche es...versprochen.“ Eri schloss die Augen und atmete tief ein. Goran sagte nichts dazu. Es blieb eine Zeit lang still, während der Eri vermutete, dass Goran noch überlegte, wie er am besten vorgehen sollte. „Fertig. Steh aber noch nicht auf, ich will erst einen Verband holen.“ Er legte die Nadel in die Wasserschale und suchte Stoff heraus. „Was? Wie? Fertig?“ Eri hätte sich fast an die Stirn gegriffen, hielt sich aber zurück. Er hatte keine Schmerzen gehabt, nicht einmal einen Hauch. Die Wunde pochte noch, aber er hatte nicht einen Nadelstich gespürt. Nun allerdings wurde das Pochen stärker und schmerzhafter. „Ich habe dir doch gesagt, ich würde dir nie weh tun.“ Goran faltete den Stoff zu einem kleinen Kissen und legte es auf die Naht. Mit einem langen Verband umwickelte er die Stirn seines Feuerkindes und prüfte noch einmal kurz den Halt. „Du solltest schlafen und dich ausruhen. Heute stehst du nicht mehr auf.“ „Bleibst du bei mir?“ Eri erinnerte sich an das erlegte Tier. „Oder kommst zumindest nachher zu mir?“ „Würde ich meinen verletzten Gefährten lange allein lassen?“ Goran ging hinaus und widmete sich seiner Arbeit. Der Vorfall hatte etwas in ihm ausgelöst, einen Gedanken geweckt, der nun nicht mehr zu vertreiben war. Eri hätte sich bei diesem Sturz auch den Schädel einschlagen oder das Genick brechen können. Es wäre ganz leicht gewesen. Eine Sekunde entschied über Leben und Tod. Und es wäre nicht das erste Mal, dass er durch einen Unfall seinen Gefährten verlor. Er kehrte mit dem zerlegten Reh später in die Höhle zurück und machte dabei ein Gesicht, als wäre der gesamte Berg über ihnen zusammen gebrochen. Eri hatte ein wenig geruht, aber wirklich schlafen konnte er nicht. Das dumpfe Hämmern hatte sich mit einem unangenehmen Brennen vermischt und hielt ihn wach. Als er seinen Geliebten sah, der sich daran machte, das einen Teil des Rehs für sie beide zuzubereiten, bekam er das unangenehme Gefühl, dass etwas nicht stimmte. „Alles okay?“ Keine Antwort. Goran starrte auf das Feuer. Er hatte mit einiger Arbeit eine Art Kamin in den Fels gehauen. Der Rauch zog durch einen engen Schacht ab und ermöglichte das Kochen im Inneren. „Nein.“ Damit setzte er den großen Wasserkessel auf und zerkleinerte Fleisch und Gemüse, das er in dem kleinen Garten vor der Waldhütte anbaute. „Was hast du?“ Eri versuchte sich aufzusetzen, beließ es dann aber bei einer Seitenlage. So war sein Kopf erträglicher. „Bist du mir böse? Ich wollte dich nicht kränken.“ „Ich bin dir nicht böse, mir ist nur etwas aufgegangen.“ Nachdem er die Fleisch- und Gemüsestücken ins Wasser geworfen hatte, gab er noch einige Gewürze und Kräuter dazu. „Was denn?“ Eri hatte ein wenig Angst vor der Antwort. Der leckere Geruch des Essens begann sich im Raum auszubreiten. „Dass du sterben wirst.“ Goran klang mehr als nüchtern. Langsam rührte er in dem Eintopf herum. Bedächtig, als wälze er den Gedanken noch hin und her. Nun fuhr Eri doch auf, er hielt sich den Kopf, achtete aber nicht auf die Schmerzen. „Was redest...was redest du da?! Du hast gesagt, es sei nicht schlimm!“ Er war kreidebleich. „Ich will nicht sterben!“ „Dummkopf. Nicht wegen der Wunde.“ Nun musste Goran doch auflachen. Das war so typisch für sein Feuerkind. Schlussfolgern war nicht seine Stärke. „Ich rede von deinem Leben. Irgendwann wird es zuende sein. Du bist sterblich.“ „Aber das bist du doch auch! Du alterst wie ich!“ Eri begriff nicht. Oder er wollte es nicht. Mit seiner Sterblichkeit konfrontiert zu werden, behagte ihm nicht, er fürchtete den Tod und wollte nicht einmal daran denken müssen. „Nein, Eri. Ich werde älter, aber ich altere nicht. Was du siehst, ist nur eine Form, die ich dir zuliebe annehme. Hast du es immer noch nicht begriffen? Ich könnte auch jetzt noch so aussehen, wie am ersten Tag, als wir uns begegneten. Alter spielt für mich keine Rolle. Ich bin ein Drache, Eri, ich bin unsterblich, was das Altern anbelangt. Natürlich kann ich sterben, genau wie jedes andere Lebewesen. Wenn du mir einen Speer ins Herz rammst, bin ich tot. Wenn du mir den Kopf abschlägst, bin ich tot. Wenn du mich von oben bis unten aufschlitzt, bin ich tot.“ Mit jedem Wort war Goran näher gekommen. „Aber die Jahre...die Jahre können mir nichts anhaben. Dir jedoch schon. Du bist jetzt 25. Das bedeutet, wir haben maximal noch 65 bis 70 Jahre – und das ist großzügig geschätzt.“ Goran setzte sich und strich seinen Geliebten über die Wange. Sofort ebbte der Kopfschmerz ab. „Verstehst du nicht? Diese Zeit ist für mich ein Wimpernschlag. Ich bin mehr als 3000 Jahre alt.“ „Ich...ich habe nie darüber nachgedacht.“ Eri fiel es wie Schuppen von den Augen, Drachenschuppen. Er drängte sich gegen Goran. „Aber ich will dich nicht verlieren...oder dass du mich verlierst...ich habe dir doch versprochen, auf ewig bei dir zu bleiben!“ „Das war ein dummes Versprechen. Du kannst es nicht halten.“ Der Mann erwiderte die Umarmung nicht, aber schob Eri auch nicht von sich. „So ist das Leben. So war es immer.“ „Das klingt so gar nicht nach dir! Warum gibst du auf? Am besten stößt du mich gleich von einer Klippe oder frisst mich, wenn ich sowieso sterben muss und du das hinnimmst!“ Eri löste sich von ihm, sein Herz war so schwer und schmerzte. „Eri, was glaubst du, wie oft ich das schon durchgemacht habe? Alle meine Gefährten sind einfach gestorben und jedes Mal hat es mir das Herz zerrissen. Nur bei dir habe ich das erste Mal das Gefühl selbst zu sterben.“ Goran sah ihn traurig an und drehte ihm den Rücken zu. „Es muss einen Weg geben! Du bist ein Drache! Du beherrschst Magie! Tu was!“ Eri schrie ihn regelrecht an, sein Kopf hämmerte stärker. „Ich verlange doch keine Unsterblichkeit! Ich will doch nur so lange wie möglich bei dir sein dürfen, möglichst solange du existierst!“ Er steigerte sich richtig hinein, missachtete jedes Gesetz der Natur bei seinem Ansinnen. Goran blieb still, lange Zeit. Er dachte darüber nach und wählte seine nächsten Worte sehr bedacht. „Es gibt einen Weg, aber den wirst du nicht beschreiten wollen. Ich habe ihn jedem angeboten, keiner hat ihn gewählt. Ich verstehe es, denn es ist grausam das zu verlangen und jeder hatte Angst davor.“ Oder sie hatten ihn nicht genug geliebt, um diesen Weg zu beschreiten. Goran wollte an diese Möglichkeit nicht denken. „Wenn du glaubst, dass ich jetzt zurückschrecke, dann weißt du nichts über meine Gefühle für dich! Wenn du mich wirklich so liebst, sprich weiter.“ Eri streckte die Hand aus und strich über den breiten Rücken. „Bitte...ich bin bereit alles für dich zu tun...du bist mein Leben.“ „Was ist dir das Wichtigste auf dieser Welt neben mir? Welcher Besitz ist für dich wichtiger, als alles andere?“ Goran drehte sich um und sah Eri fest an. „Nun stell dir vor, du würdest es verlieren. Das ist der Preis, Eri.“ Der junge Mann erstarrte, das hatte er nun nicht erwartet. Zumal er nicht einmal genau wusste, was ihm das Wichtigste war. Aber als er Goran so vor sich sah, seinen Geliebten, dessen Anblick ihm immer wieder Kraft und Mut gab, egal wie schlecht es ihm ging, dessen Lächeln sein Herz überquellen ließ, weil darin Gorans ganze Liebe strahlte und dessen Augen so tief in seine Seele blicken konnten, dass Eri sich selbst in ihnen verlor, wusste er, was er antworten musste. „Ich würde für dich jedes Opfer bringen.“ Seine Stimme klang stark und sicher. „Red keinen Unsinn, Eri! Dir ist nicht klar, was es bedeutet. Es ist ja nett, dass du es so spontan entscheidest, aber du würdest es bereuen. Das ist keine romantische Handlung, die man nebenbei macht. Kein Versprechen, das man so einfach wieder auflösen kann.“ Der Drache stand auf und ging zu dem Kessel. Er rührte gedankenverloren darin herum und kostete. „Lass es gut sein, Feuerkind. Das Essen ist fertig.“ „Ich will nichts essen!“ Eri drehte sich weg. „Nimm mich gefälligst ernst und stell meine Gefühle für dich nicht in Frage! Ich liebe dich mehr als alles, was man mir nehmen könnte. Auch wenn du das offenbar nicht zu schätzen weißt.“ „Und was wäre, wenn man dir diese Liebe nähme?“ „Das geht nicht! Nicht einmal der stärkste Zauber dieser Welt könnte dich aus meinem Herzen reißen!“ „Es geht nicht um die Stärke, sondern um die Art des Zaubers. Eri, du hast keine Ahnung von Magie! Liebe ist auch eine Form von Magie und zudem eine völlig unergründete. Selbst ich weiß nichts über ihre Geheimnisse. Ich weiß nicht, was dir das Wichtigste ist, aber wenn es deine Liebe zu mir ist oder ich selbst es bin, dann kann es genauso gut sein, dass dir etwas davon genommen wird. Ich habe keine Erfahrung mit dieser Magie, sonst würden wir uns jetzt nicht kennen. Andererseits wäre es unsinnig, wenn gerade das, was wir versuchen damit auf ewig zu erhalten, uns genommen wird. Trotzdem...ich will dieses Risiko nicht eingehen.“ Mit zwei Tellern Eintopf kam er zu Eri hinüber und reichte ihm einen. Dazu gab es Brot, das Eri am Vortag gebacken hatte. „Was haben wir zu verlieren?“ Der Rotschopf aß nun doch, Goran war ein vortrefflicher Koch, er zauberte selbst aus diesen einfachen Sachen etwas Köstliches. „Wenn ich sowieso sterben muss und du mich dann verlierst, warum gehen wir das Risiko nicht ein?“ Er erkannte sich selbst kaum wieder. So mutig war er nur selten. Eigentlich nie. „Weil ich so noch ein halbes Jahrhundert mit dir verbringen könnte. Anderenfalls würde ich dich sofort verlieren und das könnte ich nicht ertragen.“ „Und wenn ich dich um unserer Liebe Willen darum anflehe?“ „Dann würdest du damit zurecht kommen, wenn ich dir genommen werde?“ konterte Goran und schüttelte den Kopf. „Nein.“ Er wusste selbst nicht, warum er sich jetzt so dagegen sträubte. Eri wollte es, wäre bereit alles zu opfern, so wie Goran es sich immer von seinen Gefährten gewünscht hatte. Das war für den Drachen immer der äußerste Beweis der Liebe gewesen, aber jetzt wollte er es nicht mehr. Sein Feuerkind war ihm wichtiger, als alles andere und er wollte nicht, dass Eri für ihn etwas aufgab. Eri beobachtete ihn und sein sonst so warmes Gesicht verwandelte sich in eine kalte Maske. „Dann will ich meine Freiheit. Lass mich ziehen.“ Die Worte klangen regelrecht unwirklich, aber er sagte sie voller Überzeugung. „WAS?!“ Verwirrung und Entsetzen erfüllte Gorans Herz und quetschte es schmerzhaft zusammen. Eri wollte ihn verlassen? War seine Liebe doch so sprunghaft? So schnell zum Verlöschen zu bringen? „Ich will gehen. Such dir einen neuen Gefährten, einen jungen. Du vertraust mir nicht genug, hältst meine Liebe zu dir für zu schwach. Ich bin nicht bereit hier zu bleiben und dir dabei zuzusehen, wie du dich darüber grämst, dass ich altere. Und ich lege auch keinen Wert auf die Tränen in deinen Augen, wenn ich dann in deinen Armen sterben muss. Nur weil du nicht bereit bist für unsere Liebe ein Risiko einzugehen.“ Er versuchte mit aller Kraft dem entsetzten und verständnislosen Blick Gorans stand zu halten, auch wenn es ihm selbst fast das Herz aus der Brust riss. „DU gehst das Risiko ein, verstehst du das denn nicht?“ Der Drache sprang auf, wobei sein Teller klappernd samt Eintopf zu Boden ging. „Wärst du immer noch so großspurig, wenn du für immer gelähmt in der Höhle lägest, nichts spürst? Vielleicht ist das dein größtes Opfer! Woher willst du das wissen?“ Goran war stinksauer, aber eher, weil die Situation nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte und er sich in die Ecke gedrängt fühlte. „Aber vielleicht werden auch einfach nur meine Haare grau! Oder ich kann nicht mehr sprechen! Das wäre kein Verlust für ein Leben an deiner Seite! Ich würde für dich alles geben!“ Eri warf seinen Löffel in den Teller. „Du warst es doch, der immer so begeistert von Prüfungen war! Das wäre die größte Prüfung meiner Liebe zu dir!“ „Aber ich habe genug Beweise dafür!“ fauchte der Mann zurück, seine Stimme wurde bereits tiefer und bekam den rollenden Drachenakzent. „Ich weiß, dass du mich liebst, ich will keine Prüfungen mehr.“ Sie drehten sich im Kreis, so würde keine Einigung erzielt werden. „Verdammt noch mal!“ Er schlug so fest auf ein Regal, dass es unter der enormen Kraft des Drachen einfach zusammenbrach. Eri zuckte zusammen, fast hätte er Angst bekommen, dass Goran ihn schlagen würde, wüsste er es nicht besser. „Dann treffe ich jetzt eine Entscheidung. Entweder du unterziehst mich diesem Zauber oder du lässt mich gehen und suchst dir einen anderen Gefährten.“ meinte er kühl, überrascht von sich selbst. Soviel Stärke hatte er sich nicht zugetraut. „Und ich lasse mich nicht davon abhalten zu gehen, dann musst du mich schon töten.