Drachenherz von Alaska (Zusammenarbeit von Ulysses und Alaska) ================================================================================ Kapitel 8: Heimkehr ------------------- Titel: Drachenherz Teil: 8/9 Autor: Ulysses und Alaska Genre: Fantasy, Shounen-Ai Kommentar: Das vorletzte Kapitel und ich bin immer noch nicht im Urlaub >_< Blöde Uni *seufz* Naja, ihr könnt euch jetzt erst mal an diesem Kapitel erfreuen und ich werde das letzte in den nächsten Tagen noch hochladen. Endlich stimmt auch die Kapitelzählung, nachdem ich das dritte Kapitel noch eingefügt habe ^^' Viel Spaß beim Lesen! Heimkehr Eris Herz schlug bis zum Hals, als er spürte wie sein Stock plötzlich statt auf festgetrampelte Erde, auf grobes Kopfsteinpflaster stieß. Die Hauptstraße zu seinem Dorfplatz, früher hatte er hier oft gespielt. Vor einer Ewigkeit. Er fühlte Goran neben sich, seine Orientierung in der Finsternis hatte sich weiterhin verbessert, trotzdem war er froh über den Beistand seines Drachen. „Ich habe Angst.“ „Das musst du nicht. Ich bleibe immer bei dir und wenn es zu viel wird, gib mir ein Zeichen.“ Da Eri ihn nicht sehen konnte, fiel ihm der fremde Mann neben ihm nicht auf. Goran hatte eine andere Hülle gewählt, da er es nicht darauf anlegte, bei einem späteren Einkauf immer auf Eri angesprochen zu werden. Außerdem wussten sie nicht, was sie erwartete und wie sie das Dorf verlassen würden. Und ob sie jemals wieder zurückkehren würden. In der neuen Gestalt war er noch größer als sonst und doppelt so breit. Ein wahrer Hüne, der alle Blicke auf sich zog, um damit ein wenig von Eri abzulenken, der trotz seines leuchtenden Haares neben der imposanten Gestalt des Mannes unterging. Goran war in edles Tuch gekleidet und mit wertvollen Juwelen behängt, über deren Ursprung sich Eri bereits gewundert hatte. Jede Bewegung deutete auf eine adlige Abstammung und viel Geld. „Wo ist das Haus deiner Eltern?“ „Wir müssen vom Dorfplatz rechts abbiegen, die Gasse entlang. Dort ist ein kleiner Gemüsegarten, der gehört der Witwe, die neben uns wohnt. Wir haben ihr immer Tomaten gestohlen.“ Eri kicherte nervös, als fürchte er noch heute das ärgerliche Gezeter der Alten. „Vielleicht sollte ich ihr einige Pflanzen abkaufen? Dann hast du deine eigenen Tomaten.“ Goran führte seinen Gefährten den gewiesenen Weg entlang und bemerkte durchaus die neugierigen, aber auch erschrockenen Blicke. Erkannten sie Eri wieder? Oder war es seine Hülle? An besagtem Garten blieb er stehen und betrachtete die Liebe, die hineingesteckt worden war. Durch seine eigene Arbeit an der Hütte, wusste er sie gebührend zu würdigen „Ja, ich werde ihr einige abkaufen.“ beschloss er lächelnd und führte Eri weiter zum nächsten Haus, das er etwas kritisch beäugte ob der heruntergekommenen Fassade. Sie standen gerade ein paar Sekunden vor dem Gartentor, als sich schon die Tür öffnete und ein ungefähr sechzehnjähriges Mädchen aus dem Haus kam. Sie hatte langes rotblondes Haar, wobei die helle Farbe überwiegte, und ein sehr schmales Gesicht, das auf Ernährungsmangel schließen ließ. Ihr einfaches Kleid war abgetragen und der Saum schmutzig und zerschlissen. Sie beäugte Goran misstrauisch und schüchtern, knickste aber höflich. Als ihr Blick an seine Seite wanderte, weiteten sich die blassgrauen Augen und sie schlug eine Hand vor den Mund. „Das ist nicht möglich. Du bist tot.“ flüsterte das Mädchen entgeistert. Bevor Eri reagieren konnte, schob sich Goran etwas vor und verbeugte sich leicht. „Darf ich annehmen, dass Ihr die Schwester Eris seid?“ „Eri! Bist du es wirklich?“ „Lina?“ Der junge Mann lächelte unsicher und machte einen Schritt vor. Das schien für seine Schwester das Zeichen gewesen zu sein, auf das sie gewartet hatte. Mit einer Mischung aus Lachen und Schluchzen stürzte sie vor und warf sich Eri in die Arme, der aufkeuchte, aber schnell sein Gleichgewicht fand. Goran betrachtete das Mädchen ruhig und lächelte freundlich. Er würde sich vorerst im Hintergrund halten, um die Wiedersehensfreude nicht zu stören. Lina presste ihrem Bruder fast alle Luft aus den Lungen und lachte nun Freudentränen. „Eri! Eri, du lebst! Wie ist das möglich? Wir dachten, du wärest...“ Sie war ein Stück kleiner als er und schaute zu ihm auf. „Warum schaust du mich nicht an?“ wollte sie wissen, weil ihr Bruder direkt über ihren Kopf hinweg guckte. Wie zufällig streifte Gorans Hand den schlanken Rücken seines Feuerkindes, als er um die beiden herum ging, und streichelte ihn ermutigend. „Ich bin blind, Lina. Tut mir leid, ich kann nicht sehen, wo dein Gesicht ist.“ Er senkte den Kopf etwas. „Aber ich wette, du bist wunderschön“. Seine Hand tastete nach den weichen Haaren und den vor Aufregung rosigen Wangen. „Habe ich Recht, Gor...Herr?“ „Ja, sie ist eine wahre Schönheit.“ stimmte Goran zu und lächelte gewinnend. Er legte seinen Arm um Eris Schultern und schob ihn voran. „Dürfen wir herein kommen, junge Dame? Die Reise war lang und anstrengend und wir würden uns gern etwas ausruhen.“ „Aber natürlich, Herr!“ Lina eilte bereits voran. „Mutter! Mutter!