Erwarte nichts, rechne mit allem von Vandra ================================================================================ Kapitel 1: Erwarte nichts, rechne mit allem ------------------------------------------- „Verdammte Hitze“, hörte Mark sich selbst laut fluchen, während er sich von dem bösartigen Drahtesel hinunter quälte und die Schmerzen ignorierte, die ihn dabei durchzuckten. Wieso er das Ding überhaupt noch verwendete war ihm ein absolutes Rätsel. Wenigstens konnte er sich jetzt wieder anständig strecken. Sein Blick wanderte zur Sonne, die sich mit allem anderen gegen ihn verschworen zu haben schien. Allein bei dem Gedanken an diesen heißen Feuerball da oben fing seine Haut nur noch schneller an den Schweiß auf den Boden zu befördern und die Hitze in seinem schon viel zu heißen Körper nur noch weiter anzufachen. Mit einem Schnaufen schüttelte er den Kopf, wischte sich über die Stirn und strich sich die schwarzen Haare aus dem Blickfeld, nur um dann wieder weiter auf das Haus zuzugehen, das Schutz vor diesem furchtbaren Wetter versprach. Wie jemand ernsthaft behaupten konnte, dass Radfahren gesund sein konnte – besonders bei dieser Hitze – war ihm ein Rätsel. Sein Allerwertester pochte dazu noch immer ein wenig von dem schlechten Sitz, den er hatte und seine Kehle zog sich ob des Durstes immer wieder zusammen und schnürte ihm beinahe die Luft ab, während jeder Blick in Richtung Sonne die Nachteile von blauen Augen nur zu deutlich werden ließ… Er seufzte und schwor sich wie jedes Mal, dass er nie wieder mit dem Rad hierher fahren würde, obwohl er schon wieder genau wusste, wie es enden würde. Seine sportliche Figur, die seine Freundin immer wieder dazu brachte über seinen Bauch zu streicheln, war das Letzte, was er verlieren wollte. Und wieder wischte er sich die Stirn ab. Diese Gedanken brachten nichts. Ein Blick nach vorne zeigte ihm das Ziel, das keinen Zentimeter näher gekommen war: Ein großes Bauernhaus, halb aus Holz, halb aus Stein gefertigt und so einladend mit der braunen schweren Tür, die die Sonne sicher draußen halten würde. Doch das Beste verbarg sich aber innen, denn im Kühlschrank seiner Großmutter war immer das zu finden, was ihm schmeckte. Mark ergriff den metallenen Griff, zuckte kurz zusammen, als die Hitze durch seine Hände kroch, nur um dann doch die Tür mit einem kräftigen Schubs aufzustoßen, worauf sie mit einem Krachen gegen die Mauer knallte und ihm einen wunderbar kühlen Luftschwall bescherte. Erleichtert atmete er auf und trat in die Dunkelheit, die ihm im Moment wie eine Erlösung vorkam und selbst die kitschige Wandvertäfelung ignorierte er auf dem Weg in die Küche. Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter ihm wieder zu, er zuckte kurz zusammen und atmete dann erleichtert auf. „Oma?“, rief er fragend, „Ich bin da!“ Keine Antwort. Ohne weiter zu warten folgte er seiner trockenen Kehle und ging durch die Öffnung zu seiner Rechten in die Küche, blieb dort noch einmal stehen. „Ooooooma!“ Wieder nichts. Wieder wischte er sich den Schweiß von der Stirn, der jetzt nur noch mehr in Strömen zu rinnen schien und zuckte mit den Schultern, um sich gleich dem Kühlschrank zuzuwenden. Mit einem lauten Seufzer legte er die Hand an den Eiskasten und hielt verdutzt inne. Seit wann war die Küche so sauber geputzt? Sonst ließ seine Großmutter immer extra Arbeit übrig und brachte ihn dazu, sie zu erledigen. Er müsse ja auch lernen wie das ginge, wenn er schon von zu Hause ausgezogen war. Seine Augen rollten ganz automatisch nach oben. Aber das war egal, denn er hatte Durst. Seine Hände ergriffen die Halterung, zogen kräftig daran – doch der rührte sich kein Stück. Verdattert starrte er den Kühlschrank an, fluchte ein wenig und zog noch kräftiger daran. Hatte er etwa einen Schwächeanfall? Irgendwo hörte er jetzt noch dazu die Katze seiner Großmutter, die sonst immer so begierig darauf war, gestreichelt zu werden, miauen, während er wieder ohne jeden Erfolg an dieser dummen Tür zog. „Ich will doch nur etwas zu trinken – ist es zu viel verlangt, wenn ich mir ein Cola wünsche?“, maulte er und ließ seinen Blick zur Decke wandern, bevor er schnell wieder zu diesem störrischen Kühlschrank zurück schnellte, an dem er noch immer verzweifelt zerrte. Und dann fiel sein Blick auf dieses kleine weiße Ding das da klebte. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen als ihm klar wurde, wieso der sich nicht öffnen wollte. Schnell drückte er die Kindersicherung hoch, worauf ihm die Tür fast entgegen flog – oder doch eher er der Kühle entgegen segelte, mit der er wohl jeden Moment Kontakt herstellen würde. Reflexartig schloss er die Augen, ruderte wild mit den Armen, nur um dann völlig verwirrt den erwarteten Schmerz nicht zu spüren. Irgendwie fühlte er etwas Warmes auf seiner Brust und in seiner Hand, die merkwürdigerweise etwas umfasste, breitete sich eine angenehme Kühle aus. Vorsichtig, ganz vorsichtig öffnete er langsam die Augen und starrte auf die altmodische Colaflasche, von seinen Fingern umschlossen, wollte sich schon freuen, als er die nur von merkwürdigen Bändern bedeckte und merkwürdig gebräunte Brust vor sich sah – auf der er lehnte. „Wa…wa“, stotterte er vor sich her, während sein Blick weiter nach oben wanderte und am Ende des großen, gut gebauten Körpers, der selbst ihn neidisch machte, auf die goldenen Augen traf. Ohne zu reagieren näherten sie sich ihm immer mehr, immer schneller, bis er im nächten Moment schon warme Lippen auf den seinen fühlte, die so kühl waren, fast wie ein Windhauch und dabei doch eine wahnsinnige Hitze durch seine Haut kribbeln ließ. Jeder Gedanke verschwand wieder, bevor er auftauchen konnte, verschwand so schnell, dass er ihn nicht einmal in Worte fassen konnte. Klar denken war unmöglich, etwas tun zu schwer, während sich sein Puls immer mehr beschleunigte, ihn drängte. Immer schneller blinzelte er mit den Augen, versuchten die Figur in sein Blickfeld zu bekommen, doch es gelang ihm nicht, verschwommen wie eine Fata Morgana, die ihn so unglaublich reizte, kitzelte und dieses Kribbeln, dass er nicht spüren sollte, in ihm auslöste. Er fühlte, wie sein Blut durch seine Ohren schoss wie ein Wasserfall und alles betäubte, als sich eine Zunge schließlich so unwirklich und zart wie ein Windhauch auf seine Lippen schlich und diese angenehme Kühle mit sich brachte, von der er so viel mehr wollte, die er auf seiner spüren wollte. Mit einem Seufzer öffnete sich sein Mund, obwohl etwas in ihm etwas dagegen sagen wollte, doch es war so unbedeutend, so dumm. Als ob sein Gegenüber nur darauf gewartet hätte, strich er sanft über jede Stelle, hinterließ bei jeder Berührung dieses merkwürdige kühle Knistern überall und entlockte ihm Gefühle, die er nicht haben durfte. Es ging alles so rasend schnell, war so wundervoll - so wundervoll, wie nur mit seiner Freundin sonst. Und dann trafen ihn die Gedanken wie einen Schlag, brach sein Verstand wütend, laut schreiend wieder an die Oberfläche. Er blinzelte verwirrt, versuchte zu begreifen was hier vorging. Was machte er hier? Wie konnte er so etwas genossen haben? Falsch, es war so falsch. Nur Frauen, er mochte nur Frauen. Verzweifelt drückte er gegen die Brust des Fremden, hämmerte mit seinen Händen dagegen, wollte entkommen, diesem wahnsinnigen Lauf der Dinge entkommen, doch die Arme schlossen sich nur noch fester um ihn und mit ihnen kroch Wut in ihm hoch. Schneller, als er etwas sagen konnte, fühlte er das Pochen in seinem Kopf, das alles betäubte, ihn vorwärts trieb und alles andere verdrängte. Mit einem lauten Klirren krachte die Flasche auf den Boden, gänzlich unbeachtet von allem. Seine Finger bewegten sich, fanden zusammen und ballen sich zu einer Faust, bis er die Nägel in seine Haut stechen fühlte. Immer wieder dieses Pochen, das ihn vorwärts trieb, ihn dazu trieb etwas zu tun. Er holte aus, schleuderte seine Faust mit ungeheurer Wucht vorwärts durch die Luft in Richtung des Perversen, der ihn festhielt, ihn nicht loslassen wollte. Das unheimliche Zischen war alles was er hörte, als die Wärme, die Kühle sich so schnell wieder von seinen Lippen löste, wie sie gekommen war und nichts zurückließ. Mark fühlte nur Luft, fast keinen Widerstand und stürzte, stolperte bar jeder Stütze nach vorne. Er sah sich schon fallen, auf den Boden aufkommen, doch er endete mitten in der Luft, sicher gehalten und wunderte sich Momente lang. „Hmmm…ich denke das war ein fairer Tausch. Bis auf das Letzte natürlich“, schreckte ihn der Perverse aus seinen Überlegungen hoch und lächelte ihn dabei herausfordern an. „Tau…“, begann Mark zu mit großen Augen zu stottern, bevor er die Augen aufriss. „TAUSCH? Was…Was sollte das? Das – Das ist pervers. Perverser! Ich stehe nicht auf Männer…“ Ein Wort nach dem anderen presste er zwischen seinen Lippen hervor, regte sich auf und versuchte wieder etwas mehr Abstand von diesem Möchtegern-Kühlschrankdämonen zu bekommen, der ihn mit einer Hand festhielt und lüstern angrinste. Wo war dieser Mann hergekommen und was machte er hier? War er verrückt? „Und wer bist – sind Sie überhaupt? Was machen Sie hier? Was soll das? Das hier ist das Haus meiner Großmutter und ich werde die Polizei rufen, wenn Sie nicht sofort gehen! JETZT!“ Doch die einzige Reaktion darauf war ein helles, lautes Lachen. Er schreckte hoch, als er das Klacken hörte, als die Kühlschranktür zufiel und seine Augen abgelenkt auf dem eigenartigen Mann hängen blieb – und seinen Blick nicht mehr abwenden konnte. Die goldenen Haare, die die Iris widerspiegelten und das hellbraune Gesicht einrahmten, wirkte so unglaublich, glänzte etwas im Licht und gab dem Mann ein beinahe überirdisches Aussehen, während die lange Puffhosen und der darüber liegende Rock wie aus einem kitschigen Märchenbuch entnommen wirkten. Die zwei Bänder, die sich von der Hüfte über die Brust bis hin zu den kleinen Fingern um den muskulösen Körper schlangen, konnte man kaum als Kleidung ansehen. Er blinzelte ein paar Mal, schüttelte den Kopf, doch nichts änderte sich an all dem. Das konnte nur ein Perverser sein, ein Perverser bei seiner Großmutter? „Hmmm…kein Wunsch ohne Gegenleistung, kein Gefallen ohne Gegenleistung. Und keine Antwort ohne Gegenleistung. Willst du dir nicht lieber etwas für deine Geliebte herbeisehnen?“, schreckte ihn die tiefe Stimme, die wie vom Wind getragen an sein Ohr drang, aus seinen Gedanken hoch und ließ ihn den Anblick vergessen. „Lass meine Freundin gefälligst aus dem Spiel! Und was soll…“ Doch weiter kam er nicht, seine Stimme versagte plötzlich, weigerte sich und er brachte keinen auch noch so leisen Ton mehr hervor. Erschreckt griff er auf seinen Hals bis er das zufriedene Murmeln hörte und wusste, was los war. Wütend starrte er den Verrückten vor sich an, seit dessen Ankunft alles schief ging. Er kratzte an seiner Haut, schrie seine Wut hinaus, während sich nichts änderte. Mit zitternder Hand holte er aus, schlug voller Wucht in Richtung des Perversen, der anfing wie zu heiße Luft zu flimmern und jeder Faust auswich – wie magisch, doch das konnte nicht sein. „Versuch es nicht, nimm es hin – du hast mich gerufen und nun hat das Spiel begonnen. Der Kuss war deine Gegenleistung für dieses Getränk: Den Wunsch, den du an mich gerichtet hattest. Und ich will noch viel mehr, Mark. Nach so vielen Jahren kann man einem Mann doch nicht übel nehmen, wenn er sich dem hingibt, was alle begehren, oder? Mein Name ist Jin – wobei ich wohlweißlich kein Perverser bin. Oh. Und da du mich vorher geschlagen hast, bin ich so frei deine Gegenleistung dafür zu nehmen“, erklärte ihm Jin mit einem eiskalten Lächeln, kam immer näher, auf ihn zu und ergriff mit einem Ruck seinen Arm. Das war eindeutig ein Verrückter, jemand der von Wünschen redete und Gegenleistungen verlangte. Der Griff auf seinen Arm war fest, legte sich wie eine Schraubzwinge um ihn und schlug jeden Versuch zu fliehen nieder. Sein Körper gehorchte ihm nicht, zitterte immer mehr und hinterließ Angst. Er hasste es. Seine Stimme versagte noch immer ihren Dienst und nichts schien zu helfen, bis er endlich nach einer Ewigkeit wieder seinen Atem hörte, als der Fremde mit den Fingern schnippte. „Du bist ein Perverser. Verrückter. Wie ein Alkohol… Warte mal. Was für eine Gegenleistung? Und begehren - Moment, du meinst doch nicht etwa…? Ich habe kein Interesse daran einem Mann – ich mag Frauen…nicht auf Männer“, stockte er immer wieder. Marks Augen wurden mit jedem Wort, jedem Gedanken, der sich formte, immer größer und sein Drang zu fliehen mit jedem Millimeter, den sich der Fremde ihm näherte, immer stärker. Jede Sekunde verlor er wertvollen Bereich, schüttelte sich wütend im vergeblichen Versuch sich aus dem Griff zu winden, zu befreien, zerrte an dem Arm und schlug so fest er konnte mit seiner Faust in Richtung Jin. Doch wieder fuhr sie nur durch Luft, raste wirkungslos immer wieder und wieder an seinem Ziel vorbei. „Unmöglich…“, flüsterte er entsetzt, als ihm klar war, dass sich das hier wie eine Fata Morgana anfühlte - da sein sollte und doch nicht da war. Immer schneller atmete er, fühlte sein Herz laut pochen und ihn vorwärts treiben. Das konnte nicht sein, das konnte einfach nicht wahr sein. Sein Hals fühlte sich so trocken an, ein Knoten blockierte den Weg, während er immer schneller atmen musste. „Ruhig! Beruhige dich“, befahl ihm der Mann, der Verrückte und fing an mit seinen Fingern über seinen Arm zu streichen. „Ich bin ein Dschinn und was das ist, muss ich dir hoffentlich nicht erklären. Meinen Namen kennst du schon und mehr ist nicht zu sagen.“ Er wollte etwas darauf erwidern, doch seine Stimme versagte, blieb in seinem viel zu trockenen Hals förmlich stecken. War das System? „Schön ruhig hier, nicht wahr?“, neckte ihn jetzt dieser Perverse, brachte ihn dazu die Fäuste in Weißglut zu ballen, so hilflos wie er war. Jedes Schlucken war schwer, doch er tat es und fühlte, wie der Knoten langsam wanderte und seine Gedanken wieder anfingen zu rasen. Ein Dschinn? Der Mann vor ihm war verrückt und musste eindeutig ein paar schwerwiegende Probleme haben. Dieser goldhaarige Teufel war vielleicht ein perverser Irrer, aber sicher kein merkwürdiges Mädchen in Puffhosen - wenn schon dann ein merkwürdiger Mann in Puffhosen - oder ein tötender Dämon, der die Seelen im Gegenzug für Wünsche raubt. Wobei letzteres bei genauerer Betrachtung doch in Frage kam. Wieder durchfuhr ein Zittern seinen Körper. Es war nicht einmal unwahrscheinlich. Er starrte ihn kritisch an und fing wieder an, an seinem gefangenen Arm zu zerren, bevor er endgültig verrückt wurde. „Gib dir keine Mühe, mich kann man nicht besiegen. Ich habe inzwischen Jahrhunderte gewartet und langsam wurde es uninteressant. Ich hätte noch weiter gewartet, wenn du mich nicht aus dem Kühlschrank befreit hättest.“, fing Jin an zu erklären, ohne dass Mark es hätte wissen wollen. „Was?“ Er konnte und wollte seinen Ohren nicht trauen. „Du bist verrückt! Verschwinde von hier! Ich habe einen einfachen Kühlschrank aufgemacht, den meine Großmutter schon hunderte Male geöffnet hatte, und der war garantiert keine Jahrhunderte alt. Kühlschränke gibt es noch nicht mal annähernd so lange. Blödsinn“, ließ er sich jetzt doch ernsthaft auf das Gespräch ein. „Hm. Als ob ich mich mit jedem abgeben würde. Natürlich nehme ich nur die, die mir gefallen. Oder würdest du mit jemandem schlafen, der dir nicht zusagt? Und die Flasche war mir nach ein paar Jahrhunderten einfach weitaus zu staubig und zu eng.“ Dabei lachte er laut auf, während ihn Mark nur verdattert anstarrte. Das konnte Jin nicht ernst meinen. Die Zahnräder in seinem Kopf liefen heiß, um eine Lösung zu finden, wie er diesem Verrückten entkommen konnte… „Und jetzt zum Geschäftlichen, zu Wichtigerem: Da ich nett war, hat deine Freundin gerade ihren Traummann gefunden – deine Gegenleistung für den Faustschlag, der mich zum Teil getroffen hat.“ Wieder lächelte dieser Teufel und küsste ihn ganz kurz auf den Mund, gerade so lange, dass er nicht reagieren konnte. „Oh…und das mit dem Mann ist kein Problem, da ich sicher sanft genug sein werde. Im Verhältnis gesehen natürlich…“ Mit zitternden Lippen und hochrotem Kopf explodierte Mark endgültig: „Wenn du schon ein Dschinn bist, dann wünschte ich, dass ich dich nicht mehr sehen müsste!“ Jin lächelte nur seelenruhig weiter und nickte mit dem Kopf. „Was den Wunsch betrifft: Hm, wie du es wünschst“, erklärte er ihm mit vergnügter Stimme, bevor die Hand, die ihn nicht hielt, vorschoss und ihn auf der Brust berührte. Wie ein leises Kribbeln fing der Schmerz leise dort an zu existieren, bohrte sich tiefer und weiter, pochte immer stärker, bis er durch seinen ganzen Körper jagte. Schrei um Schrei entkam ihm, als er verzweifelt gegen Jins Brust hämmerte. Endlich, als es unerträglich zu werden drohte, verschwand der Dschinn mit einem Knall in einer Rauchwolke und verschwand wie die Schmerzen vollständig. Nichts war mehr zu sehen, das Zimmer wieder so, wie es vor dem ganzen Wahnsinn gewesen war. Ungläubig blinzelte er, schaute sich um und tastete mit seinen Fingern in der Luft herum, alles andere vergessen. Es war nichts zu fühlen, nichts zu sehen. „Puff und weg?“, stellte er sich die Frage selber und wollte schon erleichtert aufatmen, endlich von diesem Perversen befreit – bis er ein leises, immer lauter werdendes Lachen hinter sich hörte. Mit einem Ruck drehte er sich um und stolperte beinahe, als er diesen Lügner erblickte. „Das – Was ist mit meinem Wunsch?“ „Den habe ich dir erfüllt“ Ohne auf seine Zustimmung zu warten, legte Jin die Arme um seine Hüften und zog ihn näher zu sich. Jeder Schlag, den Mark in seine Richtung austeilte, verpuffte in Luft und brachte ihn jedes Mal nur noch näher an sein Gegenüber, bis eine Hand auf seinen Allerwertesten griff und ihn dort zwickte. „Au! Lass mich los!“, protestierte Mark, das Lachen in den Ohren, die Fäuste völlig wirkungslos. Das einzige, was das zur Folge hatte, war ein breites Grinsen und eine Antwort, die er nie wieder vergessen werden würde: „Du MUSST mich nicht sehen, aber du kannst natürlich noch immer. Und als Gegenleistung habe ich dich zu meinem neuen Gefäß gemacht. Was das bedeutet, wirst du noch früh genug erfahren…“ Erschreckt riss Mark die Augen auf und wollte etwas schreien, als eine viel zu bekannte Stimme ihn davon abhielt: „Markus? Wo bist du? Oma war nur schnell einkaufen!“ „Keine Sorge: Niemand außer dir kann mich sehen…und wir werden viel Spaß haben“, kamen noch mit einem Lachen die Worte, Jin ihn drehte und fest umfasst hielt. Langsam fuhr eine Zunge über seinen Hals, während seine Großmutter gerade durch die Tür kam. Großartig… Kapitel 2: Wohin der Zufall so führt… ------------------------------------- Wohin der Zufall so führt… Mark starrte entsetzt in Richtung Tür, blinzelte wild und versuchte dabei ständig die Berührung, die ihn so irritierte, die andauernd wie ein sanfter Windzug alle seine Härchen aufstellte, los zu werden. Sein Herz schlug immer wilder, pures Rasen in Panik. Wenn seine Großmutter das sah, wenn sie das sah, was würde sie dann denken? „Lass das…“, fauchte er förmlich zwischen seinen zusammengepressten Lippen hervor, bemüht nicht zu laut zu werden, nachdem jede Berührung, jeder Schlag wie immer mitten ins Leere gegangen waren. „Lass das, du Irrer. Hör auf!“ „Wie du wünschst…“, hörte er den gehauchten Satz, der alle Alarmglocken schrillen ließ, doch dazu weiter darüber nachzudenken, kam er nicht mehr. „Markus? Was hast du denn diesmal wieder angestellt?“ Seine Großmutter erschien genau in diesem Moment in der Tür und starrte abwechselnd auf die auf dem Boden liegende, zerbrochene Flasche vor dem Kühlschrank am anderen Ende der Küche, und dann wieder in seine Richtung. Sie schüttelte ihr weißes Haar, das wie immer in alle Richtung stand und dessen schwarze Spitzen dabei ein merkwürdiges Muster erzeugten. „Also irgendwann solltest du entweder etwas mehr Sport machen, oder langsamer fahren“, fing sie ganz unschuldig an, um dann wie immer zu necken, „tja, oder hattest du vielleicht ein Treffen mit Barbara? Ich könnte glatt glauben, dass es bei euch beiden endlich so weit war, aber bei dem wie langsam du bei der Sache bist…“ „Wa…Was?“ Er konnte nur noch stottern und wusste, dass die Hitze in seinen Wangen nicht gut sein konnte. „Könnte man meinen, nicht wahr, Mark…us?“, riss ihn eine tiefe Stimme, viel zu nah an seinem Ohr, aus seinen Gedanken. So deutlich war der süffisante Unterton, so deutlich die Berührung der Finger, die über seinen Nacken strich. „Lass das, du Irrer!“ Wie besessen rammte er seine Füße in den Boden, ließ seinen Körper nach vorne fallen und stolperte förmlich von der Wärme weg, die ihn die ganze Zeit umgeben hatte. Mit einem Ruck drehte er sich um und sah – nichts. Schon atmete er erleichtert auf, als er ein Husten hörte. „Markus? Hast du vielleicht wieder eine deiner eigenartigen Phasen? Oder doch nur zu viel Hitze?“ Besorgnis war jetzt das einzige, was er noch in ihrem Gesicht erkennen konnte, nirgends war mehr Erstaunen zu sehen. Er blinzelte. Wieso hatte sie die Anwesenheit dieses Verrückten nicht gestört? „Oma? Hast du diesen Verrückten hier rein gelassen?“, schoss es heraus, während er spürte, wie sein Darm langsam anfing etwas zu deutlich zu arbeiten. Innerlich fing er an laut zu fluchen. Dieser Tag war einfach nur grauenhaft. „Wovon redest du?“ Als er wieder aufschaute, bewegte sie sich auf ihn zu, Augenbrauen immer weiter nach oben gezogen. „Von dem Mann, der vorher hier war und mich befingert hat. Diesem Irren, Jin, der von sich behauptet ein Dschinn zu sein. Von was soll ich sonst reden?“, versuchte er ihr verzweifelt zu erklären, doch der Unglaube, der besorgte Blick wurden mit jeder Sekunde nur noch stärker. „Markus? Wovon sprichst du?“, kam die Antwort seiner Großmutter, die dabei an seine Stirn fasste. „Hast du etwa wieder Fieber? Ich wusste doch, dass du noch länger zu Hause hättest bleiben sollen. Gerade mit der Schule fertig und schon wieder krank…“ „Was?“ Das konnte nicht ihr Ernst sein, doch genau so sah es im Moment aus. „Ich rede von dem Mann, diesem muskelbepackten Mann, der aus deinem Kühl...“ Und genau da stoppte er. Wie verrückt klang das, was er gerade von sich geben wollte, eigentlich? Wohl sehr, wenn er dem Blick seiner Großmutter trauen konnte - absolut verrückt. Vielleicht war er doch deutlich zu schnell gefahren, hatte zu wenig getrunken und sich alles nur eingebildet. „Markus, hast du vielleicht - hättest du vielleicht lieber einen Mann, anstatt einer Freundin? Ist das der Grund, warum ihr noch immer so brav seid, obwohl ihr sooo jung seid? Dafür muss man sich nicht schämen...“, fragte sie ihn voller Ernst und brachte ihn damit nur dazu, an allem zu zweifeln. Erschreckt riss er den Mund auf. „WAS! OMA? Was zum Henker willst du damit sagen? Wie kommst du auf SO etwas? Ich habe dir - ich habe absolut kein Interesse an Männern. Ich habe kein Interesse an Männern, absolut nicht. Und Barbara hat, will eben noch Zeit, denke ich, mehr Zeit als nur eine Woche haben. Aber ich liebe sie trotzdem...“, versuchte er ihr jetzt völlig verdattert zu erklären, stotterte regelrecht und kratzte sich dabei an der Brust, wo etwas ihn inzwischen schon furchtbar juckte. Die Stelle pochte scheinbar im gleichen Takt wie sein Darm rumorte und der bösen Vorahnung folgend schaute er sich um. Hier war niemand mehr, kein Jin, kein Verrückter. Schnell rieb er sich die Augen, doch es änderte sich nichts daran – kein braungebrannter Schönling mehr da. „Gut, also vielleicht war es wirklich Einbildung, aber es schien so echt...“, murmelte er nach einer Minute, in der nichts passierte, kein Perverser aus dem Kühlschrank sprang, und seufzte erleichtert. Seine Großmutter lächelte wie zur Beruhigung, strich ihm ein paar Haare aus dem Gesicht. „Na siehst du. Und selbst wenn du heimlich gerne einen Freund hättest, kannst du es mir gerne sagen. Wenn du wüsstest...“, erklärte sie ihm mit einem Grinsen und klopfte ihm dann mit einen lauten Lachen auf die Schultern, als sie wohl seinen wenig begeisterten Blick sah. „Oh weh, du bist manchmal schon ein wenig verklemmt Markus...“ „Ich bin nicht verklemmt, ich will mir nur Zeit lassen und ich weiß genau, was ich bin und was nicht.“ Irgendwie hatte er in diesem Moment das starke Bedürfnis das letzte Wort zu haben, doch das war ihm wohl nicht ganz vergönnt. „Hm...“, fing es ganz leise irgendwo in seinem Inneren an, bevor vor ihm plötzlich ein Schwall Gold erschien und seinen Blick einnahm. Mit Schrecken sah er wie der Dschinn aus ihm heraus entkam, elegant ein Bein in die Existenz beförderte, bevor alles andere langsam folgte und die perfekte Figur ergänzte, „ich würde sagen, dass deine Großmutter sehr intelligent ist, mein Gefäß.“ „Gefäß? Was zum Henker? Ich bin kein Gefäß! Du dürftest nicht hier sein. Nicht hier sein. Oma, siehst du diesen Verrückten JETZT endlich?“, schrie er förmlich, während seine Großmutter ihn nur verwirrt betrachtete, doch Jins Stimme dabei gleichzeitig unüberhörbar laut wurde. „Oh doch, das bist du, und das wirst du noch länger bleiben“, ignorierte der Dschinn seinen Ausbruch, starrte ihm in die Augen, bis er nicht mehr hinsehen konnte. „Es ist erstaunlich gemütlich in dir und hier gibt es viel zu entdecken - und ein paar Winde mehr könntest du auch vertragen“, erklärte der Verrückte und wie zur Unterstützung dieser irren Worte konnte er seinen Darm nicht mehr unter Kontrolle bringen. Es grummelte, rumorte und bahnte sich mit einem lauten Geräusch seinen Weg hinaus. „Markus! Wenn du aufs Klo musst, dann geh gefälligst. Und was hast du überhaupt? Hier ist niemand...“ Seine Großmutter rümpfte dabei die Nase, fächelte sich mit einer Hand Luft zu. „Dieser Dschinn...“, begann er und schüttelte nur noch verzweifelt den Kopf. Hier direkt vor ihm stand er, drehte sich immer wieder und ließ sein Haar dabei eigenartig durch die Gegend flattern. „Wovon redest du, Markus? Dschinn?“, kam die erstaunte Frage begleitet von diesem lauten tiefen Lachen. Mark schüttelte nur noch verzweifelt den Kopf. „Von dem Dschinn aus dem Kühlschrank, von dem ich dir vor ein paar Minuten gerade erzählt habe und der gerade hier steht, Herrgott! Wovon sollte ich sonst reden?“ Langsam fing er wieder an mit einem Finger eine seiner Strähnen hin und her zu drehen und versuchte irgendwie den Dschinn zu ignorieren - vergebens. „Davon willst du mir erzählt haben? Ich glaube du bist entweder zu schnell gefahren oder noch nicht ganz gesund...oder es fehlt dir wirklich etwas an ‚Auslastung‘…“, kam es wie einer Wiederholung wieder ohne auch nur einen Funken mehr Sinn zu machen. Hatte seine Großmutter inzwischen Alzheimer? „Nein, hat sie nicht“, fühlte er die Worte jetzt mehr in seinem Ohr, als das er sie hörte. Jin war aus seinem Blickfeld verschwunden und knabberte kurz an seinem Nacken, bevor er weiter sprach: „Sie weiß es nicht mehr - niemand weiß es mehr. Ich bin ein Dschinn und alles was du über mich sagst, was andeutet, dass ich genau das bin, vergessen sie schneller, als du es sagen kannst. Und an deiner Stelle würde ich es nicht all zu oft versuchen, denn wer weiß, welche Nebenwirkungen es hat und welche Wünsche du dann äußern wirst.“ Er konnte das verschmitzte Grinsen auf seinem Hals beinahe fühlen, während ein paar Finger seine Hand ergriffen und sie aus seinen Haaren lösten. „Und jetzt akzeptiere es endlich, akzeptiere mich...“, drängte ihn der Dschinn zu Unmöglichem, ließ seinen Atem dabei über seine Haut gleiten. Mark schüttelte den Kopf, schaute noch einmal seine Großmutter an. „Oma, was habe ich dir gerade erzählt?“ „Wieso fragst du?“ Wieder ein kritischer, besorgter Blick. „Ich habe mich nur über die Flasche gewundert und halb gescherzt, dass du vielleicht doch gerne einen Mann als Freund hättest - was ja wirklich keine Schande wäre. Ein knackiger Junge, der vielleicht ein paar Muskeln hat, würde mir sicher auch gut gefallen. Und ein bisschen bi schadet bekanntlich nie. Die Jugend heute ist wirklich viel zu verklemmt…“, neckte sie ihn mit einem Lächeln. Sie erwähnte nichts, aber auch wirklich gar nichts von dem gut gebauten Mann, der gerade hinter ihm stand und ihn befingerte, während er vergebens versuchte die Hände los zu werden. Offensichtlich wusste sie wirklich nichts mehr von dem, was er gerade Momente zuvor gesagt hatte. Also war entweder er gänzlich verrückt, oder die Welt hatte sich gerade auf den Kopf gestellt und das Unmögliche möglich gemacht. Langsam drehte er den Kopf, ignorierte die Gänsehaut, die auf seinem Körper zur beherrschenden Macht geworden zu sein schien und das eigenartige Kribbeln so deutlich zeigte, bis sein Blick auf den so furchtbar zufriedenen Jin fiel – und wieder zurück zu seiner Großmutter raste, die anfing die Scherben vom Boden aufzusammeln. Seelenruhig warf sie die Glassplitter auf eine Kehrschaufel und redete dabei unbeeindruckt weiter: „Das nächste Mal räumst du die Scherben weg, bevor sich noch jemand daran verletzt. Und ich will wirklich zu gerne wissen, was dich so nervös gemacht hat.“ Schon fast wollte er darauf entgegnen, dass sie es doch wissen müsste, bevor er sich auf die Zunge biss, die Lippen noch fester aufeinander presste, als er Finger in seinen Haaren fühlte. Seine Hände wanderten hoch, doch jeder Versuch dieses nervende Streichen zu beseitigen, ging schief, hinterließ nur das Gefühl in einen Windstoß gekommen zu sein, bis er aufgab. Inzwischen zitterte sein Mund, sein ganzer Körper bis in die geballten Fäuste hinunter, immer stärker und deutlicher. Das konnte alles nicht wahr sein. „Oma…“, fing er schon genervt an, um sich irgendwie abzulenken von dem Allen hier, von den Berührungen. „Oma – ist das hier ein Scherz? Versteckte Kamera?“, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er hoffte, nein wusste, dass das die Wahrheit sein musste. „Scherz?“, kam es von zwei Seiten, gleichzeitig und fast wie abgesprochen. Seine Großmutter schaute ihn fragend an, entsorgte gerade di Scherben, während sein Blick auf etwas weiter unten gezogen wurden und ihn ablenkte. Aus seinem Bauch ragte ein Arm, drehte und wand sich, bewegte sich hinein und hinaus. Er schluckte, versuchte den merkwürdigen Knoten, der ihm bei diesem Anblick in den Hals stieg und drückte, hinunter zu drücken, als die viel zu langen, goldenen Fingernägel über seine Haut fuhren und auf ihrem Weg wieder dieses furchtbare Kribbeln hinterließen, das er nicht wahr haben wollte. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Schnell schloss er die Lider, wollte ein paar Schritte weg, nur weg, stolperte. Erschreckt riss er seine Augen wieder auf, prallte auf eine Hand, schwebte so förmlich in der Luft, gehalten von dem Ding, das auf seinem Bauch lag, aus ihm heraus ragte. Sein Magen rebellierte bei dem Anblick, presste, würgte hoch, was unten bleiben sollte und nur mit Mühe blieb es unten. „Urgh.“, schluckte er schwer, „Ekelhaft. Lass. Das.“, brachte er zwischen den Versuchen den Knoten hinunter zu würgen heraus. Verzweifelt kratzte er mit seinen Fingern an der Hand, die nicht verschwinden wollte, Widerstand bot und atmete immer schneller, als es nicht gelang. „Hör auf…“, murmelte er immer wieder, bis er etwas spürte. „Hm, wie du wünschst“, hörte er das Flüstern im ersten Moment in sich, fühlte fast mehr wie es wanderte und dann an seinem Ohr vorbeizog, nur um es dann weiter weg als Echo wahrzunehmen. Er rollte mit den Augen, blinzelte verzweifelt, während sich langsam alles anfing zu drehen. „Das ist nicht normal, das ist absolut nicht normal. Darf nicht sein.“ Sein Versuch die Hand von seinem Bauch zu reißen, brachte nichts; er war zu schwach, schaffte es nicht die Finger zu ergreifen, während jetzt noch eine Hand mehr zu sehen war, die scheinbar unschuldig auf seiner Haut lag. Schon bildete sich ein Fluch auf seinen Lippen, noch immer unfähig das zu erfassen, was ihn noch immer durchbohrte. Mit einer letzten Anstrengung lehnte er sich nach vorne, um wenigstens irgendwie zu entkommen, fühlte plötzlich wie die Wärme in ihm wich, sich nach hinten verlagerte und sich dort versammelte. Ein Ruck hielt ihn zurück, riss ihn zurück in eine Umarmung, die ihn empfing, die ihn festhielt. „Oh doch, das ist völlig normal, mein Gefäß…“ Wieder das Flüstern viel zu nah an seinem Ohr, von zwei Händen betont, die viel zu sicher über seinen Bauch strichen. Angezogen, verführt von dieser Berührung rasten seine Augen hinunter, fanden die Stelle, die er nicht mehr sehen wollte und schlossen sich dann vor Erleichterung. Alles war so normal, so normal wie es denn mit dem Verrückten, der hinter ihm stand, ihm jede Bewegungsfreiheit nahm, eben sein konnte. Dazu starrte ihn seine Großmutter mehr als kritisch an und schien abzuschätzen ob er noch ganz bei Trost war. „Was murmelst du die ganze Zeit Markus? Leg dich doch ins Bett, dann wird das Schwindelgefühl schon aufhören…“, schlug sie vor, um noch etwas anderes anzufügen, was ihn fast zum Stolpern brachte: „Und mach dir keine Sorgen. Selbst wenn du etwas anstellst, verrate ich es nicht deinen Eltern.“ Das verschwörerische Zwinkern, das darauf folgte war zu viel für ihn. „Wieso sieht ihn niemand?“ Er fuhr sich durch die Haare, verzweifelt und mit dem nagenden Gefühl, dass er vielleicht doch nicht normal war. „Ich wünschte du könntest ihn auch sehen…“, flüsterte er halb resignierend, nachdem er seine Gedanken unter Kontrolle gebracht hatte, nur um dann hochzuschrecken. Er riss die Augen förmlich auf, schlug sich mit voller Wucht die Hand vor den Mund und starrte erschreckt von einer Seite zur anderen, in der Hoffnung, dass ER es nicht gehört hatte. Was hatte er da nur gesagt? Sein Kopf raste immer wilder von einer Seite zur anderen, bis sein Blick auf den lächelnden Dschinn hängen blieb, der seine schlimmsten Befürchtungen zur Wahrheit werden ließ. „Nein, halt. Ich habe es mir nicht gewünscht…ich nehme es zurück!“, rief er, vergaß ganz auf seine Großmutter. Ohne weiter zu überlegen, ohne an sie zu denken, drehte er sich in der Umarmung, die ihn noch immer festhielt und fing an, wild an den unpassenden Bändern zu zerren, mit der wenigen Kleidung die Aufmerksamkeit, die schon auf ihm lag, noch stärker zu bekommen. „Hörst du? Ich will das nicht! Das war kein Wunsch!“, schrie er jetzt beinahe, als ihm die wenigen Fetzen Stoff aus den Händen glitten, und zu Luft zerfielen. „Oh, das, mein Gefäß, geht nicht. Ein Wunsch, einmal ausgesprochen, kann nur erfüllt oder abgewiesen werden. Und damit…“ Und damit löste sich endgültig das Band in seinen Fingern auf, hinterließ nur Nichts und nahm den Dschinn gleich mit sich mit. Mark starrte ungläubig auf seine leeren Hände und schluckte den Knoten, der sich gerade bildete, wieder hinunter. Er drehte sich um, endlich frei und musste mehrmals blinzeln. Konnte das wahr sein? Konnte er so viel Glück haben, dass der Verrückte verschwunden war? Wieder schüttelte er den Kopf, wie so oft seit dem kleinen Kühlschrank-Vorfall, doch irgendwie ließ die Erleichterung, auf die er so sehr gehofft hatte, auf sich warten, während seine Brust noch immer merkwürdig juckte. „Markus?“, riss ihn seine Großmutter aus seiner Trance und er konnte nur stupide in ihre Richtung schauen, unfähig zu verstehen, was sie wollte und starrte wieder kurz auf seine Hände. „Was hast du jetzt schon wieder? Du siehst aus, als bräuchtest du Schnaps, Sex oder Schlaf…“ „OMA!“, schrie er und ignorierte das merkwürdige Grummeln, das sein Darm gerade produzierte. Aus seiner Trance, seinen absolut eigenartigen Gedanken gerissen, fühlte er langsam, wie die Realität wieder zurück kam, wieder da war. „Ich…“, wollte er schon anfangen und fing an mit den Zähnen zu knirschen. Wie verrückt konnte er sein, dass er ernsthaft glauben konnte, dass es Dschinns gab? „Vielleicht brauche ich doch Schlaf, und wenn du Vodka hättest, aber ich glaube ich lasse doch lieber Alkohol…“, brachte er zwischen Seufzern hervor und ging zum Kühlschrank, zu diesem vermaledeiten Kühlschrank, um sich wenigstens eine Cola zu holen. Gerade als er angekommen war, die Kindersicherung diesmal öffnete, hineingriff und aus einem der Fächer die gewollte Flasche herauszog, hörte er einen entzückten Laut und erstarrte. Diesmal griff er fester zu, mit allem rechnend und schmetterte die Tür zu, während er sich umdrehte – und erstarrte. Seine Großmutter stand wie gebannt da, die Wangen rot und ein schwärmerisches Lächeln auf den Lippen. Ihr Blick lag auf einem Mann in einem eleganten Anzug, der einfach nur da stand und zufrieden grinste. Die blonden Haare, zu einem Zopf zusammengebunden und die Augen in derselben Farbe brachten Mark dazu den Kopf zu schütteln. Das war der Dschinn, aber mit dem schwarzen Anzug, dem halb geöffnetem Hemd wirkte er so anders, so elegant und fast erotisch und nicht mehr wie ein Verrückter. Wie konnte er so etwas nur denken? Wütend über sich selbst, über die unpassenden Ideen, schüttelte er wild den Kopf, schnaufte mehr als zu Atmen und versuchte verzweifelt den Knoten in seinem Hals zu verschlucken, der sich schon wieder gebildet hatte. Viel zu konzentriert auf alles und auf nichts, merkte er nur halb, wie die Flasche, längst vergessen, immer weiter rutschte, aus seinen Fingern glitt, während er nur wortlos den Mund aufriss und immer wieder betete, dass das hier nur ein Traum war. Bis es geschah: Mit einem lauten Klirren prallte die Glasfalsche auf den Boden, schien für einen Augenblick heil zu bleiben, bevor sie in tausend viel zu symmetrische Teile zersprang. Er zuckte zusammen und das eine Wort, das er nicht aus dem Hals bekommen hatte, erfüllte die Luft: „NEIN!“ „Oh, äh…“, erwachte seine Großmutter im selben Augenblick wieder aus ihrer entrückten Erstarrung und fing an sich etwas Luft zuzufächeln, als ob ihr zu warm wäre, „wer sind sie und was machen sie hier?“ Mark blinzelte und starrte sie ungläubig an. Jetzt sah sie Jin, den er gerade krampfhaft zu ignorieren versuchte? „Wie…?“, murmelte er die Frage leise und hoffte noch immer, dass das alles hier ein Traum war. Er wollte nicht wissen, was der Verrückte als Gegenleistung für diesen Wunsch wollte, wollte nichts mehr davon hören. Seine Großmutter folgte mit ihrem Kopf jeder Bewegung Jins und lächelte dann kurz. „Nicht, dass es mich stören würde…“, flüstere sie viel zu laut, um es zu ignorieren. Er riss die Augen auf. „OMA?“, rutschte es völlig entsetzt heraus. Seit wann war seine Großmutter eine errötende Frau mit diesem entrückten Lächeln? Sie spielte mit den schwarzen Spitzen ihrer weißen Haare wie ein Mädchen, das gerade irgendwelche komischen Gedanken hatte. „OMA! Du bist verheiratet…“, erinnert er sie unnötigerweise und wunderte sich gleich darauf, wieso er das gesagt hatte. „Ach Markus, du bist wirklich viel zu verkrampft“, wischte sie seine Ausbrüche mit einer einfachen Handbewegung und einem genervten Blick weg, den eigentlich er ihr hätte zuwerfen sollen. Seinen Versuch etwas zu sagen, unterbrach sie, ohne ihn auch nur einen Moment länger zu beachten. Stattdessen wandte sie sich wieder zuckersüß und ernst an Jin: „Verzeihen Sie die kleine Ablenkung, aber jetzt mal im Ernst: Wer sind Sie? Ich will eine Antwort.“ „Oh, verzeihen Sie“, fing dieser mit einer eleganten Verbeugung an, bei der sein Zopf über die Schultern nach vorne fiel und die wirkte, als wäre sie aus einem alten Mantel- und Degenfilm. Eine Hand fuhr irgendwelche Muster in der Luft nach, während er sich wieder aufrichtete. „Wie unhöflich von mir. Ich bin Jin Naphuriquales und ich wollte Ihre kleine Diskussion nicht stören. Und Sie wollen sicher gleich wissen, warum ich hier bin, nicht wahr?“ Jins Grinsen erstaunte Mark dabei inzwischen gar nicht mehr, aber der Ausdruck auf dem Gesicht seiner Großmutter umso mehr. „Da haben Sie die richtige Annahme getroffen. Also, wieso sind Sie jetzt hier und wie kamen Sie hier rein? Ich mag zwar alt aussehen, aber ich bin nicht wehrlos“, erwiderte sie lächelnd. Mark versuchte inzwischen angestrengt an der Decke irgendwelche Muster zu finden, während die beiden sich unterhielten, als ob sie aus dem vorigen Jahrhundert – oder dem vorvorigen – stammten. Den Gedanken dass das nicht einmal so unwahrscheinlich wäre, zerstörte seine Großmutter aber gleich wieder, indem sie in eine ihrer abstrusen Karatestellungen ging, die sie so liebte „Keine Sorge“, schreckte ihn eine bekannte, tiefe Stimme direkt vor sich hoch und im selben Moment erkannte er, wer da gesprochen hatte. Noch bevor er reagieren konnte, wirbelte ihn der Verrückte herum, bis er wieder in einer Umarmung landete. Er ballte eine Faust, unfähig sich frei zu bewegen, holte mit seinem Arm aus und stieß seinen Ellbogen voller Wucht nach hinten, während er leise zischte: „Lass mich los. Ich will das nicht…“ Aber Jin lachte nur und ignorierte seine Bemühungen, redete weiter, drückte nur noch kräftiger zu: „Verzeihen Sie mir das unerlaubte Eindringen, aber ich wollte – nein musste – mei…einen Freund überraschen.“ Mark überkam gerade das Bedürfnis zu knurren. „Markus hat mir schon so unglaublich viel von seiner liebsten Großmutter erzählt, die so viel Elan und Intelligenz besitzt, aber er hatte so unglaubliche Angst davor, mich vorzustellen. Also habe ich mir erlaubt, ihn ohne eine Ahnung zu überraschen. Überraschungen wären ja ohne Überraschung nicht einmal halb schon schön.“ Mark blinzelte völlig überrannt, wollte etwas sagen, doch dann hoben Finger sein Kinn hoch, zwangen ihn in die goldenen Augen zu starren, in denen viel zu viel Freude schwirrte. Zu schnell um zu reagieren, spürte er wie sich etwas Warmes näherte, sich auf seinen Lippen legte und in seine Poren kroch, sich in Windeseile über seine ganze Haut verbreitete, während dieser Blick ihn festhielt und dieses leise Feuer nur noch weiter anfachte. Er konnte es nicht mehr ertragen, schloss die Augen in der Hoffnung, dieses Gefühl, diese Verrücktheit nicht mehr zu sehen, nicht mehr zu empfinden. Doch genau in diesem Moment wurde alles nur noch realer und deutlicher, stärker. Wie im Gleichtakt stellten sich alle seine Härchen auf, durchflutete ihn das Kribbeln, drohte immer tiefer zu gelangen, nur um schließlich wie ein Wirbel durch seinen Magen zu fegen. Es wollte ihm seinen Verstand rauben, ihn zu etwas verleiten, ohne dass er eine Wahl hatte. Verzweifelt versuchte er sich gegen seinen Körper zu wehren, gegen das was er hier empfand, gegen das Gefühl das hier zu mögen. Jeder Schlag seines Herzens jedoch vertrieb seine Entschlossenheit und pumpte die Hitze in jede Pore, ließ sie anschwellen, angefacht wie vom Wind und mit jedem Moment immer mehr entzünden. Und wie das Pochen, so rauschte es in seinen Ohren im selben Takt, so langsam, leise und so ungewollt dröhnte es und wollte ihn dazu treiben, dem hier nachzugeben, dem, was nicht sein sollte. Doch jeder Schlag führte ihn weiter weg von sich, und er konnte nicht mehr lange, fiel langsam nach hinten, genoss die Wärme, die auf seinen Lippen tanzte und so sanft und lebendig über seine Lippen strich und etwas wollte. Er wusste nicht was, überlegte, aber wollte es nicht wissen. Inzwischen wanderten seine Finger ziellos, suchten mehr nach einem Halt als nach dem Ausweg, den sie finden sollten, bis sie auf etwas stießen. Weich und irgendwie bekannt war das Ding in seinen Händen, doch was es war, war egal. Sein Verstand drängte ihn etwas zu tun, schrie förmlich durch den Nebel hindurch, der ihn zu verschlucken drohte. Und mit voller Wucht zog er. Die Kälte traf ihn im gleichen Augenblick wie ein eisiger Windstoß, als die Berührung auf seinen Lippen abrupt fortgerissen wurde. Seine Zunge strich wie zur Beruhigung darüber, versuchte das Prickeln zu vertreiben, bevor seine Gedanken langsam zurückkehrten, noch immer merkwürdig entrückt und nicht ganz geordnet. Langsam öffnete er seine Augen und sah zwischen seinen Fingern goldene Haare, schaute auf ohne etwas zu tun. Das konnte nicht stimmen, war nicht richtig. Und dann traf ihn die Erkenntnis - hart. Zitternd suchte er seine Großmutter, wollte nur kurz sehen, ob seine Befürchtungen hoffentlich falsch waren, doch so viel Glück hatte er nicht. Mit weit geöffnetem Mund und aufgerissenen Augen starrte sie ihn unbewegt an und rührte sich nicht. Bei dem Anblick brachte er nur noch sinnlose Laute hervor, bevor er förmlich platzte. „Oh sch…verflucht noch mal! Das ist nicht, das ist nicht was du denkst“, wollte er sich verteidigen, diesen Alptraum beenden, schaute zu dem Dämon – denn das war Jin eindeutig – und zog an dessen Haaren. „Was hast du mit mir gemacht? Ich mag so etwas nicht, ich empfinde nicht so. Das bin ich nicht! Und wieso siehst du so aus? Was zum Henker geht hier vor?“, grummelte er so leise wie möglich, hielt sich mit zusammengepressten Zähnen davon ab, zu schreien und diesen Verrückten zu schlagen. „Vielleicht hattest du nur nicht entdeckt, was du wirklich willst. Aber schön, dass es dir so gut gefällt – es hat immerhin auch einen Wunsch gekostet.“ Jin lachte dabei laut, befreite seinen Zopf mit einer schnellen Drehung scheinbar mühelos aus dem Griff, während er die Worte so leicht von sich gab. „Einen Wu…“, wollte Mark anfangen, erschrocken, doch er kam nicht weit. Ein lautes Kichern hallte durch die Küche und brachte ihn völlig aus dem Konzept. Seine Großmutter lachte, aus ihrer Starre erwacht, wischte sich die Tränen mit ihren Fingern aus den Augen und fächelte sich mit ihren Händen Luft zu, während sie scheinbar versuchte wieder Luft zu bekommen. „Das ist so süß, Markus! Ich hätte ja nie gedacht, dass du so anhänglich bist und so viel Humor hast“, verkündete sie freudig und strahlte über das ganze Gesicht. Mark schüttelte nur den Kopf. „Aber das ist nicht, er ist nicht, es ist nicht wie du denkst…“, stotterte er halb und versuchte wieder sich aus der kräftigen Umarmung zu befreien, die ihn gefangen hielt und knurrte. Wie immer hatte er keinen Erfolg. „Ach, du brauchst es nicht mehr zu verbergen. Mein Gott, bei so einem freundlichen, netten und“, erklärte sie lachend, bis sie kurz zwinkerte, „knackigen Mann würde ich auch schwach werden. Ich wusste doch schon immer, dass irgendwo meine Gene stecken müssen und es hieß ja schon öfter, dass die eine Generation überspringen können, nicht wahr? Endlich einmal jemand, der ein wenig mehr…Geschmack hat und ihr seid ein so süßes Paar. Es konnte ja nicht jeder so borniert und konservativ wie deine Eltern sein…“, seufzte sie. „OMA!“ Er konnte gerade nicht fassen, was sie da andeutete und suchte kurz wieder Antworten auf der Decke. „Sie sind nicht konservativ und ich bin nicht schw…homosexuell. Ich liebe Barbara, ich liebe sie wirklich. Du kennst sie doch und du weißt wie sehr ich sie liebe. Jin ist einfach nur ein Verr…, ein Dsch…Ach, jemand, den ich nur flüchtig kenne.“, erklärte er ihr mit ausladenden Gesten, versuchte dabei mit seinen Ellbogen wieder den Verrückten wegzudrücken. Seine Augen rollten wie von selbst immer wieder nach oben, als das Lächeln einfach nicht aus dem Gesicht seiner Großmutter verschwand. „Wirklich!“ „Ach Markus. Deine Eltern sind so konservativ und stocksteif wie man sich nur vorstellen kann. Dein Großvater ist es auch. Irgendwann ist er eingerostet und hat jeden Elan verloren, den er einmal hatte. Wahrscheinlich zu viel Schlaf – sonst macht er ja auch nicht mehr wirklich irgendetwas anderes, der alte Langweiler. Eigentlich war er einmal der größte Revoluzer den die Welt je gesehen hat, bevor ihn diese Altersblindheit einholte. Wenn ich ihn nicht so sehr mögen würde…“, begann sie abzudriften und machte dann eine wegwerfende Bewegung. „Naja, aber ich freue mich wirklich für dich, dass du so einen Freund gefunden hast, der SO gut zu dir passt. Ein starker Mann, der dich umgarnt. Hach…“, seufzte sie und lehnte sich jetzt gegen die graubraunen Küchenkästen, die nur eine Wand bedeckten und so von dem Kühlschrank an der angrenzenden viel zu weit weg waren. „Barbara ist so nett, dass sie mir schon leid tat. Du hast nie großes Interesse an ihr gezeigt und jetzt ist mir klar wieso. Sie war nicht die richtige für dich. Du hast sie nicht wirklich geliebt. Da war kein Feuer, Markus.“ Er wollte schon widersprechen, doch sie legte ihren Finger vor ihren Mund und schüttelte den Kopf. „Und bei dem wie vehement du dich immer von Homosexuellen distanzieren wolltest, musstest du ja fast da landen“, erklärte sie ihm voller Ernst und starrte dabei die ganze Zeit in seine Richtung, das Schmunzeln nur halb unterdrückt. Völlig verdutzt blieb er einen Moment still, bevor es aus ihm herausplatzte: „WAS? Ich habe nichts gegen Schwule, aber ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Das ist nicht…also wie man so empfinden kann…ich will es nicht wissen. Und es hat nichts zu bedeuten, dass ich den Kuss schö...“ Und genau da biss er sich auf die Zunge – fest. Hätte er das ausgesprochen, hätte sich seine Großmutter nur noch mehr gefreut und das war das letzte, was er jetzt wollte. Er war nicht schwul, er war sicher nicht schwul. „Markus, du verrätst dich ständig selber. Also…“, neckte sie ihn und hielt wieder den Finger hoch, bevor sie weitersprach: „Also Jin…verzeihen Sie, aber ich habe mir ihren Nachnamen nicht ganz gemerkt.“ „Oh, das ist nicht weiter der Rede wert. Sie können mich weiterhin einfach ‚Jin‘ nennen. Und Markus meint es nicht so wie er es sagt. Er ist eben in Wirklichkeit ein wenig schüchtern und unsicher, was seine neuen Gefühle betrifft, aber nicht weniger stürmisch. Wir kennen uns zwar noch nicht so lange, aber er ist genau der, nach dem ich mein Leben lang gesucht habe: Mein Gegenstück.“ Mark musste bei diesen süßen, kitschigen Worten schlucken, wand sich in der Umarmung und murmelte nur: „Ich bin keine Flasche, in die man einen verrückten, perversen Dschinn füllen kann…“, stoppte, blinzelte verzweifelt bei dem was er gerade gesagt hatte und sprang mit einem leisen Schrei hoch, als er ein Zwicken in seinem Allerwertesten spürte. Langsam fühlte er, wie seine Wangen rot werden mussten bei den zweifelnden Blicken, die man ihm „gönnte“. Heute lief offensichtlich nichts wie es sollte und wie er wollte. „Verzeihen Sie…“, begann Jin, wurde jedoch von seiner Großmutter unterbrochen: „Ach, das war so romantisch und Markus, das war soooo schön doppeldeutig.“ Sie seufzte kurz. „Nennen sie mich doch einfach Claudia. Ich bin zwar alt, aber nicht so eingerostet und debil, dass ich unverdienten Respekt bräuchte und außerdem mag ich dich, Jin. Und da ich weiß, dass ihr beiden sicher lange zusammenbleiben werdet, bleiben wir gleich bei ‚Du‘.“ Schon wieder kam sich Mark wie im falschen Film vor und rollte mit den Augen. „Sehr gerne, Claudia. Markus ist bei mir in guten Händen, während seine Eltern im Urlaub sind und ich hoffe, dass sich bis dahin alles fügt. Ich könnte noch etwas von uns erzählen…“, bot der Dschinn an und ließ ihn jetzt endlich los. Er stolperte, drehte sich schnaubend um und wollte schon davonrennen, als er wieder das leise, fast kindliche Kichern hörte. Es war wohl doch die Welt verrückt geworden. Wütend starrte er von seiner Großmutter, die ihn eigentlich unterstützen sollte wieder zu Jin, der ihn am besten nicht einmal mehr anfassen sollte und wieder zurück, bevor er anfing sich lauthals aufzuregen: „Er ist ein Dschinn, Oma, er ist Verrückt! Ich bin nicht sein Freund und seit wann sind meine Eltern im Urlaub? Sind alle Verrückt geworden?“ Aber alles, was er erntete, was er zu sehen bekam, war das Kratzen an der Stirn und ein leiser Seufzer. „Markus, gib es doch endlich auf. Du musst mir nichts vorspielen und egal was du sagst: Man kann doch sehen, wie verliebt ihr ineinander seid. So neckt sich doch nur, was sich liebt“, erklärte sie ihm und legte ihren Kopf in den Nacken. „Genieß doch einfach die Freiheit und dass deine Eltern diesen grandiosen Urlaub bei dem Preisausschreiben gewonnen haben. Im Vorderen Orient können sie ihre konservative Ader ja auch vollends ausleben und werden mehr als glücklich sein…“ „OMA! Was zum Henker…? Bist du verr…“, fing er an zu schreien, bis eine Hand sich über seinen Mund legte. „Ich glaube wir sollten uns langsam verabschieden. Markus verträgt die Hitze nicht so gut und besonders das nicht, was wir dort gemacht haben“, hörte er mit weit geöffneten Augen und versuchte die Hand zu ergreifen, wegzuzerren. Er wollte etwas sagen… Doch seine Großmutter schüttelte nur den Kopf. „Ach, leider. Er lässt sich so gut wie nie etwas sagen und fährt immer mit dem Rad hierher.“ Jetzt zwinkerte sie wieder und er konnte nicht anders, versuchte verzweifelt in die Hand zu beißen, die ihn hielt, öffnete seinen Mund und versuchte ihn zu schließen – ohne Erfolg. „Im Übrigen hätte ich hier noch ein, zwei Zimmer frei und meinen Mann kann ich gut genug beschäftigen, damit er nicht hört, was dort vorgeht. Ich würde mich wirklich über einen möglichst stürmischen Besuch freuen.“ Sie lachte, zwinkerte und drückte sich jetzt wieder von den Kästen weg. „Also ich denke ich lasse euch Turteltauben alleine und ihr könnt ins Badezimmer oder in eines der Gästezimmer verschwinden, wo ihr so viel Lärm machen könnt, wie ihr wollt…“ Und damit sprang sie förmlich aus der Küche, drehte sich am Ausgang noch einmal um, winkte ihnen zum Abschied, bevor sie kichernd und mit einem „Wie süüüüß“ verschwand. Kapitel 3: Überraschend, Interessant? …Verrückt! ------------------------------------------------ Überraschend, Interessant? …Verrückt! Mark blinzelte wild mit den Augen und hoffte inständig, dass er sich das nur eingebildet hatte. Seine Großmutter konnte das nicht wirklich gesagt haben, oder? Aber ihre Worte waren noch viel zu deutlich in seinem Ohr, trieben ihn dazu immer wilder an dem Arm zu zerren, der ihn festhielt. Er kratzte und riss ständig stärker an den Fingern, an den Fingern, die noch immer viel zu stark auf seinem Mund lagen und sich keinen Millimeter rührten. Dabei erinnerte ihn die Wärme in seinem Rücken an etwas, lullte ihn fast ein. Der Körper hinter sich beruhigte ihn mit dieser Festigkeit, mit der Hitze, die er ausstrahlte und bot dabei doch so unverrückbar wie er war die beste Möglichkeit für Flucht an. Beinahe magisch wurde er davon angezogen, überlegte nicht mehr, sondern nutzte seine Chance. Fest entschlossen hielt er die fremde Hand fest, legte sein ganzes Gewicht in diese Bewegung, sicher, dass er gehalten wurde, nur um mit einem Mal seinen Kopf nach hinten schnellen zu lassen, und schon im nächsten Moment die kühle Freiheit auf seinen Lippen zu spüren. Er riss seinen Mund auf, wollte jubeln und sich von der Wärme wegbewegen, die er jetzt so deutlich auf seinem Rücken spürte. Doch dann schreckte ihn das laute Lachen in seinem Ohr hoch. Panisch wollte er weg, rutschte gleichzeitig mit seinen Fingern ab, stolperte, nur um dann, nur Bruchteile von Sekunden später wieder gedrückt zu werden. Wieder blinzelte er wild, verwirrt, um seine verlorene Orientierung wieder zu finden. Gefangen in einer Umarmung, die ihn so fest hielt, so eindeutig war, dass er nicht entkommen konnte und ihm nicht einmal die Möglichkeit ließ, sich zu rühren. Dabei kroch dieses verrückte Pochen langsam in ihm hoch, hallte laut und deutlich an seinen Schläfen wider und versetzten seinen ganzen Körper in Anspannung, trieb ihn immer stärker vorwärts, trieb ihn dazu etwas zu tun. Wie als Antwort raste sein Fuß hoch, bis er sein Knie berühren hätte können, hielt nur Momente an, bevor er ihn wieder mit voller Wucht auf den Boden rasen ließ, auf Jins Zehen zu – und traf nichts. Entsetzt starrte er nach unten, wo sein Fuß noch vibrierte, schmerzte. Das konnte nicht wahr sein. Gefangen von einem verrückten Perversen, während ihm selbst seine Großmutter in den Rücken fiel. Wie konnte sie nur denken, dass er schwul wäre? Er schüttelte den Kopf hin und her. Das konnte einfach nicht wahr sein, er musste etwas unternehmen… Immer drängender wurde das Kitzeln auf seiner Zunge, das Ziehen an seiner Schläfe, das ihn zittern ließ, bis er es nicht mehr aushielt und förmlich platzte. „Lass mich los, lass mich endlich los!“, schrie er, stampfte wieder und wieder mit voller Wucht auf den Boden, rammte seinen Fuß förmlich hinunter, bis der Schmerz bei jeder Bewegung aufleuchtete und seine Wut übermannte, sie langsam verblassen ließ. „Ich bin nicht Schwul, ich liebe Frauen! Ich bin nicht schwul und ich will nichts mit Männern haben, ich finde es eklig.“ Inzwischen stand er beinahe ruhig, erschöpft da, während die Wärme ihn fast umwehte und müde machte. „Wieso glaubt mir niemand, dass ich ein ganzer Mann und keine halbe Frau bin? Wieso?“, wollte er wissen, wollte sich dabei mit der Hand gegen die Stirn schlagen, doch die war noch immer gefangen in der Umarmung, die ihn schlagartig wieder zu Bewusstsein brachte. „Und lass mich endlich los, ich will, dass du mich los lässt! JETZT, JETZT verdammt!“ „Gewährt“, hörte er leise, erschrak, als genau in dem Moment die Wärme in seinem Rücken, die Stütze verschwand und er die kalte Luft um sich herum heulen hörte. Panisch riss er die Augen auf, versuchte mit seinen Händen noch nach Jin zu greifen, der schon neben ihm stand, ihn schelmisch anlächelte - doch fand keinen Halt. Mit einem lauten „AU“ auf den Lippen prallte er mit seinem Gesäß auf den Boden, während er den Verrückten noch immer anstarrte. „Hey, was sollte das? Und wieso Wunsch gewährt?“ Langsam richtete er sich wieder auf, und schnaufte, rieb sich sein schmerzendes Hinterteil, bevor er demonstrativ die Arme vor seiner Brust verschränkte und dabei versuchte, beleidigt zu schauen. „Ach, mein Gefäß“, kam wieder diese furchtbare Bezeichnung, die ihn mit den Zähnen knirschen ließ, „ein Wunsch ist ein Wunsch, egal wie er dargebracht wird. Wir wollen doch nicht so kleinlich sein und jedes Wort umdrehen, wenn es doch nur um die Bedeutung dahinter geht, oder? Menschen sagen oft das, was sie nicht meinen und meinen oft das, was sie nicht sagen. Also du siehst…“ „…dass du nichts als Allgemeinplätze verteilst“, fuhr er ihm ins Wort, stampfte die paar Schritte bis zum Dschinn und ergriff sein Hemd, das dabei anfing unter seinen Fingern zu zerfallen. Er riss die Augen auf, fühlte, wie seine Nase immer mehr juckte, als eine schwarz-weiße Farbwolke plötzlich in seine Richtung trieb, immer mehr drückte, bis er nicht mehr konnte. Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch wurde sein Kopf nach hinten gerissen und im nächsten Moment verschwamm die Welt in einem Nieser. „Nun, dafür kommt aus meinem Mund die Wahrheit. Nicht so wie bei Dir, der du nicht zugeben willst, was du schon weißt, fühlst…“, gelangte das Flüstern leise an sein Ohr, wollte ihn reizen, während etwas durch sein Haar strich, ihn anfing zu beruhigen. „Gib dich mir hin…“ „Was ich nicht…“, wiederholte er die Worte noch einmal, redete, bis die Bedeutung in sein Bewusstsein drang, alles in Rot unterging und er losbrüllte. „Mich dir HINGEBEN?“ Seine Arme schnellten zurück, als ob vor ihm eine glühende Hitze herrschte; er riss die Augen auf. Sein Herz pochte wild, bis es beinahe bis zu seinem Hals schlug, während er sich gehetzt umschaute. Verzweifelt suchte er nach einer Lösung, nach einem Ausweg, wollte nur noch von hier weg, egal wohin, und sah etwas. Mit einem Satz sprang er davon und stürmte los. Begleitete von einem schallenden Lachen, das hinter ihm immer lauter wurde, rannte er so schnell er konnte vorbei an den Kästen, hielt sich an der Wand fest, als er förmlich um die Kurve stolperte und das Adrenalin mit jedem Schritt, jedem Sprung nur so durch seinen ganzen Körper fegte. Jeder Schritt verstärkte das Klopfen in seinem Hals nur noch mehr, den Trieb, die Schnelligkeit, das Ziel vor Augen. Da vor ihm war es, war die Rettung, die Tür zur Außenwelt, die noch normal sein musste. Immer schneller und schneller wurde sein Atem, sein Puls, bis er endlich die Tür erreichte und sie aufriss. Zumindest wollte er es. Verzweifelt zerrte er daran, drückte sie immer wieder hinunter und fluchte laut, als sie sich keinen Millimeter rührte und sich ihm wie ein Bollwerk entgegenstellte, während das Gefühl beobachtet zu werden beharrlich stärker wurde. Das Lachen wurde immer lauter, kam ständig näher. „Scheiße!“ Mehr bekam er nicht heraus. Panik war das einzige, was ihn noch beherrschte. Gefangen in diesem Gang hier, schaute sich um und sah hinter sich den Dschinn. Wild zerrte er noch einmal vergeblich an der Tür, schlug mit seinem Fuß wütend dagegen, bevor er sich wieder umwandte und in die Richtung stürmte, aus der er gekommen war. Die Tür rechts, noch vor der Küche war genauso verschlossen, genauso unverrückbar geschlossen wie die zur Außenwelt und er fluchte nur noch lauter, stürmte weiter, das Lachen viel zu nah und immer da. Seine Beine bewegten sich so schnell, wie sie konnten, wie er konnte, trieben ihn in das Wohnzimmer, das gleich nach der kitschigen Wandvertäfelung offen da lag, bis er voller Hoffnung einen der beiden Ausgänge aufreißen wollte – und erstarrte. „SCHEISSE!“, brüllte er wieder, als sich nichts bewegte. Panisch fuhr er um; sein Nacken kratzte förmlich unter dem Gefühl beobachtet zu werden. Und da stand er, sein Alptraum mit der lächerlichen Kleidung und lächelte zufrieden, fing an zu sprechen: „Du kannst mir nicht entkommen, mein Gefäß. Ein Wunsch gegen einen Wunsch…“, nur um sich dabei wie eine Katze auf ihn zuzubewegen. Unfähig klar zu denken, gehetzt und nur noch mit einem einzigen Gedanken beseelt, beseelt davon fliehen zu müssen, sagte er nichts, stürmte einfach in Richtung Treppen. Schwer atmend hetzte er sie hoch, immer verfolgt von den Worten, die in seinem Kopf widerklangen und nicht verschwinden wollten, dem Gefühl verfolgt zu werden. Er raste von Tür zu Tür, griff jedes Mal mit der Hoffnung endlich einen Ausweg zu finden auf die Klinken und verzweifelte jedes mal wieder, wurde immer panischer. Nach jedem gescheiterten Versuch tauchte der Irre hinter ihm auf, lachte und trieb ihn weiter, ließ ihm keine Zeit für Gedanken. Seine Hände zitterten inzwischen nur noch wild, Schweiß stand ihm im Gesicht, klebte Haare über seine Augen, als er am Zimmer seiner Mutter stand, kurz den Kopf drehte und den Dschinn inmitten seines Fluchtwegs entdeckte. Ausweglos. „Bitte, Bitte, geh auf!“, flehte er den Griff an, schloss die Augen und drückte hinunter – und fiel vor Erleichterung fast um. Sie öffnete sich. Mit einem lauten Seufzer stürmte er in den Raum, schlug die Tür hinter sich mit einem lauten Knall zu und lehnte sich dagegen, erschöpft. Endlich war er entkommen, endlich in Sicherheit. Erleichtert atmete er auf, fühlte, wie es noch wild in seinen Ohren pochte, langsam immer dumpfer wurde und er seinen Kopf gegen das Holz abstützte. Seine Gedanken kreisten wieder um die verfluchten Worte, um die Behauptungen, dass er homosexuell wäre, bis alles bei dem nächsten Geräusch auf einen Schlag stoppte. „Ich glaube das sollten wir öfter machen“, schreckte ihn die furchtbar angenehme Stimme aus seiner Entspannung hoch. Er riss die Augen auf, doch der Rest seines Körpers bewegte sich wie in Zeitlupe, viel zu müde, um noch anständig zu reagieren. Ein letzter Griff zur Tür gelangt ihm noch, zur Tür, die sich kein Stück rührte, nur um sich dabei im nächsten Moment wieder gefangen in den Armen des Dschinns vorzufinden. Alles war so schnell gegangen, alles drehte sich noch immer um ihn herum und er murmelte, stammelte: „Nein, Nein…“, kratzte dabei weiter an dem Griff unter seinen Fingern, bevor seine Hände gelöst wurden und er einen grausam sanften Kuss auf seinem Hals spürte. „Doch. Du rufst geradezu nach mir, verführst mich mit der Jagd und mit deinem erotischen Ausdruck dabei - den geröteten Wangen, dem schnellem Atem. Vielleicht sollte ich dieses eine Mal gegen meine Prinzipien verstoßen und dir das geben, was du doch in Wirklichkeit willst. Das, was du so vehement leugnest…“, hauchte ihm Jin ins Ohr, vertrieb damit die Müdigkeit wie mit einem schmerzhaften Schlag. Genau in dem Moment bemerkte er, wie er sich dem Bett näherte, immer näher hin geschoben wurde an das Grauen aus rosa Herzkissen. „Nein, lass das!“, schrie er zwischen den vergeblichen Versuchen sich mit seinen Händen einen Weg in die Freiheit zu bahnen, die um ihn geschlungenen Arme zu lösen. Wieder und wieder rammte er seinen Fuß nach hinten, nach vorne, um sich dagegen zu wehren – ohne Erfolg. „Zum Henker noch mal, LASS MICH LOS!“, brüllte er, aber der Wunsch wurde nicht erfüllt. „Verdammt, lass mich endlich los! Ich wünsche es mir!“ Wieder nichts. Und dann fühlte er schon den Schubs, der ihn auf das weiche Bett beförderte, landete auf dem Mädchentraum, drehte sich wütend um. „DU…!“, brachte er zwischen zusammengepressten Zähnen stoßweiße heraus, stierte regelrecht in Richtung des Perversen. „Hm?“, war die Antwort viel zu nah, der Dschinn mit einer eleganten Bewegung direkt über ihm, Finger auf seinem Arm, „Wünsche sind einzigartig. Sie werden nicht zweimal erfüllt…“ Inzwischen wehten Mark einzelne dieser goldenen Haare ins Gesicht, konnte er den Atem des Irren spüren, der seine Wut wieder vertrieb und sein Herz zu einem allumfassenden Pochen machte. „Was?“, sank es langsam immer tiefer, die Stimmung angespannt, sein Hals ein einziger Knoten. „Was? Ich…was…du kannst doch nicht dauernd die Regeln ändern, zum Henker noch mal. Das…“ Er schluckte, versuchte es, als ihm die Gedanken für die Worte ausgingen. Wärme vertrieb sie, wurde angestachelt von dem Blick, der auf ihm ruhte und ihn verrückt machte. Ohne eine Wahl schauderte er, als ein Hauch über sein Ohr fuhr, von Worten verfolgt wurde: „Ich erfinde nichts dazu, mein Gefäß, mein Mark. Wenn du aufhören würdest dich gegen alles zu wehren, würde vielleicht dein Denken wieder klarer werden, dein Verstand arbeiten und du sehen, was hier passiert…“ Jetzt brodelte wieder etwas in ihm hoch, brachte ihn zum knurren. Sein Kiefer zitterte, als er das nächste fast ausspuckte: „Mein Verstand? Du bist hier derjenige, dem Verstand fehlt, verdammt! Wünsche erfüllst du nur, wenn es dir passt und wie DU sie interpretierst. Ich bin nicht schwul, zum Henker noch mal und ich will nicht schwul werden!“ Seine Stimme wurde mit jedem Moment immer höher, immer lauter. „Ich zeige dir, wie gut ich denken kann: Ich wünschte, du würdest verschwinden! Ich wünschte ich hätte dich nie getroffen, hätte den Kühlschrank nie geöffnet! Wünschte, ich hätte dich nie befreit! Ich wünschte du würdest…einfach weg sein! Verschwinde, Verschwinde, Verschwinde!“, schrie er mit geballten Fäusten, die Augen starr auf das unbewegliche Hindernis gerichtet. Immer drängender betete er, dass dieser Alptraum ein Ende fand und wieder Normalität wurde, das Jucken auf seiner Brust endlich aufhörte. Doch mit jeder Sekunde, jeder Minute, die still verging und in der nur ein kurzes Flackern die Welt veränderte, zerbrach die Hoffnung immer mehr, so schnell wie er es nicht sehen wollte, nicht wissen wollte. Tränen in den Augen, verzweifelt, zerrte er die Hand von seinem Arm, sprang auf, lief zur einzigen Tür, die noch da war und riss sie auf. Nur die gelben Kacheln, der riesige Spiegel der mit violetten Herzen umgeben war und der ihn magisch anzog, machten das Bad zu einem Hort des Grauens, der perfekt zu dem passte, was gerade vorging. Er zitterte, schaute sich um und fühlte, wie eine Träne anfing sich ihren Weg nach unten zu kämpfen. Wild blinzelnd drängte er sie wieder zurück, bewies etwas damit, ohne dass er sich besser fühlte. Wieso konnte er nicht entkommen? „Du kannst nicht vor mir fliehen, mein Gefäß“, kam der Urteilsspruch, der ihn beinahe umwarf, die Hand, die ihn wie pure Hitze berührte. „Sieh es dir an, sieh dir das Zeichen an!