“ Die Entgeisterung in den grünen Augen erinnerte an ein kleines Kind, dem gerade der Teppich unter den Füßen weggezogen worden war, als er versuchte seine ersten Schritte zu machen.. Dann veränderte sich Gorans Gesichtsausdruck zu einer finsteren Maske und er ballte die Hände. Mit einem Aufschrei wirbelte er herum und stapfte nach draußen. Kaum auf dem Vorplatz angekommen, schwang Nargonim sich in die Luft und strebte immer weiter dem Himmel entgegen. Eri sank auf seinem Bett gegen die dahinter liegende Felswand. Er brauchte Halt, sämtliche Kraft war aus seinem Körper gewichen. Hoffentlich hatte er eben keinen Fehler begangen. „Ich liebe dich so sehr, begreif das doch endlich.“ flüsterte er, die Hände ins Gestein verkrallt. Nargonim kehrte erst tief in der Nacht zurück. Er war Meilen weit geflogen, um sich abzuregen. Dabei hatte er sogar ein kleines Wäldchen in Brand gesetzt. Die Wut glomm immer noch in seinem Bauch nach, doch sein Kopf war wesentlich freier geworden. Auf einer Gebirgskette hatte er sich schließlich ein ruhiges Plätzchen gesucht und den ganzen Tag nachgedacht. Nun landete er mit einem leichten Zittern des Bodens und verwandelte sich sofort in Goran. In der Höhle fand er Eri schlafend vor und legte sich zu ihm. Der Rotschopf spürte die Wärme seines Geliebten bis in seine Träume. Mit einem zufriedenen leisen Schmatzen drehte er sich um und kroch mit geschlossenen Augen ganz dicht an den vermissten Körper heran. Er wachte nicht einmal wirklich auf. Goran sah nur still auf ihn herab und streichelte das feurige Haar. Es war so weich und dick, er liebte es seine Finger darin zu vergraben. „Liebst du mich so sehr, dass du bereit bist alles aufs Spiel zu setzen, Feuerkind?“ Seufzend schloss der Drache kurz die Augen und konzentrierte sich ganz auf den schlanken, geschmeidigen Körper in seinen Armen. Obwohl er mittlerweile keinen kleinen Jungen mehr hielt, war die Haut so zart wie am ersten Tag und nicht die eines Mannes. Eri legte viel Wert auf ihre Pflege, weil er wusste, dass es dem Drachen gefiel. Goran betrachtete wieder das friedliche Gesicht mit den dichten Wimpern und dem vollen Mund, der geradezu einlud, geküsst zu werden. Eri war so überzeugt von seiner Meinung gewesen, so überzeugt von ihrer Liebe. „Lass es mich nicht bereuen.“ Er schloss seine Arme fest um den jungen Mann und drückte ihn an sich. Seine Lippen begannen sich neben dem Ohr des Anderen zu bewegen und wisperten Worte, die wohl seit Jahrhunderten nicht mehr ausgesprochen worden waren, doch seit Drachengedenken bestanden. Goran konnte sich noch genau daran erinnern, wie sein Vater sie ihm beigebracht hatte und ihn immer wieder ermahnt hatte, sie nicht wahllos zu verwenden. Es war ein wichtiges Geschenk, das man seinem Partner machte. Langsam wurde der Drache in flackernde violette Flammen getaucht, die um seinen Körper leckten und leise in die Melodie seiner Worte einstimmten. Je weiter Goran in dem Spruch fortschritt, desto größer wurde das Feuer, das sich nun auch auf Eri übertrug, seinen Leib jedoch nicht verzehrte. Kleine Schweißperlen standen auf der Stirn des Drachenmannes, denn er spürte deutlich, wie ihm seine Kraft entzogen wurde. Der Zauber war so mächtig, dass ihm die letzten Worte kaum über die Lippen kamen. Sein Körper bebte, etwas zerrte an ihm, als wolle eine unsichtbare Hand ihn aus seiner Haut reißen. Sein Atem wurde schwerer, stockte, der Schmerz setzte nun auch in seinem Kopf ein, er spürte wie etwas von ihm auf Eri überfloss und umgekehrt. Sie wurden auf eine ihm unbekannte Weise eins, trotz getrennter Körper. Dann war es plötzlich vorbei, die letzte Silbe gesprochen, und Goran fühlte sich unendlich erschöpft. Seine Muskeln zitterten, das Schlucken fiel ihm schwer. Trotz der bleiernen Müdigkeit blieb er noch eine Zeit lang wach und beobachtete sein Feuerkind im Schlaf, bis dieser ihn selbst überkam. Kapitel 7: Bis ans Ende aller Tage ---------------------------------- Titel: Drachenherz Teil: 7/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: So, da ich ab nächster Woche für wohl längere Zeit wegfahre, gibt es diese Woche die restlichen Kapitel, damit ihr nicht so lange auf ein Update warten müsst ^^ Viel Spaß erst mal mit diesem Kapitel und vielen Dank an unsere treuen Kommischreiber, ich freue mich jedes Mal, wenn ich von euch höre ^^ Bis ans Ende aller Tage Der Morgen graute vor dem Höhleneingang und die ersten Vögel begrüßten den neuen Tag. Ihr lautstarkes Gezwitscher drang bis in den Berg, zurückgeworfen von den Steinwänden mit ihren vielen Gemälden von Goran und seinem wahren Ich. Eri gähnte. Etwas nörgelig, er war ein Morgenmuffel, drängte er sich gegen den herrlichen Körper neben sich. Gorans Atmen war noch tief und seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Träge streichelte Eri über die warme Haut unter der Decke und öffnete langsam die Augen, um seinen Geliebten zu betrachten. Dieser Anblick am Morgen war das Schönste für ihn. Goran war völlig dann immer entspannt und seine Haare etwas wild durcheinander, als habe er sie sich in der Nacht gerauft. Manchmal hatte er Abdrücke von den Kissen auf der Wange, wo sich eine Falte hineingepresst hatte und Eri zeichnete sie mit dem Finger nach. Es war einfach friedvoll seinen Drachen so beobachten zu können nach dem Aufwachen. Im ersten Moment vermutete Eri, dass er sich getäuscht hatte und es draußen noch Nacht war, denn es war stockdunkel in der Höhle. Er konnte keine Umrisse erkennen, nicht einmal Goran, den er direkt neben sich leise schmatzen hören konnte. Eri schloss die Lider, öffnete sie erneut. Es blieb dunkel. Nicht einmal Schatten tanzten vor seinen Augen. Absolute Finsternis. Zuerst war er nur verwundert, aber dann begriff er nach und nach, dass er tatsächlich nichts sehen konnte. Panisch rieb er sich über das Gesicht, drückte die Finger gegen die geschlossenen Lider. Was war passiert? Wieso konnte er seine Umgebung nicht sehen? Was Eri nicht sehen konnte, war der milchige Film, der Iris und Pupille bedeckte und damit auch äußerlich zu erkennen gab, dass etwas nicht stimmte.. „Was...ist...?“ Er bekam immer mehr Panik, tastete wild um sich. „Was ist los?! Warum...“ Goran wurde von der erregten Stimme wach und streckte sich. Gähnend rollte er auf den Rücken. „Was ist denn? Es ist noch früh.“ Eri tastete angsterfüllt mit den Händen in seine Richtung, dabei drückte er Goran die Finger direkt ins Gesicht. „Was ist hier los?!“ keuchte er wieder. Seine Augenlider flatterten, dauernd öffnete und schloss er sie, aber es gab kein Entkommen aus der Finsternis. „Goran...irgendetwas...stimmt mit meinen Augen nicht. Ich kann nichts sehen. Ich sehe nichts! Wie ist das möglich? Gestern war doch noch alles in Ordnung!“ Zuerst war auch der Drache erschrocken über die trüben Augen, doch dann begriff er und tiefe Reue erfüllte ihn. Es war das Opfer, das Eri hatte leisten müssen. Grimmig nahm er die Hände seines Feuerkindes und hielt sie fest. Sanft strichen seine Daumen darüber, während er es Eri erklärte. „Du hast es so gewollt, Feuerkind.“ „Wovon sprichst du?!“ Der Griff um Gorans Hände wurde immer verkrampfter. „Mit meinen Augen stimmt was nicht! Goran, ich...ich kann nichts sehen! Gar nichts! Hilf mir! Bitte...ich...ich kann nichts sehen..“ Eris Atmung wurde immer stockender und kleine Schluchzer mischten sich dazu. „Ja, du bist blind. Anscheinend ist das dein größtes Opfer, dein Tribut, den du zu zahlen bereit warst.“ „Was soll das heißen?! Was hast du getan?!“ Eri verlor die Kontrolle. Er zitterte am ganzen Körper. Die Dunkelheit war so beängstigend, eine Welle der Hilflosigkeit und Panik erfasste ihn, dicke Tränen rannen über sein Gesicht. Gorans Brustkorb wurde enger, aber er blieb ruhig. „Ich habe gestern den ganzen Tag darüber nachgedacht, was du gesagt hast. Und bin zu dem Schluss gekommen, dir deinen Wunsch zu erfüllen. Aber du hast schon geschlafen und ich wollte dich nicht wecken. Ich dachte, es wäre einfacher für dich, wenn ich...nicht mehr da sein sollte. Wie auch immer.“ Betroffen blickte er in das verstörte, ängstliche Gesicht. Er hätte Eri diese Qual so gern erspart. Sie selbst getragen für ihn. „Du hast den Zauber gesprochen?!“ Eri wippte mit dem Oberkörper vor und zurück. „Das heißt...meine Augen...und ich durfte dich nicht noch einmal sehen! Wie konntest du mir das einfach antun?!“ Er warf sich gegen Goran und schlug ihm gegen die Brust. „Warum hast...ich werde dich nie...nie mehr sehen können!“ „Ich konnte es doch nicht wissen. Ich habe nicht geahnt, dass dir deine Augen so wichtig sind.“ Goran drückte ihn fest gegen sich und streichelte den bebenden Rücken. „Es tut mir leid, Eri. Ich habe gewusst, dass du es bereuen würdest, aber es trotzdem getan. Es war dumm von mir.“ Eris Atem strich in schnellen Stößen über die Haut des Drachen, doch die Wärme und Nähe beruhigte ihn ein wenig. Er selbst hatte sich entschieden. Er hatte Goran quasi gezwungen es zu tun und der Drache hatte es nur gut gemeint. „Bin ich...“ Die Tränen machten es ihm schwer zu sprechen, ständig kippte seine Stimme um, „bin ich...bin ich jetzt...wie du...darf ich für immer...bei dir bleiben?“ Goran schloss die Augen und seufzte. Er hatte dieses spezielle Gefühl bereits seit dem Aufwachen in seiner Brust gespürt. Eine Art Verdopplung seiner selbst. Er konnte Eri viel deutlicher wahrnehmen, spürte die momentane Verzweiflung körperlich. Es war eindeutig, sie waren gebunden. „Ja, aber das habe ich nicht gewollt. Nicht so, nicht um diesen Preis. Du leidest und ich bin daran schuld. Verzeih mir.“ Reuevoll drückte er Eri an sich und wiegte ihn zärtlich mit sich. Ihr Leben würde sich ab heute völlig verändern und der Drache war sich nicht sicher, ob es zum Guten war. „Schon gut.“ Eri war schlecht, er fühlte sich schrecklich, wollte es Goran aber nicht zeigen. „Ich habe...“ Er versuchte seiner Stimme Kraft zu verleihen. „Ich habe mich dafür entschieden. Hauptsache ich bin bei dir, auch wenn du jetzt wieder für mich sorgen musst.“ Die Angst schnürte ihm immer noch die Kehle zu. „Das tue ich doch gern, mein Feuerkind. Du kannst dich ganz auf mich verlassen. Versteck deine Gefühle nicht vor mir, ich kann spüren, wie furchtbar du dich fühlst. Lass es mich auch spüren, Eri, teile mit mir dein Leid und deine Freude...für immer.“ Behutsam drückte der Drache seinen Gefährten auf das Bett und streichelte den zitternden Körper. Er wollte ihn von seiner Angst ablenken und ihm verdeutlichen, wie tief ihre Bindung nun war. Eri konnte es durch seine Angst und Verwirrung sicherlich noch nicht begreifen, doch er musste auch etwas empfinden. Ein tiefes Band, das ihre Gefühle zu dem jeweils anderen trug. Eris Arme schlangen sich hilflos um den Hals seines Drachen. „Liebe mich.“ flüsterte er mit brüchiger Stimme. „Zeig mir, dass meine Entscheidung richtig war, dass mein Opfer nur ein kleiner Preis war.“ Goran kam über ihn und küsste Eri leidenschaftlich. Er würde ihm ihre neue Verbindung in jeder Einzelheit zeigen, denn schon jetzt war der Kuss für den schwarzhaarigen Mann intensiver, als alle Küsse zuvor. „Ich schwöre dir, ich werde versuchen dir alles, was du durch mich verloren hast, auf eine andere Weise zurückzugeben. Du sollst mit mir nie wieder leiden müssen. Entspann dich, Eri, und überlass mir dein Herz.“ Für ein langes, zärtliches Vorspiel war nicht die Zeit, hier ging es um etwas anderes. Etwas viel Wichtigeres. Sie verschmolzen miteinander und Goran hielt sein Feuerkind so fest an seinen Körper gepresst, dass es unmöglich schien ihre Verbindung je wieder zu unterbrechen. In der Dunkelheit hörte Eri sich vor Lust schreien, alles war viel intensiver als sonst. Er fühlte sich Goran näher, als je zuvor und dieses Gefühl erfüllte die drohende Finsternis mit Wärme. Er war nicht allein, sein Drache war für ihn da, würde auf ihn aufpassen, ihn lieben, in alle Ewigkeit. Vor seinem geistigen Auge, das nicht von dem Zauber beeinflusst worden war, erschien Gorans Gesicht, er wusste, wie er nun aussah, angespannt, erregt, die Augen geschlossen. Sein geliebter Goran. ~~~ „Eri, kommst du bitte einmal her?“ Goran saß vor der Höhle und schnitzte an einem stabilen Stock, die Rinde war gänzlich entfernt und er arbeitete nun nur noch einige Muster ein. Eri hatte sich in den letzten Tagen recht gut in ihrem Zuhause und dem näheren Umfeld zurecht gefunden. Er schien nicht aufgeben zu wollen und prägte sich jeden Schritt eifrig ein. Dennoch stieß er immer wieder gegen Felsvorsprünge oder stolperte über Steine und verletzte sich dabei. Deshalb fertigte der Drache ihm gerade einen speziellen Stab, mit dem er den Boden um sich herum und vor allem vor sich, abtasten konnte. Der rothaarige Mann tastete sich aus der Höhle ins Freie. Seine Hände waren an einigen Stellen aufgeschrammt, aber Goran hatte jeden Schnitt fürsorglich behandelt. Eri fand sich mittlerweile mit seiner Blindheit ab, zumindest überzeugte er sich selbst immer wieder davon. Goran nicht mehr ansehen zu können, grenzte an Folter und irgendwann war dem Rotschopf klar geworden, dass nicht etwa sein Augenlicht, sondern der Verlust von Gorans Anblick das wahre Opfer gewesen war. Das sanfte Lächeln hatte ihm immer Kraft gegeben und das Leuchten in den dunkelgrünen Augen, wenn der Drache ihn ansah, erweckte ein Gefühl der Sicherheit und Eri wusste sich geliebt. Nun war er unsicher und zögerlich, weil er nicht mehr sehen konnte, was Goran fühlte. Allerdings ließ der Drache keine Gelegenheit aus, es ihm nun über ihren Bund zu zeigen. Eri trat ins Sonnenlicht und hoffte wie jedes Mal, vielleicht Umrisse erkennen zu können, hell und dunkel, aber seine Welt blieb finster. Seine Arbeit unterbrechend stand Goran auf und kam zu Eri herüber, um ihn zu dem Baumstamm zu führen, auf den er sich gesetzt hatte. „Ich habe etwas für dich. Es ist noch nicht ganz fertig, aber es wird dir sicherlich helfen.