“ Das Haus war nicht groß, aber recht gemütlich. Dennoch haftete ihm ein Hauch von Verfall und Alter an, den es früher nicht gehabt hatte. Alles wirkte etwas ärmlicher, das Dach war wiederholt behelfsmäßig geflickt worden, der Putz bröckelte an einigen Stellen ab und die meisten Fensterläden hingen schief in ihren Angel soweit sie überhaupt noch vorhanden waren. Goran registrierte dies alles, beschloss aber Eri vorerst nichts davon zu sagen. Lina führte sie in den Wohnraum, von dem drei Türen nach hinten führten. Der Drache vermutete dort die Schlafzimmer. Die Armut hatte sich auch im Inneren des Hauses eingenistet. Der Dielenboden knarrte und in einer Ecke war sogar ein Loch, das notdürftig mit einem Brett vernagelt worden war. Die meisten Möbel waren alt und zerkratzt von den Jahren, aber dennoch recht gut erhalten. Trotzdem hatte sich Goran alles etwas anders vorgestellt. Eri hatte ihm erzählt, dass sie gut gelebt hatten, aber dieses Haus sprach eher das Gegenteil. Er war niemand, der Luxus mochte oder brauchte, aber aus dieser Bleibe konnte man doch mehr machen. Selbst ihre Hütte im Wald sah besser aus. „Mutter! Eri ist wieder da! Er lebt!“ rief Lina freudig und lief zu einer Frau, die gerade am Herd in einer Kochnische das Essen zubereitete. Auch sie machte den Eindruck einer verlebten, frühzeitig gealterten Frau. Als sie ihren Sohn sah, fiel ihr der Löffel aus der Hand und plumpste mit einem leisen Platschen in den Topf. Wie erstarrt stand sie da und sah ihn an, ganz so, als sei ihr soeben ein Geist erschienen. Es blieb einige Momente still und Goran wollte bereits zu einer Begrüßung ansetzen, als sich Eris Mutter in Bewegung setzte und langsam auf ihren Sohn zutrat. „Mein Sohn...Eri...den Göttern sei Dank.“ Sie fiel ihm mit tränennassen Wangen um den Hals und krallte sich in den Stoff seines Hemdes. Eri machte keinerlei Anstalten, die Geste zu erwidern. Goran blieb neben Lina stehen und musterte die Szene mit verborgenem Misstrauen. Sein Feuerkind schien nicht so glücklich zu sein wie seine Mutter. „Mein Sohn...ich dachte, du wärst tot!“ „Ein Kunststück, Mutter. Ihr habt mich ja auch an diesen Pfahl binden lassen.“ Eri war auf einmal wie ausgewechselt. „Und wundere dich nicht über meine Augen, ich bin blind.“ „Bei den Göttern, Eri!“ keuchte die Frau. „Spar dir dein Mitleid. Wo ist Vater. Und Isaac?“ Er schob sie von sich. Diese Wendung gefiel dem Drachen ganz und gar nicht, aber er blieb vorerst still. Eri sollte sich eigentlich freuen nach so langer Zeit, andererseits konnte er die Gefühl auch verstehen, schließlich wäre der junge Mann tot dank seiner Eltern, hätte er es damals wirklich auf einen Snack abgesehen gehabt. Eris Mutter schien in diesem Moment um noch mehr Jahre zu altern. Sie senkte den Kopf mit den ungepflegten graudurchzogenen Haaren. „Dein Vater...ist gestorben. Er hat sich...wir fanden ihn auf dem Feld unter einem Baum...der Strick war sein einziger Ausweg. Er hat sich nie verziehen, was er dir antat. Seitdem arbeiten wir alle hart für unser Einkommen. Issac hat Arbeit auf den Feldern gefunden.“ Ein wenig Stolz darüber klang in ihrer Stimme mit. Eri sog die Luft ein, sagte aber nichts. Er tastete mit dem Stock umher. „Lina...gibt es hier einen Stuhl?“ „Ja, natürlich, Brüderchen!“ Sie fasste ihn an der Hand. „Hier.“ Eri nahm Platz, das Möbelstück knarrte bedrohlich. Es hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. „Und Ihr, Herr...was führt Euch hierher?“ wollte Eris Mutter wissen. „Ich arbeite für ihn, Mutter.“ Nun schaltete sich der große Mann mit den langen, braunen Haaren, die er zu einem lockeren Pferdeschwanz trug, ein und reichte der Frau die Hand. „Ich bin Fürst Rótan. Ich bin derjenige, der damals Euren Sohn befreit und die Bestie vertrieben hat. Es freut mich überaus Eure Bekanntschaft zu machen, meine Dame.“ Er gab ihr einen Handkuss und richtete sich wieder auf. „Seit dem ist Euer Sohn mein Leibeigener.“ In das letzte Wort legte er eine ganz besondere Betonung, die nur Eri zu deuten wusste. „Euer...“ „Er behandelt mich gut, Mutter. Es geht mir bestens.“ fiel ihr Eri ins Wort, bevor sie irgendwelche Einwände vorbringen konnte. Er spürte die Nähe seiner kleinen Schwester und streckte den Arm aus, um ihre Hand zu nehmen. Lina suchte automatisch Kontakt zu ihm, als wolle sie die Jahre der Trennung überbrücken. „Euer Sohn hat mir gute Dienste geleistet in den letzten acht Jahren. Ich bin sehr zufrieden mit ihm.“ Goran lächelte würdevoll und sah sich dann nach einem weiteren Stuhl um. Ungefragt nahm er Platz. „Ihr unterhaltet das Haus seit dem Tod Eures Mannes allein, erwähntet Ihr?“ „Ja, es ist zu groß, um von dem wenigen Geld richtig gepflegt zu werden, aber es ist immerhin unser Heim, ein sicherer Platz für die Familie.“ „Außer man wird aus dem Bett gezerrt und dem Tode übergeben.“ Eri schloss die milchigen Augen. Er wollte es nicht, aber die Worte kamen wie von selbst über seine Lippen. All die Wut und Enttäuschung, die er über die Jahre mit sich herumgetragen hatte. Seine Mutter zuckte zusammen und Tränen erschienen in ihren Augen. „Wie ist...wie wurde mein Sohn...? Seine Augen...“ „Es war ein Unfall. Ich habe den Dampfkessel, in dem das Fleisch nach der Schlachtung kochte, zu früh geöffnet und Eri übersehen, der gerade das Feuer schüren wollte. Der heiße Dampf ist ihm direkt ins Gesicht geschossen und hat seine Augen verbrüht.“ Goran tat sehr betroffen und warf einen schuldbewussten Blick zu seinem Diener, als würde ihn dieser Umstand noch immer quälen. „Ich komme damit klar, Mutter. Mein Herr ist sehr gut zu mir.“ Eri stand auf. „Wir sollten dann vielleicht gehen, ich wollte euch nur wissen lassen, dass ich lebe.“ „Aber du bist doch gerade erst gekommen.“ Eri ignorierte seine Mutter und nahm stattdessen Lina in die Arme. „Pass auf dich auf.“ „Eri, bleib doch noch. Wir haben uns so viel zu erzählen!“ bat seine Schwester und drückte sich an ihn. „Ich habe dich so vermisst.“ „Ich dich auch, Lina. Aber wir müssen weiter.“ Er löste sich von ihr und trat zu Goran. „Wir können dann gehen, Herr.“ Goran versuchte nicht ganz so finster zu schauen, wie er sich fühlte. So hatte er sich das alles nicht vorgestellt und damit würde er sich auch nicht zufrieden geben. „Nein, die Reise war anstrengend und ich wünsche, mich etwas auszuruhen. Gibt es in Eurem Dorf ein Gasthaus, in dem wir nächtigen können?