“, und damit drehte ihn der Dschinn um, zog das Hemd hinunter, riss es halb auseinander und offenbarte etwas, was er nicht wahr haben, nicht sehen wollte. Ungläubig blinzelte er, schüttelte den Kopf, blinzelte wieder, doch das Bild vor ihm änderte sich nicht, selbst als er es mit seinen Fingern berührte. Verheilte Narben bewegten sich unter seiner Hand, bildeten die Linien für dieses furchtbare Bild. „Nein…verschwinde! Ich will das es verschwindet!“, brachte er immer panischer hervor, kratzte dabei an dem Tattoo, das sich kein Stück bewegte, selbst über die roten Striche triumphierte und ihn zittern ließ. Immer klarer wurde das Bild von den vier ineinander verschlungenen Kreisen, so perfekt symmetrisch angeordnet, dass sie in ihrer Mitte ein Auge bildeten das ihn anstarrte. Jedes Mal, wenn sich die blaue Pupille auf dem merkwürdig goldenen Grund bewegte, verschwamm alles, weiteten sich die Kreise gleichzeitig im Takt. Nur die verschlungenen Fortsätze blieben immer gekreuzten Stäben gleich, so dass alles wie ein krankes, lebendes Wappen wirkte. „Nein, das…“, stammelte er wortlos vor sich hin, wie gebannt von dem was da auf seiner Brust fast zu leben schien und wich einen Schritt zurück, landete in den Armen des Dschinns, des Verursachers all dessen. Mit voller Wucht brach die Wut über ihn herein, ließ ihn den Schrecken vergessen. Er schnaufte, drehte sich ruckartig um und ergriff die Bänder, die sich auf der Brust kreuzten, versuchte Jin zu sich hinunterzuziehen. Doch wie immer zerfielen diese verfluchten Fäden unter seinen Händen, erstanden gleich wieder neu und ließen ihn nur noch schnaubend zurück. „Verdammte Scheiße! Mach es weg, lass es verschwinden! Ich will, ich wünsche mir, dass dieses verfluchte Ding verschwindet! SOFORT!“ Die Hände in einer verzweifelten Geste verkrampft, fuhr er mit seinen angespannten Fingern über das Tattoo, zeigte darauf, wie um es noch deutlicher zu machen. Doch das Lächeln, das auf Jins Gesicht erschien, brachte ihn dazu schneller zu atmen, in Erwartung der bösen Überraschung, die kommen musste. „Ein Wunsch der einmal gewährt wurde, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Wäre doch auch schrecklich, wenn etwas so einzigartiges zerstört werden würde, nicht wahr? Und außerdem habe ich endlich gefunden, was ich nie gesucht habe und doch immer wollte. Ich werde es nie wieder hergeben …“, hörte er diesen perversen Irren beinahe belehrend vortragen. „WAS?“, schrie er zwischen den kleinen weißen Punkten vor seinen Augen hindurch, zitterte angespannt, verkrampft. Seine ganze Wut kochte mit einem Mal über und damit zerbrach jede Beherrschung schlagartig. Seine Finger krallten sich in den langen Haaren fest, zerrten mit voller Wucht daran, bis das Lächeln ihm schon so nah war, dass er die Faust ballen musste, um nicht zuzuschlagen. „Wie viele Regeln noch? Du BIST ein elender Lügner, zum Henker noch mal! Immer wenn es dir passt, entwirfst du neue Regeln, erfindest etwas und lässt mir keine Möglichkeit zu entkommen!“, presste er zwischen seinen Zähnen hervor, schnaufte dabei immer lauter und zog ihn dann noch näher an sich heran, fühlte den Atem schon. „Jedes Mal wenn ich etwas wünsche verdrehst du es und wenn ich mir nichts wünsche, dann ‚interpretierst’ du etwas hinein. Jedes Mal, jedes verdammte beschissene Mal! Und dann sagst du, Oma könnte dich nicht sehen und plötzlich sieht sie dich als eine Art Supermodel und am Ende bin ich der Dumme, der dich nicht los wird und schwul sein soll. Und Oma ist…Herrgott verdammte Scheiße. Wieso passiert das mir? WIESO?“ Sekunden starrte er den Dschinn noch wütend an, suchte nach einer Regung, nach irgendetwas, das nicht und nicht kam und anfing alles bröckeln zu lassen. Alle Kraft, aller Zorn fing an zu verrauchen, ließ ihn schwach und müde zurück, nur noch ein Funken an Gedanken da, die ihn treiben wollten. Verzweifelt schüttelte er den Kopf, hielt die Tränen zurück, die er so hasste. „Markus“, schreckte ihn die beruhigende Stimme hoch, zeigte ihm ein noch deutlicheres Lächeln, Finger, die seine Wange berührten und zu seinen Lippen wanderten, „du hast die Aura, doch heute hast du den Duft verströmt, so süß und unwiderstehlich. Dein Körper hat mir nicht nur verraten, wo deine Interessen liegen, er hat sie mir förmlich entgegen geschrien und mich angelockt. Du kannst dich so sehr dagegen wehren wie du willst – du wirst es nicht mehr ändern, dass du mehr als nur Frauen lieben kannst.“ Er wollte etwas sagen, entgegnen, doch die Finger lagen noch immer über seinen Mund, hielten ihn fest verschlossen, genau wie die Müdigkeit, die alles betäubte. „Und ich lüge nicht, mein Gefäß, mein Liebling“, fuhr der Dschinn fort, blies damit alles wieder fort und zwang ihn zu einer Reaktion. Er platzte förmlich: „Lie…LIEBLING? Ich bin doch…ich…und...ich bin nicht schwul! Hör auf mich so zu betiteln!“ „Oh, mein Markus, du bist was du bist, aber zurück zu meinem Punkt: Ich lüge nie, du fragst nur einfach nicht. Nimm dir doch die Zeit mich besser kennen zu lernen – gerne auch sehr körperlich – und finde einen Weg mit mir auszukommen, denn los wirst du mich nicht mehr, ohne mich zu töten. Und ich will doch hoffen, dass deine Aura dort ebenfalls die Wahrheit über dein friedliches Wesen verriet, nicht wahr?“, hörte er das letzte gerade, als er mit einer schnellen Bewegung den Halt auf dem Boden verlor und über der Schulter des Perversen landete. Ein paar Mal blinzelte er ungläubig, bevor seine Hände, die noch immer die Haare hielten, kräftig daran zogen, bis sie unter seinen Fingern wieder zu einer Staubwolke zerfielen und sich gleich wieder zusammensetzen. Es war deprimierend ohne Ende, keine Möglichkeit den Dschinn anzufassen, wenn er wollte und jedes Mal wieder den dummen Bemerkungen ausgesetzt zu sein, die ihm einen Mangel an Ideen vorwarf. Genau in dem Moment hob sich der Vorhang vor seinem Geist und er konnte nicht mehr anders, als über das ganze Gesicht zu strahlen. „Ich wünschte mir, ich könnte dich immer anfassen – wenn ich wollte – ohne, dass du zu Staub zerfällst oder dich in Luft auflöst!“, flüsterte er triumphierend ins Ohr seines Dschinns und grinste noch immer, selbst als er auf dem Bett landete und ihn über sich sah. „Gewährt“, kam die Antwort nur Sekunden später, als Jin auf das Bett stieg und seinen Kopf so perfekt in Position brachte. Er konnte einfach nicht anders. Schnell ballte er seine Faust, drückte seinen Ellbogen in die Matratze, nur um dann mit dem ganzen Körper hochzuschnellen. Sein Arm raste gleichzeitig vorwärts, der Impuls wahnsinnig; seine Faust flog beinahe durch den Raum, prallte mit einem lauten Knacken gegen die Oberfläche und vibrierte durch seinen ganzen Körper, krachte schmerzhaft gegen einen Kiefer. „Jaha…es funktioniert…AU!“, schrie er begeistert, ließ sich mit einem verträumten Blick ins Bett fallen, schüttelte dabei seine schmerzende Hand und genoss das Gefühl der Aufregung, das durch ihn strömte. „Wobei…irgendwie…“ „Irgendwie hat sich das nicht ausgezahlt? Habe ich nicht Recht, Markus?“, fragte, nein beschloss Jin mehr. Finger auf seiner Brust drückten Mark hinunter, während der Dschinn auf seinen Beinen saß und ihn so festhielt. Dabei sah er viel zu selbstsicher aus, viel zu glücklich. Mit einem Kopfschütteln berichtigte er mehr als zufrieden: „Nein eigentlich irgendwie schade, dass ich das nicht noch mal machen werde. Ich bin wohl zu nett und außerdem tut meine Hand verdammt weh. Wer kam jemals auf die verblödete Idee, dass das intelligent wäre? Aber DU bist aber immer noch ein Verrückter, der…“ „Hm, damit wäre wenigstens der erste Schritt in Richtung Erkenntnis deiner wahren Natur getan“, reizte ihn sein Dschinn wieder und näherte sich viel zu schnell mit seinen Lippen den seinen, die goldenen Augen direkt auf ihn gerichtet. Mit jedem Millimeter pochte sein Herz schneller, brachte seine Wangen sicher dazu rot zu glühen und etwas weiter unten dazu, ganz leise seine Existenz in Erinnerung zu rufen. Leise, unheimlich fing es an in seinen Ohren zu rauschen, einem Wasserfall gleich, der immer lauter wurde und alles überdeckte, das Ziehen seiner Haut, die Hitze in jeder Pore zu untermalen. Sein Mund öffnete sich ein paar Mal, ohne einen Ton herauszubringen, ohne einen Laut der Gegenwehr zu schaffen, bis er die Hände in den Haaren festkrallte, die Lider schloss – halb in Resignation, halb in Erwartung. Ein sanfter Hauch noch war zu spüren, bevor ihn Kälte traf. So abrupt wurde alles weggerissen, dass er seine Augen aufriss und fast beleidigt war, als Jin ihn nicht mehr anschaute. „Oh…“, lenkte eine viel zu bekannte Stimme seine Aufmerksamkeit auf die Tür, in der jetzt – seine Großmutter stand. „Oh…scheiße“, ergänzte er völlig verdutzt, blinzelte wilder und wilder. „Es…äh…es…ist…ähm…“ „Oh wie SÜÜÜÜÜSS!“ Mark zuckte bei dem hohen Laut, dem halben Gekicher zusammen und suchte verzweifelt nach dem Einzigen, der hier gerade wie ein Hort von Normalität wirkte. „Hast du…?“, stellte er die Frage, bemerkte nur noch halb den leicht verrutschten und halb geöffneten Anzug, den Jin wieder anhatte und versuchte dabei seine Großmutter zu ignorieren, die gerade beide Hände vor ihren Mund schlug und dabei weiter wild kicherte. Die Antwort kam so stoisch, so unbegeistert, wie er fast erwartet hatte: „Nein.“ „Oh, tut mir wirklich leid“, fing sie jetzt ein wenig normaler wieder an, während sie sich mit ihren Händen Luft zufächelte, „ich wollte euch wirklich, ganz ehrlich nicht stören und lasst euch von mir nicht unterbrechen. Nur merkwürdig, dass du dir gerade dieses kitschige Zimmer ausgesucht hast…“ „Unterbrechen? Es ist nichts…ich bin nicht schwul Oma und er ist auch nicht mein Freund, zum Henker noch mal!“, brachte er zwischen Seufzern und mit nach oben rollenden Augen heraus, ohne Hoffnung, dass ihm jemand glauben würde. „Oh, sicher ist nichts passiert – leider. Es tut mir auch wirklich leid, dass ich nicht mehr gesehen habe – nicht, dass ich das hätte wollen. Aber mein lieber Markus, du musst jetzt nicht beleidigt spielen, nur weil ich dich bei dem hier unterbrochen habe. Bei diesem Prachtkerl wäre ich da wohl auch sehr böse. Und du leidest wahrscheinlich an Entzug bei dem wie lange du deine wahre Ader unterdrücken musstest und ich bin nicht deine Mutter, also keine Sorge…“ Sie strahlte dabei über das ganze Gesicht und drehte sich schon zum Gehen um, bevor sie wieder stoppte. Ihr Grinsen wurde noch breiter – wenn das noch möglich war. „Und viel Spaß euch beiden. Ich glaube ich muss jetzt ein paar Recherchen machen und…hach, ist das süß. Du bist so ein Glückspilz mit deinem exotischen Freund, der dich auf Händen trägt, dich in den Himmel hebt. Ich wusste schon immer, dass du lieber nimmst, als gibst. Hach…“, seufzte sie glücklich. Mark blinzelte bei den Worten mehrmals, blinzelte noch immer, als sie aus dem Zimmer verschwunden war, unfähig zu verstehen, was sie gesagt hatte. Vielleicht ihr Alter, das sie verrückt machte? „Was…?“, wandte er sich nach gefühlten Minuten an Jin, biss sich dann auf die Zunge. Er hatte die ganze Zeit über den Dschinn als normal angesehen. Hatte er jetzt schon den Verstand verloren? „Oh, du bist noch normal, so normal wie du eben bist – keine Sorge. Und du willst eine Übersetzung? Ich denke deine roten Wangen gefallen mir.“ Jetzt lächelte er ihn an, strahlte beinahe, strich über sein Tattoo und stand dann langsam auf. Mark war verwirrt. „Was…?“ „Ich mache nur Platz. Und die Übersetzung wäre folgendermaßen: Sie findet mich grandios, exotisch und wusste schon immer, dass du nicht nur homosexuell bist, sondern noch dazu eine Vorliebe dafür hast, nicht einzudringen, sondern eindringen zu lassen…“, erklärte ihm der Dschinn rätselhaft und brachte ihn dazu, die Augenbrauen fragend zusammenzuziehen. „Wenn ich noch expliziter werde, werden wir hier nicht-jugendfrei. Aber weil du es bist: Mein kleiner Dschinn in deinem ganz kleinen After…“ Und damit brach Jin in ein tiefes, ehrliches Lachen aus. „WAS?“, fiel der Groschen mit einem lauten Knall. Und fiel hart. Mark stammelte, setzte sich mit einem Ruck auf. „Ich bin nicht schwul und ich bin kein Mädchen!“, schrie er wütend, sprang wie gestochen auf und fuchtelte mit seinen Händen in der Luft herum. „Ich bin nicht…OMA!“, rief er und stürmte blind und ohne nachzudenken hinaus, rannte von einem Zimmer zum nächsten, hinunter, um sie zu finden, um aufzuklären, was das sollte. Er konnte das nicht so stehen lassen. Auf keinen Fall, niemals. Gerade riss er die letzte Tür, den Ausgang, auf, dachte an etwas anderes, und zuckte panisch zusammen. „Was schreist du denn so, Markus, mein Liebling?“, schreckte sie ihn grinsend hoch, ein Rhabarberblatt in der Hand und ließ ihn mit offenem Mund da stehen. „Reg dich doch nicht so auf, nur weil ich die Wahrheit gesagt habe. Ich weiß ja, dass deine Eltern stockkonservativ sind und du das niemals zugeben dürftest. Irgendwelche verqueren Vorstellungen von Männlich und Weiblich und dieses vermaledeite Vorurteil, dass Frauen schwach wären und beherrscht. Und keine anständigen Sexpraktiken, kein Interesse an Neuem und keinen Schimmer von Physiologie. Was habe ich nur bei meiner Tochter falsch gemacht? Pfff…“ „Was? Aber das ist...ich bin nicht…“, stotterte er ohne zu wissen, was er sagen wollte, bis er wieder Arme um sich fühlte. „Wie wäre es, wenn du dich mit mir schlafen legst?“, hörte er ein Flüstern leise, gehaucht. Er riss die Augen auf, drehte den Kopf schmerzhaft schnell nach hinten und schrie dann förmlich: „Ich schlafe nicht mit dir!“ „Sei nicht so eingeschnappt Markus. Ich komme auch sicher nicht mehr in dein Lieblingszimmer und störe euch – zumindest nicht in nächster Zeit. Du kannst doch Jin nicht dafür leiden lassen…ich möchte ja noch Enke…naja, nicht wirklich. Ich finde euch beide so herzig.“ Worauf seine Großmutter laut loslachte, ihm das Rhabarberblatt in die Hand drückte und dann dann Kopfschütteln in den Garten rannte. „Und verwöhn deinen orientalischen Prinzen anständig Markus! Ich lasse dich die nächsten Tage nicht aus den Augen…!“ „WAS?“, stammelte er sinnlos und schüttelte nur noch den Kopf. „Ich mag sie…“, waren die letzten Worte, die er von Jin an diesem Tag hörte, als er wieder in Richtung Haus gezerrt wurde. „Neeiheein…!“ Kapitel 4: Ups? --------------- Ups? „Gefahr, Feind, Gefahr…weg, weg…“, fiepsten die zarten Stimmen wieder und wieder und drangen selbst durch die Hände an seine zugehaltenen Ohren. Sein Blick schwenkte von alleine zum Ursprung des Lärms, zu dem kahlen Fleck Erde zwischen dem Urwald aus Gras, Blumen und Kräutern, der halb aufgewühlt hervorstach. Die Schaufel, die dort lag, mit der er eigentlich weiter Löcher für die Kräuter neben sich hätte anlegen sollen, glitzerte auf dem braunen Grund und half ihm nicht gerade dabei, die Geräusche zu ignorieren. Als wieder dieses hohe „Gefahr!“ erschallte, seufzte er nur noch, drehte seine Augen genervt Richtung Himmel, der ihn gleich mit der viel zu hellen Sonne strafte. Mark knurrte verzweifelt: „Ruhe…RUHE!“, bevor er sich der Quelle des Dauerlärms zuwandte. Die sich windenden orange Würmer schienen ihn vorwurfsvoll anzustarren, während sie sich langsam über den Boden wanden und ihre Köpfe – zumindest nahm er an, dass es das war - immer wieder in die Erde bohrten. „Ihr könnt nicht sprechen, hört ihr mich!“, erklärte er ihnen vorwurfsvoll, doch sie reagierten nicht, glitten nur weiter über den aufgewühlten Grund. Und dann hörte er das leise Lachen, das ihn schon die letzten Tage so oft an den Rand der Verzweiflung getrieben hatte. Wütend drehte er seinen Kopf bis zur Wurzel allen Übels, schluckte einmal kräftig, deutlich, um seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen, ignorierte den halben Knoten. Wie jedes Mal fühlte er ganz kurz diese Hitze, die aufglomm, seine Wangen hoch kroch und die er mit aller Gewalt unterdrückte. So schnell er konnte trieb er sie zurück, besiegte die Gefahr Jin zu sehr zu mögen und ihm nachzugeben, mehr von ihm zu wollen als er sollte. „Du…“, regte er sich mit ausladenden Gesten auf, deutete auf die Regenwürmer neben sich, die weiter fiepsten und einfach nicht verschwanden, nicht verstummten, „du hast diese Katastrophe wieder zu verantworten, oder? Regenwürmer können NICHT reden, zum Henker noch mal. Und jetzt hör endlich auf so zu grinsen!“ Es war einfach unglaublich, wie sehr Jin sich amüsierte, wie sehr er sich schon wieder freute, während er hier diese furchtbaren Geräusche ertragen musste. Mark schüttelte wieder den Kopf. Scheinbar seelenruhig starrten ihn diese goldenen Augen an, nach den wenigen Tagen, in denen er es mit seinem Dschinn aushalten musste, schon viel zu bekannt. Und dann regte sich etwas. Eine Hand schoss in seine Richtung, er zuckte zusammen, doch zu spät. Schon hatte sie seine Haare erreicht, blieb dort und strich langsam darüber. Das Lächeln in dem perfekten Gesicht vor ihm wurde nur noch deutlicher, bevor endlich eine Antwort kam: „Du wolltest wissen, was hier wohl noch unter der Erde verborgen liegt. Aber keine Sorge: Ich dachte mir schon, dass dieses Vergnügen nur von begrenzter Dauer sein würde und habe es deswegen auf zwei Stunden begrenzt.“ „Gefahr…“, erklangen wieder die dünnen Stimmchen und er konnte nicht anders, als wieder mit den Augen zu rollen. „Zwei Stunden? Bist du wahn…ach, warte. Das muss ich nicht fragen und Regeln sind ja nur dazu da, um gebeugt zu werden, nicht?“, seufzte er nur noch, fixierte seinen Dschinn mit seinem Blick, schnaufte bevor er die Schaufel wieder in die Hand nahm und das Ding mit voller Wucht in den Boden rammte. „AHHHHH!“, kam ein markerschütternder Aufschrei fast wie bestellt, gellte grausam in seinen Ohren wider. Er zuckte erschreckt zurück, starrte hilflos und murmelte ein „Entschuldigung“, zog die Schaufel mit einem Ruck aus dem Boden und blinzelte bei dem Anblick, der sich ihm bot. Ein Wurm wand sich, geteilt in zwei Hälften, und wimmerte „Au…Au…“. Der Ton war furchtbar, stach fast und er spürte wie sein Magen anfing sich ein wenig zu bewegen, bis er schluckte und den Kopf schüttelte. Entschlossen bohrte er die Schaufel diesmal sanft in den Grund, hob die Erde damit hoch und schüttete sie mit abgewandtem Blick auf den Wurm. „Aus den Augen aus dem Sinn“, versuchte er sich zu beruhigen und den Knoten hinunterzuschlucken, „…aber ich wünschte der Wurm würde das überleben.“ Kaum geflüstert, riss er seine Augen schon auf und biss sich auf die Zunge, richtete seinen Blick entsetzt auf Jin, der nur noch zufriedener wirkte. „Nein, nein…so meinte ich das nicht!“ „Oh doch, Mark. Aber ich mag dich, und deswegen…“ Und damit ging ein ganzer Schauer an Blüten über ihn hernieder und als er diesem Schauspiel zum Ursprung folgte, sah er, wie Knospen auf dem Baum über ihm sprießten, aufgingen und schließlich zu ihm hinunter segelten. Während sie noch fielen, verknoteten sie sich, setzten sich in seinem Haar fest und gingen selbst mit viel Schütteln nicht freiwillig herunter. Verzweifelt fuhr er sich mit der Hand durch seine Strähnen und klaubte eine Blüte nach der anderen heraus, zog die Stängel hinaus, die sich fest um sie geschlungen hatten und seufzte nur noch. „Wieso…Wieso immer ich? Ich bin kein Mädchen, verdammt. Und ich werde nicht mit dir schlafen – auch wenn ich vielleicht ein klein wenig merkwürdig auf dich reagiere“, flüsterte er das letzte so leise, dass nur er es hören konnte und gab schließlich auf, die eigenartigen Blumen aus seinem Haar zu zupfen, ließ seine Hände fallen. „Sinnlos…wie immer“, murmelte er und fing wieder an Löcher auszuheben, die Stimmen der Regenwürmer und den Blick in seinem Rücken zu ignorieren, der ihn so merkwürdig kitzelte. Vielleicht half das ja doch. „Mein lieber Mark, nichts ist sinnlos. Du hast es immerhin innerhalb der vier Tage geschafft, dass ich dich nicht mehr ‚mein Gefäß‘ nenne“, zerstörte Jin seine Hoffnungen auf ein wenig Ruhe, versuchte ihm das ernsthaft zu erklären und trieb ihn damit dazu, all seine guten Vorsätze zu vergessen. „Mich so zu nennen war ja auch mehr als der Gipfel. Ich bin kein Gefäß, kein Ding und was zum Henker habe ich sonst noch erreicht? Dich loswerden?“, dabei schnaufte er, schwang seine Hände in Richtung Himmel und drehte die Augen gleich mit, schüttelte den Kopf verzweifelt. Bemüht ignorierte er das immer gleiche Lächeln, das sich auf dem Gesicht seines Dschinns abzeichnete und der seelenruhig mit seinem furchtbar eleganten Anzug in diesem Urwald aus Gräsern vor ihm saß. Er holte noch einmal tief Luft, ignorierte das Zwitschern der Vögel und die Angstschreie der Regenwürmer und fühlte es förmlich aufsteigen, fühlte den Drang. Einem Vulkan gleich brach es aus ihm heraus: „Verdammt nochmal, ich wache jeden Morgen mit dem Gefühl auf, dass mich irgendetwas streichelt und habe dezente Hoffnungen, und was sehe ich dann?“ Erbost versuchte er die Rötung in seinem Gesicht zu unterdrücken, die von seiner Wut kommen musste. „Du, du und nichts als du. Ständig hängst du auf mir, streichelst etwas und mir wird auch noch warm. Und damit nicht genug. Oma macht eigenartige Bemerkungen, als ob…als ob sie verrückt wäre!“ Verzweifelt griff er in Richtung der Unbeweglichkeit vor sich, ergriff das reinweiße Hemd, das sich unter seinen Fingern so gewohnt anfühlte und blinzelte wild, bevor er Wort um Wort herausschleuderte: „Und jedes Mal wenn ich fliehen will, hält mich gerade meine verrückte Oma – natürlich unterstützt durch ihre ‚große Perversigkeit‘ hier“, dabei zeigte er auf seinen Dschinn, „auf, mein Rad fällt auseinander und die Busse haben Störungen. Als ob sich alle Welt gegen mich verschworen hätte. Grandios…“ Und dann bemerkte er es. Viel zu nah war er Jin, viel zu nah. Die Lippen, die so ehrlich lächelten, die strahlenden Augen schienen ihn beide in ihren Bann zu ziehen. Er öffnete den Mund langsam, die Augen brennend, bis wieder ein Funken seines Gehirns, das diesmal in seinem Kopf weilte, ihn aus seiner Trance riss. Erschreckt ließ er los und hob wieder die Schaufel auf, die so praktische Beschäftigung für seine Finger bot. „Was muss ich nur tun, um dich loszuwerden?“, murmelte er leise und erwartete wieder dieselbe Antwort wie immer – die nicht kam. Anstelle dessen kam das zweitschlimmste auf der Welt: „Wieso willst du ihn loswerden, Markus?“ Sein Kopf knackte förmlich, als er ihn ruckartig drehte, seine Großmutter mit dem inzwischen typischen Rhabarberblatt in der Hand sah, das sie wie einen Fächer hin und her schwang. „Ähm…ähm…was?“, konnte er nur noch verwirrt von sich geben, umgeben von den beiden, die ihn in den letzten Tagen so oft zur Verzweiflung getrieben hatten. „Ich mache mir langsam Sorgen, Markus. In der Nacht ist nichts zu hören, obwohl du am Tag immer so lebhaft bist. Jetzt sag mir ehrlich, ob ihr vielleicht etwas härter bevorzugt und du deswegen einen Knebel verpasst bekommst – so wie ich es unlängst im Internet gelesen habe. Wenn dem so wäre, dann müsste ich ein ernstes Wörtchen mit Jin reden, weil nichts ohne deine Einwilligung geschehen darf. Sex ist etwas, das NIE anders sein darf“, fing sie ernst an und starrte dabei abwechselnd auf ihn und dann wieder auf Jin, wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Wa…WAS?“, stotterte er erst leise und brüllte dann regelrecht. „SEX? EINEN KNEBEL? Ich trage keinen Knebel, zum Henker noch mal, ich habe nicht mal Sex mit ihm! Und der einzige Punkt, wo ich noch meinen eigenen Willen habe, ist Sex, also Herrgott, ich habe keinen Sex mit ihm. Ich bin nämlich. Nicht. Schwul!“ Die Hitze war jetzt regelrecht unerträglich und er schnappte verzweifelt nach Luft, die trockene Kehle eine Qual. „Na dann ist mir alles klar.“ Das Lächeln das sich gerade einer Horrorvision gleich auf den Lippen seiner Großmutter abzeichnete, war bei weitem nicht genug Vorwarnung für das was folgte: „Kein Wunder, dass du so unausgeglichen bist, wenn ihr keinen Sex habt. Wenn mir das passieren würde, wäre ich sicher auch so …aufgekratzt. Dein Großvater hat zumindest manchmal…ach, das tut nichts zur Sache“, driftete sie ab, schwärmte deutlich von Sachen, die er sich nicht einmal vorstellen wollte. „Und wenn Jin immer auf deine Wünsche achtet, habt ihr meinen Segen noch viel mehr. Also bitte, ich möchte in den nächsten Tagen ein paar Stöhngeräusche hören – mit deren Nachahmung ich dann deine Mutter in den Wahnsinn treiben kann.“ Mark blinzelte nur noch, sein Verstand weit weg, und bemerkte lediglich am Rande, wie laut seine Großmutter lachte. „Was…“, versuchte er die letzten Worte zu vertreiben, starrte Jin beinahe hoffnungsvoll an, der aber nur seelenruhig dasaß. „Ich bin nicht…und…also…argh, lasst mich doch alle in Ruhe“, murrte er schließlich eingeschnappt und fing wieder an zu graben. „Och, er ist ja so süß. Und das mit seinem Haar – war das deine Idee, Jin?“, hörte er seine Großmutter reden und grub nur stärker, achtete dabei darauf, keine dieser fiepsenden Nervensägen zu zerteilen. „Es war mehr eine gemeinsame Idee“, erklärte Jin viel zu gut gelaunt. Mark schnaufte nur und ergriff das erste Krautgestrüpp mit mehr Kraft als nötig, fühlte die Erde um die Wurzeln herum unter seinen Händen zerbröckeln. „Ja, natürlich…ich will es ja immer…ganz klar“, grummelte er verzweifelt und rammte die Pflanze regelrecht in den Boden. Mit einem genervten Blick schob er Erde über die noch halb herausragenden Wurzeln und drücke fest zu, so fest wie sein Frust war. „Oh Markus… Jetzt sei doch etwas lockerer. Ich habe auch eine Überraschung für dich…“, begann seine Großmutter fröhlich, ohne dass es für ihn annähernd glaubhaft war. Trotzdem schaute er auf, murmelte etwas sinnloses, bevor er sich wieder der Grabtätigkeit zuwandte, bemüht alles zu ignorieren. „Mahaaarkus…“, intonierte seine Oma, „ich habe mit Barbara gesprochen – Handys sind eine geniale Erfindung – und du kannst gleich aufbrechen. Sie wartet im ‚Gelatto di Venecia‘ auf dich…“ Mark fiel fast um, hörte gar nicht, wie die Schaufel auf den Boden platschte und sprang auf, rief begeistert: „Barbara? Danke Oma! Du bist doch nicht verrückt…“, und wollte sie umarmen. Doch bevor er noch konnte, schwangen schon Schlüssel in ihrer Hand, setzte sie fort: „Und natürlich gehst du mit Jin, der das Auto fahren wird. Bei dem wie unausgelastet du bist, ist das die beste Idee und Barbara ist nach meinen Erzählungen auch gespannt auf ihn.“ Er schaute nur noch verdattert. „Du willst…du willst JIN fahren lassen? Willst du mich umbringen? Er ist ein…also, und er kann sicher nicht fahren! Oder das Auto flieht gleich aus Angst vor ihm.“ Das letzte murmelte er nur leise, schaute auf die verführerisch vor ihm baumelnden Schlüssel und konnte nicht mehr. Seine Hand schoss vor, griff zu – und fand nur Luft vor. „Herrje Markus. Du bist so langsam und solltest wirklich üben, am besten mit diesem wunderbaren Mann…“ Sie zeigte auf seinen Dschinn, der gerade das bekam, was er ergreifen hatte wollen. „Ich bin nicht langsam…“, regte er sich auf, stampfte mit dem Fuß auf, bis sich eine Hand auf seinen Arm legte und ihn wegzog. Verwirrt erkannte er Jin, der ihn in Richtung des roten Sportwagens Marke „Teuer und kräftig“ seiner Großmutter schleppte und schluckte. Er und dieser perverse Dschinn in einem Auto. Er und dieser alte, aus einem Kühlschrank entsprungene Dschinn. Er und dieses mystische Wesen, das sicher noch nie in einem Auto gesessen hatte. Der Groschen fiel und die Panik brodelte in Sekunden hoch. „HALT! Ooooommaaaaa!“, schrie er, stemmte sich gegen den Griff, gegen den Zug, ohne eine Chance. Verzweifelt schaute er seine Großmutter flehentlich an, versuchte sie zu überzeugen: „Bitte Oma! Er kann nicht Autofahren. Er wird mich umbringen…Ooooomaaaa!“ Doch sie lächelte nur. „Ach komm schon Markus, nicht so zaghaft. Es ist auch genug Platz für ein wenig Morgen…naja, eher Mittagsgymnastik im Auto“, bei diesen Worten fiel seine Kinnlade gerade weit, weit hinunter, „und außerdem bin ich schon mit ihm gefahren als du Schlafmütze noch im Bett gelegen bist. Was für ein Mann und noch dazu ein perfekter Autofahrer – und seine Bremsmanöver, seine Kunststücke…hach, ich glaube ich sollte Pierre wirklich anfangen zu erziehen. Dieser eingeschlafene Revoluzer.“ Sie schien ihn am Ende ihres Monologs halb zu vergessen, bis sie das Rhabarberblatt wieder hin und her schwang, fröhlich eine Karatebewegung damit machte – zumindest nahm er das an – und in Richtung Wald rannte. „Oh, und viel Spaß euch beiden. Und wehe einer von euch kommt alleine zurück und ohne eine genaue Erzählung! Ich weiß alles…“, brachte sie zwischen Lachern hervor und verschwand. „Sie ist verrückt“, beschloss Mark, als der Piepser erklang und das Auto darauf wild blinkte. Er war dazu verdammt darin zu sterben, aber nicht ohne Gegenwehr. Ein tiefer Atemzug, noch einer und dann drehte er sich mit einem Ruck um, ergriff mit seiner freien Hand das weiße Hemd seines Dschinns und zog ihn zu sich. „Gib. Mir. Den. Schlüssel.“, fauchte er förmlich. „Ich weiß nicht, was du mit Oma angestellt hast, aber du bist ein verdammter Dschinn. Du kannst einfach nicht autofahren! Und ich will fahren, meinetwegen betrachte es als Wunsch, zum Henker noch mal.“ Irgendetwas stimmte nicht. Sein Dschinn lächelte, zog ihn herum und öffnete die Tür, um ihn hinein zu stoßen. Mit einem lauten Knall wurde er eingeschlossen und da wurde es ihm klar. „Verdammt, halt! Ich will nicht einfach fahren, ich will das Auto fahren! Ich, das war immer das was ich meinte…“, versuchte er seinen Fehler auszugleichen und sich die nächste Überraschung zu ersparen. Er fing an, an der Tür zu rütteln, den Gurt aufzuhalten, der sich wie eine Schlange um seinen Körper wand und schließlich seine Position fand, klickte. Immer wieder versuchte er es, zerrte, versuchte zu entkommen, doch ohne Erfolg. Chancenlos wie immer verschränkte er schließlich die Arme wütend vor dem Körper und schnaufte. Und dann fuhr das Auto auch schon los, oder besser: Es sprang förmlich davon und raste über die kleine Straße. „Ähhh…“, räusperte sich Mark, schwang bei dem Blick auf die Straße einen Arm zu dem Handgriff über ihm und klammerte sich fest. „Äh…“, bemerkte er mit steigender Panik, als Jin um die Kurve raste, er in die Scheibe gedrückt wurde, ein verdächtiges Schild sah und schrie: „Verdammt, breeeeems! Nachraaaang!“ Sein Herz pochte wie wild, laut in seinen Ohren und knotete seinen Hals zu, als er einen Wagen links von ihnen sah, von der Beschleunigung nach hinten, auf die Seite, gedrückt wurde. Alle Gedanken waren weg, nur noch sein drückender Kopf schien etwas mit seinem Verstand zu tun zu haben und die Straße, die jetzt langsamer vorbeijagte, wirkte wie halbe Einbildung. Mark blinzelte ein paar Mal, schluckte, die Kehle furchtbar trocken, und drehte langsam den Kopf, um dort das Grinsen zu sehen. „DU VERRÜCKTER! Willst du mich umbringen? Du kannst wirklich nicht Autofahren…!“, brüllte er förmlich und klammerte sich dabei noch fester an den Handgriff. „Ich kann besser mit diesem wunderbar höllischen Gefährt umgehen als jeder lebende Mensch. Dir wird also garantiert nichts passieren, mein ängstlicher kleiner Markus…“, reizte ihn jedes Wort, das gesprochen wurde, ließ ihn mit den Zähnen knirschen, „denn Wünsche sind doch etwas Schönes, nicht wahr?“ „Etwas Schönes?“, fauchte Markus, schüttelte den Kopf energisch und hoffte, dass das Auto vor ihnen bald abbog. Der Abstand schrumpfte in beängstigendem Maß bei diesem Verrückten am Steuer. „Du meinst für dich? Es ist ein Wunder, dass du mich noch nicht dazu ‚überredet‘ hast, mit dir zu schlafen. So freiwillig wie der Rest ist, so sehr…argh, vergiss es einfach. Es hat sowieso keinen Zweck.“ Mit einem Ruck wurde Mark in den Gurt gedrückt, sein ganzer Körper nach vorne geschleudert, als sie bremsten und so etwas wie eine normale Geschwindigkeit erreichten und goldene Augen ihn in dem Moment fixierten. „Mein Markus, ich würde nie so tief fallen jemanden zu diesem Glück zu zwingen. Du schreist zwar förmlich nach mir, nach meiner Berührung und hast mich herausgefordert, doch ein erfüllter Wunsch bringt immer mehr Befriedigung – für alle. Und du wirst nicht ewig vor dir selber fliehen können…“ Wieder dieser selbstzufriedene, sichere und weise Ton, der Verrat seines Körpers dazu, der leicht zitterte. „Muss ich auch nicht. Ich muss nur vor dir fliehen…“, murmelte er, ärgerte sich im gleichen Moment über den noch amüsierteren Blick seines Dschinns und kratzte sich gedankenverloren an der Brust. Für den Rest der Fahrt starrte er nur auf die Straße, ein stilles Gebet auf den Lippen, dass es weiter so „langsam“ und nur einige Stundenkilometer über dem erlaubten Höchstmaß blieben. Die Wälder, die Umgebung rasten an ihm vorbei, Gedanken kreisten nur leer um nichts herum, bis er schließlich die Stadt erkannte und erleichtert aufatmete. Er war gerettet Minuten später quietschten die Reifen, als das Auto in die winzige Parklücke schlitterte – und perfekt stehen blieb, als ob es mit einem Kran hineingesetzt worden wäre. Erleichtert riss Mark die Tür auf, stieg mit wackligen Beinen aus dem Auto aus, zitterte ein wenig und machte schnell ein Kreuz, obwohl er nicht besonders religiös war, drehte sich um und sah schon Barbara an einem der Tische sitzen. Heute war so gut wie kein Mensch hier, besser gesagt war das ‚Gelatto di Venecia‘ bis auf zwei weitere Leute leer. Und dann strahlte er über das gesamte Gesicht. Seine Freundin hatte ihn entdeckt, winkte ihm fröhlich und lächelte selbst mit ihren wunderbaren blauen Augen. Schnell strich sie eine ihrer blonden Strähnen zur Seite, bevor sie aufstand und auf einen Stuhl neben sich deutete. Wie beflügelt, marschierte er scheinbar blind dorthin, bemerkte den Schatten hinter sich kaum und rief dann fröhlich: „Barbara!“ „Mark, da bist du ja schon. Hatte dich nach dem Anruf von Claudia nicht so früh erwartet, aber…“, und da stockte sie, schaute auf etwas hinter ihm und schien wie gebannt. Trotz des schlechten Gefühls, das laut klopfte, folgte er ihrem Blick – und erschrak nicht einmal mehr, seufzte nur. Jin stand in voller Glorie hinter ihm, ein verführerisches Lächeln auf den Lippen und sicher der Traum jeden Mädchens. „Oh Gott, nein…“, stammelte er, ließ sich in den Stuhl fallen, den Barbara für ihn vorgesehen hatte und hoffte nur, dass die Welt nicht gleich wieder zusammenbrach, seine Freundin immun war. Doch ihr überraschter Blick ließ alle Hoffnungen zerbrechen. „Oh mein Gott, Mark, wieso hast du mir diesen Traummann nicht früher vorgestellt. Jetzt weiß ich, was deine Oma meinte. Gott, das ist ja…oh mein Gott.“ Jetzt klang sie wirklich fast wie seine Großmutter, aber nur fast. Mit einem lauten Lachen, schüttelte sie den Kopf und ließ sich neben ihm auf ihren Stuhl fallen. „Bitte…ähm…? Setzen sie sich doch.“, bat sie jetzt weitaus gefasster seinen Dschinn und flüstere ihm dann etwas zu: „Also bei DEM Mann kann ich ja absolut verstehen, dass du eine Vorliebe für Männer entwickelt hast“, um gleich wieder zu lachen. Mark blinzelte nur ein paar Mal, schaute sie an, als ob sie den Verstand verloren hatte und korrigierte sich dann, denn die ganze Welt hatte schon länger den Verstand verloren. Und nichts half. „Barbara, ich habe keine…“, versuchte er es dann doch, und betete zu Gott, dass es half. Bevor er den Satz noch beenden konnte, wurde er unterbrochen: „Och Mark, wirklich. Für wie dumm hältst du mich. Du bist so ein toller, zuvorkommender Mann und ich war wirklich glücklich, als wir zusammenkamen, aber dann hattest du so wenig Interesse endlich einmal Sex zu haben und selbst deine Oma hat mich voller Sorge kontaktiert. Und jetzt, jetzt ist es endlich klar.“ Mark schloss die Augen in wissender Vorahnung. „Du bist schwul und ich Dummerchen habe das nicht bemerkt, trotz all der Hinweise. Und oh Gott, wer kann es dir schon verdenken bei diesem Mann. Claudia hatte völlig Recht und meinte, ich solle mich schon einstellen und“, schoss sie Wort um Wort voller Begeisterung hervor und traf ihn damit immer härter, „ich will so gerne mit dir befreundet bleiben – also keine Sorge.“ Das war dann endgültig zu viel. Sein ganzer Kopf schien zu platzen, heiße Tränen drohten herauszubrechen und alles war nur noch ein Strudel aus Gedankenleere. Mark riss die Augen auf, sprang hoch, keuchte beinahe von den Bemühungen die Luft wie ein Blasebalg durch die Gegend zu scheuchen, und brüllte dann los: „Ich bin nicht schwul! Und wie kannst du mir das antun? Weißt du eigentlich, wie verdammt beschissen es ist, wenn eine Frau einem sagt, dass sie ‚mit einem befreundet bleiben will‘? Ich…Ich…“ Sein Blick schnellte zu Jin, dem er ein „Und du bist schuld!“, entgegen schmetterte, um sich erschöpft wieder auf den Sessel fallen zu lassen. Schweigen. Barbara starrte ihn entsetzt an, die ganze Straße schien ihn anzustarren und gab IHM das Gefühl verrückt zu sein. Er konnte nur noch gequält lächeln, während eine Träne seine Wangen hinab lief. „Mein Name ist Jin, meine verehrte Barbara. Und bitte nicht so förmlich. Ein ‚Du‘ ist genau das Richtige.“ Unpassende Worte drangen an Marks Ohren, doch er reagierte nicht einmal mehr richtig, wollte nur vergessen. „Und Markus meinte das Ganze nicht so. Das alles ist etwas zu viel für ihn und er liebt dich wirklich – nur eben etwas anders als er hoffte. Außerdem sind seine Eltern ja – ich glaube ich muss das nicht erwähnen – und allein der Gedanke daran, dass sie es erfahren, ist eine beständige Belastung für ihn. Also bitte entschuldige seinen Ausbruch. Es ist wenn, dann meine Schuld.“ Jetzt schaute er doch auf, sah die Verbeugung, blinzelte und wischte sich die Träne, die gerade an seinem Kinn anlangte, ab. Ein warmes Gefühl stieg wieder in ihm auf und diesmal konnte er es nicht unterdrücken. Seit wann war Jin so…so nett? „Und jetzt vergessen wir die kleine Episode am Besten, nicht wahr? Claudia meinte, hier würde es original italienisches Eis geben und das Leben ist doch zu kurz, um nicht jeden Tag in vollen Zügen zu genießen und sich etwas Gutes zu gönnen, nicht wahr?“ Jin lachte, winkte einem Kellner und brach damit die bedrückte Stimmung endgültig entzwei. Barbara fing wieder an zu lächeln und schlug Mark sanft mit der Faust in den Oberarm. „Tut mir leid. Das waren wohl die falschen Worte, aber ich wollte damit nur sagen, dass ich es toll finde, wenn du dein Gegenstück gefunden hast und sicher nicht an dir klammere – auch wenn du für mich so etwas wie der Traummann warst. Und jetzt vergessen wir das“, erklärte sie zuckersüß und bestellte dann einen Riesenbecher für sich, gleich noch zwei für sie dazu mit den Worten: „Das sind die Besten.“ Kaum war die Stimmung wieder besser, hallte plötzlich ein: „Barbara…!“ über die halbe Straße und Mark schaute sich verwirrt um. Die Männerstimme passte genau zu dem eigenartig modischen Anzug, der fast so wie Jins wirkte, doch bei weitem nicht so gut aussah. Irgendetwas flimmerte kurz an der hochgestreckten Hand und ein eigenartiges Gefühl überkam ihn, eines das er nicht zuordnen konnte. Der Unbekannte strich sich die kurzen schwarzen Haare aus dem Gesicht, als er ankam und freundlich, viel zu freundlich zu einer Begrüßung ansetzte: „Hallo! Freut mich, euch kennen zu lernen. Mein Name ist Julius Xant und…“ „Julius, freut mich, dass du gekommen bist, aber du bist wieder einmal viel zu früh und ich denke du brauchst das“, dabei ging eine Augenbraue hoch und sie zupfte scheinbar gedankenverloren an ihrem eigenen Hemd, „mit der Kleidung nun wirklich nicht so zu übertreiben. Wir wollten die Aufgaben der Stöchiometrie-Übung besprechen…“ „Ach, das ist nichts Besonderes. Ich hatte so das Gefühl, dass es passen würde und wie ich sehe lag ich genau richtig.“ Gewinnend hätte man das Lächeln nennen können, aber Mark hätte es ihm zu gerne aus dem Gesicht gewischt. Das hier war doch selbst für ihn zu offensichtlich ein Versuch Barbara zu beeindrucken, ein billiger noch dazu. Gerade als Julius wieder ansetzen wollte, flammte vor ihm ein Feuer aus dem Nichts auf und wurde kurz zu einem Menschen, etwas Lebendigem aus Flammen, brannte sich förmlich in sein Gedächtnis. Er starrte entsetzt darauf, sah, wie sein Gegenüber es genauso tat, gebannt stehen blieb und zurückwich, bis das Etwas langsam seinen Mund öffnete, ein stummer Schrei auf den nicht vorhandenen Lippen, sich krümmte, und dann mit einem Blick purer Qual in Rauch verschwand. „Was starrt ihr beiden denn so?“, riss sie Barbara aus ihrer Erstarrung und schaute ungläubig. „Nichts…“, kam es wie im Chor, zwang Mark damit fragend zu Jin zu schauen, der eine Faust ballte. „Wünsch dir was…“, knurrte er förmlich und brachte ihn dazu, schnell „Ich will…ein Eis“, zu stammeln. Wie bestellt erschien im gleichen Moment der Kellner, läutete schrill das Handy seiner Ex-Freundin und nach nur wenigen Sekunden sprang sie mit einem besorgten Blick auf. „Tut mir leid, ich muss gaaanz schnell nach Hause. Meine Mutter ist gestürzt…und braucht Hilfe“, erklärte sie noch hastig, rannte wie ein Blitz davon und ließ ihn alleine zurück, alleine mit aufkommenden Schuldgefühlen. Doch bevor er sich viele Gedanken machen konnte, versicherte ihm Jin leise, furchtbar nett: „Ihr ist nichts passiert, aber das hier…“, bevor sich sein Blick verdunkelte und er zu Julius gewandt fortsetzte: „sollte niemand außer uns erfahren, nicht wahr. Komm raus Jin und erkläre mir, was das zu bedeuten hat. Das hier ist mein Gebiet!“ Bei den Worten glomm das Glitzern an Julius Hand auf, wurde als Ring erkennbar, strahlte braun, erzeugte einen Sandsturm, der um den Eindringling fegte und sich schließlich einen Platz daneben aussuchte, um immer dichter zu werden. Sekundenlang wogte die Masse hin und her, wurde immer undurchsichtiger, brach an anderen Stellen auf und zerteilte Blätter, die in ihm gefangen waren, zerstörte sie völlig. Mark rieb sich die Augen, als er glaubte tiefbraune Augen zu erkennen, rieb sie noch einmal, als eine Hand sichtbar war, und schaute dann fragend zu Jin. „Jin?“, kam ihm der Name dessen, den sein Dschinn erwähnt hatte plötzlich wieder ins Gedächtnis und mit einem lauten Tusch fegte ein Sandsturm über ihn hinweg, hinterließ einen in glänzenden purpurnen Stoff gekleideten, hellbraunen Mann zurück. Schwarz-Rotes kurzes Haar stand in alle Richtungen davon, passte so gar nicht zu dem edlen Gewand, das sich wie eine römische Toga um den Körper wand, gerade um die fast magere Figur zurecht gezupft wurde. „Ein Auftritt wie dieser – nur ein Schwächling hat so etwas nötig. Einer, der lieber dient als zu herrschen, also verschon mich damit“, fauchte sein Jin jetzt förmlich und ein Windhauch wehte um ihn herum, wurde immer stärker, „und wenn du es noch einmal wagst in meine Gebiete vorzudringen, werde ich dich nicht einfach nur töten…“ Völlig entsetzt, verwirrt starrte Mark, versuchte einen Sinn zu finden, sah nur, wie die goldenen Augen seines Dschinns genau denselben Hass wie die schwarzen des Unbekannten widerspiegelten. „Was ist hier…“, wollte er wissen, doch keiner hörte auf ihn. Anstatt Aufmerksamkeit, ignorierten ihn alle. „Seit wann gibt es Gebiete? Du bist nur ein alter, garstiger Wind und lass mich einmal raten was mit deinem letzten Herrn passierte: Er starb nach ein paar Minuten vor Unterkühlung?“, grummelte der fremde Dschinn – denn das war er offensichtlich – und verschränkte die Arme vor der Brust, doch nicht ohne sich vorher entschuldigend in Richtung Julius zu verbeugen. „Verzeiht mein plötzliches Erscheinen, Julius.“ Und damit war die Welt wieder ein Stück verrückter geworden. „Reiz mich noch einmal, und ich werde dich unter meinen Füßen zertreten, wie es dir gebührt. Ich bin weit mächtiger als du, weit älter und ich weiß, wie die Welt funktioniert. Du kriechst wie ein Stück Dreck unter den Sohlen deines ‚Herrn‘, unfähig selbst zu entscheiden, ob er es wert ist und unfähig jemanden zu finden, der es wert ist und musst dich auch noch bei mir bedienen, um stärker zu wirken. Also verschon mich, nimm deinen ‚Herrn‘ und verschwinde von hier, bevor ich dir zeige, was es heißt zu leiden. JETZT!“, fegte die Stimme über die ganze Straße, ohne dass jemand zuhörte. Er starrte nur noch verwirrt mit großen Augen über den so ungewohnten Ton, hörte den anderen antworten: „Der einzige, der mir befiehlt ist mein ‚Herr‘ und ich weiß, dass er es wert ist. Du, du bist derjenige, der sich ins Paradies schleichen will, dafür über Leichen geht und am Ende doch nur wieder in unserer ganz eigenen Hölle landen wird. Und wie ich sehe“, dabei wanderte ein abschätziger Blick über Mark, „hast du dir diesmal ein Spielzeug zugelegt, anstatt eines Opfers. Er schreit geradezu nach dir und unterdrückt es, hilflos, schwach, nicht befähigt. Aber sieh dir meinen ‚Herrn‘ an: Er missbraucht seine Wünsche nicht, er entscheidet weise…“ Mark fühlte schon die ganze Zeit, wie es in ihm brodelte, hasste es so sehr, wenn so über ihn gesprochen wurde, krallte seine Finger um die Armlehnen und krampfte sie zusammen, bis es zu viel wurde, selbst der Schmerz diese Beleidigungen nicht mehr unterdrücken konnte. „Halt den Mund, zum Henker noch mal! Haltet alle beide den Mund und lasst mich in RUHE!“, brüllte er jetzt schon wieder, fühlte, wie seine Stimme langsam anfing zu versagen. „Ich bin kein Spielzeug, ich lasse mich nicht ausnutzen und Jin ist irgendwie…nett genug. Und du bist nur ein arrogantes Arschloch – also wenn du jemanden für befähigt hältst, heißt das gar nicht. Ich dachte Jin wäre nervend, aber Herrgott, er ist ja noch ein Glücksgriff.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er leise hinzufügte: „Und Jin sieht tausend Mal besser mit dem Anzug aus…“ Jetzt starrten ihn drei Augenpaare gleichzeitig an, ließen ihn verstummen. Eine Hand zog ihn zu sich, zu einer warmen Brust und in eine Umarmung, die ihn umfing. Er musste nicht einmal schauen, um zu wissen, wer es war, genoss die Sicherheit in dieser langsam unheimlichen Stimmung, in der Blätter wie die Dornbüsche in alten Westernfilmen vorbeifegten. „Ähm…und wieso heißt der hier“, flüstere er und zeigte dabei auf den fremden Dschinn, „auch Jin? Hochstapler?“ „Weil es sein Name ist, mein Name, unser aller Namen. Die Aussprache, die Bedeutung dahinter ist das was zählt, nicht das Wort. Und die Bedeutung ist bei jedem anders“, hörte er die Erklärung in dem Windhauch, der in sein Ohr drang, um seine Wange strich und rollte nur mit den Augen. Seine Finger tasteten nach einem der Arme, die um ihn geschlungen waren, legten sich darum, als der fremde Dschinn sprach: „Ah ja, scheint so, als wäre er sich über nichts im Klaren. Wie gedacht. Ein Spielzeug für dich, aber ich bin erstaunt, dass er noch lebt und du ihm seinen Willen lässt, dass er dir Widerworte gibt. Naja, wohl interessanter nach den vielen langweiligen Malen, an denen du ohne Gegenwehr dein Opfer mit möglichst viel Qualen ‚gesegnet‘ hast, nicht wahr?“ Mark wollte bei den Beleidigungen schon wieder etwas sagen, doch eine Hand legte sich über seinen Mund, während inzwischen ein halber Sturm durch die Stadt fegte und an seinen Haaren zog. „Ach, meinst du, mein unwissender Dschinn? Du verbringst deine Stunden doch noch immer damit an den Füßen eines wertlosen Menschen zu lecken, der seine Wünsche noch weit deutlicher missbraucht und bist dem Paradies kein Stück näher. Also verschon mich. Und mein letzter ‚Herr‘ starb nicht an Erfrierungen, sondern an der Folter…aber Markus hier ist etwas ganz anderes für mich, etwas Besonderes und du wiederum hattest noch nie eine Ahnung davon, was Freude und Spaß sein kann.“ Die Stimme schien beinahe in den Wind einzustimmen, zerrte, war kalt. Jetzt musste er schlucken. All das klang beängstigend, unglaublich und doch fühlte er, dass sein Jin ihm nicht ernsthaft etwas antun würde. Jedes Mal, wenn über ihn gesprochen wurde, veränderte sich der Klang, wurde weniger hart, weniger furchteinflößender und jetzt sogar mit „Freude“ in Verbindung gebracht. Er schaute nur noch verdattert. „Du…“, begann der andere wieder den Streit, wurde dann aber durch ein lautes „Ruhe!“, unterbrochen. Julius bewegte sich nach vorne, stellte sich zwischen die Streithähne und verdrehte die Augen. „Das ist wie in einem abgedroschenen Film. Ich habe keine Lust als Zuschauer hier zum Prügelknaben von zwei ein wenig zu aggressiven mystischen Wesen zu werden. Also hört auf mit diesem Schwanzvergleich, denn ich bin kein Schwanz – und ein Arsch auch nicht.“ Mark musste dabei nickten und konnte das Lächeln nicht unterdrücken, als er den perplexen Ausdruck auf dem Gesicht des Dschinns sah. „Und ja, es ist für jeden mit ein wenig offenen Augen so offensichtlich, dass Mark und Jin ein gutes Paar sind und dass sie scheinbar noch keine Welten zerstört haben, Jin, dass du sie genauso gut in Ruhe lassen könntest. Also fahr deine nicht vorhandenen Krallen wieder ein und sei wieder so nett und wunderbar wie immer, so wie du es schon seit Jahren bist“, erklärte Julius fröhlich, bevor er sich ein wenig drehte und dann seinen Jin mit dem Blick fixierte, „Und über solche wie dich habe ich inzwischen genug Erzählungen gehört. Wenn du auch nur einen Fehler begehst, werde ich dafür sorgen, dass du wieder zu dem zerfällst, aus dem du entstanden bist. Ich habe keine Lust zuzusehen, wie hier vielleicht meine Kultur wegen so etwas zerstört wird. Tja, und jetzt sollten wir uns alle vertragen – allein schon um Barbaras Wohl…“ Mark schüttelte sich kurz, bevor er sich zu Wort meldete: „Hey, ich bin nicht…ich bin nicht…“, legte dabei seinen Kopf in den Nacken, fühlte leise ein Pochen, als er das perfekte Gesicht über sich sah, die goldenen Augen, die ihn so freundlich anschauten und schluckte, überlegte. Er lag in den Armen seines Jins, fand ihn attraktiv und genoss es, spürte etwas. „Scheinbar beginnt es gerade“, hörte er ein Murmeln, das ihn aus seiner Trance riss. „Ähm…oh. Also sonst hast du Recht. Ich bin, ich will nicht als Streitgrundlage dienen. Und erklärt mir endlich, wieso zum Henker hier zwei Dschinns sind, was diese komische Flamme vorher war, wieso ihr euch so hasst, was das alles soll…!“, regte er sich schließlich auf und erntete wieder nur unverständliche Blicke. „Scheinbar hat er dir nichts erzählt…“, fing wieder dieser unausstehliche andere Jin an, und er konnte nicht anders als dazwischen zu rufen: „Argh, jetzt fang nicht damit an, du arrogantes…“, bevor er selbst wieder unterbrochen wurde. „Wenn du etwas wissen willst, dann hör mir zu“, kam es ernst, „denn von einem Dschinn wie diesem wirst du alle Informationen nur häppchenweise bekommen – wobei er dich ja geradezu paradiesisch behandelt. Bei unserer letzten Begegnung wimmerte sein ‚Herr‘ schon nach einem Tag, wand sich vor Qualen und bat förmlich um seinen Tod – der dann auch sehr schmerzhaft eintrat. Du musst wissen, dass wir Dschinns alle aus derselben Welt stammen, aus einer Welt, die sich kein Mensch vorstellen kann und keiner betritt und der wir um jeden Preis entfliehen wollen. Der Zufall führt uns in diese Welt, in der wir unsere Kräfte wirken können, doch zum Preis der Regeln, die jeder biegt wie er will und mit der Hoffnung auf Erlösung.“ Gebannt hörte Mark zu, drückte fester zu, wollte so seinen Jin dazu bringen ihm die Möglichkeit zu geben, das hier zu hören – und es funktionierte. „Einige sind überglücklich und helfen den Menschen, andere sind eifersüchtig und zerstören alles, was sie können. Dazwischen liegen Welten, und nicht selten gehen Welten bei beiden Arten unter. Deswegen bin ich schon Jahre bei Julius, habe ihn gelehrt und er hat gelernt“, kam die getragene Stimme. Das letzte zweifelte er an, aber er sagte noch immer nichts, nutze seine Möglichkeit lieber und biss sich auf die Unterlippe. „Und deiner hier, ist einer, der seine ‚Herrn‘ bisher immer in den Untergang führte, aber scheinbar hat sich etwas geändert, denn SO hat er sich noch nie verhalten. Er ist alt, vielleicht schon zu alt, aber doch nur ein Windhauch…“, grummelte der fremde Dschinn und seufzte dabei immer wieder, klang ein wenig erdig. „Als ob du etwas anderes als ein Kieselstein wärst, Jin. Also führ deinen Monolog zu Ende, damit ich gehen kann. Oder besser noch: Ich übernehme“, fuhr sein Jin dazwischen, drückte fester zu und ließ ihm keine Wahl. Er seufzte, rollte die Augen Richtung Himmel und zwickte dann zu, ohne dass es seinen Dschinn störte. Wie immer. „Die verschiedenen Parteien von Dschinns hassen sich eben so wie die kleingeistigen Menschen, die nicht mit dem Paradies zufrieden sind, das sie im Vergleich zu uns haben“, übernahm sein Jin wirklich, klang dabei so ernst, so anders als sonst, dass Mark nicht anders konnte, als eine Augenbraue zu heben, „aber das ist egal. An die Regeln muss sich jeder halten und genau die haben uns hierher geführt. Wenn ich recht in der Annahme gehe und die Aura deute, dann hat der liebe Musterknabe hier keinen großen Erfolg bei Frauen und wird sich wohl gewünscht haben, seine Traumfrau zu finden, die ihn aber auch lieben würde – für die er der Traummann wäre. Und wie es nun einmal ist mit Wünschen, so suchen sie sich den leichtesten Weg um erfüllt zu werden, wenn man sie nicht lenkt, was unser lieber großartiger Jin hier noch nie tat.“ Sein Dschinn spuckte jedes Wort aus, betonte es sarkastisch und klang dabei doch immer großartiger. „Kombiniert ein intelligenter Dschinn das mit der Tatsache, dass ich dich für mich haben will und deiner Freundin einen guten Ersatz wünschte, landen wir hier in dieser Situation, die immer nur zu schlechtem führt. Und bevor jemand fragt wieso: Ein Dschinn ist etwas Fremdes in der Welt, ein Magnet für alles Außergewöhnliche, doch zwei auf einmal sind ein Garant. Und genau deswegen hast du die Flamme, die missglückte Entstehung und den Tod eines Wesens gesehen und es wird so bleiben oder…“ „Halt“, wandte Mark ohne Nachdenken ein, hörte auf die schwirrenden Gedanken, die sich gerade an ihren Platz rückten, sich sortierten, „das heißt es wird noch schlimmer?“ „Ja“, war die einhellige Antwort beider mystischer Wesen, nach der alles wieder in eine Starre fiel, in eine Starre in der sich die zwei gegenseitig mit Blicken umzubringen versuchten. Mark hasste die Stille, die ihn allein mit seinem Problemen ließ, allein mit der warmen Umarmung, die ihm viel zu bewusst machte, was er verloren hatte und was jeder dachte. Irgendetwas in ihm fragte sich, warum er sich sträubte, ob er nicht einfach ein Wagnis eingehen sollte, den Versuch wagen sollte, aber dann war doch wieder die Hoffnung, dass er Barbara wieder bekam, dass er das Missverständnis aufklären konnte und sie nicht Julius zum Freund nahm. Und genau da machte es schmerzhaft ‚Klick‘, fügten sich die Puzzleteile in einem einzigen Augenblick zusammen. „WAS?“, rief er, schnappte nach Luft, „das hier dient alles nur dazu dem da eine Freundin zu verschaffen, die ich nicht mehr haben soll? Habt ihr sie noch alle? Oh, halt…natürlich nicht, ich bin ja laut der Welt schwul und damit brauche ich ja keine. Und fragt mich da jemand? Nein, natürlich nicht…“ „Du bist schwul“, klang es wie im Chor, zerschmettere seine Hoffnungen, schmerzte und zerstörte seinen letzten Glauben an etwas Vernunft. Er sammelte sich schon, wollte etwas entgegnen, doch dann hörte er schon etwas, das alle sich umdrehen ließ. „Entschuldigung, Jungs, ich bin wieder da. War doch nicht so schlimm, wie Mama dachte“, erzählte Barbara überschwänglich, strahlte über das ganze Gesicht, blieb plötzlich stehen und schaute sie kritisch an. „Was habt ihr angestellt?“ Er hatte das Gefühl, dass er zitterte. Ihr fragender Blick konnte alles durchbohren und jedes Geheimnis entlocken. „Nichts…“, hörte er Julius stammeln und war froh, als ihre Augen sich von ihm abwandten. Dabei wanderte sie seelenruhig weiter, schritt durch den fremden Jin, den sie ignorierte, nicht sah, und stemmte dann die Hände in die Hüfte, als sie wieder in Freiheit war und Julius mit ihrem Blick fixierte. „Julius…ich sehe es dir an der Nasenspitze an. Also hoffe ich, dass du Mark nicht gereizt hast, denn ich mag ihn noch immer sehr!“ Mark konnte regelrecht sehen, wie der Angesprochene zitterte, versuchte zu lächeln und fast flehentlich kurz in seine Richtung schaute. Doch er zuckte nur mit der Schulter, glücklich nicht in der Schusslinie zu stehen. Julius seufzte, gab wohl auf. „Ich habe nichts gemacht. Markus hier“, lenkte er mit einem Fingerzeig in seine Richtung ab, „ist nur nicht glücklich darüber, dass er…so ungewöhnlich behandelt wird.“ Und damit schoss der bohrende Blick in seine Richtung, verschwamm kurz und milderte sich ab. „Oh“, hörte er und hoffte still, dass jetzt nichts kam. „Oh, oh, sorry Mark. Ich wollte dir nichts aufzwingen, also wenn du nicht schwul sein willst, bist du nicht schwul“, erklärte sie mit einem viel zu netten Ton und zerstörte damit Wort für Wort seine Hoffnungen. Die Umarmung fühlte sich gerade stärker, fremder an und er schluckte, wurde sich dessen bewusst. Ob das hier aufhören würde, wenn er Jin nachgab, ob dieser Alptraum aufhören würde? Irgendetwas tief in ihm war der Idee nicht abgeneigt, pochte leise viel zu weit unten, doch er unterdrückte es schnell wieder, vergrub diese Gefühle wieder. „Barbara, heißt das…“, versuchte er es verzweifelt, „dass du mich nicht einfach abservierst? Oder, oder steckt etwas anderes dahinter…willst du mich nur los werden? Willst du in Wahrheit mit Julius…“ „Jetzt reicht es, Mark. Es tut mir ja leid, dass ich ‚bleiben wir Freunde‘ sagte. War ein Fehler, der mir klar wurde, aber du musst mich jetzt nicht als wankelmütiges Flittchen darstellen. Und nein, ich werde nicht mit dir zusammenbleiben, denn ich sehe doch, wie du dich bei Jin verhältst, wie wenig dir bei ihm Berührungen ausmachen. Und du lässt dir sogar Blüten im Haar gefallen, hast die Haare mit blauen Strähnchen gefärbt, wo du immer so konservativ warst. Und deine Großmutter hat mir schon Tagelang vorgeschwärmt, wie ausgelassen du wirkst – und sie hatte Recht. Und nein, ich bin nicht mit Julius zusammen.“ Sie lachte kurz und schüttelte den Kopf. „Ich habe es auch nicht vor. Aber ich bleibe sicher nicht mit dir zusammen, wenn ich weiß, dass du mich am Ende nur sitzen lassen wirst und ICH dann wieder Tage brauche, bis ich mich wieder halbwegs gefangen habe. Danke, davon hatte ich genug…“ „Was?“ Mark stammelte, wollte es nicht wahrhaben, ignorierte die unwichtigen Sachen über seine Haare. Jeder Moment wurde unerträglicher. Er hatte das Gefühl als würde etwas in seinem Kopf pochen, ihm dir Tränen in die Augen treiben wollen, ohne dass er sich wehren konnte. Doch es kam keine. „Ich sage es nicht noch mal Mark – ich glaube du weißt schon selbst gut genug, was ich meine. Dafür mag ich dich wirklich zu sehr und ich bin trotzdem immer für dich da.“ Da kam der Dolchstoß, der ihn zittern ließ. Jetzt floss doch wieder etwas Feuchtes über seine Wange, wurde aufgefangen, abgewischt von einer warmen Hand, die über seine Haut strich. Er schluckte, wollte den Knoten loswerden, blinzelte ungläubig und drehte sich dann um, wollte nur noch alles vergessen. Verzweifelt schaute er Jin an, der ihn anlächelte, stark wirkte und doch an allem Schuld war. Jeder wollte ihn treiben, selbst sein eigener Körper wollte ihn überzeugen. Und er war nur passiv, trieb, während er selber entscheiden sollte, wollte, selbst wenn es das war. Würden sie alle verstummen, wenn er nachgab, würde er endlich Ruhe haben? Die Gedanken schossen nur so dahin, verpufften wieder und kamen zurück, fegten alles mit sich hinweg und hinterließen keinen Verstand, keine Vernunft und er murmelte nur: „Bis irgendwann…“, ergriff die Hand, die gerade vor seinen Augen schwebte und zog daran, bis ihm sein Dschinn folgte, ein Entschluss gefasst, der nur noch eisige Kälte ohne Gefühl in ihm zurückließ und gleichzeitig das Blut durch seinen Körper jagte. „Ich will nach Hause…ich will es“, flüsterte er, schaute dabei auf den Boden, hasste diese Situation, hasste die roten Wangen, die er jetzt haben musste. Und dann war da ein Widerstand, der sich gegen ihn stemmte. Er zerrte weiter, wollte nicht anhalten, nicht hier. Alles war zu viel. „Willst du nicht, mein Markus. Ich werde dich nicht zwingen.“ Die Stimme war so sanft, so freundlich, zog ihn regelrecht an. Sein Blick wanderte hoch, hoch, bis er die goldenen Augen sah, die fast mitleidig wirkten, ihn trösteten. Irgendetwas war falsch, doch alles was er wahr nahm, waren die Tränen und die Hand, die sie abwischte, den Perversen, der ihn jetzt so freundlich anschaute, ihn damit zwang sich dieses sanften Pochens bewusst zu werden, die Kälte vertrieb. Da war der Drang dem nachzugeben, der Wunsch alles zu vergessen, egal wie, weil er es wollte, weil er es erfahren konnte; eine Möglichkeit, eine leise Ausrede die Wahrheit kennenzulernen. „Ich will das nicht noch einmal sagen...“, murmelte er, meinte dasselbe wie vorhin, zerrte wieder an der Hand, die jetzt nachgab. Ohne Widerspruch folgte ihm der Dschinn, schüttele mit einem Lächeln den Kopf, gab ihm nach, ließ ihn bestimmen. „Wie du wünschst…“ Kapitel 5: Wo die Wahrheit begraben liegt… ------------------------------------------ Wo die Wahrheit begraben liegt… Unbedeutend glitt die Landschaft an ihm vorbei, eine einzige Masse aus Farben, zerfiel so schnell, wie das Haus vor seinen Augen erschien. Momente später öffnete er die Tür mit tauben Fingern, taumelte förmlich aus dem Auto, noch immer beseelt von dieser eigenartigen Entschlossenheit, die ihn vorwärts trieb, ihm keine Wahl ließ. „Komm“, hörte er, merkte erst da, dass er wie erstarrt das Haus betrachtete. Er drehte sich um, sah Jin, der die Hand ausstreckte, sie schließlich in die Richtung drehte, in der ihr Ziel stand, und schluckte. Langsam, Schritt für Schritt, schwerer und schwerer ging er wie in Trance weiter. „Überleg es dir ein letztes Mal, mein Markus. Denn das ist deine letzte Möglichkeit dem hier für heute zu entkommen. Mein Beweis, dass du nicht eines meiner Opfer bist – aber danach wirst du nicht mehr umkehren wollen“, murmelte sein Jin und er blinzelte nur, fühlte eine Wut aufsteigen, etwas, das ihn nur schneller vorwärtstrieb, das ihn davon abhielt nachzudenken. Niemand würde ihn aufhalten… „Gehen wir“, war alles was er noch sagte, bevor er den Griff in die Hand nahm und die Tür aufschloss, sofort den Druck spürte, der ihn vorwärts trieb. Entschlossen stemmte er sich erst dagegen, merkte, wie er kurz wich, an seinem Arm plötzlich zu einem Zug wurde, dem er nicht mehr widerstehen konnte. Von seinem Dschinn gehalten wurde er nach oben gezerrt, sah alles nur wie im Traum an sich vorbeiziehen, alles so gewohnt und doch so neu, so unbedeutend, eine Mischung aus Wänden und Eingängen. Als sie an der Tür ankamen, die zum schrecklichsten Zimmer führte, zu dem seiner Mutter, stemmte er sich gegen den Zug, kratzte mit seinen Fingern an dem Arm der ihn hielt, brachte ein wütendes „Nein“, heraus, ein „Nicht hier“, das zu nichts führte. Wie ein Urteil öffnete sich der Eingang zu der Scheußlichkeit – die er nicht wiedererkannte. Er blinzelte einmal, zweimal, hob dann die Hand und rieb sich die Augen, als er völlig überrascht und ohne Gegenwehr in das Zimmer gezogen wurde, das in neuem Glanz erstrahlte. Die Fenster waren mit weißen und blickdichten Gardinen verhangen, umgeben von blauen Vorhängen, die an den Seiten hinab glitten. All das tauchte das Zimmer in ein sanftes Licht, fast wie bei der Dämmerung, so anders und so passend. Doch er hatte nicht viel Zeit sich zu fragen, was passiert war. Schon näherten sie sich dem Bett, das jetzt komplett mit Blau bedeckt war, in allen Nuancen schimmerte bis hin zum massiven schwarzen Gestell, dass Platz für drei bot. „Was…“, stotterte er mit offenem Mund, rieb sich noch einmal die Augen und kniff sich schließlich in die Wange, aber es half nichts. Das Bild blieb dasselbe, das Zimmer völlig verwandelt, der süße Geruch, der ihm jetzt in die Nase stieg nur wundervoll. Noch bevor er es hörte, fühlte er den warmen Hauch, der um seinen Hals strich, zu seinem Ohr wanderte: „Mein Wunsch, mein Geschenk an uns...“ Er zitterte bei diesen Worten, schaute beinahe erwartungsvoll nach oben und fühlte, wie sein Verstand vollends wich. Die goldenen Augen zogen ihn magisch an, zogen ihn in ihren Bann und ließen etwas in ihm erwachen, dass er diesmal nicht ignorierte, nicht konnte, denn aller Widerspruch war so unendlich leise, unendlich unbedeutend. Seine Hände wanderten ohne seinen Willen hoch, wollten berühren, spüren und nur noch dem Drang nachgeben, der immer stärker pochte, drückte, nach Aufmerksamkeit verlangte. Wie von selbst stand er im nächsten Moment, beinahe selbst überrascht, schon auf den Zehenspitzen, die weichen Lippen auf den Seinen, so stark, so süß wie der Geruch, der ihm in die Nase stieg und seine Sinne betäubte und doch das Blut durch sein Gesicht jagte. Sanft war jede Berührung, verführerisch wie nichts zuvor, ließ ihn die Augen schließen und in eine Welt eintauchen, die nur noch diese Wärme und das sanfte Zerren des Windes kannte, die mit jedem Streicheln an seiner Haut stärker wurde. Bei dem Gedanken fragte er sich kurz etwas, wusste nicht was, genoss die Liebkosungen der Zunge, die langsam über seine Lippen strich und verlangte, bekam, was sie wollte. Er öffnete den Mund, kam entgegen, strich darüber, genoss das leise Kitzeln und das Prickeln viel zu sehr, so sehr, dass er sich in die Haare seines Partners verkrallte und zog. „Nicht so langsam...“, wehte eine unmögliche Aussage seines Dschinns zu ihm, bevor die Kälte zuschlug und seine Lippen halb betäubt zurückließ. Verwirrt schaute er sich um, wollte etwas sagen, seinem Verstand nachgeben, der gegen irgendetwas ankämpfte, doch im nächsten Moment war da nichts mehr, nur noch Leere, als seine Kleidung an ihm vorbei flog und in einer Ecke landete. „Was?“, murmelte er, ohne eine Chance zu haben. Schon flog er förmlich nach hinten, stolperte von einem starken Windstoß getrieben in Richtung Bett und verlor endgültig das Gleichgewicht, als seine Beine gegen das Gerüst prallten. Doch anstatt hart aufzutreffen, fühlte er etwas in seinem Rücken, das ihn hielt, ihn sanft gleiten ließ, bis er auf einem weichen Polster landete und viel zu gedämpft wahrnahm, dass er sich aufregen sollte. „Das...