“ Mit sicheren Schritten wies er Eri den Weg und ließ ihn Platz nehmen. „Ich will dich nicht belasten. Ich kann auch einfach in der Höhle bleiben.“ lächelte Eri und schaute an Goran vorbei. Sein Gehör wurde langsam immer besser, aber noch hatte er Probleme, Geräuschen ihren Standort zuzuordnen. „Du hast schon genug Mühe mit mir.“ „Unsinn. Ich habe dir gesagt, ich gebe auf dich Acht, oder?“ Außerdem – auch wenn es fürchterlich von ihm war – musste Goran sich eingestehen, dass er die Hilflosigkeit seines Gefährten sehr anziehend fand. Schon immer war sein Beschützerinstinkt sehr ausgeprägt gewesen und Eri war das perfekte Ziel dafür. „Aber damit du sicherer wirst, wenn du herumläufst, habe ich für dich einen Stab gefertigt.“ Er nahm die schmale Hand des jungen Mannes und drückte ihm den feingeschnitzten Knauf in die Fläche. „Ich möchte nicht, dass du immer in der Höhle rumhockst und Trübsal bläst. Wir werden auch hin und wieder Ausflüge in den Wald unternehmen oder durch die Lüfte.“ „Ich bin immer gern mit dir geflogen, der Anblick der Berge ist...“ Eri sah zu Boden oder dorthin, wo er den Boden vermutete. „Na ja...danke für den Stock!“ Er beugte sich vor, ein wenig an Goran vorbei, doch als er nach der Schulter tastete, konnte er auch den Kopf finden und die Lippen des Mannes mit seinen bedecken. Der Schmerz, verschlossen in Eris Innerem, war für den Drachen deutlich zu spüren. Er wusste, dass sein Feuerkind gute Miene zu bösem Spiel machte. Und es tat Goran genauso weh, dass sein Geliebter litt. „Du kannst sie fühlen, Eri. Wenn du dein Herz öffnest, kannst du alles um dich herum fühlen. Durch mich. Wir sind verbunden – ein Leben lang. Das bedeutet, dass du etwas von mir in dir trägst und ich von dir. Man könnte sagen, in deinem Herzen lebt ein kleiner Drache.“ Goran hielt Eris Hände auf seinen Wangen, damit er das Lächeln spüren konnte. Und auch sein Gefährte lächelte. „Ein schöner Gedanke.“ Er lehnte sich gegen den Drachenmann und seufzte. „Verzeih...ich will mich nicht hängen lassen. Und ich möchte auch nicht, dass du denkst, ich mache dir Vorwürfe. Ich habe diese Entscheidung getroffen und ich muss jetzt damit leben, aber selbst wenn ich morgens die Augen öffne und nichts sehe...ich danke an jedem neuen Tag den Göttern dafür, bei dir sein zu dürfen.“ Der Wind rauschte in den Bäumen, Eri hatte ihn noch nie so klar wahrgenommen, auch nicht das sanfte Gluckern des Teiches oder das Rascheln der Tiere in den Büschen am Waldrand. „Das freut mich. Sehr sogar.“ Der Drache beugte sich vor und küsste Eri zärtlich auf Mund und Augenlider. „Und ich bin sicher, du wirst mehr Übung bekommen und bald sogar ohne mich in den Wald ziehen. Du musst nur lernen damit fertig zu werden.“ Goran lächelte und nahm den Stock wieder auf. „Ich bin gleich fertig damit, sollen wir dann einen kleinen Spaziergang machen? Du könntest ihn ausprobieren.“ „Aber du bleibst an meiner Seite, ja?“ Eri bekam ein wenig Angst, er hatte sich bisher nicht an die Baumgrenze gewagt. „Selbstverständlich.“ Goran drückte kurz Eris Knie, dann nahm er das Messer in die Hand und vollführte den letzten Schliff. Zu seinen Füßen lagen bereits viele Späne und Rindenreste, er hatte die ganzen letzten Tage daran gearbeitet. „Hier.“ Schließlich gab er dem Rotschopf sein neues Werkzeug und stand auf. „Ich danke dir.“ Eri nahm seinen Stock entgegen und erhob sich. Etwas unbeholfen fuchtelte er damit über den Boden, doch schnell merkte er, dass er genau spürte, wenn er gegen einen Stein stieß oder wenn der Boden uneben wurde. Goran hielt sich die ganze Zeit bereit seinen kleinen Freund aufzufangen. Doch diese Sorge war völlig umsonst, denn Eri war sehr talentiert. Oder er vertraute einfach darauf, dass der Drache ihn vor größeren Gefahren bewahrte. „Du machst das wirklich gut.“ lobte er lächelnd und stellte sich schon vor, wie es wäre, wenn sie durch den Wald gingen, sich vielleicht jagten und Eri sich so gut auskannte, dass er nicht einmal mehr seinen Stab brauchte. Irgendwann würde es soweit sein, schließlich hatten sie die Ewigkeit vor sich. Sie überschritten die Waldlinie und tauchten tiefer in das Unterholz. Goran achtete darauf, dass kein Ast in Eris Gesicht schlug oder er sich den Kopf stieß. „Wie wäre es, wenn wir mal wieder zur Hütte gehen? Du warst lange nicht mehr dort.“ Die Reize, die an sein Gehör drangen, überwältigen Eri. Er hörte das Rauschen des kleinen Baches, obwohl sie noch weit davon entfernt waren, konnte jeden Vogel unterscheiden, selbst die Eichhörnchen und Rehe im Unterholz entgingen ihm nicht. Immer noch konnte er die Position nicht bestimmen, aber seine Fähigkeit zu hören, war schon beeindruckend. Und sicher nicht natürlich, die Verbindung mit Goran schien ihn zu stärken. „Gern, ich war wirklich eine Ewigkeit nicht mehr dort.“ Der Stock stieß gegen eine Wurzel und Eri wich ihr aus. Goran nickte zufrieden und sie setzten ihren Weg fort. Im Gegensatz zu Eri war der Drachenmann regelmäßig an der Hütte, da er dort ihr Gemüse anbaute und den Kräutergarten pflegte. Er hatte schon oft daran gedacht, ihn auf den Vorplatz zu verlegen, damit auch Eri sich darum kümmern konnte, doch wenn er als Nargonim abhob oder landete, blieb kein Kraut stehen. „Leg dir doch ein eigenes Beet an. Du kannst anbauen, was du möchtest. Ich kann dir auch neue Samen oder Setzlinge aus deinem Dorf oder einer Stadt besorgen.“ „Ich wüsste doch gar nicht, was ich wo anbaue und am Ende landet Unkraut in der Suppe!“ Eri lachte, es klang aber etwas bitter. „Wundert man sich in meinem Dorf nicht, dass du keine Opfer mehr verlangst? Sprechen die Leute mit dir über Nargonim, wenn du da bist?“ „Nein, sie sind nur froh, dass die Bestie nicht mehr kommt. Obwohl es nicht ungewöhnlich ist. Wenn du bedenkst, wie lange ein Menschenleben ist, wäre ein neues Opfer sowieso erst in ein paar Jahren fällig.“ Ein glückliches Lächeln legte sich auf Gorans Gesicht. „Doch das ist jetzt nicht mehr nötig. Aber noch mal zu dem Garten. Ich bin sicher, du würdest es schaffen. Schau, wie gut du bereits nach einigen Tagen zurecht kommst. Wie wäre es mit Tomaten? Die sind leicht zu unterscheiden von Unkraut. In der ersten Zeit helfe ich dir und später kannst du es allein.“ Goran gefiel diese Idee immer besser. Er wollte, dass Eri Aufgaben übernahm, damit er sich nicht überflüssig fühlte und diese unnötige Unsicherheit ablegte. „Du meinst das ernst, oder?“ Eri nickte schließlich. „Na gut, na gut, überredet. Aber wehe du bist wütend, wenn du die erste Distel zwischen den Zähnen hast!“ Er lachte über seinen eigenen Witz und hob dabei den Stock, prompt blieb er in einem kleinen Erdloch hängen und strauchelte. Darauf hatte der Drache nur gewartet und fing Eri problemlos auf. „Vorsichtig. Noch kennst du nicht alles in- und auswendig.“ Er streichelte ihm über die Wange und küsste ihn. „Und ich habe gehört, dass Disteln sehr schmackhaft sein sollen.“ „Daran erinnere ich dich dann.“ Eri genoss die Umarmung und den starken Halt für einen Moment. Er beschloss in diesem Augenblick, zwischendurch mal einen kleinen Sturz zu simulieren, wenn Goran bei ihm war. Er kannte seinen Drachen nur zu gut. Und seine Begeisterung fürs Umsorgen. An der Hütte angekommen, ging Goran gleich dazu über mit seinem Gefährten eine kleine Kräuterkunde zu machen. Sie knieten in den Beeten und befühlten die Blätter der Pflanzen und der Schwarzhaarige erklärte ihre Pflege und ließ Eri daran riechen. Neben dem Gehör schärfte sich auch Eris Sinn für Gerüche und auf einmal wies jedes Kraut, jede Pflanze eine eigene Nuance auf, unverkennbar. Seine Hände ertasteten die Eigenheiten der Blätter, ihre Maserung und Form, selbst die Blattadern. Langsam aber sicher freundete er sich mit der Idee eines eigenen Gartens an. „Hast du eigentlich einmal meine Familie gesehen? Meine Geschwister?“ fragte er, als sie später im Sonnenschein auf der kleinen Bank vor der Hütte saßen. „Ich weiß nicht. Ich kenne sie nicht.“ Goran strich gedankenverloren über Eris Hand und betrachtete die Umgebung. „Natürlich...“ Es klang etwas traurig. „Na ja, sie halten mich ja sowieso für tot und obwohl es das Beste ist, was mir je geschehen ist, ich hasse meine Eltern trotzdem dafür, dass mich so bereitwillig an dich verfütterten. Mein Vater hat mich aus dem Bett gezerrt und gefesselt, es sei zum Wohle des Dorfes, hat er dabei sagt.“ Schweigend sah der Drache Eri von der Seite an. Ihm gefiel der Gesichtsausdruck gar nicht. „Möchtest du sie wiedersehen?“ „Meine Geschwister vielleicht, mein jüngerer Bruder und meine Schwester waren mein Ein und Alles im Dorf...aber ich glaube eher nicht.“ Eri lächelte ein wenig an Goran vorbei, als wolle er sich mit dem Türrahmen unterhalten. „Das würde nur Probleme geben und der wichtigste Mensch in meinem Leben bist jetzt du.“ „Drache.“ korrigierte Goran gedankenverloren. „Aber du vermisst sie.“ Eine klare Feststellung. er drehte sich weiter zu seinem Gefährten und hob dessen Kinn an, so dass er ihm direkt in die milchigen Augen gucken konnte. „Es wäre kein Problem, Feuerkind. Ich sage einfach, ich habe dich gerettet und den Drachen vertrieben.“ „Dann müsste ich aber dort bleiben und das will ich nicht. Nein.“ Eri schüttelte den Kopf soweit er das konnte. „Ich brauche nur dich. Wir sind seit acht Jahren allein und meine Liebe ist mit jedem Tag gewachsen. Ich brauche niemanden sonst.“ Natürlich freuten Goran diese Worte, doch er war nicht zufrieden mit der Situation. Er wollte Eri all seine Wünsche erfüllen und er war sich sicher, dass dieser gern seine Geschwister sehen würde. „Warum müsstest du dort bleiben?“ „Wäre es nicht merkwürdig, wenn ich einfach gehen würde? Nach all den Jahren?“ „Wäre es nicht merkwürdiger, wenn du da bleibst? Nach dem, was sie dir antun wollten?“ „Was wird denn das?“ lachte Eri. „Versuchst du mich zu überreden?“ Goran grinste. „Ganz genau. Und du wirst gar nichts dagegen tun können, denn ich bringe dich auch ohne deine Zustimmung in dein Dorf.“ Sein Grinsen wurde noch breiter. „Oder ich entführe deine Geschwister.“ „Du Unhold!“ Eri lehnte sich gegen die breiten Schultern und legte seine Hand auf den festen Bauch. „Aber weiche ja nicht von meiner Seite. Ich habe Angst davor.“ „Wie könnte ich? Du bist mein Leibeigener, der durch mein Verschulden blind wurde. Ich muss mich doch revanchieren.“ Die große Hand legte sich über Eris und tätschelte sie. „Leibeigener?“ fragte Eri etwas verletzt. „Ja, nachdem ich dich aus den Klauen der Bestie befreit habe, wurdest du mein Diener, mein leibeigner Diener.“ Das süffisante Grinsen konnte man sogar aus seiner Stimme heraushören. „Du hast die letzten acht Jahre in meinem Haus gearbeitet, doch dann bist du durch einen von mir verschuldeten Unfall erblindet und ich habe so starke Gewissensbisse, dass ich dir jeden Wunsch erfülle.“ Er kam ganz nah an Eris Ohr und ließ seine Zunge darüber fahren. „Jeden...Wunsch.“ „Ach so meintest du das.“ Eri begriff endlich, manchmal war er wirklich ein wenig langsam. „Aber...“ Er bekam eine Gänsehaut. „Jeden Wunsch...“ Seine Hände glitten über die starken Arme. „Das ist doch gut zu hören. Ich habe schon so lange nicht mehr im Bett der Hütte gelegen.“ „Dann soll sich das aber schnell ändern.“ Goran erhob sich und nahm Eri kurzerhand auf die Arme. Mit seiner leichten Last, stieß er die Tür auf und bettete ihn auf das Lager. „Und nun...erzähl mir von deinen anderen Wünschen.“ Kapitel 8: Heimkehr ------------------- Titel: Drachenherz Teil: 8/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: Das vorletzte Kapitel und ich bin immer noch nicht im Urlaub >_< Blöde Uni *seufz* Naja, ihr könnt euch jetzt erst mal an diesem Kapitel erfreuen und ich werde das letzte in den nächsten Tagen noch hochladen. Endlich stimmt auch die Kapitelzählung, nachdem ich das dritte Kapitel noch eingefügt habe ^^' Viel Spaß beim Lesen! Heimkehr Eris Herz schlug bis zum Hals, als er spürte wie sein Stock plötzlich statt auf festgetrampelte Erde, auf grobes Kopfsteinpflaster stieß. Die Hauptstraße zu seinem Dorfplatz, früher hatte er hier oft gespielt. Vor einer Ewigkeit. Er fühlte Goran neben sich, seine Orientierung in der Finsternis hatte sich weiterhin verbessert, trotzdem war er froh über den Beistand seines Drachen. „Ich habe Angst.