“ „Ich will nicht hier bleiben!“ Eri schlug die Hand vor den Mund. „Verzeiht, Herr.“ Goran nickte nachsichtig und blickte Eris Schwester erwartungsvoll an. „Der ‚Dorfkrug’ ist das örtliche Gasthaus. Weißt du noch, wo es ist, Eri?“ fragte Lina. „Ja, ich weiß es noch. Ich bringe Euch hin, Herr.“ „Danke. Wenn es Euch Recht ist, kommen wir später noch einmal zu Besuch.“ Goran verbeugte sich, wechselte noch ein paar Höflichkeiten mit der Mutter und hakte Eri dann bei sich unter, damit sie schneller aus dem Haus konnten. Als die Tür ihres Zimmers im Gasthof ins Schloss fiel und sie endlich allein waren, atmete Eri aus und drückte sich sofort an seinen Gefährten. „Warum hast du das gemacht? Ich will nicht hier bleiben.“ Gorans ungewohnt großer Körper fühlte sich ungemütlich und falsch an. „Aber ich will es, Eri. Für dich.“ Die dicken Arme schlossen sich um den nun noch zerbrechlicher wirkenden Körper und drückten ihn gegen Gorans Brust. „Du hast deinen Bruder noch nicht getroffen und außerdem...willst du wirklich aus deinem Dorf mit Hass im Herzen gehen?“ „Was soll ich tun? Diese Frau hat zugelassen, dass ihr Sohn zum Opferlamm gemacht wurde! Gegen seinen Willen! Und ich kann nicht einmal um meinen Vater trauern.“ Eri sank tiefer in die Wärme. „Verachtest du mich dafür?“ „Das würde ich nie tun. Du bist jetzt sehr aufgewühlt und durcheinander. Aber ich kenne dich, Eri. Du bist kein Mensch, der ewig hassen kann und nach acht Jahren ist es an der Zeit zu vergeben. Ich bin sicher, es war keine leichte Entscheidung für deine Eltern, selbst wenn es auf dich so gewirkt hat. Und dein Vater hat sich vor Reue das Leben genommen...er hat dich geliebt, Eri.“ „Er hat mich gefesselt! Damit ich nicht weglaufe, sagte er! Ich habe geschrieen und gefleht, aber sie haben immer nur gesagt, dass es zu unser aller Wohl sei. Wie soll ich ihm vergeben?“ Eri schien allmählich sämtliche Kraft einzubüßen. „So, wie ich dir deinen Verrat damals verziehen habe, Feuerkind.“ antwortete Goran ruhig und hielt seinen Gefährten sicher in den Armen. Trotzdem befand er es für besser, wenn sich Eri hinsetzte, also bugsierte er ihn zum Bett. „Du hast ja Recht...“ gab Eri schwach zu, die Erschöpfung holte ihn ein. „Bitte...“ Sein Kopf ruhte an Gorans Schulter. „Bitte nimm deine normale Gestalt an. Dieser Körper gefällt mir nicht...er ist so unförmig.“ „Nun hör mal! Ich bin ein stattlicher Mann, nach dem sich jedes junge Mädchen den Kopf verdreht hat.“ empörte sich Goran gespielt, zögerte jedoch keine Sekunde, um dem Wunsch nachzukommen. Er stand auf und entledigte sich seiner Kleidung und des Schmucks. Als er sich umdrehte, war er bereits wieder in seiner normalen Form. „Du solltest dich ausruhen, Feuerkind.“ Zärtlich drückte er Eri in die Kissen und strich ihm über die Stirn. „Halt mich fest. Ohne dich stehe ich das nicht durch.“ Eri schloss die Augen, auch wenn es für ihn keinen Unterschied bedeutete. Er wollte nur noch schlafen, es war keine Kraft mehr da; für nichts. Wieso musste er sich seiner Vergangenheit jetzt stellen? Warum konnte er nicht einfach wieder zurück in ihre Höhle und dort mit seinem Drachen glücklich werden? Nun kamen all die Gefühle wieder hoch, die ihn bereits vor acht Jahren heimgesucht hatten. Es war so einfach gewesen, bei Goran alles zu vergessen. Bereitwillig legte sich der Drache neben ihn und ließ Eri sich ankuscheln. „Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus. Denk jetzt nicht darüber nach, ich bin bei dir und werde zu dir stehen.“ „Danke.“ Eri glitt langsam in den Schlaf. „Ich liebe dich...so sehr...so sehr“ Hier war er sicher. Die Arme seines Drachen gaben ihm Schutz, egal, wo sie waren. Es würde alles gut werden...hoffentlich hatte Goran damit Recht. Nach einem ausgedehnten Frühstück, das noch in die Mittagsstunden hineinreichte, machten sich Eri und Goran auf den Weg zu den Feldern, die das Dorf umgaben. Lina hatte am Morgen kurz in der Gaststätte vorbei geschaut und ihnen eine Nachricht von Eris Mutter ausgerichtet. Sie waren zum Abendessen eingeladen. Goran hatte jedoch gedrängt, Isaac schon vorher aufzusuchen. „Bist du aufgeregt?“ „Ich weiß nicht, ich bin eher...ich kann meine Gefühle nicht beschreiben.“ Eri seufzte. Vor ihnen kamen die Felder in Sicht und er hörte bereits das schwere Schnaufen der Arbeiter. Schon seit den frühen Stunden des Tages wurde hier geschuftet. Die Arbeit war hart, der Lohn gering, auch hier im Dorf begann das Großgrundbesitztum zu florieren und kaum noch jemand besaß ein eigenes Feld. Sie blieben auf dem Feldweg an einem Zaun stehen und Goran durchsuchte mit den Augen das Korn nach Isaac, den Eri ihm grob beschrieben hatte. Es dauerte nicht lange, da trennte sich eine Gestalt von den anderen Arbeitern und kam eilig auf sie zu. Isaac war ein kräftiger, junger Mann von zwanzig Jahren, mit breiten Schultern und gebräunter Haut. Seine Kleidung war schmutzig und abgerissen, aber er war trotzdem eine sehr adrette Erscheinung, weit maskuliner als Eri es war. Sein kurzes blondes Haar war von Schweiß und Staub verklebt und die Haut glänzte feuchte, wo sie nicht mit Erde beschmiert war. „Eri! Den Göttern sei Dank! Ich wollte es nicht glauben, als Lina es mir erzählte!“ „Isaac?“ fragte sein Bruder überflüssigerweise, aber mit einem Lächeln. „Ja, ich bin es! Tut das gut, dich zu sehen!