“, fing er an, verlor den Faden, als gleich darauf sein Jin über ihm erschien, ihn anlächelte und seine Beine auseinanderdrückte, gleich darauf über seine Haut strich - sanft, stark und so warm. Seine Augen wanderten zu der Stelle, die kitzelte, warm war und nicht aufhören wollte leise Impulse zu seinem Glied zu schicken. Es brannte, kribbelte. Weiter und weiter fuhren die Finger, die er jetzt auf seinem nackten Oberschenkel sah, über seine Haut, immer näher dorthin, wo jetzt sein ganzer verbliebener Verstand zu pochen begann und all sein Bewusstsein anfing unterdrückt zu werden. Aufgeregt schluckte er, versuchte seine Kehle zu befeuchten und gab schließlich auf, als eine Hand auf seiner empfindlichsten Stelle landete und er die Luft verzweifelt einsog, um nicht zu stöhnen. Es war so unglaublich, so leicht und doch so fest, wie die Finger ihn liebkosten, um ihn herum strichen wie ein Windhauch und doch einen Sturm auslösten, der durch seinen ganzen Körper jagte und sein Gehirn endgültig benebelte. Kleine Sterne aus weiß flimmerten vor seinen Augen auf und lösten seinen Blick von Jin, von dem unglaublichen Jin, der zwischen seinen Beinen saß. Langsam glitten seine Schenkel auseinander, wurden auseinander gedrückt und schienen dabei doch so unbedeutend, überdeckt von den beinahe unsichtbaren Blitzen. Mark drückte seinen Kopf in den Polster, seufzte zufrieden und doch unglücklich bei jeder Berührung, krallte sich in dem Matratzenbezug fest, so eigenartig gefühllos unter seinen Fingern, um noch Halt zu haben und stöhnte nur noch leise: „Mehr...“, als jede Berührung zur Qual wurde, ihn höher trieb, ohne ihn dorthin zu lassen, wohin er wollte. Es pochte, pochte und drückte so stark, schien sein neues Herz geworden zu sein. Und da war ein Versprechen, ein Versprechen auf so unendlich mehr als er mit seinen eigenen Händen je erreicht hatte, das nicht und nicht erfüllt wurde. „Jetzt...“, verlangte er schließlich und schaute so wütend wie möglich unter seinen halb geschlossenen Lidern hervor. Doch die einzige Antwort darauf war ein lautes Lachen, so ehrlich wie die Haare, die nach vorne flogen, nur um dann schnell wieder nach hinten zu wehen, viel zu perfekt wirkten. „Ein wenig sprachlos?“, neckte er ihn und noch bevor er etwas sagen konnte, traf ihn die kräftige Berührung wie ein Schlag, pulsierte durch seinen ganzen Körper und doch am stärksten in seinem Glied, das so unglaublich drückte und ihm die Luft nahm. „NEIN!“, brachte er nach ein paar Atemzügen dann doch hinaus, fing an sich aufzurichten, unterstützt von den Fingern, die jetzt eine Leere hinterließen und weiter nach unten wanderten. „Und was machst du da?“ Wieder kam nur ein Lächeln als Antwort, die Reaktion seines Körpers Aussage genug. Er wollte es, fühlte es mit jeder Pore seines Körpers. Seine Beine zuckten, als etwas Feuchtes an seiner Öffnung anlangte, die Hitze mit sich zog und die Panik aufstieg. Ahnung brodelte in ihm hoch. „Nein!“, versuchte er es aufzuhalten, doch jede Gegenwehr wurde sinnlos, als eine Hand sich wieder auf sein Glied legte und ihn in eine andere Sphäre schleuderte und seine Gedanken mitnahm. Im gleichen Augenblick strich etwas kurz sanft über seine Haut, drängte dann, drängte dort, wo nichts hinein sollte, glitt hinein. Seine Lider rasten hoch, aufgerissen voller Schreck, die Augen starr nach oben gerichtet und er wollte aufspringen, fliehen, doch wurde von etwas an seinen Armen aufgehalten. Schneller als er reagieren oder denken konnte, wurden sie nach hinten gedrückt, blieben über seinem Kopf liegen und waren genau so beschwert wie sein Bauch, der von etwas anderem niedergehalten wurde und ihm so das merkwürdige Kissen unter seinem Becken bewusst machte. Langsam erwachte etwas von seinem Verstand wieder, als das in ihm plötzlich fester, realer wurde, tiefer eindrang und sich bewegte, brachte ihn dazu sich wehren zu wollen. Er kämpfte gegen die Wärme an, zog seine Muskeln wie zum Sprung zusammen, nur um dann mit den Zähnen zu knirschen. Zu viel, zu stark. Überall traf es ihn, rieb. Schmerz, furchtbare Qualen durchzuckten ihn, ließen ihn zittern, bis diese Pein wich, unbedeutend wurde und etwas anderes mit sich zog. Eine Leere, ein unglaubliches Hochgefühl überschwemmte ihn bei jeder Reizung, bei jeder Erlösung von Schmerz – ganz sanft nur. „Lass das...“, hauchte er fast nur noch und schlug mit seinen Beinen aus – zumindest wollte er das. Im nächsten Moment schwebten sie förmlich, sein Becken in der Höhe, er ohne Spielraum. Wieder und wieder versuchte er sich zu befreien, gegen die Gefühle anzukämpfen, die jetzt immer stärker wurden, doch ohne Zweck. In ihm wurde alles nur noch deutlicher, traf etwas, etwas Unglaubliches und er zitterte mit dem Kiefer, fühlte die Fülle so unendlich, überall in ihm. Er stöhnte auf, konnte sich nicht mehr zurückhalten, so nah an der Glückseligkeit, wie er gerade war und seufzte unzufrieden, als der Punkt wieder allein gelassen wurde, die allumfassende Reizung schwand. Entschlossen, verzweifelt bewegte er sich, versuchte es wieder zu finden, das zu finden, was er verloren hatte, und jubelte beinahe, als ihn wieder eine Welle überschwemmte. Die Adern in seinem Kopf pochten jetzt angestrengt, hinterließen jedes Mal nur noch das Verlangen und er konnte nicht anders, als zu flüstern: „Mehr…“, fast bittend aufzuschauen. Über ihm thronte Jin, der jetzt völlig nackt wie eine Statue wirkte, entrückt und so perfekt, bis er sich wieder bewegte und zu Leben erwachte, der Anblick allein genug um das Blut in seinen Ohren und in seinem Glied rauschen zu lassen. Und dann kam die Strafe, das schlimmste, was gerade passieren konnte. Die Wärme wich mit einem Schlag, hinterließ dieses furchtbare Gefühl, dass etwas fehlte. Er wollte schon protestieren, drehte und wand sich, öffnete seinen Mund, bis alles ein Ende fand. Mit voller Wucht wich jeder Gedanke, hörte auf zu existieren und wurde zu einem stechenden, hämmernden Schmerz, der ihn durchzuckte. „Entspann dich“, hörte er die tiefe Stimme neben seinem Ohr, fühlte, wie etwas Warmes seinen Rücken entlang strich und ihn dazu zwang, zu gehorchen. Genau in diesem Moment schien sein ganzer Körper aufzuhören zu existieren. Er zerfiel förmlich, als er schrie, übermannt von diesen Gefühlen, diesem Pochen. Weiter und weiter drängte sich dieses Etwas in ihm, dieses Lebendige, alles erfüllende in ihn, berührte ihn überall und vertrieb den Schmerz im gleichen Moment, in dem es ihn auslöste, hinterließ eine dumpfe Erleichterung, die so angenehm war, wie sie nicht sein sollte. Es bewegte sich, berührte schließlich wieder den einen Punkt, der einen Nebel vor seine Augen zauberte, der nicht mehr wich, quälend da blieb, als er wieder Leere fühlte, sich das Etwas aus ihm bewegte. Wieder und wieder legte sich die Decke aus Hochgefühl über ihn, umschlang ihn, fegte über ihn hinweg, zu wenig und doch zu viel. Dumpf hörte er ein Klatschen, wurde hin und her getrieben, nach vorne gedrückt und belohnt, wenn er sich dagegen stemmte, im gleichen Augenblick wieder mit dem Bleiben des Mehr bestraft. Überall standen seine Zellen förmlich in Flammen, hinterließen nur dieses Verlangen anstelle von Gedanken. Alles trieb ihn mit ganzer Kraft, mit allem was fehlte und dem Drang zu mehr, sich endlich zu bewegen. Er wollte es jetzt, jetzt sofort, kämpfte gegen die Gefangenschaft an, ohne Erfolg. Die Bewegungen waren so rhythmisch, so quälend gleich, so quälend langsam, brachten sein Glied dazu im Takt zu schwellen, zu pochen und gleich wieder zu verlieren, hielten ihn von dort ab, von der Befreiung. Verzweifelt schaute er auf, Tränen in den Augen und versuchte seinen Atem zu finden. „Jetzt, jetzt...“, flüsterte er halb heißer, noch genug bei Verstand, um nicht zu flehen, aber so kurz davor. Seine letzte Möglichkeit. Und dann sah er es, bevor er es spürte. Mit voller Wucht rammte sich das Glied in ihn, trieb die Tränen aus seinen Augen, der Schmerz zu groß und doch zu wundervoll, denn er wich schneller als es möglich war, blieb nur ein Funke, der sich entzündete und die Welle aus Lust wieder und wieder durch seinen ganzen Körper jagte. Immer drängender wurden die Bewegungen in ihn, immer wundervoller, brutaler, bis er aufschrie, der Nebel zu dicht, das Weiß das einzig existierende, und ihn hochhob. Der Druck in ihm wich wie ein Geschoss, katapultierte ihn hinauf, nahm das Drängende mit sich und prallte durch seinen ganzen Körper. Übermannt von allem, schloss er die Augen, genoss es nur noch. Alles war egal, alles war richtig, alles war so, wie es sein sollte. Wärme umfing ihn, nahm ihn ein und ersetzte alles, alle Sorgen, die irgendwo gewesen waren, und er konnte sich gehen lassen, trieb mit jedem Herzschlag mit, ging jedem Impuls nach, der seinen Körper hin und her schwanken ließ und lächelte dabei entrückt, die Lippen leicht geöffnet. Minuten, Stunden, Sekunden – er wusste nicht, wie lange es dauerte, doch langsam nahm es ab, sank er von der Ebene hinab, bis eine warme Welle in ihm ihn wieder ergriff und hielt, so eigenartig richtig. Langsam wollte er die Augen wieder öffnen, doch etwas hielt ihn ab. Eine warme Hand legte sich auf seinen Bauch, brachte ihn dazu kurz zufrieden zu seufzen, bevor alles umschlug. Die angenehme Wärme verwandelte sich binnen Bruchteilen von Augenblicken in eine unerträgliche Hitze, wand sich um seinen Bauch, hinunter bis zu der Stelle, die noch immer gefüllt leise pochte, wanderte seinen Rücken entlang nach oben, bis er nicht mehr konnte und laut schrie. „Shhhh...“, hörte er die Stimme, die allen Schmerz mit sich nahm, Kühle mit sich brachte und ihn umfing. In diesem Augenblick war er ihr einfach nur dankbar, ließ sich von ihr in die Ebene führen, von ihr so verführerisch locken, bis er nachgab und sich völlig hingab. „Mein...“, konnte er noch als Letztes wahrnehmen, als ihn eine selige Wärme empfing und ihn mit sich zog... Kapitel 6: Und alles wird… -------------------------- Und alles wird… Die Wärme um ihn herum, überall zu fühlen, war so angenehm, dass er selbst in seinem Dämmerschlaf die Decke in dem Bestreben all das weiter genießen zu können, noch enger um sich schlang. Nur weiter diesen wunderbaren Zustand genießen… Von irgendwoher hörte er ein leises Geräusch, das wie eine Säge hin und her wogte, wollte es ignorieren, versuchte es. Doch da fing sein Verstand langsam an zurückzukehren, aufgeweckt von seinen halb vorhandenen Gedanken, brachte ihn dazu, verschlafen mit den Augen zu blinzeln, als er entdeckte, dass das Schnarchen aus ihm zu kommen schien, unmöglich war. Noch halb benebelt tastete er erst vorsichtig, dann immer drängender mit seiner Hand das ganze Bett ab – ohne Erfolg. Da war nichts, keine Quelle außer ihm und auch kein Dschinn, der ihn berührte, ihn… Entsetzt riss er die Augen auf, bevor er den Gedanken noch zu Ende führen konnte, kappte ihn entzwei, schoss hoch und biss die Zähne zusammen, ein stechender Schmerz aufgeflammt. Seine Finger wanderten von ganz allein zu seinem Rücken, zu seinem Lendenwirbeln und noch weiter hinunter, wo seine Muskeln lautstark protestierten. Gefühle, die nicht da sein sollten, ein leises Kribbeln, eine Erinnerung an etwas, kam auf, als er sich bewegte, etwas anspannte, trieben sein Blut hinunter, Bilder vor sein Auge. Mark zuckte zusammen. „Oh nein…“, stotterte er, als ihm viel zu schnell bewusst wurde, was passiert war. Verzweifelt schaute er sich um, sah das gleiche Bild wie gestern, wusste, dass das jetzt Realität war, eine Realität, in der er Sex mit einem Mann genossen hatte. Oder vielleicht doch nicht? „Nein, nein…“, versuchte er sich selbst einzureden, sprang mit zusammengebissenen Zähnen auf, rannte ins Bad, wo er erstarrte. Der Spiegel zeigte ihm sein zerzaustes Haar, seine nackte Haut, die an ein paar Stellen mit Rot verziert war – und ein blaues Band, das sich von dem noch immer existenten Tattoo hinunter zog, um seinen Bauch schlang und hinten verschwand, sicher genau DORT endete. Mit ein wenig Hoffnung rieb er sich die Augen, schaute wieder hin, rieb an dem neuen Zeichen, doch nichts veränderte sich. „Ich hätte es wissen sollen…du verdammter…Scheiße!“, schrie er, bekam keine Antwort, hielt sich am Waschbecken fest und prallte seine Stirn wütend gegen den Spiegel. „Wo bist du, wo bist du verdammtes Arschloch!“ Wie als Antwort verstummte das merkwürdige Schnarchen, während er sich voller Hoffnung aufrichtete, nur um gleich wieder mit den Augen zu rollen. Aus seinem Bauch ragte im nächsten Moment eine Hand heraus, drehte sich ein wenig, nur um dann zu verschwinden. Hinter ihm erschien gleich darauf Jin, halb verschwunden in ihm, löste sich aus seinem Körper und streckte sich, nur um sich gleich zu ihm hin zu beugen und ihm einem Windhauch gleich, viel zu warm: „Noch nicht genug?“, zuzuflüstern. „Was?“, brachte er noch hinaus, fühlte, wie die Hände über sein Tattoo streichelten, immer weiter, immer tiefer wanderten, der Spur folgten und ihn in ihren Bann zogen. Wild fing sein Herz an zu pochen, fast wie konditioniert, ein Verräter sondergleichen, bis endlich sein Verstand kurz aufblitzte. „Stop!“ Bestimmt drückte er dabei die Hände weg, versuchte es zumindest, während er rot angelaufen seine Haltung zu bewahren versuchte. „Du…“, fing er an, räusperte sich, bis er endlich wieder Worte fand und sie förmlich hinaus schmetterte, „du perverser, du verdammter perverser Lustmolch. Lass mich in Ruhe, ich will das nicht!“ „Willst du nicht?“, wieder diese furchtbare Stimme, die in jede seiner Poren sickerte, Bilder hochzauberte, sein Glied dazu brachte leise zu klopfen. Er versuchte sie zu ignorieren, schluckte. „Jetzt hast du ja, was du wolltest. Ich will das nicht! Also verschwinde und gib mir endlich wieder mein altes Leben zurück. Du hast schon genug gemacht, hast irgendetwas mit mir angestellt…mich beeinflusst…“, murmelte er das Letzte nur noch halb. Er war nicht schwul, er wollte es nicht sein. „Ich habe dir nur gezeigt, was du wirklich willst, was du wirklich bist und mir die Freiheit genommen, dein erstes Mal angenehmer zu gestalten, als es für die meisten ist. Du solltest mir dankbar sein…und einmal ist nicht genug, jetzt wo ich von dem Nektar gekostet habe…“, krochen die Worte, dieses gehauchte Flüstern wieder in seine Ohren, trieben ihm das Blut in die Wangen und brachten ihn dazu mit dem Kiefer zu zittern. Er wollte das nicht hören, spürte den Drang etwas zu sagen, all das hier zu überdecken. „Warte mal, ich sollte dir DANKBAR sein? Hast du sie noch alle? Du willst mich ständig in den Wahnsinn treiben, benutzt mich als Malwand“, dabei tippte er auf das Tattoo, auf den merkwürdigen blauen Wirbel, „und was interessiert dich mein erstes Mal? Das…Lass mich einfach in Ruhe, lass mich zum Henker noch mal einfach in Ruhe! Ich will gar nicht wissen, was ich wirklich bin, ich will wieder in mein altes Leben zurück!“, schrie er förmlich. Bei jedem Wort pulsierte mehr und mehr Wut, mehr und mehr Hitze durch seine Adern, trieb ihn an, bis er den Kopf nach hinten schleuderte, fühlte, wie sich die Arme um ihn kurz lockerten und er die Luft einsog. Schnell rutschte er nach unten, in die Freiheit, schaute sich nicht einmal um, bevor er lossprintete, getrieben von dem Wunsch einfach weg zu kommen, weg von den Gedanken. Irgendwo im Laufen ergriff er die dünne blaue Tagesdecke auf dem Bett, die alles bedeckte, schlang sie über seine Schultern und stolperte so weiter, die Tür hinaus, die Treppe hinunter, drehte panisch um, als er bei der Haustür ein Geräusch hörte und rannte in Richtung des Gartens, hinein in den Zwischengang und schließlich hinaus in die Freiheit – oder auch nicht. Zitternd blieb er stehen, sein Herz scheinbar eher in seinem Kopf beheimatete, so laut und deutlich in seinen Ohren, dass er nichts anderes mehr wahr nahm, sein Atem nur noch stoßweise und trotzdem alles so furchtbar ruhig. Tränen kämpften sich ihren Weg nach draußen, rannen über seine Wangen. Er hatte wirklich mit Jin geschlafen, mit einem Mann geschlafen – und es genossen. Es war fast, als wären seine Träume erfüllt worden, Träume, die er nicht einmal haben wollte. „Wieso? Ich bin keine Frau…ich bin keine Frau…“, murmelte er halb verzweifelt, konnte sich viel zu lebhaft vorstellen, was seine Eltern machen würden, wenn sie das entdeckten und wie sie ihn anschauen würden. Langsam verschwamm alles, verschwammen die irgendwie verteilten Bäume in diesem Dickicht aus Gras und Blumen, ein Gurren das einzige Geräusch, das er zwischen dem Pochen noch hören konnte – bis plötzlich eine weibliche, irgendwie merkwürdige Stimme ihn aus seiner Trauer riss: „Offenbar besonders intelligent. Ein Mann, ein Mann das auch erkennt…“ „Was?“, stotterte er kurz, schaute sich um, um diejenige zu finden, die ihn hier mit diesem sarkastischen Unterton beleidigte. Doch alles was er fand war nur eine Taube, die ihn aus ihren roten Augen anstarrte, den Kopf leicht zur Seite gelegt. „Was was?“, klang es weit aufgeregter und die Flügel, schwangen in einer Mischung aus Grau wild hin und her, „du…mich hören…?“ „Nein…nicht eine Taube…“, war alles was er noch rausbrachte, wischte sich die Tränen ab und fing an nach hinten zu stolpern. Vergessen war alles andere für den Moment. „Ich habe keinen Wunsch geäußert…“ „Oh, oh, oooooh“, gurrte die Taube jetzt immer aufgeregter, hopste ihm nach. „Du hörst mich! Hörst mich! Sarah, Sarah, Sarah bin ich, hörst du?“, brachte sie das Unmögliche immer schneller und aufgeregter hervor. „Du hast einen Dschinn, hast du? Ja, hast du!“ Das hier konnte nicht wahr sein. „Nein, JIN, du verdammter…!“, brüllte er, hörte das Flatter weiter, viel zu nah, kein Jin in der Nähe. Mit schwingenden Armen trat er nach vorne, schwang sein Bein in die Richtung der neuesten Nervensäge und bekam als Antwort nur einen beleidigten Blick – wenn Tauben so etwas überhaupt sein konnten. „Ich kann nichts dafür, du verwirrt, also lass das. Ich bin ein wunderschöner Vogel, habe trotzdem kein Glück…“, erklärte ihm der Vogel Sarah scheinbar ernsthaft, klang zumindest so und er konnte nur ungläubig den Kopf schütteln im Anblick des grauen Federkleides. Und dann konnte er die Bemerkung einfach nicht mehr unterdrücken: „Ähm, du bist eine Taube, eine Straßentaube. Eine Straßentaube…“ Sarah richtete sich scheinbar noch mehr auf, Brust hinausgestreckt, wie um sich zu präsentieren. „Und?“ „Straßentauben sind dreckig, nervig und sonst alles Mögliche, nur nicht wunderschön. Aber Herrgott, warum rede ich überhaupt mir einer Taube?“ Mark kratzte sich dabei am Kopf, schüttelte ihn und fuchtelte mit seinen Händen, deren Finger gespreizt waren, schließlich verzweifelt hin und her. „Du kannst nicht reden, hörst du? Und ich bin nicht schwul, ich bin keine Frau, kein Schwächling…“, beschloss er. „Oh, wunderbar. Erst beleidigen und dann beleidigst du auch noch Frauen“, gurrte die Taube, flatterte lautstark und erhob sich in die Lüfte über ihn, flog über ihn hinweg und landete dann wieder – gleichzeitig mit etwas kaltem. Automatisch drehte er den Kopf dorthin, wo das Etwas gelandet war, blieb kurz erstarrt stehen, nur um dann ein einfaches: „Scheiße“, auszustoßen. Auf seiner Schulter klebte ein weißer Fleck, unverkennbar genau das. „Ja, genau das, was du…von dir gibst. Und ewige Unzufriedenheit der Menschen langsam mehr als ermüdend. Erstens: Frauen sind schwach nicht und schon gar nichts, was dem Manne Untertan. Zweitens: Ob nun Homosexuell bist oder nicht ist völlig egal – da war es zu meinen Zeiten ja noch liberaler als jetzt in halben Unwahrheit. Du scheinst das da ja genossen zu haben, soweit ich hören…konnte. Also lass dieses Rumtrampeln auf Selbstmitleid“, plusterte sich Sarah auf und hüpfte dabei hin und her, „und schließlich: Wenn du dich noch einmal beschwerst, werde ich dich mit meinem Kot überschütten. Er hat noch alles, alles, selbst Glück. Und dann beschwert, beschwert er sich.“ Jetzt drehte sie wieder ihren Kopf hin und her, die Brust immer stärker aufgeblasen. „Schau mich an: Ein Jin für zwei Tage und DAS ist aus mir geworden. Ewig gefangen in allem Möglichen…“ Verdattert blinzelte er. „Was? Ich lasse mir doch nichts von einer Taube sagen. Jin hat mich verführt, er hat mich dazu gebracht es zu mögen, verdammt…“ „Hat er dich gezwungen?“, kam eine einfache Frage, vor der er fast Angst hatte. Röte stieg in sein Gesicht, Bilder dieser goldenen Augen schlichen sich in seine Gedanken. „Nein, aber…“ „Wieso willst du dann nicht…genießen?“, verlangte die Taube zu wissen, starrte ihn aus ihren roten Augen an, starrte ihn an und nahm ihm alle Antworten. Er konnte nichts darauf sagen, war einfach nur sprachlos. Sekunden vergingen, wurden zu Minuten, während sie sich einfach nur anschauten, bis endlich etwas die Stimmung durchbrach. „Was ist hier los?“ Diese dunkle, tiefe Stimme, die seinen ganzen Körper vibrieren ließ und die Frage fast wieder aufnahm, die ihm Sarah zuletzt gestellt hatte. „Oh…Oh…gurrgurr…guhur“, gurrte die Taube jetzt aufgeregt, erhob sich lautstark in die Lüfte – nur um auf Marks Schulter zu landen, dessen Finger sich so unwirklich anfühlten, dass ihm die Decke langsam hinunter rutschte. Im letzten Moment ergriff er sie wieder, zog sie hoch und versuchte Jin nicht zu sehen – was nicht wirklich gelang, so gar nicht gelang, als Sarah auch noch: „Wunderbarer Dschinn, perfekt…“, herausbrachte. „Verschwinde von hier“, mischte sich Jin kalt, befehlend ein, kam immer näher, während die Taube aufgeregt hin und her rutschte und sich halb hinter ihm zu verstecken suchte. „Dschinns gefährlich, aber ich weiß, verstehe, wieso du verfallen bist – er ist ja noch dazu so nett zu dir, so fürsorglich“, murmelte der Vogel ohne ihn überhaupt zu fragen, ob er hören wollte, und tat es einfach weiter. „Mich meiner zu einem halben Phönix gemacht, doch jedes Mal als etwas anderes geboren werden. Einmal Mücke – das war grausam. Mahlzeit ich nahm, erschlagen ich wurde. Klatsch machte es, Brei ich war. Das nächste Mal eine Eintagsfliege…Betrug. Ewigkeiten im Wasser, ein Wurm, bevor man sich kurz erheben kann. Fliegen kann ich, ewiges Leben hab ich, doch zu welchem Preis“, sinnierte Sarah jetzt in sein Ohr, piekste ihn mit ihrem Schnabel immer wieder, immer aufgeregter. „Geh weg! Du gehörst nicht hierher, also lass deine Federn von meinem Markus“, klang es beinahe eifersüchtig in Marks Ohren wider, brachte ihn dazu genauer hinzusehen, die goldenen Augen zu sehen. Eine Hand seines Dschinns raste nach vorne. Lautes Flattern brach aus, erklang neben ihm, als sich der Vogel aufgeregt erhob und „ru, ru“, gurrte. „Eifersüchtig. Jetzt bin ich wirklich neidisch“, flüsterte sie ihm auch gleich darauf wieder zu, ließ sich auf seiner anderen Schulter nieder. „Ich kann dir helfen, habe tausende Jahre Erfahrung und kann geben so viel. Und ich will nicht wieder alleine…“, klagte sie ängstlich, mitleiderregend. „Was?“, begann er, gefangen in einem so eigenartigen Schauspiel, dass er hätte lachen können, wenn es nicht so verrückt gewesen wäre, „was zum Henker geht hier vor? Hast du nicht…?“ Die Frage blieb Sekunden in der Luft hängen, bevor alle Aufmerksamkeit ihm zu fiel, die Spannung kurz verflog, nur um ihn gefangen zu nehmen. Jin wandte sich ihm zu, der Blick einen Moment so aggressiv, dass sich seine Nackenhärchen mit rasender Geschwindigkeit aufstellten, alles aber gleich wieder hinter dem amüsierten Blick verschwand. „Nein, aber wenn das dein Wunsch wäre…“ „Halt, nein, ich habe so etwas nie gesagt!“, schrie er noch bevor er sich bewusst wurde, was das alles sollte, was er damit bezweckte, und die Hände, in denen er die Decke festhielt, vor seiner Brust verschränkte, zu erschöpft um ernsthaft wütend zu sein. „Du verdammter…glaub nicht, dass ich irgendetwas vergesse. Und was soll das alles hier? Wenn du es nicht warst…?“ Wie von selbst rasten seine Gedanken, bildeten Brücken, Verknüpfungen ohne sein Wissen, bis das Spannen zu groß wurde, förmlich auf seiner Zunge explodierte: „Wieso kann dieser verdammte Vogel dann sprechen? Und wieso ist er hier? Und wieso zum Henker muss ich mich damit überhaupt noch herumschlagen? Lasst mich damit in Ruhe und macht das unter euch aus. Am besten ihr verschw…“ Noch bevor er den Satz beenden konnte, schrie er schon „Au“. Etwas zerrte, piekste ihn in seinem Ohr und erfüllte alles mit diesem furchtbaren Flattern, das immer wieder gegen seinen Kopf prallte. „Ruuuh…Ru! Gefahr! Umbringen…!“, gurrte ihm Sarah direkt ins Ohr, hackte zwischen jedem Wort darauf ein, immer energischer, bis plötzlich eine Hand an ihm vorbeischoss und alles stoppte. Halb aus dem Augenwinkel sah er, wie die Taube starr in Jins Fingern lag, bewegungslos verharrte. Momente verstrichen, ohne dass etwas sich rührte, doch dann brach das Chaos endgültig aus. Wild flatterte der Vogel los, gurrte, fiepte und schrie panisch: „Hilfe!“, starrte ihn flehentlich an. Sein Dschinn grinste nur, die Hand fest um Sarah gelegt und hob sie etwas hoch. „Du wirst deinen Dienst als Fleisch tun…“ „NEIN!“, kreischte die Taube jetzt förmlich, fixierte ihn mit diesen roten Augen, Panik beinahe sichtbar, doch in den Worten so deutlich: „NEIN! Will…leben. Kann helfen! Ich kann…dir helfen! Nicht sterben…rette mich! Kann auch Dschinn helfen, kann dir helfen! BITTE!“ Wieder und wieder schrie sie so nah an seinem Ohr, schrie um ihr Leben, so laut, dass es schmerzte. Sein Magen krampfte sich zusammen, drehte und wand sich mit jedem Wort, fühlte beinahe mit. Er schüttelte den Kopf, schluckte bei dem Entschluss, den er getroffen hatte und griff dann nach vorne, die Handfläche nach oben gedreht und seufzte. „Lass sie frei. Ich…ich will das nicht Tage im Ohr haben. Der Regenwurm war schon genug…also bitte….“, schwindelte er, schluckte wieder, als er den kalten Blick sah, schauderte. Doch dann flatterte etwas an seinem Gesicht vorbei, schnell, und verschwand, nahm den furchtbaren Ausdruck aus den goldenen Augen mit. „Wie du wünschst…“, hallte es viel zu freundlich in seinen Ohren wider. Als er wieder auf die Hand sah, war in ihr ein weißes Häufchen und keine Taube mehr weit und breit, aber ein Wunsch mehr ausgesprochen. Er seufzte. „Natürlich…und nicht einmal ein Dank, sondern nur Scheiße. Scheiße wie alles hier ist“, murmelte er und fing an sich an der Decke abzuwischen, merkte nicht, wie ein Teil hinunter rutschte, bis langsam sein Hals zu kribbeln anfing und er aufblickte – und die Augen aufriss. Jin lächelte nicht, sondern leckte sich langsam mit der Zunge über die Lippe, starrte ihn an, bis er leise wieder etwas pochen fühlte, Wärme spürte, wo sie nicht hingehörte. Er schaute, schaute hinunter und zog so schnell wie möglich das Stück Stoff wieder hoch. „Ähm…scheiße. Das hat nichts zu bedeuten, nein…“, redete er mehr mit sich selbst und versuchte alles zu ignorieren, besonders nicht mehr wahrzunehmen – ohne Erfolg. „Sicher? Du weißt es doch inzwischen. Du, mein Markus, mochtest es und du wirst es wieder genießen. Also wieso…“ „Halt den Mund! Ich will das nicht hören. Ich war einfach nur verzweifelt und…verwirrt. Mein Verstand hat sich verabschiedet und das hat nichts, gar nichts mit mir zu tun. Es hat nichts zu sagen, dass es mir gefiel“, redete er sich immer tiefer hinein, biss sich schließlich auf die Zunge und trat einen Schritt zurück, nur um dann doch wieder etwas zu murmeln. „Und du bist hier der Böse…“ „…weil ich dir gezeigt habe, was dir gefällt? Weil du es genossen hast?“, ergänzte sein Jin mit einen Blick, der ihn wieder zittern ließ und ihm alle Gedanken raubte. „Ja!“, schrie er beinahe, ließ seinen Mund offen hängen, als ihm bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. „Also nein, ja…aber nein…also…zum Henker, ich will nicht darüber reden…“, stotterte er verzweifelt, wollte, musste etwas anderes finden, „und…also…dieser eingebildete Dschinn sagte, dass du deine Herrn umbringst…“ Im selben Moment verdüsterten sich Jins Augen, wurden berechnend, nur um dann gleich wieder zu strahlen. Mark schluckte bei dem Anblick, zuckte beinahe panisch zusammen, als eine Hand vor ihm auftauchte, in seine Richtung kam. Sein Herz klopfte wild, immer stärker, hallte in seinem Hals wieder. Er wackelte, biss sich verzweifelt auf die Unterlippe, um fest stehen zu bleiben, als sich Finger auf seine Wange legten und sanft darüber streichelten, so beruhigend… „Behauptungen sind etwas eigenartiges, genauso wie die Zeit, nicht wahr?“, hörte er die so markante Stimme immer näher an seinem Ohr, so tief und wohlig, dass sein ganzer Körper nicht anders konnte als sich zu entspannen und die Müdigkeit zu spüren, die sich gerade in ihn schlich. „Wem glaubst du eher?“, setzte Jin fort, stellte eine Frage, die er nicht beantworten konnte. Sein Mund öffnete sich, doch es kam kein Ton heraus, kein Gedanke sinnvoll. „Doch es ist egal. Die Vergangenheit ist vergangen, die Zeiten, in denen ich nie die Wahl hatte vergangen. Die Partnerschaft zwischen Dschinn und Mensch hält so lange, bis einer der beiden stirbt – und erst dann ist der Überlebende wieder frei. Keine Wahl zu haben, in einen Schlaf zu fallen, bis der Nächste kommt, ist mehr als ärgerlich, eine Qual. Ich hasste jeden einzelnen, jeden dieser Spielverderber und wieso sollte ich mich nicht amüsieren, auf ihre Kosten meinen Spaß haben? Aber diesmal bist du mein Partner, mein, der, den ICH ausgesucht habe. Du bist es wert, bist amüsant und mein Geliebter und damit musst du nichts fürchten…“, flüstere er ihm zu, so süß und doch bitter gleichzeitig. Mark starrte nur entsetzt nach vorne, sah nichts mehr, seine Kehle trocken, so unendlich trocken. Das einzige, was er noch zu Stande brachte war zu blinzeln, seine Augen zu befeuchten, während sein Gehirn sich langsam daran machte zu verarbeiten. „Ich…du…oh Gott…“, murmelte er, die Angst nur noch eine einzige brodelnde Masse, die alles zu verdecken anfing, seinen ganzen Körper zum Zittern brachte und seine Schläfen mit voller Kraft pochen ließ. „Bis einer tot…und…du hast dich amü…nein, oder?“ Seine Stimme versagte, gab auf, als er versuchte, das Unfassbare zu fassen, Worte zu finden. Langsam verwandelte sich der Alptraum in eine Hölle… „Ich sagte es schon: Dir werde ich nichts tun…“, begann Jin sanft, doch dann wurde er von einem Flattern und lautem Gurren unterbrochen. „Du bist sein…sein…Geliebter. Dschinns bringen um, Böse bringen um, doch nie die, die sie zeichnen“, schrie Sarah jetzt wieder in sein Ohr, ließ sich auf seiner Schulter nieder und schlug mit ihrem Flügel kräftig gegen seinen Kopf. „Mag dich...doch nicht als Mann. Du bist groß, aber groß genug nicht. Will dich nicht…“, erklärte sie mit einem vorsichtigen Blick in Jins Richtung, dessen finstere Miene sich bei dieser Richtigstellung deutlich hellte, „und du sein Gefäß. Dschinns können nur bleiben, solange ihr Gefäß Bestand hat. Und du beides für ihn bist – damit du wertvoll. Wenn du stirbst, verliert Jin seinen Halt, verliert sein Gegenstück…“ Doch bevor sie noch beenden konnte, sah er Jins Hand, sah sie sich um die Taube schließen, zudrücken und hörte ein bedrohliches: „Ruhe“, was ihn wieder aus seiner Starre riss. „Was? Wieso?“, tastete er sich langsam wieder in die Realität vor, streckte seinen Arm aus, legte seine Finger auf die seines Dschinns, die Angst wieder verfolgen. Seine Zähne knirschten, seine Gedanken drängten hinaus, Frust allgegenwärtig. „Wieso kann mein Leben nicht einfach sein? Wieso erzählt mir eine Straßentaube mehr als der perverse Dschinn – DU – und was zum Henker hat das alles zu bedeuten? Ich will es jetzt wissen und ich will nichts mehr von dem Sex hören…und lass diesen Vogel mit Sprachfehler frei…“ „Ich habe keine Sprachfehler“, meckerte im selben Moment auch schon Sarah wieder, plusterte sich auf und sah dabei deutlich unglücklich aus, „ich nur habe lange nicht mehr gesprochen. Also mach dich nicht lustig!“ Und damit flatterte sie schon wieder los, setzte sich auf seine Schulter wie ein Papagei und fing an mit ihrem Schnabel ihre Federn zu durchsuchen, nur um dann noch: „Und hier gefällt es mir…ich werde euch helfen“, zu sagen. Mark schüttelte nur noch den Kopf, hob die Hand und schlug sie sich mit vollem Elan gegen die Stirn, rollte mit den Augen. „Oh toll. Jetzt will mir auch noch eine Taube helfen…als ob ich noch nicht genug mit dem perversen Dschinn und meiner verrückten Oma zu tun hätte…“ „Mein Markus“, hörte er, hallte in seinen Gedanken wieder, bis er hinter sich Wärme fühlte, die sich um ihn legte und ihn umschmeichelte. Er bewegte sich hin und her, versuchte sich aus der Umarmung zu befreien, zu ignorieren, was hier wohin floss, und murmelte nur noch: „Nein, verdammt noch mal. Ich will Antworten und nicht wieder hören, dass ich das hier genieße…das weiß ich. Sonst verschwinde, zum Henker noch einmal.“ „Dieses eine Mal ohne Wunsch, mein Markus“, gelangte es einem Windhauch gleich in sein Ohr. „Ein Dschinn kann nur solange hier – in diesem Fast-Paradies, das ihr dummen Menschen nicht zu schätzen wisst – bleiben, solange er ein Gefäß hat. Verliert er es, verliert er seinen Halt und muss zurück in die Hölle aus der er kam, nur um dort schließlich zu verenden. Und ich habe dich gezeichnet, einen Lebenden gezeichnet mit einem Wunsch – und Wünsche können nicht rückgängig gemacht werden. Dazu bist du der, den ich will, den ich hatte und habe – mein Partner. Und du bist mehr als amüsant, deine Umgebung perfekt. Also wieso sollte ich dich umbringen?“ Bevor er noch etwas tun konnte, rutschte es ihm heraus: „Weil du verrückt bist…“ Lautes Lachen von zwei Seiten war sein Lohn, die Stimmung wieder merkwürdig beschwingt – auf seine Kosten. Er schnaufte, verdrehte die Augen und zog dann die Decke, die langsam unangenehm hin und her rutschte, wieder zurecht, nur um mitten in der Bewegung zu erstarren, obwohl die Wärme wich. „Markus?“, meldete sich seine Großmutter - der dritte Teil seines Alptraums - mit einer großen Einkaufstasche, einem Plastiksack ohne Schrift, reines Weiß, in der Hand. „Ich hätte ja nicht gedacht, dass du so verwirrt bist nach dem bisschen heute – herrje, am Tag und dann noch so, fast die ganze Zeit so leise, dass man nicht vernünftig lauschen konnte“, bestätigte sie auch gleich all seine Befürchtungen, während er nur noch mit den Fingern an der Decke spielte und langsam nach vorne fliehen wollte. Schritt für Schritt bewegte er sich, ignorierte das Flattern auf seiner Schulter und flehte zu allen Göttern, die ihm einfielen, dass er von weiterem verschont bleiben möge. Doch scheinbar hatten sie kein Mitleid mit ihm oder hörten gerade nicht zu. Seine Großmutter zwinkerte ihm zu. „Na hoffentlich hat er dir genug ‚Aufmerksamkeit‘ geschenkt. Hast du doch, mein werter…“ „Oh nein, nein, NEIN!“, platzte er in ihre Ausführungen hinein, stampfte auf den Boden und versuchte zu verhindern, dass jemand seine roten Wangen sah, indem er seine Hände wild vor sich hin und her schwang. „Ich bin auch noch da, zum Henker noch einmal und ich habe eine Freundin – hatte sie, bis ihr hier alles ruiniert habt. Ich will nicht schwul sein, will nicht darüber reden und will nichts mehr davon hören, sonst siehst du mich nie wieder, Oma!“, drohte er und stapfte weiter in Richtung Haus. „Aber Markus, das kannst du doch nicht ernst meinen. Deine liebe Oma ignorieren, wie soll ich das nur aushalten? Ich bin doch schon so alt und gebrechlich…und außerdem magst du mich doch viel zu sehr dafür.“ Dabei machte sie ausladende Gesten, hielt sich gleich darauf den Rücken und ruinierte ihren Versuch glaubhaft zu wirken nur damit, dass sie das Lachen kaum unterdrücken konnte und viel zu agil aussah. Sarah auf seinen Schultern, warf ihren Kopf immer wieder gegen seinen, versuchte ihn dazu zu bringen stehen zu bleiben und starrte die ganze Zeit seine Großmutter an. Genau in dem Augenblick, als er sich ein wenig drehte, richtete sie sich auf, der Blick nur auf die Taube gerichtet, die sie jetzt wohl bemerkt hatte. „Markus…wie soll ich dir das jetzt schonend erklären? Machen wir es lieber schnell und schmerzlos: Auf dir sitzt eine Taube der nicht so hübschen Sorte…“ Er seufzte nur noch, ignorierte die wütenden Proteste von Sarah, die jetzt mit ihrem Schnabel klopfte wie ein Specht, erst innehielt, als Jin hin griff und mit einem Ruck eine Feder zog. „AU!“, war zu hören und Sarah war still, strich über ihre wunde Stelle und seine Großmutter wartete scheinbar noch immer auf eine Antwort, die Augenbraue oben, die Tasche in der Hand in kräftigem Schwung. „Ähm…ich…ich hörte etwas…bin…raus gerannt. Und…da…fand ich die Taube. Hat sich einen Flügel gebrochen“, stotterte, log er, um irgendeine Erklärung zu finden und alles möglichst schnell zu beenden. „Aber sie sieht nicht…“, wollte seine Großmutter schon einwenden, doch stoppte dann. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sarah einen Flügel halb ausstreckte und damit hin und her zitterte. „Anstrengend…dafür will ich Körner…“, flüsterte sie ihm ins Ohr und schwankte dabei gespielt hilflos auf seiner Schulter in alle Richtungen, worauf Mark nur noch mit den Augen rollen konnte. Es war alles zu verrückt, viel zu verrückt. Seine Großmutter neigte ihren Kopf zur Seite, die Augenbrauen noch immer hoch gezogen, bevor sie anfing zu lächeln. „Ach mei, ist das süß. Jetzt hast du sogar schon Mutterinstinkte entwickelt. Ich würde vorschlagen du ziehst dir etwas an und dann bringt dich Jin zum Arzt.“ Dabei musste sie kichern, fächelte sich mit der Hand Luft zu, bevor sie fortsetzte: „Naja, ich meinte zum Tierarzt. Und ich…“, schmetterte sie das so freudig hervor, schwang die Tasche wie ein kleines Kind immer höher, bis sie sich überschlug, immer wieder drehte und schließlich mit einem „Ups“, davon segelte – und direkt vor seinen Füßen landete. „Interessant…“, gurrte ihm Sarah ins Ohr und wie von alleine wanderte sein Blick hinunter, dorthin, wo jetzt etwas Grauenhaftes lag, verstreut über die ganze Wiese. Mark riss die Augen auf, der Mund weit offen. Irgendwie brachte er: „Oh…nein…“, noch heraus, blinzelte und versuchte sich verzweifelt einzureden, dass auf der Wiese keine Auswahl an Gleitgelen, Vibratoren und Sachen lag, die er nicht kannte und nicht kennen wollte. Er wollte nicht wissen, was seine Großmutter vielleicht machte, wollte es sich nicht einmal in seinen Alpträumen vorstellen, doch langsam schlich sich ein Bild ein und er drehte sich hilfesuchend um, seufzte erleichtert, als er Jin sah. Zumindest bis dieser die Hand ausstreckte und über seine Wange strich, damit ganz andere Gedanken in ihm auslöste. Und dann fing seine Großmutter wieder so unschuldig an, wanderte bei jedem Wort etwas weiter, bis er sie wieder sehen konnte: „Oh, entschuldigt. Das sollte eigentlich eine Überraschung sein, aber wie das Leben so spielt…tja, auf jeden Fall: Viel Spaß euch beiden damit. Ich hatte so das Gefühl, dass Jin diese Sachen vielleicht gerne ausprobieren will. Ein wenig Erfahrung mit Spielzeugen kann niemandem schaden – und so wie es sich anhörte, wirst du viel Spaß damit haben, Mark.“ Sie war verrückt. Jetzt konnte er nichts mehr sagen, eingekreist, umgeben, versuchte zu fliehen. Ein Schritt nach dem anderen stolperte er nach hinten, murmelte „Ich bin nicht schwul, ich habe, hatte eine Freundin“, verfolgt von allem, das Herz stärker und stärker pochend. Und dann wurde es zu viel. Mit letzter Anstrengung drehte er sich panisch um, schoss in Richtung Haus, etwas fest in seine Haut gebohrt das schmerzte, stieß die Gartentür auf, prallte mit der anderen Schulter gegen die Wand und schüttelte sich. Er sah hinab, sah die weiße Farbe, die auf der blauen Decke hängen blieb, blinzelte und schluckte, fühlte den Blick in seinem Nacken, die Blicke zu deutlich. Seine Augen schossen schnell wieder hoch, und er rannte hinein, so schnell er konnte. Halb blind von dem merkwürdigen Vibrieren in seinen Augäpfeln, tastete er sich vorwärts, die Treppe hinauf, ein Flattern in den Ohren, aufgeregtes Gurren viel zu nah. Er stürmte, raste den Weg weiter, bis er endlich an seinem Ziel ankam. Schwer atmend öffnete er die Tür, lehnte sich kurz dagegen, gab ihr Schwung, zu viel Schwung, hörte das dumpfe Geräusch, als sie an die Wand schrammte. Er blinzelte, schaute hin, sah es jetzt erst richtig. Das Zimmer war noch immer so blau wie er es in Erinnerung hatte, erinnerte ihn an alles, was passiert war, keine Befreiung, keine Hoffnung. Seine Augen brannten langsam und er konnte nur noch verzweifelt blinzeln, schüttelte den Kopf und fühlte mehr, wie die Decke durch seine tauben Finger rutschte, bedeutungslos auf den Boden fiel und er an nichts mehr denken konnte. Doch die Kälte, die ihn daraufhin traf, die ihn wieder zurückholte, brachte ihn dazu, nach etwas zu suchen mit dem er sich bedecken konnte und so raste sein Blick von hier nach da, sah nichts und doch etwas. Kleidung, irgendwo fand er sie endlich, zog sich seine Hose an und versuchte nicht daran zu denken, wieso die Sachen dort gelegen hatten. Gerade als er sein Hemd anziehen wollte, fühlte er langsam die Realität einbrechen, sah das Blut seine Schulter an der Stelle hinab tropfen, an der Sarah sich festgekrallt hatte. Finger wanderten schon darüber, bis er die Zähne zusammenbiss, zu nah dort hingekommen war, Schmerz ihn durchzuckte und er seine Hand wieder fallen ließ, das Hemd anzog. Er schüttelte den Kopf, murrte: „Dummer Vogel“ und wollte nur noch so schnell wie möglich hier raus, raus aus diesem Haus, raus aus dieser Stadt – irgendwohin. Genau das war es. Mit entschlossener Miene seufzte er noch einmal, bevor er zur Tür ging, die wieder zu war, wahrscheinlich von selbst zugefallen war, und legte seine Finger um den Griff. Eine Bewegung nur und sie war offen – und er erstarrte. Vor ihm stand sein Dschinn, blockierte den Eingang, die Taube auf seiner Schulter, und seine Hoffnungen zerbrochen. „Lass mich durch“, fauchte er jetzt regelrecht, stieß mit seinen Händen auf die Brust, drückte dagegen, doch ohne Erfolg. „Lass mich in Ruhe…lass mich hier raus…“ „Wenn du dir wünschst, dass ich dich durchlasse…“ Wieder dieses verschmitzte Lächeln, dieser furchtbare Ausdruck, der zu viel bedeuten konnte und ihn in den Wahnsinn trieb wie alles andere hier. Seine Finger verkrallten sich jetzt in dem Hemd, drückten zu, gaben ihm Halt, während ein Flügelschlag erklang. Momente später flatterte etwas an seinem Ohr vorbei und ließ sich auf seiner Schulter nieder, war ein Zeichen für all das hier, die Wiederholung dessen, was an diesem Tag schon so häufig passiert war. Er zog fester an dem Stoff in seiner Hand, schnaufte immer stärker, zitterte mit dem Kiefer, der Blick schon halb verschwommen, bis er nicht mehr konnte und er etwas dagegen tun musste. Er war nicht schwach, musste etwas dagegen tun. „Lass mich endlich in Ruhe! Ich bin ich und ich will entscheiden was ich tue. Ich bin nicht dein Spielzeug und ich will nicht als dein Opfer enden, also lass mich endlich in Ruhe! Ich gehe jetzt zu Barbara und erkläre ihr alles und dann wird sie…“, erklärte er mit fester Stimme, brüllte die Wörter förmlich heraus und stoppte erst, als etwas immer heftiger an seinen Haaren zog und er jetzt Jin wieder wahrnahm – und noch stärker zittern musste. Das Gesicht seines Peinigers war viel zu nah, der Blick zu kalt und es kam nur noch näher, bis er die Lippen sich bewegen sah und die Worte ihn wie Hammerschläge trafen: „Du gehörst mir, bist mein und ich werde dich nie gehen lassen.“ „Was?“, stotterte er, lehnte sich zurück, ließ panisch das Hemd los und wollte zurückweichen, ohne es zu schaffen. Gefangen von zwei Händen, die jetzt seine Kleidung hielten, starrte er nur noch, nahm dumpf wahr, wie sein Herz für zwei pochte und in seinem Hals widerhallte. „Ich, ich...“, begann er, räusperte sich, musste sich beruhigen und Wut sammeln. „Ich gehöre dir nicht und ich bin nicht schwul. Ich weiß nicht, was du gemacht hast, was du machst, aber ich will nicht mehr. Oma ist verrückt, denkt ich wäre schwul. Barbara tut es und selbst dieser Vollidiot tat es. Du hast sie alle verzaubert…und mich dazu. Sonst würde ich dich nie att…“, stoppte er sich selbst rechtzeitig genug, senkte den Kopf, vergrub seine Finger wieder in dem Hemd seines Dschinns. „Lass mich endlich damit in Ruhe. Ich will nicht abnormal sein, will dich nicht mögen müssen…und ich will nichts mehr von Dschinns wissen. Ihr dürft nicht einmal existieren, ihr existiert nicht! Wieso passiert das mir, wieso nur? Ich will das nicht mehr…“, verlor er sich in seinen Ausführungen, achtete auf nichts mehr und versuchte alles hier zu ignorieren und schloss die Augen, nur um sie Sekunden später erschreckt aufzureißen. Sarah imitierte wieder einen Specht, klopfte auf seine Haut ein und regte sich dabei auf. „Du in Selbstmitleid schwimmst. Du hast dir einige davon ausgesucht, andere angezogen – und die sehen was du wirklich…bist. Anstatt in Selbstmitleid zu baden, nutzen du solltest was du hast. Die anderen sehen was wirklich, sehen, dass du Jin magst – also nutze! Nutze, anstatt dich nutzen zu lassen…“, schlug sie vor, flüsterte in sein Ohr, erzeugte damit Bilder, die er nicht haben wollte: Jin unter ihm und genau dort hörte das Ganze abrupt auf zu existieren, zerbrach und drehte sich um, drehte sich so, dass es sein ‚Abenteuer‘ widerspiegelte, die Emotionen hervorhob, die er in Ekstase gefühlt hatte, bis er rot wurde. „Ich soll Jin…“, brachte er noch heraus, senkte den Kopf noch mehr, um zu verbergen, was sicher da war und lenkte sich gleichzeitig ab. Unhörbar leise nuschelte er: „Nein, ich will keinen Sex und auf keinen Fall SO…“ Gellendes Lachen erklang, hallte in dem Raum förmlich wieder, von zwei Seiten getragen und er schaute auf, sah Jin, der ihn langsam die Wand entlang in Richtung Bett mitgezogen, jetzt dort lehnte und den Kopf in den Nacken geworfen hatte. Sarah brachte zwischen dem amüsierten Gurren noch: „Nicht so…oh Gott, er ist Luft...und so ungeeignet für so etwas…er stößt. Aber du bist sicher, wollte ich sagen…“, hervor. Doch dann wurde sie plötzlich wieder ernst, während Jin noch lachte und keine Tendenzen mehr zeigte, der Taube das Genick zu brechen. „Aber weißt du eigentlich“, begann sie plötzlich fast einwandfrei, „wie viel Glück du hattest? Und unterbrich mich nicht…“ Ihr Schnabel lag inzwischen schon fast auf seinem Ohr. „Tausende starben und litten durch Dschinns, selbst wenn diese ihnen zu helfen…zu helfen versuchten. Ich habe es in den letzten Jahrhunderten schon so oft gesehen, habe Städte untergehen sehen, Kulturen, habe Unmögliches gesehen, doch das Schlimmste?“ Inzwischen klang sie mehr wehmütig, kreischte stellenweise beinahe. „Das Schlimmste ist zu sterben und tausendfach wiedergeboren zu werden – als Mücke, irgendein Vogel, als alles was Flügel hat und doch nur mit denen Reden, die einen Dschinn haben und früher oder später sterben. Angst vor dem Tod keine, aber Angst davor weiterzuleben…grausam bar jeder Beschreibung. Und du? Du alles hast, alles haben kannst. Du bist der Halt, bist etwas Unverzichtbares bei einem Dschinn, der Böse ist und dich damit nie gehen lassen wird – und nie sterben lassen wird, da er nichts als sein Wohl kennt. Du könntest es genießen, könntest Welten haben, doch deine einzige Sorge ist deine Moral.“ „Das muss ich mir nicht anhören und ich will hier nur we…“, redete er dazwischen, sobald er eine Pause fand, wütend über ihre Behauptungen, wütend, weil es sich so vernünftig anhörte. Mit einem letzten Pieksen schien sie ihre letzten Weisheiten mit ihm teilen zu wollen: „Müssen? Nein. Aber: Werd erwachsen!“ Und dann unterbrach Jin wieder alles: „Verschwendete Zeit, wenn man Spaß haben sollte. Sieh es ein, mein Markus: Ich werde dich nie gehen lassen...egal was es mich kostet und was es die Welt kostet. Ich warte nicht mehr auf das Paradies, diese Legende für diejenigen, die dumm genug sind, sondern schaffe mein eigenes und wenn Landstriche dafür weichen müssen, dass ich dich haben kann, dich freiwillig haben kann, dann werden sie es auch.“ Mark riss nur noch die Augen auf, starrte und starrte und schüttelte den Kopf. „Du bist verrückt. So geht das nicht. Selbst wenn ich dich mag…mögen würde…“, fing er an, stoppte, als etwas seinen Blick auf sich zog. All seine Aufmerksamkeit raste zum Fenster, gleich der von Sarah und Jin. Etwas knisterte dort, brachte die Vorhänge dazu sich zu kräuseln, zu rauchen, hin und her zu schwingen, bis plötzlich weiße und rote Flammen aufloderten, hoch schlugen und sich über die ganze Länge verteilten, anfingen förmlich daran zu fressen. „Weg hier“, kam ein Schrei, riss ihn etwas davon. Er fühlte den Zug, spürte, wie sein Jin ihn hochhob und förmlich aus dem Zimmer zerrte, das Knistern immer stärker und die Hitze ein ständiger Verfolger… Kapitel 7: …noch schlimmer? --------------------------- …noch schlimmer? Mark strampelte als Jin ihn noch weiter hoch hob, ihn schließlich über seine Schultern hievte und dann in einem irrwitzigen Tempo die Treppe hinunter lief, ihm so die Aussicht auf die merkwürdige Kugel ließ, die hinter ihnen aus der Tür raste. Gerade als sie um die Ecke bogen, prallte sie auf die gegenüber liegende Wand, krachte dagegen und flammte in einem Feuerball auf. Jetzt fühlte er sein Herz rasen, während er sich in das Hemd krallte, sich duckte und versuchte möglichst klein zu machen. Immer lauter pochte es, sprang förmlich bei jedem Schritt bei dem er auf und ab schwang, die Treppe hinunter. Es ging alles zu schnell, zu langsam. Immer wieder blinzelte er, schaute ängstlich in alle Richtungen ohne etwas zu entdecken und ohne beruhigt zu werden, die Rauchschwaden so lange zu sehen, bis sie förmlich um die Ecke schlitterten. „Was…“, wollte er fragen, doch keine Antwort kam und er zuckte nur panisch zusammen, als eine Tür an die Wand prallte, vibrierte, sie hinaus in den Garten rannten, der so sicher wirkte – oder auch nicht. Alles war viel zu offen, zu wenige Bäume um sich zu verstecken, zu viel Gras, zu viel. Schneller und schneller rasten seine Augen hin und her, suchten nach etwas, nach jemandem, nach dem Grund, der ihnen vielleicht gefolgt sein konnte. Doch da war nichts und er wähnte sich schon in Sicherheit, landete wieder auf seinen Beinen und schaute fragend zu Jin auf. „Es…“, begann dieser, bevor ein kreischendes „RU, RU!“, ertönte, Sarah tief an ihnen vorbeiflog und in Richtung Erde stürzte. Ein kräftiger Ruck riss ihn im gleichen Moment zu Boden, schleuderte ihn förmlich auf den Grund. Sofort legte sich eine Hand über ihn, drückte ihn hinunter, noch tiefer in das Gras, verhinderte seinen Versuch wieder aufzustehen, den er selbst wieder aufgab, als er eine in Flammen gebadete Kugel direkt über seinem Kopf zischen sah. Er blinzte, zitterte inzwischen nur noch, nur beruhigt von seinem Dschinn, der hier war. Und dann landete sein Blick auf der Häuserfassade, auf dem Fenster, das förmlich brannte und dessen zweite Scheibe mit einem lauten Knall zersplitterte. Flammen schlugen hinaus, erfüllten es, lösten sich schließlich von den Vorhängen, die nur noch in einzelnen Fetzen zu in der Luft flatterten und schwebten hinunter. Mark richtete sich wieder auf, Mund offen bei dem Schauspiel, und hielt sich an Jin fest, der mit einem grimmigen Ausdruck die Fäuste ballte. Das Feuer richtete sich auf, schlug zur Seite aus und bildete fast so etwas wie Flügeln, wie ein riesiger Vogel, der seine Flügel ausstreckte, wie ein Phönix. „Das ist doch nicht…“, murmelte er, fühlte sich an Videospiele erinnert, dachte jetzt fast an einen Dschinn und trat ein paar Schritte zurück, zurück hinter Jin, hinter den in diesem Augenblick so sympathischen Jin. Genau da explodierten die Flammen in diesem Moment mit einem ohrenbetäubenden Knall, trugen eine knisternde Stimme mit voller Wucht zu ihnen hinüber: „Ihr werdet mir nicht entkommen…alle Dschinns müssen sterben, all ihre Gefäße verschwinden!“ Jin wanderte bei jedem Wort Schritt für Schritt, stellte sich zwischen ihn und dieses Wesen, das gerade förmlich aus Feuer geboren wurde. Die Flammen wanden sich, flossen ineinander wie Wasser und vereinigten sich, trennten sich wieder und schlugen ein letztes Mal empor, bevor sie in einer riesigen Rauchschwade verschwanden und einen Mann zurückließen, der ganz in Rot gewandte und mit seinen roten Haaren aus der grünen Umgebung hervorstach. Der Mund war das auffälligste, viel zu groß und farbintensiv für dieses Gesicht und bewegte sich nur Millimeter, wenn er sprach, während eine eigenartige Schlinge in seiner linken Hand dabei immer wieder hin und her schwang. Etwas rührte sich. Hinter ihm die aufgeregten Schläge, Krallen in seiner Schulter, kreischte Sarah: „WEG, WEG! Du vermaledeite Mörder!“, und rüttelte ihn damit wieder wach. „Oh…Sarah, wie schön dich hier zu sehen – wobei es ja nicht überraschend ist. Wie ich sehe bist du diesmal auch nichts Besseres geworden…und danke, dass du mich hierher geführt hast, du dumme Mücke…“ Jedes Wort klang giftig, begleitet von weißen Schwaden, die dabei aus dem Mund aufstiegen. Die Taube flatterte immer aufgeregter, kaum noch fähig zwischen den Ausrufen, den abgehackten „Ru“, die Worte herauszubringen: „Mörder! Mörder! Verschwinde! Abscheuchlichkeit du! Angeber!“ Mark schaute nur hin und her, das aufgeregte Kreischen in seinem Ohr, den starren, verspannten Jin vor sich und murmelte nur wieder „Was?“ und schlotterte mit den Knien. Er schluckte den Knoten hinunter, der sich jetzt gebildet hatte, mit jedem Herzschlag hin und her vibrierte, bekam ihn nicht runter und biss sich schließlich auf die Zunge. Angst wollte er nicht mehr haben, wollte stark sein und selbst bestimmten, sich nicht beschützen lassen und es sogar gut finden. Schritt für Schritt trat er zur Seite, hinaus aus dem Schatte seines Dschinns, nur um wieder zu erstarren, als die glühend roten Augen des Fremden auf ihn fielen, ihn begutachteten und strahlten. „Oh, dann hat Jin wohl seine Taktik geändert. Wunderbar, jetzt kann ich dich endlich töten, jetzt wo du ein Gefäß hast. Jetzt wo du Abhängig bist…“, hörte er nur noch, sah mit Schrecken, wie sich der Mund anfing weit zu öffnen, der Kiefer unmöglich weit nach unten klappte. Alles ging so schnell, ließ ihm keine Zeit zu reagieren, als plötzlich eine weiße Kugel mit roten Mustern erschien, fiel und in der Schleuder der rechten Hand landete. Sofort fing dieser Semi-Phönix an, seinen Arm hin und her zu wirbel, in großen Kreisen neben sich zu schwingen. „RUNTER!“, hörte er noch, schaute kurz ratlos zu Jin, der ihn am Arm ergriff, ihn zu sich zog - genau in dem Moment, in dem die Kugel in Flammen aufging und durch die Luft schoss. Ein heißer Schwall, eine Druckwelle raste an ihnen vorbei, als das Ding über sie hinweg fegte, an einen Baum krachte und in einem monströsen Lärm in alle Richtungen davonstob. Feiner Staub erfüllte die Luft, blieb am Gras und anderen Pflanzen hängen, entzündete sich wie von selbst und setzte alles in Brand. „VERDAMMTE SCHEISSE!“, schrie Mark, klopfte sich wild auf den Arm, wo eines dieser Glutnester aufflammte, konnte nicht anders, als besorgt zu Jin zu schauen, der über ihm lag, ihn beschützte. Zerknirscht bestätigte dieser: „Das ist…wahr.“, und er sah jetzt kleine Flammen auf dem Rücken seines Dschinns, hob seine Arme, biss die Zähne zusammen und klopfte sie aus, sah sich in diesen wenigen Augenblicken um, und riss dann seine Lider erschreckt auf. „Oma…!“ Sorge überflutete ihn und er fing an aufzuspringen, fühlte den Druck, den Widerstand, der ihn festhielt und wollte fauchen, als er das Kopfschütteln sah und ein „Sie ist in Sicherheit“, hörte. Erleichtert atmete er auf, vergaß für einen Moment alles, nur um gleich wieder bei dem leisen Knistern daran erinnert zu werden, was hier vorging. „Scheiße! Wir müssen hier weg…tu etwas dagegen, tu doch etwas gegen dieses Monster! Mach ihn unschädlich! Ich wünsche es mir!“, brüllte er voller Angst, drückte sich mit seinen Beinen vom Boden weg, wollte nur noch fliehen, bis er das Leuchten in Jins Augen sah. Mit einem einzigen Satz stand Jin schon, richtete sich mit einer Eleganz auf, die Mark in Staunen versetzte und blieb ungerührt stehen. Inzwischen fühlte er einen sanften Windhauch um sich herum streichen, der nur noch stärker wurde, als er sich wieder vom Boden erhoben hatte und die Szene so unwirklich vorfand. Der glückliche Ausdruck war unterdessen aus dem Gesicht ihres Feindes gewichen, eine Kugel knisternd in dessen Hand, feiner Staub rundherum, der sich selbst in der Luft entzündete und wie ein Regen aus Feuer auf den Boden hinab prasselte. „Du wirst mich nicht wieder besiegen, Jin. Diesmal werde ich dich töten. Diesmal…“ Noch bevor er den Satz beendete, schleuderte er die brennende Kugel los, ein wütender Kriegsschrei auf den Lippen. Mit einem lauten Zischen schossen die Flammen hoch, wurden zu einem Schweif, der hinter dem Geschoss Sekunden in der Luft hängen blieb wie das, was er begleitete, wie eingefroren wirkte, gehalten von einem stetigen Wind der gleichzeitig an seiner Kleidung zerrte. Und dann lief alles wie in Zeitlupe ab. Das Lächeln auf Jins Gesicht wurde nur noch deutlicher, grausamer, als er seine Hand langsam hob. „So wie die letzten Male? Du bist schwach und wie immer wird dein geborgtes Flämmchen in meinem Sturm untergehen.“ „Nein, du…“, spuckte ihr Gegner aus, schleuderte kleine Kügelchen, die aus seinem Mund tropften, mit seiner Schleuder los, ohne Erfolg. Jede einzelne von ihnen trieb ab, prallte gegen den Boden, gegen Bäume, bevor sie auch nur in ihre Nähe kommen konnten oder blieben neben der großen hängen wie kleine Geschwister, gefangen. Immer wieder versuchte ihre Feind es, spuckte und fluchte dabei, bis er schließlich: „Ich werde ihn umbringen, ich werde dein Gefäß umbringen!“, schrie und Jins Lächeln gefror. „Niemals.“ So ein kurzes Wort, so still dargebracht von seinem Dschinn, bevor die Hölle losbrach. Ein Sturm warf Mark zu Boden, drückte ihn mit aller Gewalt hinunter, Sarah neben ihm völlig bewegungslos, während er verzweifelt versuchte sich wieder zu lösen. Sein Blick wanderte hoch und er starrte wieder, wollte nicht mehr hinschauen, doch konnte sich nicht abwenden. Die Kugeln, die nur Momente zuvor in der Luft schwebten, drehten um, langsam getrieben, beschleunigten plötzlich vorbei an Bäumen, deren Äste im wilden Sturm abbrachen und wie in einem Wirbel hin und her taumelten, knarrten. Und dann brach alles zusammen. Die Geschosse, die Kugeln bewegten sich immer schneller, nahmen Geschwindigkeit auf, piffen in einem furchtbar schrillen Ton, bis sie kurz still waren, auf ihren Feind prallten, aufflammten. Jedes Mal, wenn eine traf, zuckte ihr Gegner, schrie, riss den viel zu großen Mund auf, in dem weiß über weiß zu sehen war. Doch das war nicht das Ende. Fast gleichzeitig drehten die Baumteile, die durch die Luft schwirrten wie eins in eine Richtung, hielten an, nur um dann wie Pfeile immer schneller zu werden. Wie Geschosse sausten sie durch die Luft - und trafen. Mark zuckte zusammen, als sich die Äste mit voller Wucht in das Fleisch ihres Gegners bohrten, stecken blieben und nur einzelne Tropfen hinausließen, wieder und wieder gedreht wurden, von nichts, von Wind, hinaus gezerrt wurden, nur um gleich wieder mit einem grausamen Ton hinein gerammt zu werden. Jedes Mal ein gellender Schrei, ein furchtbares Geräusch, das ihm den Magen umdrehte und alles Blut weichen ließ. Seine Hand wanderte zu seinem Mund, ängstlich, dass er gleich nicht mehr konnte, das Schauspiel zu brutal um es noch in Worte zu fassen. Momente später hob Jin wieder seinen Arm winkelte ihn an, nur um ihn dann in einer rasenden Bewegung in Richtung seines Gegners auszustrecken. Ein „Jetzt“ fegte durch den Garten, teilte alles an Laub und Ast, das sich in seinem Weg befand, bis es wohl ankam. Eine rote Fontäne spritzte hoch, nur noch ein Gurgeln zu hören, der Hals des Gegners merkwürdig verdreht und halb zur Seite hängend. Sekunden blieb der Mann noch stehen, bevor er nach hinten kippte und Marks Magen bei den Massen an Rot endgültig rebellierte. Würgend beugte er sich vornüber, brachte nichts hinaus und schnappte verzweifelt nach Luft, versuchte sich zu beruhigen. Kleine Fäden an Spucke, an Galle, waren das einzige, was herauskam; es brannte, trieb ihm die Tränen in die geschlossenen Augen. Schlucken war unmöglich, brachte jedes Mal nur wieder Anfälle mit sich; er krallte sich am Gras fest, bis ein warmer Wind über ihn fegte, eine Hand sich auf seine Haare legte und fast zärtlich über seine Kopf strich. Wieder und wieder diese sanften Berührungen, der leichte Druck, der alles mit sich nahm und ihn wieder beruhigte. So hörte sein Magen langsam wieder auf sich zu winden und der Drang etwas loszuwerden verging, alles wurde wieder besser, bis er endlich wieder die Augen öffnen konnte und sie gleich wieder schließen musste, die Sonne zu stark. Ein neuer Versuch folgte sogleich und mit etwas Blinzeln, vertrieb er das Blendende, die Tränen, die halb an seinen Lidern klebten und schaute sich nach der Hand um, die mit einem Schlag verschwunden war. „Jin?“, flüsterte er, sicher, dass es seine Finger gewesen waren, suchte weiter und fand ihn nur einen Meter hinter sich, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, der Blick so schnell wieder amüsiert, dass der vorige Ausdruck, den er nicht identifizieren hatte können, wie ein Trugbild erschien. Er wollte schon fragen, bis sein Blick auf der Leiche landete, die jetzt nicht mehr zu erkennen war. Flammen knisterten, zischten, bis sie mit einem lauten Knall emporschlugen, wo der Tote vor seinem Anfall gelegen hatte, zogen Rauchschwaden mit sich, die hin und her schwankten, zerrissen wurden und in der Luftströmung zu Grunde gingen. Immer wieder loderte das Feuer stärker auf, schien zu kämpfen, nur um im gleichen Moment ineinander getrieben zu werden und in sich zusammenzustürzen. „Was…?“, begann er, unfähig sich schon von dem Anblick zu lösen, schüttelte den Kopf und fixierte Jin – das einzig normale hier. „Oh Gott…er ist tot. Was war das?“, drang gleichzeitig eine Frage und pures Entsetzen hervor. Jin schien nicht sehr erfreut, als die Flammen immer größer wurden, die Mundwinkel deutlich nach unten gezogen, bis er sich wieder ihm zuwandte und nur: „Etwas Schlechtes“, antwortete. „Ein Dschinn-Jäger ist er, Duran heißt er“, schreckte ihn Sarahs Stimme direkt in seinem Ohr hoch, die Krallen wie viel zu oft auf seiner Schulter. „Intelligent manchmal er ist, ein Phönix. Er wird aus seiner Asche wiedererstehen – braucht nur etwas Zei…“ In einem lauten Kreischen endete der Satz, in panischen Flügelschlägen, der Kopf der Taube mit den Fingern einer Hand gefährlich nach hinten gedreht. Mark schluckte, starrte Sekunden fassungslos wie versteinert Jin an, der die Zähne zusammengebissen hatte, so offensichtlich durch den offenen Mund zu sehen. Immer weiter drückte sein Dschinn den Kopf hinunter, war kurz davor, den Vogel umzubringen – so wie diesen Verrückten. Das hier konnte nicht wahr sein, nicht nach all dem hier. Sein Kopf fing langsam an zu pochen und er streckte schon seine Hand aus, wollte etwas sagen, doch dann kam ihm sein Jin zuvor: „Du hast ihn hierhergeführt, nicht wahr? Dafür sollte ich dich unendlich leiden lassen, leiden bis in alle Ewigkeit, doch ein neues Leben wird dir im Moment wohl genug Qualen bereiten, bis ich dich wieder gefunden habe. Das hier ist meine Welt und du hast dieses Insekt…dafür wirst du sterben.“ „Nei…Nein!“, krächzte Sarah, kaum noch verstehbar, „ich ihn nicht hergeführt. Er ist…mir gefolgt. Bitte, bitte, will nicht wiedergeboren werden. Tue alles…“ Dabei strampelte sie schwach mit den Beinen, noch immer gefangen und scheinbar am Ende ihrer Kräfte. Mark zitterte, seine Knie reine einzige schlotternde Gummimasse, während sein Blick wieder unwillkürlich zu dem Feuer wanderte, das jetzt kaum noch brannte, nur Asche hinterließ, die in alle Winde zerstreut wurde. Bilder des Kampfes, nein, des Massakers waren noch zu deutlich vor seinen Augen. Er schluckte. Ein Toter war genug für seinen Magen. Seine Hand, noch immer auf halbem Weg, beendete ihn bis sie etwas fühlte, sich auf Jins Arm legte. „Lass sie…sie will, sie hat ihn sicher nicht…nicht absichtlich hergeführt. Ich glaube nicht…“, stotterte er vor sich hin, unfähig sinnvoll auszudrücken, dass Sarah nur mit jemandem reden wollte und das sicher nicht aufs Spiel setzen würde, zumindest wenn er seiner beschränkten Menschenkenntnis trauen konnte. Seine Kehle war noch wie zugeschnürt, das Flattern so laut. Dabei versuchte er überzeugend zu sein, wollte es wirklich, doch im Moment blieb ihm nur seinen Dschinn anzustarren, so flehentlich zu schauen, wie es ihm möglich war, bis er den nächsten Versuch startete: „Sie will…ach zum Henker, du weißt doch, was ich meine, oder?“ – und aufgab. Mark seufzte, hatte das Gefühl alles würde viel zu lang dauerte, bis Jin endlich Sarahs Kopf los ließ, sie ihm in die Hand drückte, dabei sanft über seine Finger strich. „Danke, Danke, Danke…“, gurrte Sarah, „ich Wahrheit gesagt…ich…“ Der Blick seines Dschinns brachte sie so schnell zum Schweigen, dass es fast unheimlich war, nur um sich dann ihm zuzuwenden, die ersten Anzeichen eines Lächelns auf den Lippen: „Das war fast ein Wunsch, mein Markus. Du wolltest also doch mehr von meiner Aufmerksamkeit nach all dem? Wie wäre es mit einer Belohung…“ Stotternd öffnete Mark seinen Mund immer wieder, wie um etwas zu sagen, schloss ihn schließlich sprachlos und presste ihn zusammen. Die goldenen Augen schienen ihn einzuladen, herauszufordern, weckten wieder etwas in ihm, dass er nicht unterdrücken konnte. „Belohnung…aber nur dieses Mal…und nur weil…“, murmelte er kaum hörbar, atmete tief ein und ignorierte das leise Pochen unten, das laute oben in seinen Ohren, bewegte seinen Arm, bis er die viel zu weichen Haare fand, ihn um den Nacken legte und sich damit hochzog. Scheinbar ewig dauerte es, bis er oben war, dort war und seine Lippen sanft, zaghaft auf die seines Dschinns legte, fast zurückschreckte und nur von Fingern in seinem Rücken zurückgehalten wurde. Es kitzelte kurz, doch dieses Gefühl wurde in der Berührung, in dem Kribbeln ertränkt, das ihn mit sich ziehen wollte. Etwas Warmes strich sanft über seine Haut, reizte sie, zog sie leicht hinauf und an seinem Bein spürte er etwas Hartes, das ein so starker Kontrast war, so sehr dem gleichte, was ein anderer Teil seines Körpers gerade spürte. Langsam begann er sich zu verlieren, in Erinnerungen zu schwelgen, die ihm den Verstand raubten und so süß zu riechen schienen, schaute auf in diese goldenen Augen, so entrückt und glücklich. Vielleicht war mehr doch nicht schlecht… Doch genau in diesem Moment schrillte ein Gurren irgendwo in der Ferne und dabei so nah, unterbrach alles, das Hämmern in seinen Ohren so laut, dass sein Verstand beinahe schreien musste und seine Hand dazu brachte, kräftig an den Haaren in seinen Fingern zu zerren. Ein kalter Wind, der dem Blick in Jins Gesicht glich, fegte im gleichen Moment über seine Lippen, ließ ihn kurz bereuen, was er getan hatte – aber nur kurz. „Das…das…“, suchte er nach Fassung, zerrte weiter und ignorierte das Flattern in seiner anderen Hand, dachte angestrengt an kalte Duschen und vollbusige Frauen, was kläglich scheiterte. Ständig erschien sein Dschinn wieder vor seinem geistigen Auge, stand dazu auch hier direkt vor ihm und lenkte ihn viel zu sehr ab. Mit einem kräftigen Ruck an den Haaren löste sich die Hand von seinem Rücken, ein leises Grummeln war zu hören und er murmelte nur: „Das war…Belohnung…genug…“, begleitet von einem leisen Kichern zwischen seinen Fingern. Verwirrt schaute er dorthin, fand eine zitternde Sarah noch immer dort, den Schnabel in ihr Brustgefieder geklemmt, die Augen geschlossen. „Das ist nicht lustig!