“ „Das musst du nicht. Ich bleibe immer bei dir und wenn es zu viel wird, gib mir ein Zeichen.“ Da Eri ihn nicht sehen konnte, fiel ihm der fremde Mann neben ihm nicht auf. Goran hatte eine andere Hülle gewählt, da er es nicht darauf anlegte, bei einem späteren Einkauf immer auf Eri angesprochen zu werden. Außerdem wussten sie nicht, was sie erwartete und wie sie das Dorf verlassen würden. Und ob sie jemals wieder zurückkehren würden. In der neuen Gestalt war er noch größer als sonst und doppelt so breit. Ein wahrer Hüne, der alle Blicke auf sich zog, um damit ein wenig von Eri abzulenken, der trotz seines leuchtenden Haares neben der imposanten Gestalt des Mannes unterging. Goran war in edles Tuch gekleidet und mit wertvollen Juwelen behängt, über deren Ursprung sich Eri bereits gewundert hatte. Jede Bewegung deutete auf eine adlige Abstammung und viel Geld. „Wo ist das Haus deiner Eltern?“ „Wir müssen vom Dorfplatz rechts abbiegen, die Gasse entlang. Dort ist ein kleiner Gemüsegarten, der gehört der Witwe, die neben uns wohnt. Wir haben ihr immer Tomaten gestohlen.“ Eri kicherte nervös, als fürchte er noch heute das ärgerliche Gezeter der Alten. „Vielleicht sollte ich ihr einige Pflanzen abkaufen? Dann hast du deine eigenen Tomaten.“ Goran führte seinen Gefährten den gewiesenen Weg entlang und bemerkte durchaus die neugierigen, aber auch erschrockenen Blicke. Erkannten sie Eri wieder? Oder war es seine Hülle? An besagtem Garten blieb er stehen und betrachtete die Liebe, die hineingesteckt worden war. Durch seine eigene Arbeit an der Hütte, wusste er sie gebührend zu würdigen „Ja, ich werde ihr einige abkaufen.“ beschloss er lächelnd und führte Eri weiter zum nächsten Haus, das er etwas kritisch beäugte ob der heruntergekommenen Fassade. Sie standen gerade ein paar Sekunden vor dem Gartentor, als sich schon die Tür öffnete und ein ungefähr sechzehnjähriges Mädchen aus dem Haus kam. Sie hatte langes rotblondes Haar, wobei die helle Farbe überwiegte, und ein sehr schmales Gesicht, das auf Ernährungsmangel schließen ließ. Ihr einfaches Kleid war abgetragen und der Saum schmutzig und zerschlissen. Sie beäugte Goran misstrauisch und schüchtern, knickste aber höflich. Als ihr Blick an seine Seite wanderte, weiteten sich die blassgrauen Augen und sie schlug eine Hand vor den Mund. „Das ist nicht möglich. Du bist tot.“ flüsterte das Mädchen entgeistert. Bevor Eri reagieren konnte, schob sich Goran etwas vor und verbeugte sich leicht. „Darf ich annehmen, dass Ihr die Schwester Eris seid?“ „Eri! Bist du es wirklich?“ „Lina?“ Der junge Mann lächelte unsicher und machte einen Schritt vor. Das schien für seine Schwester das Zeichen gewesen zu sein, auf das sie gewartet hatte. Mit einer Mischung aus Lachen und Schluchzen stürzte sie vor und warf sich Eri in die Arme, der aufkeuchte, aber schnell sein Gleichgewicht fand. Goran betrachtete das Mädchen ruhig und lächelte freundlich. Er würde sich vorerst im Hintergrund halten, um die Wiedersehensfreude nicht zu stören. Lina presste ihrem Bruder fast alle Luft aus den Lungen und lachte nun Freudentränen. „Eri! Eri, du lebst! Wie ist das möglich? Wir dachten, du wärest...“ Sie war ein Stück kleiner als er und schaute zu ihm auf. „Warum schaust du mich nicht an?“ wollte sie wissen, weil ihr Bruder direkt über ihren Kopf hinweg guckte. Wie zufällig streifte Gorans Hand den schlanken Rücken seines Feuerkindes, als er um die beiden herum ging, und streichelte ihn ermutigend. „Ich bin blind, Lina. Tut mir leid, ich kann nicht sehen, wo dein Gesicht ist.“ Er senkte den Kopf etwas. „Aber ich wette, du bist wunderschön“. Seine Hand tastete nach den weichen Haaren und den vor Aufregung rosigen Wangen. „Habe ich Recht, Gor...Herr?“ „Ja, sie ist eine wahre Schönheit.“ stimmte Goran zu und lächelte gewinnend. Er legte seinen Arm um Eris Schultern und schob ihn voran. „Dürfen wir herein kommen, junge Dame? Die Reise war lang und anstrengend und wir würden uns gern etwas ausruhen.“ „Aber natürlich, Herr!“ Lina eilte bereits voran. „Mutter! Mutter!“ Das Haus war nicht groß, aber recht gemütlich. Dennoch haftete ihm ein Hauch von Verfall und Alter an, den es früher nicht gehabt hatte. Alles wirkte etwas ärmlicher, das Dach war wiederholt behelfsmäßig geflickt worden, der Putz bröckelte an einigen Stellen ab und die meisten Fensterläden hingen schief in ihren Angel soweit sie überhaupt noch vorhanden waren. Goran registrierte dies alles, beschloss aber Eri vorerst nichts davon zu sagen. Lina führte sie in den Wohnraum, von dem drei Türen nach hinten führten. Der Drache vermutete dort die Schlafzimmer. Die Armut hatte sich auch im Inneren des Hauses eingenistet. Der Dielenboden knarrte und in einer Ecke war sogar ein Loch, das notdürftig mit einem Brett vernagelt worden war. Die meisten Möbel waren alt und zerkratzt von den Jahren, aber dennoch recht gut erhalten. Trotzdem hatte sich Goran alles etwas anders vorgestellt. Eri hatte ihm erzählt, dass sie gut gelebt hatten, aber dieses Haus sprach eher das Gegenteil. Er war niemand, der Luxus mochte oder brauchte, aber aus dieser Bleibe konnte man doch mehr machen. Selbst ihre Hütte im Wald sah besser aus. „Mutter! Eri ist wieder da! Er lebt!“ rief Lina freudig und lief zu einer Frau, die gerade am Herd in einer Kochnische das Essen zubereitete. Auch sie machte den Eindruck einer verlebten, frühzeitig gealterten Frau. Als sie ihren Sohn sah, fiel ihr der Löffel aus der Hand und plumpste mit einem leisen Platschen in den Topf. Wie erstarrt stand sie da und sah ihn an, ganz so, als sei ihr soeben ein Geist erschienen. Es blieb einige Momente still und Goran wollte bereits zu einer Begrüßung ansetzen, als sich Eris Mutter in Bewegung setzte und langsam auf ihren Sohn zutrat. „Mein Sohn...Eri...den Göttern sei Dank.“ Sie fiel ihm mit tränennassen Wangen um den Hals und krallte sich in den Stoff seines Hemdes. Eri machte keinerlei Anstalten, die Geste zu erwidern. Goran blieb neben Lina stehen und musterte die Szene mit verborgenem Misstrauen. Sein Feuerkind schien nicht so glücklich zu sein wie seine Mutter. „Mein Sohn...ich dachte, du wärst tot!“ „Ein Kunststück, Mutter. Ihr habt mich ja auch an diesen Pfahl binden lassen.“ Eri war auf einmal wie ausgewechselt. „Und wundere dich nicht über meine Augen, ich bin blind.“ „Bei den Göttern, Eri!“ keuchte die Frau. „Spar dir dein Mitleid. Wo ist Vater. Und Isaac?“ Er schob sie von sich. Diese Wendung gefiel dem Drachen ganz und gar nicht, aber er blieb vorerst still. Eri sollte sich eigentlich freuen nach so langer Zeit, andererseits konnte er die Gefühl auch verstehen, schließlich wäre der junge Mann tot dank seiner Eltern, hätte er es damals wirklich auf einen Snack abgesehen gehabt. Eris Mutter schien in diesem Moment um noch mehr Jahre zu altern. Sie senkte den Kopf mit den ungepflegten graudurchzogenen Haaren. „Dein Vater...ist gestorben. Er hat sich...wir fanden ihn auf dem Feld unter einem Baum...der Strick war sein einziger Ausweg. Er hat sich nie verziehen, was er dir antat. Seitdem arbeiten wir alle hart für unser Einkommen. Issac hat Arbeit auf den Feldern gefunden.“ Ein wenig Stolz darüber klang in ihrer Stimme mit. Eri sog die Luft ein, sagte aber nichts. Er tastete mit dem Stock umher. „Lina...gibt es hier einen Stuhl?“ „Ja, natürlich, Brüderchen!“ Sie fasste ihn an der Hand. „Hier.“ Eri nahm Platz, das Möbelstück knarrte bedrohlich. Es hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. „Und Ihr, Herr...was führt Euch hierher?“ wollte Eris Mutter wissen. „Ich arbeite für ihn, Mutter.“ Nun schaltete sich der große Mann mit den langen, braunen Haaren, die er zu einem lockeren Pferdeschwanz trug, ein und reichte der Frau die Hand. „Ich bin Fürst Rótan. Ich bin derjenige, der damals Euren Sohn befreit und die Bestie vertrieben hat. Es freut mich überaus Eure Bekanntschaft zu machen, meine Dame.“ Er gab ihr einen Handkuss und richtete sich wieder auf. „Seit dem ist Euer Sohn mein Leibeigener.“ In das letzte Wort legte er eine ganz besondere Betonung, die nur Eri zu deuten wusste. „Euer...“ „Er behandelt mich gut, Mutter. Es geht mir bestens.“ fiel ihr Eri ins Wort, bevor sie irgendwelche Einwände vorbringen konnte. Er spürte die Nähe seiner kleinen Schwester und streckte den Arm aus, um ihre Hand zu nehmen. Lina suchte automatisch Kontakt zu ihm, als wolle sie die Jahre der Trennung überbrücken. „Euer Sohn hat mir gute Dienste geleistet in den letzten acht Jahren. Ich bin sehr zufrieden mit ihm.“ Goran lächelte würdevoll und sah sich dann nach einem weiteren Stuhl um. Ungefragt nahm er Platz. „Ihr unterhaltet das Haus seit dem Tod Eures Mannes allein, erwähntet Ihr?“ „Ja, es ist zu groß, um von dem wenigen Geld richtig gepflegt zu werden, aber es ist immerhin unser Heim, ein sicherer Platz für die Familie.“ „Außer man wird aus dem Bett gezerrt und dem Tode übergeben.“ Eri schloss die milchigen Augen. Er wollte es nicht, aber die Worte kamen wie von selbst über seine Lippen. All die Wut und Enttäuschung, die er über die Jahre mit sich herumgetragen hatte. Seine Mutter zuckte zusammen und Tränen erschienen in ihren Augen. „Wie ist...wie wurde mein Sohn...? Seine Augen...“ „Es war ein Unfall. Ich habe den Dampfkessel, in dem das Fleisch nach der Schlachtung kochte, zu früh geöffnet und Eri übersehen, der gerade das Feuer schüren wollte. Der heiße Dampf ist ihm direkt ins Gesicht geschossen und hat seine Augen verbrüht.“ Goran tat sehr betroffen und warf einen schuldbewussten Blick zu seinem Diener, als würde ihn dieser Umstand noch immer quälen. „Ich komme damit klar, Mutter. Mein Herr ist sehr gut zu mir.“ Eri stand auf. „Wir sollten dann vielleicht gehen, ich wollte euch nur wissen lassen, dass ich lebe.“ „Aber du bist doch gerade erst gekommen.“ Eri ignorierte seine Mutter und nahm stattdessen Lina in die Arme. „Pass auf dich auf.“ „Eri, bleib doch noch. Wir haben uns so viel zu erzählen!“ bat seine Schwester und drückte sich an ihn. „Ich habe dich so vermisst.“ „Ich dich auch, Lina. Aber wir müssen weiter.“ Er löste sich von ihr und trat zu Goran. „Wir können dann gehen, Herr.“ Goran versuchte nicht ganz so finster zu schauen, wie er sich fühlte. So hatte er sich das alles nicht vorgestellt und damit würde er sich auch nicht zufrieden geben. „Nein, die Reise war anstrengend und ich wünsche, mich etwas auszuruhen. Gibt es in Eurem Dorf ein Gasthaus, in dem wir nächtigen können?“ „Ich will nicht hier bleiben!“ Eri schlug die Hand vor den Mund. „Verzeiht, Herr.“ Goran nickte nachsichtig und blickte Eris Schwester erwartungsvoll an. „Der ‚Dorfkrug’ ist das örtliche Gasthaus. Weißt du noch, wo es ist, Eri?“ fragte Lina. „Ja, ich weiß es noch. Ich bringe Euch hin, Herr.“ „Danke. Wenn es Euch Recht ist, kommen wir später noch einmal zu Besuch.“ Goran verbeugte sich, wechselte noch ein paar Höflichkeiten mit der Mutter und hakte Eri dann bei sich unter, damit sie schneller aus dem Haus konnten. Als die Tür ihres Zimmers im Gasthof ins Schloss fiel und sie endlich allein waren, atmete Eri aus und drückte sich sofort an seinen Gefährten. „Warum hast du das gemacht? Ich will nicht hier bleiben.“ Gorans ungewohnt großer Körper fühlte sich ungemütlich und falsch an. „Aber ich will es, Eri. Für dich.“ Die dicken Arme schlossen sich um den nun noch zerbrechlicher wirkenden Körper und drückten ihn gegen Gorans Brust. „Du hast deinen Bruder noch nicht getroffen und außerdem...willst du wirklich aus deinem Dorf mit Hass im Herzen gehen?“ „Was soll ich tun? Diese Frau hat zugelassen, dass ihr Sohn zum Opferlamm gemacht wurde! Gegen seinen Willen! Und ich kann nicht einmal um meinen Vater trauern.“ Eri sank tiefer in die Wärme. „Verachtest du mich dafür?“ „Das würde ich nie tun. Du bist jetzt sehr aufgewühlt und durcheinander. Aber ich kenne dich, Eri. Du bist kein Mensch, der ewig hassen kann und nach acht Jahren ist es an der Zeit zu vergeben. Ich bin sicher, es war keine leichte Entscheidung für deine Eltern, selbst wenn es auf dich so gewirkt hat. Und dein Vater hat sich vor Reue das Leben genommen...er hat dich geliebt, Eri.“ „Er hat mich gefesselt! Damit ich nicht weglaufe, sagte er! Ich habe geschrieen und gefleht, aber sie haben immer nur gesagt, dass es zu unser aller Wohl sei. Wie soll ich ihm vergeben?“ Eri schien allmählich sämtliche Kraft einzubüßen. „So, wie ich dir deinen Verrat damals verziehen habe, Feuerkind.“ antwortete Goran ruhig und hielt seinen Gefährten sicher in den Armen. Trotzdem befand er es für besser, wenn sich Eri hinsetzte, also bugsierte er ihn zum Bett. „Du hast ja Recht...“ gab Eri schwach zu, die Erschöpfung holte ihn ein. „Bitte...“ Sein Kopf ruhte an Gorans Schulter. „Bitte nimm deine normale Gestalt an. Dieser Körper gefällt mir nicht...er ist so unförmig.