“ Sein Bruder schwang sich behände über den Zaun und wollte Eri umarmen, blieb aber stehen, als er Goran bemerkte. Dieser machte wie schon vor dem Rest der Familie auch hier eine knappe Verbeugung und lächelte offen. Da Eri sich bei ihm untergehakt hatte, nahm er nun dessen Hand und führte ihn zu seinem Bruder. „Es freut mich, Euch kennen zu lernen.“ Er ließ den Blinden los und schob ihn näher zu Isaac. „Das ist Fürst Rótan, mein Herr.“ erklärte Eri. Endlich schlossen sich zwei kräftige Arme um ihn und er nahm den Geruch von Schweiß, Erde und Staub wahr, den sein Bruder verströmte. Die Umarmung war herzlich und voller Zuneigung, weswegen Eri sie wirklich genoss. „Schön dich wiederzuhaben.“ flüsterte Isaac gegen seine Schulter. Goran war glücklich und zeigte dies auch unverhohlen. Er war sich sicher, dass Eri diese Zusammenführung gebraucht hatte. Seine Aufgabe war zwar noch nicht erledigt, aber der Drache war guter Dinge. „Erlaubt Ihr, dass ich meinen Bruder unter vier Augen spreche?“ fragte Isaac plötzlich, als die Umarmung endete. „Ich wäre gern kurz mit ihm allein.“ „Aber natürlich. Ihr habt Euch sicher viel zu erzählen. Ich mache einen kleinen Spaziergang.“ Er legte seine große Hand auf Eris Schulter und drückte sie kurz, dann schlenderte er einfach am Zaun entlang und sah sich etwas um, allerdings waren seine Ohren gespitzt, falls Eri ihn brauchte. „Wer ist der Kerl?“ fragte Isaac sofort, als Fürst Rótan außer Hörweite war. „Wie meinst du das?“ Eri hörte den Unterton in der Stimme, konnte ihn aber nicht deuten. „Er ist mein Herr. Er hat mir das Leben gerettet und sorgt für mich, seit ich blind wurde.“ „Zwingt er dich, Dinge zu tun, die du nicht willst?“ Eri sah ihn verständnislos an, seine milchigen Augen waren auf das Kinn seines Bruder gerichtet, weil dieser ihn mittlerweile überragte. „Was...wovon sprichst du?“ „Du weißt schon...“ Isaac war verlegen, aber gleichermaßen entschlossen. „Niemand kümmert sich aus reiner Nächstenliebe um einen blinden Diener. Was will er als Gegenleistung? Musst du ihm...auch im Bett dienen?“ Eri lief rot an. „Warum...warum fragst du mich das? Ist das wichtig?“ Isaac packte ihn hart an den Schultern und schüttelte ihn leicht. „Ob das wichtig ist? Dann lag ich also richtig? Dieser Mistkerl! Merkst du nicht, dass er dich ausnutzt? Was tut er dir noch alles an, Eri? Wozu zwingt er dich noch? Ich sage dir jetzt gleich...du wirst nicht mit ihm zurück gehen, das lasse ich nicht zu!! Du hast genug gelitten!“ „Nein!“ Der Rotschopf keuchte erschrocken und schüttelte den Kopf. Er verlor durch das Schütteln ein wenig die Orientierung und bekam plötzlich Panik, weil er nicht mehr genau sagen konnte, in welche Richtung Goran gewandert war. „Ich mache das doch...ich mache es freiwillig...er ist gut zu mir.“ „Du belügst dich selbst! Hast du ihn gesehen? So ein Mann kann nicht zärtlich sein! Er tut dir weh, oder? Eri, du kannst es mir sagen, ich sorge dafür, dass er dir nichts mehr tut. Freiwillig...pah! Du bist ihm dankbar, dass er dich gerettet hat, aber dieser Tribut...über so eine lange Zeit. Wie oft hat er dich schon vergewaltigt?“ Isaac redete sich richtig in Rage und seine kräftigen Finger, drückten sich in die schlanken Oberarme seines Bruders, der darunter zusammenzuckte. „Bitte nicht so fest. Du tust mir weh, Isaac!“ rief Eri und versuchte sich zu befreien. „Er vergewaltigt mich nicht! Ich bin gern bei ihm und ich bin gern sein Gefährte! Wieso bringst du so plötzlich diese Anschuldigungen hervor? Du kennst ihn doch gar nicht!“ Die Worte sprudelten nur so hervor. „Goran ist immer gut zu mir! Er liebt mich!“ Die Situation überforderte den jungen Mann und er plapperte einfach drauf los. „Goran? Wer ist Goran?“ Eri konnte spüren, wie dicht sich ihre Gesichter sein mussten, denn der heiße Atem seins Bruder blies stoßweise über seine Haut. „Musst du etwa noch einem Anderen dienen? Was bist du? Ihre Hure?“ „Hör bitte auf! Du machst mir Angst!“ Eri riss sich los und stürzte dabei, unsanft landete er auf dem erdigen Boden. „Bitte...bitte sei nicht so...“ Zuerst starrte Isaac ihn nur an, doch dann wurde sein Gesicht weicher, bedauernd, und er kniete sich vor Eri nieder und zog ihn in seine Arme. „Es tut mir leid. Ich mache mir nur solche Sorgen um meinen großen Bruder. Wir haben uns so lange nicht gesehen und jetzt bist du da, aber hast dich völlig verändert. Früher warst du immer so stark und jetzt...bist du der Bettwärmer eines reichen Schnösels, der dich nur benutzt.“ „Denk nicht so von mir...Isaac, bitte nicht...“ Eri weinte an der Schulter seines Bruders, griff nach den starken Armen. „Ich habe viel durchgemacht und ich...ich...du würdest die Wahrheit nicht hören wollen.“ „Warum nicht? Ist es so schrecklich? Eri, ich möchte alles wissen, was dir geschehen ist. Und ich schwöre dir, ich werde jeden zur Rechenschaft ziehen, der dir weh getan hat.“ Isaac hielt ihn so fest, presste seiner Finger so stark in den schlanken Rücken, dass auch dort Flecken zurück bleiben würden. Der jüngere Mann ertrug es einfach nicht, seinen Bruder, zu dem er immer aufgesehen hatte, so verstört zu erleben. „Schwöre mir, dass du niemandem verrätst, was ich dir sage.“ Eri hielt ihn weiter umklammert. Sein kleiner Bruder war ihm immer der Liebste gewesen, noch mehr als Lina. Sie hatten soviel zusammen angestellt, soviel gelacht und waren immer füreinander da gewesen. Sie hatten sich alles sagen können und Eri wollte keine Geheimnisse vor ihm haben. Wenn er es jemandem anvertrauen konnte, dann Isaac. Aber er kannte auch dessen Temperament. „Ich verspreche es, Eri. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich diesen Fürsten nicht zur Verantwortung ziehe, wenn er dir etwas angetan hat!“ „Er ist kein Fürst...