“, wies er sie zurecht und erntete dank seiner Unaufmerksamkeit wieder eine Hand um seinen Rücken, die ihn so nah an Jin zog, dass er dessen Erregung deutlich spürte und an seine eigene erinnert wurde. All das ließ seine Schläfen langsam wieder pochen, so stark hämmern, dass er die Taube los ließ, das Flattern hörte und sich nur noch mit den Fingern über seine Stirn strich, während die Hand seines Dschinns seinen Rücken entlang immer weiter hinunter wanderte und alles nur noch schlimmer machte. „Lass mich in Ruhe“, fauchte er schließlich genervt und versuchte seinem Körper wieder zu erklären, dass er sich seinem Kopf anschließen sollte… Jin hielt kurz inne, eine Hand nachdenklich an sein Kinn gelegt. „Hm…“, murmelte er, bevor er lächelte und: „Das würde keinen Spaß machen – außerdem sollten wir doch langsam geklärt haben, wie das mit dem alleine lassen funktioniert. Also mein lieber Markus…“, sagte. Es war unglaublich. „Sag nicht ‚mein Lieber‘! Ich bin nicht dein lieber…ich bin…und…argh…“ Dabei rollte er mit den Augen, stemmte sich gegen die halbe Umarmung, hatte keinen Erfolg, suchte das nächstliegende Ziel, um sich abzulenken und nicht auf dumme Ideen zu kommen. Sarah saß auf seiner Schulter, scheinbar völlig glücklich und nagte ein wenige an seinen Haaren. Er schnaufte. „Was soll das? Lass das! Reicht es nicht, dass ich einen, nein, zwei Verrückte fast ständig um mich herum habe? Jetzt bin ich auch noch mit einer durchgedrehten Taube gesegnet, die sich wohl für einen Papagei hält und mich für einen Piraten…“ Dabei versuchte er sie mit seiner Hand hinunter zu stoßen, hatte immer kurz Erfolg, nur um sie gleich darauf auf seiner anderen Seite vorzufinden, ein leises Kichern ständig in seinen Ohren. Ein kalter Hauch war der Vorbote der unzufriedenen Stimme: „Markus…“, klang sein Dschinn unzufrieden, schaute für einen kleinen Moment wie ein beleidigtes kleines Kind, bevor das Lächeln wieder erschien. Aschestücke flogen dabei langsam an ihm vorbei, segelten in alle Richtungen, während ihn dieser Blick gefangen hielt. „Küssen…Küssen…Sex…das ist schick…“, sang Sarah in sein Ohr. Er konnte sein Herz jetzt wieder laut hören, fühlte förmlich, wie es das Blut immer stärker in seinen schon hämmernden Kopf pumpte und ihn in den Wahnsinn trieb. Jeder Schlag ließ ihn zusammenzucken, alles zu viel für ihn. „Markus?“, potenzierte jetzt auch noch die Stimme seiner Großmutter alles. Sie stand mit den Armen in die Seite gestemmt vor dem letzten Häufchen Asche, dass von dem Dschinnjäger noch übrig war und schaute ihn zweifelnd an. „Was hast du angestellt? Ich musste nur kurz etwas holen, aber ich hätte nie gedacht, dass du dich aus Rache für ein wenig Spaß an meinen Pflanzen vergreifst…!“ Vorwurfsvoll klang es, vorwurfsvoll war es sicher gemeint und ließ seinen Nacken jetzt in das Konzert aus Spannung und Schmerz mit einstimmen. „Ich…“, wollte er einwenden, rieb sich noch einmal über die Stirn, ohne dass etwas besser wurde. „Ach Claudia, es gibt genügend Wälder, die durch ein wenig Brand gerade die Fähigkeit erlangen, weiter zu wachsen.“ Wie ein kalter Wind strich ihm die Stimme, strich ihm Jin, über den Kopf, beruhigte ihn. „Und außerdem war ich es und nicht Markus. Ich wollte ihm eine Freude machen“, klang er fast unschuldig, nett, „und ich denke wir werden uns jetzt wieder hinauf begeben, um wieder zur Ruhe zu kommen.“ Mark wunderte sich nicht mehr wirklich, als sein Blick kurz wanderte und das Fenster völlig unbeschädigt wirkte. Seine Großmutter kniff kurz die Augen zusammen, bevor sie langsam anfing, wieder ruhiger zu sprechen: „Oh, dann tut es mir leid. Aber dafür könntest du mir einen Gefallen tun, Jin. Also…wenn ihr hinaufgehen wollt, dann halte ich euch ganz sicher nicht davon ab.“ Damit wandte sie sich so schnell wieder um, wie sie erschienen war, bevor ihr wohl wieder etwas einfiel: „Barbara rief mich in den letzten Stunden immer wieder an, da du wohl noch immer kein Handy besitzt, dass du einschaltest. Ihre Sorgen waren ja schon beängstigend groß, also klär das – JETZT.“ Damit stapfte sie wieder durch das Gras zurück und drückte ihm ein vibrierendes Mobiltelefon in die Hand und erklärte auf seinen verwirrten Blick hin nur: „Die grüne Taste…“, und lief dann wieder fröhlich in Richtung Haus. „Das weiß ich!“, murrte er noch und hob ab, obwohl er Ruhe wollte. „Claudia“, war zu hören, „jetzt erzähl mir endlich…“ Seufzend fuhr er dazwischen: „Ich bin’s…“ „Oh“, erwiderte Barbara nur leise, bevor sie sich wieder fing und weiter redete, „Mark, Mark! Endlich habe ich dich erwischt. Du bist so schnell verschwunden und ich habe mir Stunden Vorwürfe gemacht, bis deine Oma mir endlich erklärt hat, was passiert ist. Du weißt ja nicht, wie schlecht ich mich fühle…ich hätte dir das nie SO sagen dürfen.“ Sie verfiel schon fast in einen Rausch, redete und redete, während seine Schläfen weiter pochten. „Ich würde mich gerne morgen mit dir treffen und Julius will dich auch unbedingt näher kennen lernen.“ Dabei schnaufte er. „Das sagst du mir, nachdem du mich abserviert hast und anscheinend kein Stück auf MEINE Meinung gibst? Und anstatt mit mir zu reden, fragst du Oma? Lass mich in Ruhe, wenn du sowieso nichts anderes willst, als weiter zu trampeln. Und ich will mit ihm aber nichts zu tun haben, ich will nichts mit Julius…“, erklärte er noch, bevor Jin ihm das Telefon aus der Hand riss und über seine Schläfen strich, ihn so sehr beruhigte, dass er nichts anderes als die Berührung wollte. „Morgen wieder am selben Ort zur Mittagsstunde und wir werden da sein. Also Barbara, richte Julius aus, er soll erscheinen wie letztes Mal und jetzt entschuldige uns und besonders Markus. Ihm geht es nicht ganz so gut – du kennst sicher die Wirkung eines Kopfschmerzes, der einen zur Verzweiflung treibt. Du hast alles richtig gemacht und er leidet nur unter dem nachwirkenden Einfluss seiner Eltern. Aber keine Sorge: Er wird sich wieder beruhigen und wir beide werden noch ein paar Dinge erledigen…bis Morgen.“ Sein Dschinn redete statt ihm, doch es war ihm egal und er schüttelte nur halbherzig den Kopf, wollte nach dem Telefon greifen, doch das Gespräch endete mit einem leisen Klick. „Und wir gehen hinauf.“, beschloss sein Jin. „Die Asche ist mehr als schlecht für uns beide und scheinbar für deinen Kopf besonders. Die Nacht ist doch deutlich besser für Spaß geeignet oder zumindest Ruhe. Außerdem scheint die Zeit der Ruhe schnell zu Ende zu gehen und…“, hörte er das Murmeln so besänftigend, so angenehm, zittere ein wenig, ließ sich führen, sein Kopf viel zu schwer. Kapitel 8: Beschleunigung…? - Teil 1 ------------------------------------ Beschleunigung…? Er gähnte, die Augen noch geschlossen, streckte dabei seine Arme ein wenig nach hinten, traf mit einer Hand auf das härtere Etwas unter seinem Kopf, der noch immer viel zu schwer war und nur von einem dumpfen Pochen erfüllt zu sein schien. Verwirrt fragte er mehr sich selbst: „Häh?“, blieb kurz still liegen, blinzelte und öffnete schließlich seine Lider. Doch bei dem Anblick, der sich ihm bot, schlossen sich seine Augen sofort wieder, so schnell wie möglich. Mark rieb über sein Gesicht, wollte den Schlaf vertreiben, hoffte, nur um sie nach einem Seufzen langsam wieder aufzumachen, ohne dass sich dieses eigenartige Bild änderte. Jin lag neben ihm, ein Arm ausgestreckt und damit sein harter Kopfkissenersatz. Das schlimmste jedoch war der starre Blick, gänzlich fixiert und auf ihn gerichtet. Die goldenen Augen waren so merkwürdig leer und glänzend, dass er leise: „Jin? Ist e…“ fragen musste, und gleich unterbrochen wurde – wie so häufig. „Shhhhhhh“, gurrte ihm Sarah ins Ohr, zog dabei wieder an seinen Haaren und murmelte: „Er schläft, erholt von Gift…“ weiter. Mark schüttelte nur ungläubig den Kopf, hob seine Hand, um damit auf seinen Dschinn zu zeigen, und fuchtelte ein wenig damit in die Richtung. „Er…Er…Augen…Er schläft doch nicht“, wollte er ihr klar machen und versicherte sich noch einmal, konnte das Gold noch immer so deutlich erkennen. Doch sie ließ sich davon nicht beeindrucken, tapste auf dem Bett immer näher zu ihm und fing dann an, leise zu erklären: „Hm? Er schläft. Weiß nicht, wie sie machen das, aber Gefahr so schneller bewusst. Dschinns hassen Angst, hassen ihre Welt. Wollen nicht zurück, verhindern das und blicken lieber. Aber Angst haben sie, wollen nicht einfach verschwinden hier – tot oder zurück in Heimat.“ Da legte sie ihren Kopf schief, sah offenbar, wie wenig Glauben er ihr schenken konnte und wie unsicher er gerade schaute, lange Momente Jins Bauch beobachtete, wie er sich langsam hob und senkte. Das und das Schweigen, die Tatsache, dass sein Bettpartner im Moment nichts sagte, sich nicht rührte und viel zu friedlich war... „Wieso? Was soll so schlimm sein an…an Heimat?“, wandte er sich schließlich wieder Sarah zu. „Und wieso rede ich jetzt eigentlich mit dir darüber?“ „Weil ich weiß und erzähle?“ Sie kicherte zwischen den Worten, wurde dann aber wieder etwas ernster. „Und weil ich von dir wissen will Sachen. Dschinns haben Angst vor Welt, in der sie machtlos, in der sie ohne Magie und die Hölle ist. Mehr konnte auch nicht…erfahren. Dschinns sehen Heimat als Hölle, furchtbare Hölle in der nur Tod und Verderben sie erwarten, in der sie nichts finden. Gefangene dort, ohne Möglichkeit zu entkommen.“ Mark lauschte ihr, die Augen schwer, aber das Interesse groß. Es klang wie eine Erklärung, wie etwas, was ihm Jins merkwürdiges Verhalten fast verständlich erscheinen lassen konnte - vielleicht. „Und wie schaut es dort aus? Wieso versuchen sie nicht von dort zu entkommen, wieso sind sie so verrückt…?“ Sarah legte ihren Kopf wieder auf die Seite, murmelte leise etwas von „Körnern“, bevor sie so etwas wie seufzte. „Ich weiß nicht. Aber wolltest du in Hölle zurück? Würdest du ‚normal‘ sein, wenn du in einem grausamen Ort aufgewachsen? Und hier, hier sind sie Gefangene der Menschen – die einzige Möglichkeit Magie auszuüben, sich ‚unterzuordnen‘. Also…“ Dabei tapste, nein sprang sie näher zu ihm, ließ ihm keine Zeit mehr, aus seinem geöffneten Mund auch noch ein Wort hinaus zu lassen. „Aber jetzt ich will wissen, will wissen, wieso du wehrst dich gegen Jin.“ „Weil er mich dazu bringen will, weil er versucht, weil er mir keine Wahl lässt. Ich bin nicht schwul“, stammelte er ohne lange nachzudenken das, was er in den letzten Tagen schon so oft zu sich selbst gesagt hatte, schon fast wie eine Formel, ein Gebet für ihn war – an das er nicht immer glauben konnte. Lange darüber nachdenken konnte er jedoch nicht, da ihm Sarah wieder in ihrer schmerzhaften Eigenart wie ein Specht gegen den Kopf hämmerte und nur durch seine ausschlagende Hand gehindert wurde, weiter Löcher in seinen Schädel bohren zu wollen. „Und? UND? Wie kann man so…so…sein? Mir fehlen Worte. Du nur ein Leben, eines, das enden kann, bevor es begonnen hat, eines! Jede Möglichkeit, jede Sache die du ablehnst, nicht ausprobierst, obwohl du wolltest – du könntest ewig bereuen. Ich weiß es, gefangen hier, sich in den Tod gestürzt in manchen Formen, nur um in schlimmerem zu landen. Wieso probierst du nicht und dann entscheidest?“, kreischte sie mit einem viel zu hohen Ton in sein Ohr, immer beängstigender. „Tausende Kinder ich habe, Millionen und ich nicht viel bereut. Es egal, das Leben zu kostbar – einzigartig jede Chance. Und du wirfst Möglichkeiten weg, hast alles, nutzt nichts. Wieso?“ Mark starrte sie jetzt ungläubig an, schüttelte den Kopf und wollte nicht in dieses erwartungsvolle Vogelgesicht schauen, dass eine Antwort verlangte. Noch einmal vergewisserte er sich, dass Jin schlief, strich kurz über dessen Haare und begann dann zu reden, sicher, dass er es nicht hören würde: „Weil…ich bin keine Schwuchtel und ich will keine sein. Meine Freunde, meine Eltern würden mich dafür hassen, dass ich nicht so bin, wie ich sein sollte. Was würden sie sagen…“ Ein harter Schlag gegen seinen Kopf stoppte ihn, seine Finger fuhren wie von selbst hinauf zu der schmerzenden Stelle und kamen blutbefleckt wieder. Völlig verwirrt hielt er inne und konnte nur noch Sarah zuhören, die sofort anfing zu plappern. „Hast du verdient“, beschloss sie, bevor sie anfing ihn förmlich zu belehren. „Er hier“, dabei nickte sie in Jins Richtung, „würde wie du willst alles drehen, solange es nützt ihm. Und du glücklich und reizbar, dabei ein Wunsch für ihn – perfekt es ist dann und sein Himmel. Glaub mir: Du besser es hast als so viele andere und eine verpasste Möglichkeit zu ewiger persönlicher Hölle werden kann, bis du stirbst. Und dann du wirst bereuen für immer. Wenn du nicht willst, dann nicht tun, aber du es genossen, du alle Chancen – also überlege, bevor du vertust, lass nicht Furcht als einzige bestimmen. Schlaf und was dann als erstes denkst, das ist richtig.“ „Wieso? Wieso tust du das alles? Und wieso sollte ich…ich will nic…“, brachte er zwischen mehreren Schluckern hervor, während er seinen Unterkiefer kaum unter Kontrolle halten konnte. Ihre Antwort hörte sich wie ein resignierendes Seufzen an: „Versucht alles zu vergessen, zu sein wie Tier, das ich bin, doch am Ende hat nicht funktioniert. Ich am Schluss gefunden, was mein Sinn im Leben ist: Lernen, helfen, lehren, beraten. Und das tausendfach gemacht. Also vertrau mir, vertrau dir und höre auf DICH! Was nach dem Schlaf du denkst über Jin, darüber, ob du probieren solltest Sex noch mal – weil gefallen es dir hat – das tu. Ändern noch immer du kannst und es nicht würde heißen, dass du nicht auch Frauen mögen könntest. Ich weiß, dass man alles mögen kann. Und damit ich suchen müssen nach Essen. In Früh ich will Essen und Fenster mach auf…“, und befahl das letzte regelrecht. Mark öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder und stand lustlos auf, quälte sich aus dem Bett und schlürfte in Richtung Fenster. Leicht ließ es sich öffnen, der Griff schnell hinunter gedrückt, und genauso rasch flatterte Sarah davon, aber nicht ohne noch: „Und offenlassen!“, zu gurren und ihn allein mit ihren Belehrungen und „Weisheiten“ zu lassen. Während er ihr noch nachschaute und sie verschwinden sah, schloss er langsam das Fenster, ertappte sich gerade noch rechtzeitig dabei und vergrub seine Hände lieber in seinen Haaren, bemerkte dabei, wie sein Kopf jetzt wieder leise pochte. Zu allem Überfluss war er müde, die Lider schwer und das Bett, in dem er schlafen sollte, oder besser gesagt eher wollte, noch immer mit einem Dschinn besetzt. Eine Weile überlegte er, ob er sich in irgendeinen anderen Raum schleichen oder zumindest eine Couch in Beschlag nehmen könnte, doch dann rebellierte sein Körper mit einem lauten Gähnen und trieb ihn hin zu der kuschligen Decke. Bei jedem Schritt schien er nur noch näher an Schlaf zu gelangen und fühlte schließlich, wie sein Gleichgewicht nicht mehr vorhanden war. Er stolperte über seine eigenen Füße, segelte auf das Bett zu und landete sanft darauf, ein leichter Windhauch, der ihn umgab und eine Hand, die sich um seine Hüfte gelegt hatte. In einem letzten Aufbäumen pochte sein Herz wild gegen seine Müdigkeit an, verlor den Kampf endgültig, als er die goldenen Augen neben sich sah, jetzt erfüllt von Intelligenz, die kurz aufflackerte, halb so präsent schien wie sonst. „Bleib hier…Schlafen und später…“, kam es mit einer tiefen Stimme, die fast wie verschluckt wirkte und dabei so einladend nach Schlaf klang. Ein Bett mit einem Dschinn teilen - wollte er so etwas, wollte er irgendetwas in der Richtung ausprobieren? Kurz überlegte er, doch die Hand die zog, die Lider, die so schwer waren, nahmen ihm die Entscheidung ab. Mit einem Seufzen drehte er sich, ließ sich mit dem Kopf nach hinten fallen, und merkte schon, wie er abdriftete. Anstatt noch etwas zu erreichen nahm er stattdessen die Gedanken in den Schlaf mit… Vehement schüttelte er den Kopf, versuchte zu vergessen, was Sarah ihm in der Nacht geraten, was sie an Allgemeinweisheiten platziert hatte und ihn damit sicher verwirrt haben musste. Selbst an der fehlenden Bekleidung und daran, dass seine Decke seine Brust unbedeckt ließ, kühle Schauer ihn hätten erfassen sollen, störte er sich nicht. Es war unbedeutend gegen das Problem, das er gerade hatte: Es konnte einfach nicht sein, durfte nicht sein, denn wie konnte sein erster Gedanke im Ernst sein, dass er Jin sehr attraktiv fand, seine Wärme länger genießen wollte, das sanfte Streicheln über seinen Bauch liebte. Sein Herz hatte zu allem Überfluss auch noch anfangen zu rasen, dabei noch weiter unten, dort unten zu pulsieren. Bei dem Blick in diese goldenen Augen, die ihn so interessiert anstarrte, wollte er nicht mehr aufschauen wollte jetzt darin versinken und alle Aufmerksamkeit besitzen, mehr fühlen… Mit einem kräftigen Zwicken in die Wange, dem Schmerz lenkte er sich in genau diesem Moment ab. „Nein, nein…“, flüsterte er, versuchte die gehobene Braue seines Dschinns zu ignorieren und vergrub sein Gesicht schließlich in seinen Händen, als das so gar nicht funktionierte. „Und, du schlauer?“, störte ihn Sarah in seinem ernsthaften Bemühen all das hier gerade zu leugnen. Mehr als ein Grummeln brachte er nicht hervor. „Erzähl…oh…warte…ich weiß. Du magst…“ Wie vom Blitz getroffen schoss er hoch, ein Arm vorwärts in Richtung der Taube, bis seine Finger sich um den viel zu voreiligen Schnabel legten, zudrückten und er noch einmal den Versuch startete irgendjemanden zu überzeugen. „Sei ruhig. Ich bin nicht schwul ich“, flüsterte er, während er vehement mit dem Kopf schüttelte, „ ich bin höchstens verwirrt.“ „Ja, das du bist. Du nicht müssen schwul zu sein, um Mann zu mögen, zu lieben oder Sex zu haben. Du können alles mögen, nur eines mögen. Wie wenig denkst…eigentlich?“, nuschelte sie bemüht. Offenbar war er unfähig sie aufzuhalten, ließ los und seufzte. Und dann mischte sich zu allem Überfluss auch noch sein Jin ein: „Tja, sie hat Recht, mein Markus. Oder um es leichter zu sagen: Du kannst Männer mögen, Frauen mögen und auch beides mögen. Und du könntest noch alles mögliche dazwischen und außerhalb gut finden. Obwohl das natürlich keine Rolle spielt, da nur ich zähle und du mich immer schon wolltest, so jemanden wie mich. Und da du mich schon magst – wenn ich Sarah richtig verstanden habe…“ „WAS? Das habe ich nie gesag…ich fand den Sex gu…argh, ich bin ein Mann, also muss ich den Sex gut gefunden habe…zum Henker, vergiss es einfach. Ich…“, stotterte er wieder einmal, wollte Jin irgendetwas erklären, was ihm beim Anblick der Brotkrumen, an denen Sarah fröhlich pickte und die der Dschinn ihr hinwarf, sofort wieder verschwand. Erst erstaunt, dann fassungslos, riss Mark die Augen auf und maulte: „Du, du untreues Vieh du! Du hast mir das in der Nacht nur erzählt, weil er dich bestochen hat.“ Dabei fuchtelte er wild mit seinen Händen hin und her, zeigte abwechselnd auf die beiden Übeltäter und fühlte dabei völlige Gedankenleere, die sich aber nicht ganz bis zu seiner Zunge durchkämpfen konnte. „Du Lügnerin. Und ich hätte ihm fast erzählt, dass ich ihn attraktiv finde und wir vielleicht noch einmal ausprobieren könnten, Se…“, redete er wie ein Wasserfall, stoppte sich im letzten Moment durch einen kräftigen Biss auf die Zunge. Der kräftige Schmerz ließ ihn sichtbar zusammenzucken. Zwischen dem Hinunterschlingen der verschiedenen Brocken, schaute Sarah auf, gurrte ein wenig und meinte dann nur: „Ich lügen nie. Und durch Wahrheit sagen ich endlich Essen bekommen…aber nie in Lüge ich gesprochen. Mein Rat gut war, mein Rat wertvoll und die Wahrheit.“ Damit wandte sie sich wieder glücklich ihrem Mahl zu und beachtete ihn nicht weiter. „Mein lieber Markus, warum nicht ein Stück weiter gehen und probieren? Dein Schaden soll es nicht sein – und meiner natürlich auch nicht“, fing jetzt Jin an zu sprechen, ein immer präsentes Lächeln auf den Lippen, die Hand ausgestreckt, während die Finger sich bogen und ihn zu sich locken wollten. Mark blinzelte fassungslos, sein Kopf zum Bersten gespannt, rutschte langsam weg von dieser Einladung, weg von den Verrückten. „Ihr habt sie nicht mehr alle!“, schrie er in dem Moment, in dem er die Kante des Bettes erreichte, drehte sich schnell um und sprang aus dem Bett, rannte zum Eingang. Ohne sich weiter umzuschauen, ohne auf seine Umgebung zu achten, riss er die Tür auf, rannte auf den Gang und zog kräftig an ihr. Mit einem lauten Knall krachte sie zu, vibrierte weiter, während er anfing sich umzuschauen – und erstarrte. Ein paar Meter vor ihm stand sein Großvater in seinem grauen Designer-Anzug, fuhr sich mit den Fingern durch die streng anliegenden schwarzen Haare und hatte eine Braue gehoben. „Vielleicht solltest du dich des Nächtens etwas mehr zurückhalten. Ein kleiner Tipp Markus: Bevor du deinen Körper so zur Schau stellen kannst, musst du noch deutlich daran arbeiten. Also zieh dir etwas an“, wies er ihn zurecht, spannte dabei wie zur Unterstreichung dieser Beleidigung seinen deutlich trainierten Körper an, und stoppte erst, als etwas anderes seine Aufmerksamkeit beanspruchte. „Pierre, wie oft muss ich es dir noch sagen…“, stürmte seine Großmutter in einem sehr bunten Kleid – oder etwas ähnlichem – in ihre Richtung, ergriff die Krawatte seines Großvaters und zog diesen in ihre Richtung, ohne Mark weiter zu beachten. „Ich habe keine Lust mehr darauf, dass du den ganzen Tag nicht einmal halb erreichbar bist. Und mir ist es egal, ob du eine Firma leitest und damit viel Geld verdienst – davon haben wir schon genug. Oder glaubst du, dass wir ewig Zeit haben? Also komm endlich wieder ins Bett, oder ich suche mir einen weniger spießigen…“ Genau in diesem Moment beugte sich sein Großvater hinunter, legte seine Lippen erst sanft auf ihre, vergrub seine Hand in ihren Haaren, drückte sie an sich und küsste sie viel zu leidenschaftlich, während sie an seiner Krawatte zog. Beide hatten offensichtlich völlig auf seine Anwesenheit vergessen. Er stand nur noch fassungslos da, schluckte und zuckte zusammen, sein Mund weit geöffnet, bis ein kräftiges Zittern ihn erfasste. Verzweifelt tastete er mit seiner Hand nach dem Griff, packte so fest zu, dass seine Knöchel weiß zu sehen waren, und riss die Tür mit voller Gewalt auf. Sofort ließ er sich nach hinten fallen, stolperte entsetzt zurück und gab im letzten Moment dem Eingang mit seinem Fuß einen kräftigen Tritt, bis er mit einem lauten Krachen zufiel. Blinzelnd und einen tiefen Luftzug holend, lehnte er sich gegen die Tür, das Grauen endlich ausgeschlossen, und versuchte dabei verzweifelt die Bilder zu vergessen, die noch immer vor seinen Augen schwebten. Minuten schienen zu vergehen, bis ein leises Kichern ihn ablenkte. Sein Blick schoss hoch, hoch zu Sarah, die auf dem Bett hockte und ihn…auslachte? „Was jetzt? Ich will keine Beleh…“. Er fauchte sie an, wollte nur, dass er etwas Ruhe hatte, doch Jin und die Taube schienen um die Wette zu grinsen. Jetzt streichelte sein Dschinn auch noch den Vogel und brachte damit ein merkwürdiges Stechen in seiner Brust zum Vorschein. Sarah gurrte zufrieden, und erklärte dann weiter: „Ich nur wollte hinweisen dich, dass du noch nackt…“ „Ich bin so…“, wollte er schon wieder entgegnen, schaute dabei an sich hinunter und lief rot an. Eine Hand schoss zu seinem entblößten Glied in einem hastigen Versuch es zu bedecken, während er schnell Kleidung suchte, etwas fand und die Lacher dabei ignorierte. Schnell wandte er sich um, zur Tür hin, in Sicherheit und konnte endlich seinen Arm fallen lassen. „Hübscher Po…“, gackerte die Taube jetzt, flatterte gleich darauf aufgeregt und stieß noch ein „Au“ aus. „Sehr lustig…“, murrte er, während er sich seine Hose und das Hemd, die leicht nach Rauch stanken, so schnell wie möglich anzog und sich wieder umdrehte. „Jetzt bin ich hier gefangen, kann nicht raus…“, badete er weiter in Selbstmitleid, stockte erst wie gebannt, als Jin lächelnd aufstand und in Richtung der Tür schritt. „Was hast du vor?“, brüllte er die Frage förmlich heraus, ahnte das Schlimmste – das auch gleich in Erfüllung ging. Er sprang auf, sah zu seinem Entsetzen, wie sich das Tor zur Verdammnis Millimeter um Millimeter fast wie in Zeitlupe bewegte, aufschwang, bevor er ihn erreichen konnte. Sein Herz raste, pochte, als er mit ausgestreckter Hand kurz vor dem Ziel erstarrte und alles seinen Lauf nehmen hörte. „As-salāmu ʿalaikum. Verzeihen Sie, ich wollte mich nur kurz vorstellen: Jin Naphuriquales“, begann der Dschinn, verbeugte sich tief und machte dabei eine komplizierte Geste mit einer Hand, strich damit über Stirn und Brust. Anstatt einer anderen Reaktion, vor jeder anderen Reaktion schaute sein Großvater ihn nur schweigend an, sah wohl sein Entsetzen und versuchte ihn mit einem: „Keine Sorge, Markus…“ zu beruhigen, nur um sich im nächsten Moment mit wenig Begeisterung an Jin zu wenden: „…was ich von ihnen nicht sagen könnte, Herr Naphuriquales.“ „Und wieso, Herr…?“, erwiderte sein Dschinn trocken, dabei aber immer noch ein freundliches Grinsen auf den Lippen und beide Arme vor der Brust verschränkt. „Candé, Pierre Candé. Und auch wenn meine Frau begeistert – zu begeistert“, dabei schienen die Augen seines Großvaters kurz furchtbar klein zu werden, beinahe Blitze durch die Gegend zu schleudern, während er sich mit dem rechten Zeigefinger über das Kinn rieb, die Hand nachdenklich dort liegend, „so bin ich nicht so schnell zu blenden wie sie in ihrer Begeisterung. Markus hier war zwar schon immer etwas eigenartig…“ In dem Augenblick wollte Mark protestieren, ging noch ein paar Schritte nach vorne, hatte den Mund schon geöffnete, ohne, dass ihm jemand Beachtung schenkte, stattdessen alle weiterredeten, als wäre er nicht da. Er war nicht eigenartig… „…aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er seine Einstellung von heute auf morgen hätte ändern können. Dazu ist er zu unflexibel. Also stimmt hier etwas nicht, Herr Naphuriquales…“, schloss sein Großvater richtig, während Mark selbst gerade anfing beleidigt zu schauen und sich ganz so zu fühlen. Merkwürdigerweise stand seine Großmutter mit verschränkten Armen da und sagte die ganze Zeit über nichts, noch immer nicht und verfolgte mit ihrem scheinbar amüsierten Blick die ganze Unterhaltung. „Ach Pierre“, fing Jin an und erntete einen giftigen Blick, die knappe Zurechtweisung „Candé“, die selbst Mark zusammenzucken ließ. Sein Dschinn ging über die Bemerkung hinweg, setzte unbeeindruckt fort: „…Candé, ich kümmere mich gut um Markus und es sollte einem intelligenten Mann aufgefallen sein, dass er insgeheim eine Vorliebe für Männer hat. Also wie kommen sie auf die I…“ „Kurz und knapp: Markus ist nicht mutig genug dafür sich irgendetwas einzugestehen, nicht flexibel genug und ein Angsthase“, erklärte sein Großvater, brachte ihn dazu, sichtlich zusammenzuzucken und laut: „OPA?“, zu schreien. Die Hände vor sich gehoben protestierte er mit vollem Körpereinsatz, doch sein einziger Lohn war ein Kichern von Sarah, die hinter ihm gerade anfing zu flattern. Unbeeindruckt fuhr Pierre fort: „ Und sie sind mir hochgradig suspekt. Wenn sie so viel Zeit haben, sie hier zu verbringen, dann können sie nicht genug zum Gemeinwohl beitragen. Also was arbeiten sie?“ „Privatier ist mein Metier, und ich kann ihnen versichern, dass meine Möglichkeiten für meinen Markus zu sorgen, ausreichend sind.“ Jin ließ sich offenbar noch immer nicht verängstigen und zeigte dabei auf ihn. „Wie sie meinen, auch wenn es nicht IHR Markus ist. Aber denken sie nicht, dass ich sie nicht genau beobachten werde. Ein Fehler und ich werde persönlich dafür sorgen, dass sie nie wieder Erfolg haben können. Ich habe ein Auge auf sie…“ Damit schloss sein Großvater kühl und ohne jegliche Verabschiedung, drehte sich schnell zu Claudia, küsste sie ganz kurz, nur um dann davon zu stolzieren – ohne sich noch einmal umzudrehen. Bevor er noch reagieren konnte, drehte sich auch schon seine Großmutter um, einen leicht verträumten Blick auf dem Gesicht und lächelte. „Manchmal ist er ein Charmeur, auch wenn er nur ablenkt. Aber Papperlapapp. Ich werde ihn noch dazu bringen die Sachen wieder offener zu sehen und endlich seinen furchtbaren Spießerberuf an den Nagel zu hängen…“, schien sie mehr zu sich selbst zu sagen, als zu ihm, bis ihre Mundwinkel wieder etwas sanken. „Oh, und steh hier nicht so rum, Markus. Du wirst schön im Garten aufräumen und die restlichen Pflanzen einsetzen als Wiedergutmachung für die Zerstörung, bevor du Barbara besuchen gehst. Und keine Sorge: Dein Geliebter wird dir sicher gerne helfen – für einen kleinen Gefallen, ein wenig Unterhaltung und Spaß …er hat auch den Schlüssel“, kicherte sie am Ende und hüpfte wie immer von dannen, ohne ihm eine Möglichkeit zur Erwiderung zu lassen. Ihr Kleid schwang bei jedem Sprung bunt hin und her. Sein Mund öffnete sich wie von selbst und er versuchte es trotzdem: „Er ist nicht mein Geliebter, zum Henker! Und…“, doch weiter kam er nicht mehr. Sie war inzwischen um die Ecke verschwunden und ließ ihn mit einer kichernden Taube und einem verrückten Dschinn mitten auf dem Gang zurück. „Du kannst mir auch jetzt den kleinen Gefallen tun…“, strich ihm die Luft, die sanfte Stimme um die Wange, drang in sein Ohr. Erschreckt zuckte er zusammen, fühlte sich mehr als beobachtet und drehte sich um, unfähig zu sagen, was er jetzt empfinden sollte, das einzige in seinen Gedanken das laute Pochen, das mehr einem riesigen Rauschen gleichte. Er stammelte, fluchte: „Zum Henker…du…du Perverser…grab doch selber!“, drehte sich dann um und stürmte die Treppen hinunter, das leise Lachen ein ständiger Begleiter, sein Herz ein einziger rasender Motor. Ohne es zu bemerken, stand er schon im nächsten Moment im Garten, lehnte an einem Baum, der deutlich gelitten hatte, an dem Äste halb abgebrochen herunterhingen, die Rinde verbrannt wirkte und schnaufte. Langsam beruhigte er sich, ließ sich auf den Boden fallen, auf das wilde Gras, der Kopf gegen die einzige Stütze gelehnt und genoss die Freiheit, die Ruhe, in der alles so perfekt wirkte. „Soll das eine Einladung sein?“ Die Stimme riss ihn aus seiner angenehmen Stimmung, ließ ihm keine Wahl mehr und lenkte seinen Blick auf Jin, der mit einer kleinen Schaufel in der Hand und einem Lächeln auf den Lippen vor ihm stand. „Du siehst zum Anbei…“, begann er, ohne dass Mark es hören wollte. Verzweifelt, die Augen weit aufgerissen, schlug er sich die Hände über die Ohren, summte: „Ich höre nichts, ich höre nichts…ich bin nicht schwul…“, biss die Zähne zusammen, als er den immer zufriedeneren Ausdruck sah und stand schließlich auf. Es schien als ob er keine andere Wahl hatte. Mit einer einzigen Bewegung griff er nach vorne, schnappte sich die Schaufel und brummte: „Garten ist wichtig…also hilf mir lieber, wenn du…also…vielleicht ich…“, rollte nur kurz mit den Augen, und akzeptierte für den Moment seine Aussage. Er ließ sich wieder auf den Boden fallen und fing an zu graben, um ihn herum das Rascheln der Bäume das einzige, was er noch wahrnahm... Kapitel 9: Beschleunigung…? - Teil 2 ------------------------------------ Die Hände gegen seine Hüften gestemmt, schaute er so beleidigt wie möglich, knirschte mit den Zähnen, als er seinen nächsten Zug überlegte. Vor ihm baumelte gerade wie eine Einladung, wie eine Verführung der Schlüssel zur Freiheit, so nah und doch scheinbar unerreichbar. „Ich dachte du wolltest dich umziehen…“, versuchte ihn Jin gerade wieder abzulenken indem er ihn an die mit Erdbrocken verdreckte Hose erinnerte – was nicht funktionierte. „Und wessen Schuld ist es, dass ich so dreckig bin? Ich musste hier den verdammten Garten umgraben und das alles nur, weil du…weil du…zum Henker. Jetzt gib mir endlich den Schlüssel, ich will in die Stadt“, maulte er und startete noch einen Versuch. Seine Augen starr auf sein Ziel fixiert, schoss seine Hand nach vorne, sauste durch die Luft, schlossen sich die Finger um den Schlüssel, wollten es zumindest. Doch da baumelte das widerspenstige Ding im nächsten Moment noch immer über seinem Arm und er stampfte nur wütend mit einem Fuß auf den Boden. „Gib endlich HER!“, verlangte er, schaute verzweifelt, rollte seine Augen und fügte dann ganz leise hinzu: „Du…einen Kuss…“, bevor er sich wieder auf die Lippen biss. Eine von Jins Augenbrauen hob sich, ein abschätzender Ausdruck im Gesicht, bis sich der Dschinn in Bewegung setzte und dabei fast einladend mit dem Schlüssel klimperte. „Wenn das so ist…“, hörte er noch, spürte es fast mehr. Der Atem strich über seine Wange, Haare strichen über seine Haut und er konnte nur noch schlucken. So nah, so furchtbar nah war er ihm, dass er dieses Gefühl nicht los wurde, dieses Kribbeln, diese Hitze, die sich gerade durch jede seiner Poren kämpfte, jede Zelle leise in Brand steckte und sein Herz zum Pochen brachte. Nichts bewegte sich, still verharrte scheinbar jede Sekunde, jeder Lufthauch, während sein Gegenüber ihn ansah, verführte, seinen Willen ausschaltete. Kurz zuckte er zurück, als sein Verstand wieder Einspruch erhob, von Sarahs antreibenden Worten überflutet wurde und sie wieder niederrang, bis er nicht mehr konnte. Er bekam kaum noch Luft, die Verführung zu groß, der Drang es zu probieren, die Ausrede zu nutzen unüberwindbar. Im nächsten Moment schloss er seine Augen, beugte sich vor und sprang fast wieder davon, als er die erste Berührung fühlte. So sanft, fast unwirklich wirkte sie, wie ein Windhauch der ihm die Erinnerung bescherte, seinen ganzen Körper in helle Aufregung versetzte und sein Glied leise zum Leben erweckte. Seine Hände wanderten durch die Luft, fanden etwas Weiches, an dem sie sich festhalten konnten, an dem sie Halt fanden, während seine Lippen sich immer stärker an ihren Gegenpart pressten. Weich, warm, prickelte es in jeder seiner Adern, ein Gefühl wie Watte, halb taub und doch so wunderbar, war alles, was er noch wahr nahm, als es sich nur noch potenzierte, etwas feucht über ihn strich, die beiden Hälften auseinanderdrücken wollte. Er konnte nicht anders, öffnete seinen Mund unter dem Druck, der sanften Aufforderung, spürte, wie etwas hinein glitt, ihn herausforderte und seine Zunge antwortete, entgegnete und anfing zu prickeln. Es war als würden tausend Nerven gleichzeitig explodieren, ein Geschmack da, fester Druck an seinem Kopf, ein Streicheln durch sein Haar. Heiß glühten seine Wangen, beugten sich der Hitze und strahlten förmlich, während er genoss, nur noch genoss und nichts mehr wahr nahm, außer dass er mehr wollte. Verzweifelt, gefangen in diesen wunderbaren Gefühlen, die doch so weit weg waren von dem Ziel, rieb er sein immer stärker pochendes Glied gegen den harten Körper vor sich, gegen die Hose, in der es gefangen lag – und erstarrte. Kälte traf ihn unvermittelt, unterbrach jede Hoffnung, ließ ihn zitternd zurück, im Bewusstsein, was er getan hatte. Irgendetwas tun, irgendetwas sagen war sein einziger Gedanke. „Au…Aus…“, stammelte er, löste seine Finger aus den goldenen Haaren, die sie um sich gewickelt hatten, „Schlüssel…du hast mir den…“ Bevor er noch beenden konnte, legte sich etwas Kühles auf seine Handfläche, seine Finger darauf gedrückt und das Lächeln auf Jins Gesicht im gleichen Moment zu viel für ihn. Wieder frei, beschloss er schnell: „Das hat nichts zu bedeuten…“, um diesen zufriedenen Ausdruck zu zerstören, ein wenig durcheinander zu bringen. Doch wie immer ohne Erfolg, mit dem gegenteiligen Effekt. „Oh mein Markus, natürlich hat es nichts zu bedeuten, wenn du so reagierst…“, triefte die Ironie in jedem Laut seines Dschinns und ließ ihn mit aufgerissenem Mund wie versteinert zurück, bis er sich wieder fassen konnte. Eine Faust ballte sich wie von selbst um den Schlüssel herum, flog im nächsten Moment in einem weiten Bogen auf das Gesicht zu, dieses Gold in Übermaßen das ihn so sehr reizte und traf…Luft. Verzweifelt versuchte er sich zu stoppen, dem Drall zu widerstehen, scheiterte. In der Drehung gefangen raste die Welt an ihm vorbei, schwankte bis er stolperte und fiel. Mit seiner Faust voran segelte er dem Boden entgegen, strampelte vergeblich, hielt die Luft an, bis er einen unerwarteten Ruck spürte und nur Zentimeter von der Erde entfernt anhielt, dort schwebte. Ein Zug folgte, hob ihn hoch, drückte ihn an eine feste Wand, an Jin und genau in diesem Moment schnaufte er, atmete wieder tief ein. Die Kehle trocken, schluckte er fest, mehrmals, bis er wieder so etwas wie Stimme, wie Luft hatte. „Gehen. Wir gehen…“, murmelte er, kämpfte sich dabei aus der Umarmung, drückte die Hände weg und marschierte beim ersten Anzeichen von Freiheit in die Richtung, in der er das Auto vermutete. Hinter ihm war jetzt wieder dieses verfluchte Flattern zu hören, im nächsten Moment ein Gewicht auf seinen Schultern zu spüren, auf das hin Sarah gleich ein „Das war nett…und wohin?“, in sein Ohr gurrte, das er geflissentlich ignorierte. Gerade als er sich fragte, ob die Taube ihre Krallen noch stärker in seine Haut bohren und seine Nackenhaare sich noch mehr aufstellen konnten, sah er endlich den Sportflitzer. Kurz blieb er wie gebannt vor diesem Männertraum stehen, der irgendwo in der Preisklasse „sehr teuer“ rangierte, schüttelte den Kopf und löste sich von den Gedanken. Langsam zogen ihn seine Füße regelrecht in Richtung des Autos, während er auf den Schlüssel drückte und das dezente Piepsen, das aufgeregte Blinken als Antwort bekam. Gleich darauf hatte er die Tür schon geöffnet, starrte einen Moment unentschlossen ins Innere, auf die Lederbezüge, hörte das Flattern und sah etwas am Rand seines Sichtfelds vorbeifliegen. „Vielleicht sollte doch besser ich fahren und du sorgst dich um mich“, schreckte ihn die tiefe Stimme hoch und prallte mit dem Kopf gegen die Seite. Seine Hand schoss zu seiner schmerzenden Stirn, rieb darüber, während er den Schuldigen wütend anstierte. „Du verdammter Dschinn…“, beschloss er und ließ sich mit einer Bewegung in den Sitz fallen, „…du kannst da bleiben…du Perverser…“ Die Tür schlug mit voller Wucht hinter ihm zu und schon wollte er den Schlüssel in das Schloss stecken – nur um in genau dem Moment zu bemerken, dass er ihn nicht mehr in der Hand hielt. „Suchst du das hier?“ Das vermisste baumelte jetzt zwischen zwei Fingern direkt neben ihm, schwang einladend hin und her, bis er danach griff. Doch er schaffte es nicht, erwischte nur Luft, die sich zwischen seinen Fingern so leer anfühlte. Er schnaufte beleidigt, während er versuchte mit Blicken zu töten. Langsam fing der Schlüssel an durch die Luft zu wandern, getragen von Nichts. „Es wäre wohl etwas praktischer, wenn du ihn nehmen würdest und so“, jetzt machte es Klick, Jin neben ihm im Sitz, die kichernde Sarah hinter ihm. Verwirrt fand er im Schloss das vor, was sich ihm die ganze Zeit über entzogen hatte, biss sich auf die Zunge um den bösen Kommentar zu schlucken, schüttelte schließlich seinen Kopf und drehte. Mit einem lauten Brummen sprang das Auto an und sein Griff zur Automatik endete fast damit, dass er den Knüppel abriss. „Mmmmh…Das könnte in Realität schmerzhaft werden. Ich glaube damit solltest du noch etwas üben“, kam der ungebetene Kommentar von der Seite, brachte ihn dazu seine Zähne fest aneinander zu pressen und ein „Natürlich…“, zu knurren, während er schon alleine die richtige Position gefunden hatte und die Bremse löste, aufs Gas stieg. Ungewohnt war alles und der Wagen sprang mit einem Satz vorwärts, gab einen erbärmlichen Laut von sich als ob er überdrehte und starb unter schallendem Gelächter von hinten ab. Ein Windhauch ließ ihn zittern, eine leise Vorwarnung, die seine Härchen aufstellte. „Ich gebe dir gerne Stunden“, strich das Flüstern über seinen Nacken, erreichte seine Ohren und kribbelte dort als ob tausende Finger gleichzeitig über seine Haut strichen. Seine Hand schoss hoch, wollte das Jucken beseitigen, dieses warme Gefühl vertreiben, doch fand nichts vor, startete das Auto noch einmal, murmelte: „Perverser…“ Endlich setzte sich der Wagen in Bewegung, beschleunigte die Auffahrt entlang, raste förmlich an den Bäumen vorbei, als er mit seinem Fuß das Gas nach unten drücke und um die Ecke preschte, die Kurve gerade noch erwischte. „Gefühl, mein Markus…Gefühl…“, mischte sich Jin wieder ein, fing an mit seiner Hand über seine Wange zu fahren, seine Seite entlang zu wandern, bis er sich nur noch mit Mühe zurückhalten konnte und seine Finger fest um das Lenkrad presste, drückte und noch stärker drückte. Gerade als er dachte es überstanden zu haben, kitzelte es. Seine Hand raste von selbst, unbewusst weg von seinem Griff, riss das Rad mit sich, riss das Auto gleich mit. Es schlingerte auf die Seite, presste Mark leicht zur Seite und ließ ihn panisch werden. Mit offenem Mund starrte er Sekundenbruchteile auf die Straße, die Finger wieder auf dem Lenkrad, unfähig zu reagieren, während er wildes Hupen hörte, Scheinwerfer ihn blendeten und er schon sein Leben an sich vorbeiziehen sah. Wildes Rauschen klang in seinen Ohren und übertönte fast alles. Ein letztes Seufzen war ihm noch gegönnt, bevor etwas seine Arme mit sich nahm, das Auto mit sich zog und auf der anderen Seite ein Mann wild mit dem Finger an seinen Schädel klopfte, gerade noch an ihm vorbeischießen konnte. „Scheiße…“, war alles, was er sagen konnte, was er sagte, der Atem stoßweise und der Blick nur noch nach vorne gerichtet. Sein Herz pochte noch immer wie wild und er fühlte sich, als ob seine Glieder zwischen Schweben und Blei gefangen wären, die Hände ein einziges Zittern. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, schien die Straße sicher an ihm vorbeizuziehen. Die Anspannung wich langsam, wich etwas anderem, das ihm die Finger auf dem Lenkrad bewusst machte, die Hand auf seiner Hose, die dort langsam entlang strich und schließlich alles zerbersten ließ. „Du verdammter, beschissener scheiß verrückter Idiot, zum Henker! Wolltest du mich umbringen, du perverser lebensmüder Trottel?“, brüllte er, ließ seine Augen immer nur kurz zur Seite schweifen, um sofort wieder zur Straße zu rasen. Seine Zunge bewegte sich wie von selbst, machte sich Luft. Sein Kopf hämmerte wie wild, als er weiter schrie: „Du…du…bleib mir vom…“ Doch so sehr er sich auch aufregte, so wich das Lächeln nicht aus dem Gesicht seines Dschinns, der noch immer mit seiner Hand Muster in seinen Oberschenkel zeichnete und ihn so nur noch mehr aufregte. Wie konnte sein Körper in diesem Moment darauf reagieren, Blut leise dorthin schicken, wo es nichts suchen hatte? „Mein Markus…“, begann Jin, worauf er ihm wütend ein „Ich bin nicht DEIN…“, entgegen fauchte und versuchte mit seinem Blick zu töten. „Also mein Markus“, ließ sich sein Dschinn nicht stören, das Grinsen noch immer so prominent, „ich würde dich nie umbringen wollen. Damit würde ich mir nur selbst schaden.“ Bevor er darauf etwas entgegnen konnte, ihm ins Wort fahren konnte, hatte sich schon eine Hand über seinen Mund gelegt und verhinderte jeden Einspruch. „Du hast nur auf deine unnachahmliche Art und Weise dezent und doch so deutlich auf meine Berührungen reagiert, bis dich etwas anderes abgelenkt hat“, versuchte er ihn zu überzeugen. Mark schüttelte vehement den Kopf, öffnete schon den Mund um sich notfalls auch einen Weg in die Freiheit zu erbeißen, als er wieder Sarah hinter sich hörte, leise flatternd und aufgeregt kichernd: „Stimmt. Alter Bekannter, Verwandter vielleicht…Fliege das war. Jin dich gerettet…“ Und damit löste sich auch die Hand von seinen geöffneten Lippen, hinterließ wieder dieses eigenartige Gefühl von Kälte, das er hasste. Verwirrt, verzweifelt versuchte er noch ein: „Aber...aber…“, einzuwenden, wobei Wörter sich weigerten etwas Sinnvolles zu formen, als auch noch im selben Augenblick eine Fliege an ihm vorbeisummte. Sein Dschinn nickte nur, die Hand in Marks Haaren vergraben, starrte ihn scheinbar unschuldig an, die goldenen Augen so einnehmend, dass das Auto langsam anfing zu schlingern. „Pass auf die Straße auf“, führte ihn die Stimme wieder auf die Straße, machte ihm seine Dummheit damit mit einem Schlag bewusst; seine Finger legten sich noch enger um das Lenkrad, krallten sich beinahe fest, während er versuchte all die Andeutungen zu ignorieren, die sein Körper ihm gerade mitteilen wollte und nur noch nach vorne schaute. Doch damit hatte er keine Ruhe, wuchs im Gegenteil seine Aufregung bei dem monotonen Bild vor ihm, dem Wald zu beiden Seiten und den stetigen Berührungen nur mit jedem Augenblick stärker an. Bis ihn Jin aus seiner Trance riss. „Ob wir heute noch ankommen?“, fragte dieser, ein Zeigefinger gespielt nachdenklich gegen das Kinn gelegt, während der andere noch merkbar mit Marks Oberschenkel beschäftigt war. „Du fährst doch etwas langsam…“ Jetzt huschte sein Blick kurz zur Tempoanzeige, sein Mund fing dabei wie von selbst an zu reden: „Langsam? LANGSAM? Ich fahre verdammte 140 und hier sind 100 erlaubt…hoffe ich zumindest“, fügte er das Letzte etwas unsicher hinzu. Jin schien sich nur bestätigt zu fühlen und erklärte: „Langsam…“ „Dann fahr doch se…“, rutschte es Mark in dem Moment fast zeitgleich heraus, wurde nur durch den Anblick des glücklichen Gesichtsausdrucks schnell gebremst. Er schüttelte den Kopf und korrigierte versucht überzeugend: „Schnell genug…will keinen Unfall.“ Und damit war für ihn die Sache beendet, doch offensichtlich für seine Mitfahrer noch nicht. Sarah brach in ein Gurrkonzert aus: „Schnell, schnell…selbst ich bin schneller…“, das sich wie ein Kinderlied ständig wiederholte. Immer wieder murmelte er so leise, dass es niemand hören konnte, nur für sich selbst: „Nur auf die Straße achten, nur auf die Straße achten“ und ignorierte mit Mühe, mit zusammengepressten Zähnen die warmen Berührungen, die merkwürdigen Bemerkungen und die zwischen fröhlich und wahnsinnig hin und her pendelnde Stimmung der Halb-Stille. „Wir sind da…“, beendete Jins Erklärung die Qual der Gefangenschaft in dieser Blechkiste, als endlich die ersten Anzeichen der Stadt auftauchten. In Gedanken sah er sich schon im „Gelatto di Venecia“, das auch gleich wie von Zauberhand erschien. Mark schaute sich nach einem Parkplatz um, fand nichts und kurvte immer wieder um die Umgebung des kleinen Hauptplatzes hier. „Wünsch dir etwas, oder lass mich ans Steuer“, verlangte schließlich Jin, der die ganze Zeit über merkwürdig still gewesen war und jetzt eine Hand auf das Steuer gelegt hatte. „Ich finde, was ich haben will…“, setzte sein Dschinn noch nach, strich dabei bedächtig über seinen Oberschenkel, eine warme Brise an seinem Nacken, die ihm einen Schauder bescherte. Ohne nachzudenken zog er die Handbremse an, öffnete die Tür und stieg unter den wütenden Lichthupen eines Autofahrers mitten auf der Straße aus. „Hier“, murrte er und knallte die Tür hinter sich zu, marschierte auf den Gehsteig, während er die deutlichen Anzeichen ignorierte, dass ihn die Leute hier für verrückt hielten, ihn anstarrten wie den Außerirdischen, der eigentlich Jin war. Seine Hände verschränkten sich dabei wie von selbst vor seiner Brust, seine Augen folgten dem Sportwagen, der mit unglaublichem Glück gesegnet worden sein musste. Hier, direkt wo er stand, fuhr plötzlich ein kleines Auto heraus, ließ kaum genug Platz um ein Motorrad einzuparken, doch mit einem leise Quietschen setzte sich der rote Flitzer in Bewegung, schlitterte ein wenig und landete dann mit scheinbarer Leichtigkeit mitten in der Lücke. Der Mund, der sich dabei immer weiter geöffnet hatte, war noch immer offen, als er seinen Dschinn aussteigen sah, sich durch den dünnen Spalt quetschen sah und Sarah hinter ihm herflatterte. Und in dem Moment flog auch schon etwas in seine Richtung. Reflexartig griff seine Hand danach, fühlte den Aufprall, wusste sofort was es war: Der Autoschlüssel. Mit einem Griff piepste der Wagen und verschloss sich endgültig, beendete damit dieses Kapitel, das er schnell vergessen wollte und würde. „Hier“, beschloss er schließlich und streckte mit abgewendetem Kopf seinen Arm wieder in Richtung Jin. Mehr um sich zu überzeugen, murmelte er: „Nimm du, willst sowieso…Angeber“ und marschierte im gleichen Moment unter dem leisen Gelächter von Sarah in Richtung Eiscafé – und erstarrte. Zu seinem Entsetzen saß dort nicht nur Barbara mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck, sondern neben ihr dieser unausstehliche Julius, hinter dem eine merkwürdige Gestalt schwebte, die wohl dessen Dschinn sein musste. Doch viel weiter kam er mit seinen Überlegungen nicht, denn Barbara sprang auf, ein Lächeln auf den Lippen und schrie: „Mark!“ Die dabei weniger begeisterte Miene ihres Begleiters hob seine Stimmung gleich wieder um Längen. Er fing gerade an „Barbara“ zu sagen, als ihr Handy gerade anfing zu klingen, sie anhielt und bei den ersten Worten schon erschreckt schaute. Mark suchte einer bösen Vorahnung folgend Jin, formte mit den Lippen ein stummes: „Was zum Henker“, auf das er nur ein Achselzucken erntete, das ihn zu dem größeren Übel führte. Julius zuckte mit den Schultern und zeigte auf eine Stelle am Boden, auf der der Asphalt aufbrach und Erde zum Vorschein kam. Verwirrt nahm Mark dabei wahr, dass die Person dahinter eine Frau war, merkwürdig unbekleidet wirkte und wild gestikulierte, während die braune Masse am Grund gerade anfing sich leicht zu erheben, wieder in sich zusammenzusinken, nur um dann wie eine Flüssigkeit hin und her zu schwappen. Einer Welle gleich richtete sich das Brodeln auf, brach ein und wurde nur noch höher, wuchs immer deutlicher nach oben, während Barbara mit einem „Tut mir leid…Mama…komme gleich wieder“, verschwand. „Das ist der Angeber“, flüsterte ihm Jin ins Ohr, lächelte ein wenig, begleitet von einem warmen Wind, der den Haufen Matsch einstürzen ließ und ein Blubbern entlockte, das verdächtig nach einem Furz klang. Das entsetzte Gesicht von Julius dazu war zu viel. Mark lachte laut auf, lehnte sich alles vergessend dabei an seinen Dschinn, so warm und sicher, ignorierte das kleine Beben und die wütende Figur, die mit einem Tusch wie eine Statue erschien. Ein Grollen erklang, so etwas wie ein „Du vermaledeiter…“, das nicht fortgesetzt wurde, sich wie der andere Dschinn anhörte, der jetzt reglos als Statue da stand, aus dem ehemals blubbernden Matsch erschienen, und plötzlich von einem lauten Kreischen unterbrochen wurde. Ein Geräusch wie tausende kratzende Nägel, eine pure Qual, stoppte alles. Mark zuckte zusammen, ein Schauder nach dem anderen jagte durch seinen Körper, stellte jedes kleinste Härchen auf, die Haut eine einzige kalte Ebene und der Atem stoßweise. Er hatte Angst, Angst vor dem was da kam, spürte eine Gefahr, die er nicht kannte. Panisch drehte er sich im Kreis, sah nichts, sah nur die Blicke der anderen, der merkwürdigen Frau, von Julius und die erstarrten Gesichter der beiden Dschinns, die mitten in der Bewegung verharrten und nach oben schauten. Sarah war die einzige, die sich noch bewegte, immer wilder flatterte und im Sturzflug an allen vorbeirauschte, immer lauter, immer gehetzter: „WEG! Drache! DRACHE!“, schrie. Sein Blick schoss hin und her, raste, suchte, doch da war nichts zu sehen, nur dieses furchtbare Kratzen, dieses Knirschen zu hören, als ob Metall auf Metall rieb, egal wie lange sich Mark auch umschaute. Schon wollte er es vergessen, sich wieder aufrichten und entspannen, bis etwas in seinen Augenwinkeln blitzte. Seine Augen rasten förmlich in die Richtung, blinzelten verzweifelt ob des Anblicks, wollten das nicht wahr haben. Etwas kam auf sie zugerauscht, wurde mit jedem Augenblick, mit jedem Schlag größer und bedrohlicher. Es hielt unbeirrt in ihre Richtung, der Blick aus den schwarzen Facettenaugen gierig auf sie gerichtet. Riesige Flügel wie die einer Libelle, durchzogen von Kabeln, Adern glitzerten im Sonnenlicht, blendeten wie die blaue Haut, an der Striche aus Rot prangten, vielleicht Blut waren, das die Seite langsam hinab rann, schon halb gestockt. Ein rote Wolke schwebte rund um das Vieh, bewegte sich nicht ganz gleichmäßig mit, schwappte wie eine Welle hin und her. Mark stand noch immer wie gebannt, fragte sich, wie dieses riesige, hausgroße Ungetüm sich so elegant durch die Lüfte bewegen konnte, die Flügel hoch aufgerichtet, in Sekundenbruchteilen um beinahe unmögliche Winkel gedreht, so dass es die Richtung sofort änderte. Der dünne Hals, umgeben von unzähligen Dornen, schwankte dabei gefährlich hin und her, scheinbar gehalten von dem Kabeln, die den Kopf mit dem Rumpf verbanden und immer wieder knarzten, während der Schwanz wild ausschlug. Das Monster drehte genau in dem Moment wieder seine langen Flügel, offenbarte seinen schmalen Bauch, streckte seine Krallen, die als einziges an einen Drachen erinnerten in seine Richtung aus und öffnete den Schnabel, aus dem Geifer tropfte. Kreischen, so ohrenbetäubend, hallte über den ganzen Platz, hallte in seinem Kopf wieder, lenkte seine Aufmerksamkeit dabei aber nicht von dem Rasseln ab, dem klapperähnlichen Schwanz, gefährlich gebeugt. Die Spitze war dabei auf ihn gerichtet, ein rotes unförmiges Ungetüm, von dem Fetzen hinab hingen, die hin und her schwangen, sich fast zu bewegen schienen. Jetzt hämmerte es in seinem ganzen Kopf, hämmerte nur noch lauter, als das schnabelförmige Maul sich öffnete, metallene Zähne offenbarte. Noch immer war er unfähig etwas zu tun, aber der Drang viel zu groß, bis Sarah an ihm vorbeirauschte und kreischte. Damit setzte sich endgültig alles in Bewegung. Jetzt sammelte sich etwas in dem Monsterschnabel, tropfte giftig grün hinab, stieg zum Teil auf und ballte sich zu einer Wolke, die da stand und verharrte. Das plötzliche Brüllen erschütterte die Erde, die Bäume bebten wie in einem Sturm und in dem Moment beschleunigte dieser Nebel in seine Richtung. Alle geistigen Ketten, die ihn fest hielten, rissen, der Druck zu groß, die Angst zu immens, denken unmöglich. Sein Körper bewegte sich wie von selbst, glich mehr Luft so wenig wie er ihn spürte, war kaum steuerbar und trotzdem stolperte er nach hinten, drehte sich um und fing an zur Seite zu fliehen. Doch die Wolke änderte mit jedem seiner Sätze, mit jedem Schritt die Richtung, schwebte gefährlich, passte sich an und ließ sein Zittern immer größer werden. Völlig außer Atem hetzte er über den halben Platz, ignoriert und wie verrückt angestarrt von den wenigen Menschen, die hier waren, aus dem Weg sprangen, als er mit aufgerissenen Augen vorbeistolperte. Jede Bewegung scheinbar sinnlos, holte ihn die Wolke so schnell ein, wie er nicht denken konnte, war fast da, die Augen des Monsters starr auf ihn gerichtet, immer kurz hinter dem Ding, bis er stolperte, sich noch im Fall umdrehte und schon sein Ende sah – das nicht kam. Ein heißer Wind fegte direkt vor ihm vorbei, lenkte das giftig grüne Gas mit einem Rauschen ab, ab von Jin, der seine Hand nach vorne gestreckt direkt vor ihm erschienen war. Dort wo die Wolke hindriftete, fielen die Blätter von den Bäumen, lösten sich in Staub auf, die Rinde bald nur noch ein runzliges schwarzes Geflecht, das er nicht mehr erkennen konnte. Mark schluckte bei dem Anblick fest, blinzelte mehrmals mit seinen Lidern, betete um irgendetwas, um einen Traum, während das Monster noch immer da schwebte, seinen Dschinn wütend angeiferte und den Schnabel öffnete. Jetzt waren auch die roten Fliegen zu erkennen, die das Ungetüm umgaben, ihm bei seiner Bewegung verfolgten, umschwärmten wie Motten das Licht, bis sie zur Seite stoben, gefolgt vom Schwanz, der durch die Luft direkt auf Jin zupeitschte. Etwas löste sich, flog in weitem Bogen, nur um direkt neben Mark zu landen. Instinktiv schaute er hin, riss die Augen auf und musste mit dem Reiz kämpfen, seinen Mageninhalt gleich hier hoch zu würgen. Sein ganzer Hals war ein einziger Knoten, verstopft, sein Magen eine sich windende Masse, so gleich den weißen Maden in dem halb verfaulten Stück Fleisch, dass er fast nicht mehr konnte. Eine Hand raste zu seinem Mund, hielt ihn zu, hielt das zurück, was sich gerade hinaufgekämpft hatte, die Säure drinnen, schluckte es hinunter, zitterte und starrte im nächsten Moment nur noch auf Jins Rücken, auf die Normalität hier. „WEG!“, brüllte Sarah im Flug noch, stob direkt vor dem Monster hinunter, die Krallen mutig ausgestreckt und stieß mit voller Wucht in Richtung Kopf. Das Ungetüm ließ seinen Hals nur fallen, entging der Attacke unbeirrt, ließ nur ein Auge in Richtung des neuen Feindes wandern, drehte es in unmöglichem Winkel. Es flog weiter auf den Dschinn zu, vor dem Mund eine grüne Wolke. „WEG, WEG!“, war das Kreischen der Taube jetzt panisch, verstärkte sich noch, brachte Mark dazu seine gummiartigen Beine zu bewegen, sich aufzurichten und mit seiner Hand verzweifelt Jins Jacke zu ergreifen. Der kurze Blick aber, der ihm entgegnete, das Schütteln des Kopfes, brachten den wenigen Mut fast zum Einsturz. Sein Dschinn wandte sich wieder um, eine Hand nach vorne gestreckt, die andere zur Faust geballt und befahl ihm: „Flieh...ich lenke ihn ab“, gab ihm mit einem Windstoß einen Schubs in Richtung Eiscafe, in dem Julius hinter einem Stuhl kauerte. „Nein, aber…“, wollte er einwenden, wusste nicht wieso, fühlte nur einen stechenden Schmerz, wie sich alles in ihm zusammenzog, doch da war es schon zu spät. Er stolperte gestoßen nach hinten, getrieben, sah den Stachel, der wütend die letzten Meter zurücklegte, kurz innehielt und dann nach hinten beschleunigte. Sarah schrie genau in dem Moment, fiel förmlich durch die Luft, landete direkt vor dem Stachel, wo sie plötzlich wieder anfing mit ihren Flügeln zu schlagen und ihre Schwanzfedern nach oben streckte, elegant ihren Weg entlang taumelte, verfolgt von den wütenden Blicken des Monsters. Mitten im Schlag brach es jetzt ab, griff nicht mehr Jin an, sondern richtete seinen Stachel auf Sarah, die Giftwolke direkt vor seinem Maul, und kreischte ihr nach. Kopfschüttelnd starrte Mark auf das Schauspiel, die verzweifelten Versuche von Sarah, die nur dank ihrer Größe dem viel zu geschickten Monster ausweichen konnte, immer wieder scheinbar getroffen taumelte und entkam. Doch mit jedem Augenblick wurde das Ungetüm wütender, schoss mehr und mehr von der giftig grünen Substanz, jetzt immer fester, flüssiger, hinter der Taube her, traf Federspitzen. Seine Hand krallte sich fest, als Sarah von dem Stachel getroffen wurde, scheinbar tot zu Boden schwebte, nur um kurz vor dem Aufprall wieder zu schlagen und über die Bäume zu rasen. „Scheiße…rette Sarah...“, flüsterte er fassungslos, schaute Jin fast flehentlich an, der zu überlegen schien, ihn nicht einmal beachtete. „Zum Henker, bitte! Sie hat dich gerettet, ich…“, flehte er förmlich, die Stirn in eine Sorgenfalte gezogen, die Finger in das Hemd vergraben, bis er Gold blitzen sah und eine Hand durch seine Haare fuhr. Die Stimme beruhigte ihn mit den Worten: „Wünsche zu erfüllen ist nicht immer einfach, mein Markus…ich brauche einen besonderen Stein“, blies seine Aufmerksamkeit förmlich zu dem anderen Dschinn, der mit kritischem Blick hinter Julius stand, der Arm braun in braun. „Also Jin, gib mir einen deiner diamantgleichen Steine, oder ich hole ihn mir…“, verlangte jetzt Jin von dem anderen, die Hand ausgestreckt, über der mehrere Blätter wirbelten, nach oben strebten und wieder zusammenbrachen, während Sarah gerade wild um ihr Leben kämpfte... Kapitel 10: Beschleunigung…? - Teil 3 ------------------------------------- Der andere Dschinn rührte sich nicht, versteinerte nur immer deutlicher, die Arme vor der Brust verschränkt und die Miene genauso bewegungsarm wie der Rest. Dann schüttelte er nur seinen Kopf und meinte trocken: „Er hat euch als Ziel, also wird er nur das Problem früher beseitigen…“ Mit zitternden Lippen wartete er nur einen Augenblick, bis der Druck in seinem Schädel zu groß wurde und Mark nach vorne stürmte. Wütend, außer sich, raste er in Richtung des Angebers, dieses noch schlimmeren Übels, schwang seine Faust noch im Rennen. Der Windhauch wuchs hinter ihm, neben ihm, zu einem regelrechten Sturm an, blies ihn vorwärts, bis er beinahe stolperte und gegen etwas knallte und sich dabei nicht verletzte. So sehr er sich auch bemühte, kam er keinen Schritt vorwärts, keinen rückwärts, gefangen von einer unsichtbaren Mauer. Kalt und heiß gleichzeitig war die Stimme, die: „GIB es mir freiwillig, oder ich zeige dir, warum ich gefürchtet bin. Du bist nichts…“, sagte, seinen Jin zeigte, der die Hand ausgestreckt da stand und dessen Haare in einem wilden Wirbel gefangen waren. Bäume beugten sich gerade gefährlich zur Seite, knarrten, während Sarah noch immer wild kämpfte. „Ich gebe dir nich…“, kam trocken die Antwort, die Marks Geduld endgültig platzen ließ. „Du Monster!“, schrie er, hämmerte gegen die Wand um sich, wollte entkommen, zuschlagen, „Jin soll böse sein? Du bist hier das Monster, lässt und einfach kämpfen, sterben…“ Immer wieder schlug er voller Kraft gegen die Mauer, die wie Gummi nachgab und doch kein Stück verrückte, hielt die Tränen in den brennenden Augen, der Mund aufgerissen, suchte nach einem Ausweg aus dem Massaker, das er nicht sehen wollte. „Jin, gibt ihm was er haben will…“, mischte sich jetzt eine zitternde Stimme ein, „…ich wünsche es mir.“ Julius stand da, strich sich mit einem Finger über die Haare, das Gesicht blass und klapperte dabei bei jedem Wort mit den Zähnen. „Jetzt!“ Die Zufriedenheit wich genau in dem Moment schlagartig aus dem Gesicht des Erddschinns, wurde ersetzt durch ein Brummen, ein Beben, das Mark fast umwarf, in die Mauer drückte, die ihn hielt. Dann schluckte er, versuchte nicht hinzusehen, als sich die Haut des fremden Jins öffnete, die Brust aufsprang und statt Blut nur Erdbrocken hinunterprasselten, ein rot glühendes Inneres offenbarte, das in der Luft anfing die Farbe zu verlieren. Beherzt griff der Dschinn hinein, vergrub seine jetzt schwarze Hand in sich, die Lippen verzogen, bis er einen riesigen Stein herauszog, ihn in der Faust behielt und zudrückte. Es strahlte, glomm darin hervor, Rauch stieg auf, bis sie sich öffnete und einen leicht durchsichtigen, gelblichen Stein offenbarte, der im nächsten Moment mit einem lauten Schrei auf den Kopf seines Jins zuflog. Er trudelte durch die Luft, wurde selbst auf dieser kurzen Strecke immer langsamer, nur um in der ausgestreckten Hand zu landen. „Glaub nicht, dass ich das vergesse“, drohte der fremde Dschinn, während die Bäume nur noch stärker rasselten und sogar die Stämme anfingen sich zu verbiegen, in die Richtung zu deuten. Ohne ihn weiter zu beachten ging Jin ein paar Schritte, sagte in einem eiskalten Ton, der Mark einen Schauder über den Rücken jagte: „Ich sagte es: Dafür wirst du sterben…“ Damit löste sich mit einem leisen Pfeifen die Wand, an der er gelehnt hatte, so dass er nach vorne stolperte, wild mit den Armen wedelte, um sein Gleichgewicht zu halten. Gerade noch konnte er sich fangen, an einem Baum abstützen, der hin und her wackelte und riss dann die Augen auf. Panisch suchte er Sarah, sah sie nicht, sah nur das Monster, dessen rote Fliegenschar sich um eine der Krallen versammelte. Mark erstarrte, hielt die Luft ein, als er die Taube sah, Sarah sah, die sich nicht rührte, von der Blut tropfte und über der ein Schnabel schwebte, Geifer in Massen auf den Boden tropfen ließ. „TU WAS!“, schrie er verzweifelt, krallte sich in die Rinde, zu weit entfernt, das Schauspiel zu hoch. Ungebeten, erbeten kam die Antwort, das Lächeln seines Jins, der den Stein hochhob, in der Hand abwog und dann direkt nach oben schaute. Sein Blick folgte, fand nichts, bis eine Brise zu einem Sturm anschwoll, das Ding in der Hand sich drehte. Der Arm schoss im nächsten Moment hoch, beschleunigte den wirbelnden Stein nach oben, nach oben ins Nichts. Mark wollte schon schreien, etwas tun, als plötzlich ein leises Krachen zu hören war, der Kopf des Monsters sich hob und nach oben raste. Da war jetzt etwas, etwas das glitzerte und eine schwebende Masse zerteilte, die plötzlich erschienen war. Schnüre verbanden einzelne Dinge, unmögliche Quallen, von denen riesige Ketten wie Tentakel hinunter hingen, über die immer wieder Blitze hochzuckten. Und jedes Mal wenn das Glitzern erstrahlte, knallte eines der Seile hinunter, brachte den ganzen Wald aus Ketten dazu hin und her zu schwanken, bis eines dieser Wesen erkennbar wurde, durchsichtiger Körper eine schwabbelnde Masse, immer wieder von Elektrizität durchzuckt. Fast verwirrt starrte das Monster dorthin, zurück zu Sarah, wieder zu der Qualle, unentschlossen. „Ich gebe dir Futter, ermögliche deinen Flug, also lass sie gehen und iss, was du solltest“, befahl Jin, fing dabei ohne hinzusehen den Stein auf, der vom Himmel wieder hinunter raste, direkt auf ihn zu. „JETZT!“, setzte er nach. Mit einem lauten Kreischen ließ das Monster Sarah fallen, flog höher hinauf, sein Kopf hin und her wackelnd wie in einer Verbeugung. Der Stachel bewegte sich auf die Ketten zu, wurde zurückgezogen, nur um dann mit voller Beschleunigung darauf zuzurasen. Mit einem Klirren durchbohrte es eines der Glieder, dessen durchsichtiges Inneres in tausend Splitter zerbrach, und so die ganze Qualle mit sich zog. „UARGH!“, brüllte das Ungetüm, öffnete seinen Schnabel noch einmal stumm, bevor es in den Himmel verschwand. Gefangen in seinem eigenen Körper, noch immer völlig bewegungslos, streifte Marks Blick Sarah, löste so seine Starre. Er biss sich auf die Lippen, setzte einen Fuß nach vorne, einen Schritt weit, und rannte dann zu der Taube, die mit roten Spuren überzogen regungslos am Boden verharrte. „Sarah?“, flüsterte er, als er sie erreicht hatte, sich schuldig fühlte, und schon zusammenbrechen wollte, die Beine so schwer – bis der Kopf sich leicht hob und die Flügel wieder anfingen zu schlagen. „Danke…“, gurrte sie, drehte sich mit leichten Stubsen etwas und richtete sich schließlich auf, flatterte davon, nicht ohne ein „Au“ nach dem anderen von sich zu geben und sich am Ende auf seiner Schulter niederzulassen. „Ich verdient, nicht…?“ Darauf konnte er nicht antworten, konnte nur ein „Danke“ stammeln, hielt sich mit Mühe aufrecht. Alles vorbei, alles zu viel. Obwohl es wohl noch nicht vorbei war. „Mir scheint ihr seid von Verrückten umgeben?“, hörte er eine hochnäsige Stimme, die passenderweise aus Julius Richtung kam und ihm die Möglichkeit nahm zu erfahren, was die Quallen waren, die jetzt über ihnen schwebten. Julius stand noch immer mit der gleichen Gesichtsfarbe da, dessen Jin so versteinert wie er aussah und dahinter, dahinter eine blasse Frau mit Brüsten, die der Schwerkraft deutlich nachgaben. Mark blinzelte, sein Unterkiefer klappte mit einem hörbaren Knack auf. Sie war nackt, völlig und gänzlich nackt und starrte ihn gerade an, warf sich die blau schimmernden Haare mit einer Hand in einer eigenartigen Bewegung um den Hals. „Spanner! Spanner! Er hat Interesse an mir, will sich an mir vergehen, kann seine Augen nicht von mir lassen!“, brüllte sie plötzlich. Ihr Arm raste nach vorne, ein Finger zeigte genau auf ihn, genau in seine Richtung und hinter ihr erschienen zwei Männer, ebenfalls wenig bekleidet. Nur eine Brille und ein Bierbauch verdeckten etwas, nichts, als sie Zombies gleich in seine Richtung schauten und die Füße bewegten. „Ihr liebt mich, also tötet ihn…“, befahl sie, brachte ihn dazu zu stammeln: „Ich…kein Interesse…“ „Du starrst, du bist ein Mann, also hast du Interesse. Kopf ab, Kopf ab!“, schrie sie, beschloss ohne weitere Argumente, eine Hand in ihre Hüfte gestemmt, die sie betont nach außen streckte. „Niemand kann mir widerstehen, alle die mich begehren müssen sterben! Kopf ab!