“ „Nun hör mal! Ich bin ein stattlicher Mann, nach dem sich jedes junge Mädchen den Kopf verdreht hat.“ empörte sich Goran gespielt, zögerte jedoch keine Sekunde, um dem Wunsch nachzukommen. Er stand auf und entledigte sich seiner Kleidung und des Schmucks. Als er sich umdrehte, war er bereits wieder in seiner normalen Form. „Du solltest dich ausruhen, Feuerkind.“ Zärtlich drückte er Eri in die Kissen und strich ihm über die Stirn. „Halt mich fest. Ohne dich stehe ich das nicht durch.“ Eri schloss die Augen, auch wenn es für ihn keinen Unterschied bedeutete. Er wollte nur noch schlafen, es war keine Kraft mehr da; für nichts. Wieso musste er sich seiner Vergangenheit jetzt stellen? Warum konnte er nicht einfach wieder zurück in ihre Höhle und dort mit seinem Drachen glücklich werden? Nun kamen all die Gefühle wieder hoch, die ihn bereits vor acht Jahren heimgesucht hatten. Es war so einfach gewesen, bei Goran alles zu vergessen. Bereitwillig legte sich der Drache neben ihn und ließ Eri sich ankuscheln. „Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus. Denk jetzt nicht darüber nach, ich bin bei dir und werde zu dir stehen.“ „Danke.“ Eri glitt langsam in den Schlaf. „Ich liebe dich...so sehr...so sehr“ Hier war er sicher. Die Arme seines Drachen gaben ihm Schutz, egal, wo sie waren. Es würde alles gut werden...hoffentlich hatte Goran damit Recht. Nach einem ausgedehnten Frühstück, das noch in die Mittagsstunden hineinreichte, machten sich Eri und Goran auf den Weg zu den Feldern, die das Dorf umgaben. Lina hatte am Morgen kurz in der Gaststätte vorbei geschaut und ihnen eine Nachricht von Eris Mutter ausgerichtet. Sie waren zum Abendessen eingeladen. Goran hatte jedoch gedrängt, Isaac schon vorher aufzusuchen. „Bist du aufgeregt?“ „Ich weiß nicht, ich bin eher...ich kann meine Gefühle nicht beschreiben.“ Eri seufzte. Vor ihnen kamen die Felder in Sicht und er hörte bereits das schwere Schnaufen der Arbeiter. Schon seit den frühen Stunden des Tages wurde hier geschuftet. Die Arbeit war hart, der Lohn gering, auch hier im Dorf begann das Großgrundbesitztum zu florieren und kaum noch jemand besaß ein eigenes Feld. Sie blieben auf dem Feldweg an einem Zaun stehen und Goran durchsuchte mit den Augen das Korn nach Isaac, den Eri ihm grob beschrieben hatte. Es dauerte nicht lange, da trennte sich eine Gestalt von den anderen Arbeitern und kam eilig auf sie zu. Isaac war ein kräftiger, junger Mann von zwanzig Jahren, mit breiten Schultern und gebräunter Haut. Seine Kleidung war schmutzig und abgerissen, aber er war trotzdem eine sehr adrette Erscheinung, weit maskuliner als Eri es war. Sein kurzes blondes Haar war von Schweiß und Staub verklebt und die Haut glänzte feuchte, wo sie nicht mit Erde beschmiert war. „Eri! Den Göttern sei Dank! Ich wollte es nicht glauben, als Lina es mir erzählte!“ „Isaac?“ fragte sein Bruder überflüssigerweise, aber mit einem Lächeln. „Ja, ich bin es! Tut das gut, dich zu sehen!“ Sein Bruder schwang sich behände über den Zaun und wollte Eri umarmen, blieb aber stehen, als er Goran bemerkte. Dieser machte wie schon vor dem Rest der Familie auch hier eine knappe Verbeugung und lächelte offen. Da Eri sich bei ihm untergehakt hatte, nahm er nun dessen Hand und führte ihn zu seinem Bruder. „Es freut mich, Euch kennen zu lernen.“ Er ließ den Blinden los und schob ihn näher zu Isaac. „Das ist Fürst Rótan, mein Herr.“ erklärte Eri. Endlich schlossen sich zwei kräftige Arme um ihn und er nahm den Geruch von Schweiß, Erde und Staub wahr, den sein Bruder verströmte. Die Umarmung war herzlich und voller Zuneigung, weswegen Eri sie wirklich genoss. „Schön dich wiederzuhaben.“ flüsterte Isaac gegen seine Schulter. Goran war glücklich und zeigte dies auch unverhohlen. Er war sich sicher, dass Eri diese Zusammenführung gebraucht hatte. Seine Aufgabe war zwar noch nicht erledigt, aber der Drache war guter Dinge. „Erlaubt Ihr, dass ich meinen Bruder unter vier Augen spreche?“ fragte Isaac plötzlich, als die Umarmung endete. „Ich wäre gern kurz mit ihm allein.“ „Aber natürlich. Ihr habt Euch sicher viel zu erzählen. Ich mache einen kleinen Spaziergang.“ Er legte seine große Hand auf Eris Schulter und drückte sie kurz, dann schlenderte er einfach am Zaun entlang und sah sich etwas um, allerdings waren seine Ohren gespitzt, falls Eri ihn brauchte. „Wer ist der Kerl?“ fragte Isaac sofort, als Fürst Rótan außer Hörweite war. „Wie meinst du das?“ Eri hörte den Unterton in der Stimme, konnte ihn aber nicht deuten. „Er ist mein Herr. Er hat mir das Leben gerettet und sorgt für mich, seit ich blind wurde.“ „Zwingt er dich, Dinge zu tun, die du nicht willst?“ Eri sah ihn verständnislos an, seine milchigen Augen waren auf das Kinn seines Bruder gerichtet, weil dieser ihn mittlerweile überragte. „Was...wovon sprichst du?“ „Du weißt schon...“ Isaac war verlegen, aber gleichermaßen entschlossen. „Niemand kümmert sich aus reiner Nächstenliebe um einen blinden Diener. Was will er als Gegenleistung? Musst du ihm...auch im Bett dienen?“ Eri lief rot an. „Warum...warum fragst du mich das? Ist das wichtig?“ Isaac packte ihn hart an den Schultern und schüttelte ihn leicht. „Ob das wichtig ist? Dann lag ich also richtig? Dieser Mistkerl! Merkst du nicht, dass er dich ausnutzt? Was tut er dir noch alles an, Eri? Wozu zwingt er dich noch? Ich sage dir jetzt gleich...du wirst nicht mit ihm zurück gehen, das lasse ich nicht zu!! Du hast genug gelitten!“ „Nein!“ Der Rotschopf keuchte erschrocken und schüttelte den Kopf. Er verlor durch das Schütteln ein wenig die Orientierung und bekam plötzlich Panik, weil er nicht mehr genau sagen konnte, in welche Richtung Goran gewandert war. „Ich mache das doch...ich mache es freiwillig...er ist gut zu mir.“ „Du belügst dich selbst! Hast du ihn gesehen? So ein Mann kann nicht zärtlich sein! Er tut dir weh, oder? Eri, du kannst es mir sagen, ich sorge dafür, dass er dir nichts mehr tut. Freiwillig...pah! Du bist ihm dankbar, dass er dich gerettet hat, aber dieser Tribut...über so eine lange Zeit. Wie oft hat er dich schon vergewaltigt?“ Isaac redete sich richtig in Rage und seine kräftigen Finger, drückten sich in die schlanken Oberarme seines Bruders, der darunter zusammenzuckte. „Bitte nicht so fest. Du tust mir weh, Isaac!“ rief Eri und versuchte sich zu befreien. „Er vergewaltigt mich nicht! Ich bin gern bei ihm und ich bin gern sein Gefährte! Wieso bringst du so plötzlich diese Anschuldigungen hervor? Du kennst ihn doch gar nicht!“ Die Worte sprudelten nur so hervor. „Goran ist immer gut zu mir! Er liebt mich!“ Die Situation überforderte den jungen Mann und er plapperte einfach drauf los. „Goran? Wer ist Goran?“ Eri konnte spüren, wie dicht sich ihre Gesichter sein mussten, denn der heiße Atem seins Bruder blies stoßweise über seine Haut. „Musst du etwa noch einem Anderen dienen? Was bist du? Ihre Hure?“ „Hör bitte auf! Du machst mir Angst!“ Eri riss sich los und stürzte dabei, unsanft landete er auf dem erdigen Boden. „Bitte...bitte sei nicht so...“ Zuerst starrte Isaac ihn nur an, doch dann wurde sein Gesicht weicher, bedauernd, und er kniete sich vor Eri nieder und zog ihn in seine Arme. „Es tut mir leid. Ich mache mir nur solche Sorgen um meinen großen Bruder. Wir haben uns so lange nicht gesehen und jetzt bist du da, aber hast dich völlig verändert. Früher warst du immer so stark und jetzt...bist du der Bettwärmer eines reichen Schnösels, der dich nur benutzt.“ „Denk nicht so von mir...Isaac, bitte nicht...“ Eri weinte an der Schulter seines Bruders, griff nach den starken Armen. „Ich habe viel durchgemacht und ich...ich...du würdest die Wahrheit nicht hören wollen.“ „Warum nicht? Ist es so schrecklich? Eri, ich möchte alles wissen, was dir geschehen ist. Und ich schwöre dir, ich werde jeden zur Rechenschaft ziehen, der dir weh getan hat.“ Isaac hielt ihn so fest, presste seiner Finger so stark in den schlanken Rücken, dass auch dort Flecken zurück bleiben würden. Der jüngere Mann ertrug es einfach nicht, seinen Bruder, zu dem er immer aufgesehen hatte, so verstört zu erleben. „Schwöre mir, dass du niemandem verrätst, was ich dir sage.“ Eri hielt ihn weiter umklammert. Sein kleiner Bruder war ihm immer der Liebste gewesen, noch mehr als Lina. Sie hatten soviel zusammen angestellt, soviel gelacht und waren immer füreinander da gewesen. Sie hatten sich alles sagen können und Eri wollte keine Geheimnisse vor ihm haben. Wenn er es jemandem anvertrauen konnte, dann Isaac. Aber er kannte auch dessen Temperament. „Ich verspreche es, Eri. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich diesen Fürsten nicht zur Verantwortung ziehe, wenn er dir etwas angetan hat!“ „Er ist kein Fürst...“ Jetzt war es raus. Eri biss sich auf die Lippe. Es gab kein Zurück mehr und er würde sich sicherlich besser fühlen, wenn er es jemandem sagen konnte. „Was? Dann ist er ein Betrüger?“ Isaac trennte sich von Eri und sah ihn mit großen Augen an. Eri atmete tief ein und hoffte, dass ihm sein Gefährte vergeben würde. Er konnte nicht anders. „Er ist nicht einmal ein Mensch...Isaac...Goran ist...er ist Nargonim, er ist der Drache. Was du siehst, ist nur eine Hülle für ihn...und nicht einmal die, in der ich ihn kenne...und liebe.“ Isaacs Gesicht war verständnislos und ungläubig. Er begriff nicht, was ihm Eri sagen wollte und tastete besorgt nach dessen Stirn. „Du warst zu lange in der Sonne, Bruder. Komm, ich bring dich in den Schatten, sonst wird der Sonnenstich schlimmer.“ Er fasste dem Rotschopf unter die Achseln und zog ihn hoch. „Aber das...“ Eri ließ sich führen, schließlich spürte er, wie die Wärme verschwand und der angenehmen Frische eines schattigen Fleckchens Platz machte. „Ich habe keinen Sonnenstich!“ Isaac hatte ihn gegen einen Baum gesetzt, die Rinde fühlte sich nach einer Eiche an. „Er ist Nargonim der Drache. Er hat nie Opfer zum Fressen gesucht, sondern nur Gefährten...und er kann sich als Mensch zeigen. Ich bin seit acht Jahren bei ihm und ich liebe ihn mehr als alles. Ich gab mein Augenlicht, um in alle Ewigkeit in seinen Armen sein zu dürfen.“ „Dann hat er dich geblendet?“ Isaac hörte gar nicht richtig zu, sondern filterte nur die Dinge heraus, die er für glaubhaft hielt. Sein Bruder hatte sich schon immer gern Geschichten ausgedacht, die er ihnen dann vor dem zu Bett gehen erzählt hatte. „Ich bringe ihn um! Er wird dafür bezahlen!“ „Nein!“ Eris Hand schoss vor und packte seinen Bruder am Arm. „Er hat mich nicht geblendet. Er wollte mich sogar davon abhalten. Ich zwang ihn, einen Zauber auf mich zu legen, der mir das Wichtigste nimmt, damit ich so lange leben kann wie er.“ Seine Stimme klang verzweifelt, Isaac sollte ihm endlich glauben, aber die ganze Sache war viel zu komplex, als dass man sie einfach so nebenbei erzählen konnte. „Du bist verrückt geworden. Was muss er dir nur angetan haben?“ Isaac stand wieder auf und schüttelte traurig den Kopf. Sein geliebter Bruder hatte den Verstand verloren. „So glaub mir doch!“ Eri tastete nach seinem Stock. „Bitte! Ich bin nicht verrückt! Ich werde es dir beweisen! Ich habe dich noch nie angelogen, Isaac!“ „Ich werfe dir nichts vor, Eri. Du bist verwirrt und hilflos. Das Beste ist, du ziehst wieder bei uns ein, dann können wir uns um dich kümmern.“ So liebevoll er gerade noch sprach und seinem Bruder aufhalf, so schnell wechselte Isaacs Laune in Wut. Goran kam über das Feld zu ihnen unter den Baum. Isaac konnte sich nicht mehr zurück halten. Er wollte diesem Betrüger zeigen, was es hieß, seinen Eri anzufassen und ihn zu schänden! „Du elender...“ Er rannte die paar Schritte, die ihn von Goran noch trennten, und holte zum Schlag aus. Der Drache war allerdings schneller und wich aus, gab ihm einen leichten Stoß, dass er, durch seinen Schwung mitgerissen, stürzte. „Nicht so grob, mein Lieber.“ „Tu ihm nichts, Goran! Bitte!“ Eri hatte die Geräusche richtig gedeutet. „Er ist nicht bei sich!“ Eri benutzte ohne darüber nachzudenken den richtigen Namen des Drachenmannes. Dessen Augen verengten sich misstrauisch und fixierten den Bruder. Isaac rappelte sich auf und wollte gleich zum nächsten Angriff übergehen, doch der Fürst glitt im letzten Moment zur Seite und stellte ihm ein Bein. „Was ist überhaupt los, Eri? Warum hat dein Bruder so einen Hass auf mich? Ich kann ihn ja geradezu greifen.“ „Verzeih mir! Er dachte, dass du mir weh tust! Und mich nur benutzt. Ich habe ihm die Wahrheit gesagt, es tut mir leid. Er hat alles missverstanden.“ Eri hielt sich am Baum fest und versuchte in all der Verwirrung den Standort seines Bruders auszumachen. „Hör auf, Goran zu attackieren, Isaac, bitte!“ „Die Wahrheit also?“ Goran sah seinen Angreifer nachdenklich an. „Ich schätze mal, er glaubt dir nicht, hm?