“ Jetzt war es raus. Eri biss sich auf die Lippe. Es gab kein Zurück mehr und er würde sich sicherlich besser fühlen, wenn er es jemandem sagen konnte. „Was? Dann ist er ein Betrüger?“ Isaac trennte sich von Eri und sah ihn mit großen Augen an. Eri atmete tief ein und hoffte, dass ihm sein Gefährte vergeben würde. Er konnte nicht anders. „Er ist nicht einmal ein Mensch...Isaac...Goran ist...er ist Nargonim, er ist der Drache. Was du siehst, ist nur eine Hülle für ihn...und nicht einmal die, in der ich ihn kenne...und liebe.“ Isaacs Gesicht war verständnislos und ungläubig. Er begriff nicht, was ihm Eri sagen wollte und tastete besorgt nach dessen Stirn. „Du warst zu lange in der Sonne, Bruder. Komm, ich bring dich in den Schatten, sonst wird der Sonnenstich schlimmer.“ Er fasste dem Rotschopf unter die Achseln und zog ihn hoch. „Aber das...“ Eri ließ sich führen, schließlich spürte er, wie die Wärme verschwand und der angenehmen Frische eines schattigen Fleckchens Platz machte. „Ich habe keinen Sonnenstich!“ Isaac hatte ihn gegen einen Baum gesetzt, die Rinde fühlte sich nach einer Eiche an. „Er ist Nargonim der Drache. Er hat nie Opfer zum Fressen gesucht, sondern nur Gefährten...und er kann sich als Mensch zeigen. Ich bin seit acht Jahren bei ihm und ich liebe ihn mehr als alles. Ich gab mein Augenlicht, um in alle Ewigkeit in seinen Armen sein zu dürfen.“ „Dann hat er dich geblendet?“ Isaac hörte gar nicht richtig zu, sondern filterte nur die Dinge heraus, die er für glaubhaft hielt. Sein Bruder hatte sich schon immer gern Geschichten ausgedacht, die er ihnen dann vor dem zu Bett gehen erzählt hatte. „Ich bringe ihn um! Er wird dafür bezahlen!“ „Nein!“ Eris Hand schoss vor und packte seinen Bruder am Arm. „Er hat mich nicht geblendet. Er wollte mich sogar davon abhalten. Ich zwang ihn, einen Zauber auf mich zu legen, der mir das Wichtigste nimmt, damit ich so lange leben kann wie er.“ Seine Stimme klang verzweifelt, Isaac sollte ihm endlich glauben, aber die ganze Sache war viel zu komplex, als dass man sie einfach so nebenbei erzählen konnte. „Du bist verrückt geworden. Was muss er dir nur angetan haben?“ Isaac stand wieder auf und schüttelte traurig den Kopf. Sein geliebter Bruder hatte den Verstand verloren. „So glaub mir doch!“ Eri tastete nach seinem Stock. „Bitte! Ich bin nicht verrückt! Ich werde es dir beweisen! Ich habe dich noch nie angelogen, Isaac!“ „Ich werfe dir nichts vor, Eri. Du bist verwirrt und hilflos. Das Beste ist, du ziehst wieder bei uns ein, dann können wir uns um dich kümmern.“ So liebevoll er gerade noch sprach und seinem Bruder aufhalf, so schnell wechselte Isaacs Laune in Wut. Goran kam über das Feld zu ihnen unter den Baum. Isaac konnte sich nicht mehr zurück halten. Er wollte diesem Betrüger zeigen, was es hieß, seinen Eri anzufassen und ihn zu schänden! „Du elender...“ Er rannte die paar Schritte, die ihn von Goran noch trennten, und holte zum Schlag aus. Der Drache war allerdings schneller und wich aus, gab ihm einen leichten Stoß, dass er, durch seinen Schwung mitgerissen, stürzte. „Nicht so grob, mein Lieber.“ „Tu ihm nichts, Goran! Bitte!“ Eri hatte die Geräusche richtig gedeutet. „Er ist nicht bei sich!“ Eri benutzte ohne darüber nachzudenken den richtigen Namen des Drachenmannes. Dessen Augen verengten sich misstrauisch und fixierten den Bruder. Isaac rappelte sich auf und wollte gleich zum nächsten Angriff übergehen, doch der Fürst glitt im letzten Moment zur Seite und stellte ihm ein Bein. „Was ist überhaupt los, Eri? Warum hat dein Bruder so einen Hass auf mich? Ich kann ihn ja geradezu greifen.“ „Verzeih mir! Er dachte, dass du mir weh tust! Und mich nur benutzt. Ich habe ihm die Wahrheit gesagt, es tut mir leid. Er hat alles missverstanden.“ Eri hielt sich am Baum fest und versuchte in all der Verwirrung den Standort seines Bruders auszumachen. „Hör auf, Goran zu attackieren, Isaac, bitte!“ „Die Wahrheit also?“ Goran sah seinen Angreifer nachdenklich an. „Ich schätze mal, er glaubt dir nicht, hm?“ Das feine Schmunzeln um den Mund des Fürsten machte Isaac nur noch wütender. „Ich weiß genau, was Ihr für ein Spiel treibt! Ihr wollt meinen Bruder nur ausnutzen und werft ihn irgendwann in die Gosse, wenn er Euch zu viele Umstände macht.“ „Dann scheinst du mich ja gut zu kennen.“ bemerkte der Drache trocken und ergriff den Arm seines Gefährten, um ihm den Stock zu geben, den er aufgehoben hatte. „Was hältst du von einer Demonstration, Feuerkind?“ „Würdest du das tun? Er wird uns sicher nicht verraten.“ Eri griff Halt suchend nach Goran. „Verzeih, ich wollte keine Probleme bereiten, aber er dachte so schlecht von dir und ich konnte es ihm noch nicht einmal verdenken.“ „Mach dir keine Sorgen.“ Zärtlich strich er über die gerötete Wange seines Liebsten. Es gefiel ihm nicht, dass er so warm und angestrengt war. „Wollen wir dann gleich gehen? Ich werde dich für die Zeit, die du deine Arbeit niederlegen musst, entlohnen.“ „Ihr meint wohl bestechen!“ „Sei nicht so zu ihm, Isaac! Ich flehe dich an!“ Eri wurde lauter, er ertrug es nicht, dass sein Bruder seinen Geliebten so hasste. Das war nicht richtig. So sollte das nicht sein. „Hey, hey, ganz ruhig, Eri. Reg dich nicht so auf. Ich werde ihm schon beweisen, dass du die Wahrheit sagst.“ Ein amüsierter Blick traf Isaac. „Gehen wir in das Wäldchen dort drüben.“ Goran deutete auf die dicht stehenden Bäume und Eris Bruder zog eine Braue hoch. „Und was willst du dann dort tun? Mich umbringen, damit ich niemandem verrate, was du meinem Bruder antust?“ Isaac war ganz bewusst in die unhöfliche persönliche Anrede gewechselt. „Ich könnte dich fressen, ja. Aber dann wäre mir auf ewig der Zorn meines Geliebten aufgebürdet und so viel bist du mir dann doch nicht wert.