“ „Aber…aber…“, suchte er verzweifelt nach einem Ausweg aus dieser nächsten Verrücktheit; seine Gedanken noch träge, schleppten sich dahin. Panisch schaute er sich um, entdeckte ihn und ließ diesmal seinen Gefühlen freien Lauf: „Ich bin mit ihm zusammen.“ Bei diesen Worten stolperte er ein paar Schritte nach hinten, ergriff Jins Hemd und zog sich hoch, gab ihm einen kurzen Kuss, die Augen starr auf die beiden anmarschierenden Zombies gerichtet, die wie von einer unsichtbaren Mauer gehalten mitten in der Bewegung anhielten. Trotz allem bemerkte er noch das Prickeln, fühlte die Wärme, die sich in ihm ausbreitete, die schon wuchs, nur bei dem Gedanken an die Nähe, die er hier spürte. Sicherheit, Nähe, er versuchte irgendwie einen Teil davon zu unterdrücken, ließ los, drehte sich und lehnte sich beim Anblick der nackten Frau, der Zombies zurück, an die Brust seines Partners, zitterte. Irgendwie hoffe er auf etwas, bis Jin ihn umarmte, an sich drückte. „Wollen heute alle sterben?“, wehte die Stimme seines Dschinns eiskalt an ihm vorbei, während er in der Hand vor seiner Brust den glitzernden Stein bemerkte, der ihn an einen Diamanten erinnerte und in dem er den Widerschein der Ketten über ihm zu sehen glaubte. Mit fester Stimme setzte Jin fort: „Markus ist mein…“, fuhr mit seiner Hand weiter über Marks Brust. „So wie der Stein meiner ist…gib ihn mir wieder!“, kam völlig unpassend eine Zwischenmeldung von Julius Dschinn, der die Zombies giftig anstarrte und sich dann vor sie stellte, der Arm nach vorne gestreckt. „Du meinst den hier?“ Jin stellte zwar die Frage, doch anstatt das Ding in seiner Hand herzugeben, warf er es mit voller Wucht nach oben in die Luft, blies den Stein davon und erntete so einen bösen Blick, als sein Gegner mit einem „Du bist tot“, davon marschierte, die Erde bei jedem Schritt erbeben ließ. „Wirklich dem eigenen Geschlecht zugetan. Dann bleibt der Kopfe dran. Kommt wieder her, meine Lieben“, befahl jetzt die hochnäsige Frau, erntete ein „Angeberin“, von Sarah und hielt den Kopf unbeeindruckt nach oben gestreckt, bevor sie mit ihren Fingern über Julius Arm strich. „Hilf mir doch…“, hörte er noch halb von der Angeberin, bevor sie nur noch wortlos murmelte und ihn nicht mehr beachtete, ihre Begleiter wie vom Erdboden verschluckt waren. Was schon vorher in Mark gebrodelt, sich irgendwo in seinem Innersten aufgestaut hatte, brach mit einem lauten: „WAS ZUM HENKER!“ hervor. Er zitterte, schüttelte vehement den Kopf, stampfte mit dem Fuß auf, bis die Gefühle, lange unterdrückt, hervorbrachen. Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit mischten sich so stark, dass seine Hände zitterten, er seine Finger um die einzige Normalität legte, die es hier gab, sie um Jins Arm schlang und sich daran festhielt. „Wieso muss ich diese ganze Scheiße ertragen, wieso wolltest du nicht dieses Vieh umbringen? Und was zum Henker war das? Das…“, brüllte er, fühlte Müdigkeit, das Streichen über seinen Bauch, das ihn beruhigte. „Das war ein Drache, ein Stadtdrache, der sich von dem ernährt, was da oben schwebt“, ein Finger zeigte nach oben, die Stimme so sanft, so nah an seinem Ohr, dass er die Röte förmlich in sein Gesicht steigen fühlte, zumindest glaubte, „die sich von Magie ernähren, von dem Abfall, der produziert wird.“ „Doch zu viel hier herrscht, zu viel Dschinn…sie sich vermehrt, aneinander gekettet, Nahrung nicht mehr möglich für Drache“, setzte Sarah nahtlos fort, „so Drache sucht nach anderer Nahrung, nach magischen Wesen, nach uns…“ Es machte so wenig Sinn, war so unglaublich, dass er es glauben musste. Er grummelte: „Dann soll es gefälligst ihn fressen! Verdammt, ich habe schon genug…“, und schloss kurz die Augen. Lange währte die Ruhe aber nicht. „Natürlich“, schreckte ihn Julius aus seiner Müdigkeit hervor, stierte ihn mit einem eigenartigen rot-weißen Muster im Gesicht an, hinter ihm der wenig begeisterte braune Jin, der gerade wieder ankam. „Ich muss seit gestern ihr Gefasel ertragen“, dabei zeigte er auf die blaue Frau, „musste vorher aber erst meinen Kopf retten, nachdem sie wie eine Irre auf Drogen immer wieder dasselbe von sich gab und dann…dann dieser Erdwurm. Und wovon hat Barbara die ganze Zeit geredet? Von mir? Nein, natürlich von dir und wie glücklich sie ist, dass du zufrieden bist und wie schrecklich es ist, dass sie dich doch nicht haben kann. Und sie will nichts davon hören, wie man die Welt verbessern könnte…“, hörte er das Schimpfen, war immer kurz davor ihm ins Wort zu fahren. „Von dir will das sicher niemand hören“, konnte er den leisen Kommentar nicht mehr unterdrücken, der doch nur in dem Monolog unterging. „Natürlich, DU hattest es schwer …“, kam das letzte Bisschen, das zu viel war. „Ach ja? Du, du…ICH wurde hier von diesem Vieh gejagt, habe eine sprechende Taube, einen Irren, der mich umbringen wollte, weil ich Jins…was auch immer bin und bin tätowiert. Oh, und jeder verdammte Mensch auf diesem Planeten hält mich für schwul, obwohl ich nur einmal mit…und…vergiss es und verschwinde einfach wieder von hier – für IMMER! Ich will meine Ruhe, selbst wenn sie mit Jin ist!“ Sein ganzer Frust machte sich Platz, suchte sich ein Ventil, irgendetwas, während er die Blicke der umstehenden Menschen, der wenigen die gerade wieder auf den Platz kamen, ignorierte. Die Stimmung war inzwischen auf ihrem Tiefstpunkt, das Schweigen bedrückend und kalt wie der Wind, der scheinbar mit den Erdbrocken spielte, die sich immer wieder beharrlich am Boden formten und so den Weg blockierten. Und dann blieben die braunen Stücke kurz ungerührt, erhoben sich in die Luft und fielen dann allesamt wieder nieder, begleitet von einem zufriedenen: „Jetzt weiß ich es.“ Julius Dschinn starrte ihn an, ein Mundwinkel hochgezogen, ein Auge halb geschlossen. „Du hast ihn nicht nur zu deinem Gefäß gemacht, nein, jetzt ist er auch noch dein Geliebter, dein Auserwählter, mit dem du deinen niederen Instinkten folgst. Deswegen das alles, deswegen sein Leugnen. Verlierst du ihn, verlierst du deinen Halt. Geht er, gehst du mit – und gehst du, dann geht ein Teil von ihm mit.“ Mark verstand nur die Hälfte, wollte fragen, öffnete schon den Mund, doch dieser selbstgefällige Ausdruck und die Hände, die sich um ihn schlangen, ließen ihn innehalten. „Als ob du Ahnung von dem hast, wovon du redest. Du nutzt nicht was du hast und versteckst dich hinter deinem ‚Meister‘, kriechst zu seinen Füßen und leckst seine Sohlen – oder gibst es zumindest vor. Und alles nur zum Besten…du bist ein verlogener Heuchler, Jin, und ich bin der einzig Ehrliche, also steht mir das Paradies weit mehr zu, denn ich werde es mir holen! Duran wird dich schon noch holen und dir zeigen, wo deine Bemühungen enden. Du hattest ja noch nie mit Problemen zu kämpfen…“, entgegnete stattdessen sein Jin, während die Steinbrocken wieder quer durch die Luft wirbelten und gegen Julius prasselten. Die Antwort kam aber nicht wie gedacht, ließ auf sich warten, die selbstgefällige Miene aus dem Gesicht des Dschinns gewichen. „Duran? Der Feurige? Alles nur, weil du…“, murmelte dieser leise, während seine Augen wild hin und her wanderten. Genau in dem Moment hallte ein „Huhu!“, über den ganzen Platz, als Barbara gut gelaunt auf sie zukam. Ihr Ausdruck verdüsterte sich mit jedem Schritt in ihre Richtung und sie blieb schließlich direkt vor ihnen stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. Lange dauerte es nicht, bis sie kritisch fragte: „Was habt ihr jetzt wieder angestellt?“ Verlegen, betreten starrte Mark in Richtung Julius, der sich weigerte auch nur einmal in seine Richtung zu blicken, seufzte dann und legte seinen Kopf in den Nacken, sah die goldenen Augen direkt auf ihn gerichtet, so freundlich, so warm wie der Körper, der sich um ihn gelegt hatte, so verführerisch… Mit einem hörbaren Knacken raste sein Kopf wieder vorwärts, stammelte er: „Nichts…unterhalten.“ Verbissen kaute er an seiner Lippe, um Barbaras Blick nicht länger ertragen zu müssen und nicht in Versuchung zu kommen, Jin anzuschauen. „Schön. Wenn du mir nichts erzählen willst…“, schnappte sie ein, „…wenigstens bist du jetzt wohl glücklich.“ Jetzt schien sie irgendwo etwas zu suchen, während eine Träne ihre Wange hinab kullerte und er nicht zusehen konnte. Er presste unter Mühe ein: „Ja...glücklich…“, heraus, das sich viel zu gut anfühlte und gab dann seinen Schuldgefühlen nach: „Tut mir leid…“ Damit schaute sie auf, grinste, was so gar nicht zu der Träne auf ihrer Wange passte, ihn dabei trotzdem beruhigte. „Ich wusste doch, dass du toll bist. So schade, dass du…“ „Wir müssen gehen Barbara…wir werden erwartet…“, unterbrach Julius sie schroff, gerade aufgerichtet und mit dem Kinn hoch in die Lüfte gestreckt. Er ignorierte Mark noch immer. Der Erddschinn war verschwunden, doch die verrückte Frau noch immer hinter ihm, beständig dabei wortlos etwas zu murmeln. „Jetzt“, setzte Julius noch drängend nach. Barbara versteifte sich, drehte sich in seine Richtung. „Wenn du das noch einmal machst, kannst du dich in Zukunft alleine treffen. Ich weiß, wann wir wohin müssen und ich bin kein Weibchen für den Herd.“ Der Angesprochene zuckte bei jedem ihrer Worte zusammen, ließ seinen Kopf Zentimeter um Zentimeter nach unten sinken, seine Schultern nach vorne fallen, bis er schließlich wie ein halbes Häufchen Elend da stand und so Marks Tag Stück für Stück besser machte. „Und jetzt gehen WIR, und du kommst mit!“, befahl sie Julius, stampfte ihn seine Richtung und ergriff ihn am Arm. Mit einem zufriedenen Grinsen zog sie den sich leicht nach hinten lehnenden Julius mit sich, drehte sich im Gehen um und rief Mark ein: „Oh, tut mir leid Mark, aber freut mich wirklich sehr, dass wir kurz reden konnten. Ich rufe deine Großmutter an und: Klasse, dass du endlich gefunden hast, wo du hingehörst. Ciao!“, zu. „Halt…?“, rutschte es ihm zu spät hinaus, erst als er sie in ihr Auto steigen sah und sie schon an ihm vorbeiraste. „Zu spät, mein Markus…und doch noch so früh“, schlich sich das Flüstern im gleichen Moment wie ein warmer Windhauch in sein Ohr, in seine Gedanken und erfüllte seinen Körper mit diesem eigenartigen Gefühl, dem warmen Kribbeln, das sich unten ausbreitete. „Aber…“, wollte er einwenden, etwas fragen, etwas von dem erfahren was hier passiert war, während ihm seinen Kopf den Dienst verweigerte und beharrlich darauf pochte seinen Dienst mehr Richtung Erde zu verlagern. „Die Frau…?“, presste er noch verzweifelt hervor, um das Streicheln über seine Hüfte zu ignorieren, und die Blicke der Passanten, die offensiv wegschauten oder starrten nicht sehen zu müssen. „Ein Geist.“ Wieder das Flüstern an seinem Ohr, begleitet von einer Feuchtigkeit, die kondensierte, sich auf seine Haut legte und zu etwas Festem wurde. Langsam strich es weiter, kitzelte ihn, brachte ihn dazu die Luft erschreckt anzuhalten, als er das Pochen erwachen fühlte, die Zunge seinen Hals hinab wanderte. Unbewusst lehnte er sich hinein in diese Berührungen, in diese Ablenkung von der Welt, sein Herz das einzige was seine Ohren noch mit einem Ton füllte, einem wilden Rauschen. „Ekelhaft…Jugend von heute…“, riss ihn ein giftiger Kommentar aus seiner Versenkung, aus dem so richtigen Gefühl, lenkte seinen Blick auf eine Frau voller Runzeln, in brauner Kleidung. Ekel zeichnete sich in jeder Falte ab, die Oberlippe in Richtung Nase gezogen. Mark stand nur sprachlos da, fühlte Schuld, Angst, wollte nur weg von hier, weg von der Wärme, die ihn anzog und verführte, drückte mit seinen Fingern gegen die Arme, die noch immer um ihn lagen. Die Frau starrte im Vorbeigehen weiter in seine Richtung, murmelte halb zu sich selbst, viel zu laut um es zu überhören: „Dass die sich nicht schämen…“ Im gleichen Moment fing ein Wind an zu blasen, zerrte an ihrem Rock, bis er hochflog, ihre beige Unterwäsche, all die Falten offenbarte und sie errötend verzweifelt versuchte ihn hinunter zu drücken, sich vornüberbeugte, nur um genau da von einem herabfallenden Ast getroffen zu werden. Sie stöhnte auf, sprang hoch und kam genau auf dem rollenden Ast auf, stolperte und fiel. Der laute Knacks hallte über den ganzen Platz, hörte sich so schmerzhaft an, wie der Schmerzensschrei, der folgte. Im nächsten Augenblick saß die Frau wie versteinert auf dem Asphalt, hielt sich mit verzerrtem Gesicht den Fuß und heulte regelrecht auf. Mark blinzelte, wollte nach vorne gehen, helfen, nur zurückgehalten von seinem Dschinn. Er schaute nach hinten, sah das Lächeln, dieses grausame Lächeln und zitterte kurz. „Sie hatte noch Glück. Eigentlich hatte ich auf ihr Genick und nicht ihr Bein gehofft…“ Inzwischen fing sich eine kleinere Gruppe um die Frau zu sammeln an, hielt ihre Hand, während sie unentwegt stöhnte. „Was?“ Geschockt konnte er nicht fassen, was er da hören musste, während er noch völlig fertig von dem Geschehen fortgezogen wurde, ohne eine Antwort zu bekommen. Sarah flatterte auf seiner Schulter, inzwischen ein viel zu gewohntes Gewicht, als er das Auto sah, nach einem Blinkkonzert schon hineingestoßen wurde und die Straßen sich schneller bewegen sah, als er etwas sagen konnte. Irgendwo hinten hörte er ihr Gurren, sah im Rückspiegel, wie Sarah sich putzte. Jin saß hinter dem Steuer, die goldenen Haare in einem wilden Kampf gegeneinander gefangen bis ihn die Augen fixierten und alles stehen zu bleiben schien. „Mein Markus“, fing sein Dschinn an, „schau mir in die Augen. Du weißt genau was du wirklich willst nicht wahr?“ Irgendwie klang es so überzeugend, so richtig und doch so falsch. „Nein, ich…“, startete er einen Versuch, ständig von diesen Fingern auf seinem Hals abgelenkt, die eine Stelle an ihm fanden, die ihm wohlige Schauder über die Haut jagten. Noch einmal zwang er sich an all die Verrücktheiten zu denken, abgelenkt von seinen Gefühlen von zu viel. Tränen in seinen Augen fühlte er etwas in ihm aufsteigen, immer höher. Panisch drehte er sich um, fixierte bemüht die an ihm vorbeirasende Umgebung, während seine Gedanken langsam wie ein Mantra wiederholten, dass er nachgeben sollte, einfach alles vergessen wollte. „Wieso?“, flüsterte er die Frage an Gott, an wen auch immer ihn da draußen hören konnte, an seine Eltern, die ihn mit ihren Überzeugungen verfolgten, immer stärker bedrückten. Plötzlich fing Jin an zu sprechen: „Wer mir in den Weg kommt, wird sterben. Sie hat dir Unsicherheit aufgezwungen, hat dich von mir entfernt, dich unglücklich gemacht. Nur ich allein darf so etwas, niemand anderer wird dich je verletzen.“ und verwirrte ihn damit für Augenblicke. Marks Augen rasten fragend zurück, suchten nach etwas, bis die Erkenntnis ihn traf und er wusste, worüber er redete. Jin war verrückt, so verrückt, dass er wirklich alles für ihn tat, nur um ihn zu bekommen. Erschreckt riss er seine Lider auf, blinzelte und ließ seinen Mund offen hängen. Irgendwie versuchte er das hier zu fassen, die Wärme zu verstehen, die sich in ihm ausbreitete und versuchte den Schluss zu unterdrücken, der sich ihm immer deutlicher aufdrängte. „Ich will nicht krank sein, ich will nicht…ich will nicht schwul sein, ich will nicht schwach sein. Mama wird mich in eine Therapie schicken…ich will nicht…“, murmelte er verzweifelt, Tränen in den Augen, hielt sie zurück, wollte nicht schwach erscheinen. „Männer sind stark, Männer dürfen nicht…“ Eine Hand lenkte ihn ab, fuhr über seine Wange, strich so sanft darüber, dass er aufschauen musste und das Gold vor sich förmlich blitzen sah, die Ruhe, die es ausstrahlte. Um ihn herum schwebten die Haare, versperrten ihm die Sicht auf alles, sperrten jeden Ton außer dem Rauschen aus, das in seinen Ohren pochte. „Vergiss das. Niemand wird dich in Therapie schicken, denn das werde ich nicht zulassen. Du bist mein Gefäß, mein Geliebter und ich bin der einzige, der mit deinem Verstand spielen darf. Und jeder der es wagen sollte, wird seine Strafe zu spüren bekommen…“, hörte er, fühlte das Streichen über seine Wange, die Beruhigung die trotz der Verrücktheit der Worte einkehrte. Die Haare um ihn herum senkten sich langsam, das Rattern des Motors wieder als Geräusch da. „…Männer sind schwach, Verstecken hinter Fassade…“, gurrte Sarah, stoppte plötzlich, als sie seinen Blick bemerkte und lieber:„Nicht hinhören sollst…hab lieber Dschinn lieb…“, sagte. Damit wandte sie sich wieder der Körperpflege zu, bevor ihr Kopf sich direkt an ihren Rumpf legte, der Hals förmlich verschwand und die Augen sich schlossen. „Was hast du zu verlieren?“, lenkte ihn wieder diese tiefe Stimme ab, lenkte seine Aufmerksamkeit wieder zu Jin, der ihn in letzter Zeit so oft gerettet hatte. „Meinen Verstand? Wieso…ich will…alles so wie früher…“, versuchte er es noch einmal, zitterte am ganzen Körper, gefangen zwischen so unterschiedlichen Gefühlen. Jins Kopfschütteln zerbrach etwas, sagte ihm schon mehr als die Worte, die folgten: „Das hier ist die einzige Wirklichkeit, die dir bleibt. Es gibt kein Zurück, es gab niemals eines, denn wer eintritt in die Welt der Dschinns, der bleibt immer dort. Aber du bist mein...und damit sicher.“ Wieder strich die Hand über seinen Hals, bevor sein Gegenüber weitersprach: „Und jetzt könntest du mir endlich die Belohnung geben, die mir zusteht. Ich glaube Claudia hatte da ein paar Spielzeuge gekauft.“ Die Stimmung, so düster sie vorher war, zerfiel in dem Moment in ein schallendes Gelächter von Sarah und ein verschmitztes Lächeln von Jin. „Wa…Was? Du Perverser…!“, brachte er nur noch stotternd heraus, konnte selbst kaum die Erleichterung fassen, die plötzlich wieder da war, die Wärme, die sich jetzt ungehindert in ihm ausbreitete und seinen Verstand verdrängte. Immer deutlicher schwoll die Hitze an, zog Blut mit sich hinunter bei dem Anblick neben sich, den Berührungen auf seinem Körper. Doch er zögerte, widerstand kurz dem wunderbaren Duft in der Luft, den er so liebte. „Du kennst das Gefühl, das wunderbare Gefühl der Vereinigung, also vertrau mir…“, hallte das Flüstern in seinen Kopf wieder, wollte ihn locken, verführen. „Niemand, der es nicht soll, wird davon erfahren. Jeder wird es verstehen müssen, dafür werde ich sorgen. Und du kannst wieder zurück, bist nicht homosexuell nur weil du es magst.“ Die Lüge klang so gut, so glaubhaft für ihn, zog ihn mit sich, seinen Verstand tiefer und tiefer. Er zitterte, das Pochen, der Druck unten groß, so immens, dass er alles vereinnahmte. Wieso nur rieb es so deutlich an dem harten Stoff, so schmerzhaft in dem Gefängnis, in dem es saß? Wieso sollte er das noch länger erdulden, wenn niemand etwas sagen würde, wenn seine Mutter immer sagte, dass Männer ihren Trieben nachgaben? Irgendetwas flüsterte ihm zu, dass er es ausprobieren könnte, einfach nur genießen und dann wieder zurück. Das war keine Schwäche sondern einfach nur normal, er dann noch immer nicht schwul… Kurz nur schloss er die Augen, in Gedanken versunken, fasste den Entschluss und beugte sich vor, als er die Einfahrt zu ihrem Haus nur noch Kilometer weg wusste. Zitternd, unsicher gab er nach, ließ sich weiter treiben und flüsterte: „Dieses eine Mal…“ Kapitel 11: Das verschüttete Paradies ------------------------------------- Das verschüttete Paradies Eine Hand wanderte auf seine Wange, blieb dort Momente liegen, bis ein Gurren zu hören war, dumpf nur, und er leicht auf die Seite gedrückt wurde. Der Wagen bewegte sich in eine eigenartige Richtung, fuhr langsamer und schlingerte scheinbar hin und her. Er schluckte, versuchte aufzuschauen, die Wärme zu unterdrücken und etwas durch den Nebel hindurch zu sehen, der nur vor der Scheibe existierte und dort kondensierte, ihm so den Blick auf die Umwelt versperrte. „Was…?“, fing er an, fühlte seinen Geist zurückkommen, das Pochen etwas leiser werden, seine Gedanken noch immer verwirrt, doch ein wenig klarer, „was mach…“ Die Frage konnte er nicht mehr beenden. Mit einem lauten Quietschen ratterte der Wagen für einen Moment, drehte sich dann ein Stück und blieb schließlich mit einem Ruck stehen, der ihn in den Gurt nach vorne schleuderte. Gerade als er sich aufrichtete, öffnete sich schon die Tür neben ihm wie von selbst, zerrte im gleichen Moment mit einen Hauch an seiner Kleidung, bevor diese durch eine feste, wirkliche Berührung ersetzt wurde. Jin stand neben ihm, ein Arm ausgestreckt, entrückter Blick in seinen Augen und hielt ihn fest, zog ihn nach einer Sekunde hoch, hinaus aus dem Auto. Mark schüttelte den Kopf, wollte etwas sagen, seinen Entschluss hinterfragen, bis er erkannte, wo er war. Hier, mitten im Wald, parkten sie, hatten eine Spur hinterlassen, die sich um die Bäume schlang. Die Stämme mussten sie immer gerade um Haaresbreite verfehlt haben. Er zitterte allein beim Gedanken daran, wie oft sie dem Tod hier entronnen sein mussten, starrte mit immer größeren Augen auf den Beweis. Zu allem Überfluss roch es hier so eigenartig, die Luft schwirrte bei jedem Atemzug nur immer deutlicher, schien wie von einem Feuer entfacht hin und her zu schwanken, schrie förmlich „Gefahr“, schrie „Flucht“. Langsam fing er sich an gegen den Zug zu stemmen, wollte nur noch weg von hier, weg von diesem Ort, weg. Doch Jin ließ ihm keine Wahl, zerrte weiter, näher dorthin, wo er um keinen Preis hin wollte, schaute ihn mit einer gehobener Augenbraue an. Inzwischen kratzte er an dem Arm, der ihn hielt, versuchte einfach nur zu entkommen - ohne Erfolg, bis plötzlich die Berührung aufhörte und er nach hinten stolperte. Ein paar Schritte, ein paar Schritte weg von der Gefahr, bis er sich fing, sich umdrehte, instinktiv einen Fluchtweg suchte und dann einen kurzen Blick wagte, getrieben von dem leisen Pochen das noch immer da war. „Raffiniert“, hörte er Jin sagen, der mit seinen wie zum Gebet gefalteten Händen da stand und lächelte. Seine Arme bewegten sich nach vorne, auf nichts zu, verharrten dort sekundenlang, nur um sich dann zu öffnen und ein merkwürdiges Glitzern zu Tage zu fördern, das sofort wieder verschwand. Mark blinzelte, versuchte etwas zu erkennen, schluckte, vom immer stärkeren Bedürfnis übermannt, hier endlich wegzukommen. Es war, als ob etwas in seinem Nacken saß, ihn kratzte und seinen Magen drehte. Panisch fing er an, zum Auto zu stolpern, den Blick auf die Gefahr, auf den Wald vor Jin gerichtet, Schritt für Schritt zu fliehen. Weit kam er dabei aber nicht. Im nächsten Moment legten sich Hände auf seine Hüfte, drückten zu und hoben ihn, kosteten ihn den Halt und pressten ihn gegen eine warme, beruhigende Fläche, die sein Herzrasen zu einer Kakophonie aus widerstreitenden Gefühlen machte. Weg, da bleiben, er konnte sich nicht mehr entscheiden, schüttelte den Kopf, immer ängstlicher, je näher ihn sein Dschinn jetzt zu dem Ort trug, an dem er vorher gestanden hatte. „Nein, nein…“, murmelte er mit zitterndem Kiefer, klappernden Zähnen und fing an, an den Haaren zu zerren, immer wilder mit seinen Füßen auszuschlagen, gegen die Beine zu treten. Er wollte alles irgendwie aufhalten, ohne Erfolg zu haben. Panik, pure Panik machte sich in ihm immer deutlicher breit, je näher er dem Unbekannten kam, zwang ihn dazu etwas zu tun. Jedes Mal spürte er nichts an seinen Sohlen, bewegte sich immer stärker, bis er mit einem Krachen irgendwo aufkam. Sein ganzes Bein vibrierte als es etwas traf und er die Augen aufriss, gerade noch wahr nahm, wie er nach hinten kippte, der Erde entgegen, sich noch schnell an der Rettung festklammerte und seine Hände hinter einem Hals verschränkte. Doch der Abstand seines Dschinns zu ihm wurde nicht größer, hielt ihn nicht, als er erst eine Farbexplosion und dann das saftige Grün über sich sah, die Zähne schon zusammenbiss, hielt den Atem an, ließ los, fuchtelte mit den Armen wild hin und her, die Angst vor dem Aufprall so groß – dem Aufprall der nie kam. Mit einem unglaublich sanften Geräusch kam er auf einer Decke auf, auf einer Wolke, die nachgab, sich ihm anpasste und wie Wasser hin und her schwappte, seinen ganzen Impuls auffing und dämpfte. Feuchtigkeit breitete sich im nächsten Moment in seiner Kleidung auf, kroch in jede Pore, kitzelte ihn an jeder Stelle, die nicht bedeckt wurde. Eine merkwürdige Ruhe erfüllte ihn, die Angst von vorhin völlig verflogen. Mark ließ einen Seufzer heraus, traute sich seine Augen kurz vom Himmel wegschweifen zu lassen und blieb sofort bei dem Ersten hängen, was er sah. Riesige Bäume, die wie immense Büsche wirkten, ragten hinter Jin empor, über und über von bunten Blumen behangen, immense Blüten und Lianen in einem dichten Geflecht davor und darum geschlungen. Früchte in allen Größen und Formen hingen so einladend da, als ob sie köstlich und doch zu schade zum Essen wären. Alles erinnerte mehr an einen Dschungel, weit mehr an Urwald als einen einfachen Wald. Sein Mund bewegte sich, blieb offen stehen bei dem Anblick der bunten Vögel mit den langen Schwänzen, dem Schwirren um ihn herum und der komischen Raupe, die sich an einer der Lianen entlang hangelte, sie umfasste und sich im nächsten Moment in eine der Blüten verwandelte. „Schau mich an…“, befahl ihm Jin plötzlich und obwohl er nicht gehorchen wollte rasten seine Augen von selbst zurück, zurück zu diesem wunderbaren Gold, abgelenkt von dem eigenartigen Prickeln, das sich auf seinem Hals breit machte. Es gehörte zu den Fingern, die über seine Haut wanderten und eine Spur dort hinterließen. Er schauderte kurz, wollte etwas sagen, etwas entgegnen, als ein Glitzern in seinen Augenwinkeln ihn ablenkte. Dort, irgendwo zwischen Blättern, die sich jetzt in einem Windhauch bogen, saß auf einem Stamm ein Schmetterling aus Glas, ein Wesen, völlig mit dem Baum verwachsen und wie eine Lampe glitzernd. Fühler, riesige Lichtleiter, kletterten scheinbar durch die Luft, trotzten der Schwerkraft, bis sie sich an den Ketten einer der riesigen Quallen verankerten und bis in den Himmel empor stiegen. Es war wie ein Licht, eines von tausenden hier in diesem Wald, das mit sanften Bewegungen hin und her schwankte, umgeben von einem Meer aus Grün und ihn nur noch sprachlos zurück ließ. Und dann verlor selbst dieses Wunder seine Bedeutung, ging unter in einer unglaublichen Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitete, dem Schauder, der von seinem Glied durch jede seine Fasern jagte. „Du brauchst nur mich…beachte nur mich“, kam das Flüstern so anlockend, getragen von dem Hauch, der in sein Ohr blies, von der Berührung, die rundum prickelte und zwang ihn dazu, all die Wunder um ihn herum zu ignorieren. Sein Blick streifte noch das riesige Feld an Blumen, an Pflanzen, den Teil, der von einem violetten Meer an Blüten gebildet wurde, blieb schließlich an seiner Hand hängen, die in dem Moos lag, diesem roten Muster in grünem Beet, an dem er sich gerade festkrallte. Es war feucht, noch immer so feucht und fühlte sich eigenartig an, während er langsam das Gefühl hatte, dass es unter seine Kleidung kroch um mehr Kontakt zu seiner Haut hatte als es sollte, zu seiner Haut, die schon unter Jins Berührungen aufstöhnte. Schwer und honigsüß stieg ihm ein Duft immer wieder in die Nase, verdeckte die anderen um ihn herum halb, betäubte seinen Sinn. Verzweifelt schüttelte er den Kopf, wollte noch einmal, ein einziges Mal leugnen, leugnen, was er schon wusste und fühlte nur eine Träne, die heiß seine Wangen hinab rann. Irgendwie redete er sich ein, dass das hier nichts bedeutete, während sein Körper anderer Meinung war. Sein Glied pulsierte förmlich immer dann, wenn es noch in seinem Gefängnis gegen die harte Brust über sich strich und jede Zelle in helle Aufregung versetzte. Immer stärker hämmerte sein Herz, freute sich mit jedem Mal mehr, pochte immer stärker in seinen Ohren wider und ignorierte die Ängste, die aufkeimende Furcht, die ihm der Anblick der goldenen Augen gerade bescherte. „Niemand wird uns sehen, hier ist es sicher. Lass dich fallen, genieß meine und deine Freude …unsere…“, nahm er das Flüstern in seinem Kopf irgendwo wahr, spürte viel stärker den Finger, der sanft die Träne von seiner Wange wischte und damit irgendetwas zerbrach. Mark schüttelte sich, schauderte, stöhnte leise und ließ sich fallen, ließ seinem Glied den Platz den es brauchte, die Freiheit das Denken zu übernehmen und gab sich sich selbst hin. Er war sicher, sah es in diesem Gesicht, fühlte es in jeder Berührung, die ihm alles nur noch klarer machte. Seinen Blick starr auf Jin gerichtet schwang er seine Hände hoch, bis sie einen festen Halt fanden, sich in den Haaren verkrallten, die sich wie ein Vorhang um sein Gesicht legten. Er zitterte in Erwartung, biss die Zähne zusammen, als sein Verstand etwas einwenden wollte, vertrieb jeden Gedanken, beugte seine Knie und stützte sich mit seinen Füßen ab, drückte sich hoch, hoch bis er seine pochende Stelle endlich an etwas reiben konnte, verzweifelt versuchte mehr zu spüren und den Druck etwas zu verringern. Es trieb ihn vorwärts, ließ ihm keine Ruhe, keine Rast, keine Wahl es zu stoppen, selbst wenn er es hätte wollen. Verzweifelt zerrte er an Jin, versuchte ihn näher zu sich zu bringen, näher zu seinem Verlangen, bis er die goldenen Augen sah, inne hielt und nur wartete. Das Rasen in seinem Kopf war ohrenbetäubend, bis die sanften Lippen sich ihm näherten, im nächsten Augenblick schon Kontakt fanden und er das Prickeln durch seinen Körper rasen fühlte. Es zerrte an jeder Pore, zog dort unten, fühlte sich so warm, so unglaublich feucht an und raste weiter, verstärkte sein Verlangen noch mehr. Etwas umschlang ihn, hob ihn kurz hoch von dem Grund und ließ ihn wieder auf die Decke fallen. Es liebkoste ihn so wie die Lippen auf den seinen. Der Mund über ihm teilte sich langsam, ließ etwas hinaus, das auf seinem Weg eine kitzelnde Hitze hinterließ, die sich unten immer mehr widerspiegelte. Doch es war zu wenig, überall nicht genug. Verzweifelt krallte er sich stärker in den Haaren fest, zog an ihnen, um wieder zu Verstand zu kommen, drückte sich schließlich nach oben, um mehr zu spüren, mehr Berührung oben, mehr unten zu bekommen, um endlich etwas Befreiung zu erhalten, etwas Erfüllung, die mit jedem Augenblick näher rückte und doch immer zu weit weg war. Eine Zunge wanderte über seine Lippen, brachte ihn dazu seine sofort zu öffnen, gierig auf mehr von diesem Körper zu hoffen, sich ihr entgegenzustrecken und mit ihr zu spielen, jede Regung zu genießen. Jeder Moment war ein Genuss, jeder Moment grandios und doch so furchtbar, eine einzige Qual. In Hoffnung spreizte er seine Beine, drückte sich noch stärker nach oben, wollte einfach näher an dieser Wärme sein, dieser Härte, viel näher an Jin. Irgendetwas trieb ihn ständig zu mehr, sein Körper wollte mehr, ohne es zu bekommen, ging auf in jeder Regung, pochte und machte ihm jede Ader bewusst, jeden Tropfen Blut der wild in seine Wangen raste, sich unten sammelte und nur noch hinaus wollte. Schließlich konnte er nicht mehr. Mit einem Zug an den Haaren, mit einem letzten Kraftakt befreite er sich von dem Kuss. Momente fühlte er die Kälte, die seine feuchten Lippen traf, das Pochen dort nur noch deutlicher erscheinen und ihn kurz bereuen ließ, bis er schließlich etwas von „Mehr“, murmelte und zitterte. Und dann geschah nichts. Er blinzelte, schaute irgendwann verzweifelt auf, sah die glasigen Augen direkt über sich, die fast übergingen, die so von Lust erfüllt waren, die Zunge, die über diese feuchten Lippen wanderten, das Bild so erotisch, dass seine Wangen fast verglühten und er dachte, dass er es nicht mehr aushalten konnte. In letzter Anstrengung, mit letztem Verstand, der nur noch unten saß, zerrte er an den Haaren, zog die Aufmerksamkeit wieder voll auf sich und fühlte im nächsten Moment, wie seine Schuhe verschwanden, der unglaubliche Druck, den er vorher dort nicht bemerkt hatte, jetzt verloren ging, ihm Freiheit schenkte. Seine Hose war im nächsten Moment nicht mehr zu fühlen und er stöhnte erleichtert auf, als sie nicht mehr da war, sein Glied in der Freiheit anfing noch wilder zu pochen, auf etwas wartete und sich sicher war, das es kam. Es war, als ob er ein zweites Herz hatte, das das Blut jetzt dort versammelte und kurz mit seinem Gegenstück aussetzte, als sich etwas Feuchtes, Warmes zu der anderen Stelle schlich, die sich dabei in Erwartung zusammenzog. „Was…?“, versuchte er noch verzweifelt irgendeinen Sinn zu finden, zu suchen und sich zu befreien aus den Emotionen, die ihn überschwemmten, schaute auf und fühlte eine Hand unter seinem Becken die ihn hochhob, spürte wie sie dort entlang strich und Kreise zog, ihn kratzte und zum Zittern brachte. Irgendwie bemerkte er noch, dass sein Hemd einfach verschwunden war, sein Dschinn zwischen seinen Beinen kniete, fand es gut so. „Nur genießen, mein Markus, nur genießen. Alles sicher…“ Und damit schien alles geklärt. Im nächsten Moment fühlte er, wie die Feuchtigkeit nicht nur seine Haut überall berührte, sondern so warm, so fest in ihn schlich wie irgendetwas Reales, nicht dick genug und doch so fest, das Ziehen verstärkte und langsam in ihn eindrang. Er riss die Augen auf, erschrak förmlich, wollte fliehen, doch war gefangen von dem Verlangen, von der Hand, die ihn an seinem Rücken hoch hielt, ihn an Stellen streichelte, die kitzelten, und der Hitze, die jetzt wild anfing zu rasen. „Was…“, versuchte er kurz einzuwenden, drehte und wand sich, bis er aufstöhnte, das Ziehen ohne Bedeutung, die leisen Schmerzen pure Nebensache, als etwas wie ein Blitz durch ihn raste, ihn zittern ließ und ihm für einen kleinen Moment das Paradies zeigte, das dieses hier, die Umgebung in den Schatten stellte. Alles verschwamm vor ihm, war doch noch klar und ohne Bedeutung, endete viel zu schnell und ließ ihn mit einem drängenden Gefühl zurück, getrieben. Sein Glied pochte wild in der Umarmung, die es jetzt hielt, schrie förmlich nach mehr Berührung, nach mehr von dort unten. Etwas hielt ihn in der Luft, nahe an Wärme, an Härte, seine Beine nicht mehr am Boden, sondern schwebend. „Me…“, begann er nachzugeben, biss sich auf die Zunge, ein letzter Willensakt, der sofort umgesetzt wurde. Stärker, viel größer doch noch zu klein kehrte dieselbe Fülle zurück, nahm ihn ein und reizte ihn dort, wo sonst nichts seinen Weg hinfand, reizte jede Faser in ihm, pochende Wangen sein Lohn, Schmerz nicht mehr existent. Jedes Mal wenn es tief war, wenn es kurz davor war diesen einen Punkt zu streicheln, der sein jetziges Zentrum zu Hochstimmung führte, drückte er sich Jin entgegen, wollte nicht mehr warten, bis ihn dieser Schauder wieder überfiel. Doch es war nicht genug, jedes Mal nur schlimmer, ohne dass er sich dem entziehen konnte. Er war süchtig, konnte sich nicht stoppen, hätte es nicht einmal können, wenn er es gewollt hätte, streckte sich verzweifelt nach oben um Haut an Haut zu fühlen. Es drängte, er wollte mehr, brauchte mehr, bis er mit einem fast flehentlichen Blick aufschaute zu Jin, dem jetzt nackten Jin, der so konzentriert, so intensiv starrte, dass er einen Hitzestoß fühlte. Wortlos, so übereinstimmend wirkte alles für diese Sekunden, in denen die Welt stehen blieb, anfing sich zu drehen und in seinem Kopf zu wirbeln, als sich die Wärme aus ihm zog und ihn zitternd zurückließ. In seiner Panik zerrte er an den Haaren, wollte zumindest den Körper näher haben, Berührung spüren, irgendwo, bis die Hitze zurückkehrte, so hart und groß, so lebendig und wie der Spiegel seines Gliedes, unvermittelt und so stark - dort unten, wo die Leere herrschte, pochte und ihm keine Zeit ließ. Mit einem Stoß, einem starken Wind, fühlte er es, drang es ein und brachte Festigkeit an seine Haut. Er nahm es mit jeder Faser seines Körpers wahr, nahm jedes kleine Stück wahr, das es zurücklegte und das in Flammen gesetzt wurde. Glühen, dieses furchtbare Ziehen, schon fast schmerzhaft, dehnte sich mit seiner Haut, dehnte sich mit ihm und brachte einen weißen Punkt nach dem anderen vor seine Augen, sein Herz zum Rasen. Sein ganzer Körper fing an zu jucken, zu brennen und sich merkwürdig real anzufühlen, auf jede kleinste Berührung mit diesem Kribbeln zu reagieren. Mark wand sich hin und her, wollte weg von dem Boden, weg von allem unter sich, diesen kleinen Punkten, die beinahe stachen, drückte sich verzweifelt Jin entgegen und schrie laut auf. Seine Augen flatterten, drehten sich nach hinten, als diese Stelle mit voller Wucht getroffen wurde, ihn alles andere vergessen ließ und diesen einen Ort, die Erfüllung so nah erscheinen ließ. Er griff schon danach, wollte es fassen, fühlte, wie es ihm entglitt und bewegte sich panisch weiter, nach oben, stützte seine Beine auf, um mehr zu bekommen – ohne Erfolg. Es entglitt ihm, ließ nur dieses eigenartige Glimmen zurück, das ihn jetzt zu mehr anstachelte, ihn dazu brachte, sich anzuspannen, loszulassen und sich mit dem leisen Rauschen in seinen Ohren im Takt zu bewegen. Wieder und wieder fühlte er die Leere kurz, stöhnte schon auf, spannte sich in Erwartung kurz an, nur um es dann hineinzulassen, zu versuchen es festzuhalten, bevor es ihm entglitt und sich zu drehen um es endlich zu schaffen, endlich die Erfüllung zu bekommen. Alles war ihm egal, nur dieses Gefühl wichtig, das Reiben in ihm, auf ihm, überall. Hitze quoll aus jeder seine Poren, glitzerte auf jeder Schweißperle, die sich auf seiner Haut sammelte, bei jedem Stoß, jedem Schlag hin und her zitterte, bis Jin sich vorbeugte und mit seiner Zunge über seine Wange leckte. Mark erschauerte wieder, schüttelte kurz den Kopf, gefangen in diesen Bewegungen, ein glücklicher Ausdruck für eine Sekunde in seinem Gesicht, als er die Anspannung seines Partners bemerkte und seine Arme noch fester um den Halt schlang, an seinen Grenzen angekommen. „Jetzt, bitte…“, brachte er schließlich heraus, hasste den Klang seiner Stimmte, die diese eigenartige Idylle zerstörte, kurz ihren Rhythmus störte, das sanfte Wiegen unterbrach. Jin starrte ihn an, wartete kurz und strich dann über seine Haare und über sein Glied zugleich. Schon dachte er, dass er hier sterben würde, das Pochen zu viel, das Ziehen so groß, fühlte alles weichen. Die Leere die folgte war viel zu groß, die Wärme viel zu wenig dort drinnen, die Berührung weg und ein verlangendes Kitzeln an den Orten, wo er Jin zuvor in sich gespürt hatte. Doch dann jubelte er auf, jubelte jedes Stück von ihm auf, als mit einer Bewegung, fast wie ein heftiger Schlag, alles, zurückkehrte, in ihn eindrang und ihn erfüllte. Sein Rücken beugte sich nach oben, zitterte so wie er, während er sich anspannte und es fast sehen konnte, das Blitzen vor seinen Augen übermächtig, bis wieder alles wich und ihn diesmal ein Stück höher zurückließ. Er wollte schon etwas tun, irgendetwas von seinem tauben Körper dazu bringen etwas zu tun, als ihm das abgenommen wurde. Sein Becken hob sich wie vom Wind getragen, noch immer am Rand das Gefühl des Pochens, der Erwartung, strich damit immer wieder mit seinem jetzigen Zentrum gegen die Brust über sich. Finger strichen dabei über ihn, liebkosten seine Haut, zogen daran, zwickten und trieben ihn damit nur noch höher, jede Pore zum Reißen angespannt und brennend, wo auch immer er es fühlte. Ein Kuss, ein merkwürdiges Ziehen, ließ ihn zittern, machte seine ganze Brust zu einem einzigen warmen Fleck, seine Finger in den Haaren vergraben, unentschlossen was er wollte. Wieder und wieder presste sich etwas gegen ihn, drückte ihn hoch, bis er oben die Berührung auf dem empfindlichsten Teil spürte, ließ ihn zitternd zurück als es sich entfernte, machte ihn fast wahnsinnig, bis er sich entgegen drückte, es in sich aufnahm, stöhnte und es immer tiefer spürte. Und damit fiel alles auseinander. Sein Verstand verglühte in der nächsten Minute, ging unter in dem Feuerwerk, dass durch seinen Körper raste, sein Glied erfasste und den Druck nach außen schoss, seinen Rücken schmerzhaft nach oben bog. Die Befreiung war beinahe schmerzhaft, erfasste ihn vollkommen und ließ seinen Blick in einem Blitzen, einem Meer aus weißen Punkten untergehen, seinen Verstand in einem Gefühl, so unbeschreiblich wie nichts anderes. Aus Instinkt, aus Freude, bewegte er sich, wollte mehr davon, mehr von dieser Glückseligkeit, die sein Herz mit jedem ohrenbetäubenden Schlag weiter pumpte, die sich nur noch steigerte, als etwas Warmes sich in ihm rührte, merkwürdig in ihn floss und ihn sanft lächeln ließ. Perfekt, es war einfach alles perfekt, sein Gesicht und sein Körper wie taub und doch so schwerlos, während er sich mit letzter Kraft an Jin klammerte und sich damit festhielt an diesem Plateau, dieser Welt, in der alles egal war. Etwas wirbelte in seinem Unterkörper wie ein Sturm, breitete sich auf seiner Haut aus und fegte dort entlang, unbeschreiblich klar und dumpf. Sekunden, Minuten, Stunden dauerte es, Zeit ohne Bedeutung für diesen kleinen Augenblick, in dem kein anderer außer ihm und Jin existierte, selbst das Paradies blass im Angesicht dieser Freude wirkte, die jeden seiner Muskeln in ein Feuerwerk aus Anspannung verwandelte und in der die sanften Bewegungen ihn auf diesem Orkan schweben ließen. Es hätte ewig dauern sollen, können, doch viel zu schnell fühlte er wie die Realität wieder einsickerte, ihn aus dieser Wonne riss, seinem Verstand wieder zu viel Macht gab. Mark seufzte, als er den Rückzug nicht mehr aufhalten konnte, ließ los und sich auf den weichen Boden fallen, der seinen Aufprall dämpfte und bei der Berührung stach wie tausend Nadeln, seine Haut viel zu empfindlich. „Au?“, flüsterte er leicht verwirrt, kratzte sich über seine juckende Wange und bewegte seinen Rücken hin und her in der Suche nach einer weniger irritierenden Bewegung, schon viel zu tief unten in der Realität. Mit einem leisen Geräusch fühlte er, wie die Wärme, die Fülle, schon viel zu gewohnt, aus ihm wich, etwas mit sich zog und seine Beine schließlich den Dienst aufgaben. Seine Füße rutschten auf den Grund davon, brachten ihn dazu beim ersten Kontakt seines Hinterteils mit dem Boden die Zähne zusammenzubeißen. Langsam fühlte sich sein Körper weniger taub an, hinterließ in ihm von Sekunde zu Sekunde mehr den Wunsch, lieber wieder zu dem vorigen Zustand zurückzukehren, als er sich über seinen Rücken rieb. „Perfekt…so sollte das Paradies sein…“, schreckte ihn Jin hoch, der noch immer über ihm lag, ihm ein paar Stellen bewusst machte, die noch viel zu interessiert schienen. Die goldenen Haare wirkten nur ein wenig zerstreut, der Ausdruck ein wenig entrückt, aber keine Schweißperle, keine Röte war zu erkennen. Dabei waren diese Sachen in Marks Gesicht sicher viel zu deutlich aufgeblüht. „Oh…nein. Was hast du mit mir gemacht? Ich bin nicht schw…“, murmelte er wieder, versuchte gerade sein davon zu überzeugen, während dessen störrisches Eigenleben all seine Bemühungen zunichte machte. Er hatte es genossen und fühlte noch immer die angenehme Erleichterung, die Anspannung, die so wohlige Entspannung, die durch jede seiner Adern floss; er war fast müde. „Zum He…Henker, ich…das…“ Jin beugte sich vor, flüsterte: „Du musst nicht homosexuell sein, du musst nur mich mögen…“ in sein Ohr. Eigenwillig, beruhigend und so erregend zugleich. Mark schauderte, biss sich auf die Unterlippe, um sich wieder zu beruhigen, ohne eine Möglichkeit der Wahrheit hier zu entkommen. In einem letzten Versuch stemmte er seine Hände gegen das weiche Moos, spannte sie an und zog sich damit nach hinten, weg von seinem Dschinn, der viel zu warm war, ihm keine Luft zum Atmen ließ. Sein Herz raste, sprang fast einen Satz in freudiger Erwartung auf eine Flucht, als er schließlich weit genug war und sich mit einer Rolle umdrehte. Mit seinen Armen drückte er sich hoch, zog seine Beine nach um aufzuspringen und in die Richtung zu rennen, in der ein leichtes Rauschen zu hören war, in der fester Boden wie ein Versprechen winkte. „Ich würde nicht…“, versuchte ihm Jin etwas zu sagen, brachte ihn dazu seinen Kopf nach hinten zu drehen. Voll bekleidet stand sein Dschinn mit einem breiten Grinsen da, kam Schritt für Schritt hinter ihm her und streckte plötzlich einen Arm aus. Genau in dem Moment stolperte Mark, fühlte wie etwas unter ihm nachgab und er versank. Wild rudernd fiel er nach hinten, drehte sich noch im Fallen, nur um mit den Gesicht voran auf die grüne Masse zu fallen, die er nicht beachtet hatte, die unter ihm nachgab und ihn in weniger kühles Nass beförderte. Erschreckt öffnete er den Mund, schluckte Wasser, bis er mit seinen strampelnden Füßen den Boden fand. Glitschig war er, immer wieder rutschte er davon ab, bis er sich schließlich irgendwie durch die dichte grüne Masse, durch die kleinen spitzen Dornen hoch gekämpft hatte und panisch nach Luft schnappte. Inzwischen musste er blinzeln, seine Haare ein einziger nasser Teppich vor seinem Gesicht, den er schnell zur Seite schob und „Was zum He….“, sagte, bevor der Anblick ihn fesselte. Um ihn herum waren riesige Seerosenblätter mit hochgekrempeltem Rand, bewachsen mit Gras, zwischen dem hin und wieder kleine gläserne Schmetterlinge saßen, dieselben wie in den Bäumen. Doch die Fühler streckten sich doppelt so dick in die Luft, umrahmt von dutzenden Ranken und blauen Blüten, die ihn an Rosen erinnerten, endeten wieder in den Ketten der Quallen, die im Lufthauch hin und her schwebten. So nah wie er jetzt war, sah er die schwarzen Blätter, die sich irgendwo in der Mitte des Flusses nach oben erstreckten, den Blick auf alles andere versperrten und nur so von Dornen übersät waren. „Willst du, dass ich dir Gesellschaft leiste“, schreckte ihn Jins Frage hoch. Dieser wirkte zu entspannt, zu glücklich, die Augen wieder halb undurchsichtig, so wie vorhin, vorhin, bevor sie… Verdattert schrie er: „Nein“, blieb noch einen Moment in diesem angenehm warmem Wasser, nur um gleich hinauszusprinten, sein Dschinn schon zu nah, sein Körper zu entspannt. Mitten im Lauf rasten seine Augen über den Boden, bemerkte er dabei am Rand des Mooses eine Mauer, die die Grenze zu dem Blumenfeld bildete, die Bäume, die dicht an dicht die Grenze des ganzen Paradieses zu sein schienen, bis er endlich seine Hose entdeckte. So schnell er konnte zog er sie an, zwängte sich mit viel Mühe mit seinen nassen Beinen in diesen störrischen Stoff, schlüpfte in seine Schuhe. Noch immer suchte er, doch nirgends war sein Hemd zu finden, schien verschwunden, während Jin ihn lächelnd, wissend, betrachtete. Die gutaussehende Kleidung, der lockere Anzug mit dem oben offenen Hemd - viel zu oft getragen und dabei so unwiderstehlich - halfen nicht seine Gedanken auf das Wichtigste zu konzentrieren. Mark schüttelte den Kopf, blinzelte, um dieses Bild aus seinem Körper zu bekommen, scheiterte, bis er endlich seiner Zunge freien Lauf ließ: „Wo zum Henker ist mein Hemd und wieso…ach vergiss es. Und verdammt, schau mich nicht so an!“ „Zersetzt. Aber ich kann dir gerne meines leihen oder dich wärmen…“, neckte ihn Jin jetzt regelrecht, brachte ihn dazu, fast zu knurren, „und wie soll ich dich nicht ansehen?“ „SO! So, als ob ich…also ob du…als ob wir…zum Henker, es hat nichts zu bedeuten, dass es mir gefallen hat und ich gleich noch…nein, scheiße. Nicht jetzt!“, stotterte er unter dem Blick, verschränkte seine Hände vor seiner Brust und versuchte dabei die Hitze in seinem Gesicht zu ignorieren, hoffte auf irgendeine Ablenkung als er sich umschaute und das Paradies zu perfekt dafür schien, selbst eine Frage darüber hier so falsch wirkte. Doch dann plötzlich machte es „blubb“ neben ihm und eine braune Masse tauchte auf, änderte ihre Form ständig, bis Augen auf Stielen ihn anstarrten, ihn kurz an eine Schnecke erinnerten, bis sie sich in Facetten änderten und der Großteil des Dings sich in eine Art Satellitenschüssel verwandelte, über der ein kreisendes rotes Kügelchen schwebte. Es blubberte noch ein, zweimal, bevor es stumm wurde. „Was zum…“, brachte er schließlich nach Minuten hervor, alles andere vergessen, schaute zu Jin auf, der wenig glücklich wirkte. „Eine Moorleiche, etwas zwischen Tier und Pflanze. Finden sich in solchen Mooren wie diesen hin und wieder und ernähren sich vom Sonnenlicht so wie Pflanzen…oder auch von abgestorbenen Materialien, wirken manchmal wie eine Hand, die direkt aus dem Moor herausragen, wenn sie die richtige Form einnehmen“, kam die knappe Erklärung merkwürdigerweise, hinterließ in Mark die Frage, ob sein Dschinn inzwischen so nett geworden war, bis etwas anderes folgte. „Und jetzt da du einsiehst, dass es dir gefällt und ich gut für dich bin, könnten wir endlich weitermachen“, klang es beinahe kindisch, ungeduldig und Mark sah schon seien Partner auf sich zukommen, sein Körper noch immer unruhig und mit dem Vorschlag mehr als einverstanden. Sein Blut schoss im Takt mit seinem Herz hinunter. „Nei…Nein, nicht…“, wollte er sich wehren, konnte nicht mehr, die eigenartige Müdigkeit und Schwere zu groß und gab schließlich seinem Körper nach. Sein Verstand war nur noch ein dumpfes Pochen, das eine letzte Frage zuließ:„…uns sieht niemand, oder?“ Und damit war die Stimmung wieder perfekt. Eine Hand strich über seine Haare, strich über seinen pochenden Hals, während die Antwort alles besiegelte: „Niemand sieht uns und niemand wird es je erfahren…“ Finger lagen schon auf dem Gesäß nahe der Stelle, die so eigenartig zog, drückten zu, bis er sich seinem Dschinn nicht mehr entziehen konnte, den warmen Körper an sich fühlte und seine Arme um Jins Hals schlang, um das Gleichgewicht zu halten. Zumindest hatte er es so vor. „Das letzte Mal…nur noch dieses eine Mal. Dann ist klar, dass ich nicht schwul bin…“ Kapitel 12: Schneller vorwärts, langsamer zurück ------------------------------------------------ Schneller vorwärts, langsamer zurück Fast wehmütig schaute Mark zurück auf die unauffälligen Bäume, hinter denen er ein kleines Paradies wusste, fuhr sich noch einmal durch die Haare. Dabei ignorierte er mit viel Mühe das leichte Panikgefühl, diesen Drang zu fliehen, zitterte vor Anstrengung, seufzte schließlich, während er sich umdrehte. „Also was…“, begann er an Jin gerichtet, starrte das Auto an, dessen offene Türen im Moment fast einladend wirkten, „…war das?“ Sein Dschinn verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte. „Sex…“ Bei den Worten fiel Marks Unterkiefer mit einem lauten Knacken nach unten, ließ seinen Mund offen stehen, seine Augen aufgerissen, die Wangen immer heißer. „Da…Da…“, stotterte er kurz, versuchte die Wärme zu ignorieren, die Scham, die Freude, die Fassungslosigkeit, einfach alles was ihn beschlich, bis seine Zähne schließlich mit einem lauten Aufprall wieder aufeinandertrafen und knirschten. „Ich bin DAS nicht“, betonte er jedes Wort, presste es zwischen seinen Lippen hervor, „und wir werden nie wieder Sex haben, zum Henker, du Perverser. Idiot.“ Schließlich hielt er den Blick nicht mehr aus, schüttelte sich, versuchte dieses laute Pochen und Rauschen zu ignorieren, nur um dann zu dem Auto zu stampfen. Wütend rammte er seine Füße in den Waldboden, ergriff die Tür und fiel förmlich auf den Sitz, wobei er die Tür weiter in der Hand hielt. Mit einem ohrenbetäubenden Knall krachte sie zu und sperrte diesen Idioten kurz aus – aber auch nur kurz. Von der Seite spürte er das Prickeln auf seinem Nacken, auf seinem Hals und drehte seinen Kopf vorsichtig, nur um ihn gleich wieder zurückschnellen zu lassen. „Du Perverser. Bleib mir vom Leib“, regte er sich auf und verschränkte die Arme, presste seinen Rücken gegen den Sitz, um das Jucken zu unterdrücken. „Mein Markus, ich denke ich liebe es, wenn du wütend bist“, drang ein Windhauch in sein Ohr, während das Auto ansprang und sich nach hinten bewegte. „Was?“, fuhr er um, starrte Jin verdattert an, die Augen so weit, dass sie sich kühl anfühlten und ballte die Finger einer Hand zu einer Faust, versuchte seinen Blick immer wieder weg zu drehen. „Süühüß“, gurrte plötzlich Sarah von hinten, nur um gleich wieder zu verstummen, als sein Dschinn das Wort übernahm. „Aber nach diesem netten Tag“, bei den Worten bemerkte Mark den Mond, der inzwischen schon erkennbar war, obwohl die Sonne sich noch irgendwo verbarg, „bin ich wieder so nett…“ „Nett?“, murmelte er die Antwort für sich selbst und verdrehte die Augen in Richtung der edlen Deckenverkleidung in beige. Jin ignorierte ihn nur mit einen Lächeln, während das Auto so nah an den Stämmen vorbeirauschte, rückwärts vorbeirauschte, dass er mehrmals schlucken musste und trotzdem den Knoten nicht loswurde. „Ihr Menschen – zumindest die meisten – sind einfach nur dumm. Verborgene Paradiese wie diese hier überseht ihr selbst in der Wüste, wenn ihr sie in euren letzten Atemzügen seht. Ein wunderbarer Zug eurerseits“, klang es nicht sehr ermunternd und fast beleidigend. „Tja“, setzte sein Dschinn ungerührt fort, „und das hier ist einer dieser Orte. Ein Paradies vor eurer Nase, das ihr überseht und das selbst diese dummen Dschinns nicht schätzen können. Ob sie es wohl einsehen würden, was das wahre Paradies ist, wenn man sie in ihren letzten Augenblicken, wenn sie die größten Qualen haben, hierher schleift und ihnen so die letzte Hoffnung raubt?“, und klang dabei weit zu überzeugend. „Moment, halt.“ Mark schluckte diesmal fest, ignorierte den fahlen Beigeschmack den Jins Ausführungen hinterließen, dieses Grausamkeit die in ihnen lag, und konzentrierte sich auf das Wesentliche, fragte: „Das kann nicht wahr sein. Du belüg…wieso sollte niemand da rein gehen?“ „Magie, Natur und Magie. Ein Duft, der alles abhält, in Panik versetzt und so die beste Wirkung hat – was du selbst bemerkt haben dürftest. Er bildet eine Barriere um das Gebiet, ausgeströmt vom Rand, von den schwarzen Blättern, die dazu noch verbergen, was sich dahinter verbirgt und täuschen. Jemand der das Geheimnis nicht kennt, wird nie auf die Idee kommen sich zu überwinden. Wenn du mehr wissen willst, könnten wir ja noch einmal umkehren…“, erklärte ihm Jin lächelnd, zum Ende hin immer leiser und beinahe verschwörerisch, den Kopf leicht nach vorne gebeugt und die goldenen Augen ein einziger See… „Was?“, riss Mark seinen Kopf herum, starrte seinen Dschinn an, das Gesicht verkrampft und in einer Starre gefangen. Sein Körper betrog ihn wieder, ließ zu viel Blut durch seine Adern nach unten rauschen und brachte ihn dazu sich im Sitz hin und her zu bewegen um das Jucken nicht mehr zu fühlen, zu übertünchen. „Du Perverser…geh doch allein zurück“, maulte er schließlich eingeschnappt, griff nach oben, packte den Haltegriff mit beiden Händen, presste so stark, bis ein leichter Schmerz dort aufglomm und ihn vom Rest ablenkte. Mühsam ignorierte er das Geflatter, das leise Gekicher und das ständige Gefühl beobachtet zu werden, das Geratter des Wagens, bis er endlich die versteckte Auffahrt zum Haus sah. Irgendwo verborgen zwischen Bäumen, kaum erkennbar, wand sich die Straße hoch, hoch bis sie abrupt endete. Mit einem Quietschen wurde er in seinen Gurt geschleudert, prallte gegen den harten Stoff. Er grummelte unzufrieden, starrte Jin wütend an. „Du…kannst du nicht bes…“, wollte er sagen, sah schon die unvermeidliche Antwort und biss sich lieber auf die Zunge, während er mit dem Verschluss kämpfte und sich aus dem Sitz schälte. Einen kräftiger Stoß gegen die Tür später stand er schon draußen, atmete kurz die Luft ein, die ihn zum Zittern brachte, sein Oberkörper noch immer viel zu nackt. Wie von selbst wanderten seine Augen bei dem Gedanken kurz hinunter, blieben für ein paar Momente förmlich dort kleben, nur um sich dann mit einem halben Knurren zu lösen. Das konnte nicht wahr sein. Der blaue Streifen war jetzt irgendwie dicker, hatte einen Schnörkel in der Nähe des Tattoos und war noch deutlich prominienter geworden, schimmerte regelrecht. Die Farbe floss beinahe hin und her wie bei einem Aquarell, das sich nicht entscheiden konnte, wie es am Ende aussehen wollte. Sein Herz klopfte bei dem Gedanken aufgeregt, seine Hände wanderten von selbst über das merkwürdige Zeichen und versuchten mit den Armen diese Wandmalerei an seinem Körper irgendwie zu verdecken. Verkrampft schaute er sich um, als er noch immer Farbe unter seinen Händen hervor blitzen sah, die Angst entdeckt zu werden viel zu groß. Seine Augen strichen über die Umgebung, die so idyllisch unverändert da lag und keine Spur von Gefahr in Form seiner Großeltern zu bergen schien, wanderten Minuten, bis er schließlich erleichtert aufatmete und in Richtung Haus stampfte. „Markus!“, ließ ihn eine Stimme direkt beim Eingang erstarren, der sich wie das Tor zur Hölle öffnete. Mark starrte wie gebannt auf seine Großmutter, deren verzücktes Lächeln ihn immer mehr in Panik versetzte, ihn dazu brachte, seine Finger in seine Haut zu bohren und irgendwie die Zeichen verdecken zu wollen – doch es half nicht. „Oooooh…“, kreischte Claudia förmlich, schlug sich mit den Händen gegen die Wangen und strahlte dabei so eigenartig. Begeistert fand sie scheinbar Worte: „Mein Gott, ich hätte ja nie gedacht, dass du SO sehr nach mir ausschlägst. Gott, ist das genial – und erzähl mir nicht, dass das da eine Mücke war…“, und deutete jetzt irgendwo in die Nähe seines Kopfes. Verwirrt schaute er hinunter und stolperte gleich einen Schritt zurück, als er dieses sehr deutliche rote Mal an seiner Schulter bemerkte. „Scheiße, scheiße, scheiße zum Henker noch mal!“, fluchte er dabei, sah noch einmal auf und stürmte dann mit hochrotem Kopf und einem „Wo zum Henker ist nur Opa!“, schnell an seiner Großmutter vorbei, die jetzt laut lachte. „Verdammt, zum Henker…“, entwich es ihm immer wieder, während er um die Wände zischte, die Treppen hoch hechtete und völlig außer Atem die Tür zu dem blauen Zimmer öffnete, nur um sie im nächsten Moment mit einem ohrenbetäubenden Krach zuzuknallen. In seinen Ohren rauschte der Fluss jetzt wieder, pochte sein Herz in voller Lautstärke und machte ihm die Tränen bewusst, die sich jetzt hinausdrängen wollten. Langsam kroch sich dazu ein Zerren in seine Muskeln, konzentrierte sich gerade in dem Bereich, den er eigentlich vergessen wollte, schwemmte Bilder in sein Bewusstsein die sein Blut nach unten jagten, während er sich mühsam zum Bett bewegte und sich auf diese unglaublich weiche Matratze fallen ließ – Bauch voran. Es federte ihn ab, brachte ihn dazu sich ein wenig zu entspannen, seinen Körper zu vergessen, nur noch diese furchtbaren Gedanken da, die nicht und nicht verschwanden. „Wieso nur, wieso immer ich?“, flüsterte er schließlich verzweifelt, schüttelte seinen Kopf und blinzelte dabei wie ein Wahnsinniger, krallte sich an einem Polster fest. „Lasst mich doch einfach alle in Ruhe, zum Henker. Ich…ich weiß es ja…“, rutschte es ihm heraus, machte ihm in dem Moment bewusster, was er schon so lange mit sich herum schleppte und auch jetzt sofort wieder unterdrückte – oder es zumindest wollte, denn dazu kam er nicht mehr. Ein sanfter Hauch an seinem Ohr ließ ihn zittern, raste durch seine Adern und presste die Wärme in jede Pore. Ohne sich dagegen wehren zu können, bevor er es überhaupt registrierte, drehte er sich schon zur Seite, drückte seine Finger in dem Moment nur noch fester in das Kissen, um sich zu beruhigen, die aufkeimende Müdigkeit zu unterdrücken. Seine Gedanken hingen fest, festgefroren in der Mitte und unfähig sich auch nur einen Schritt weiter zu bewegen. „Mein Markus.“ Diese tiefe Stimme brachte ihn dazu alles kurz zu vergessen, alles verwerfen zu wollen, bis er das Kissen nach vorne zog und an seine Brust presste wie einen Felsen an dem er sich anhalten konnte. „Lass mich…“, begann er; sein Blick wanderte auf die Decke die hellblau leuchtete. Er versuchte einen Punkt dort zu finden, während eine Hand über sein Gesicht strich. Kurz verschwamm alles, bis sich Finger in seinen Haaren fanden, hindurch strichen und ihn beruhigten mit ihrer Sanftheit und dem eigenartigen Geruch. „Du weißt es doch selbst, also gib auf“, hörte er nahe, zitterte kurz und ballte eine Faust, die Finger der anderen Hand fest im Kissen vergraben, um seinen Körper von jeder Reaktion abzuhalten, „und komm mit mir zurück um ein wenig Spaß zu haben.“ Ein leises Lachen riss ihn aus seiner Starre, pochte in seinem Kopf wieder, weiter unten wieder. Damit raste seine Aufmerksamkeit gleich mit zu Jin, der jetzt ein paar Schritte weiter stand, der Arm ausgestreckt und ihm mit dem Zeigefinger winkte, grinste. Es war zu viel. „Du…Perverser Dschinn, zum Henker. Geh doch alleine und lass mich in Ruhe. Nicht jetzt!“, schrie er, holte aus und fühlte das Gewicht in seiner Hand, ließ es nach hinten gegen die Wand knallen, nur um es mit voller Wucht nach vorne zu beschleunigen, bis es in Jins Richtung rotierte. Das Kissen drehte sich, prallte unter Marks Jubelschreien gegen die Brust seines Dschinns – und fiel einfach zu Boden, nur um von dort schnell aufgehoben zu werden. „Nicht jetzt?“, zerbröckelte sein Gegenüber gerade seine Freude. Mark rutschte langsam nach hinten, müde und glücklich und mit fast so etwas wie einem Grinsen im Gesicht. „So, jetzt will ich schlafen…schlafen bitte“, murmelte er in einem letzten Anfall, einem letzten Versuch und schnappte sich die Decke, zog sie in einer Bewegung über seinen Kopf, während er darunter rutschte. „Wie du wünschst…“, war das letzte das er hörte, unfähig zu protestieren, während sein Darm merkwürdig grummelte und der Schlaf ihn plötzlich übermannte. Alles wurde schwarz… Mark zog angestrengt an seinen Haaren, zerrte mit einem Knurren an den Blüten, die sich darin verfangen hatten und versuchte dabei genauso mühevoll alles andere zu ignorieren, während er doch viel zu viel mitbekam. Seit dem kleinen Vorfall mit dem Drachen kam so etwas schon fast täglich vor, an jedem der letzten paar Tage… „Es reicht mir“, erklärte sein Großvater mit ernster Stimme und spiegelte Jins Haltung mit den verschränkten Armen vor der Brust wider, „ich will jetzt sofort alles wissen und lassen sie die Finger von meinem Enkel. Sofort!“ Pierre schien keinen Widerspruch zu dulden, beachtete Jins nackten Oberkörper und die dutzenden Blumen und Flechten, die sich in den goldenen Haaren verfangen hatten offensichtlich nicht weiter, achtete nur auf eine Sache: „Und wischen sie sich dieses unerträgliche Grinsen aus dem Gesicht. Mich können sie damit nicht täuschen.“ „Täuschen?“ Sein Dschinn klang fast schon unschuldig, hätte zumindest so geklungen, wenn nicht seine ganze Haltung und sein Aussehen etwas anderes gesagt hätten. Dabei bewegte sich einer seiner Arme und strich ganz kurz über Marks Haare, zog eine Blüte heraus und roch daran. „Ich täusche nie, ich lüge nie. Und wie man unschwer erkennen kann, hat es ihrem Enkel gefallen…“, redete er weiter über ihn hinweg, worüber er diesmal mehr als dankbar war. Einfach nur ignorieren war die Devise. „Womit erpressen sie ihn? Ich weiß genau, dass Mark ein zu großer Feigling ist, um gegen die Einstellung seiner Mutter zu rebellieren…“, traf ihn die Aussage seines Großvaters wie ein Stich. Er zuckte zusammen, biss die Zähne angestrengt aufeinander, um seinen Mund zu halten und schlich sich dabei langsam in Richtung Tür. Er sah den Griff schon, streckte sein Hand danach aus und…stoppte. Eine wütende Stimme, ein Arm direkt vor seiner Nase hielten ihn auf: „Wir reden über dich, Markus“, wollte sein Großvater ihn in dieses Gespräch verwickeln, das er nicht führen wollte. Ohne sich wehren zu können, wanderte sein Blick hoch zu den grauen Augen, die ihn erwartungsvoll anstarrten und schluckte nur. Unter Stottern brachte er gequält ein: „Ich…ich…will duschen“, heraus und wollte sich umwenden, zog an der Tür, die noch immer von dem Arm zugehalten wurde. „Was hat er dir angetan? Wie erpresst er dich? Ich kann dich beschützen, Markus, ich werde alles in meiner Macht tun, um dich zu schützen. Du bist mein Enkel…“ Pierre klang so überzeugend, wie die Stimme der Vernunft, die er sich vor noch so kurzer Zeit so herbeigesehnt hatte, bevor seine Welt völlig aus den Fugen geraten war und so völlig anders zum Liegen gekommen war. Ganz kurz überlegte er, schaute fast hoffnungsvoll, nur um dann den Kopf zu schütteln. Er seufzte, schluckte. „Es…es ist nicht so…“, nahm er einen ersten Anlauf und rüttelte dabei noch einmal an der Tür, bis sich etwas um seine Hüfte legte, etwas viel zu Bekanntes, viel zu Warmes. „Mein Gott, Pierre“, griff Jin ein, zog ihn regelrecht an sich, spuckte den Namen seines Großvaters beinahe aus, „Wünsche können eben manchmal in Erfüllung gehen.“ Dabei zuckte Mark zusammen und versuchte angestrengt die Decke nach Mustern abzusuchen. „Und nur weil sie zu unflexibel sind, muss Markus es nicht sein. Er genießt jede Stunde mit mir und ich werde nie zulassen, dass jemand ihm auch nur ein Haar krümmt. Er ist mein…“ Ein Luftzug, das Prickeln um ihn herum, verriet ihm schon vorher, dass etwas im Gange war. Erschreckt schaute er auf, sah den wütenden Ausdruck seines Großvaters, riss die Augen erstaunt auf, als er eine Hand wie in Zeitlupe durch die Luft fliegen sah, zu einer Faust geballt. Ewigkeiten bewegte sie sich, bewegte sich knapp an ihm vorbei und prallte mit einem lauten Klatschen hinter ihm auf. Sein Kopf raste sofort nach hinten, sah, wie die Finger auf der Wange seines Dschinns lagen, leicht zur Seite geneigt. Die Luft um ihn herum war kalt, eisig; er zitterte. „Nein…“, murmelte er, Angst plötzlich überall, beinahe greifbar und seine Hände kurz unentschlossen, bevor etwas in ihm ausbrach. Schnell raste ein Arm nach oben, verkrallten sich Finger in den goldenen Haaren und zogen daran, zogen so stark, dass sich der Kopf nach unten bewegte, weg von der Faust und knapp über ihm stoppte, der Blick Jins auf ihn gerichtet. Mark schluckte kurz, nahm all seinen Mut zusammen, presste dann leise: „Lass das. Und ich bin nicht DEIN. Vergiss es, vergiss alles, du verdammter Idiot. Ich komme nie wieder mit dir mit.“, hervor. „Und lasst mich endlich in Ruhe, zum Henker“, rief er dann lauter, „ich habe die Nase voll von den Diskussionen, wenn sich sowieso nichts ändert, außer dass ich einen Herzinfarkt nach dem anderen bekomme. Verdammte Scheiße, ich will nicht dauernd daran erinnert werden, dass ich Se...“ Dabei zog er kräftig an den Haaren in seiner Hand, riss die Augen vor Schreck auf, panisch vor dem, was er da beinahe von sich gegeben hätte. Er hasste seine Ausbrüche. „Verdammte Scheiße, ich habe das nie gesagt und ich will…lasst mich in Ruhe! Mama wird mich sowieso schon umbringen und mich für komplett verrückt halten, sobald sie wieder da ist. Danke, zum Henker…“ Damit drückte er den Arm weg, schlug mit seiner Hand dagegen, löste sich von seinem Dschinn und ignorierte dabei den verdutzten Ausdruck in dem Gesicht seines Großvaters. Als er die Tür endlich aufmachte, seufzte er einen Moment lang, nur um sie im nächsten mit einem Wutausbruch, mit einem von Frust getränkten Schrei mit voller Wucht zuzuknallen. Fertig stampfte er ins Badezimmer, sah nichts und hörte nichts mehr um sich herum, wollte nur Wärme, Kälte, sich endlich waschen. Schneller als er denken konnte, begreifen konnte, stand er schon nackt in der Dusche, fühlte das Wasser langsam seine Haut hinunter rinnen, lehnte mit den Ellbogen, mit seinem vollen Gewicht gegen die Kacheln und schüttelte den Kopf. Unfähig in diesem Regen etwas zu fassen, ballte sich einer seiner Hände zu einer Faust, hob sich die wenigen Zentimeter von den Kacheln ab, schlug dann auf die harte Wand und stoppte, als ihn etwas durchzuckte. Er schüttelte seine Finger. Wie er Schmerzen hasste, wie er alles hasste, besonders die Situation die ihn an etwas erinnerte… „Markus…mein Markus“, flüsterte eine Stimme plötzlich viel zu nah. Er schreckte hoch, drehte sich mit einem Ruck um und rutschte dabei auf dem glatten Boden aus, fühlte wie sein Kopf nach hinten schoss, gegen etwas knallte. Im nächsten Moment hämmerte, pochte es schon laut dort, wo er die Kälte gefühlt hatte, wurde nur von zwei Händen hoch gehalten, zwei Armen, die seinem jetzt nackten Jin gehörten. Ohne es zu wollen, reagierte sein Körper und nur durch seine beherzten Gedanken an Kälte und eine runzlige alte Dame zu Besuch mit ihren Prothesen, stampfte er diese ungewollten Gefühle wieder in Grund und Boden – zumindest fast. „Lass mich in Ruhe. Und ich bin nicht dein Markus…“, maulte er und suchte wieder die Decke nach irgendetwas ab, das er nicht fand, trat mit seinem Fuß gegen das Bein vor sich. Ungebeten kamen ihm wieder die Gedanken an alles. „Wieso gehe ich überhaupt mit dir? Wieso mache ich das nur?