“ Das feine Schmunzeln um den Mund des Fürsten machte Isaac nur noch wütender. „Ich weiß genau, was Ihr für ein Spiel treibt! Ihr wollt meinen Bruder nur ausnutzen und werft ihn irgendwann in die Gosse, wenn er Euch zu viele Umstände macht.“ „Dann scheinst du mich ja gut zu kennen.“ bemerkte der Drache trocken und ergriff den Arm seines Gefährten, um ihm den Stock zu geben, den er aufgehoben hatte. „Was hältst du von einer Demonstration, Feuerkind?“ „Würdest du das tun? Er wird uns sicher nicht verraten.“ Eri griff Halt suchend nach Goran. „Verzeih, ich wollte keine Probleme bereiten, aber er dachte so schlecht von dir und ich konnte es ihm noch nicht einmal verdenken.“ „Mach dir keine Sorgen.“ Zärtlich strich er über die gerötete Wange seines Liebsten. Es gefiel ihm nicht, dass er so warm und angestrengt war. „Wollen wir dann gleich gehen? Ich werde dich für die Zeit, die du deine Arbeit niederlegen musst, entlohnen.“ „Ihr meint wohl bestechen!“ „Sei nicht so zu ihm, Isaac! Ich flehe dich an!“ Eri wurde lauter, er ertrug es nicht, dass sein Bruder seinen Geliebten so hasste. Das war nicht richtig. So sollte das nicht sein. „Hey, hey, ganz ruhig, Eri. Reg dich nicht so auf. Ich werde ihm schon beweisen, dass du die Wahrheit sagst.“ Ein amüsierter Blick traf Isaac. „Gehen wir in das Wäldchen dort drüben.“ Goran deutete auf die dicht stehenden Bäume und Eris Bruder zog eine Braue hoch. „Und was willst du dann dort tun? Mich umbringen, damit ich niemandem verrate, was du meinem Bruder antust?“ Isaac war ganz bewusst in die unhöfliche persönliche Anrede gewechselt. „Ich könnte dich fressen, ja. Aber dann wäre mir auf ewig der Zorn meines Geliebten aufgebürdet und so viel bist du mir dann doch nicht wert.“ Goran fasste Eri resolut am Ellenbogen und zog ihn mit sich Richtung Wald ohne Isaac weiter zu beachten. Dort hielten sie auf einer Lichtung an und als sich Goran von ihm löste, trat Eri zu seinem Bruder und hielt sich an dessen Arm fest. „Schau zu und staune.“ Wie gern hätte er endlich wieder einmal die wundervolle Verwandlung seines Gefährten gesehen. „Ich kann nicht glauben, dass ich dieses Theater mitmache. Eri, dieser Mann belügt dich nach Strich und Faden! Nur weil du blind bist, macht er dir vor, er sei...bei den Göttern.“ Etwas, das auf der Lichtung vorging, hatte den Wortschwall Isaacs zum Verstummen gebracht. Während die Beiden sich unterhalten hatten, war Goran aus seiner Kleidung gestiegen und hatte die Verwandlung begonnen. Plötzlich stand der stolze Drache vor ihnen und breitete die Flügel aus. Es tat gut endlich wieder er selbst zu sein und nicht auf die kleine menschliche Gestalt beschränkt zu sein. Mit einem Blick, der ein herausforderndes ‚Hab ich es dir nicht gesagt?’ beinhaltete, bedachte Nargonim Eris Bruder. „Ist er nicht wunderschön?“ Eri lächelte, er malte sich aus, wie Nargonim in diesem Wald aussehen mochte. Hoch wie die Bäume, das durch die Kronen fallende Licht glänzte auf den dunklen Schuppen. Sein wundervoller Drache. „Das ist nicht...bei den Göttern! Eri...“ Isaac riss sich von ihm los, stolperte zurück. Er war kreidebleich. „Das ist...“ Er sah aus, als wolle er fliehen. „Das ist ein Monster!“ stammelte er und drückte sich gegen den Stamm einer Eiche, als sein Rücken dagegen stieß. Missgestimmt schnaubte Nargonim einmal und knurrte dunkel. Er hätte es besser wissen sollen. Er kam nahe an Eri heran und bettelte nach einer kurzen Liebkosung, die er auch prompt erhielt. Es war so herrlich, wenn sein Feuerkind ihm die Schnauze streichelte. Doch dann richtete sich der Drache wieder auf und verwandelte sich zurück, dieses Mal allerdings in den wahren Goran. Die Kleidung war ihm nun zu groß, also zog er erst nur die Hose an und kam dann zu Eri, um ihn an sich zu ziehen und einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Eri legte seine Hände auf die vertraute, warme Haut am Oberkörper seines Gefährten und lächelte dankbar. „Eri! Komm von ihm weg!“ flehte Isaac. „Das ist ein Ungeheuer!“ „Nein, das ist er nicht!“ Der Rotschopf schaute in die Richtung, aus der die Stimme kam. „Goran und Nargonim sind der Mittelpunkt meines Lebens, ich liebe den Drachen und ich liebe den Mann, und keiner von beiden ist ein Ungeheuer. Ich habe noch nie ein gütigeres Wesen getroffen. Versteh doch, ich gab mein Augenlicht für ein Leben an seiner Seite, nicht weil er es verlangte, sondern weil ich es wollte.“ Isaac schüttelte verzweifelt den Kopf. Das konnte nicht die Wahrheit sein! Sein Bruder konnte nicht so eine Bestie lieben! „Junge, ich weiß, ihr Menschen seid eine sehr voreingenommene Rasse und verurteilt andere Rassen gern. Aber in diesem Fall nehme ich das nicht so hin. Ich habe Eri hierher gebracht, damit er seine Familie trifft und ihr wisst, dass er am Leben ist. Und ich bitte dich nur darum, dass du ihm dieses Wiedersehen nicht verdirbst, weil du mit seiner Wahl nicht einverstanden bist.“ „Wie hast du ihn dazu gebracht, dich zu liebe, du Bestie?! Hast du ihn verzaubert?“ „Hör auf! HÖR AUF!“ Beide Männer sahen Eri entsetzt an, so laut schrie er. „Hör auf damit! Isaac, du bist mein Bruder und ich liebe dich sehr, aber wenn du weiter auf Goran herumtrampelst, dann schwöre ich dir, siehst du mich nie wieder! Du und Lina, ihr seid der Grund, warum ich hier bin und mich sogar wieder mit Mutter versöhnen will.“ Das erwähnte er zum ersten Mal, er hatte es am Morgen für sich beschlossen. „Bitte mach mir mein Glück nicht kaputt! Bitte!“ Goran sagte nichts dazu, sondern blickte nur stumm von Eri zu dessen Bruder. Die stille Bewunderung für seinen Gefährten, ließ er diesen spüren, indem seine Finger sanft über dessen Wirbelsäule glitten und ihn fester an sich zogen. „Was ist nur aus dir geworden, Eri?“ Isaac warf sich auf dem Fuß herum und lief davon. „Bruder!“ Eri sank zusammen, als er die Schritte sich entfernen hörte. „Nein...Bruder...“ Der Drache hielt ihn und schüttelte nur bedauernd den Kopf. Anscheinend hatte Isaac nicht verstanden, worum es ging. „Es wird alles wieder gut, Feuerkind. Lass ihm etwas Zeit.“ „Und wenn nicht?! Wenn er nun herum rennt und allen sagt, dass du der Drache bist?! Sie werden dich jagen! Bei allen Göttern, was habe ich nur getan?“ Er stieß Goran von sich und drehte sich um. Dieser fasste schnell nach und umschlang Eri von hinten. „Du hast getan, was du für richtig gehalten hast. Und ich habe mich bereit erklärt, mich ihm zu offenbaren. Außerdem...“ Goran grinste und küsste ihn auf den Hals. „...wird er keine Chance dazu bekommen, jemandem etwas zu sagen. Ich habe schon einen Zauber auf ihn gelegt, Feuerkind. Auf dem Weg hierher.“ „Du hast...was hast du gemacht? Stirbt er etwa, wenn er etwas sagen will?“ Eri riss die trüben Augen auf. „Nein...das würdest du nicht tun. Aber wie...wie sonst?“ „Er wird sich nicht daran erinnern. In dem Moment, da er sein Wissen preis geben will, wird es verschwunden sein und er erinnert sich nur daran, dass wir in den Wald gegangen sind und uns gestritten haben.“ Die großen schlanken Hände wanderten über Eris Brustkorb und Bauch. Goran ließ seine Zunge über die empfindliche Haut an Hals und Ohr gleiten. „Entspann dich. Ich glaube nicht, dass Isaac etwas sagen wird. Er ist nur besorgt und ängstlich.“ „Ich hatte erwartet, dass er mich verstehen würde.“ Eri seufzte leise. Er war immer noch Wachs in den Händen seines Drachen, das hatte sich nie geändert und hier konnte er auch etwas von den belastenden Gefühlen aufgeben. Einfach sein. Sicher sein. „Du hast es doch auch nicht sofort verstanden, oder? Kein Mensch kann so etwas sofort begreifen, Eri. Es ist zu fantastisch.“ „Aber er scheint mir meine Liebe nicht zu gönnen, das tut weh.“ Eri begriff, was Goran sagen wollte, aber er war verletzt und musste sich bemühen, Verständnis für seinen Bruder zu zeigen. „Das glaube ich gern. Aber versetz dich in die Lage von Isaac. Sein tot geglaubter Bruder taucht plötzlich an der Seite eines Drachen auf und behauptet ihn zu lieben. Er will dich beschützen, deshalb wehrt er sich gegen den Gedanken, dass unsere Verbindung echt sein könnte.“ Die rechte Hand des Mannes, schob sich unter Eris Hemd und legte sich über dessen Herz. „Vertraue deinem Herz. Es hat dir doch bis jetzt gute Dienste geleistet, oder?“ „Ich vertraue dir.“ Eri schloss die Augen, die Berührung war so ehrlich und intensiv. Wie jedes Wort und jede Zärtlichkeit Gorans. In all dem steckte ein Zauber, dem der Rotschopf schon lange hoffnungslos und voller Glück verfallen war. „Komm, ich lass dich ein bisschen vergessen.“ hauchte Goran ganz leise und brachte Eri dazu sich hinzulegen. „Ich schlage vor, wir gehen zurück zum Gasthaus und machen uns dort frisch. Heute Abend ist das Essen bei deiner Familie, da müssen wir doch wieder fit sein, nicht wahr?“ Der Drache zupfte seinem Gefährten einen Grashalm aus dem Haar und lächelte. Sie spazierten den Weg am Rande der Felder entlang zum Dorf. „Davor habe ich immer noch Angst.“ Eri fühlte sich auf wunderbare Weise vollkommen ermattet. Goran hatte ihn ausschweifend geliebt und ihn wirklich für einige Zeit die Welt vergessen lassen. Wenn er die Schwere des Körpers seines Drachens auf sich spürte, hörte alles andere auf zu existieren. „Kann ich verstehen. Deshalb ruhst du dich vorher aus. Du siehst erschöpft aus. Macht dir die Hitze zu schaffen?“ grinste Goran breit. „Um eine scheinheilige Frage warst du noch nie verlegen, oder? Stell dir nur vor, uns hätte jemand gesehen.“ Eri hörte die Ketten klimpern und fühlte die Ringe an Gorans massiger Hand. „Ich bin so froh, wenn wir wieder im Wald sind und du nicht mehr so rumläufst.“ „Dabei bin ich wirklich ein hübscher Bursche.“ schmollte der Drache gespielt und wuschelte seinem Geliebten über das Haar. „Aber ja, ich bin auch froh. Es ist doch irgendwie einengend, immer in so einem kleinen Körper zu stecken. Wenn du ein Drache wärst, würde ich mich gar nicht mehr verwandeln.“ „Ich mag dich als Drache, aber bist du mir böse, wenn ich dir sage, dass ich Gorans Nähe vorziehe?“ Er lachte leise. „Auch wenn ich dich in jeder Form liebe, mehr Geborgenheit kannst du mir in menschlicher Gestalt geben.“ „Ich weiß, aber manchmal muss ich – im wahrsten Sinne des Wortes – aus meiner Haut heraus. Kannst du dir vorstellen, wie es wäre, wenn du in einer Flasche eingesperrt wärst? Zusammengequetscht? Dann weißt du, wie es mir geht, wenn ich zu lange als Mensch herum laufe. Was nicht heißt, dass ich nicht gern in deiner Nähe bin oder mich dir so zeige. Aber ab und zu brauch ich eben...Freiheit.“ Sie waren schon fast an der Gaststätte und unterbrachen ihr Gespräch, bis sie auf dem Zimmer waren. Dort zog Goran sich sofort aus und nahm die Gestalt an, die Eri kannte. Der rothaarige Mann saß auf dem Bett und schwieg, seine trüben Augen schienen in die Ferne gerichtet. „Ich weiß immer noch nicht, wie ich es tun soll.“ Er spielte abwesend mit seinen Fingern. „Wie hast du es damals fertig gebracht, mir zu verzeihen? Wie verzeiht man, wenn man durch die Schuld des Anderen beinahe gestorben wäre?“ „Liebst du deine Mutter?“ Goran setzte sich neben ihn. „Ja...schon...“ Eris Kopf lehnte sich an die breite Schulter. „Natürlich liebe ich meine Mutter. Aber ist diese Liebe stark genug, um diesen Verrat zu verzeihen? Sie hat zugesehen, wie ihr Sohn getötet werden sollte.“ „Aber hast du nicht einmal erzählt, dass sie geweint hat? Glaubst du, dass es ihr leicht gefallen ist?“ Der Arm des Drachen legte sich um Eris Schulter und drückte ihn so weit runter, dass sein Kopf in Gorans Schoß lag und der Mann ihm liebevoll durch die Haare kraulen konnte. „Es hätte jede Familie aus dem Dorf treffen können und für keine wäre es einfach gewesen. Ein schwacher Trost, ich weiß.“ Goran überging völlig, dass er die Ursache dieses Leids war. Es lag vielleicht daran, dass er schon so lange lebte und die Spanne eines Menschen für ihn zu gering erschien. Außerdem vergaßen Menschen schnell. „Als ich da oben stand und auf dich wartete - auf den Tod, wie ich damals dachte - ich habe die ganze Zeit insgeheim gehofft, sie würde sich zu mir schleichen und mich befreien. Oder Vater. Aber niemand kam...ich weiß noch, wie meine Geschwister geschrieen und geweint haben, als man mich aus dem Haus zerrte.“ Die Erinnerung brachte den zarten Körper leicht zum Zittern. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Eltern es gut geheißen haben.“ Die schlanken Finger glitten durch das dicke Haar und über die weiche Haut der Wange. Eri würde sich sein Leben lang an diesen Verrat erinnern, genauso wie Goran das tat, doch er konnte ihn irgendwann auch vergeben. Da war sich der Drache sicher. „Wenn ich an all das denke...ich habe damals fast das selbe getan. Wie kannst du mich nur lieben?