“ Goran fasste Eri resolut am Ellenbogen und zog ihn mit sich Richtung Wald ohne Isaac weiter zu beachten. Dort hielten sie auf einer Lichtung an und als sich Goran von ihm löste, trat Eri zu seinem Bruder und hielt sich an dessen Arm fest. „Schau zu und staune.“ Wie gern hätte er endlich wieder einmal die wundervolle Verwandlung seines Gefährten gesehen. „Ich kann nicht glauben, dass ich dieses Theater mitmache. Eri, dieser Mann belügt dich nach Strich und Faden! Nur weil du blind bist, macht er dir vor, er sei...bei den Göttern.“ Etwas, das auf der Lichtung vorging, hatte den Wortschwall Isaacs zum Verstummen gebracht. Während die Beiden sich unterhalten hatten, war Goran aus seiner Kleidung gestiegen und hatte die Verwandlung begonnen. Plötzlich stand der stolze Drache vor ihnen und breitete die Flügel aus. Es tat gut endlich wieder er selbst zu sein und nicht auf die kleine menschliche Gestalt beschränkt zu sein. Mit einem Blick, der ein herausforderndes ‚Hab ich es dir nicht gesagt?’ beinhaltete, bedachte Nargonim Eris Bruder. „Ist er nicht wunderschön?“ Eri lächelte, er malte sich aus, wie Nargonim in diesem Wald aussehen mochte. Hoch wie die Bäume, das durch die Kronen fallende Licht glänzte auf den dunklen Schuppen. Sein wundervoller Drache. „Das ist nicht...bei den Göttern! Eri...“ Isaac riss sich von ihm los, stolperte zurück. Er war kreidebleich. „Das ist...“ Er sah aus, als wolle er fliehen. „Das ist ein Monster!“ stammelte er und drückte sich gegen den Stamm einer Eiche, als sein Rücken dagegen stieß. Missgestimmt schnaubte Nargonim einmal und knurrte dunkel. Er hätte es besser wissen sollen. Er kam nahe an Eri heran und bettelte nach einer kurzen Liebkosung, die er auch prompt erhielt. Es war so herrlich, wenn sein Feuerkind ihm die Schnauze streichelte. Doch dann richtete sich der Drache wieder auf und verwandelte sich zurück, dieses Mal allerdings in den wahren Goran. Die Kleidung war ihm nun zu groß, also zog er erst nur die Hose an und kam dann zu Eri, um ihn an sich zu ziehen und einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Eri legte seine Hände auf die vertraute, warme Haut am Oberkörper seines Gefährten und lächelte dankbar. „Eri! Komm von ihm weg!“ flehte Isaac. „Das ist ein Ungeheuer!“ „Nein, das ist er nicht!“ Der Rotschopf schaute in die Richtung, aus der die Stimme kam. „Goran und Nargonim sind der Mittelpunkt meines Lebens, ich liebe den Drachen und ich liebe den Mann, und keiner von beiden ist ein Ungeheuer. Ich habe noch nie ein gütigeres Wesen getroffen. Versteh doch, ich gab mein Augenlicht für ein Leben an seiner Seite, nicht weil er es verlangte, sondern weil ich es wollte.“ Isaac schüttelte verzweifelt den Kopf. Das konnte nicht die Wahrheit sein! Sein Bruder konnte nicht so eine Bestie lieben! „Junge, ich weiß, ihr Menschen seid eine sehr voreingenommene Rasse und verurteilt andere Rassen gern. Aber in diesem Fall nehme ich das nicht so hin. Ich habe Eri hierher gebracht, damit er seine Familie trifft und ihr wisst, dass er am Leben ist. Und ich bitte dich nur darum, dass du ihm dieses Wiedersehen nicht verdirbst, weil du mit seiner Wahl nicht einverstanden bist.“ „Wie hast du ihn dazu gebracht, dich zu liebe, du Bestie?! Hast du ihn verzaubert?“ „Hör auf! HÖR AUF!“ Beide Männer sahen Eri entsetzt an, so laut schrie er. „Hör auf damit! Isaac, du bist mein Bruder und ich liebe dich sehr, aber wenn du weiter auf Goran herumtrampelst, dann schwöre ich dir, siehst du mich nie wieder! Du und Lina, ihr seid der Grund, warum ich hier bin und mich sogar wieder mit Mutter versöhnen will.“ Das erwähnte er zum ersten Mal, er hatte es am Morgen für sich beschlossen. „Bitte mach mir mein Glück nicht kaputt! Bitte!“ Goran sagte nichts dazu, sondern blickte nur stumm von Eri zu dessen Bruder. Die stille Bewunderung für seinen Gefährten, ließ er diesen spüren, indem seine Finger sanft über dessen Wirbelsäule glitten und ihn fester an sich zogen. „Was ist nur aus dir geworden, Eri?“ Isaac warf sich auf dem Fuß herum und lief davon. „Bruder!“ Eri sank zusammen, als er die Schritte sich entfernen hörte. „Nein...Bruder...“ Der Drache hielt ihn und schüttelte nur bedauernd den Kopf. Anscheinend hatte Isaac nicht verstanden, worum es ging. „Es wird alles wieder gut, Feuerkind. Lass ihm etwas Zeit.“ „Und wenn nicht?! Wenn er nun herum rennt und allen sagt, dass du der Drache bist?! Sie werden dich jagen! Bei allen Göttern, was habe ich nur getan?“ Er stieß Goran von sich und drehte sich um. Dieser fasste schnell nach und umschlang Eri von hinten. „Du hast getan, was du für richtig gehalten hast. Und ich habe mich bereit erklärt, mich ihm zu offenbaren. Außerdem...“ Goran grinste und küsste ihn auf den Hals. „...wird er keine Chance dazu bekommen, jemandem etwas zu sagen. Ich habe schon einen Zauber auf ihn gelegt, Feuerkind. Auf dem Weg hierher.“ „Du hast...was hast du gemacht? Stirbt er etwa, wenn er etwas sagen will?“ Eri riss die trüben Augen auf. „Nein...das würdest du nicht tun. Aber wie...wie sonst?“ „Er wird sich nicht daran erinnern. In dem Moment, da er sein Wissen preis geben will, wird es verschwunden sein und er erinnert sich nur daran, dass wir in den Wald gegangen sind und uns gestritten haben.“ Die großen schlanken Hände wanderten über Eris Brustkorb und Bauch. Goran ließ seine Zunge über die empfindliche Haut an Hals und Ohr gleiten. „Entspann dich. Ich glaube nicht, dass Isaac etwas sagen wird. Er ist nur besorgt und ängstlich.“ „Ich hatte erwartet, dass er mich verstehen würde.