“, flüsterte er so leise, dass niemand ihn hören konnte. „Vier Tage lang lasse ich mich jedes Mal mit einem bescheuerten Vorwand zum Paradies locken, das so schön ist, dass ich nie nein sagen kann und aus irgendeinem Grund schon bei dem Gedanken daran vor Freude springe und dieses verfluchte Prickeln überall, aber auch wirklich ÜBERALL spüre. Sex, jedes Mal Sex und ich bin jedes Mal zu dumm, um es zu verhindern, zu dumm um es überhaupt zu…“, sprach er die Vorwürfe jetzt lauter aus, fixierte Jin, der ihn noch immer hielt, ungerührt wie immer aussah. Wie in einem Rausch stürmten die üblichen Antworten, die üblichen Ausreden auf ihn herein, boten sich an: Vielleicht war da etwas an diesem Ort dort, in dem Paradies - doch das war nicht passend. Aber er war ja nur ein Mann, ergab sich nur seinen Trieben, er probierte nur und es war ganz normal. Außerdem war Jin attraktiv. Den letzten Gedanken beäugte er nur einen Moment, bevor er ihn zum Schweigen brachte. „…wollen.“, riss Jin die Ruhe entzwei, setzte seinen Satz so passend fort – nass, nackt und die Hände langsam über Marks Seiten streichelnd. Die Wärme kroch den Fingern folgend, hinterließ eine Spur, die irgendwie direkt nach unten führte. Es war einfach zu viel. „Nein, zum Henker, weil DU es willst, verdammte Scheiße! Und mir gefällt es…verdammt, aber ich will wieder so wie vorher werden! Wieso immer ich?“ Wieder und wieder schlug er mit seinen Händen, mit seinen Fäusten gegen die Brust vor sich, schaute auf und stoppte, als ihm plötzlich bewusst wurde, woher er das alles kannte und: „Scheiße, Scheiße, SCHEISSE! Ich hasse doch Liebesschnulzen!“, schrie. Einen Moment lang konnte er nicht fassen, woher das kam, wie schnell und überraschend, bis er nicht mehr konnte und in ein leises Lachen ausbrach, Tränen in den Augen, die seine Welt verschwimmen ließen und alles mit sich wegschwemmten. Endlich schien alles klar… „Aber ich werde nichts zugeben und ich bringe dich um, wenn du es meinen Eltern oder meinen Freunden verrätst…“, murrte er zwischen Hicksen und Lachen, gab auf. Er war doch schließlich nur ein Mann… „Ich werde sie gerne persönlich umbringen, wenn du es wünschst…“, flüsterte ihm Jin ins Ohr, ernst, viel zu ernst und brachte ihn dazu, sofort erschreckt zu erstarren. „Nein. Scheiße“, konnte er gerade noch stammeln, als aufgeregtes Flattern vor dem Fenster zu hören war und etwas gegen die Scheibe hämmerte. Sein Dschinn schaute auf, hob eine Augenbraue und meinte dann trocken: „Jin und sein Anhang…“,zog ihn schon aus der Dusche. „Ich kann das selbst, du Verrückter“, riss Mark sich los, trocknete sich schnell ab, zog seine Unterhose mit Mühe an, stolperte förmlich in seine schwarze Hose, die viel zu eng, viel zu unbequem erschien und streifte das grüne Hemd über, das über der Abwasch ausgebreitet gelegen hatte. Ohne weiter zu warten, in der Gewissheit, dass Jin ohne irgendwelche Aufforderungen viel zu rasch hinter ihm sein würde, sprang er die Treppe hinunter, rannte zur Tür und ignorierte kurz die Schuhe, die dort noch immer standen, voller Matsch und Dreck an seinen letzten Ausflug erinnerten, beugte sich dann doch vor und bedeckte seine Füße mit anderen Tretern. Bevor er sich noch aufrichten konnte, stand schon Jin in voller Pracht vor ihm, in seinem Anzug, und riss die Tür auf. „Was wollt ihr hier?“, hörte er im nächsten Moment in einem wirschen tiefen Tonfall, starrte schon halb auf den Rücken seines perversen Partners, drängte sich vor, um mehr zu sehen, nicht hinten zu sein und trat den Schritt hinaus in die Sonne. Vor ihnen standen der andere Dschinn und die Geistfrau, deren Hand auf Julius Arm lag. Hinter diesem eigenartigen Trio wankten die zwei nackten Zombies als ob sie vom Wind hin und her getrieben würden, schirmten die merkwürdige blasse Erscheinung ab, während Julius Mark anstarrte, so unendlich müde wirkte. Doch nicht nur das. Tiefe Kratzer verteilten sich quer durch das Gesicht, zogen sich wie eine Kraterlandschaft durch, noch umgeben mit Blut, kaum getrocknet. Die Kleidung flatterte genau in dem Moment als Mark den Mund schon öffnen wollte halb durchlöchert im Wind hoch, offenbarte dabei immer wieder Brandblasen, die rot hervorstachen und sehr schmerzhaft sein mussten. „Du“, flüsterte Julius fast, die Stimme tief und kaum hörbar, ballte dabei eine Faust, der Kiefer am Zittern. „Du…“, hörte er, fühlte im gleichem Moment, wie sich etwas änderte, sah einen Arm wie in Zeitlupe auf sich zurasen, unfähig auszuweichen. Mark riss die Augen auf, starrte wie gebannt auf die Knöchel, die gleich in seinem Gesicht auftreffen würden – bis sein Blickfeld verschwamm, gebräunte Haut rechts sichtbar wurde und ein Arm direkt neben ihm anhielt. Eine Hand erschien vor seinen Augen, schirmte ihn ab. Bevor er noch reagieren konnte, federte sie zurück, kam immer näher, raste unaufhaltsam auf seine Nase zu, nur um im letzten Moment einen Hauch entfernt zu stoppen und ihn dazu zu bringen, verwirrt wie ein Irrer zu blinzeln. Ganz langsam, vorsichtig, seine Zähne ein klapperndes Gestell, folgte er den Fingern hin zum Armgelenk, wanderte mit seinem Blick weiter über den Ellbogen, bis er schon am Rande erkennen konnte, wem er gehörte. Scheinbar regungslos stand Jin zu seiner rechten Seite, atmete bei jedem Zug auf die Seite seines Kopfes und brachte seine Schulter, hinter der sein Dschinn stand, zum Kitzeln. Mit einer Faust hielt er die Hand umschlossen, drückte sie immer deutlicher von Mark weg und hatte dabei einen unbeschreiblichen, beängstigenden Ausdruck im Gesicht. Dabei wurde mit jedem Zentimeter, den Julius zurückgedrängt wurde, die Luft um sie herum um Grade kälter, begann das Wasser an der Haut zu gefrieren und jeder Atem dicke Schwaden hervorzuzaubern. „Das war ein Fehler“, erklärte sein Dschinn trocken, bevor ein gellender Schrei in seinen Ohren widerhallte. Julius schrie, wand sich, versuchte sich zu befreien, nach hinten zu fliehen, kratzte panisch mit den Fingern an der Hand, die ihn hielt. „Ahhhhh!“, hallte es durch das ganze Haus, durch den ganzen Wald, bis Vögel wild davonstoben. Sein Gegenüber hatte einen Moment lang Tränen in den Augen, Flüche auf den Lippen, bis das Bild in seinem Blickfeld wieder für einen Moment verschwamm. „Ja, das war ein Fehler“, grollte im nächsten Moment etwas vor ihm, links neben Julius, vor Mark und brannte auf seiner Haut. Er konnte nicht anders, schaute hinunter und erstarrte. Die braune Hand, die auf seinem Hals lag, drückte genau auf seine Halsschlagader, glühte hinten rot auf wie Lava, während Julius Arm von noch weiteren, dunkelbraunen Fingern umschlossen wurde und sie alle in einem verdrehten Viereck standen. Wie ein Erdbeben klang der andere Dschinn im nächsten Moment, keifte seinen an: „Lass ihn los, oder dein Spielzeug wird den heutigen Tag nicht überleben.“ Seine Zunge löste sich wie von selbst: „Ich bin kein…“, knurrte er, wollte es zumindest, bis die Hand fester zudrückte, ihm brutal die Luft abschnitt. „Sei ruhig, du Pest. Du bist genauso schuldig wie er. Anstatt ihn aufzuhalten, dich zu opfern, lässt du ihn gewähren und gibst dich ihm auch noch hin“, dabei wanderte der kleine Finger auf seinem Hals etwas zur Seite, in die Nähe seines Tattoos und zu den roten Flecken, die niemand für Mückenstiche halten konnte… „Kopf ab, Kopf ab für den Starrer!“, kreischte die Geistfrau, zeigte mit einem wackeligen Finger auf ihn, Wahnsinn in ihren Augen, während hier die Hölle los brach und seine Welt ganz langsam an den Rändern anfing zu verschwimmen. Kreischend kam jetzt auch noch Sarah über ihm mit lautem Flattern an, verteilte dabei aufgeregt weiße Flecken über Julius und seinen Dschinn und schrie: „Lass gehen! Lass los!“, bevor sie sich mit ihren Krallen voran im Sturzflug auf den unausstehlichen anderen Jin stürzte. Doch bevor sie aufkam, streckte sich eine blaue Hand aus und fing sie direkt vorher ab. „Dreckiges Vieh. Kopf ab! Taubenbraten!“, beschloss der weibliche Geist und schleuderte Sarah mit Schwung in Richtung ihrer Gefährten, wo sie nie ankam, sondern sich wild flatternd kurz vor dem Aufprall wieder fing und in die Lüfte stieg. Luft, genau das brauchte er. Er brauchte Luft, kratzte mit seinen Fingern an dem harten Arm und versuchte irgendwie „Jin, hilf…“, zu keuchen, zu beenden, ohne eine Chance zu haben. Stattdessen bohrten sich die harten Finger noch tiefer in seinen Hals, machten es ihm unmöglich zu schlucken, sein Herz ein einziges Rasen unter der Haut, pure Panik. Seine Augen hämmerten wild. Irgendwie merkte er, dass Jin seine Hände um den braun glühenden Arm gelegt hatte, doch scheinbar nichts tat. „Kopf ab! Feiger Lügner, Kopf ab!“, schrie in seinen Ohren die Frau, pochte mit seinem Kopf, mit den furchtbaren Schmerzen auf. In einem letzten Anflug, in einer letzten Hoffnung, bevor sein Blick völlig in Schwarz unterging, hob er sein Bein, ließ es nach hinten rasen, nur um es mit Schwung irgendwohin zu beschleunigen, unfähig zu steuern. Es flog ewig lange, sackte kurz ab und zitterte in der Luft, bis Marks ganzer Körper mit dem Aufprall mitvibrierte, sein Fuß schmerzhaft aufglühte und die Finger sich nur noch stärker um seinen Hals legten. Alles umsonst - oder doch nicht? Ein Schrei vor ihm lenkte seine Aufmerksamkeit, den Rest seines Verstandes auf Julius, dessen Hals jetzt von Jins Hand umschlungen war. „Lass ihn los, oder deine Arbeit all die Jahre lang war umsonst. Lass meinen Geliebten los!“, fauchte jetzt sein Dschinn den anderen an, ließ bei jedem Wort Eiskristalle vor seinem Mund hinabregnen. Lautes Lachen, noch festerer Druck war alles, was er spürte. „Wenn er stirbt, bist du tot. Dieses Wagnis wirst du nicht eingehen, das wissen wir. Wer hat hier mehr zu verlieren?“ Vor ihm schnappte Julius gerade nach Luft, die Augen weit aufgerissen und mit roten Adern durchzogen, während sein eigener Blick endgültig verschwamm, der Druck zu groß, die Situation völlig außer Kontrolle. Alle gefangen in einem Patt. Tränen kullerten über seine eigenen Wangen, unaufhaltsam und schwach. Er sackte zusammen, unaufhaltsam dem Boden entgegen, bis er Sarah sah. Sie stürzte sich von hinten auf den anderen Dschinn, zerrte an dessen Haaren und der Griff um seinen Hals lockerte sich um nur eine Spur. Ein warmer Wind fegte über ihn hinweg, zerrte mit einem kräftigen Ruck an ihm. „Stirb!“, blies es in seine Ohren, fegte damit den Griff um seinen Hals davon, fegte in seine Lungen, seine brennenden Lungen. Mark riss die Augen auf, berührte seine Haut, die noch brannte, fand sie frei vor, spürte hinter sich die unverkennbare Härte seines Dschinns, blinzelte. Sarah kreischte fröhlich und flatterte von Kieselsteingeschossen verfolgt in ihre Richtung, nur um sich schnell auf seine Schultern zu setzen und „Schweine“, zu gurren. „Ich hatte es dir gesagt – er versteht es nicht, er ist nur deshalb noch am Leben, weil er ein devoter Untertan Jins ist. Das ist keine Strafe für ihn…es ist das einzig Richtige und wird ihm nicht schaden.“ Es klang wie ein Überzeugungsversuch des anderen Dschinns, der Julius an sich zog, ihm ins Ohr grummelte, während dieser nur zitterte. „Devot? Was?“, knurrte er leise, noch immer bemüht Luft einzusaugen und wurde ignoriert. „Das ist dein Ende Jin, dein Ende!“, blies es an seinem Ohr vorbei. Sein Jin drückte ihn bei diesen Worten nur noch fester an sich, ein Arm um seinen Bauch gelegt, streckte den anderen auf der linken Seite nach vorne. „Mein Ende? Deines. Zwei Dschinns dürfen nicht im selben Bereich sein, zwei Dschinns führen unausweichlich zu einer Katastrophe. Du musst weg und willst nicht gehen. Und du hast Duran den Jäger, diesen Nachahmer eines Feuerdschinns, auf uns gehetzt und jetzt kennt er mich. Er hätte mich, hätte Julius fast umgebracht. Wie viel Zeit haben wir jetzt noch, bis er wiederkommt und mich ausradiert? Zweimal kann ich ihn nicht vernichten“, grollte jetzt der andere wieder, Julius vor ihm mit zitterndem Kiefer kurz davor etwas zu sagen. „Ich? Du kleiner Kieselstein, du Dreck unter meinem Atem, warst es doch, der uns bereitwillig ausliefern wollte. Schaff selbst Platz! Also stirb wie es sich für so einen Heuchler gehört, schmilz und erlebe so viele Schmerzen, wie möglich. Oder nein, besser ich zerlege dich. Markus, wünsch dir etwas.“ Verlangend, viel zu abrupt kam es, überraschte ihn und er konnte nur „Ähhh“ stottern, unfähig etwas Sinnvolles zu sagen. „Jetzt“, kam es gleichzeitig aus zwei Richtungen, von den zwei Jins, die beide etwas anderes wollten, sich fixierten, wie Todfeinde, die sie waren. Mark hätte fast erwartet, dass im nächsten Moment Blitze hin und her schossen, doch die fast zaghafte Stimme von Julius unterbrach seine Gedanken: „Ich…er hätte mich fast umgebracht.“ Dabei fuhr dieser sich mit der Hand über die tiefen Kratzer im Gesicht, hielt kurz vor seinem Auge an und ließ sie wieder fallen. Langsam richtete sich sein Gegenüber auf, hob die zitternde Faust und deutete damit in seine Richtung. „Du bist wirklich sein Spielzeug, du solltest Barbara nicht mehr verfolgen. Du bist sein Untertan und er wird mit dir gehen. Jin hatte Recht. Das ist das Beste. Es wird dir nicht schaden und uns wird dieser verrückte Mensch Duran in Ruhe lassen. Nimmt die Gefahr, wenn dein Dschinn weg ist. Ja, wirklich das Beste.“ Dabei bewegten sich die blutunterlaufenen Augen in dem zerkratzten Gesicht wild hin und her, vermieden es, seine auch nur für eine Sekunde zu treffen. „Ich wünsche mir“, begann Julius untermalt vom lauten Kreischen von Sarah, dem zufriedenen Kopfnicken der Geistfrau, „dass Markus in das Reich der Dschinns verbannt wird.“ „NEEEEEEIN“, schrie die Taube, flatterte wild, und konnte doch nicht über das Feuer hinwegtäuschen, das jetzt scheinbar an seinen Armen zerrte. Es brannte, war heiß, ließ die Luft um ihn herum wirbeln und schnitt ihm immer mehr den Atem ab. Er hörte seinen Dschinn: „Ich bringe dich um! Ich bringe dich um! Diesen Wunsch gegen mein Gefäß gerichtet. Du elender Dreck Staub!“, fluchen, sah, wie die Hand langsam in eine Fata Morgana zerfiel, durchsichtig wurde und verschwamm. „Nein, nein…“ Sein Verstand raste, wollte begreifen, wieso seine Beine sich so schwer anfühlten, wie vergraben im Morast, fand keine Antwort, keine Lösung. „Wünsch dir…wünsch dir…“, begann jetzt Sarah aufgeregt, pickte an seinem Ohr, „ergänz Wunsch. Ergänz Wunsch mit Zusatz, dass du zurückkehren wollen in Tagen wenigen! Schnell! SCHNELL!“ Aufgeregt hämmerte sie gegen seinen Kopf, zupfte an seinen Lippen, bis er sie öffnete. „Ich“, brachte er mit Mühe hinaus, sein Mund pelzig, wie mit Wasser, mit Erde gefüllt, hielt sich mit einer Hand die Kehle, jedes Wort eine Qual, „und ich wünsche mir zurück zu kommen, wieder hier sein…zu sein, in Tagen, in…“ Genau in diesem Moment blieb ihm die Sprache weg, seine Kehle wie zugeschnürt. Die Welt zerfiel langsam in Grau, in ein weißes Rauschen auf schwarzem Grund wie bei einem Fernseher, der nicht funktionierte. Sein Kopf hämmerte, alles brannte wie Feuer, zerrte wie ein Sturm an seiner Haut, als ob tausend Nadeln gleichzeitig ihn trafen. Tränen rannen seine Wangen hinunter, fühlten sich an, wie eiskalte Bäche. Er hätte geschrien, wenn er noch einen Ton hinaus gebracht hatte, hatte den Mund stumm geöffnet, wand sich wie verrückt, unfähig sich wegzubewegen. Etwas schnürte ihm die Luft ab, völlig ab. „Gewährt“, flüsterte es mehr in ihm, als anderswo, so leise, dass er es in dem Rasen kaum wahr nahm und trotz der Qualen doch etwas Erleichterung fand. „NEIN!“, war das Letzte das er von so vielen Seiten hörte, als sein Hören in einem Sturm unterging, in Schmerzen ertrunken und sein Kopf anfing so schwer zu werden, dass er nach hinten sackte. Schwarz, so furchtbar grau war alles, was er als letztes sah, bevor sein Bewusstsein versagte und ihn damit erlöste… Kapitel 13: Irgend-Nirgendwo ---------------------------- Irgend-Nirgendwo Es kitzelte, irgendetwas berührte ihn irgendwo an seinem Körper, vertrieb die allumfassende Schwärze zugunsten von Grau. Zu betäubt, noch halb gefangen in seiner Ohnmacht, blinzelte er, während sein Mund dabei halb offen hing, sich kaum bewegen ließ und sicher nicht leer war. Irgendetwas war dort, so angenehm und kühl wie ein Lufthauch, strich über seine Zunge und brachte so viel mit sich. Mark schauderte, bewegte sich unwillkürlich, konnte dem Drang nicht widerstehen sich etwas näher hin zu bewegen, zu hoffen, dass er mehr bekommen würde. Wärme floss wie eine Belohnung in seine Haut, kroch so angenehm weiter und verdeckte die Schmerzen, die mit jedem weiteren Gedanken immer stärker in sein Bewusstsein rücken wollten, nur unterdrückt von diesem Gefühl. Sein Hals erbebte, als er eine Hand dort wahr nahm, die weiter wanderte und sich ihren Weg bahnte. Überall dort wo er berührt wurde, wo er etwas spürte, ihn fühlte, blieb nur Leichtigkeit und dieses schwebende Kitzeln, das ihn anzog und lockte, unwiderstehlich. Ohne eine Möglichkeit sich dagegen zu wehren, stöhnte er ganz leise, die Töne verschluckt von diesem Prickeln. Vorsichtig öffnete er die Augen, kämpfte gegen die Müdigkeit an, gegen die Schwere, die überall dort aufflammte, wo die Wärme nicht war, nur um im nächsten Moment in goldene Augen zu starren, die bar jeder Emotion nur mit einem kleinen Funken Sorge auf ihn gerichtet waren. Finger strichen über seine Haare, drückten seinen Kopf nach vorne, tiefer und tiefer hinein in die Versuchung, in den Kuss, der ihm inzwischen mehr als bewusst geworden war. Sein ganzer Körper zitterte, antwortete schon leise auf seine unnachahmliche Art unten, wurden nur noch bestimmter, immer präsenter mit jedem Moment in dem er sich nicht regte, in dem er versuchte zu widerstehen. Da war das Versprechen, das er kannte, auf das er reagierte und über das er sich in dem Moment mehr als freute. Denn es drückte, zog dort unten und verdeckte so den stechenden Schmerz der immer stärker durch seine Arme flutete. Er konnte nicht anders als dieses angenehme Prickeln, das von seinem Mund ausging, auszukosten, sein Verstand noch immer von Nebel umgeben und seine Augen unfähig etwas anderes als Grau zu sehen. Mühsam hob er seine Finger, suchte zitternd nach etwas, bis er zugriff, das erste packte, was seine Sinne reizte – und daran zog. Haare, goldene Haare schimmerten jetzt dort, direkt vor seiner Nase, und er nutzte den kurzen Moment, bewegte seine Zunge und jubelte fast, als er sich ein Stück vorgekämpft hatte, seine Rebellion in Wärme und Hitze niedergeschlagen wurde, zurückgedrückt wurde in die Heimat und sein ganzer Körper erschauderte. Die Berührungen trieben ihn fast zum Wahnsinn, dazu alles zu vergessen und nichts mehr zu sehen, das Pulsieren in seinen Wangen zu lieben und dem Takt des Rauschens zuzuhören, das immer wieder unterbrochen wurde, wenn die Zunge die seine umspielte, die warmen Lippen sich bewegten und wanderten. „Interessante Technik.“ Erschreckt riss Mark die Augen auf, nur um herauszufinden, dass sie schon offen waren. Sein Kopf raste nach hinten, stoppte dank der Umarmung mit einem leichten Ruck, bis er zur Seite starren konnte, wo die Stimme hergekommen war. Finger wanderten noch immer über seine Haare, Jin scheinbar ungerührt. Alles was er selbst sehen konnte war Grau in Grau, ein unendliches Meer, das kein Oben und kein Unten kannte, bis sein Blick auf einem Monster hängen blieb – oder so etwas ähnlichem. Immense Hufe waren das erste, was ihm auffiel, die pelzige Gestalt ein Riese in Form eines misslungenen Minotauros, eine Mischung aus Stier und Mensch, der rot loderte. Im Gesicht prangten schwarze Augen wie Kohlen, aus dem Mund standen zwei Hauer hervor und die Nase war ein großer Klecks mitten im Gesicht, der am deutlichsten an eine Kuh erinnerte. Hörner die mehr an Flammen erinnerten, standen oben hoch, gedreht, in sich verwunden und wurden von den langen glatten Haaren eingerahmt. Sein Blick wanderte weiter, doch als er unten bei der Hüfte ankam, raste sein Kopf wieder hoch, um den Anblick so schnell wie möglich zu vergessen, den Anblick von weit zu wenig pelzigem grünem Gewand, gerade einem Lendenschurz, unter dem etwas hervorragte, das zu lang war. „Perverser…“, murmelte er und zog dabei ein wenig an den Haaren, die er noch stärker umfasste, begann langsam aufzustehen, versuchte es zumindest. Mit einem kräftigen Schubs wurde er wieder hinunter gestoßen, sah Jin aufstehen und auf den viel zu leicht bekleideten Stier zumarschieren. „Jin…“, begann sein Dschinn, streckte seine Hand aus, von deren Finger jetzt Krallen ausgingen, die mehr als gefährlich aussahen. Doch das war nicht alles. Das Gewand war eine Schlacht aus blau und durchsichtig, aus allen Schattierungen und Mischungen der beiden Nuancen, ein schimmernder Umhang das erste, was ihm auffiel. Dieser schwang sanft hin und her, durch das sich am Rücken einmal kreuzende Stoffband, das vom Hals ausging, fest an den Körper gedrückt und wirkte dadurch eher wie eine Schleppe. Ergänzt wurde das Ensemble durch die merkwürdigen Stoffflügelchen, die unter den Armen hingen wie dicke Bögen, ihr Anfang bei den Schultern, das Ende an den Handgelenken, um die sie sich schlangen und sich wieder über die Arme zurückwanden bis zum Ausgangspunkt. „Ja, Jin, und du bist…nein, du kannst es nicht sein…“, kam die ernste Antwort des anderen, der jetzt mit einem Schwanz, der noch mehr an einen Stier erinnerte, auf seinen Dschinn zeigte. Eigenartig war dieses hin und her zischende schwarze Ding, zitterte und raste immer wieder mit wahnsinniger Beschleunigung wie eine Lanze nach vorne, die Spitze wie ein Dolch geformt. Sein Jin wartete nicht lange, drehte sich um, offenbart damit, dass die sich kreuzenden Bänder am Bauchnabel noch einmal aufeinandertrafen, von einem Stein gehalten, nur um sich dann aufzuteilen und um je ein Bein zu wickeln. Die Brust war so gut sichtbar durch den durchsichtigen Hauch von Gaze-Nichts, die Hose so luftig, dass er jetzt schlucken musste, um seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Zumindest versuchte er es, bis plötzlich sein Dschinn grinste, sich umdrehte und nach vorne stürmte. Einer der Flügel löste sich, flatterte Sekunden in der Luft, bevor er noch schneller als der Schwanz des anderen vor raste, auswich und mit voller Wucht auf den Hals prallte, um den er sich schlang. Die Hand, die es hielt, versteifte sich, bevor Jin mit irrwitzigem Tempo zur Seite lief, beschleunigte, hoch sprang und abhob, dem peitschenden Schwanz auswich, der sonst seine Beine abrasiert hätte und scheinbar in der Luft schwebend segelte. Mark sprang auf, erstarrte, als der Halb-Stier das Band ergriff und mit einem Ruck daran zog. Doch sein Dschinn grinste dabei, scheinbar unbeeindruckt von der Beschleunigung, streckte nur seine Finger aus und bohrte sie in den Arm, der den Stoff festhielt. Der Halb-Stier schrie auf, peitschte seinen Schwanz in Richtung seines Gegners und zerrte nur noch stärker an den Bändern. Genau in dem Moment löste sich flatternd der zweite Flügel auf, peitschte auf die Lanze zu und wickelte sich wie ein Verband in Windeseile darum. Mit einem eigenartigen Manöver lenkte dieses Manöver den Schwanz von seiner Bahn ab, genug und doch zu wenig. Mark zuckte zusammen, als die Spitze Jins Seite streife, dieser leise aufschrie, nur um gleich darauf wieder zu lächeln. Die Bänder schimmerten plötzlich blau auf, zitterten, während sein Dschinn die Arme anspannte. Und damit drehte sich sein Dschinn elegant mitten in der Luft in einem scheinbar nicht ende wollenden Salto auf den Gegner zu, bis er mit seinen Beinen voran auf den anderen krachte, mit einem lauten Aufprall auf dem Kopf aufkam und mit voller Wucht an dem Seil zog, bis es knackte. Ein Moment verging, ein kleiner Moment, in dem der Gegner aufheulte, bellte, bevor der Kopf zur Seite wegknickte, verdreht liegen blieb und das Monstrum langsam nach hinten kippte. Scheinbar unberührt löste Jin die Bänder, die sich sofort wieder zu den kleinen Flügeln formten, segelte hinunter und grinste, während Mark versuchte etwas hinunterzuschlucken, unten zu behalten. Sein Magen rebellierte immer deutlicher bei dem Anblick des lodernden Stierverschnitts, der gerade nach hinten kippte, tot, während sein Dschinn fröhlich schaute und nur eine Wunde davon getragen hatte. Bei dem Gedanken wanderte sein Blick wie von allein auf die Seite, fand nur eine Öffnung in der Kleidung, die sich schon wieder schloss, darunter nur makellose Haut und blinzelte panisch, als sich etwas in seinem ewig grauen Sichtfeld rührte. „Das dauerte ja lange…“, untermalte sein Jin die verrückte Szenerie so absolut unpassend wie immer und schaute dabei nur ihn an. Der einstige Gegner kratzte sich am Hals, legte seine beiden Hände an den verdrehten Kopf, nur um ihn sanft in eine Richtung zu drehen und dann mit voller Wucht zur anderen Seite zu beschleunigen. Mit einem lauten Knacken krachte der Kopf wieder auf seinen Platz, von Flammen umgeben, die sofort wieder erstarben. Scheinbar unbeeindruckt kam jetzt der Stier Schritt für Schritt näher, klopfte sich auf die Schenkel und wirkte immer fröhlicher, ein leicht bekanntes Grinsen auf den Lippen. „Ich dachte schon du wärst zahm. Du kommst zurück und bringst einen Menschen mit…“ Kurz herrschte Stille, die Stimmung viel zu ausgelassen für das was gerade vorher passiert war. Mark starrte von Wesen zu Wesen, die Augen groß, schüttelte seinen Kopf ohne zu begreifen, der Mund halb geöffnet. „Gescheitert?“, kam die Frage von dem flackernden Wesen, während Jin inzwischen fast bei Mark angekommen war und lächelte. „Keine Sorge, er ist ein Freund, ein anderer Dschinn…wie alle hier“, versuchte er ihn wohl zu beruhigen und brachte ihn damit nur endgültig dazu die Fassung zu verlieren. „Freund? Brichst du allen Freunden den Hals? Ihr seid verrückt, zum Henker! Was ist das hier…was…was…“ Seine Stimme versagte langsam, die Hand seines Dschinns zu nah, hinter ihm, die andere vorne, zog an seiner Kleidung, die nach unten rutschte und ihn dazu zwang hinunter zu schauen. Er blinzelte dabei sicher wie ein Idiot. „Mein. Mein Gefäß, mein Geliebter – merk dir das. Und du siehst, dass ich nicht hier bleiben werde“, erwiderte Jin ohne ihn zu beachten, zeigte auf das Tattoo. Dort wo sonst immer mehr Schnörkel gewesen waren, war nur noch eine glatte blaue Linie, die sich oben verzweigte und das merkwürdige Auge nicht mehr untermalte sondern mit den gewanderten Strichen einkerkerte. Gefangen wie in einem Käfig hing es fest, fest umschlossen. Kurz hatte er den Ausblick darauf, bevor der blaue Stoffteil, der fast seine ganze Brust bedeckte und hinten mit etwas zusammengebunden war, wieder hochraste, damit das Tattoo beinahe wie eine Schärpe wieder verdeckte und über dem halben Hemd darunter zu liegen kam. Noch immer ließ die Konstruktion einen Ärmel links vermissen, der auf der anderen Seite doch vorhanden war. Mark wunderte sich fast gar nicht mehr über die schwarze Hose mit dem blauen Flammenmuster und dem gefühlt tausend Mal um seine Hüfte gewickelten Gürtel. Aber einem Gefühl folgend, tastete er mit einer Hand über seinen Rücken, erstarrte. Wut glühte auf, hallte in seinem Kopf wieder. „Was hast du mit mir gemacht? Eine SCHLEIFE? Was zum Henker…“, schrie er, bevor er wirsch von dem Stier mit: „Ruhe, du kleiner Schreihals“, unterbrochen wurde. Verdattert, ein rotes Pochen laut in seinen Wangen, öffnete er schon seinen Mund, nur um wieder zu spät zu kommen. „Er ist MEIN Geliebter. Ich bin der einzige, der ihn verletzten darf, der einzige der ihn auf die eine Art berühren darf. Und der Spaß ihn zu reizen gebührt mir. Also schau zu und lerne, oder stirb tausend Tode.“ „Sehr beruhigend.“ Den Kommentar konnte Mark sich nicht verkneifen, schlich ein paar Schritte auf dem eigenartigen Boden zurück, ohne seinen Dschinn aus den Augen zu lassen. „Siehst du. Unterhaltsam ist mein Markus und ich kann dir versichern, dass er bei den richtigen Aktivitäten weit von einem Schreihals entfernt ist“, hörte er von seinem besitzergreifenden Gegenüber, das mit einer Hand nach ihm griff, ein Gürtelende zu fassen bekam und so seinen Rückzug stoppte. „Und eine Verführung sondergleichen…“ Mark zog verzweifelt an dem Gürtel, schnaufte als die Aktionen nicht von Erfolg gekrönt waren und fauchte: „Lass los! Zum Henker, ich wünsche es mir!“ Doch nichts passierte, nur ein zufriedenes Lachen war zu hören. „Was ist daran lustig, verdammt? Ein Wunsch und ich will auch wissen was hier zum Henker los ist! Scheiße, starr mich nicht so an!“ Wieder beachtete ihn niemand, dafür lehnte der Stier seinen Kopf etwas zur Seite und meinte amüsiert: „Wirklich interessant dein Kleiner. Feuer, die richtige Aura und hübsch verpackt.“ Sein Jin fing schon an ihn näher an sich zu ziehen, die Krallen auszufahren und in Richtung des anderen zu strecken, bis dieser schnell mit seiner Hand winkte. „Aber wirklich nur perfekt für dich. Dieses Mundwerk würde ich stopfen. Möglichkeit dazu hätte ich ja…aber ich kenne dich ja…“ „WAS?“ Mark hielt kurz in seinem Zerren inne und starrte nur noch stupide auf die beiden Perversen um sich, der Gürtel weiter in seinen Händen. Schon im nächsten Moment spürte er einen Ruck, segelte auf Jin zu, der ihn auffing, sich mit ihm drehte und mit seiner Umarmung gefangen nahm. Er zitterte, wusste nicht wieso genau, als der Atem immer wieder über seinen Kopf strich und die Wärme in seinem Rücken seine ganze Haut in eine einzige prickelnde Landschaft verwandelte. „Du kennst die Lehren ja doch noch. Genieße und das Paradies wird dein sein…“, führte sein Jin aus, erntete damit ein heftiges Nicken des Stiers, bevor er leiser zu ihm gewandt flüsterte: „Hier gelten andere Regeln, mein Markus. Keine Wünsche, keine Magie – das gibt es hier nicht. Eigentlich wäre das hier“, dabei strich er über seine Brust, über die Stelle an der sein Tattoo schlummerte, „auch verschwunden, wenn wir nicht einen Bund eingegangen wären…“ „BUND?“, brach es aus ihm heraus, „Das…wir haben keinen Bund. Ich bin nicht mit dir verheiratet! Und was ist…“ Er schüttelte den Kopf wieder und wieder, nur den Stier im Blickfeld, der scheinbar selbstvergessen mit seinem Schwanz spielte, der immer wieder durch die Luft peitschte, in seine Richtung raste, nur um immer kurz vor dem Ziel wieder abzustoppen. Und wieder raste das Ding in seine Richtung, doch etwas lenkte ihn ab, bevor er die Lanze knapp vor sich sah. Eine Hand fuhr langsam seine Brust hoch, hielt in seinem Nacken an, bescherte ihm Bilder, die ihn zurückzucken ließen. „Naja, wenn du es so sehen willst, könnte ich das natürlich auch als eine Art Hochzeit betrachten…“ Er konnte jetzt schon das Grinsen auf dem Gesicht seines Dschinns erahnen, das sicher dem des merkwürdigen Stiers entsprach, der sich gerade sichtlich amüsierte. Wieso musste ihn gerade jemand beachten? Mark stammelte nur hilflos: „NEI…Nei…“, bevor er seinen Mund mit einem Gewaltakt schloss und sich kräftig auf die Zunge biss. Jin wollte ihn nur reizen. „Kein Sex mehr…“ Er wähnte sich schon in Sicherheit, bis eine Hand plötzlich auf seiner Hose landete, vorne, darüber strich und den kleinen Verräter dort unten dazu brachte etwas zu tun, was er nicht sollte. Ein kleiner Reiz, ein kleiner Blitz trieb seinen Verstand kurz zur Verzweiflung und ihn dazu, sich noch kräftiger auf die Unterlippe zu beißen. Irgendwie bewahrte er Haltung. „Verdammt…“, zischte er durch den Mund hindurch, versteifte sich und griff mit beiden Händen nach dem Arm, packte zu und versuchte ihn wegzuziehen, solange er noch den Verstand bewahren konnte. „Ich liebe mein Leben – und meine Wahl, die auf dich gefallen ist. Endlich hat sich alles so gefügt, wie es sollte. Wenn du wüsstest, wie grausam es hier, wie grandios jede Unterhaltung in Wahrheit ist. Ihr Menschen habt keine Ahnung und nutzt in Wahrheit nichts – dafür wissen wir es genau, mein Markus“, hauchte ihm sein Jin ins Ohr, während es ihn immer mehr an Kontrolle kostete, „oh, und übrigens: Willkommen in der Hölle: Der Welt der Dschinns!“ Und damit stoppte plötzlich alle Bewegung. Der warme Reiz war verschwunden, ließ ihm nichts anderes übrig, als mit seinen Augen die Umgebung abzusuchen, in der Hoffnung etwas zu finden, etwas womit er sich ablenken konnte und die kalte Dusche ersparte, ihm die Gedanken daran ersparte, warum er es mochte. Aber egal wie sehr er auch schaute, er fand nichts, nichts außer diesem ewigen Grau, das es ihm unmöglich machte irgendetwas zu erkennen. Kein Wasser, kein Ton, nicht einmal ein kleiner Windhauch war zu entdecken. Es war wie eine einzige graue Wüste, die selbst dieser Bezeichnung noch spottete und in der der Horizont eine imaginäre Linie war, die nicht existierte. Wieder blinzelte er, rieb sich mit der Hand über die Augen, ohne dass sich etwas änderte. Nichts, er fand hier nur ein ewiges Meer aus Nichts, in dem das seltene Flackern von Farbe wie eine Fata Morgana wirkte. Schließlich blinzelte er noch einmal, hasste die Stille. „Wie spät ist es? Tag, Nacht? Und wo ist hier etwas anderes als dieses…Grau?“, nur um einen Blick von dem Stier zu ernten, als ob er verrückt geworden wäre. „Schau mich nich…“, wollte er sagen, doch kam nicht zu mehr. Unbeeindruckt schmetterte der Stier mitten in seinen Satz: „Er weiß wirklich gar nichts. Ist er dein Lustknabe. Oder wie war der richtige Ausdruck dafür?“, hinein und rieb sich dabei grinsend das Kinn. „LUSTKNABE?“ Mark brüllte den Ausdruck regelrecht. Seine Stimme hallte merkwürdig leise in seinen Ohren wider, so dass er es gleich noch einmal lauter wiederholte, bis sein Hals brannte und er nach vorne stürmte. Zumindest wollte er das. Mitten in der Bewegung gefangen rannte er gegen die Umarmung, die sich fester zuzog und ihn in den starken Bauch drückte. „Lass mich…“, regte er sich auf, hasste wie schwach er wirkte und biss sich wieder auf die Lippe. „Nicht ganz, sondern weit besser. Markus ist mein Geliebter und wir sind mehr oder weniger verheiratet“, scherzte Jin – zumindest hoffte Mark das, holte trotzdem mit seinem Ellbogen aus und stieß ihn kräftig nach hinten. Unbeeindruckt fuhr sein Dschinn fort: „Alle Emotionen sind ein einziges Abenteuer, das es wert ist ausgekostet zu werden. Ein Paradies ganz für sich allein in dem einem nie langweilig wird, wenn man sich darauf einlässt. Aber da du noch immer keinen Mut hast, wirst du weder den Rausch der Lust noch die eigenartige Zuneigung je verspüren.“ Dabei spürte er ein sanftes Pochen, das sich gut anfühlte, worauf Mark seine Zähne so fest aufeinander presste, dass sein Kiefer schmerzte, der Mund nach unten gezogen und murmelte so: „Zum Henker, immer ich. Ich will nur wissen, wie spät es ist…verrückter du…“, bevor er zur Seite gerissen wurde. Etwas segelte an seiner linken Seite vorbei, traf mit einem leisen Klirren auf die Lanze, die gerade Zentimeter von seinem Gesicht vorbei rauschte. Stoff wickelte sich darum, scheinbar harmlos, stoppte das Ding mitten in der Bewegung, nur um sich zu lösen und einen Teil des Schwanzes mitzunehmen und in eine Richtung davon zu schleudern. „Du hast geübt“, kam es trocken, fast beleidigt von dem Stier der fast vor ihnen stand und das abgetrennte Teil hochhob. „Aber es macht Spaß. War langweilig, als du verschwunden bist…“ Und damit bewegte sich der letzte Rest Schwanz hoch, eine einzige Flamme, züngelte hinauf bis sie die Hand berührte und wieder als vollständiger Körperteil hervorging. „Als ob ich Übung je nötig gehabt hätte. Im Gegensatz zu dir, fehlt mir nur der Mut nicht...und ich wurde dafür belohnt, wie du siehst.“ Wie um die Worte zu unterstreichen, kratzte sein Dschinn mit den so ungewohnten goldenen Krallen sanft über seinen Bauch, bevor die Hand wieder zum Liegen kam. „Aber damit mein Markus nicht glaubt, dass ich ihn vergessen hätte“, dabei schüttelte Mark nur vehement den Kopf in der Hoffnung nicht zum Fokus zu werden und wurde gleich bitter enttäuscht. Eine Bewegung später drehte sich die immer gleiche Welt um ihn herum, bis er nur an einem Arm gehalten, seinem Jin in die Augen starrte und schluckte, als er die Emotionen darin erkannte. „Also, mein Markus, obwohl es keine Wünsche hier gibt, will ich dir deinen erfüllen und mir dafür einen erfüllen lassen“, hörte er wenig unschuldig, worauf ihm ein: „Du Perverser...“ heraus rutschte. Die freie Hand strich über seine Wange. „Genau das. Du hast es erfasst“, bestätigte sein Jin auch gleich seine Befürchtungen, die seinen Körper in eine eigenartige Laune versetzte, eine viel zu fröhliche. Bemüht redete er sich ein, dass er das hier nicht gut finden sollte, dass das hier die falsche Umgebung wäre, eigentlich jede Umgebung die falsche wäre, bis seine Gedanken wieder unterbrochen wurden. „Es ist wichtig, dass du begreifst, wo wir hier sind. Denn obwohl du hier nicht sterblich bist, weil nichts Sterbliches hier existieren kann, sind Schmerzen für Menschen wenig unterhaltsam - auch wenn es sehr viel Unterhaltung ist, ihnen manchmal dabei zuzusehen, wie sie sich winden und betteln...“, kam es wieder viel zu ernst und brachte ihn dazu sich zu schütteln. Seine Augen wanderten zu der krallenbewährten Hand auf seinem Arm, starrte Momente in Angst darauf, bevor dieses so unpassende Gefühl von Sicherheit wieder aufkam und eine Aussage in den Vordergrund rutschte. „Was? Nichts Sterbliches…?“ „Hier gibt es nichts Lebendiges außer den Dschinns – und denen, die stark genug von ihnen berührt wurden. Alles andere kann nicht existieren...aber das wirst du noch herausfinden.“ Jin beantwortete damit zu seiner Überraschung eine seiner Fragen, verschlug ihm so die Sprache. „Bleib einfach bei mir, denn nicht alle sind mir hier wohl gesonnen und stimmen mit mir überein – so wie Jin, der kleine Kieselstein…“, setzte sein Dschinn so logisch fort und entlockte ihm einen zustimmenden Laut. Kein Wunder, dass nicht alle Jin wohl gesonnen waren… „Und stell keine Fragen nach der Zeit. Es gibt hier nur Ereignisse, die wenigen Sachen, die in Erinnerung bleiben und die erwähnt werden. Was sollte man auch anderes nehmen hier in der Hölle, in der es keinen Wechsel gibt, nichts außer den Wäldern, die unberührbar sind“, fuhr sein Partner ungerührt fort. „Du erklärst so viel“, mischte sich jetzt der andere ein, „Viel einfacher gesagt: Hier ist es Scheiße. Grau über Grau. Keine Abwechslung. Keine Änderung. Nichts. Wälder als Paradies. Sobald man sie berührt passiert irgendetwas…“ „…eine Eigenheit, die niemand vorhersehen kann und die unsteuerbar ihre Richtung einschlägt – ob zum Tode oder zur vermeintlichen Erlösung, das kann ein jeder hoffen und doch nicht wissen“, setzte eine andere Stimme direkt hinter ihm fort. Mark drehte sich automatisch um, nur um dann entsetzt zu erstarren. Sein Unterkiefer fiel mit der Schwerkraft einige Zentimeter weit nach unten, ließ seinen Mund offen stehen, als er die Gestalt sah, die auf einer tropfenden Wolke saß, die wie ein Teppich wirkte, von dem riesige Fäden wegstanden. Die Kleidung hätte jedem Orientbuch Ehre gemacht mit dem Turban aus weißen Haaren und dem Jäckchen mit Puffärmeln, das den Bauch freiließ. Bei jeder Bewegung des weißen Schwalls, wippte der weit überhängende blaue Stoff der den merkwürdigen Teil der Pluderhose bildete, hin und her. Immer wieder bemühte er sich den Kopf zu vermeiden, dessen erster Anblick ihm noch tief in den Knochen saß, bis er nicht mehr konnte, als sich der Mund dieses Wesens wieder anfing zu bewegen. Die eine Hälfte des Gesichts war ein ebenmäßiges Bild, während die andere einem verwischten Gemälde glich, bei dem die Haut nach unten floss und Tropfen immer wieder über die Kleidung rannen, sie damit nach unten zog, nur um von der Wolke aufgefangen zu werden. Rund um die zerstörte Seite herrschte Dunst, der scheinbar unverrückbar mit der Gestalt verbunden war. „Wer von uns, der schon einmal die Welten bereist hat, der in den Genuss der Gesellschaft dieser sterblichen Hüllen, der Menschen, kam, kennt nicht die Fragen nach der ‚Zeit‘, diesem ewig flüchtigen, nicht fassbaren Ding? Aber hier sind wir an einem Ort, an dem die Gesetze, die sonst überall zu herrschen scheinen – oder die die Menschen sich eher schaffen um ihre beschränkte Sicht zu belegen – nicht mehr gelten. Irgendwo im Nirgendwo gefangen in einem Meer aus Grau, das sich nie ändert, außer um uns einen Blick auf das vermeintliche Paradies zu gewähren, dass wir doch nie zu fassen bekommen. Also wie immens wichtig ist unter den Bedingungen, wohl die Frage nach ‚Zeit‘, wenn man am Ende doch nur die Flucht ins Irgendwo haben will?“ Das eigenartige Wesen auf der Wolke schien mehr in einem Monolog gefangen zu sein, während dem sich der Mund nur auf einer Seite wirklich bewegte und auf der anderen eine verwischte Linie blieb, damit noch immer weit mehr war als das fehlende Auge und die Nase, die nur zur Hälfte auf der intakten Hälfte saß. Mark schluckte und murmelte leise: „Oh Gott…“, versuchte den Knoten runter zu drücken und nicht zu starren, während er noch immer versuchte die Bedeutung der Worte zu entschlüsseln, die er gerade gehört hatte. „Den, wehrter Lustknabe, wirst du hier nicht finden. Ich denke wir sind hier an dem Ort, an dem ein Wesen voller Macht und Güte so weit entfernt ist, wie es nur möglich ist. Alles was uns bleibt ist der ewige Tod, der in der Unwandelbarkeit liegt“, erklärte das tropfende Wesen weiter kryptisch und wandte sich seinem Jin zu, der ihn wieder an sich zog und eine Hand um seine Hüfte legte. „Keine Sorge, Wolke ist für alle sehr schwer verständlich…“ Es klang fast so, als ob ihn sein Dschinn beruhigen wollte, der Eindruck nur noch verstärkt von der Hand, die in Richtung des Stiers zeigte. Dieser kratzte sich gerade am Kopf, während die Augen zu kleinen Schlitzen geworden waren, bis er schnaufte und mit einem Huf aufstampfte. „Red deutlicher, du Wolke“, brachte das halbe Rind schließlich unter feurigem Schnaufen hervor und verschränkte die Arme, bevor er den Schwanz nach vorne rasen ließ. Mit einem Zischen zerteilte die Lanze einen Teil des weißen Nebels, der sich sofort wieder schloss, während der Besitzer nur mit den Augen rollte. „Primitivling. Du weißt genau, dass ich nicht den Spaß verspüre beim Kampfe wie du, der du im Geiste ein halber Stier bist – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin nicht Typhon, der hier mit seinem Menschen steht und Unterhaltung in Qual so deutlich sieht und mehr als exzessiv exerziert hat…“ Wieder erntete der Wolken-Dschinn nur einen verwirrten Blick, fuhr mit seinen Armen theatralisch in der Luft hin und her, bis er sie schließlich durch den Turban lenkte. Wie eine Welle rasten die weißen Haare auseinander, strömten Momente herum, bevor sie wie von Wind bewegt hin und her wogten. „Nur für dich, mein tumber Freund, Kollege, was auch immer: Lass deinen Schwanz stecken – den hinteren, denn der vordere hängt dir sowieso viel zu weit hinaus und unterstreicht deine Vulgarität – und hör auf mich in deine Kampfbegrüßung zu verwickeln. Ich will es noch immer nicht, auch wenn ich auf derselben Seite wie du stehe. Jetzt verstanden?“ Dabei beugte sich der Dschinn etwas nach vorne, bewegte seine Beine aus dem Schneidersitz, bis er die Wolke wie einen Sessel benutzte und anfing grausam zu lächeln. „Und belassen wir es einfach. Wir gehen. Ich führe. Du weißt nicht wo unser Haus ist. Wollen andere böse Dschinns vermeiden. Gegenseite mag uns nicht…“ Der Halb-Stier verzog seinen Mund, knurrte und marschierte schließlich mit einem „Folgt mir. Wolke ist ein eingebildetes tropfendes Ding. Wolke will sich nur wichtig machen. Ich weiß den Weg!“ davon. Mark blieb nichts, als durch die sanft bis kratzenden Schubser getrieben zu folgen, während sein Verstand anfing zu arbeiten. „Lass das“, stemmte er sich vergeblich gegen die kleinen Schritte, die er vorwärts getrieben wurde, „und was war…“ „Das, mein Markus, sind zwei unserer Verbündeten. So wie bei den Menschen gibt es eben auch bei den Dschinns verschiedene Charaktere und manche haben mehr Wunden davongetragen als andere. Der mit der Wolke war schon einmal in eurer Welt und hat seine Chancen nicht genutzt, hofft jetzt wider jeder Vernunft auf eine zweite Möglichkeit…“, flüsterte ihm sein Dschinn wieder ins Ohr, so warm, dass es ihn fast vergessen machte, wie grau hier alles war. Aber nur fast. Der Anblick drückte auf seine Stimmung, auf seinen Atem und er konnte nicht mehr anders, stoppte, drehte sich um und ergriff den weichen Stoff von Jins Hemd, starrte fast flehentlich hoch. „Das kann nicht wahr sein. Sag mir, dass ich das hier nur träume – es kann nur ein Traum sein, wenn hier alles so aussieht, keine Sterne, kein gar nichts da ist, oder? Ich will aufwachen, jetzt aufwachen!“, bat er fast, bevor er mit einer Hand los ließ und sie hochhob. Finger fanden seine Wange, in die er voller Inbrunst zwickte und hoffte. Doch nichts änderte sich, alles blieb wie es war, nur noch untermalt von dem heißen Gefühl der brennenden Haut. „Scheiße…“ Er war entweder verrückt – wie schon seit dem Tag an dem er Jin das erste Mal gesehen hatte - oder wirklich in der Hölle gelandet für irgendeine Religion, der er nicht angehörte… „Nicht ganz.“ Fragend schaute er bei den Worten auf, entdeckte wie immer dieses Lächeln, das von den Fingern in seinen Haaren unterstrichen wurde. „Denn in Tagen sind wir hier wieder weg. Das wird ein Ereignis, dass alle in Erinnerung behalten werden…“ Wie gefangen in diesem Moment, schwebte im nächsten ein weißer Fetzen Nebel vorbei. „Und jetzt würde ich euch bitten, eure Turteleien ein wenig dezenter zu gestalten, da nicht alle hier anwesenden Dschinns das große Vergnügen haben einen Lustknaben – oder Geliebten, wie auch immer ihr das nun nennen möget – ihr eigen zu nennen. Ich bin keiner, der ein Ereignis von solch immenser Tragweite gerne stört und damit für das Gedächtnis unbrauchbar macht, doch es schmerzt mich dem hier beiwohnen zu müssen ohne je die Möglichkeit zu bekommen etwas ähnliches hier zu erfahren. Also bitte bewegt euch in Richtung des Hauses…und erspart mir diesen Anblick zärtlich ausgetauschter Lieblichkeiten der Liebkosungen“, erklärte der Wolkendschinn sehr ausladend und deutete dabei in Richtung des Halbstiers, der unbeeindruckt weiter marschierte, der hin und her rasende Schwanz das einzige Zeichen irgendeiner Änderung. Mark konnte das „Was?“ nicht unterdrücken, während er plötzlich den Boden unter den Füßen verlor und im nächsten Augenblick den Druck auf seinem Bauch spürte, über einer Schulter zu liegen kam, die ihm den Blick auf alles in der anderen Richtung verwehrte. Er stemmte sich gegen den Rücken, versuchte sich gleichzeitig mit einem „Lass das“, aus dieser misslichen Lage zu befreien, nur um von einem Zwicken in seinen Allerwertesten unsanft gestoppt zu werden. „AU…du Perverser!“, murrte er, hämmerte mit seinen Fäusten gegen seinen Träger und zog experimentell an den Haaren, ohne das sich etwas änderte. Stattdessen schwankte nur alles hin und her. Schließlich gab er auf, stützte seinen Arm an dem Rücken ab und lehnte seinen Kopf daran, versuchte irgendwas in dem Grau zu finden. Doch nichts änderte sich, selbst wenn alles schwankte, blieb es so einförmig, dass er sich schon nach Minuten – oder waren es vielleicht Stunden? – wünschte, dass irgendeiner der Dschinns erschien und immer stärker mit den Haaren und dem luftigen Gewand seines Jins spielte. Am Ende, als es ihm wie eine Ewigkeit Hin und Hers und Schweigens, als selbst die wenige Ablenkung nicht mehr ausreichend war, brach es aus ihm heraus: „Gibt es hier nichts anderes, zum Henker?“ Wie eine Erlösung erschien die Wolke des tropfenden Dschinns vor seinem Blickfeld, der ihn mit zur Seite geneigtem Kopf betrachtete. „Wie viel darf ich diesem jungen, unwissenden Lustknaben erzählen, ohne dass meine Wenigkeit demnächst mit deutlich geschundenem Körper in der Ecke lieget, ohne je die Segnungen dieses unendlichen Schwarz zu genießen, nur um bei der ersten Regung wieder voller Agonie die Stimme in alle Richtungen erschallen zu lassen?“, drückte sich der Schwebende wieder geschwollen aus, was Mark im Moment nicht störte. Plötzlich stoppte kurz jede Bewegung, kurz, bevor er wieder hin und her schwankte. „Lass alles über mich aus und du ersparst dir die Qualen – und versuche es weniger getragen zu gestalten. Mein Markus ist ein Mensch und nicht an dich gewöhnt…“ Jin schien etwas verbergen zu wollen, was nichts Neues war und nur noch leise an seinen Verstand appellierte nachzudenken, bis der letzte Satz kam. „Was soll das heißen?“, grummelte Mark und seufzte nach einiger Zeit, als keine Antwort kam. Der Hauch eines Lächelns tauchte in dem halb zerstörten Gesicht auf, bevor sich Wolke etwas vorbeugte und die Arme vor der Brust verschränkte. „Also wehrter Mensch“, räusperte sich der vor ihm schwebende Dschinn und klang dabei wie die Mischung von Blätterrascheln und Regentropfen, „da ich die Welt der Menschen kenne, fasse ich es in die kleinen Begriffe, die es gibt und überlasse den Rest ‚Auge‘. Ich denke wir kommen gleich an.“ Gerade als Mark seinen Mund öffnen wollte, um etwas zu fragen, fuhr der tropfende Dschinn unbeirrt fort: „Das hier ist im wahrsten Sinne die Hölle – und doch wieder nicht. Ewig gleich, ewig grau, gibt es hier keine Zeit, denn wie sollte man ohne eine Änderung etwas messen, was Änderung voraussetzt? Denn die Zeit ist in Wahrheit nichts anderes als ein Mittel um Änderungen zu bestimmen und man kann sie nur so messen“, und wurde damit fast philosophisch. „Wir hier setzen nur Ereignisse zueinander in Relation und schaffen damit einen Anhaltspunkt, auch wenn sie für andere Dschinns manchmal nicht in der gleichen Reihenfolge passiert sind. Entfernungen bergen dieselben Probleme, ändern sich wieder und wieder.“ Dabei schüttelte Wolke den Kopf. „Am Ende treibt diese Monotonie uns alle irgendwann in den Wahnsinn und zu der einzigen Flucht, die uns bleibt: Den Wäldern.“ „Aber das…ich dachte, es gibt hier nur Monotonie?“, wandte Mark ein, die Augenbrauen zusammengezogen. „Guter Einwand. Ich glaube dein Lustknabe ist doch ganz brauchbar, Typhon…“, regte sich die Wolke, streckte sich dabei etwas höher und entlocke ihm ein fragendes: „Typhon?“, nur um gleich einen Finger zu sehen, der sich hob. Geistig verband er die Linie mit sich selbst, bis es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. „Jin ist Typhon?“ „Ja. Du bist wirklich ganz brauchbar. Was sonst hier in unserer Welt an Menschen strandet ist weit weniger amüsant und sehr schnell ein wenig verrückt“, brachte der Tropfende hervor und verschränkte wieder die Arme, stoppte sofort jede Nachfrage mit der Antwort. „Wir heißen alle ‚Jin‘. Es ist wie die nächste ‚Strafe‘ für uns, die uns Individualität nehmen will und nur eine Bedeutung hinter Worten zur Unterscheidung da lässt. Deswegen reden wir oft andere Dschinns mit Spitznamen an, die ihre prägendsten Eigenschaften hervor streichen und manchmal von fast allen verwendet werden. Immer wie es uns gerade passt…“ Kurz herrschte wieder Pause, in der der Marsch noch immer unverändert weiter ging und sein Jin nur zustimmend nickte, bevor Wolke wieder anfing und das inzwischen Offensichtliche erklärte: „Ich bin ‚Wolke‘, weil ich genau den Eindruck hinterlasse, nachdem ich zu einem Teil zu einem Wasserdschinn wurde und sich das nicht ganz verträgt“, dabei zeigte er auf sein Gesicht, das hinunter tropfte. „Unser tumber Freund“, hörte er begleitet von unzufriedenen Schnaufen hinter sich, „ist für mich nicht ohne Grund ‚Tauros‘ genau wie das Sternbild des Stiers. Und dein Geliebter eben ‚Typhon‘, was dich wohl an einen Taifun erinnern könnte. Die Griechen waren wirklich leicht beeinflussbar und so amüsant…“ Schweigen war das einzige, was ihm im Moment einfiel. Es klang alles logisch, ein wenig verdreht und fast hatte er vergessen wo er war, bis ihm das Grau hinter Wolke wieder einfiel. „Oh, und da du mich nach den Wäldern gefragt hast – und der Weg zum Haus scheinbar wieder länger statt kürzer geworden ist: Es gibt eben in dieser Welt etwas, das das Bild stört und das sind die Wälder. Paradiese direkt vor unseren Augen, die wir nie betreten können. Fast wie in den griechischen Sagen über die Unterwelt… Jeder der es versucht wird von dem Feld rundherum nicht durchgelassen, sondern erfährt etwas. Etwas, das nicht berechenbar ist, ein reines Glücksspiel ist – eines ohne Wahrscheinlichkeiten. Entweder es passiert nichts nach der Angst, die man durchsteht wenn man sich dem Paradiese nähert und damit alles umsonst durchgestanden hat oder man wird verändert zum Guten oder Schlechten mit Narben wie ich sie habe oder Krallen und Kräften wie dein Typhon sie bekam. Doch das waren die zwei, die einen hier verweilen lassen. Die dritte Möglichkeit ist die Flucht voraus, in eure Welt, während die vierte die Auslöschung ist, das Vergehen. Manchmal sehen einige das Paradies vor Augen, eure Welt oder vielleicht eine andere, bevor sie sich auflösen und gen Himmel empor steigen und…“ Ein fast trauriger Blick unterbrach die Ausführungen und Schweigen kehrte ein. „Glauben einige an Erlösung dadurch“, begann Tauros, ohne dass seine Stimme näher klang, „Risiko groß. Vielleicht einfach nur auflösen und damit alles zu Ende. Viele haben Angst…“ Inzwischen klang das ganze so verständlich, wie etwas, das er nachvollziehen konnte. „Und…“, wollte er nachfragen, nur um im nächsten Moment den Halt auf der Schulter zu verlieren und mit einem unsanften Aufprall auf seinen Fußballen zu landen. „Was…?“ Trocken und doch mit einem Lächeln zeigte sein Jin auf ein Stück Grau, das genauso Grau aussah wie alles andere. „Wir sind da. Willkommen im Schutzhaus.“ Ein „Wo?“, rutschte ihm heraus, während er sich drehte und erstarrte. Da, in der anderen Richtung war ein riesiger grüner Streifen, der fast den ganzen Horizont ausfüllte und damit die Eintönigkeit vertrieb. So nah war es, dass er einzelne Gestalten erkennen konnte, die wie bunte Kleckse davor hin und her schwirrten oder still standen. Tränen kämpften sich ihren Weg in seine Augen, wollten fallen, vor Freude über diesen Anblick. „Das ist wunderbar…“, brachte er heraus, seine Lippen zu einem entrückten Lächeln verzogen, halb geöffnet. Er musste das näher sehen. Langsam schwankte er, nahm einen Schritt und noch einen, um näher zu kommen, bis etwas ihn aufhielt, ihn stoppte. Verwirrt schaute er sich um, fühlte wie irgendetwas abfiel und der Drang näher zu kommen verging, als er die Hände auf seiner Brust fühlte. „Nicht…schau genau hin…“ In dem Moment hörte er einen Schrei, der über die ganze Ebene hallte, ein verzücktest: „Das Paradies!“, das sich im nächsten Moment in ein schmerzverzerrtes Kreischen verwandelte, das ein braunes Wesen von sich gab, wie eine Mischung aus einem immensen Wurm und dem Oberkörper eines Riesen wirkte. „Neiiiiiiihhheeeein!“, brachte die jetzt immer undeutlichere Figur hervor, zitterte, verschwamm und zerfiel an den Rändern langsam. Kleine Brocken schwirrten hin und her, bewegten sich schließlich wie von etwas gezogen nach oben gegen die Schwerkraft – wenn es die hier gab - immer weiter hinauf, während das Wesen sich wand. Immer schneller verlor dieser Wurmriese an Masse, bis er nur noch ein kleiner Strich war, der sich wie eine Fontäne aus Erde nach oben zog und schließlich mit einem letzten geflüsterten „Nein“, nach oben schoss und in einem letzten roten Blitz verging. Damit war alles vorbei ohne dass sich etwas an dem Wimmeln dort geändert hätte, ohne dass es jemand beachtet hätte. Mark schluckte. „Was…?“, begann er und hörte schon den nächsten Schrei, sah die nächste Fontäne, die diesmal rot hochstieg in den ewig grauen Himmel. Eine Flammensäule, die sich um sich selbst schlang und zerfraß, nur um schließlich mit einem letzten Lichtblitz zu enden. Das Heulen im letzten Moment, dieses Geräusch als ob eine Flamme erstarb, dieser Tod zum zweiten Mal, hallte in seinem Kopf wieder, setzte sich in seinem Hals fest wie ein Knoten, den er hinunter schlucken wollte. Die Arme um seine Brust drückten fester zu, ihn an einen lebendigen Rücken, der ihn von ganz allein beruhigte und warme Erinnerungen wach rief. „Das, mein Markus, ist der Tod, das Ende einer Existenz. Eine der Möglichkeiten die passiert, wenn man den Wald berührt“, erklärte ihm Dschinn und drehte ihn um, als er in seinen Augenwinkeln eine weitere Fontäne sah, die damit aus seinem Blickfeld verschwand… „Naja, doch nicht immer die schlimmste Möglichkeit. Manche von uns, die Verfluchten, sehen sich mit einer Realität konfrontiert, in der die Flucht in das ewige Nichts oder in Hoffnung sich nie erfüllen wird. Jede Berührung führt zu nichts oder zu Entstellung, doch nicht zu dem erhofften Wege…“, murmelte Wolke hinter ihm, während er vor sich einen etwas dunkleren Fleck erblickte, der immer wieder für Bruchteile auftauchte und wieder verging – fast wie eine feste Barriere, die eine Fata Morgana war. „Hier rein, mein Markus…hier drinnen.“ Damit stupste sein Dschinn ihn schon in Richtung dieses eigenartigen Flackerns, versperrte mit seiner Umarmung seinen Fluchtweg, als er dieses eigenartige Phänomen immer näher sah. Und dann passierte es. Im nächsten Moment wurde er losgelassen, stolperte gestoßen unaufhaltsam darauf zu, schloss die Augen fest. Gleich würde er aufprallen… Kapitel 14: Gleichgewicht und Dynamik? -------------------------------------- Gleichgewicht und Dynamik? Die Zähne zusammengebissen, fühlte Mark einen Aufprall, der viel zu sanft für einen Boden war, ihn mitten in der Luft anhielt. Als er die Augen vorsichtig öffnete, seufzte er, atmete erleichtert aus. Der Boden war noch weit von ihm entfernt, goldene Haare wie so oft viel zu nah an seinem Gesicht, bis er tief einatmete und seine Knie anspannte. „DU…“, brüllte er, wandte sich um und ergriff Jins Hemd, dessen Arme noch immer festhielten, um ihn gelegt, „wolltest du mich umbringen?“ Doch bevor er eine Antwort bekam, drang etwas, was er gesehen hatte, bis in sein Bewusstsein vor. Es zwang ihn dazu, seinen Kopf langsam, ganz langsam zur Seite zu drehen, weg von seinem Dschinn und dem ewig grauem Hintergrund, aus dem der Wald vollständig verschwunden war. Langsam glitten fremde Wesen an ihm vorbei, bis er endlich das erblickte, was er gesehen hatte und er mitten in der Bewegung einfror. Entgeistert blinzelte er mehrmals, fühlte, wie seine Hände kraftlos nach unten sanken und er einfach nur sprachlos auf dieses pulsierende Ding starrte, das in der Mitte des Raums schwebte. Im Zentrum dieses Balls war eine Schwärze, die so perfekt war, so farblos, dass man es nicht in Worte fassen konnte und um die alles andere nur umso kräftiger schien. Rundherum, parallel zum Boden, schwirrte eine Scheibe, eine Mischung aus allen Farben, die es umgab, wurde selten von einem Puls aus Materie erschüttert, der senkrecht dazu hochschoss und den ganzen Raum in ein unheimliches rotes Licht tauchte. Dabei verdeckten die Blitze für diese Momente auch immer die Struktur der Kugel, die in der Mitte unterteilt war. Jede dieser beiden Hälften, die wie Spiegel voneinander wirkten, hatte vier Teile, wobei diese so unverkennbar die Elemente waren: Das lodernde Licht des Feuers, das wallende Rauschen des Wassers, die kompakte Dichte der Erde und das leichte Schweben der Luft. Feuer über Wasser, Wasser über Feuer, war der obere Part die Umkehrung des unteren. Und dann brach wieder einer dieser Blitze aus, lenkte seinen Blick davon ab, hin zu den Wesen, die rundherum standen und saßen. Mark schluckte, als er einen Stier sah, der Tauros ähnelte und diesen in Sachen Bekleidung noch deutlich unterbot: Dieser hier war nackt, das Fell ein strahlendes Braun, die Haare ein krauses Wirrwarr und am Rücken Flügel, die viel zu klein und unbeweglich schienen, bröckelten. Das Gesicht war dabei noch weit tierischer als das des anderen Halb-Stiers. „Das…“, brachte er gezwungen heraus, schluckte und drehte sich lieber wieder um, um den viel zu großen Anblick wieder zu vergessen. „Seid ihr hier eigentlich alle Pervers? Ich wette ihr habt ständig nur Sex…“, murmelte er verzweifelt und biss sich auf die Zunge, als er Jins Lächeln sah, das einen beängstigenden Unterton hatte. „Nein“, grollte etwas plötzlich hinter ihm, ließ ihn zusammenzucken, „Eins und Eins ist nicht immer Zwei.“ Mark blinzelte, bevor er verdattert: „Eigentlich schon“, von sich gab und dem rindischeren Halb-Stier bemüht nur ins Gesicht starrte, erst den Daumen hob und dann den Zeigefinger. „Zwei…“, fügte er wie zur Erklärung noch an. Doch dieser nackte Dschinn bedachte ihn nur mit einem Schnaufen, klang wie ein wütender Stier kurz vor dem Angriff und fing an noch rätselhafter zu sprechen: „In einem definierten System, mit einem definierten Körper. Doch definiere erst die Voraussetzungen, betrachte alle Randbedingungen, die du anlegst und dann erst weißt du, was das Ergebnis ist. Operationen, Körper und Gruppen, Lemmata und Sätze, Theorien und Theoreme…Menschen benutzen genug Sprache um das auszudrücken. Doch wahre Logik ist immer da, ohne Sprache zu brauchen, ist eine eigene Sprache.“ Inzwischen wurde Mark bewusst, wie sehr er dieses Wesen unterschätzt haben musste. „Häh? Was?“, fragte er mit zusammengekniffenen Augenbrauen und versuchte die wenigen Dinge, die er verstand, irgendwie in einen Zusammenhang zu bringen, bis Wolke sich einmischte. „Verzeih Math“, gab dieser dem intelligenten Stier gleich einen Namen, einen sehr passenden, „der nie weiß, wie schwer verständlich die Sprache ist, die er in Wahrheit spricht. Nicht einmal wir verstehen immer, was er meint, selbst wenn er sich ‚verständlich‘ auszudrücken versucht – und das bei meiner Intelligenz.“ Dabei lachte Wolke kurz, bevor er sich schwebend neben Math niederließ, einen kurzen Blick auf Jin warf und dann fort fuhr: „Aber belassen wir es bei einfacheren Schemata: Er denkt in Wirklichkeit in Mathematik, in dieser ganz eigenen Sprache, die hier keiner versteht und die doch so allgemein gültig ist. Naja, zumindest sollte sie es sein, aber sie ist schon so weit entfernt von meinem Verständnis, dass ich dafür wohl mehr als einen Übersetzer bräuchte.“ Ein Augenzwinkern folgte und Mark fühlte jetzt wieder Krallen auf seinem Bauch, nein weiter unten, die mit seinem Gürtel spielten. „So viel Lust auf Sex…“, hauchte ihm Jin ins Ohr, brachte ihn zum zitternd und dazu, mit seinem Ellenbogen auszuholen, ihn nach vorne rasen zu lassen, bis er zurückschnellte und mit einem leisen Klatschen auf den Körper hinter ihm aufkam. „Offenbar sehr…“, hörte er noch von ihm und biss sich nur noch auf die Lippen, kurz davor etwas zu sagen. Doch er wollte nicht, nicht in dieser Gesellschaft. Wolke schien das ganze zu ignorieren, während Math mit seinem Finger abwesend auf einer Handfläche etwas notierte, und setzte unbeeindruckt fort: „Aber ich schweife offenbar sehr ab“, worauf Mark schluckte. Das klang viel zu sehr nach einem Seitenhieb, der ihm Hitze durch die Wangen pumpte und sein Aufnahmevermögen mit jeder Minute schrumpfte. „Was wäre die Hölle noch für eine Hölle, wenn man pervers sein könnte?“, begann Wolke und ließ sich jetzt wieder in einen Schneidersitz fallen, lehnte sich zurück, ohne zu kippen. „Nein, das würde dem Konzept wohl etwas widersprechen. Stattdessen findet man sich hier, unfähig eine Erektion zu bekommen, unfähig irgendetwas da unten hoch zu bekommen und das, während man selbst aussieht wie jemand, der wohl mehr als genug Spaß“, dabei zupfte er an seinem Gewand herum, „damit haben sollte. Aber da wir ja nie eine Wahl dabei haben, was wir anziehen, sondern so hier zum Leben erwachen - in diesen Kleidern und bis zu dem Ereignis, an dem wir von hier entfliehen darin gefangen sind - sollte es wohl niemanden wundern. Kurz für Tauros: Irgendetwas zieht uns so an und will auf keinen Fall, dass wir uns umziehen.“ Mark fühlte dabei zustimmendes Nicken von hinten, hörte ein wütendes Schnauben von Tauros und spürte, wie der Gürtel von seinen Hüften langsam weiter nach unten wanderte, von Fingern geschoben, die er mit seiner Hand mühsam aufhielt, während Wolke weiter redete: „Aber wäre das halb so schlimm, wenn man nicht wüsste, was man verpasst?“ Kurz herrschte Schweigen, das gleich wieder von dem tropfenden Dschinn gebrochen wurde: „Nein, natürlich nicht. Deswegen wachen wir hier auf, ohne Vergangenheit aber mit all dem Wissen über das, was wir hier nicht haben, über jede Art von Sex, wie es sich anfühlen sollte und auch darüber, dass es so etwas wie Frauen gibt – nur nicht bei uns. Darüber, dass man auch zwischen Männern Sex haben könnte und es genießen kann. Darüber, dass es etwas anderes als Grau gibt: Sternenhimmel, Veränderung, Essen, Welten und Pflanzen, Normalität, selbst Schlaf in dem man seinem Schicksal entfliehen kann – eben alles, was wir hier nie haben. Kein Sex, kein Schlaf, kein Essen…nichts. Doch das Schlimmste? Dass wir wissen, wie wir entkommen können und was für ein Glücksspiel es ist. Gefangen in der Hölle und mit der Aussicht auf Flucht, ohne…“ Inzwischen kitzelten die ganzen Worte an Marks Augen, alles viel zu grausam. „Halt“, hielt Mark es nicht mehr aus, ignorierte die Finger auf seiner Hose, „halt. Warte mal, aber wenn…heißt dass, das ihr impotent seid und…Jin – Typhon – auch? Und wieso zum Henker habe ICH dieses Zeug an.“ Dank der Hände, die sich an seiner Kleidung zu schaffen machten und die er davon nicht abhalten konnte, musste er darauf nicht wirklich hinweisen. Erwartungsvoll starrte er Wolke an, nur um von ganz anderer Seite die Antwort zu erhalten: „Keine Sorge, mein Markus. Ich bin sicher weit davon entfernt impotent zu sein“, und gleich darauf etwas merkwürdig Hartes knapp unter seinem Rücken zu spüren und sich mühsam einzureden, dass es nicht das war, woran er gerade dachte. Jin lehnte sich nur noch weiter an sein Ohr und blies ihm viel zu heiße Luft über den Hals, ins Ohr. „Die Regeln gelten nur für Dschinns, die hier sind. Ich aber bin hier mit meinem Gefäß, nein, mit meinem Geliebten und das ändert alles. Ich gehöre nicht zu dieser Welt, sondern mache nur einen Ausflug. Also keine Sorge, wir werden selbst hier genug Spaß haben…“, flüsterte er, löste damit eine Welle nach der anderen aus, die durch seine Brust, immer weiter hinunter flutete und schließlich einen Platz fand, der freudig darauf reagierte. „So…Sorge? Ich habe keine Sorgen…“, versuchte Mark über seinen Zustand nicht weiter nachzudenken, ihn vor all den eigenartigen Wesen zu verbergen. „Wie interessant. Die Luft riecht so danach, all die Teilchen vibrieren förmlich mit dem Duft, der Erregung“, mischte sich jetzt ein Wesen ein, das er nicht sehen konnte, das irgendwo hinter Math stand. „Wie ich euch alle beneide um diesen Anblick. Aber wenn ihr hier den Tag der großen Erklärungen habt, will ich auch ein wenig Beteiligung vorheucheln und zeigen, was mir das Universum offenbarte.