“ Solche Phasen hatte Eri von Zeit zu Zeit. Seine Liebe für Goran war so groß, dass seine Selbstzerfleischung über den fast vergangenen Verrat manchmal ungesunde Züge annahm. In solchen Momenten hatte er dem Drachen sogar schon gesagt, dass er Prügel verdiene und bestraft werden wolle. „Eri, ich weiß, dass du es bereust und du hast schließlich auch dein Leben für mich riskiert, als du ihn aufgehalten hast. Das ist doch der beste Beweis dafür, dass du mich liebst und nicht willst, dass mir etwas zustößt. Und deine Mutter bereut auch. Du musst ihr nur einmal die Chance geben, dir zu sagen, was sie durchgemacht hat.“ „Die bekommt sie ja heute Abend.“ Eri schloss die Augen und atmete tief ein. „Darf ich dich was fragen?“ „Natürlich.“ „Ich konnte es nicht sehen...aber unser Haus...“ Eine kurze Pause entstand, als wüsste Eri nicht, wie er genau weitermachen sollte. „Ich erinnere mich daran, wie wohnlich und schön alles war, aber gestern...es roch so komisch. Nach altem Holz, teilweise ein bisschen faulig und was ich fühlen konnte...wie sah es aus?“ „Willst du die Wahrheit oder Erleichterung?“ Goran stoppte das Streicheln und ließ seine Hand auf dem Schopf liegen. „Es kann eigentlich nicht viel schlimmer werden.“ schlussfolgerte Eri vollkommen falsch. „Also belüg mich bitte nicht.“ „Das Haus ist heruntergekommen. Die Möbel alt und morsch. Ich habe einige Risse in den Wänden gesehen und Löcher in den Dielen. Die Gardinen sind alt und abgetragen. Aber es ist nicht nur das Haus. Auch die Kleidung deiner Familie ist zerschlissen und löchrig. Es gehört eigentlich alles schon längst in den Müll oder zu den Putztüchern. Deine Mutter wirkt ausgehärmt und sehr viel älter, als sie wahrscheinlich ist. Isaac sieht man die harte Arbeit an. Ich hätte ihn nicht auf 20 geschätzt. Er sieht älter aus als du. Und ich schätze, dass das Essen heute Abend das letzte Geld deiner Mutter auffrisst.“ „Ich würde jetzt gern sagen, dass ihr das recht geschieht...“ murmelte Eri nach einer langen Pause. „...aber ich kann nicht. Bei den Göttern, meine Familie war mal recht gut betucht, wir hatten niemals Sorgen.“ „Nun habt ihr sie. Und ich glaube, das wiegt alles nicht so viel, wie der Verlust deines Vaters. Mit deinem vermeintlichen Tod ist die Familie eingebrochen.“ „Das ist gemein. Jetzt kann ich sie nicht mehr hassen. Ich will ihr helfen.“ Eri schlug mit der Hand auf das Bein seines Gefährten. „Aber ich wollte sie doch hassen!“ Er klang wie ein bockiges Kind. Goran verhakte ihre Finger und begann seine Hand wieder durch das Haar kämmen zu lassen. „Nein, das wolltest du nicht. Du bist nur noch immer verletzt. Geht es dir denn nicht nahe, dass sich dein Vater deinetwegen umgebracht hat?“ Schweigen. Eri sagte nichts. Dann brach er in Tränen aus. Als wäre eine Barriere in ihm zerbrochen, allein durch die Worte seines Geliebten. Schluchzend presste er sich an Goran, kroch so nah es ging an ihn heran. Dieser nahm ihn nur still in den Arm und legte sich neben Eri. Er hatte gewusst, dass der Schmerz noch tief in dem jungen Herzen lag. Sein Gefährte hatte sich nie richtig mit diesem verhängnisvollen Tag auseinander gesetzt und nun wurde es ihm regelrecht aufgezwungen. „Lass deinen Schmerz raus, Feuerkind. Er hat dich lange genug vergiftet.“ Und Eri tat es. Minutenlang, scheinbar eine Ewigkeit, in der er sich einfach nur in die warme geborgene Nähe seines Geliebten flüchtete und weinte. Teilweise so heftig, dass er nicht einmal mehr Luft bekam. Er zitterte am ganzen Körper, Sturzbäche aus Tränen rannen seine Wangen hinab. Seine Finger krallten sich in die Haut Gorans, sein Gesicht drückte sich gegen die vertraute Brust. Der Drache konnte gar nichts anderes tun, als Eri an sich zu drücken und für ihn da zu sein. Seine Hände glitten beruhigend über den bebenden Rücken. Es tat ihm selbst weh, wie sein Geliebter litt, doch andererseits wusste Goran auch, dass es ihm Erleichterung verschaffen würde. Tränen von 8 Jahren flossen hier und fanden endlich ein Ventil. Es wunderte ihn nicht, dass Eri völlig erschöpft in seinen Armen lag, nachdem er sich langsam wieder beruhigt hatte. Immer noch rang er nach Atem, versuchte Luft durch die Nase zu kriegen. Seine Augen waren vollkommen verquollen. Doch auf eine merkwürdige Weise fühlte er sich besser. Er hatte tatsächlich zum ersten Mal seinem Schmerz Luft gemacht und um seinen Vater getrauert. „Danke.“ flüsterte er irgendwann. „Geht es dir jetzt besser?“ Goran rollte sich von seinem Feuerkind weg und fischte nach einem Taschentuch, das er in seiner Nachttischschublade aufbewahrte. Der Stoff war weich und genau richtig für die gerötete Nase. „Hier.“ Er gab es Eri und lächelte ihn sanft an. Der Rotschopf schnäuzte sich daraufhin dermaßen laut, dass wahrscheinlich noch eine Etage tiefer die Bilder von der Wand fielen. „Viel besser.“ Kurz blieb es still und Eri spürte einen Blick auf sich. „Was ist?“ fragte er unsicher. „Selbst mit roter Nase und roten Augen siehst du noch bezaubernd aus, Feuerkind. Ich bin froh, dass wir diese Reise gemacht haben, denn dann findet dein Herz endlich Frieden.“ Goran streifte eine Träne weg und küsste Eri auf die Nasenspitze. „Denkst du? Hilfst du mir heute Abend? Ich will mich ja mit Mutter versöhnen...aber ich brauche dich sicher dabei. Nur mit Isaac möchte ich noch einmal allein reden, sollte er sich noch an alles erinnern.“ „Oh, ich denke, er wird.“ Das Grinsen des Drachen war überdimensional. Der Schock von Eris Bruder war für Goran eher amüsant gewesen. „Wir gehen diesen Weg zusammen, Eri, also mach dir keine Sorgen. Es ist der richtige, da bin ich mir sicher.“ Liebevoll küsste er seine kleine Rotznase und drückte ihn dann wieder gegen sich. „Schlaf ein bisschen. Du brauchst die Ruhe.“ Eri schloss seine verweinten Augen und war schon kurz darauf eingeschlafen. Dieser emotionale Ausbruch hatte ihn mehr Kraft gekostet als gedacht. Kapitel 9: Weg in die Zukunft ----------------------------- Titel: Drachenherz Teil: 9/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: Es ist soweit, alles hat ein Ende, so auch diese Geschichte. Ich glaube, ich habe noch nie in so kurzer Zeit eine FF hochgeladen ^^ Es hat mir wirklich Spaß gemacht eure Meinung zu Charakteren und Story zu lesen und ich möchte mich noch einmal ganz herzlich bei allen Lesern und Kommi-Schreibern bedanken. Nun also viel Spaß beim Lesen und wer weiß...vielleicht gibt es ja irgendwann mal ein Wiedersehen mit Eri und seinem Drachen *fg* Weg in die Zukunft Weg in die Zukunft Die alte Tür des Hauses öffnete sich quietschend und Eris Mutter lächelte ihnen entgegen. Goran in seiner Fürstengestalt verneigte sich vor ihr und begrüßte sie mit einem Handkuss. „Ich möchte Euch noch einmal meinen herzlichsten Dank antragen für diese Einladung. Es ist uns eine Freude mit Euch zu speisen.“ Sie lief rot an und wischte sich verlegen über ihre alte Schürze. Ihr Blick irrte immer wieder zu ihrem Sohn, unsicher, ob dessen Gemütszustand. Es war offensichtlich, dass sie eine erneute Ablehnung fürchtete. „Aber natürlich...Ihr...Ihr habt meinem Sohn das Leben gerettet, da ist es nur angebracht, dass Ihr in unserem bescheidenen Hau...“ Weiter konnte sie nicht sprechen, denn Eri hielt es nicht mehr aus. Er konnte seine Mutter anhand ihrer Stimme ausmachen, trat einen Schritt vor und nahm sie einfach in den Arm. „Ich verzeihe dir, Mutter.“ Die ältliche Frau stand stocksteif und erschrocken da, unfähig die Bedeutung der Worte sofort aufzunehmen und angemessen zu reagieren. Doch dann schien es endlich zu ihr durchzudringen und sie holte einmal zitternd Luft. „Eri...“ flüsterte sie in die dicke Mähne ihres Sohnes und Tränen strömten aus ihren zerfurchten Augenwinkeln über die faltigen Wangen. „Ich habe dich lieb, Mutter.“ „Ich dich auch. Mein Eri...all die Zeit...ich habe immer an dich gedacht...ich habe es so bereut...dieser Frevel, den wir begangen haben...an unserem eigenen Kind.“ Goran war etwas überrascht, denn eine so plötzliche Versöhnung hatte er nicht erwartet. Dennoch freute er sich darüber. Er ließ Mutter und Sohn die Zeit für sich und wartete, bis er hereingebeten wurde. Es dauerte eine Zeit, bis die beiden sich wieder soweit unter Kontrolle hatten, dass ein normales Gespräch möglich war. Sie nahmen alle im Wohnraum am Esstisch Platz, doch hier war die Stimmung angespannter, denn Isaac begegnete dem Drachen mit einem Blick voller Misstrauen und Abneidung. Goran entdeckte auch Angst, was das Gefährlichste war. Es wäre nicht das erste Mal, dass Menschen dumme Dinge aus Angst taten. Das Essen selbst war mehr als ärmlich, hartes Brot, eine dünne Suppe, das Huhn hatte schon die besten Tage hinter sich. Die ganze Zeit hatte Eri im Hinterkopf, was ihm sein Geliebter beschrieben hatte. Er tastete hin und wieder mit den Fingern über die Tischplatte, fühlte wie alt und morsch das Holz war. Die vielen Schrammen und Kerben. „Und wann reist Ihr wieder ab...Fürst Rótan?“ fragte Isaac irgendwann provokativ. Er trug immer noch die Kleidung von der Feldarbeit und hatte etwas Schmutz an der Wange. „Oh, ich richte mich da ganz nach Eri. Wenn er nach Hause möchte, werden wir aufbrechen.“ Goran lächelte unverbindlich, doch seine Augen bohrten sich in die des jungen Mannes. Isaac sollte genau verstehen, dass es nichts an der Situation ändern würde, wenn er ihn hier beleidigte oder erneut angriff. „Ich meine nur...nun da sich Eri und Mutter ja versöhnt haben...“ Isaac legte den Kopf schräg. „Wäre es nicht schön, wenn du wieder hier wohnen würdest, Eri? Bei deiner Familie.“ Er betonte besonders das letzte Wort. „Was?“ entfuhr es dem Rotschopf, während seine Schwester gleich „Au ja!“ rief. „Eri steht immer noch in meinen Diensten und ist mir zu Treue verpflichtet.“ Goran konnte sehen, dass sein zuckersüßes Lächeln Isaac wütend machte und er gedachte nicht, sich auf dessen Provokationen einzulassen. „Du wirst doch wohl nicht erwarten, dass er seinen Herrn verrät, oder?“ „Ich denke, dass acht Jahre Schinderei für Euch mehr als genug sind! Er soll endlich wieder dort sein können, wo er hingehört! Bei seiner Familie!“ „Aber Isaac, bitte beleidige unseren Gast nicht!“ Die Mutter der Drei mischte sich ein, um Ruhe bemüht, aber sie hatte keine Chance. Lina war vermutlich das einzige der Kinder, das noch willig war ihre Anweisungen zu befolgen. „Mutter, siehst du das denn nicht? Dieser...Fürst...benutzt deinen Sohn nach Strich und Faden! Er verlangt Sachen von ihm, die ich nicht einmal aussprechen möchte!“ „Isaac, hör auf!“ Eri krallte seine Finger in die Tischkante, seine Wangen glühten. „Wovon spricht er, Eri?“ „Ach, nichts, Mutter, er...“ „Sag ihr doch die Wahrheit!“ fiel ihm Isaac ins Wort. „Sag ihr, dass du diesem Kerl auch im Bett zu Diensten bist!“ Isaac schien fest entschlossen, Goran schlecht zu machen, auch wenn er offenbar die ganze Wahrheit nicht sagen wollte. Der Drache hielt sich bewusst zurück. Würde er die Anschuldigungen sofort abstreiten, würde es Isaac nur bestätigen. Trotzdem traf den Blonden ein kalter Blick, denn Goran gefiel es gar nicht, welchen Druck der Mann auf seinen Bruder ausübte. Eri hatte es schon schwer genug. „Ist das...ist das wahr, mein Sohn?“ Inras Stimme zitterte, sie schaute Eri an, als könne dieser es sehen. Goran wagte sie gar nicht erst anzublicken. „Mutter, bitte...es ist nicht...es ist wahr, aber nicht so! Ich liebe ihn, ich liebe...“ Fast hätte er Goran gesagt. „meinen Herrn. Und er ist immer gut zu mir.“ „Na ja...also...“ Sie schien völlig verwirrt, aber wohl auch nicht willens aufgrund ihres Entsetzens gleich den Frieden mit ihrem ältesten Sohn zu gefährden. „Wenn das so ist...“ „Das darf doch nicht wahr sein! Du tolerierst das, Mutter?! Ich fasse es nicht!“ Isaac knallte sein Besteck hin und stand auf. „Erst lässt du zu, dass er einem Drachen geopfert wird und jetzt schaust du erneut weg, wenn ihm Leid getan wird?!“ Sichtlich getroffen sackte Inra auf ihrem Stuhl zusammen und versteckte leise entsetzte Laute hinter einer Hand. Goran konnte sehen, wie in Isaacs Augen Reue aufglomm, ob der grausamen Worte, die er gegen seine Mutter gerichtet hatte, obwohl sie doch eigentlich gegen den Drachen waren. Gefangen zwischen Stolz und Entschuldigung flüchtete er schließlich aus der Situation nach draußen. Abschätzend betrachtete der Drache seinen Gefährten und schob ihm schließlich den Stab hin. „Du könntest etwas frische Luft vertragen bei deiner Blässe, hm, Eri? Ich werde dir auch ein Stück von dem sicherlich hervorragenden Obstkuchen aufheben, den deine Schwester gebacken hat.“ Lina errötete leicht bei diesem Kompliment, musterte dann aber neugierig ihren Bruder. Eris Mutter war noch immer von Schock und Scham übermannt. „Danke.“ Zitternd nahm Eri den Stock entgegen und erhob sich. „Bitte entschuldigt mich.“ Er verließ das Zimmer und ließ eine unangenehme Stille zurück, die Goran jedoch behutsam zu glätten beabsichtigte. „Das Huhn schmeckt wirklich fantastisch. Ihr müsst mir das Rezept für meinen Koch mitgeben.“ Draußen schlug Eri die kalte Nachtluft entgegen, Isaac saß auf der kleinen heruntergekommenen Bank vor dem Haus und schaute in den Sternenhimmel. Ein Nachtwächter kontrollierte gerade, ob die Fackeln in den Straßen noch brannten. „Isaac?