“ Eri seufzte leise. Er war immer noch Wachs in den Händen seines Drachen, das hatte sich nie geändert und hier konnte er auch etwas von den belastenden Gefühlen aufgeben. Einfach sein. Sicher sein. „Du hast es doch auch nicht sofort verstanden, oder? Kein Mensch kann so etwas sofort begreifen, Eri. Es ist zu fantastisch.“ „Aber er scheint mir meine Liebe nicht zu gönnen, das tut weh.“ Eri begriff, was Goran sagen wollte, aber er war verletzt und musste sich bemühen, Verständnis für seinen Bruder zu zeigen. „Das glaube ich gern. Aber versetz dich in die Lage von Isaac. Sein tot geglaubter Bruder taucht plötzlich an der Seite eines Drachen auf und behauptet ihn zu lieben. Er will dich beschützen, deshalb wehrt er sich gegen den Gedanken, dass unsere Verbindung echt sein könnte.“ Die rechte Hand des Mannes, schob sich unter Eris Hemd und legte sich über dessen Herz. „Vertraue deinem Herz. Es hat dir doch bis jetzt gute Dienste geleistet, oder?“ „Ich vertraue dir.“ Eri schloss die Augen, die Berührung war so ehrlich und intensiv. Wie jedes Wort und jede Zärtlichkeit Gorans. In all dem steckte ein Zauber, dem der Rotschopf schon lange hoffnungslos und voller Glück verfallen war. „Komm, ich lass dich ein bisschen vergessen.“ hauchte Goran ganz leise und brachte Eri dazu sich hinzulegen. „Ich schlage vor, wir gehen zurück zum Gasthaus und machen uns dort frisch. Heute Abend ist das Essen bei deiner Familie, da müssen wir doch wieder fit sein, nicht wahr?“ Der Drache zupfte seinem Gefährten einen Grashalm aus dem Haar und lächelte. Sie spazierten den Weg am Rande der Felder entlang zum Dorf. „Davor habe ich immer noch Angst.“ Eri fühlte sich auf wunderbare Weise vollkommen ermattet. Goran hatte ihn ausschweifend geliebt und ihn wirklich für einige Zeit die Welt vergessen lassen. Wenn er die Schwere des Körpers seines Drachens auf sich spürte, hörte alles andere auf zu existieren. „Kann ich verstehen. Deshalb ruhst du dich vorher aus. Du siehst erschöpft aus. Macht dir die Hitze zu schaffen?“ grinste Goran breit. „Um eine scheinheilige Frage warst du noch nie verlegen, oder? Stell dir nur vor, uns hätte jemand gesehen.“ Eri hörte die Ketten klimpern und fühlte die Ringe an Gorans massiger Hand. „Ich bin so froh, wenn wir wieder im Wald sind und du nicht mehr so rumläufst.“ „Dabei bin ich wirklich ein hübscher Bursche.“ schmollte der Drache gespielt und wuschelte seinem Geliebten über das Haar. „Aber ja, ich bin auch froh. Es ist doch irgendwie einengend, immer in so einem kleinen Körper zu stecken. Wenn du ein Drache wärst, würde ich mich gar nicht mehr verwandeln.“ „Ich mag dich als Drache, aber bist du mir böse, wenn ich dir sage, dass ich Gorans Nähe vorziehe?“ Er lachte leise. „Auch wenn ich dich in jeder Form liebe, mehr Geborgenheit kannst du mir in menschlicher Gestalt geben.“ „Ich weiß, aber manchmal muss ich – im wahrsten Sinne des Wortes – aus meiner Haut heraus. Kannst du dir vorstellen, wie es wäre, wenn du in einer Flasche eingesperrt wärst? Zusammengequetscht? Dann weißt du, wie es mir geht, wenn ich zu lange als Mensch herum laufe. Was nicht heißt, dass ich nicht gern in deiner Nähe bin oder mich dir so zeige. Aber ab und zu brauch ich eben...Freiheit.“ Sie waren schon fast an der Gaststätte und unterbrachen ihr Gespräch, bis sie auf dem Zimmer waren. Dort zog Goran sich sofort aus und nahm die Gestalt an, die Eri kannte. Der rothaarige Mann saß auf dem Bett und schwieg, seine trüben Augen schienen in die Ferne gerichtet. „Ich weiß immer noch nicht, wie ich es tun soll.“ Er spielte abwesend mit seinen Fingern. „Wie hast du es damals fertig gebracht, mir zu verzeihen? Wie verzeiht man, wenn man durch die Schuld des Anderen beinahe gestorben wäre?“ „Liebst du deine Mutter?“ Goran setzte sich neben ihn. „Ja...schon...“ Eris Kopf lehnte sich an die breite Schulter. „Natürlich liebe ich meine Mutter. Aber ist diese Liebe stark genug, um diesen Verrat zu verzeihen? Sie hat zugesehen, wie ihr Sohn getötet werden sollte.“ „Aber hast du nicht einmal erzählt, dass sie geweint hat? Glaubst du, dass es ihr leicht gefallen ist?“ Der Arm des Drachen legte sich um Eris Schulter und drückte ihn so weit runter, dass sein Kopf in Gorans Schoß lag und der Mann ihm liebevoll durch die Haare kraulen konnte. „Es hätte jede Familie aus dem Dorf treffen können und für keine wäre es einfach gewesen. Ein schwacher Trost, ich weiß.“ Goran überging völlig, dass er die Ursache dieses Leids war. Es lag vielleicht daran, dass er schon so lange lebte und die Spanne eines Menschen für ihn zu gering erschien. Außerdem vergaßen Menschen schnell. „Als ich da oben stand und auf dich wartete - auf den Tod, wie ich damals dachte - ich habe die ganze Zeit insgeheim gehofft, sie würde sich zu mir schleichen und mich befreien. Oder Vater. Aber niemand kam...ich weiß noch, wie meine Geschwister geschrieen und geweint haben, als man mich aus dem Haus zerrte.“ Die Erinnerung brachte den zarten Körper leicht zum Zittern. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Eltern es gut geheißen haben.“ Die schlanken Finger glitten durch das dicke Haar und über die weiche Haut der Wange. Eri würde sich sein Leben lang an diesen Verrat erinnern, genauso wie Goran das tat, doch er konnte ihn irgendwann auch vergeben. Da war sich der Drache sicher. „Wenn ich an all das denke...ich habe damals fast das selbe getan. Wie kannst du mich nur lieben?