“ Die Stimme des Unbekannten war eigenartig sanft, kaum hörbar und dabei doch so durchdringend, ein Rätsel sondergleichen. Mark rollte mit den Augen, starrte kurz ein anderes Wesen irgendwo in der Ecke an, dass sich knirschend bewegte, ein Metallkonstrukt, ein Außenskelett, dessen Inneres ein einziges Lodern war. In diesem waren jedoch einzelne Segmente erkennbar, die fast wie die Innenansicht eines Körpers aussahen und bei denen selbst noch so etwas wie sich bewegende Augen erkennbar waren – wenn man lange genug hinsah und den Anblick so lange ertrug. Er schüttelte den Kopf, suchte lieber wieder nach dem Urheber der unbekannten Stimme. „Fangen wir mit dem an, was ihr alle wisst, nur der Mensch…“, eine kurze Pause, in der man nicht einmal ein Schnaufen hörte, folgte, wurde gleich wieder unterbrochen, „ah, genau, Markus, nicht. Also mein wehrter Markus, du trägst die Kleidung, weil du das Gefäß, der Herr, der Geliebte von Typhon bist – zu viel um hier noch als purer Mensch zu gelten. Diese Welt hat dich wie einen Dschinn angenommen und dir dieselbe Kleidung gegeben. Ich denke du wirst irgendwann bemerken, dass dein Gürtel ein wenig mehr ist als nur ein Gürtel…“ Dabei verlor sich der Unbekannte kurz, bewegte sich scheinbar ein paar Zentimeter, bevor eine Faust sichtbar wurde und wieder hinter Math verschwand. „Und da du nur auf der ‚Durchreise‘ bist, wirst du diese Welt auch wieder verlassen – im Gegensatz zu den anderen armen gestrandeten Seelen hier - und in deine zurückkehren. In deine Welt, in der wir Dschinns die Fähigkeit dazu besitzen, uns mit Sex zu amüsieren und uns nicht nur damit, uns gegenseitig die Glieder vom Leib zu reißen, um intensiven Kontakt zu spüren. Schmerz kann manchmal eine Ersatzbefriedigung sein. Noch Fragen…?“ Bevor er noch den Mund öffnen konnte, kam schon eine Antwort von dem Unbekannten selbst: „Oh, natürlich. Verzeih meine Unhöflichkeit. Ich bin ‚Auge‘…und bitte nicht erschrecken…“ Daraufhin tauchte die geballte Hand wieder auf, gefolgt von dem Wesen, das gesprochen hatte und auf den ersten Blick normal wirkte – bis Mark das Gesicht sah. Anstatt Augen waren da nur kleine Seen, in denen sich die Umgebung etwas spiegelte, die hin und her schwappten, bis sie übergingen und wie ein stetiger Fluss in Tränen die Wangen hinab rannen und weiter über den ganzen Körper tropften. ‚Auge‘ stand lächelnd auf, unglaublich gelassen und offenbarte dabei das von den Tropfen genährte grüne Gewand, das sich eng an den Körper schmiegte, dabei trotzdem alles verbarg bis auf die Hände und das Gesicht. Die kurzen Haare standen in Richtung Himmel, strahlendblau, zitterten in einem unsichtbaren Wellengang hin und her, während die Gestalt nur mit dem Kopf schüttelte. „Nein, deswegen werde ich nicht ‚Auge‘ genannt“, erklärte ihm das Wesen, als es immer näher kam, bis es schließlich vor Math und Wolke stand. Auge streckte den Arm aus und öffnete langsam die jetzt im Vergleich zum restlichen Körper viel zu große Faust, unter der etwas hervor blitzte. Mark drückte sich nach hinten, als sich mit einem letzten Ruck alle Finger öffneten, drückte sich an Jin und versuchte den Anblick zu ignorieren, konnte es nicht. Dieses Auge in der Hand, das ihn anstarrte, an tausend Fäden an der Handfläche klebte wie in einem Sockel und hin und her raste, war einfach unbeschreiblich, erinnerte ihn an den Biologieunterricht, an das eine Mal, bei dem sie ein Auge sezieren mussten. Er schluckte, unfähig etwas zu sagen, drehte seinen Kopf langsam zur Seite, ohne sich wirklich abwenden zu können, wie magisch angezogen von diesem Anblick, der ihn nicht los ließ. „Das ist eine der schönen Strafen dieser Welt dafür, dass ich den Wald berührte. Mein Fehler war es, dass meine Augen nicht beide verbrannten, sondern dass ich mir in meiner Qual eines ausriss und es...tja, zu etwas anderem wurde. Ich sehe nicht mehr was hier ist, aber ich weiß das was sich sonst vor mir verbergen würde und es zeigt andere Dinge. Deswegen bin ich so begehrt…“, flüsterte Auge wieder mit seiner sanften, durchdringenden Stimme und marschierte unbeeindruckt weiter auf ihn zu. „Deswegen schau hinein, schau hinein, denn es will dir etwas zeigen. Und nein, die Zukunft kenne ich nicht. Sie ist entweder ein noch unbeschriebenes Blatt und jede Vorhersage nur ein Lenken in die Richtung, die man damit vorgibt, oder…“ „…die Möglichkeiten sind zu vielfältig, die Randbedingungen für die Berechnung zu eng gesteckt, als dass man eine sinnvolle Berechnung durchführen könnte. Setze Randbedingungen in einem so komplexen System und du schränkst die Möglichkeiten ein, begehst Fehler, die nicht berücksichtigbar sind. Unberechenbarkeit bedeutet Unbestimmtheit…“, setzte Math nahtlos fort, ohne auch nur aufzuschauen. „Genau, mein Freund, genau. Und hab keine Angst. Ich würde dir nie etwas antun – ich bin neutral und Typhon ist zu grausam, als dass ich mich freiwillig mit ihm anlegen würde…“ In dem Moment konnte Mark nicht mehr widerstehen. Wie magisch angezogen blickte er in die violette Pupille, die anfing sein ganzes Sichtfeld einzunehmen und schließlich in einem Rauschen unterging und nur Schwärze hinterließ, die sich vor ihm ausbreitete. „Das hier ist das Universum…“, untermalte eine nicht vorhandene Stimme dieses Nichts, brachte Bewegung, Schwindel mit sich, der sich erst nach Sekunden in Sein verwandelte und einen runden Fleck, einen kleinen Ausschnitt aus Etwas mit sich brachte. Sterne funkelten darin tausendfach, Nebel ließ es wie ein Gemälde aussehen. „Und das ist der Blick auf das Universum…“, fuhr es fort, entlockte ihm nur Unglauben bei dem Anblick, „und das hier unsere Welt.“ Damit drehte er sich wieder, suchte ohne etwas zu finden. Da war nur Schwarz. Und dann fing er an es zu fühlen, diesen leichten Zug, der an seinen Gliedern zerrte, mit jedem Augenblick stärker wurde und ihn immer weiter in dieses Nichts ziehen wollte. Irgendetwas stemmte sich dagegen, hielt ihn dort mit einer Gewalt, die seine Lungen zum Bersten gebracht hätten, wenn sie da gewesen wären, drückten wie tausende Tonnen - bis es plötzlich aufhörte. Mit einem lautlosen Schrei drehte er sich noch einmal um, sah wie der Fleck Universum rasend schnell kleiner wurde, sich von ihm entfernte und geriet in Panik. Schwärze raste schwindelerregend schnell an ihm vorbei, sein ganzes Wesen von Angst durchflutet, Todesangst, Panik, in der ihm nur ein letzter Gedanke blieb: Jin. Jin würde ihn retten, Jin würde ihn halten… Mit einem Schrei auf den Lippen riss er die Augen auf, fühlte wie seine Knie nachgaben und er doch hochgehalten wurde, schrie, bis er sich des Graus bewusst wurde und der warmen Hände, des Kitzelns an seinem Rücken. Schweiß rann seine Stirn hinunter. Starr schaute er nach vorne und sah jetzt nur noch eine geschlossene Faust. „Auge“, kam es eiskalt von hinten, unterstützt von einer krallenbewährten Hand, die sich nach vorne streckte und mit den Fingern knackste. „Verzeih, ich kann es auch nicht immer genau steuern, aber es war sicher wichtig. Am Ende hat er garantiert das gefunden, was in seinem tiefsten Inneren den wichtigsten Platz einnimmt.“ Auge schien ihn bei den Worten zu fixieren, bevor er ihn direkt ansprach: „Nicht wahr Markus? Lustknabe, Herr, Gefäß Typhons? Oder nein, die Wahrheit…Geliebter Typhons.“ Mark zitterte noch immer, unfähig sich zu rühren, der Schweiß inzwischen klebrig auf seiner Haut, heiß. Seine Wangen glühten bei dem Gedanken an die Wahrheit dahinter, daran, dass der nächste ihn belehren wollte, diesmal sogar ein Fremder. Und damit platzte etwas fast hörbar in seinem Kopf. „Zum Henker, verdammte Scheiße noch mal! Lasst mich endlich alle damit in Ruhe! Ich will selbst entscheiden, was ich denke und nicht ständig…“, holte er kurz Luft, bevor er seine Finger um die Hand an seiner Hüfte schloss und drückte, fest drückte, „von irgendwelchen Leuten belehrt werden. Oma, Opa, Barbara, Sarah und jeder andere verdammte Idiot welcher Welt auch immer, der mich nicht kennt, bildet sich ein auch noch seinen Senf dazugeben zu müssen. Zum Henker, ich habe die Nase voll. Nur weil ihr impotent seid und vielleicht der ganze Rest meiner Umgebung dazu, lasse ich mich nicht einfach verkuppeln.“ Mark hätte schwören können, dass er ein leises Lachen hinter sich hörte und einen verwirrten Ausdruck im Gesicht der Dschinns vor sich sah, den nur Tauros nicht teilte. Der stand irgendwo auf der Seite und hüpfte fröhlich hin und her. Es fühlte sich wie ein Triumph an, zumindest für diesen einen Moment. „Ich kann selbst entscheiden, was ich mag. Nur weil ich keine Lust darauf habe als Schwuchtel angesehen zu werden und jeden wissen zu lassen, dass ich den Sex mit Jin mag, heißt das nichts. Ich weiß es selbst, verdammte Scheiße, ich weiß, dass ich Typhon ma…zum Henker, vergesst es einfach. Das wollte ich nicht sagen. Hoffentlich bin ich hier bald weg…“, regte er sich noch auf, riss er die Augen auf, und ließ sich dann schließlich in die Umarmung sinken, die ihn so angenehm oben hielt, und schmollte. Er entspannte sich schnell wieder sichtlich, ließ die Lider etwas sinken und fühlte keine Angst mehr, wie sonst. Niemand hier kannte ihn. Langsam wurde ihm bewusst, welche Vorteile es hatte, in dieser fremden Welt zu sein, wie unbedeutend eigentlich dieses eine Problem hier war. „Wei, wei. Schaut, schaut“, drängte sich ein Echo in seine Ohren, zwang ihn dazu in Richtung Eingang zu sehen, wo eine Heerschar aus kleinen Figuren hin und her eilte. „Wei, wei. Liebe, Liebe, das ist besser als tausend Hiebe“, setzten sie fort, kleine Wichtel ganz in Grün, kurze stehende Haare, die mit jeder Bewegung wild hin und her wippten, bis sie plötzlich erstarrten. Jin knurrte ein: „Ruhe Bazil!“, genervt und ernst, das den ganzen Raum erfüllte, untermalt von einem dieser unheimlichen roten Blitze. „Spielverderber, Spielverderber.“ Es schien fast so, als würde sich die kleinen Nervensägen nicht beeindrucken lassen, doch dann sprangen sie mit lautem Gekreische aufeinander zu, blieben aneinander kleben. In Windeseile verloren sie ihre Form, wurden zu einer einzigen undefinierbaren Masse, die sich immer höher in die Luft schlang, nur um schließlich mit einem Quietschen zu einer großen Version der vorigen Zwerge zu werden, dessen Haut tiefbraun schimmerte. „Spielverderber“, bestätigte dieser Dschinn, dieser Bazil, gleich in tieferer Stimme noch einmal, starrte mit eigenartigen braunen Augen böse in ihre Richtung, bevor er nach hinten marschierte. Mit einem lauten Knirschen krachte dieser Kobold gegen das eigenartige Metallgerüst, drehte sich um und murmelte: „Tschuldigung Hephai.“ Mark blinzelte nur noch ein paar Mal bei dem eigenartigen Anblick, kurz davor etwas zu fragen, bevor ein Grollen ihn ablenkte und er eine halbe Drehung fühlte. Dort wo die Tür war und sich durch das stärkere Dunkel deutlich abzeichnete, spiegelte sich jetzt die große Kugel wider. Sie wirkte leicht verzerrt, schwankte hin und her und wurde immer größer, je näher sie ihnen kam – bis plötzlich das Bild umschlug und Jin und er darin erschienen. „Typhon“, fing dieser Spiegel an zu sprechen, verzerrte sich noch mehr, bis im nächsten Moment ein Kopf erschien, schneeweiß. Es blendete, blendete so sehr, dass Mark seine Augen zusammenkneifen musste, um noch etwas zu erkennen. Die strahlend blauen Augen, das kurz geschorene weiße Haar und die Lippen, die wie eine Wolke wirkten und sich anfingen zu bewegen, waren surreal. „Verzeiht, Typhon, aber sie kommen. Die Nachricht über eure Ankunft, über die des Menschen, scheint sich schon verbreitet zu haben und die Vertreter der Scientas und der Regas sind gleich da. Die Samarer würden sicher gerne…“, erklärte das Wesen, in dem sich jetzt nur noch Jin spiegelte und trat wieder ein paar Schritte zurück, bis es direkt vor der Tür stand. Mark kratzte sich am Kopf. Hinter ihm brachte sein Dschinn nur einen verächtlichen Laut hervor. „Ich wusste doch, wieso ich dich aufgenommen habe, nicht wahr, Morgan? Ts, wie dumm von ihnen. Im Moment habe ich keine Lust darauf, sie zu ‚begrüßen‘, denn ich habe meinen Spaß gefunden und brauche nur meinen Menschen…“ Bevor irgendjemand etwas darauf antworten konnte, waren von draußen schon Stimmen zu hören: „Kommt raus! Ich als oberster Herrscher, als gewählter Vertreter der Dschinns, befehle es!“, worauf nur verschluckte Lacher um ihn herum hallten. „Mensch, komm raus. Wir werden dich vor ihnen beschützten. Wir haben nur hehre Motive dir gegenüber, wir wollen nur wissen. Bleib nicht dort drinnen, komm zu uns, denn wir werden uns um dich kümmern. Aber sie werden dich quälen, töten, nur um wie immer ihren Spaß zu haben. Komm raus und wir beschützen dich!“ Mark knirschte mit den Zähnen, schüttelte den Kopf, ungläubig ob dessen, was er hören musste. „Ich brauche keinen Schutz“, presste er hervor, belohnt durch sanftes Streicheln über seinen Bauch, das ihn scheinbar ermuntern sollte, „und wieso kann man mich nicht einmal allein lassen? Ein einziges Mal…“ Mark fühlte sich inzwischen wie ein halb ignorierter Spielball, den gerade einmal Jin irgendwie ernst nahm. „Du weißt nicht, wovon du redest. Selbst wenn sie dich hier freundlich behandeln, werden sie dich zerfetzen, sobald ihnen das hier langweilig geworden ist. Genau deswegen lassen sie uns nicht hinein: Damit du die Wahrheit nicht erkennen kannst“, versuchte die Stimme ihn zu überzeugen, säuselte süßlich und fast mütterlich von draußen hinein. Doch irgendetwas passte nicht. Hinter sich fühlte er eine kleine Änderung, sah wie Morgan sich bewegte und im nächsten Moment zwei Gestalten durch die Tür stolperten. Ihnen folgte ein Sturm, der sich nicht legte, sondern weiter dahinter fegte und immer wieder menschliche Form annahm, nur um dann wieder in sich zusammenzubrechen. Die beiden Gestalten starrten sich an, wirkten dabei wie das eigenartigste Paar, das er je gesehen hatte, so unglaublich anders. Der eine, engelsgleiche wandte als erstes wieder seinen Blick in seine Richtung und hob eine wohlgeformte Augenbraue unter seinen wallenden goldenen Haaren. Dabei flatterte er mit seinen schneeweißen Flügeln, die von einzelnen roten Tupfern befleckt zu sein schienen und Meter lang waren. Das weiße wallende Gewand unterstützte den Eindruck eines himmlischen Wesens, genau wie der zarte Körperbau, bis die Pupillen auf ihn fielen. Die Augen waren so schwarz wie die Nacht, durchdringend und fehl am Platz wie die blutroten Lippen in diesem feinen Gesicht. „Und wo sind jetzt eure Argumente, Flügelchen?“ Jin schien mehr als amüsiert, der Tonfall voll von Beleidigung. „Dort wo deine Höflichkeit und Freundlichkeit ist, Lüftchen“, kam die Antwort des Engels-Dschinns, der vorhin, draußen, gesprochen hatte. „Also bitte, wir sollten das wissenschaftlich angehen“, mischte sich die zweite Gestalt ein und streckte seine rosa Flügel, durchsichtig und riesig, feengleich, aufgeregt nach hinten. Mark fragte sich, ob dieser Dschinn damit überhaupt fliegen konnte, bei dem wie der Rest aussah. Der Körper war überdimensional, ein einziges braun gebranntes Muskelpaket, neben dem jeder andere Mensch wie ein Fliegengewicht wirkte, ergänzt von kantigen Gesichtszügen und einer Glatze, die glänzte. Die Hände, eher große Pranken, waren wie zu einem Friedensangebot nach vorne gestreckt und der unschuldige Ausdruck im Gesicht passte noch weniger zu all dem hier. Und dann fing er wieder an zu sprechen, ernsthafte Sorge in der Stimme:„Nicht, dass sich der arme Mensch vor uns fürchtet, Anachel. Nimm etwas mehr Abstand ein. Wir wollen doch einen guten und nicht zu beeinflussenden Eindruck machen.“ „Der arme Mensch steht hier“, musste Mark zu dieser Diskussion ohne ihn beitragen, „und hat keine Lust mehr. Danke, ich mag Jin und…“ Er schnaufte, ignorierte die verwirrten Blicke der beiden Fremden, die ihn erst jetzt wahrzunehmen schienen. Schon öffnete er wieder den Mund, als Anachel mit einem Finger auf ihn zeigte und ihm langsam dämmerte, was er jetzt schon vor Allen zugab. „Ähm…ach scheiß drauf“, flüsterte er schließlich, rollte mit den Augen und knetete mit seinen Fingern auf dem Arm herum, der noch immer um seinen Bauch lag. Inzwischen schienen sich die beiden Neulinge wieder gefasst zu haben. „Siehst du, Titani“, fing in einem weißen Rauschen aus Flügeln der engelsartige Dschinn an zu reden, „wir müssen keinen Einfluss wirken, wir müssen ihn eher auf die richtige Bahn lenken. Er wurde schon beeinflusst und…“ Damit stoppte der Sprecher plötzlich in der Mitte seines Satzes und starrte mit immer größeren Augen Mark an, bis er mit den Schultern hin und her zuckte, wie um dem Blick zu entkommen. Ein leises Murmeln schwoll zu einer unverständlichen Tonfolge ab, bevor es abrupt abstarb. „Oh…“, brachte Titani heraus, bevor ein lautes, überraschtes „OH!“, folgte. Mark konnte sich bei der eigenartigen Stimmung, die ihm entgegenschlug, nicht mehr zurückhalten, kam sich viel zu sehr wie ein Studienobjekt vor. „Was?“, verlangte er zu wissen und merkte, wie langsam die anderen Dschinns im Raum immer näher kamen. „Das ändert natürlich alles. Gebt ihn heraus!“, befahl Anachel, die Flügel ausgebreitet und so riesig, dass sie Meter maßen, so lang wie der halbe Raum. Titani seufzte nur kurz, bevor er die Hände vor der Brust verschränkte und ein paar Schritte nach hinten ging. Freundlich klangen seine nächsten Worte, beinahe einladend: „Verzeih, wir wollten dich nicht ignorieren. Ich bin ein Vertreter der Scientas, der Dschinns, die sich der Wissenschaft verschrieben haben, und wir würden gerne unsere Kenntnisse erweitern. Du kannst uns helfen, mehr zu erfahren über eure Welt und unsere, so viel, dass ich oft vergesse, dass es bei euch andere Regeln gibt. Ich gehöre ja auch nicht ganz zu der Sparte, die diese Sachen untersucht.“ Ein verlegenes Lachen und der nette Blick verführten Mark dazu, sich zu entspannen, bis Titani weiterredete: „Dass wir wirklich einmal einen Menschen sehen, der ein Gefäß und ein Geliebter ist, ein zweifach Gezeichneter, bevor er uns entwischt…und welche Auswirkungen das offenbar hat.“ Der Dschinn kam mit aufgeregt flatternden Feenflügeln näher auf ihn zu, wurde mit jedem Meter immer beängstigender, streckte eine zitternde Hand aus. Als ihn die Finger beinahe berührten, knallte es, schlang sich sein Gürtel um Titanis Arm und drückte zu, peitschte wieder zurück und vor, riss tiefe Wunden, nur um schließlich in der Luft stehen zu bleiben, wie eine zum Angriff bereite Schlange hin und her zu zittern. In seinem Vormarsch gestoppt, flatterten die Flügel noch aufgeregter, während Mark mit großen Augen nach unten starrte. „Hab keine Angst, wir tun dir nichts. Wir wollen nur etwas untersuchen, wollen nur schauen, welche Auswirkungen das alles hat und wieso diese beiden Zeichen die Auswirkungen haben. Glaub mir, mit dieser Grundlagenforschung können wir sicher etwas erreichen und anderen Dschinns das Leben deutlich erleichtern! Wir…“ Weiter kam der Dschinn nicht. Mit einem Knirschen drängte sich das Konstrukt aus Metall und Flammen, dieser Hephai, zwischen ihn und Titani, trieb diesen Schritt um Schritt zurück. Jin ließ ihn im selben Moment los, drückte Mark mit einer Bewegung zur Seite und stellte sich vor ihn. Die Krallen nach vorne gestreckt, wehten die Bänder hin und her. Der davor noch schlängelnde Gürtel, zischte noch einmal nach vorne, bevor er sich offenbar beruhigt wieder um Marks Hüften schlang und ihm so einen erleichterten Seufzer entrang. „Ihr“, spuckte Jin gleichzeitig mit seiner kleinen Entspannung aus, „seid doch nur Spielverderber, die genau das machen, was ihr uns vorwerft. Für die Zwecke der Wissenschaft fangt ihr erst harmlos an, bevor ihr anfangt die Untersuchungsobjekte namens ‚Mensch‘ aufzuschlitzen, um euch jedes Organ anzuschauen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Wollen wir gar nicht von den Dschinns reden…“ „Ich doch nicht. Das…“, fuhr Titani vergeblich dazwischen, wurde sofort von Jins tiefer Stimme übertönt, die den ganzen Raum einzunehmen schien: „Wenn nicht du, dann ein anderer. Hatte ich vergessen zu erwähnen, dass ihr dann immer nur ‚Modelle‘ erstellt, die niemandem etwas bringen und nur beschreiben? Aber wenn ihr so gerne spielt, dann lasst uns doch ein wenig Spaß mit euch haben. Ich bin mir sicher, dass eure inneren Werte hier an den Wänden nett aussehen werden…“ Inzwischen hantierte Anachel nahe dem Ausgang mit zwei kleinen Schwertern herum, die gebogen und mit den merkwürdigen Mustern ein wenig an Federn erinnerten, während sein Kamerad nur die Fäuste ballte. Die beiden Fremdlinge fast an der Tür und eingekreist, chancenlos, schauten sich immer wieder um. Mark schluckte, zitterte. „Ihr…“, murmelten sie, die lächelnden Dschinns immer näher kommend, bis der Wirbelwind hinter den beiden zur Seite fegte und die beiden mit einem Seufzer rausstolperten, fast rannten. Wie nur ein Rauschen in der Umgebung, nahm Morgan wieder den Platz vor der Tür ein, den er vorher gehabt hatte, machte fast einen amüsierten Eindruck. „Wir werden wiederkommen und dann mit einer Armee, gegen die ihr nichts zu setzen habt. Schließlich bin ich der gewählte Vertreter…“, drang es im nächsten Moment hinein in die Stille, die gleich darauf in entspanntes Gelächter umschwang. Beschwingt entgegnete Wolke: „Gewählter Vertreter der Langweiler, der Regas. Sprich für jemand anderen…“ „Mit meiner Macht verfüge ich hiermit, dass Krieg herrschen soll zwischen der Fraktion der Bacarer und der Regas. Doch glaubt nicht, dass wir Regas die einzigen bleiben werden. Die Scientas, die Gorer und die Aras schließen sich uns garantiert an und dann…“, drohte Anachel weiter von draußen, bis Jin ein paar Schritte nach vorne stolzierte. „…wird alles wieder so enden, wie es immer endet – mit Spaß für uns!“, unterbrach sein Dschinn die Geräusche von draußen, bevor er sich wieder zu Mark umdrehte. Scheinbar wollten aber die Fremden das letzte Wort haben: „Das werdet ihr bereuen! Komm Titani…“, hörte er immer leiser von den beiden, die sich jetzt wohl auf und davon machten, während Jins Hand sich ihm immer mehr näherte. Mark starrte, starrte, bis er schließlich seufzte, mit den Augen rollte und ein paar Schritte nach vorne ging. Von irgendetwas getrieben streckte er sich nach oben, Jins Gesicht nah, so nah, berührte ganz kurz die Lippen mit den seinen, nur einen einzigen Moment, beendete es gleich wieder. Doch das Kribbeln wirkte nach, schien durch seinen Körper zu wandern, auf seine Brust an der das Tattoo anfing zu brennen, wie ein Blitz von dort alles einnahm. „Hm…“ Das brachte ihn dazu aufzuschauen, zu sehen, wie sein Gegenüber nachdenklich schaute und mit einer Hand die Stelle berührte, die so wild pochte – sein Tattoo – und dann aufschaute. „Schwärmt aus und holt alle, die zu uns gehören oder ein Schlachtfest auf unserer Seite feiern wollen. Ich bin mir sicher, dass es genügend gibt, die sich gerne mit den Regas oder den anderen beiden Gruppen schlachten…“, befahl Jin. Genau in dem Moment, als Mark schon seinen Mund öffnen wollte, legte sein Dschinn die Hand auf seine Lippen. „JETZT! ALLE! Morgan und Zyklo werden vor dem Unterschlupf die Wache halten. Und niemand kommt hier ohne meine Erlaubnis wieder herein“, donnerte plötzlich Jins Stimme durch den Raum, zauberte wissendes Grinsen in fast alle Gesichter und fegte das Zimmer quasi in Windeseile leer, kein Abschied von irgendeinem zu hören. Bazil blieb kurz stehen, stemmte die Hände in die Seite und hüpfte aufgeregt auf und ab. „Will hier bleiben und sehen! Ich habe so etwas noch nie gesehen…hier bleiben!“ Doch bevor er noch mehr sagen konnte, löste sich eine von Jin Armflügeln, zischte an Mark vorbei auf den halben Kobold zu, der mit gesenkten Mundwinkeln da stand. Im nächsten Moment flog der Stoff wieder zurück, nahm den Kopf ein kleines Stück mit sich, ließ ihn in der Luft schweben, bevor er hinten über kippte und mit einem „AU“, auf den Boden knallte. „Spielverderber!“, regte sich jetzt der Kopf auf, kugelte ein wenig herum, bis er zerfloss. Im nächsten Moment verwandelte er sich zu einer kleineren Version Bazils, während der restliche Körper in ein dutzend davon zerfiel. Noch im Gleichmarsch, der halb hüpfend, halb taumelnd absolviert wurde, rief die Einheit ein: „Ich geh ja schon…Spielverderber, Spielverderber“, nach und verschwand aus der Tür, so dass nur noch zwei Gestalten übrig blieben. Mark schluckte, blinzelte, verdrängte das Bild des rollenden Kopfes aus seinen Gedanken, unterstützt von Jins Ablenkung: „Geht jetzt, ihr beiden.“ Damit drehte sich Morgan um, der Wirbelsturm jedoch blieb wie gefesselt stehen, eine einzige tobende Masse. „Jetzt komm schon Zyklo. Wir können draußen wieder etwas spielen…“, rief der Spiegeldschinn nach hinten, winkte und zog sich die Kapuze wieder über, so dass er völlig verschwand. Nach Sekunden, nach einer halben Ewigkeit, setzte sich auch der Wind in Bewegung und hinterließ nur ein unangenehmes Schweigen, als er schließlich durch die Tür fegte. „Und jetzt zum Wichtigen vor der Schlacht. Ich wollte schon immer wissen, ob Sex vor dem Kampf wirklich so viel hilft“, hörte Mark jetzt hinter sich, fühlte das Zittern, das sich bei den Worten ausbreitete. „Außerdem…“ „Halt, nein…was? Wir müssen noch, zum Henker, ich habe noch Fragen. Der Gürtel und die Dschinns…Was, wieso…“, versuchte er es noch irgendwie, überrannt, zu übermannt von diesen Gefühlen, spürte schon Arme, die ihn nach hinten zogen und ihm bewusst machten, wie Jin fühlte. Wie konditioniert sprang sein Herz dabei einen Satz nach oben, pumpte das Blut viel zu schnell nach unten, bis es rauschte und sich dort sammelte, wo scheinbar ein zweites anfing zu existieren. „Verdammte Scheiße. Doch nicht…Hier?“, wehrte er sich noch ein letztes Mal, versuchte die Arme um seinen Bauch wegzudrücken, hielt sie dabei nur um so fester an sich gedrückt. Dieses Gefühl erinnerte ihn zu sehr an den Wald, an das Paradies… Langsam spürte er, wie sein Verstand immer kleiner wurde, fragte sich kurz etwas, vergaß es wieder, freute sich im gleichen Moment über das selige Halb-Nichts. Die Augen geschlossen drehte er sich schließlich um und schlang seine Arme um den Hals seines Dschinns... Kapitel 15: In Wahrheit… ------------------------ In Wahrheit… Genau in dem Moment in dem seine Arme die weichen Haare berührten, krallte er sich daran fest, seine Beine so eigenartig zittrig, dass er Unterstützung brauchte. Hände hielten ihn an seinem Rücken oben, drückten ihn stärker an den warmen Körper vor sich, drückten ihn an diese viel zu deutliche Härte, die sich wie ein Versprechen an seinem Bauch rieb, so nah an der einen Stelle, die darauf mit lautem Pochen reagierte. Immer wieder hallte der Gedanke, dass das hier niemand je erfahren konnte in seinem Kopf wieder, all die neuen Erkenntnisse rasten nur so, schienen ihn nur immer weiter weg von allen Bedenken zu treiben. Ohne etwas dagegen tun zu können, fühlte er, wie die Notwendigkeit zu Mehr sich uneingeschränkt ausbreitete, all die Erinnerungen und die leisen Versprechen die er kannte durch seinen Verstand fluteten und ihn dazu trieben, sich mit einem Seufzer auf und ab zu bewegen. Zufrieden zitterte sein Körper. Viel zu oft hatte er das schon getan, wusste, was für eine Wonne ihn erwartete und verlor sich so schnell in den Gefühlen, dass er kaum Zeit zu Sprechen fand. „Nicht…nicht hier jetzt…“, versuchte er es, versuchte mehr sich selbst zu überzeugen als sein Gegenüber, biss sich verzweifelt auf die Unterlippe, um dieses furchtbare Verlangen zu unterdrücken. Doch es funktionierte nicht. Er wollte es in Wahrheit nicht. Mit jedem Moment, den er still hielt, fühlte er das Pochen nur stärker, immer drängender, bis es seinen Verstand mit jedem Schlag weiter nach hinten trieb. Dabei bewegte er sich weiter auf und ab, öffnete schließlich den Mund kurz, ließ einen kleinen Laut hinaus, bevor er wieder zubiss und eine Träne seine Wange hinab rann. Es war furchtbar, furchtbar grandios. Diese Reibung, diese wunderbare Friktion war sein Lohn, ein beruhigendes Streicheln an seinem Rücken die leise Belohnung für sein Tun. „Keine Sorge, mein Markus. Niemand wird uns sehen, niemand erfährt es und du weißt es doch…öffne deine Augen und schau mich an.“ Es kam ihm fast wie ein Befehl vor, der ihm keine Wahl ließ, war doch nur eine Aufforderung, die ihn weiter in die Höhe zog - unterstützt von dem warmen Atemhauch, der wieder und wieder über seinen Hals pulsierte. Langsam flatterten seine Lider auf, noch halb unentschlossen, bis das erste was er erblickte ihm einen wohligen Schauder über jede Pore jagte. Sein Dschinn starrte ihn mit einem entrückten Blick an, einem Blick, den er viel zu gut kannte und der die Hitze, die in seinem Hals glomm, durch seine Schultern jagte, immer tiefer hinunter, bis sie sich unten sammelte und sein Glied langsam gegen die Schwerkraft arbeiten ließ. Schon jetzt drückte seine Erregung viel zu deutlich an seine Kleidung, rieb daran und brachte ihn dazu eine Hand zu lösen und noch unentschlossen auf den Gürtel zu legen. „Ich weiß…“, murmelte er, streckte sich nach oben, nach oben hin zu der Versuchung. Die vollen Lippen schienen ihn wie magisch anzuziehen, seine Aufmerksamkeit zu verlangen, kitzelten schon jetzt auf den seinen, als ob sie ihn berührten. Und schon im nächsten Augenblick verschwamm Realität und Fiktion miteinander, ersetzt durch pure Tat, als sich sein Mund auf den seines Geliebten legte, sich öffnete. Halb taub war es eine einzige Wonne, ein einziges Flackern in jeder Zelle. Blut raste durch seine Wangen, brachten sie zum Glühen, pochte in seinen Augen wieder, an deren Ränder seine Welt anfing zu einem weißen Nebel zu werden, wurde nur noch schneller, als seine Zunge den ersten Kontakt wahr nahm. Fast vorsichtig schlich sich Jin an, drängte ihn so schnell zurück, so schnell dazu, dem Spiel zu folgen und den Kontakt zu suchen, mit seiner über den Muskel zu streicheln und die Wärme zu genießen. Mit jeder Bewegung wurde sein Atem drängender, seine Zunge immer unwirklicher, gefangen in dieser Wonne, gefangen von ihrem Gegenpart, bis er nicht mehr konnte. Irgendwann hatte er vergessen wie man atmete, die Luft angehalten, riss sich jetzt von der angenehmen Berührung los, seine Lippen nur noch ein großes Kribbeln, die in der Kälte glühten und pochten. Er sog die Luft wie ein Ertrinkender ein, die Augen halb geschlossen und Bedauern in jeder Pore. „Ich…“, begann er, schaute in das Gesicht und konnte nichts anderes als Zufriedenheit erkennen, hasste sich dabei für seine Dummheit nur noch mehr. Doch Jin ließ ihm keine Zeit dazu. Die Arme nur noch fester um seinen Körper geschlungen, hob er ihn hoch, trug ihn scheinbar mühelos ein paar Schritte nach hinten, nur um ihn dann los zu lassen. „Keine Sorge. Wir kennen uns, ich kenne dich. Das hier ist wahre Freude“, klang es in seinen Ohren so tief und sinnlich wieder, dass seine Erregung nur noch größer wurde, nicht einmal verstummte, als sein Gleichgewicht rebellierte. In hohem Bogen flog er nach hinten, segelte mit dem Rücken voran dem Boden entgegen, ein Wirbel an Kleidung um ihn herum, der ihn verwirrte. In diesem Flug, der Ewigkeiten zu dauern schien, flatterte jedes Stück Stoff nach hinten, davon, schwebte nach unten, nur um seinen Aufprall im letzten Moment sanft abzufedern. Er landete auf einem Berg von Stoff, nackt und schwer atmend, während Jin über ihm hockte, zwischen seinen jetzt halb geöffneten Beinen und ihn fest hielt. Finger strichen langsam über seine Haut, bohrten sich hinein und hinterließen eine weiße Spur, der ein Kribbeln folgte, wie er es kaum kannte. Schmerz war da, verflog doch gleich wieder, nur um von einem eigenartig surrealen Gefühl ersetzt zu werden, das wieder und wieder Lust in ihm hochkochen ließ. Mark schluckte, als er seine Erregung so klar in Jins Körper widergespiegelt sah, atmete immer schneller. „Was…“, versuchte er irgendwie das eigenartige Brennen aus seinem Hals, aus seinem Kopf zu vertreiben, seine Finger, die taub und nutzlos da lagen, wieder zur Bewegung zu animieren, nur um sie zu seinem Schrecken im nächsten Augenblick auf dem Bauch seines Dschinns vorzufinden. Jin beugte sich vor, bis die goldenen Haare über sein Gesicht kitzelten und seine Wange wie Fäden reizten, und flüsterte ihm:„Diesmal ein wenig anders, nur dieses eine Mal“, ins Ohr. Er drehte ihn etwas zur Seite, legte ihn so hin, dass sie sich beide anstarrten, Bauch an Bauch. Das Lächeln ein ständiger Begleiter Jins, der ständige Ausdruck seines Geliebten. Kurz schüttelte er sich bei den Gedanken an diesen Begriff, konnte sich nicht dagegen wehren, die Wahrheit zu deutlich, die Umgebung zu friedlich. Ein heller Lichtblitz erfüllte den Raum und tauchte alles in ein eigenartiges Licht, als er zusammenzuckte. Mark spannte seinen Rücken an, das Gefühl zu grausam, jeder Reiz, jede Berührung des Stoffes unter ihm zu viel, als etwas seine Erregung berührte. So sanft, so klein, so eigenartig warm war es, dass er hinunterschauen musste und erstarrte. Es war einfach so unglaublich, unfassbar und er konnte nicht anders, als mit großen Augen zu beobachten, wie Jin mit einer Hand die beiden Glieder umfasste und sie aneinanderdrückte. Ein Impuls zuckte durch seinen ganzen Körper, brachte ihn dazu sich beinahe auf die Zunge zu beißen, als sein Mund zuklappte. Der wohlige Schock kochte immer höher und weiter und brachte sein Herz dazu einen Satz zu machen. Fast unmöglich sollte es sein, aber sein Blut raste nur noch schneller durch seine Adern, immer tiefer, bis es bei jedem Puls schmerzte, Befreiung wollte und diesen Druck hinaus befördern wollte. Sein Sichtfeld begann langsam zu verschwimmen, während er sich verzweifelt versuchte zu bewegen, dabei Krallen auf seinem Rücken immer wieder über seine Haut kratzten und die Empfindungen weiter steigerten. Wieder und wieder bewegte er sich auf und ab, griff mit seinen Händen nach unten, unfähig dazu zu kommen, etwas berühren zu können, gefangen in der Umarmung unten, die den Takt bestimmte. Er gab auf. Es trieb ihn in den Wahnsinn. „Lass mich…ich will…“, verlangte er schließlich, hörte nur ein leises Lachen und fühlte, wie die Krallen sich ihren Weg weiter nach unten bahnten und seinen Verstand zum Leben erweckten. „Nein, keine Krallen…“ Schließlich unterdrückte die Panik seine Freude, ließ seine Erregung wieder verebben, kleiner werden, bis sie nur noch leise verlangte und sich nicht mehr mit ihrem Gegenstück messen konnte. Vehement schüttelte er den Kopf und versuchte jetzt, sich von seinem Dschinn wegzudrücken, der ihn nur umso fester hielt, unten zudrückte, bis er jeden Versuch stoppte, das Gefühl zu unangenehm. „Markus“, versuchte ihn die Stimme zu beruhigen, kroch in sein Gehirn, in jede seiner Fasern und schien wie Magie zu wirken, wie jedes Mal, wenn er sich diesem Wesen hingab und es genoss. „Mein Markus“, wieder und wieder hallte dieses eine Wort durch den Raum, das einzige, was ihn erfüllte und was seine Ängste im Keim erstickte, betäubte, bis die Finger um sein Glied wieder an Macht gewonnen, und es zu neuem Leben erweckte, zu deutlicherem Leben. Kurz wollte er sich dafür hassen, bis schließlich etwas in sein Ohr blies und wie: „Keine Angst“, klang. „Ich habe keine Angst!“, entgegnete er darauf, wütend sich so fallen zu lassen, wütend, es nicht zulassen zu können. „Ich…“ „Aber ich habe daran gedacht, mein Markus. Du bist das einzige auf dieser Welt, was für mich eine Bedeutung hat und du bist das Wichtigste für mich“, klang es fast wie eine Liebeserklärung, lenkte von dem Wichtigen ab und feuerte es doch an. Irgendetwas wollte er darauf entgegnen, konnte es nicht, als die Krallen ihren Weg stoppten, sich abhoben und sich im nächsten Moment plötzlich an seiner rechten Hand fanden, sie von Jins Bauch weghoben und langsam nach hinten bogen. Und damit glomm doch wieder etwas auf. Mark riss die Augen auf. „Nein…nein, ich will das nicht…“, presste er hervor, seine Wangen sicher ein Meer aus Rot, seine Lippen ein einziges Pulsieren und in seinen Ohren nur ein wahnsinniges Rauschen. „Wenn ich das…“, begann er in einem letzten Versuch, als seine Finger plötzlich von etwas tropften und an diese eine Öffnung fassten, er schauderte. In einem Anflug von Wahnsinn drückte er selbst etwas, fühlte, wie es nachgab und ein leiser Schock durch seinen Körper flutete. „Wieso…“, flüsterte er schließlich im Wissen, wie es enden würde. „Weil“, klang es noch tiefer, sinnlicher als sonst, unterstützt von einem engen Griff, einem auf und ab über seine Erregung, die ihn belohnte, ihn in den Wahnsinn trieb mit all den Emotionen, die es durch ihn trieb, „wir es brauchen. Weil ich das brauche. Weil ich dich brauche. Weil du es brauchst…“ Und damit brach alles weg, einer seiner Finger in die Tiefe getrieben, gedrückt, die Reibung an seinem Glied zu groß, hinten an seiner empfindlichsten Stelle zu stark. Mark stöhnte auf, sein Verstand mit seinem Wissen endgültig besiegt. Verzweifelt versuchte er zu ignorieren, wie anders es sich anfühlte, wie sehr ihn die Finger, die jetzt über sein Innerstes glitten, anders waren. Die Hand auf seinem Rücken, die ihn steuerte, war um so vieles wärmer, die Krallen intensiver, er selbst viel zu klein, zu kurz. Mehr Finger wurden es, drückte fester zu, stärker hinein. Mit Mühe versuchte er es, hoffte auf den wohligen Impuls, doch es half nichts. Er schaute sich um, bewegte seine Hand von selbst, versuchte es wieder und wieder, doch es fehlte immer etwas. Schließlich konnte er nicht mehr, stoppte, wehrte sich dagegen weiter gesteuert zu werden, stemmte sich gegen die Hand, die ihn lenkte. Sein Glied war ein einziges Pulsieren, das nach Erlösung verlangte, die er doch nicht bekam. Seine freie Hand suchte, fand die Haare und zog wieder daran, lenkte die Aufmerksamkeit nur noch mehr auf sich. Goldene Augen starrten ihn halb abwesend an, während eine Hand weiter versuchte seine Finger zu steuern. „Bi…nein“, hinderte er sich selbst daran zu betteln, biss sich auf die Zunge um zumindest wieder etwas zu Verstand zu kommen, nur um dann fortzusetzen. „Ich will…jetzt…dich…da…“, presste er jedes einzelne Wort mit Mühe hervor, abgelenkt von ständig stärkerem Streicheln, ständig mehr Reiz vorne, der kleine Blitze durch seinen Körper jagte, Rauschen vor seine Augen zauberte und dabei jedes Mal kurz vor der Erlösung stoppte. Minuten vergingen, in denen sich nichts änderte, sich nichts regte außer seinem Blut, das weiter anschwellen ließ, was schon jetzt beinahe vor Druck barst. Mit Mühe zog er immer wieder am Haar, versuchte sich in der Umarmung auf und ab zu bewegen, sein Glied zu bewegen, die Laute zurückzuhalten - immer vergebens. „Markus…“, schreckte ihn etwas, er, aus seiner Monotonie hoch, rang ihm ein Stöhnen ab. „Mein Markus.“ Und damit wurde seine Hand in ihm beinahe brutal aus ihren gestoppten Mühen gerissen, weg von seinem Körper, fand sich gleich in Gesellschaft seiner anderen, die auf den von Kleidung bedeckten Boden über seinem Kopf gedrückt wurde. Kälte traf ihn im gleichen Augenblick, ließ ihn zitternd zurück mit einem Gefühl der Not, der ungewollten Freiheit auf seinem Glied, das jetzt nicht mehr liebkost wurde. Ein Arm schwebte an seinem Gesicht vorbei, verdeckte ganz kurz den Ausblick auf Jins Ausdruck, bevor sie ihn am Bauch berührte, kurz darüber strich, nur um sich schließlich unter seine Seite zu drängen. Sie packte zu, schob sich zwischen ihn und den Boden, drängte ihn dazu sich zu drehen, drückte weiter, bis er auf dem Rücken lag. Er drehte den Kopf , unfähig dem neuerlichen Druck zu widerstehen, der ihn wegdrängte, ihn wieder auf die Seite drängte, bis er dort lag, Jin ausgeliefert, sein Gesicht wieder in der Kleidung halb vergraben. Sein Rücken war seinem Geliebten zugewandt und so sehr er sich bemühte, konnte er sich nicht genug drehen, um mehr als goldene Haare hinter sich zu erblicken, die in der Luft schwebten. Er zitterte, unfähig zu sehen, was als nächstes kam, zitterte noch mehr, als er das leichte Kratzen fühlte. Krallen wanderten über seine Wirbelsäule, immer weiter hinunter, dorthin. „Nein…“, riss es ihn aus seiner halben Trance, flammte kurz Angst auf, die im nächsten Moment in einem Glühen unterging. Sein Glied, einsam und verlassen, wurde wieder von Wärme umflutet, von so allumfassender Berührung abgelenkt, während im gleichen Moment etwas an seine Öffnung gelangte, kurz dort schwebte und mit einem Puls hinein strebte. Mark schrie auf, als es in ihn eindrang, ihn dehnte. Dieser Schmerz, den er nicht kannte, dieses eigenartige Gefühl, durchzuckte ihn. Er biss die Zähne zusammen, während warmer Atem immer wieder über seinen Hals strich, wie um ihn zu beruhigen. Es zog, zog so furchtbar, nur betäubt von dem Kribbeln und dem Versprechen, dass seinen Körper taub werden ließ, ihn dazu brachte, sich vor und zurück zu bewegen. Diese Stellung…er hasste sie und liebte sie, gestützt und doch gezwungen seinen Geliebten so nah an sich zu spüren, den Geruch selbst noch durch die Kleidung unter sich wahrzunehmen und keine Wahl zu haben. Sein Rücken war an die Brust Jins gepresst, immer enger, immer stärker, löste sich hin und wieder kurz, nur um wieder zurückzukehren. Verzweifelt biss er die Zähne zusammen, wollte sich nur auf das Streicheln über seine Erregung konzentrieren, die Fülle hinten ignorieren, die sich immer weiter in ihn drängte und einen Schock nach dem anderen auslöste. In ihm strich es so vollendet über jede Faser, jede Pore, reizte jede Zelle, wo er selbst mit seinen Fingern versagt hatte, trieb ihn halb in den Wahnsinn mit dieser Fülle, dieser Fülle an Reizen. Er war unfähig sich zu konzentrieren, sich zu kontrollieren, wippte auf dem Boden hin und her, seine Arme gehalten und unfähig etwas zu tun, sich davon abzuhalten, das hier so zu genießen. Doch jeder Kampf dagegen war nur halbherzig, in der Wahrheit erstickt, dass er es genoss. Ein Stoß und er fühlte es tiefer, eine Bewegung und es glitt hinaus, weg von dem Ort, der schon jetzt leise ein Versprechen abgab, während dabei sein Glied fröhlich aufjauchzte und nur noch stärker mit dem Drang pulsierte, jede Berührung eine Freude und eine Qual zugleich. Und dann waren seine Arme plötzlich frei, eine Hand auf seiner Hüfte, die ihn nach hinten drückte und ihn dazu brauchte, laut zu schreien, als sich die Krallen tief in seine Haut bohrten und nach dem Schmerz nur eine Freude hinterließen. Ein Schock, ein Impuls ohne jede Beschreibung, zuckten durch seinen Verstand, verwandelten seinen ganzen Körper in ein einziges Rauschen, bevor es wieder verebbte und ihn noch verlangender zurück ließ. Inzwischen existierte in ihm nur noch ein einziges Glühen, das ihn weiter trieb, seine Hände schließlich zum Boden zwang, um ihm Bewegung zu ermöglichen. Er drückte, unterstützte die nicht so fremden Finger um sein Glied, drückte und bewegte sie verzweifelt um mehr dort zu bekommen und endlich die Erlösung zu spüren. Immer kurz vorher stoppte es ab, versagte ihm jede Hilfestellung, jeden Erfolg, während er die andere Hand in den Grund rammte, die Kleidung ergriff. Genau als Jin immer tiefer in ihn eindrang, drückte er sich ab, im nächsten Augenblick von diese unbeschreiblichen Gefühl von Freude geflutete. Es pulsierte für einen glückseligen Augenblick durch ihn, erfüllte ihn so wie das etwas in ihm, nur um im nächsten wieder in ein Verlangen umzuschlagen, das ihn drängend vorwärts trieb wie einen Verdurstenden zu einer rettenden Quelle. Irgendwie hörte er sich seufzen, fühlte seine Augen flattern. Wieder und wieder zog er, drückte, genoss selbst die Krallen auf seiner Hüfte, die immer stärker zudrückten, die Finger um sein Glied, die sich immer fester darum schlangen, nur um immer im nächsten Moment wieder allen Antrieb zu verlieren, wenn er es kommen spürte. Inzwischen war er unfähig sich auch nur halb unter Kontrolle zu halten, gefangen in dieser ewigen Spirale, die ständig höher führte, hin zur Glückseligkeit und doch nicht ganz dorthin, bis er den Hauch wieder in seinem Ohr fühlte. Alles spannte sich an. „Jetzt, mein Markus…“, kam die Aufforderung, der letzte Anstoß den er brauchte, der sich gleichzeitig mit Jin in ihn drängte, kalte Luft um sein Glied herum, alle seine Finger plötzlich auf hartem Stoff. Sein Dschinn drückte ihn noch fester an sich, umarmte ihn schon halb mit einem Arm unter seiner Seite, die vorher auf dem Boden geruht hatte, jetzt fast schwebte. Flatternd gingen seine Augen zu, verschlossen alles vor ihm. Ein Puls glomm auf, in seinem Innersten getroffen, schwoll zu einem Blitz an. Und damit ging seine Welt in einem Kribbeln unter, pflanzte sich durch seinen ganzen Körper und erfüllte ihn mit einer eigenartigen Kühle, die ihn beinahe schweben ließ. All die Hitze verschwand, ersetzt von einem ständig steigenden Gefühl der Höhe. Der Druck wurde unermesslich, hielt einen Moment an, nur um im nächsten auszubrechen und alle Sorgen mit sich zu schwemmen, auszubrechen in einem heißem Schwall, einem Anspannen der Muskeln, die nicht anders konnten. Etwas Feuchtes tropfte auf seine Hände, die sich in die Kleidung krallten, festhielten und sich anspannten. Es tropfte auf seine Brust, machte ihm bewusst, was er da vergoss. Mark seufzte, stöhnte auf, fühlte das etwas in ihm immer deutlicher, angehalten und so still, bis es sich so tief versenkte, dass er schreien wollte, sich bewegen wollte, unfähig dazu, hielt inne. So verebbt wie die Bewegung war, wurde sie noch einmal kurz aufgenommen, schwappte in ein letztes Pulsieren über, das seinen Körper erfüllte und ihn dazu brachte, seinen Mund in einem Schrei zu öffnen. Gefangen in seinem Körper, der taub war, so gefühllos, spürte er Hitze wie einen Schwall in ihm, fühlte, wie sich etwas änderte und noch tiefer in ihn eindrang, wie ein Wind ihn erfüllte, während die Krallen sich auf seiner Hüfte auf beiden Seiten in die Haut bohrten. Und damit fielen seine letzten Fesseln an die Welt. Sein Kopf begann zu schwimmen, sein Blick von einem Nebel betäubt. Jede Berührung war wie ein Feuer, das durch seine Zellen schoss und die Taubheit ersetzte, ergänzte. Alles war egal, der Duft um ihn herum so stark, so weit weg, dass er seinen Kopf drehte, um ihn unter sich zu riechen und zufrieden aufzuatmen. Da war es, da war dieser Ort, dieses Plateau, hielt ihn von allem ab, hielt ihn dort, sein Körper fast wie eine Wolke. Es war einfach nur perfekt, so unbeschreiblich wie die Zeit dahin schlich, fast nicht existent dort. Sein Verstand war nur mit dem Gedanken beseelt, dass alles für immer so bleiben sollte, sein Körper gefangen in dieser Welt in der nur Jin und er existierten. Wieder und wieder bewegte er sich sanft auf den Wellen, die durch ihn rannten, verebbten, um wieder zu erstehen und dabei immer niedriger wurden. So schön es war, so sehr drängte sich die Realität langsam immer schneller in dieses Glück, in diese wunderbare Taubheit und holte seinen Kopf aus den Wolken hervor. Mit Mühe hielt er sich noch an der Kleidung fest, fühlte die Hitze hinter sich, wie Jin ihn kurz von sich wegdrückte, während er keine Wahl mehr hatte und die Augen widerwillig öffnete. Die Wärme, die kurz zuvor noch in ihm geruht hatte, ihn erfüllt hatte, glitt aus ihm und sein ganzer Körper schwebte förmlich, als er von starken Händen gedreht wurde. „Markus…“, hielt ihn die Stimme für einen Augenblick noch dort oben, holte ihn schließlich beim Anblick der goldenen Haare hinunter auf die Erde, seine Finger im nächsten Moment in ihnen vergraben. Irgendetwas musste er halten, um sich auf dem Boden liegend dem Schwindel entgegenzustemmen. Finger fuhren langsam über seine Wangen, kratzten eine getrocknete Träne entlang, förderten einen Schauder hervor. Erschrocken verkrampfte er sich, streckte seinen Kopf nach oben, sein Körper plötzlich hellwach. In einer Bewegung sprang er auf, blieb in einer Hocke sitzen, als der Schmerz losbrannte, nur um den restlichen Weg mit zusammengebissenen Zähnen zurückzulegen. Jetzt pulsierte sein Verstand so stark wie vorher sein Glied es getan hatte und er hob seine Hände. Wie gebannt starrte er darauf, sich bewusst, was er damit getan hatte. „Nein…“, flüsterte er panisch, schüttelte wieder seinen Kopf, vergeblich. Als ob er es gerade tat, als ob es noch an ihm klebte, spürte er den Samen, das was er in seinem Innersten getan hatte auf seinen Händen, rieb sie schließlich aneinander, wie um es los zu werden. Jeder würde es sehen, jeder würde es sofort wissen. „Ich habe nicht…“, versuchte er einmal noch in seine alten Muster zu verfallen, Tränen in den Augen, kurz davor zu fallen. Und dann schaute er auf, sah wie sein Dschinn in voller Glorie vor ihm stand, die Arme scheinbar unschuldig vor der Brust verschränkt, ein Lächeln auf den Lippen. Ein Anblick, der seinen ganzen Körper zum Pochen brachte. „Wieso…“, fing er an, ballte Finger zu einer Faust und stürmte die paar Schritte nach vorne, holte dabei aus und ließ seinen Arm nach vorne rasen. Mit einem Schmerzensschrei traf seine Hand auf der Wange seines Gegenübers auf, drückte den Kopf zur Seite, die Wut in der Qual ertränkt, die er fühlte, in der Sinnlosigkeit dessen, was er tat. „Wieso“, verlangte er schließlich zu wissen, löste seine Finger und verkrallte sie in den Haaren, die daneben schwebten, zog daran. Wütend schaute er hinauf, Krallen an seiner Haut, ein sanftes Streicheln. „Wieso musstest du das tun, du Arschloch? Wieso zum Henker?“ „Ich denke, mein Markus, dass es ohne Schmerzen für uns beide amüsanter und erbaulicher war. Also…“, entgegnete ihm sein Dschinn beschwingt, fuhr ihm durch die Haare, ohne sich davon abhalten zu lassen ihn mit dem anderen Arm immer näher an sich zu drücken. Schon halb dabei sich in dieser halben Umarmung zu vergessen, zuckte er zusammen. Wut loderte wieder auf. „Aber wieso musste ich mich SO dabei beteiligen? Ich dachte wir hätten eine Abmachung und ich wollte zum Henker nicht wie eine hilflose Schwuchtel enden, die jeder erkennt, ich wollte nicht wissen, dass ich so völlig verrückt danach bin, dass ich dich sogar DAS tun lasse“, murmelte er nur noch schwach, senkte den Kopf dabei. Krallen bohrten sich unter sein Kinn, drückten, bis er es wieder nach oben hob und in die goldenen Augen starren musste. „Oh nein, mein Markus. So leicht entkommst du mir nicht. Was wäre auch der Spaß dabei? Ich dachte wir hätten das schon geklärt: Du genießt nur dein Leben, selbst wenn du es mit Sex zwischen Männern tust. Was ist schon dabei? Willst du im Angesicht dieser Hölle wirklich die Wahrheit ignorieren und die kleinlichen Regeln einiger Menschen mit großen Ängsten über dich herrschen lassen? Willst du dein eigenes Paradies an dir vorbeiziehen lassen und dafür opfern? Willst du dich von anderen beherrschen lassen, von ihren Vorstellungen, während sie mit Mühe andere davon abhalten wollen zu haben, was sie sich ersehnen aber nicht wagen?“ Jin lächelte dabei, strich über seinen Rücken, beruhigend und verlangend zugleich, erinnerte ihn an alles, was er hier gehört hatte. „Und was ist schon dabei? Ich genieße es, so wie du es genießt. Neues ist immer gut und niemand wird es erfahren, solange ICH es nicht will“, fügte sein Jin noch hinzu. Und damit zerbröckelte sein Widerstand, die ganzen Worte, die er immer für die Wahrheit gehalten hatte, endgültig. Seine Hände wanderten auf die Brust vor sich, drückten, ein wütendes Schnauben das nächste was folgte. „Und wo soll ich das hier waschen?“, fragte er schließlich und hob die Hände, deutete dabei kurz nach unten und drehte seine Augen nach oben zur Decke, rollte sie hin und her. Nur Grau. „Das zeige ich dir gerne.“ Damit wurde er in Richtung der großen Kugel geschubst, die im gleichen Moment in einen großen Blitz ausbrach. Einem Instinkt folgend starrte er nach hinten zur Tür, glaubte dort einen Windhauch zu sehen, der sofort wieder verschwand... Kapitel 16: …ist alles grau und klar? ------------------------------------- …ist alles grau und klar? „Hier…“, lenkte Jin seine Aufmerksamkeit zurück Kugel und zeigte auf einen der acht Sektoren, in dem Wasser hin und her schwappte. So nah wie er stand, war es noch besser erkennbar, er sich jetzt endgültig sicher, dass es die vier Elemente waren. Mark streckte schon die Arme aus, seine Finger immer näher an dem vermeintlichen Nass, bevor er zurückzuckte. Vorsichtig hielt er sie dort, Bedenken und Angst in seiner zitternden Hand klar erkennbar. Fragend schaute er Dschinn an. Dieser antwortete auch sofort: „Dir kann nichts passieren…“, nur um im nächsten Moment aus seinem Blickfeld zu verschwinden, hinter ihn zu springen. Sein ganzer Körper spannte sich an, bis ihn ein kräftiger Schubs aus dem Gleichgewicht brachte. Ohne eine Möglichkeit sich abzustützen, stolperte er nach vorne, landete mit einem kalten Klatscher mitten in dem kühlen Nass, dass sich über seinem Gesicht ausbreitete, ihm die Luft nahm und seine Hände umschloss. Nach Atem ringend, versuchte er erst nach oben zu gelangen, stieß schon in den ersten Zügen auf etwas Hartes, Kopfschmerzen die Folge, und strauchelte schließlich wieder nach hinten. Wutschnaubend, während ihm Wasser aus der Nase rann und gleich in Richtung Kugel davon stob, drehte er sich um, um Jin tropfend anzustarren. „Du“, regte er sich zwischen zwei Hustern auf, hasste das Lachen auf dessen Gesicht nur noch mehr, die verschränkten Arme und den glücklichen Ausdruck dazu, „du…“ „Ja? Ich bin Typhon, Jin...such es dir aus, falls es dir entfallen ist“, neckte Jin ihn und schien nur noch zufriedener. Mehr als mit den Augen zur Decke zu rollen und den Kopf ungläubig zu schütteln gelang Mark nicht; immer wieder öffnete er den Mund, ohne das etwas sinnvolles heraus kam, während nun ein immer stärkerer Durst aufflammte. Einem Instinkt folgend griff er nach hinten, vergrub seine Finger in der Kugel, die Handfläche auf Typhon gerichtet und wartete. Sekunden vergingen unnütz, bauten ein eigenartiges Ziehen in seiner Brust auf, immer drängender. Als Jins Mundwinkel sich eine Spur hoben, riss die Spannung ab und sein Arm raste nach vorne, der Widerstand des Wassers fühlbar, als er es mit sich schleifte und aus der Kugel hinaus beschleunigte – ohne dass je ein Tropfen an seinem Gesicht vorbeiflog. Verwirrt beobachtete er wie sich seine Hand wie in Zeitlupe an ihm vorbeibewegte, völlig trocken und sauber. Völlig verdattert ließ er sie in kleinem Bogen nach unten fliegen, hob sie schließlich hoch und schaute sie sich an, drehte sie noch einmal und noch einmal, nur um sicher zu gehen. Sie war sauber, völlig rein und trocken und weder eine Spur des Wassers, das da sein sollte, noch eine der nächtlichen Tätigkeit zu erkennen. Einem kleinen Gedanken folgend griff er hoch, tastete nach seinen Haaren, die zwar wild in der Gegend abstanden, aber so weit von nass weg waren wie nur möglich. „Was…“, stammelte er verwirrt, starrte abwechselnd auf seine Finger und Jin, bis er ein leises Lachen hörte. Beleidigt schaute er auf, murmelte: „Lach nicht“, bevor er seine Hände nach vorne streckte und dieser Bewegung folgte. Er ließ sich fallen, hob den Fuß noch im letzten Moment, stolperte, nur um mit seinen Armen nach Typhon zu greifen und Haare zu fassen zu bekommen. „Was ist das?“, presste er zwischen seinen Zähnen hervor und hob eine Hand, schwenkte sie vor Jin hin und her. „Deine Hand?“, kam die trockene Antwort, das kaum übersehbares Grinsen im Gesicht seines Dschinns noch deutlicher als zuvor. Kurz zog etwas in seinem Kopf, sein Mund weit offen, gab ihm dieses Gefühl das schon einmal erlebt zu haben und brachte ihn dazu, leise Flüche zu murmeln. Es war fast wie ein Deja-vù das ihn lähmte. Und immer wieder starrte ihn Jin an, bis er diesen Blick nicht mehr ertragen konnte, die Aufmerksamkeit zu viel. Langsam drehte er sich um, hoffte, dass seine Wangen sich nur warm anfühlten und der stetig steigende Durst, der Knoten in seinem Hals nur Einbildung waren. „Hm“, schreckte ihn etwas aus seiner Vergessenheit hoch. Er zuckte zusammen, als ihn etwas am Rücken berührte, Finger dort entlangwanderten, denen eine heiße Spur folgte. Sie zog sich über seine Seite, endete in einer Umarmung, die ihn an etwas Hartes unten an seiner Wirbelsäule drückte. Nur schwer unterdrückte er dabei das wohlige Gefühl, den Impuls sich einfach fallen zu lassen. Als heißer Atem über seinen Hals strich, flatterten seine Augen, sein verräterischer Körper glücklich, bis ein Stöhnen über seine Lippen kam. Verdattert riss er seine Lider auf, wand sich mit einem „Nein“ erst erfolglos in der Umarmung, bevor er die Luft ausstieß und anhielt. In einer einzigen Bemühung krallte er seine Finger in dem Arm fest, der um ihn lag, zog daran und ließ sich nach hinten fallen. Ohne Halt, jetzt frei, rutschte er nach unten, die Hände noch immer an Jin verhakt. Er fiel, verpasste den richtigen Augenblick und kam mit einem unsanften Plumps auf dem Boden auf, löste seinen Griff und warf den Kopf nach hinten, ein „Au“, auf den Lippen, nur um dabei etwas zu sehen, was er lieber ignorierte. Jin hatte einen Finger auf Höhe seines Gliedes weggestreckt, erklärte das Gefühl von dem Harten, brachte ihn mit dieser Erkenntnis dazu, zu knurren. Doch die Wut hielt nicht lange, wurde sofort unterdrückt, als sein Blick auf das imposante etwas darunter fiel und diesen warmen sanften Druck nach unten pumpte. „Scheiße“, fluchte er schließlich, konnte nicht mehr. Ein Auge zusammengekniffen stützte er sich schnell auf, rollte sich zur Seite weg und erblickte zu seiner Erleichterung die Kleidung. Voller neuer Energie und sauberen Gedanken, ein Lächeln auf den Lippen, sprintete er hin, vergrub seine Finger in der Hose, als er fast stolperte um anzuhalten. Mühsam kämpfte er sich hinein, wunderte sich über die Ruhe. „So…“, erklärte er, während er sie mit einer Hand oben hielt, irgendwie versuchte den Gürtel dazu zu bewegen, sich um die viel zu große Hose zu schlingen und sich seinem Willen zu beugen – umsonst. Schließlich konnte er nicht mehr, grummelte: „Was ist das für ein Mist?“, bemerkte dabei, dass sein Tattoo einen Stab mehr im Gitter hatte. Inzwischen hatte sich der Gürtel zwar entschlossen seinen Dienst zu tun, wofür der Vorderteil des Hemdes wild hin und her flatterte, der merkwürdige Verschluss aus einem ewig langen Band störrisch wie zuvor, glitt immer wieder aus seinen Händen, bei jedem Versuch es hinten einzufädeln. „Zum Henker…hilf mir.“ Zu seinem Entsetzen bat Markus Jin ernsthaft um Hilfe, starrte Sekunden, bis er irgendwie versuchte es wieder auszugleichen. „Nein halt“, stammelte er während er seinen vollständig bekleideten Jin immer näher kommen sah. Eine Hand streckte sich nach ihm aus, berührte ihn, brachte ihn dazu zusammenzuzucken und hinunterzuschauen, wo jetzt sein Hemd anfing sich um seinen Körper zu schmiegen. „Gewährt“, klang es nicht ganz ernst, amüsiert und der Atem viel zu heiß, viel zu nah. Mark zitterte dabei, wusste nicht, was er tun sollte, als er in die goldenen Augen starrte, dieser Blick so intensiv, sein Körper halb taub und sein Kopf ein leises Ziehen. „Was? Ich dachte Wünsche…“, brachte er nach gefühlten Ewigkeiten heraus, kratzte sich an seiner Stirn, „wenn doch, dann Fragen…“ Damit vergruben sich wieder Finger einer Hand in seinen Haaren, kämmten langsam, ganz langsam hindurch, wanderten weiter nach unten, nur um über eine Seite seines Halses zu fahren und ihm wieder Schauder über die Haut zu jagen. Kribbeln kroch, folgte der Spur, verbreitete sich ohne seine Zustimmung immer weiter, bis er seinen Arm nach vorne streckte. Wie so oft, nach seinem Gefühl ständig, krallte er seine Finger in den goldenen Haaren fest und zog, nur um zu merken, dass die Hand jetzt rasend schnell immer weiter nach unten kroch, an einer Pobacke zu liegen kam und zudrückte. „AU!“, schrie er auf, zuckte zusammen ohne sich gegen den Griff wehren zu können; stattdessen wurde er näher hingezogen. „Was…?“, begann er mit einer Frage, die nie zu Ende gestellt wurde. Denn Jin lächelte ihn in dem Moment an, rieb wie beruhigend, so furchtbar angenehm über die Stelle, die er zuvor noch durch den Stoff gequält hatte und ließ schließlich los, hinterließ damit eine brennende Erinnerung. „Da ich so nett bin“, fing Typhon – der Name schien Mark gerade zu passend – an und entlockte ihm nur einen giftigen Blick, „und da du mir etwas gibst, was ich nie zu hoffen gewagt hätte und du mir vertraust, lasse ich dir die Wahl.“ Bei der Stelle mit dem Vertrauen zog Mark kurz die Brauen zusammen und rollte dann seine Augen wieder gen Decke, beschloss schließlich das unkommentiert zu lassen. „Stell mir die Fragen, die dir gerade auf der Zunge liegen und ich werde sie ehrlich beantworten. Und dann werde ich dich oder zumindest Teile von dir befragen…“ Die Stimme hatte sich zum Schluss hin so wie der Blick verändert, schien ihn förmlich anzuziehen, in seinem Körper zu vibrieren und zu seinem Leidwesen dort unten leise zu pochen. Denn es klang nach Verführung, nach Sex. Mark zuckte zusammen, als er sich dessen bewusst wurde, rollte mit den Augen zur grauen Decke, suchte Muster und murmelte sinnloses Gebrabbel vor sich hin um sich abzulenken, unfähig etwas heraus zu bekommen. Verzweifelt versuchte er seine Gedanken zu ordnen, das merkwürdige Brodeln in seinem Gehirn zu unterdrücken, ohne dass etwas passierte. Immer wieder öffnete er seinen Mund, wie um etwas zu sagen, starrte Jin dabei schließlich. Doch es war, als wäre sein Kopf mit einem Schlag leer und dabei doch eigenartig schwer. Ein Lachen riss ihn aus seinen Bemühungen, brachte ihn dazu beleidigt zu schauen, die Zähne fest aufeinander gepresst, die Augen nach oben verdreht und dabei aber immer noch genug von Typhon im Blickfeld. „Dann fange ich wohl lieber an, mein Markus“, nahm ihm sein Dschinn zu seiner heimlichen Erleichterung die Bürde des Beginnens und durchbrach das Schweigen. „Die Ruhe vor dem Sturm sollten wir nutzen…“ „Welcher Sturm…?“, konnte Mark sich nicht verkneifen, entspannt und glücklich. Einem Impuls folgend seufzte er und machte es sich gemütlich, indem er sich auf den Boden fallen ließ und sich bequem hinsetzte, seine Beine halb gekreuzt. Mit einem Lächeln folgte Jin seinem Beispiel, schwebte beinahe nach unten und ließ sich so nieder, dass er ihn mit seinen Füßen berührte, ihm in Griffweite gegenübersaß. Und damit wirkte alles gleich entspannter, die Stimme fast noch freundlicher: „Ich meinte die Schlacht, die draußen toben wird und bei der du hier in Sicherheit bleiben wirst. Auch wenn du hier nicht sterben kannst, wirst du wohl weniger Spaß mit Schmerzen haben als wir, die es gewohnt sind. Und nur im Falle, dass etwas passiert oder dieses Schutzhaus hier verschwindet und du allein draußen bist musst du mir als Gegenleistung eines versprechen…“ Dabei schaute Mark auf, gespannt ob gleich eine perverse Bemerkung kommen würde und fühlte sein Herz laut pochen, als er: „Flieh in den Wald“, hörte. „Aber ich dachte die Wälder…und die Dschinns…und du…also wie bist du…könnt ihr nicht…?“, stammelte, stotterte er, während seine Augen nicht mehr aufhören konnten zu blinzeln und seine Welt abgehakt wirken ließen, immer wieder unterbrochen von Schwarz. Kurz schien es als würde Jin nachdenklich schweigen, das Grinsen weg, bevor es wieder kam und alles normal schien, richtig. „Dieses eine Mal anders, ohne Umschweife. Abwechslung schadet ja nie“, fing sein Gegenüber an, klang dabei ernst und doch nicht. „Das hier ist die Hölle und die Hölle bietet nichts als eine Wiederholung ohne Ende, ein vermeintliches Paradies, das man in Wahrheit nie erreicht. Um es ohne lange Erklärungen auszuführen: Kein Dschinn wird je die Wälder betreten. Kein Dschinn hat die Wälder je betreten. Wenn wir es versuchen, wenn wir unsere Finger ausstrecken“, dabei hob Jin die Hand und zeigte damit auf Marks Tattoo, „spüren wir für einen Moment das undurchdringliche Feld das die Wälder umgibt, nur um dann mit einer dieser vier Möglichkeiten ‚belohnt‘ zu werden, aber ohne je auch nur ein Stück in den Wald zu gelangen. Er stößt uns ab, schleudert uns in den Tod oder in eure Welt, beschert uns Schmerzen, Änderung oder verwehrt uns all das.“ Die Hand senkte sich, fiel, nur um auf seinem Fuß zu landen und dort liegen zu bleiben, ohne dass es ihn störte. Berührungen waren so angenehm, diese Berührungen so beruhigend und die Erklärungen fesselten ihn aus einem unerfindlichen Grund. Jin setzte nahtlos fort: „Doch Menschen können dort hinein und wieder hinaus, also ist es der sicherste Ort, den es für dich gibt. Gerätst du in die Hände der falschen Dschinns würde es selbst mich Zeit kosten dich zu befreien. Ich bin der einzige, der gut für dich ist, der einzige für dich. Denn was sie mit dir tun würden…“ Selbst unausgesprochen hingen die Worte in der Luft, brachten ihn zum Zittern, die Erinnerung an den fanatischen Ausdruck Anachels deutlich. Er schluckte. Schließlich brannte eine Frage auf seiner Zunge: „Und was ist dort…? Andere Menschen hier…?“, die mit kurzem Schweigen beantwortet wurde. Jin seufzte. „Ich weiß es nicht“, kam es so ehrlich, dass Mark die Augen aufriss und blinzelte, „denn die Menschen weigerten sich zu sagen, was sie dort erlebten, stürzten sich danach in den Tod.“ Ohne dass er noch die Fragen stellen konnte, ging es weiter: „Ja, die Menschen die hier stranden scheinen genau zu wissen, wie sie sich töten können, haben ja auch nur die eine Möglichkeit. Sie halten sich an einem Dschinn fest, der gerade den Wald berührt und sterben wird, scheinen immer zu wissen, welchen es trifft und fahren mit ihm nach oben. Jeder derjenigen die hier strandet wird verrückt und bringt sich um oder bringt sich schon weit früher um – außer sie sind Gefangene anderer Dschinns und dienen dem Amüsement.“ Kurz huschte bei dem letzten Satz etwas über Jins Gesicht, brachte Mark dazu schon den Mund aufzumachen, nur um ihn wieder zu schließen, als die goldenen Augen ihn trafen. „Und jetzt bin ich dran und ich will eine Antwort von dir: Findest du mich anziehend?“, überrollte sein Dschinn ihn im nächsten Moment. Mark schwankte wie getroffen hin und her, fühlte, wie seine Augen anfingen zu brennen und etwas in seinem Körper reagierte, ihn dazu zwang das leise Pochen wahrzunehmen und sein Gegenüber genau anzuschauen. Es war als zögen ihn die goldenen Haare, der perfekte Körper, der Wärme und Härte versprach, der Schutz und Gleichheit zusammen darstellte, magisch an. Seine Wangen fingen zu glühen an. Lippen, die ihn so oft berührt hatten, Hände, die fast ständig irgendwo bei ihm waren und die Augen, die ihn immer im Blick hatten konnte er nicht ignorieren. Kurz versuchte er sich zu beruhigen, schaute zu Boden, schluckte, sein Kiefer am Beben. „Ja…“, brachte er schließlich ganz leise heraus, hob seinen Kopf langsam und ignorierte die Wärme in seinen Wangen. Doch es schien nicht genug. Jin wartete noch immer, brachte damit eine andere Emotion dazu hochzukommen. In Windeseile kochte er über. „JA, zum Henker. Und ich dachte wir hätten eine Abmachung, du Arschloch…! Ich hasse dich!