“ Eri drehte den Kopf hin und her, lauschte nach einem Zeichen seines Bruders. Lange herrschte Stille. Dann rang sich Isaac dazu durch, sich zu erkennen zu geben. „Ich bin hier.“ Er stand nicht auf, um seinem Bruder zu helfen, denn sein Zorn war noch zu groß. Warum schien jeder hier es für normal zu halten, dass Eri sich diesem Schnösel verkaufte? Vorsichtig tastete sich Eri mit dem Stab über die kleinen Stolperfallen hinweg an der Wand entlang. Als er schließlich wieder den vertrauten Geruch nach Schweiß und Erde wahrnahm, den sein Bruder verströmte, streckte er eine Hand aus und stieß leicht gegen Isaacs Schulter. „Du hättest Mutter nicht so anfahren dürfen. Für sie ist das alles genauso neu wie für dich und mich. Warum hast du das gemacht? Warum hast du es ihr gesagt?“ „Hättest du es denn getan? Ich finde, Mutter hat ein Recht darauf, zu erfahren, was aus ihrem Sohn geworden ist.“ Isaac tat seine Bissigkeit auf einer Seite weh, allerdings konnte er seinen Bruder auch nicht verstehen, dass es so etwas mit sich machen ließ. Das Geschwafel von Liebe glaubte er erst recht nicht. „Warum hältst du mich immer noch für eine Hure?“ flüsterte Eri betroffen, ihm taten die Worte seines Bruder schrecklich weh. „Ist Liebe denn so ein Verbrechen? Besonders da du nun die ganze Wahrheit kennst.“ „Das ist keine Liebe. Du bist sein Diener, er ist dein Herr. Mehr nicht.“ Isaac spuckte die Worte aus wie etwas Ekliges. „Sei froh, dass ich nicht sehen kann, wo dein Gesicht ist! Ich würde dir am liebsten eine Ohrfeige geben!“ Eri umklammerte seinen Stock. „Wie kannst du so etwas nur sagen? Du hast Nargonim gesehen, du kennst ihn als Goran, ich bin nicht sein Diener. Das war nur eine Geschichte, weil ich schlecht sagen konnte: Hallo Familie, das ist mein Geliebter, übrigens...er ist der Drache, der hier regelmäßig junge Männer als Opfer verlangt, ihr erinnert euch vielleicht.“ Er klang sarkastisch. „Und was hast du dann die letzten Jahre gemacht? Warum hast du dich nicht früher gemeldet? Bevor...“ Isaac verstummte und sah zur Seite. Nein, Eri konnte nichts dafür, trotzdem war er wütend, dass er nicht eher aufgetaucht war. „Bevor was? Oh...“ Eri senkte die Lider. „Vater...du meinst, ich hätte...Isaac, ich wusste nicht, dass ich euch besuchen konnte. Goran hat Regeln und ich...versteh doch...“ Er stammelte vor sich hin. „Es tut mir leid...so schrecklich leid! Vater hatte das nicht...ich wollte nie, dass er...“ „Er hat sich solche Vorwürfe gemacht! Er hat sich selbst zerfleisch, weil er dich einfach so geopfert hat. Kein Tag verging, an dem er sich nicht schuldig fühlte. Mir ist egal, ob dein dummer Drache Regeln hat...ohne ihn würde Vater noch leben! Und dafür werde ich ihn immer hassen! Er hat mir meinen Bruder und meinen Vater genommen!“ Isaac war aufgestanden und ragte nun direkt vor Eri auf. „Er hat Vater nicht dazu gezwungen, mich aus dem Bett zu zerren und zu fesseln! Er war es nicht, der zuließ, dass man mich an diesen Pfahl band! Kannst du nicht verstehen, dass ich eigentlich keinen Wert darauf legte, wieder hierher zu kommen?! Unser Vater hat mich damals bereitwillig dem Tod übergeben, egal wie sehr er es danach bereute! Und dafür trägt nicht Nargonim die Schuld!“ Eri musste sich zusammenreißen, nicht die Stimme zu heben. Isaac presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie nur noch einen blutleeren Strich ergaben. In seinem Herzen wusste er, dass Eri Recht hatte, dass den Drachen nicht allein die Schuld traf. Aber er wollte nichts Gutes an dieser Bestie sehen, die seinen Bruder entführt hatte. „Er macht mich glücklich. Als ich damals zu ihm kam, war ich verstört und voller Angst, aber mittlerweile liebe ich Nargonim über alles. Ich gab freiwillig mein Augenlicht für ihn. Isaac, wie kannst du da daran zweifeln, dass es Liebe ist?“ Er tastete mit der Hand nach seinem Bruder, legte sie ihm auf den sehnigen Arm. „Was mir zu meinem Glück fehlt, ist die Gewissheit, dass du mir verzeihst und wir wieder Brüder sind...wie früher.“ „Nichts wird mehr so sein wie früher. Es hat sich so vieles geändert, Eri. Ich bin ein anderer Mensch und du auch.“ Er ballte die Hände zu Fäusten. „Ich kann nicht alles vergessen, was geschehen ist und ich kann nicht akzeptieren, dass derjenige, der mir meinen Bruder genommen hat, plötzlich dessen Geliebter ist.“ Isaacs Atmung ging schwer und er starrte sein Gegenüber so angespannt an, dass Eri den Blick spüren konnte. „Es hat sich so vieles geändert in den letzten Jahren und ich würde so vieles gern rückgängig machen.“ Betroffen senkte er den Kopf und schloss die Augen. Zum ersten Mal wurde Eri bewusst, dass Isaac mindestens genauso, wenn nicht mehr unter all dem gelitten hatte. Nicht nur, dass er hilflos hatte zusehen müssen, wie sein Bruder geopfert wurde, wie sich ihr Vater vor Gram und Reue das Leben genommen hatte, nein, er hatte danach auch noch ihre Stellung einnehmen müssen als neues Oberhaupt der Familie. Er hatte seine Kindheit aufgeben müssen, um zu arbeiten, damit Mutter und Schwester etwas zu essen bekamen. Eris Herz krampfte sich zusammen bei dem Gedanken daran, wie jung Isaac damals gewesen war, ein Kind, das plötzlich die Verantwortung eines Erwachsenen hatte tragen müssen. „Es tut mir so leid, Issac. Ich war in meinem eigenen Schmerz so gefangen, dass ich nicht daran gedacht habe, wie es euch, dir und Lina, dabei ergangen sein muss. Was du hast ertragen müssen all die Jahre.“ Isaac stand ganz still da, mit geballten Fäusten und knirschenden Zähnen. Hinter seinen Augen brannte es, aber er weigerte sich schlicht dem Verlangen nachzugeben. „Ich kann dich nicht noch einmal verlieren, Eri. Nicht, wenn wir uns so unerwartet wiedergefunden haben.“ Eri schluckte schwer und trat einen Schritt näher an Isaac heran. „Aber du wirst mich doch nicht verlieren. Ich lebe und...wir werden uns wiedersehen, Bruder. Goran wird mir nicht verbieten euch zu besuchen und ich würde mich freuen, wenn du uns auch einmal besuchst. Nur kann und will ich Nargonim nicht verlassen, bitte versteh das...ich liebe ihn so sehr.“ Isaac schüttelte den Kopf und suchte in Eris Gesicht nach einer Antwort auf seine nächste Frage. „Warum? Er ist eine Bestie! Wie kannst du ihn lieben?“ Eri lächelte gequält und seufzte. „Genauso, wie ich dich, Mutter und Lina lieben kann. Wir sind alle fühlende Wesen, die ein Recht auf Glück haben. Isaac, bitte verwehre mir nicht das Glück eine Familie und einen Gefährten zu haben. Es ist so kostbar.“ Isaac starrte ihn an, als hätte sein Bruder ihn gerade geschlagen. Er verstand noch immer nicht, wie Eri so empfinden konnte und würde dem Drachen auch sicherlich nicht verzeihen, aber das letzte, was er wollte, war Eri unglücklich zu sehen nach all den Jahren, die sie miteinander verloren hatten. „Du bist so ein Dummkopf.“ knurrte er und zog seinen Bruder in die Arme. „Ich will, dass du glücklich bist, Eri. Wirklich.“ Er hielt ihn dicht an sich gedrückt und vergrub das Gesicht in den roten Haaren, die ihn so sehr an seine Kindheit erinnerten. Endlich gab er dem Brennen hinter seinen Augen nach. Auch Eri schlang die Arme um seinen Bruder und zog sich noch fester an ihn. Ihr gemeinsamer Weg hatte gerade erst begonnen und es würde wohl noch einige Zeit vergehen müssen, bis sie sich wieder so nahe standen wie früher, doch der erste Schritt war getan und mehr verlangte Eri nicht. Allein die Wärme der Umarmung gab ihm ein Stück seines Verlustes zurück. In diesem Moment kehrte er endgültig heim. Statt sich der Feindseligkeit von Isaac zu beugen, beschloss Goran am nächsten Tag, dass sie noch eine ganze Woche bleiben würden. Er wollte Eri Zeit mit seiner Familie geben, aber auch versuchen den unwilligen Bruder davon zu überzeugen, dass er es ernst mit Eri meinte. Zu diesem Zweck konnte Eri Isaac sogar zu einem kleinen Rundflug überreden. Man konnte allerdings nicht sagen, dass Isaac danach wesentlich freundlicher war, höchstens etwas respektvoller, aber er schien sich mit der Situation vorerst abzufinden. Schließlich kam allerdings doch der Abschied und allen fiel es schwer den verlorenen Sohn und Bruder wieder gehen zu lassen. Goran hielt sich bewusst im Hintergrund und betrachtete die rührende Szene mit ein wenig Bedauern. „Und du kannst wirklich nicht hier bleiben?“ Lina hatte ihr Gesicht an Eris Brust vergraben. „Lina, lass ihn. Es ist Eris Entscheidung.“ meinte Isaac mahnend und lächelte Eri dabei kurz schief an, bevor er sich daran erinnerte, dass dieser davon nichts mitbekam. „Ich komme euch so oft es geht besuchen, mein Schatz.“ Eri strich der Jüngsten im Bunde immer wieder durchs Haar, bevor er sich dann endlich seiner Mutter zuwandte. Ihr Verhältnis hatte sich in den letzten Tagen sehr verbessert, es gab immer noch Brücken zu schlagen, aber der Anfang war gemacht. „Pass auf dich auf, mein Sohn.“ „Das werde ich.“ flüsterte Eri. „Und wenn es dir bei ihm doch nicht mehr gefallen sollte, ist hier immer ein Platz für dich frei.“ Isaac sagte es eher in Gorans Richtung, als an seinen Bruder. Der Drache schmunzelte und neigte den Kopf zu einer leichten Verbeugung. Er hatte verstanden, dass Issac nicht von heute auf morgen mit ihm zurecht kommen würde, deshalb enthielt er sich eines Kommentars. „Ich weiß.“ Als Letzter war Isaac dran, er hielt Eri besonders lang im Arm, schien ihn nicht einmal mehr loslassen zu wollen. „Ich danke dir, dass du so wunderbar die Rolle des großen Bruders übernimmst...der du gar nicht bist.“ lachte Eri und küsste Isaac einfach auf die Wange. Dann trat er zu Goran. „Nun...ich denke, wir sollten...oder?“ „Ja, es wird Zeit.“ Goran verabschiedete sich bei den beiden Frauen per Handkuss und schüttelte Isaac die Hand. Dabei drückte der junge Mann so fest zu, als wolle er dem Drachen die Hand brechen. Doch dieser erwiderte den Druck nur fest und lächelte anerkennend. „Es war mir eine Freude bei Euch zu Gast zu sein. Ich bin sicher, wir werden uns wieder sehen.“ Damit ergriff er Eris Ellenbogen und sie gingen langsam den Weg entlang. Natürlich konnte sein Feuerkind auch allein gehen, doch Goran wollte der Familie noch einmal vor Augen führen, dass sie zusammen gehörten und er nicht gedacht, von seinem Gefährten abzulassen. „Bereust du es, her gekommen zu sein?“ fragte er nach einer Weile, nachdem sie das Dorf bereits hinter sich gelassen hatten. „Nein, keine Minute.“ Eri atmete die frische Luft ein, den Duft von Natur. Und erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er ihre Hütte, die Höhle und den Wald vermisste. „Ich zermartere mir nur die ganze Zeit den Kopf, wie ich ihnen helfen könnte. Mein Bruder muss so schuften und Mutter, bald muss auch noch Lina ran, wenn das so weiter geht.“ „Ach...ich denke, sie werden gut zurecht kommen.“ Das Grinsen war aus seinen Worten herauszuhören, obwohl er betont unschuldig klingen wollte. Eri blieb stehen. Seine blinden Augen zeigten Verständnislosigkeit. „Was redest du da?“ „Nun, ich habe ganz aus Versehen einen Beutel voller Gold dort vergessen. Es sollte genug sein, um das Haus instand setzen zu können und neue Kleidung, Möbel und was noch gebraucht wird, anzuschaffen.“ „Du...du hast...“ Eri stotterte ein wenig vor Schreck. „Aber wie...woher? Wann? Gold?“ Sein Anblick war dieses gerade mehr als wert. Goran strich ihm lächelnd über die Wange. „Ich bin ein Drache, Feuerkind. Hast du noch nie von den Schätzen gehört, die wir in unseren Höhlen verstecken und bewachen?“ neckte er. „Ich...ich hielt das für Legenden...oh, aber natürlich...“ Er hielt die Hand auf seinem Gesicht fest. „Wie konnte ich nur so schwachköpfig sein? Die Einkäufe...woher solltest du sonst Gold haben...ich bin so dumm...“ „Nein, nur unbeschwert. Aber das ist auch genau das, was ich möchte. Du sollst dir um nichts Gedanken machen. Ich habe diesen Schatz nicht, um in Luxus zu leben, aber ich gebe gern etwas davon ab, wenn es benötigt wird. Und dir erfülle ich sowieso jeden Wunsch, den du hast.“ Er beugte sich vor und küsste Eri auf die Lippen. „Außerdem halte ich meinen größten Schatz in Armen.“ „Ich habe nur einen Wunsch...die Ewigkeit an deiner Seite.“ Eri lächelte und ließ seine Finger über die Haut von Gorans Gesicht gleiten, fuhr sanft über die Augenbrauen, die Wangen. „Weißt du, dass ich dich sehen kann? Ich habe es endlich gelernt.“ Er stupste den Drachen auf die Nase. „Ich sehe dich in mir...ganz genau...und seit ich das kann, weiß ich, dass ich damit leben kann, blind zu sein. Hauptsache ich bin bei dir.“ Der Drache lächelte und legte Eris Hände auf seine Wangen, damit er das Lächeln spüren konnte. Zärtlich küsste er die Handflächen. „Solange du mich in deinem Herzen trägst, werde ich immer bei dir sein und über dich wachen, Feuerkind.“ ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)