“ Solche Phasen hatte Eri von Zeit zu Zeit. Seine Liebe für Goran war so groß, dass seine Selbstzerfleischung über den fast vergangenen Verrat manchmal ungesunde Züge annahm. In solchen Momenten hatte er dem Drachen sogar schon gesagt, dass er Prügel verdiene und bestraft werden wolle. „Eri, ich weiß, dass du es bereust und du hast schließlich auch dein Leben für mich riskiert, als du ihn aufgehalten hast. Das ist doch der beste Beweis dafür, dass du mich liebst und nicht willst, dass mir etwas zustößt. Und deine Mutter bereut auch. Du musst ihr nur einmal die Chance geben, dir zu sagen, was sie durchgemacht hat.“ „Die bekommt sie ja heute Abend.“ Eri schloss die Augen und atmete tief ein. „Darf ich dich was fragen?“ „Natürlich.“ „Ich konnte es nicht sehen...aber unser Haus...“ Eine kurze Pause entstand, als wüsste Eri nicht, wie er genau weitermachen sollte. „Ich erinnere mich daran, wie wohnlich und schön alles war, aber gestern...es roch so komisch. Nach altem Holz, teilweise ein bisschen faulig und was ich fühlen konnte...wie sah es aus?“ „Willst du die Wahrheit oder Erleichterung?“ Goran stoppte das Streicheln und ließ seine Hand auf dem Schopf liegen. „Es kann eigentlich nicht viel schlimmer werden.“ schlussfolgerte Eri vollkommen falsch. „Also belüg mich bitte nicht.“ „Das Haus ist heruntergekommen. Die Möbel alt und morsch. Ich habe einige Risse in den Wänden gesehen und Löcher in den Dielen. Die Gardinen sind alt und abgetragen. Aber es ist nicht nur das Haus. Auch die Kleidung deiner Familie ist zerschlissen und löchrig. Es gehört eigentlich alles schon längst in den Müll oder zu den Putztüchern. Deine Mutter wirkt ausgehärmt und sehr viel älter, als sie wahrscheinlich ist. Isaac sieht man die harte Arbeit an. Ich hätte ihn nicht auf 20 geschätzt. Er sieht älter aus als du. Und ich schätze, dass das Essen heute Abend das letzte Geld deiner Mutter auffrisst.“ „Ich würde jetzt gern sagen, dass ihr das recht geschieht...“ murmelte Eri nach einer langen Pause. „...aber ich kann nicht. Bei den Göttern, meine Familie war mal recht gut betucht, wir hatten niemals Sorgen.“ „Nun habt ihr sie. Und ich glaube, das wiegt alles nicht so viel, wie der Verlust deines Vaters. Mit deinem vermeintlichen Tod ist die Familie eingebrochen.“ „Das ist gemein. Jetzt kann ich sie nicht mehr hassen. Ich will ihr helfen.“ Eri schlug mit der Hand auf das Bein seines Gefährten. „Aber ich wollte sie doch hassen!“ Er klang wie ein bockiges Kind. Goran verhakte ihre Finger und begann seine Hand wieder durch das Haar kämmen zu lassen. „Nein, das wolltest du nicht. Du bist nur noch immer verletzt. Geht es dir denn nicht nahe, dass sich dein Vater deinetwegen umgebracht hat?“ Schweigen. Eri sagte nichts. Dann brach er in Tränen aus. Als wäre eine Barriere in ihm zerbrochen, allein durch die Worte seines Geliebten. Schluchzend presste er sich an Goran, kroch so nah es ging an ihn heran. Dieser nahm ihn nur still in den Arm und legte sich neben Eri. Er hatte gewusst, dass der Schmerz noch tief in dem jungen Herzen lag. Sein Gefährte hatte sich nie richtig mit diesem verhängnisvollen Tag auseinander gesetzt und nun wurde es ihm regelrecht aufgezwungen. „Lass deinen Schmerz raus, Feuerkind. Er hat dich lange genug vergiftet.“ Und Eri tat es. Minutenlang, scheinbar eine Ewigkeit, in der er sich einfach nur in die warme geborgene Nähe seines Geliebten flüchtete und weinte. Teilweise so heftig, dass er nicht einmal mehr Luft bekam. Er zitterte am ganzen Körper, Sturzbäche aus Tränen rannen seine Wangen hinab. Seine Finger krallten sich in die Haut Gorans, sein Gesicht drückte sich gegen die vertraute Brust. Der Drache konnte gar nichts anderes tun, als Eri an sich zu drücken und für ihn da zu sein. Seine Hände glitten beruhigend über den bebenden Rücken. Es tat ihm selbst weh, wie sein Geliebter litt, doch andererseits wusste Goran auch, dass es ihm Erleichterung verschaffen würde. Tränen von 8 Jahren flossen hier und fanden endlich ein Ventil. Es wunderte ihn nicht, dass Eri völlig erschöpft in seinen Armen lag, nachdem er sich langsam wieder beruhigt hatte. Immer noch rang er nach Atem, versuchte Luft durch die Nase zu kriegen. Seine Augen waren vollkommen verquollen. Doch auf eine merkwürdige Weise fühlte er sich besser. Er hatte tatsächlich zum ersten Mal seinem Schmerz Luft gemacht und um seinen Vater getrauert. „Danke.“ flüsterte er irgendwann. „Geht es dir jetzt besser?“ Goran rollte sich von seinem Feuerkind weg und fischte nach einem Taschentuch, das er in seiner Nachttischschublade aufbewahrte. Der Stoff war weich und genau richtig für die gerötete Nase. „Hier.“ Er gab es Eri und lächelte ihn sanft an. Der Rotschopf schnäuzte sich daraufhin dermaßen laut, dass wahrscheinlich noch eine Etage tiefer die Bilder von der Wand fielen. „Viel besser.“ Kurz blieb es still und Eri spürte einen Blick auf sich. „Was ist?“ fragte er unsicher. „Selbst mit roter Nase und roten Augen siehst du noch bezaubernd aus, Feuerkind. Ich bin froh, dass wir diese Reise gemacht haben, denn dann findet dein Herz endlich Frieden.“ Goran streifte eine Träne weg und küsste Eri auf die Nasenspitze. „Denkst du? Hilfst du mir heute Abend? Ich will mich ja mit Mutter versöhnen...aber ich brauche dich sicher dabei. Nur mit Isaac möchte ich noch einmal allein reden, sollte er sich noch an alles erinnern.“ „Oh, ich denke, er wird.“ Das Grinsen des Drachen war überdimensional. Der Schock von Eris Bruder war für Goran eher amüsant gewesen. „Wir gehen diesen Weg zusammen, Eri, also mach dir keine Sorgen. Es ist der richtige, da bin ich mir sicher.“ Liebevoll küsste er seine kleine Rotznase und drückte ihn dann wieder gegen sich. „Schlaf ein bisschen. Du brauchst die Ruhe.“ Eri schloss seine verweinten Augen und war schon kurz darauf eingeschlafen. Dieser emotionale Ausbruch hatte ihn mehr Kraft gekostet als gedacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)