“, schrie er, während er sich nach vorne beugte und seine Finger in dem blauen Stoff vergrub. „Du…“ „Tust du nicht“, hörte er, schüttelte den Kopf immer schneller darauf, zog mit seinen Händen immer wieder an Jins Kleidung, zog ihn mit sich nach vorne und wieder nach unten, nur um schließlich los zu lassen. „Was macht es noch für einen Sinn? Ach verdammte Scheiße, du weißt doch sowieso immer alles besser und ja, ich hasse dich nicht – aber glaub jar nicht, dass ich mehr sagen werde. Und wieso tust du das alles? Willst du mich quälen? Wirst du mich am Ende nicht einfach nur umbringen, wenn ich kein ‚Spaß‘ mehr für dich sein werde?“, brach etwas heraus, was sich in den hintersten Winkeln seines Gehirns eingenistet hatte, Ängste genährt hatte. Damit war es da, ihm bewusst. Inzwischen hatte er seine Hände ineinander verschränkt, starrte auf seine Füße, auf die Finger, die auf seinem Bein lagen und dort langsam entlang massierten. Ein leises Lachen brachte ihn dazu, doch wieder aufzuschauen und sich gleich wieder dafür zu verfluchen, als sein Herz einen kleinen Satz machte. „Oh ja, die Vergangenheit wird mich wohl ewig verfolgen, nicht wahr?“ Jin klang fast wehmütig, streckte seine andere Hand aus und strich damit kurz über Marks Wange, immer wieder, hielt die Wärme, die bei den nächsten Worten zu fliehen drohte. Das Gesicht war viel zu ernst. „Ich will nie wieder dieser Welt hier erliegen, ich will ihr auf ewig entkommen, aber ich glaube nicht an ein Paradies nach dem Tod, an eine Erlösung. Denn wenn es etwas gäbe, dass uns erlösen könnte, wieso steckt es uns hierher, in diese Hölle?“ Bitter war jedes Wort, verständlich und doch so voller Hass, dass er zusammenzuckte. „Wir hier kennen nur ein Gefühl der Berührung: Schmerz, der bei manchen so weit führt, dass sie sich danach sehnen um sich irgendwie lebendig zu fühlen und nicht wie wandelnde Leichen. Denn hier kann man einen Dschinn in Fetzen reißen und quälen bis zum Äußersten ohne Blut zu sehen, rot nur eine Farbe, Feuer oder Stein der brennt. Und der einzige Tod ist immer derselbe – immer gleich wie diese Welt. Aber die Welt der Menschen bietet so viele Möglichkeiten mehr, so viel zu entdecken, bot mir das erste Mal die Chance zu sehen, wie jemand interessant starb, verblutete, erfror. Vergiftet, erstickt, gerädert, nein, unzählige Varianten. Sie schrien voller Qualen, nachdem sie mich zu ihrem Werkzeug machen wollten, flehten um ihren Tod, bis sie sahen wer der ‚Herr‘ war. Kaum waren sie tot oder der ‚Vertrag‘ anderweitig gebrochen, schlief ich ohne Wahl ein, nur um aufzuwachen, wenn der nächste mich weckte und ich ihm ‚zu Diensten‘ sein sollte und Wünsche erfüllen. Dabei haben Menschen doch in Wahrheit schon alles vor sich, für sich. Dasselbe Spiel wiederholte sich ewig – mit anderer Farbe, anderem Muster, doch denselben Vorzeichen. Jedes Mal bei einem Tod, bei Qualen nur eine kurze Emotion, ein kurzes Aufglimmen von Etwas wie ‚Leben‘, das sofort wieder verging. Selbst ohne den Tod der Wünschenden war es doch immer dasselbe, ein fahler Abklatsch dessen was ich haben wollte. Vielleicht war es eine Strafe für die ganzen Toten?“ Mark lehnte sich immer weiter zurück, ein Knoten in seinem Hals, blinzelte und konnte doch dem Blick nicht entkommen, seinem Körper nicht entkommen, der trotz allem in vager Hoffnung auf etwas noch immer kribbelte und den kalten Schweiß ignorierte. Er konnte nicht an einen derart brutalen Jin glauben, wollte es nicht… „Am Ende habe ich auch nichts anderes als Langeweile verlebt, so wie hier und wollte nicht mehr, wollte etwas anderes. Und wie durch ein Wunder schlief ich dieses eine Mal nicht ein, sondern hatte die Wahl, wer der nächste sein würde, der mir Wünsche stellen konnte.“ Das Lächeln kam wieder, wirkte entspannt. „Du, du bist so oft dort vorbeigekommen, immer schon interessant, immer anziehender, bis ich deiner Aura nicht mehr widerstehen konnte. Irgendetwas sagte mir, dass du es sein musstest – und du bist mein Para…du bist es.“ Mark fühlte, wie eine Träne aus seinem Auge rollte, gerade noch durch sein Blinzeln gehalten und die Kälte langsam wieder wich. „Mein Markus, ich werde dich sicher nicht umbringen. Denn was für einen Unterschied würde es in der Ewigkeit machen, ob ich mich alleine oder mit dir langweile? Außerdem weiß ich, dass mir mit dir nie langweilig wird. Du bist so leicht zu erregen – so und so. Und selbst wenn: Einmal unangenehme Emotion bei deinem Tod gegen hunderte Male Sex tauschen? So dumm bin ich nicht…“ Jedes Wort war beschwingt, triefte mit dem üblichen Humor. Am Ende brach Jin in schallendes Gelächter aus, brachte Mark dazu alle Ängste zu vergessen und nur noch zu schmollen. „Du…du…“, murmelte er, zitterte dabei doch noch und hasste sich dafür. So schloss er die Augen, atmete ein paar Mal tief ein und aus ohne weiter auf Jin zu achten, bis er schließlich wieder der Welt seine Aufmerksamkeit zuwandte. „Also bist du ein Mö…“, konnte er das Wort nicht vollenden. „Was zu vielen Zeiten nicht besonders ungewöhnlich war…aber ja, ich habe getötet, aus Spaß – doch der ist längst vergangen. Aber mein Markus, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es macht keinen großen Spaß im Vergleich zu dem, was du mir bietest…“ Sein Dschinn meinte es wohl ernst, beugte sich immer weiter nach vorne, bis ihre Gesichter nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren und er den Atem schon fast spüren konnte. Sein Herz pochte immer lauter, das etwas in seiner Brust flatterte glücklich hin und her, kurz davor die Kontrolle zu übernehmen. Ein: „Sehr beruhigend“, konnte er sich nicht verkneifen, schluckte noch einmal kräftig und versuchte es dann noch einmal anders. „Du wirst mich nicht umbringen…“, beschloss er, um gleich „Und andere auch nicht, oder?“, zu fragen. „Meistens. Solange sie uns nicht gefährden: Ja.“ Damit schlich sich ein kleines Lächeln auf Marks Lippen, während ein entfernter Teil seines Verstandes ihm lautstark erklären wollte, dass vor ihm ein kaltblütiger Mörder saß – nur um schließlich umzuschlagen und sich einzureden, dass er Tote verhindern und dieses nette Gefühl haben könnte. Damit konnte er dem Flattern nicht mehr entkommen und ließ ihm für einen Augenblick die Oberhand. Sein Kopf bewegte sich von selbst nach vorne, beugte sich ein Stück, bis seine Lippen das wunderbare Knistern fühlten als sie ihren Gegenpart berührten. Alles raste, brannte seine Gedanken für diese Seligkeit davon, sein Mund offen, seine Zunge in Berührung mit der Jins ohne dass er es bewusst getan hätte. Es war perfekt, einfach nur perfekt, wie sein Herz so ruhig immer stärker pochte und alle Knoten sich lösten, seine Finger sich um den Hals legten, sich verschlossen und in den weichen Haaren vergruben. Seine Augen blinzelten, Tränen rannen über seine Wangen, all die Anspannung gewichen, das Glühen in seinen Wangen ein fahler Abklatsch dessen, was durch seine Brust pulsierte, über seinen Rücken kroch, als Arme ihn an seinen Dschinn drückten. Verloren darin murrte er unwirsch, als er Kälte fühlte, das Fehlen der Berührung nur die Sehnsucht nach mehr hinterließ. Irgendetwas wollte er einwenden, als Jin den Kuss löste. „Oh nein...wenn wir schon dabei sind – auch wenn das hier eine nette Belohnung gewesen wäre oder zumindest die Ouvertüre dazu – will ich noch eine letzte Antwort, mein Markus.“ Mehr als seufzen und unzufrieden zu murmeln blieb ihm nicht, als die angedrohte Frage auch schon kam: „Wieso willst du um keinen Preis zugeben, dass du mich mehr als attraktiv findest – mich, einen Mann lieben könntest?“ „Ich liebe di…“, fing er an zu leugnen, rollte mit seinen Augen, starrte auf die Decke als er das zufriedene Schmunzeln sah und dieses eine Mal nicht auf das Spiel einging. Dafür war er zu entspannt. Noch immer in der Umarmung gefangen atmete er tief ein. „Ich weiß es, ich weiß es, aber du verstehst das nicht. Meine Mutter hasst Schwule die sich für normal halten. Sie glaubt es ist behandelbar. Die ‚Schwuchteln‘, die es nach außen hin tragen sind da einfach nur unbeirrbare Geisteskranke, die man in eine Anstalt einweisen müsste. Wenn der Fernseher läuft und Berichte in die Richtung kommen, regt sie sich immer auf und erklärt deutlich genug ihren Standpunkt, verlangt, dass die ‚dummen Wissenschaftler‘ endlich selbstständig werden sollen und Homosexualität wieder zu einer Krankheit erklären sollten. Denn nur so könne man ihnen helfen aus dieser Störung zu entkommen. Sie sind nicht normal und damit stimmt etwas mit ihnen nicht. Und Vater sitzt immer nur daneben, schweigt oder stimmt ihr grummelnd zu. Wenn sie das erfahren…wenn…“ Die Krallen strichen über seinen Rücken, machten ihm bewusst, dass er die Angst hier nicht brauchte. Hier in dieser Hölle hörte ihn keiner. „Und in der Schule…naja, ich glaube das muss ich wohl nicht erzählen? Ich habe keine Lust als ‚Schwuchtel‘ bezeichnet zu werden, wenn ich an die Uni komme…außerdem geht doch niemanden meine Sexualität etwas an, oder? Also wieso willst du unbedingt…?“ „Weil es mich davon abhielt öfter meinen Spaß mit dir zu haben“, wurde Typhon gerade wieder dem Bild eines perversen Dschinns gerecht, „aber ich denke damit wäre das erledigt. Was deine Mutter angeht…“ Mark schrie: „NEIN, wehe du bringst sie um!“, wollte aufspringen, knurrte förmlich, als er wieder dieses selbstgefällige Grinsen erblickte und wusste, dass er ihn nur gereizt hatte. „Vollidiot du.“ Damit kehrte Schweigen ein, in dem beide aneinander gekuschelt saßen und nichts taten. Mark konnte sich nicht bewegen, genoss die Ruhe nach diesem merkwürdigen Gespräch, lächelte, als er an die Geständnisse dachte und sich wie in einem eigenartigen Film vorkam. Er bemerkte nur halb, wie sein Gesicht sich mit einer Seite an die Brust vor ihm drückte und er einen regelmäßigen, verwischten Schlag hörte, der ihn langsam in den Schlaf führte. „Wieso war er so ehrlich?“, flüsterte Mark müde und nur noch halb da, die Augen geschlossen. Er war so entspannt und seine Hände wanderten ein wenig über die Haare seines Partners. Ein leises Schmunzeln brachte alles zum Zitter und ihn dazu aufzusehen, gerade als Jin anfing zu sprechen: „Vielleicht wollte er es einfach, oder er hatte Spaß dabei…“ „Nicht scho…“, fing er mit rollenden Augen an, zuckte gleich darauf zusammen. Ein merkwürdiges Pfeifen, gefolgt von einem „Dah!“, schreckte ihn hoch. Die Umarmung endete abrupt, Jin merkbar verkrampft, schob ihn zur Seite, bevor er aufsprang. „Ihr…“ Ein kalter Ton voller Hass bei dem Mark aufschaute, den Sturm Zyklo erkannte, der immer näher kam. Dahinter waren Anachel und eine vermummte Gestalt zu erkennen, noch im Eingang. „Also bist du diesmal der Verräter?“, stellte Jin eine rhetorische Frage, während der windige Dschinn sich näherte. Typhon versperrte ihm den Blick, während Mark sich hochquälte, um etwas Haltung zu bewahren und mehr zu sehen. Die Eindringlinge wirkten merkwürdig entspannt und zufrieden. „Ihch bihn kehihn Vehrrähtehr, ihch lehbe nuhr…duh kahmst ahuhch nihcht ahndehrs hihehrhehr ahn diheh Führuhng“, wehte eine pfeifende Stimme wahrlich passend aus Zyklos Richtung, der Sturm dabei am Zittern. „Uhnd Behfehleh vohn dihr mahg ihch nihcht mehhr…“ „Also hast du dich entschlossen, dich den Langweilern anzuschließen und uns, den Bacarern den Rücken zuzuwenden?“, dabei schnaufte Jin, das Gesicht emotionslos, der Körper angespannt. Mit einer Bewegung ließ Typhon die Krallen durch die Luft sausen, schnitt so stark hindurch, dass ein Zischen zu hören war. „Ich werde ja sehen, wie dein Innerstes aussieht, wenn ich dich gegen die Wälder schleudere.“ „Duh mahchst mihr kehihneh Ahngst…“, wehte der Sturm zurück, fegte dabei aber doch ein Stück weiter nach hinten, hinter Anachel, der seine Flügel ausbreitete und den Feind so verdeckte. „Netter Versuch der Einschüchterung, aber du hast hier keine Möglichkeit zu entkommen, bist allein, ganz allein. Endlich kann ich dich jagen und dich zur Strecke bringen. Ich muss dich nur so lange zerfetzen, bis ich dich in den Wald schaffen kann“, mischte sich jetzt eine neue Stimme ein die aus der Kapuze kam, erntete zustimmendes Nicken. „Hör mir zu Mensch“, ignorierte Anachel die gereizte Stimmung, die Anspannung zwischen dem Kapuzenträger und Typhon, „du weißt noch immer nicht, wer da vor dir steht. Er quälte mit Vorliebe die, die sich in seinen Weg stellten. Doch dann ließ er nicht ab, schleppte sie als zerfetzte, sich immer wieder regenerierende Teile zum Wald, in Qualen gefangen, lachte dabei noch. Und dann, dann schleuderte er sie auf das Feld, um sie in den Tod zu stürzen. Immer traf er und gab ihnen das wovor sie sich am meisten fürchteten. Er ist in Wahrheit kein Bacarer, keiner derer, die nur nach Spaß streben, sondern ein Gorer, ein Schlächter.“ Die Stimme war ernst, die Augen geweitet und versuchte ihm Angst zu machen, während er nur wie steif dastand, unfähig sich zu rühren. „Glaub mir, ich bin doch einer der Engel eurer Welt. Ich will dir nur helfen, denn am Ende wird er dich quälen und dann auch nur umbringen…“, setzte Anachel fort und zerstörte damit seine Starre, die Chance ihn zu überzeugen. Leise hörte er seinen Dschinn: „Ihr werft mir vor, was so viele tun, nur weil ich immer erfolgreicher war? Ihr seid lächerlich und ich werde euch genauso besiegen“, sagen, achtete nur halb darauf, die Augen gesenkt. Irgendetwas klopfte in seinem Kopf, brachte ihn dazu diese Anspannung zu fühlen. „Nein, nein“, flüsterte er, bevor er eine Faust ballte, immer lauter wurde, „ich bin kein Spielball, ich bin kein Experiment und ich bin nicht dumm! Ich habe die Nase voll. Zum Henker, er hat mir…ich weiß es und ich glaube nur noch an mich selbst und nicht an das, was mir andere zu sagen versuchen. Ich weiß, dass Jin nicht so ist, verdammt. Also steck dir deine Lügen sonstwohin und…“ Bevor er den Satz noch zu Ende sprechen konnte, wurde er harsch unterbrochen: „Wenn du nicht willig bist, dann wirst du eben zu deinem Glück gezwungen – dann brauch ich Gewalt.“ Der Teufel in Engelsgestalt schwang die beiden federartigen Schwerter vor sich hin und her, während alle aus der Starre erwachten und der Kapuzendschinn sich offenbarte. Zyklo drehte sich, raste jetzt Typhon zu, während in dem Sturm gefangen kleine Steine im Kreis fegten. Unter der Kapuze kamen riesige graue Dreadlocks zum Vorschein, waren das einzige, das im Moment dort zu sehen waren. Sie rahmten das Gesicht mit diesen schwarzen Facettenaugen ein, die graue Haut behaart und der Ausdruck zufrieden. „Endlich darf ich, Fuumo, dich jagen…“, hörte er die rauchige Stimme, während sich Haare anfingen zu lösen. „Scheiße!“ Mark fiel im Moment nicht mehr viel dazu ein, schaute sich verzweifelt nach einer Waffe um. Er wusste, dass ein Kampf unausweichlich war, fühlte sein Blut pochen und sein Herz rasen. Aus purem Instinkt griff er an seinen Gürtel, wusste nicht wieso, sein Kopf immer leichter. Kämpfen, egal womit. Er ballte die Fäuste. Und dann sah er Jins Augen, sein Dschinn von vier flatternden Stoffbahnen umgeben, wie von Flügeln, der Mantel wie eine Fahne dahinter. Er fühlte ganz kurz eine Berührung an seiner Wange, bevor er das Flüstern in seinem Ohr mehr wie eine Vibration spürte: „Sag nichts. Flieh sobald der Kampf anfängt – in den Wald. Such unsere Verbündeten. Ich komme nach.“ „Aber du bist allein…“, wandte er ein, hörte sich selbst nicht, jeder Ton verschluckt, während ein „Flieh“ immer wieder widerhallte, bevor sich alles anfing zu drehen. Jin wandte sich um. In einer Bewegung, die er nicht fassen konnte, rasten die blauen Schärpen an seinem Dschinn vorbei nach vorne, krachten gegen Anachels gekreuzte Schwerter und wanden sich um den Kopf des Dreadlockträgers. Zyklo hielt für einen Moment an, scheinbar unfähig zu begreifen was passierte, während der Engelsdschinn schon ein Schwert nach hinten zog und ausholte, abgelenkt wie alle anderen. Genau in dem Moment fühlte Mark das „Flieh!“ so laut werden, dass sein Körper sich von allein bewegte, immer wieder gestoßen von etwas, sich ein Fuß vor den anderen setzte und er gegen seinen Willen vorwärts getrieben wurde. Angst war die Triebfeder, Tränen in den Augen. Schneller und schneller rauschte das Blut in seinen Ohren, während er vorwärtsstolperte, an den Dschinns vorbei. Genau als er an Fuumo vorbeiraste, streckte dieser einen Arm aus, erwischte ihn, nur um gleich darauf mit einem lauten Schrei nach vorne zu fallen, gezogen von einem blauen Band. In dem Moment sah er wie etwas von dort losraste, Anachel hochsprang und mit seinen Schwertern vorstürmte. Marks Körper erstarrte als alles wie in Zeitlupe auf Jin zukam. „Nein…Nein…“, murmelte er, ballte eine Hand zu einer Faust, wollte zurück und nicht durch den Eingang. Er drehte sic, riss die Augen auf. Ein Band raste auf ihn zu, schlang sich um seinen Arm, wendete ihn mit einer unglaublichen Wucht. Sein Kopf raste noch bei dem Aufschrei Jins zurück, sah ein paar graue Haare in seinem Typhon versenkt, während Anachel gerade auf ihn zuflog, das Schwert von sich gestreckt. Mit einem furchtbaren Zischen versenkte sich die Waffe in seinen Geliebten, bohrte sich immer tiefer, als schon das zweite oben blitzte. Dabei ließ keiner ab. Fuumo mit jetzt halb kahlen Kopf, riss sich die Haare aus, schleuderte sie los, während Zyklo in Richtung Tür raste. Ein blaues Band flatterte wie betrunken hin und her, um dann seine Richtung zu finden und mit voller Wucht durch Anachels zweiten Arm zu schneiden. Zitternd fiel die Hand mit der Waffe noch immer umfasst zu Boden, nur um sich im nächsten Moment in Nichts aufzulösen und wieder dort zu erscheinen, wo sie abgetrennt worden war. Schon hob sich der Arm wieder, raste hinunter, kurz davor zu treffen, alles wie in Zeitlupe. Dann stieß ihn etwas von hinten und er verlor das Gleichgewicht. Er stolperte, wollte sich noch halten, nur um schließlich mit rudernden Armen auf die Tür zuzufallen. Sein Bauch krampfte sich zusammen, er wollte sich umdrehen, anhalten. Er musste es... Doch es war zu spät... Kapitel 17: Mechanismen der Zerstörung - Teil 1 ----------------------------------------------- Mechanismen der Zerstörung Mit einer Träne im Auge prallte er auf die Erde, fühlte wie sie halb nachgab und doch fest blieb. Dabei durchzuckte ihn nichts als ein merkwürdig stechender Schmerz in der Brust, war so fehl am Platz wie die Beine, die nichts bei dem Aufprall gefühlt hatten, halb taub. Schluckend stützte er sich mit den Armen ab, sprang auf, preschte zurück zur Tür, stürzte darauf zu, nur um mit einem merkwürdigen Knistern auf eine harte Wand zu treffen. „Nein…“, begann er immer panischer, griff mit seiner Hand dorthin, fühlte keinen Durchgang mehr, trommelte mit seinen jetzt geballten Fäusten darauf ein – ohne Erfolg. Verzweifelt drehte er sich um, ignorierte die sich gegenseitig abschlachtenden Dschinns im Hintergrund, die lauten Schreie und das ohrenbetäubende Knirschen, bis er Math direkt neben sich sah. Die Flügel waren verschwunden, ruhten jetzt wie Äxte in seinen Händen, als dieser sich langsam auf ihn zubewege, ein fragender Blick in den Augen. „Er…Jin…Typhon“, fing Mark außer sich an, atmete einmal kurz ein, zeigte dann auf die Tür, „er ist da drinnen – allein gegen drei. Anachel, Verräter Zyklo und der Dreadlock-Schleuderer…er ist verletzt. Und ich komme nicht rein. Ich muss rein…er hat mich beschützt.“ Seine Gedanken rasten, rasten so schnell, dass er keinen zu fassen bekam, keinen einzigen verstand und nur das Bedürfnis wieder dort hinein zu kommen blieb. Wieder drehte er sich um, schlug wie wild auf die Wand ein, schlug bis seine Knöchel schmerzten und er kurz aufgab. Eine Träne schlich sich aus seinen Augenwinkeln, rann seine Wange hinab um schließlich ins Nichts zu verschwinden, als sie sich löste. „Flieh, das hat er gesagt, oder? Also flieh…in den Wald – JETZT!“, befahl Auge, seine geöffnete Hand hoch über sich erhoben, von einem Glitzern umgeben. „Du kannst ihm nicht helfen, aber wir. Die Öffnung wird sich gleich auftun und dann wird Math wüten.“ „Aber ich…“, wollte Mark einwenden, wurde von Math am Arm ergriffen und von der Tür weggezerrt, nur damit sich dieser vor sie stellen konnte. „Es steht jemand in der Projektion des Einstiegs auf den Grund – jemand steht vor der Tür. Damit blockiert…er...alle von außen. Aber Auge weiß den Zeitpunkt und wir werden siegen – keine Sorge. Und jetzt flieh, flieh bevor die Zahl ihrer zu groß wird und sich dem Extremum nähert. Flieh, bevor sie uns hier überrennen…“, wurde der Halbstier immer drängender, deutete mit seinen Äxten in Richtung des Schlachtgetümmels, aus dem jetzt einige Dschinns in ihre Richtung ausscherten. „Sie suchen dich…“ Er konnte es nicht fassen, sah an der Spitze jetzt Titani, sah wie er mit einem ausgestreckten Arm auf ihn zeigte, schloss die Augen, atmete ein, um gleich darauf loszusprinten. „Helft ihm! Scheiße“, presste er noch heraus, fühlte wie sein Herz immer schneller pochte, ihn antrieb, seine Lunge schon nach wenigen Metern brannte, als seine neuen Verfolger anfingen zu rennen. Titani erhob sich in die Lüfte, flatterte auf ihn zu, nur um im nächsten Moment nach hinten zu taumeln. Ein Stachel bohrte sich in seine Seite, riss ihn zu Boden, getragen von einem Wesen mit Bienenunterkörper, riesigen Fledermausflügeln. Wild hämmerten die Fäuste des Muskelprotzes noch im Sturzflug auf das Wesen ein, griffen schließlich auf den Stachel und zerrten daran. Beide verschwanden gleich aus seinem Blickfeld, als seine Aufmerksamkeit abgelenkt wurde. Immer schneller kamen die Feinde auf ihn zu, jagten von vorne links auf ihn zu. Und dann schien es zu spät. Er stürmte, rannte so schnell er konnte und doch waren sie fast da. Einer seiner Verfolger warf seinen Mantel mitten im Sprint ab, entblößte eine ganze Armada von spitzen Tentakeln, die auf ihn zuflogen, ihn gleich treffen würden. Mark hob seinen linken Arm, schloss die Augen in Erwartung des Aufpralls, japste immer mehr, sein Mund ständig geöffnet. Doch es kam nur ein Schrei, ein furchtbares Klirren und Knirschen als würden tausende Knochen bersten. Ohne zu stoppen, stolpernd, schaute er zur Seite, sah wie ein sich drehendes Ungetüm in die Menge raste und durch sie hindurch fegte wie eine Sense. Ein rundes Gebilde aus Knochen und Fleisch, getrieben von dutzenden Füßen, einem Kopf in der Mitte, der in einem Käfig aus Muskeln ruhte. Hände mit Knochenschwertern rund um die Mitte schwangen hin und her, rasten auf und ab wie Sicheln. Wie ein Streitwagen mit Klingen an den Rädern fegte es alles davon. Es schien unstoppbar, bis es gegen etwas prallte und mit einem „ARGH“ krachte. Tausende Teile flogen durch die Luft, wirbelten als rote und weiße Masse, bis nur noch ein halbes Rad übrig war und taumelnd anhielt. Es triefte und tropfte, Knochen standen in alle Richtungen weg, bohrten sich in die Muskeln und schneiten in kleinen Splittern zur Erde, wo sie sich in einem Haufen rot und weiß sammelten. Der Anblick war kaum zu ertragen. „Vorsicht!“, riss ihn eine Stimme von oben, von hinten, aus seinen Betrachtungen, brachte ihn dazu sich noch schnell umzuschauen und rechtzeitig anzuhalten. Mit einem Hechtsprung warf er sich zu Boden, fühlte wie seine Haare von der riesigen blauen Liane über sich mitgerissen wurden, zogen und doch hielten. Verdattert starrte er hoch, sah einen Riesen mit immensen Füßen, eher Steinklötzen, kurzem Haar und begeistertem Blick. Ohne auf irgendetwas zu achten, lachte dieses Ungetüm, als es einen Dschinn mit Hufen, Hörnern und riesigen schwarzen Flügeln traf, der nicht wie andere den tödlichen Peitschen ausweichen konnte. Mit einem grauenhaften Knacken zuckte dieser zusammen, fiel vornüber, nur um von der nächsten Liane getroffen in einem unnatürlichen Winkel sich nach hinten zu biegen und mit der Schlinge mitgezerrt zu werden, bis er sich löste. In hohem Bogen flog das Wesen auf den Wald zu. Genau im letzten Moment öffneten sich die Augen, ein panischer Ausdruck im Gesicht, als er wild flatternd nicht mehr anhalten konnte - und aufkam. Mit einem Schrei bröckelte die Gestalt, verschwamm und zerfiel binnen Sekunden in eine Rauchsäule, stieg gen Himmel. „Noch einer erwischt“, war die Stimme des Riesen ein tiefes Grollen, das Zischen der Lianen viel zu deutlich, genau wie die Schreie und das Krachen. Mark wusste, dass er weg musste, sprang auf, stolperte zurück, wollte nur weg von hier, in den Wald. Er versuchte seinen Magen zu kontrollieren, als er über ein pochendes Herz stolperte, das an Fäden gezogen irgendwohin raste und ihn ins Taumeln brachte. Noch nach Luft gegen die Übelkeit schnappend, hatte er das Gefühl beobachtet zu werden, schaute auf und riss die Augen auf. „Oh Scheiße…“ Er schluckte, der Riese viel zu nah, folgte ihm mit plumpen Schritten und hob schon die Liane, die aus seiner Handfläche zu kommen schien, in die Höhe, ließ sie nach hinten schwingen, um sie nach vorne zu beschleunigen. Er schüttelte den Kopf, griff nach unten, sein rasendes Herz der Motor, rannte zur Seite, fühlte, wie sich etwas tausendfach um seinen Arm schlang. „Nein!“, schrie er, als er das Zischen hörte, wie in Zeitlupe die Liane auf sich zurasen sah und weiter hechtete, den Arm verzweifelt hob. Es würde ihn genau treffen. Und dann hörte er den dumpfen Widerhall, spürte, wie sein Arm fast entzwei bracht, er nach hinten gedrückt wurde und zur Seite prallte und weiße Punkte vor seinem Auge sah. Er wurde gedreht, zur Seite geschleudert von so viel Kraft, stützte sich auf und schrie weiter, als seine Hand ein einziges Feuer aus Qual war. Seine Hand schien nur noch ein einziger stechender Schmerz, rot über rot, Blut rann hinab. Doch sie war ganz, er war am Leben. Der Gürtel war jetzt ein halber Schild, entwickelte sich wieder, um im nächsten Moment um ihn herum zu flattern und in eine Richtung zu deuten, in die sein Blick folgte. Es war noch nicht vorbei. Schon wieder hob sich die Liane, der glückliche Ausdruck im Gesicht des Riesen verschwunden. „Noch einer…ich will noch einen, noch tausende“, knurrte er, während Mark etwas Grünes im Takt mit den Lianen hochrasen sah. Es sah fast wie ein Kobold aus, wie mehrere, wie Bazil. „Hab dich, hab dich“, kreischten sie fröhlich, als sie am Kopf angelangt waren und anfingen wie wild an den Haaren zu ziehen, auf den Hals einzudreschen und den Riesen damit zum Wanken brachten. Die Lianen fielen nutzlos zu Boden, noch immer gehalten in den Handgelenken, wedelten wild hin und her, als die Hände versuchten nach den Quälgeistern zu greifen, ohne großen Erfolg. Damit sprang Mark auf, biss die Zähne zusammen, als der Schmerz durch seinen ganzen Körper raste, seine Beine ihren Dienst versagen wollten, stolperte die ersten Schritte, rannte wie ein Besessener und sah noch, wie sich ein Wesen mit riesigem Elefantenrüssel vor dem Riesen platzierte. „Hallo und Tschüss!“, meinte dieses Etwas, bevor es den Schlauch hob, sich aufblähte nur um ihm nächsten Moment in einem Feuerball unterzugehen. Eine ganze Salve Steine flog auf den Riesen zu, Geschosse, die auch Umstehende trafen, durchbohrten und Teile von ihnen mitrissen. Mark schaute schnell weg, raste nach vorne auf den Wald zu, stur nach vorne, ohne etwas sehen zu wollen, hielt sich dabei die schmerzende Hand. Er war gleich da, das Grün zum Greifen nah und die Dschinns abgelenkt. Doch so leicht entkam er wohl nicht. Im nächsten Moment raste ein Drache mit goldenen Schuppen auf ihn zu, die Krallen ausgestreckt, blutrot. Rauschen in seinen Ohren, ein unglaubliches Pochen war jetzt das einzige, das er noch hörte. Sein Atem beschleunigte sich nur noch mehr, als er sich mit einem Sprint, mit einem Satz zu Boden warf – gerade noch rechtzeitig. Im nächsten Moment fühlte er den Hauch dieses Ungetüms auf seinem Rücken, spürte, wie er viel zu nah über ihm hinwegfegte. „Jetzt bist du mein…“, schockte ihn zu seinem Entsetzen gleich darauf die nächste Überraschung. Etwas zog an einem seiner Beine, während er mit aller Kraft versuchte einen Halt in diesem Boden zu finden, sich hinein zu graben. Doch er fand keinen, rutschte gezogen immer weiter weg von dort wo er aufgekommen war. Er drehte den Kopf, sah Titani, der mit einem immer kleiner werdenden Loch im Bauch Marks Fuß zwischen seinem Arm und seiner Brust festgeklemmt hatte und ihm den Rücken zuwandte. „Jetzt können wir endlich die wichtigen Erkenntnisse finden…endlich…“, murmelte sein aktueller Gegner leise, beachtete seine Kampfversuche nicht, sein verzweifeltes Strampeln mit den Beinen. Meter um Meter schlürfte sein Gegner weiter, schleifte ihn über den Boden. Er musste fliehen, wollte fliehen. Sein Herz raste mit jedem Schlag schneller, sein Mund trocken und sein Hals ein einziges Ziehen, als er nach einem Ausweg suchte, schließlich die Hand hob und den Gürtel erblickte. „Nein, nein, NEIN!“, wurde er immer lauter, schloss seine Finger um den Riemen und schwang mit voller Wucht seinen Arm. Das Band schnalzte durch die Luft, bewegte sich auf den Dschinn zu. Aufregung flutete durch ihn, Hoffnung kam, nur um zu zerbröckeln, als sein Angriff abgeschmettert wurde. Eine Hand fing seine Waffe im letzten Moment ab, zog daran, bis sein Arm fast abfiel, er vor Schmerzen aufschrie, bis sich sein Gürtel löste und hinunterfiel, über seinem Bein zu liegen kam und immer weiter hinunterrutschte. „Scheiße, nein…“ Mark biss die Zähne zusammen, versuchte sich umzudrehen, seine zitternden Zähne zu ignorieren und irgendwie zu kämpfen. Es riss, es zog, doch er schaffte es, lag schließlich mit einem verdrehten Bein da, am Rücken entlanggeschleift. Und dann sah er aus den Augenwinkel etwas, sah den grünen Wald zum Greifen nah, die Erlösung und vor sich zu seinem Schrecken eine Horde Dschinns, so wie man sie sich vorstellte, schwebend über dem Boden, Flammen und Wind pur. Einer, der windige, hantierte mit erschreckenden Messern, die überall wegstanden und um ihn herum schwirrten, wieder und wieder den Gegner trafen, dessen Knochenpanzer von tausenden Brüchen übersät war. Wasser tropfte aus all den Rissen heraus, rann hinab in eine Pfütze, während das Wesen reglos hin und her schwankte. „Hm…sie testen wohl gerade…“, hörte er, fühlte, wie sein ganzer Körper sich versteifte und seine Finger sich in Panik in die Erde zu vergraben versuchten. Die Gesichter der Wesen sahen zu aufmerksam aus, kein Mitleid vorhanden, obwohl sie gerade jemanden langsam und genüsslich niedermetzelten. „Oh Gott…Jin…bitte…“, flüsterte er mit heiserer Stimme, spürte, wie sich etwas um sein freies Bein schlang und daran zog, es vom Boden hob und sich bemühte es anzuwinkeln. Wieder und wieder das Spiel, bis er nachgab. Er zitterte, sein anderer Fuß und sein Becken brannten von der verdrehten Lage. Aber da war ein brennendes Gefühl, das ihn vorwärts trieb, Hass, Taubheit im Angesicht dessen was passierte, war ein letztes Aufbäumen, das wuchs. Wie ein Impuls fing es in seiner Brust an, drückte und zog, bis es fast explodierte, durch ihn hindurch raste und sein Bein Richtung Feind ausschlagen ließ. Es raste, streckte sich immer mehr, verschwand in einem Gürtelwirbel, bis er den Widerstand zart fühlte. Und dann vibrierte es, zitterte als es immer stärker gegen Titani drückte, einen Schmerzensschrei nach dem anderen hervorzauberte, als sich die gebildete Spitze auf der Sohle in das Fast-Fleisch bohrte. Sein vorher gefangenes Bein fiel hinunter, drehte sich, während der Dschinn sich von ihm wegbewegte, seinen Blick dorthin lenkte, wo sein Fuß noch immer an dem Rücken klebte. Völlig umschlungen von dem Gürtel ragte ein Teil des Bandes hinein in dieses Wesen. Eine merkwürdige Flüssigkeit tropfte heraus, bis die Spitze sich mit einem eigenartigen Geräusch löste und sein Bein hinunterfiel. Er blieb kurz wie erstarrt liegen, konnte es nicht fassen, als sein Gürtel hochkroch und sich um seine Hüfte schlang. Der Ersatz, der vorher da gewesen war, den er jetzt entdeckte, löste sich wieder und formte sich hinten zu einer Schleife, als wäre nichts gewesen. Und dann traf ihn der Blick Titanis; ein wütender, ein schnaufender Gegner, der seine Fäuste ballte und sich langsam wieder aufrichtete. Alle Gedanken ignorierend kämpfte er sich auf die Beine, sprang dann mit einem Satz auf und schrie. Brennender Schmerz raste durch seine Hüfte, lenkte ihn für einen Moment ab, in dem er schon etwas an sich vorbeirasen sah und einen Arm reflexartig hob. Wieder verging seine Welt in einem furchtbaren Schwarz mit weißen Punkten, ein Gefühl als würden seine Knochen bersten, seine Gefäße platzen, als etwas auf seine Haut traf. Er stolperte ein paar Schritte nach hinten, die Wucht zu groß, die Augen nur halb sehend auf seinen Gegner gerichtet, der wieder die Faust hob, zurückzog und wieder schlagen wollte, würde. Marks Atem beschleunigte sich, er biss die Zähne zusammen, ignorierte die roten Schwelen, die Tropfen, die an seiner Hand entlang rannen – und stolperte los. Ein Fuß vor den anderen, alles ignorierend humpelte er in einem Sprint nach vorne, auf das Grün zu, auf die Bäume und Wiesen, auf seine Rettung. Mehr und mehr Kraft, die letzte, pumpte sein Herz, betäubte seine Qualen und trieb ihn vorwärts im Takt mit dem flatternden Geräusch, das ihm folgte. Nur noch einen Schritt, einen einzigen Schritt… Und dann berührte er den Wald, fasste hinein, nur um im nächsten Moment von einem brutalen Ruck nach hinten gezerrt zu werden, gestoppt. „NEIN!“, schrie er, stemmte sich mit voller Kraft dagegen, immer wieder, ohne zu entkommen. Er fühlte wie das Hemd in seinen Hals schnitt, ihm den wenigen Atem abschnürte, bis sich etwas löste und er ein Brüllen hinter sich hörte. Mit einem Mal löst sich der Griff, plötzlich weg aber seine Kraftanstrengung noch da. Getrieben von dem Impuls, von dem Moment, ruderte er mit den Armen, verlor das Gleichgewicht und stolperte schließlich nach vorne in den Wald. Die Luft sauste an ihm vorbei und mit einem Schlag verschwand das Grau, wich einem saftigen Grün, einem süßen Duft, der um seine Nase schwang, als er scheinbar ewig durch die Luft segelte und schließlich die ersten Staubkörner hochstoben, als er aufkam. Wuchtig, ein dumpfer Schmerz überall, prallte er auf den Boden, der so anders, so wirklich und hart erschien, über ihm ein Wald, eine Decke mit grünem Gestrüpp und braun-grauen Stämmen. Bei diesem Anblick blinzelte Mark, versuchte Tränen zurückzuhalten, die auf den Boden tropften, immer mehr wurden und seinen Blick verschwimmen ließen. Mühsam quälte er sich hoch, stützte sich auf dem schmerzenden Arm auf, auf das Bein, das inzwischen taub war, und schaute sich schließlich sitzend um. Hier war überall nur grün, grün und braun. Der Wald schien sich unendlich zu ziehen, selbst aus der Richtung aus der er gekommen war, war kein Dschinn zu entdecken und kein Grau. Er atmete tief ein, genoss für einen Moment diesen Geruch, so anders als das Fehlen von allem in der anderen Welt, ging einen Schritt. Und ab da veränderte sich alles. Seine Nase fing an von der Süße fast schon zu brennen. Mit jedem Atemzug wurde es immer unerträglicher, immer fauliger, während in seinen Ohren jetzt ein Pfeifen unentwegt rauschte und bald wie ein Presslufthammer hämmerte. Kälte umfing ihn noch dazu, brachte seine Härchen dazu sich aufzustellen. Kleine Patzen prallten auf seine zitternde Haut, grau und wie kleine Flocken, Flocken von Asche. Und dann riss ihn der Gestank aus seiner Starre, das Bewusstsein was er war, beängstigend: Verwesung, Abfall und Zerfall roch er hier so penetrant, dass er schlucken, die Galle hinunter drücken musste, die hoch kam und seine Speiseröhre verbrannte. Kein Essen, nur Säure brodelte hoch, sammelte sich in seinem Mund, bis er nicht mehr konnte und sich würgend vornüberbeugte und nur ein paar Tropfen hochkämpfte. Unter ihm zerlief mit jedem Aufprall der Flüssigkeit, bei jeder Berührung das wallende Gras zu Staub, stob davon, als ob es nie dagewesen wäre. Wieder und wieder rebellierte sein Magen, bis er immer weniger atmete, immer flacher, nur noch durch den Mund. Er versuchte an irgendetwas zu denken, während das Geräusch um ihn herum alles auf sich lenkte. Schließlich schüttelte er den Kopf, so oft, bis es dort schwamm und er schließlich eine Hand vor die Nase legte und diese Qualen ein wenig kleiner wurden. Noch immer halb schwindlig von seinen Versuchen sich abzulenken, stand er auf, stolperte durch das Grün, das bei jedem Schritt zu Nichts zerbröckelte, verlor das Gleichgewicht endgültig als er über seine Füße fiel. Mit einer verzweifelten Armbewegung fand er den nächsten Stamm, stützte sich ab, nur um im nächsten Moment durch den zu Nichts als grün-grauem Regen zerfallenden Baum hindurch zu segeln und mit einem lauten „AH!“, auf den Boden zu knallen. Wie ein Schneesturm fielen die Blätter auf ihn herab, zerbarsten wie eiskalte Flocken auf seiner Haut zu Asche, rasten wieder in den Himmel, wirbelten den Dauerregen durcheinander. Mark schüttelte nur den Kopf, schluckte, wollte hier nur noch hinaus, sah langsam immer deutlicher die brüchigen Strukturen, die Risse in der Rinde, das grau, das in Wahrheit hinter dem Braun lauerte und alles erfüllte. Und unter den Bäumen waren riesige Schatten, Bäume, die wie in die Erde eingebrannt waren und unter dem falschen Gras zum Vorschein kamen. Wieder und wieder schleifte sein weher Fuß darüber, offenbarte den Anblick davon, immer vehementer das Geräusch, dieser penetrante Gestank, je weiter er durch diese ewige Hölle marschierte. „Wo…ich will raus…“, murmelte er verzweifelt, würgend, nachdem er das Gefühl hatte hier schon ewig zu sein, doch nur Minuten hier verbracht haben konnte. Hilflos blieb er stehen, versuchte durch das Aschegestöber zu sehen, ohne eine Ahnung, wie er das hier überstehen konnte. Nichts, er fand nichts, verlor mit jedem Schritt immer mehr Mut, jede Hoffnung bis sein Kopf leer war und nur noch verzweifelt nach einem letzten Ausweg suchte – egal welchem, bis ein Gedanke aufglomm. „Jin...Typhon…“ Seine Aufmerksamkeit raste zu seinem Dschinn, Bilder dieses Kampfes kamen wieder hervor, ersetzten seine Sorgen über diese trostlose Landschaft mit Sorge über Typhon, trieben ihn wieder vorwärts, stärkten seine Hoffnung. Denn er musste weiter, er musste zurück… Genau in diesem Augenblick fiel er fast über etwas Rundes, schaute hinunter und entdeckte eine weiße Kugel, ein mit Schimmel übersätes Ding, halb geöffnet und im Inneren braun angelaufen. Er schluckte. In dem Inneren waren tausende unbewegliche Maden, die sich hinausstreckten und wie gefroren wirkten. Wieder quoll etwas in ihm hoch, brachte ihn dazu zu würgen und seine Hand noch fester auf seinen Mund zu legen, bis er seinen Blick so schnell wie möglich abwandte. Er lief vorwärts, ignorierte die Schmerzen, wurde immer schneller, wollte nur weg von hier. Der bestialische Gestank brannte sich in seine Lungen, immer tiefer, bis er sich kaum noch daran erinnern konnte, wie es normal war. Die vielen verrotteten Steine, die hier herum lagen und die zerfallenden Bäume die in seinem Weg in Schneegestöber ausbrachen, nur noch schlimmer, der einzige Gedanke, der ihn hielt, der seinen Verstand zusammenhielt die Angst um Jin, die Verpflichtung, die er fühlte und die in Wahrheit etwas anderes war. Und dann fühlte er einen Widerstand, etwas das ihn zurückhalten wollte, seinen Körper langsamer machte, träger, immer stärker an seinem Verstand zerrte. Doch alles, all das kam nicht gegen den Gedanken an Jin an, bis er endlich grau sah, durchbrach. Erleichtert atmete er auf, genoss diese Eintönigkeit für einen Moment, bis er wie erstarrt stehen blieb und anfing zurückzuschrecken. Vor ihm war nur eine kleine Lichtung, rundherum von Grün umgeben, in deren Mitte eine weiß-blaue Pfütze ruhte, ein pochendes Eisherz, ein Geysir dort wo die einzige Öffnung war. Wasser strömte durch das ganze Gebilde und Knochen, die wie gefroren aussahen lagen wild verstreut. Irgendwo dort stierten ihn in der Mitte Augen an, ein Mund bewegte sich im Takt mit Blasen die platzten und formte so Worte: „Hilf mir…Hilf mir…ich kann mich nicht bewegen…hilf mir…“ Das ganze Konstrukt schien sich rühren zu wollen, blubberte kurz, verschob einen Teil, brachte das Eisherz zum rasen, die Augen dazu zur Seite zu kullern und dort an Fäden gehalten wieder zurückgezogen zu werden. Es sah aus wie Organe, wie Rippen, wie alles was innen sein sollte und jetzt verstreut hier auf dem Boden lag. Marks Hand rutschte von seiner Nase zu seinem Mund, während er schneller und schneller den Kopf schüttelte. „Scheiße…oh nein…“ Er fand keine Worte für das vor ihm. „Bitte…ich kann den Wald nicht berühren. Ich bin hier alleine…alleine seit meiner Geburt. Berührt den Wald…und dann das. Ich will nur sterben…hilf mir doch! Irgendetwas von mir – nehmen…damit berühren den Wald. Bitte…bitte…“, die Stimme rutschte ins Flehentliche, Verzweiflung so deutlich, dass es Mark die Tränen in die Augen trieb bei dem Gedanken daran. „Wasser…bin Wasser…bitte…nur irgendetwas berühren…BITTE!“, riss es ihn aus seiner Starre und würgend kämpfte er sich vorwärts, griff mit zitternder Hand nach vorne, traute sich nicht sich zu bücken. Er kämpfte mit sich, schaffte es irgendwie sich etwas weiter hinunter zu beugen, bis ein Knochenteil sich verschob, über eine Blase, die blubbernd platzte und es direkt in seine Hand katapultierte. Entgegen allem schloss sich seine Hand wie von selbst, reagierte ohne sein Einverständnis, während seine Füße direkt nach hinten steuerte und ihn wieder zum Wald schleppten, zurück in diese Hölle, durch die er musste. Ein leiser Schrei zwischen Freude und Schmerz ließen ihn zusammenzucken, noch schneller werden. Schritt um Schritt ging er rückwärts, ließ das blubbernde Ding, dieses immer wieder Dampfschwaden hochschleudernde Ding nicht aus den Augen, als er den Zug wieder fühlte und das Klingeln leise anfing und er stoppte. „Rein…geh…gerade…zurück…denk, denk an ihn, dann findest du…Weg. Er braucht dich…jetzt!“, murmelte das Wesen, zauberte damit wieder die Bilder von Jin hoch, obwohl es nichts davon wissen konnte, brachte seinen Verstand dazu die Starre wieder zu lösen. „Bitte…Bitte…Bitte…Danke…Danke…danke…“, hörte er wie ein Gebet die Pfütze sagen, spürte im nächsten Moment wie er durch etwas brach, durch dieses Feld und sah noch im letzten Moment, wie das Etwas in seiner Hand warm wurde, leicht und zu Rauch zerfiel. In einem letzten erleichterten Flüstern, einem „Dan…“, zerfiel es und stieg langsam nach oben. Und damit wischte er sich die Tränen aus den Augen, die er nicht bemerkt hatte, ein merkwürdig zufriedenes Lächeln auf den Lippen, die Hand wieder vor Mund und Nase, während diesmal Wärme den Geruch abschirmte. Schnell schüttelte er den Kopf, drehte sich um und fing dann an zu rennen, sprintete durch die Bäume, achtete auf nichts mehr, die Schmerzen nicht mehr da. Sein Herz pochte so schnell, dass sein Kopf anfing zu rasen, heiß wurde und er die zerfallenden Stämme, den Ascheregen, der sich verwirbelte, von ihm mitgezogen und auf ihm kleben blieb nicht beachtete, sondern all seine Gedanken nur noch auf Jin gerichtet waren. Die Befürchtung, dass nur ein kleiner Teil schon reichte, ein winziger Teil um alles zu beenden, schnürte ihm die Brust zu. Er musste zurück, jetzt. Und damit brach er durch den Wald, stolperte in die Freiheit, schaffte es ohne Mühe. Um ihn herum war es nur grau, doch so klar und ohne Flocken, warm und fast ruhig. Selbst die graue Schicht auf ihm war verschwunden und er starrte, seufzte ein „Gott sei Dank“, nur um im nächsten Moment ein lautes, bekanntes „FLIEH!“ zu hören. Verwirrt schaute er sich um, fand erst nichts, bis sein Blick zu seiner Linken auf eine riesige Götterspeise fiel, in deren Mitte ein aufgeblähtes durchsichtiges Etwas eingeschlossen war. „JETZT!“, schrie die Stimme drängender, immer näher. Wie gebannt konnte er der Aufforderung nicht folgen, starrte wie ein Irrer weiter auf die dursichtige Masse, die sich immer weiter nach außen dehnte. Als die Stimme wiederkam, panisch klang, rasten seine Augen durch die Gegend um den Warner zu finden. Ein Prickeln brachte ihn schließlich dazu nach oben zu schauen, gerade noch rechtzeitig, als ein Wesen mit riesigen braunen Flügeln über ihn hinwegrauschte, die Hände ausgestreckt und schon zupackte. Finger hakten sich unter seine Achseln, hoben ihn hoch, während seine Beine noch strampelten und er versuchte Halt zu finden. „Idiot…“, hörte er das Wesen, grummelte ein: „Selber“, als Antwort, als sie davon rauschten. Und dann ertönte der Knall. Mark zuckte zusammen, riss die Augen auf, als der Wackelpudding unter ihm explodierte und die Teile auf fast unsichtbaren Scherben getragen durch die Gegend flogen, immer näher zu dem Wald. Sie rasten dabei durch einen Dschinn, der nicht entkommen war, schnitten einen Arm ab, der auf den Boden flog, ohne dass es sie bremste. Doch dann schnalzte es und das Glas blieb mitten in der Luft hängen. Die durchsichtigen gelben Teile jedoch flogen weiter, bis ein paar schließlich mit einem „Schloz“ auf dem Feld aufprallten und anfingen hinunter zu rutschen. Weiter und weiter rannen sie, wurden stetig langsamer, ohne sich aufzulösen und änderten dabei ihre Farbe. Mit jeder Sekunde, mit jedem Flügelschlag, den Mark und sein Träger sich entfernten, wurden die Tropfen immer röter, zogen andere an, die sich genauso verwandelten, bis sich schließlich die ganze Masse dort fand. „Fffffeuer? Iiiich?“, hörte er das unförmige Ding blubbern und wunderte sich nicht einmal mehr, als die Scherben an Fäden gezogen wieder zusammenfanden. Dort stand jetzt ein Dschinn, der sich bewegte, völlig klar und doch wie eine Glasfigur, während sich die jetzt feuerrote und mit einer immer wieder braunen, aufbrechenden Schicht überzogene Ex-Götterspeise zielstrebig darauf zubewegte. Doch dann schwankte seine Welt plötzlich, ließ ihm keine Zeit mehr hinunter zu schauen. Seine Augen rasten hoch und sein Blut gefror. Die Arme, die ihn hielten zitterten, das Gesicht seines Trägers schmerzverzerrt, die spitzen Ohren weit nach hinten gezogen. Und dann verlor er das Gleichgewicht, verlor er die Berührung und fühlte wie er flog. Mark riss die Augen auf, streckte seine Arme verzweifelt nach oben, erwischte für einen kurzen Moment die Beine, die Greifvogelklauen, rutschte ab. Sein Herz schien auszusetzen. Ohne Halt segelte er nach unten, schrie, schrie so laut er konnte nach Jin, sah irgendetwas. Ein weißes Rauschen prallte auf ihn zu, riss ihn nach hinten, als es ihn packte, in Arme einschloss und sein Herz einen Satz machte. Ein erleichterter Seufzer war alles was er noch schaffte und er fiel zusammen, schaute nur kurz hoch um zu erstarren. „Nein…Nein…lass mich runter. Ich hasse Anachel…“, schrie er, sobald er seine Stimme wiedergefunden hatte, fing an mit seinen Fäusten gegen diesen zweiten Engelverschnitt zu schlagen, dieses Wesen mit schneeweißen Schwingen und dem Haar in derselben Farbe, mit den strahlendblauen Augen. Nichts, er richtete nichts aus und gab doch nicht auf. „Lass mich runter! JIN! Ich muss zu Jin…“ Und dann wandte sich dieses Wesen ihm zu, ein so überirdisches Lächeln auf den Lippen, dass er stoppte und nur noch starrte. „Keine Angst, ich werde dich nicht entführen. Und ich habe nichts mit Anachel zu tun – sonst hätte ich dich auch nicht vor ihm gerettet…“ Ein Kopfnicken, dem er mit seinem Blick nachging, folgte und zu seinem Entsetzen sah er seinen früheren Retter im Kampf mit Anachel begriffen. „Dieses Ekel Anachel…aber mit Solyo wird er nicht fertig…“, setzte der Engel nach und schlug nur noch stärker mit den Flügeln, brachte sie höher hinauf, während Mark seinen Blick nicht von der Schlacht der beiden lösen konnte. Solyo duckte sich, als ein Schwert über seinen Kopf raste, die kurzen braunen Haare streifte und sich gleich wieder zurückzog. Doch genau in diese Lücke brach die zweite federnartige Waffe ein, schnalzte genau in dem Moment nach vorne, schoss auf die Brust zu, unaufhaltsam. Mark verkrampfte sich, sah schon die tiefe Wunde vor sich, bis alles sich wendete. Die braunen Flügel schlugen wild, zogen Solyo mit sich, der im letzten Moment den Arm hochschießen ließ. Ein Klirren und das Schwert krachte auf, prallte auf die Klinge, die dort jetzt sichtbar war. Parallel am Arm gelegen, wie eine Rasierklinge ließ sie die Waffe abrutschen, ein furchtbares Knirschen die Folge. Mit einem Grollen lösten sich die beiden Kontrahenten, stoben auseinander, nur um wild flatternd im nächsten Moment zu drehen. Mit irrwitzigem Tempo beschleunigten sie aufeinander zu, streckten ihre Waffen, bis sie aufeinander krachten und aneinander hängen blieben. Wieder und wieder knirschten die Waffen, bis sie sich mit einem Funkenregen voneinander lösten und Solyo ein Bein hob, damit zuschlug, während Anachel gerade das Schwert schwang. Im gleichem Moment, in dem die Greifvogelkrallen sich in ein Bein bohrten, ein Geheul die Ebene erfüllte, bohrte sich die Federwaffe in einen Flügel. Beide taumelten, doch der Fast-Engel hatte die Oberhand, flatterte wild, schlug mit dem Schwert auf die Seite. Der braune Flügel zerstob in mehrere Teile die wie ein Blütenregen weiter schwirrten und sich nicht lösten, aber Solyo das Gleichgewicht kosteten. Sein Bein löste sich und mit einem furchtbaren Impuls rasten jetzt beide auf den Wald zu. „NEIN!“, schrie Mark, konnte nicht mehr untätig zusehen, verlangte von seinem Träger: „Hilf ihm doch!“, entsetzt von dem fatalistischen Ausdruck auf Solyos Gesicht. „Er tut das um dir zu helfen, wie ein guter Samarer es immer tut. Du bist hilflos und wenn ich dich unten…“ So ruhig, so klar und dabei doch so beleidigend war diese Aussage, dass er an seinen Gürtel griff und wild daran zog. „Zum Henker, ich bin nicht hilflos und ich will nur zu Jin – Typhon!“ Genau in dem Moment in dem er das ausgesprochen hatte, wurde der Griff kurz schwächer, schwankte sein Träger und starrte ihn mit großen Augen an, Entsetzen in jeder Pore sichtbar. Hinter ihm hörte er das viel zu laute Schreien von Solyo, das wohl auch bei seinem Träger half. „Mein Name ist Lucive und wenn du Typhon…pass gut auf dich auf dort unten.“ Und damit verlagerte sich das Gewicht, die Flügel schlugen in wildem Rhythmus, immer schneller, bis er den Boden sah und plötzlich jeden Halt verlor. Er segelte durch die Luft, fühlte wie etwas sich um seinen Bauch wickelte, der Grund viel zu nah, gleich da. Inzwischen schlossen sich schon seine Augen in Erwartung des Unaufhaltbaren, doch dann nahm ihm etwas die Luft. Ein brutaler Schlag in seine Magengegend, auf seine Lungen, die ihn seinen Atem kosteten, war es. Er beschleunigte in die falsche Richtung, fiel mit einem stummen Schrei auf den Lippen und riss seine Augen auf. Genau in dem Moment löste sich alles und er fiel auf den Bauch, während der Gürtel von dort nach unten wanderte. „Scheiße…“, brachte er noch heraus, hielt eine Hand an die Brust und sprang auf. Um ihn herum kämpften noch immer Dschinns, weit weniger als zuvor und doch noch immer zu viele. Sein Blick suchte, fand Solyo, der lächelte und in einem tausendfachen Echo: „…ich würde ja gerne sterben, aber ich kann nicht“, rief und nur da hing, in einem eisernen Griff. Die braunen Federn schwirrten wie ein Halo um ihn herum, während die jetzt schwarzen Flügel wie ein gefaltetes, gerissenes Stück Stoff hinunter baumelten. „Anachel!“ Lucive brüllte, als er in wildem Flug auf die beiden zustürzte und dabei seine Hände in seiner Brust vergrub. Kurz darauf, viel zu kurz darauf, zog dieser, zerrte und etwas kam hervor, riss aus der Haut heraus. Es sah viel zu sehr nach Blutgefäßen aus, erstarrt zu silbernen Fäden, die sich umeinander wickelten und in der Luft glänzten. „Stirb endlich!“, kam der letzte Kampfschrei, der letzte, bevor sich Anachel löste und Solyo wie ein Stein zu Boden sackte. Mark blinzelte, überlegte nicht, sondern rannte los... Kapitel 18: Mechanismen der Zerstörung - Teil 2 ----------------------------------------------- Genau in dem Moment fielen diese kalten schwarzen Augen auf ihn und Anachels Arme bewegten sich wie in Zeitlupe, hoben ein Schwert wie in Überlegung, um es dann nach hinten zu führen. Kurz hielt es an, bis es sich aus der Hand löste, beschleunigte und anfing zu rotieren, wie ein Geschoss geradeaus nach vorne raste – genau auf Lucive zu. Der riss die Augen auf, schwang seine Adern, seine Fäden, ohne Erfolg. Ohne einen Ton bohrte sich die Waffe in ihn, riss ihn zurück, hinunter. „Jetzt gehörst du mir!“ Anachel kam auf ihn zu, raste mit ausgestrecktem Schwert auf ihn zu, während er nach hinten stolperte. Er konnte diesen Teufel nicht aus den Augen lassen, fühlte, wie sich sein Gürtel wieder um seine Hand schlang, immer stärker und schneller, sein Gegner nur noch Sekunden entfernt. „JIN!“, schrie er ein letztes Mal, hoffte, bangte, blieb stehen. „Der ist tot“, kam es selbstgefällig, brachte alles zum Einsturz. Jedes Gefühl wich aus ihm, sein Kopf leer. Sein Herz fiel so tief, dass es kaum noch pochte, still und leise. In seiner Brust schnürte sich etwas ab, drückte nur noch Kälte hoch. Sein Gesicht versteinerte sich, eine Träne in den Augen. Kämpfen würde er, musste er. Alles andere war sinnlos, alles war sinnlos. Halb taub hob er die Hand und wartete, schluckte, als die Schwertspitze nur noch Zentimeter vor ihm war, gleich aufschlagen würde. Doch dann riss irgendetwas Anachel zurück, ließ diesen taumeln und zu Boden krachen, über den er geschleift wurde. „Ach, bin ich das? Sehr schön…dann, Lüftchen, darfst du noch mehr leiden.“ Mark riss die Augen auf, alle Tränen vergessen, ein Lächeln auf den Lippen, bevor es wieder verschwand. Jin stand zwar dort, zog an dem blauen Band, aber er sah so anders aus. Sein Gesicht war auf einer Hälfte zerfetzt, ein einziger Klumpen Fleisch. Haut hing hinunter, flatterte im nicht vorhandenen Wind, offenbarte damit die zuckenden Muskeln, die halb durchtrennt an der Wange klebten. Die ganze Seite des Bauchs war aufgerissen, von tiefen Furchen umgeben, mit einem Loch, das ihn sogar durch seinen Dschinn hindurchsehen ließ auf die Schlacht, die jetzt verebbte. Überall, auf jeder Stelle der Haut waren Furchen, Risse, die sich viel zu langsam schlossen. Ein betäubendes, zerrendes Gefühl, ein schmerzhaftes Ziehen trieb ihn, trieb ihn dazu näher kommen zu wollen. „Oh Gott…“, flüsterte er, zitterte am ganzen Körper, ging Schritt um Schritt nach vorne, wollte, musste etwas tun. „Warte…das ist Typhon“, erklärte ihm Lucive, legte ihm Hände auf die Schultern, hielt ihn ab, hielt ihn auf, egal wie sehr er sich wehrte. „Das weiß ich…ich muss zu ihm! Er hat mich…“, versuchte er etwas zu sagen, unfähig wegzuschauen, wollte nicht wegschauen, als Anachel inzwischen in einem dutzend Bänder gefangen bei Jin angeschleift kam. „…ich schulde es ihm“, schloss er endlich, versuchte sich loszureißen. „Ich werde dich nicht aufhalten, wenn er fertig ist, aber ich würde dir raten jetzt wegzuschauen. Du magst ihn doch sehr und das hier…“ Der Satz blieb unvollendet in der Luft hängen, von einem heiseren Schrei unterbrochen. Damit wurde Mark schlagartig klar, was Lucive gemeint hatte, konnte nicht aufhören zuzusehen, wie sein Dschinn mit einem grauenhaften Lächeln, einer fiesen Grimasse seine Arme hob, zugriff. Und dann bogen sich die Flügel Anachels, knackten, als sie immer weiter nach oben gedreht wurden, krachten als sie brachen und in den wildesten Richtungen stehen blieben. Schreie, Gebrüll voller Schmerzen hallte in seinen Ohren wider und wider, wollte nicht aufhören, als die Flügel immer stärker geknickt wurden, wie Stöcke in tausende Teile zerbrachen und noch aufeinander gedrückt wurden. Dabei zerrten die Bänder Anachel näher zu dem Feld, während dieser sich kaum noch rührte und nur noch wimmerte. „Wenn ihr nicht gewesen wärt, hätte das alles nicht passieren müssen. Aber wenn du mir schon die Freude lassen willst…“, grollte Typhons Stimme stärker, die Krallen einer Hand hoch über seinen Kopf gehoben, während die andere Hand sein Opfer am Hals gegen den Wald drückte und der Schrei panisch wurde. „Oh, nein, nicht jeder stirbt, wenn ich das hier tue“, damit krallten sich die Finger in die Haut, zogen Anachel hoch, nur um ihn im nächsten Moment voller Wucht gegen die Wand zu schleudern und die Finger halb im Fleisch versinken zu lassen. Mark schluckte, unfähig diese Mischung aus Kälte und Wärme zu ertragen, unfähig seinen Blick abzuwenden. Er zuckte zusammen, riss seine Schultern hoch, wie um seinen Hals zu schützen, den Kopf zu versenken, als sein Jin ausholte und die Krallen der gehobenen Hand sich nach unten stürzten. Es war ein Geräusch wie er es noch nie gehört hatte, etwas, das in seinem Ohr widerhallte und seinem Magen dazu brachte sich zu drehen und zu winden, unbeschreiblich. Zu viel war es, zu viel zu sehen, wie diese messerscharfen Waffen an den Fingern sich rasend in die Haut bohrten, etwas taten und im nächsten Moment einen riesigen Fetzen mit sich zogen, der daran hing wie ein Stück tropfender Stoff. Mark hob die Hand, würgte ohne dass noch etwas dort war, würgte Säure hoch, als das Ding in hohem Bogen an ihm vorbeiflog und die Hand sich wieder hob und senkte – wieder und wieder. Es dauerte viel zu lang, ein Fetzen nach dem anderen, der in wildem Bogen flog, ohne dass Anachel ohnmächtig wurde, während er dort hing. „Hö…au…“ Irgendetwas schien der Fast-Engel stöhnend zu versuchen, hob seine gefesselte Hand, während die Flügel zuckten. Von Minute zu Minute färbten sie sich immer röter, fast so als ob diese Farbe an ihnen hinunter lief und kleben blieb und damit die furchtbare Farbe widerspiegelte, die den ganzen Körper kennzeichnete, ohne dass ein Tropfen Blut fiel. „Oh nein...du wolltest mir das nehmen, was mir gehört. Du wolltest mir das nehmen, was mir niemand nehmen darf. Mein…meinen Markus wird mir niemand nehmen!“ Damit ließ Typhon los, löste alle Bänder und trat einen Schritt zurück, ließ in Mark Hoffnung aufkeimen, als Anachel zusammensackte. Doch es war zu früh. Mit einem Grollen, einem Brüllen und dem Fletschen von Hauern, die vorher nicht da gewesen waren, holte sein Jin aus, holte mit seinen Krallen aus. Wie in Zeitlupe raste die ausgestreckte Handfläche nach vorne, zur Seite, schnitt in den Hals, schwarze Augen geweitet, der Schrei mitten im Entstehen unterbrochen. Ein Zischen war alles was kam, ein kurzer Moment der Unklarheit, bevor sich der Kopf löste, zur Seite kippte und die noch offenen Augen ihn erschreckt anstarrte. Als er auf dem Boden aufprallte, beugte sich sein Dschinn nach unten, hob den Kopf an den Haaren hoch. Triumphierend schaute er kurz, wedelte ein wenig damit herum, bevor er: „Das war noch nicht alles“, sagte und ausholte. Im nächsten Moment flog das Geschoss durch die Gegend, landete direkt hinter dem Riesen, der Mark fast getötet hatte, gefolgt von einem Band, das sich um ein Bein dieses Wesens wickelte – und zog. Völlig aus dem Gleichgewicht gebracht, stolperte dieser Titan erst einen Schritt nach vorne, nur um dann nach hinten zu kippen und im letzten Moment seinen Fuß aufzusetzen. Grauenhaftes Knirschen erklang, als er auf dem Boden aufkam, auf dem Kopf, der direkt darunter lag. Der Riese tapste schnell wieder nach vorne, drehte sich gleich panisch nach hinten, bevor er anfing davon zu trampeln, immer schneller wegzurennen. Mark wollte nicht hinschauen, würgte und würgte, als ein blaues Band sich um das platte Ding schlang und es wieder durch die Lüfte zog, dabei eine Spur von roten Tropfen, weißen Stücken hinter sich herzog. „Na…“, hörte er Jin triumphierend, „das wird dich etwas lehren…“ Dieser ergriff das Band, das sich um den Kopf gewickelt hatte, ließ es über sich wie eine Schleuder im Kreis rasen und Spritzer verteilen, die seinen Magen zum Überkochen brachten. Genau in dem Moment als es sich löste und flog, konnte er nicht mehr. Er beugte sich nach vorne, würgte wieder, brachte kleine Tropfen hoch. Sie brannten, ätzten, bis sie draußen waren und davonstoben, das beruhigende Klopfen auf seinen Rücken der einzige Halt. Atmen war schwierig, fast unmöglich. Etwas hilflos versuchte Lucive ihn zu beruhigen. „Das ist…fast normal und keine Sorge…er ist nicht tot. Er kommt wieder…und er hatte es…verdient?“ Mark versuchte dem zuzustimmen, seinen Magen davon zu überzeugen, aber das alles war zu viel, zu viel für ihn. Vor ihm begannen plötzlich weiße Punkte, ein schwarzer Grund zu entstehen, beständig zu wachsen. Gleichgewicht verabschiedete sich, er schwankte, wankte – bis ihn ein Griff hochschreckte. „Atme…“ Irgendwie schien das seine Lunge anzustecken, tiefe Atemzüge die Folge, der Schwindel mit jeder Sekunde weniger. Seine Augen wanderten dabei langsam hoch, über die immer kleiner werdenden Wunden, die tausenden Risse, die sich schlossen, bis er schließlich das Gesicht Jins sah und schluckte. „War das…?“, rutschte es ihm heiser, leise heraus, während Verständnis hochkroch, die Erkenntnis, noch bevor die Antwort folgte. „Ja, Anachel und seine Schergen…“ Zu seinem Entsetzen löste sich bei diesen Worten das Stück Haut, das halb befestigt die Muskeln überdeckte, flatterte nach unten, nur um von einer Hand aufgefangen zu werden und schnell wieder auf die Stelle gedrückt zu werden. Er schluckte. „Wann können wir hier endlich weg?“, presste er hervor, tastete vorsichtig nach den goldenen Haaren, nach dem einzigen, das er ohne Schmerzen anschauen konnte, ohne dieses mulmige Gefühl in seinem Bauch, wenn er ihm zu nahe kam. „Keine Sorge Mensch, diese Schlacht hier war nie ein Krieg – wie immer. Und sie ist schon vorbei, also mach dir keine unnötigen Sorgen, wenn du das Leben…“, versuchte ihn Lucive aufzumuntern, noch immer nah, stoppte dann aber mitten im Satz. Irgendetwas war an ihm vorbeigeflogen, flatterte in seinen Augenwinkeln und er folgte diesem Etwas, folgte diesem blauen Band, ergriff die goldenen Haare fest. „Jin, lass da…“ Seine Zunge arbeitet schneller als seine Gedanken, seine Hände zogen an dem weichen Büschel in seiner Hand. Enger und enger schien sich das Stück Stoff um den Hals Lucives zu schnüren, während dieser nur ruhig dastand und geradeaus starrte, ihn damit wahnsinnig machte. „Lass ihn los!“, verlangte er vehementer, wollte nicht mehr zusehen, riss an den Haaren, griff schließlich mit der anderen Hand nach vorne auf die zerfetzte Kleidung schrie „JIN!“. „Du hast meinen Mensch angefasst…dafür wirst du büßen. Niemand verletzt ihn, niemand nimmt ihn mir…“, ignorierte ihn Typhon mit seinen nächsten Worten völlig, die Augen nur auf sein Opfer fixiert, ein Arm auf dem Band, an dem er zog, immer stärker zerrte. Mark schüttelte den Kopf, streckte ihn leicht nach vorne, fühlte nur Unverständnis, leise Wut hochkriechen im Angesicht dieses neuen Wahnsinns, ließ los. In einer Bewegung, ohne einen Gedanken zuzulassen, schwang er seinen Arm nach hinten, nur um ihn im nächsten Moment nach vorne zu schmettern und kurz vor dem Aufprall zu bremsen. Ein lautes Platschen war alles, was folgte und das Band auf den Boden fallen ließ. Goldene Augen starrten ihn jetzt verständnislos an, fast beleidigt, seine ganze Brust ein einziges Schnüren, während er mit zitternder Hand über die Wange strich, alles vergessen machen wollte. „Ich…“, räusperte er sich, schaute auf den Boden, presste seine Lippen aufeinander, versteckte sie kurz in seinem Mund, „…er…niemand würde mich SO anfassen außer dir. Er hat mich gerettet, er hat mich nur gerettet mit diesem…Solyo zusammen.“ Genau in dem Moment humpelte der gerade erwähnte heran, auf Lucive zu, hielt einen seiner gebrochenen Flügel, an dem weniger Federn klebten als an dem anderen. Mark schluckte, schaute hoch, bevor er fortsetzte: „Zum Henker, ich entscheide selbst, was ich mache und wer mich anfassen darf und du…du…musst keine…Angst haben…“ Die letzten Worte kämpfte er hervor, ignorierte die Kälte in seiner Brust, diese dumpfe Furcht, als ein Arm in Windeseile an ihm vorbeischoss, ihn dazu brachte zusammenzuzucken. Eine Hand legte sich auf seinen Rücken, drückte ihn nach vorne, verhinderte seine Flucht. Sanft begann sie nach unten zu streichen, über seine Haut zu fahren. „Markus…“, kam es erst kalt, bevor plötzlich wieder das Lächeln erschien und seine Brust wärmte, die Stimmung drehte, „also wenn das deine Form der Liebeserklärung ist, solltest du wohl noch etwas üben.“ Völlig verdattert starrte er dabei nur noch, konnte den schnellen Umschwung nicht fassen, hörte Kichern hinter sich. Kurz huschte ein unerklärliches Grinsen über sein Gesicht, bevor er sich umdrehte und wütend schnaubte – oder es zumindest versuchte. Die Hand auf seinem Rücken war mit gewandert und presste ihn jetzt nach hinten, an Jin. In Gedanken an die Verletzungen versuchte er sich zu befreien, wand sich, scheiterte endgültig, als ein „Wenn du mich erregen willst, dann mach bitte so weiter, mein Markus…“, ihn stoppte. „Idiot“, murmelte er zurück, bevor er sich den beiden kichernden Flügelgestalten zuwandte und: „Das ist nicht zum Lachen, zum Henker. Ich habe euch gerettet, verdammt und was sollte das mit der Schlacht? Wisst ihr eigentlich wofür ihr euch da…was euer Paradies ist?“, fauchte. Seine Gedanken überschlugen sich, drängten alle gleichzeitig heraus, ohne komplett herauszukommen. „Markus, das hättest du mich doch auch fragen können – und mir dann meine Belohnung dafür geben können.“ Mark hob bei dieser Bemerkung Jins schon seinen Ellbogen etwas, wollte nach hinten schlagen, stoppte im letzten Moment bei dem Gedanken an all die Verletzungen und biss lieber die Zähne zusammen. „Hier ist ein Krieg eher eine nette Idee. Doch jeder kämpft nur mit, wenn er etwas davon hat oder in der Nähe ist – ohne Zeit lässt sich auch alles ein wenig schwer so koordinieren wie in der Menschenwelt. Zudem sehen viele nicht den Sinn in den Kämpfen und hängen dem Spaß ein wenig mehr nach – so kämpfen sie auch gegen Leute ihrer eigenen ‚Gruppe‘, wenn sie denn überhaupt einer angehören. Wenig Sinn, außer uns und ein paar anderen mehrmals Spaß zu bringen…“ „So kann man es wohl aus Sicht der Bacarer auch ausdrücken. Oder man sagt es, wie es ist: Ein sinnloses Gemetzel in dessen Lauf nur der Glaube retten kann und…“ergänzte Lucive, bevor er harsch unterbrochen wurde. „Der Glaube? Das kann auch nur ein Novarer sagen. Mein lieber Lucive, du warst den Bacarern auch nicht abgeneigt und jetzt glaubst du, dass es irgendwo eine Erlösung gibt?“, schnaufte Typhon. Schweigen folgte, in dem Solyo von einem Fuß auf den anderen tapste. Schließlich trat er einen Schritt nach vorne, ließ dann seinen Flügel los. „Oh bitte, könnt ihr diesen sinnlosen Grabenkampf aufgeben? So viel liegt zwischen Lucives Ausstieg und dieser Schlacht. Und ich weiß, ich bin ein Samarer und tue ja nichts anderes als zu helfen“, schien Solyo gleich alles vorwegnehmen zu wollen, „Aber wenigstens habe ich etwas gefunden, das nicht erfordert seinen Gegner zu filetieren um ein Gefühl des Erreichens zu bekommen.“ Nur kurz stoppte er dort, bevor er nahtlos weiterredete und dabei experimentell mit den Flügeln schlug, die inzwischen wieder fast verheilt aussahen. „Oh, und natürlich mischen wir uns als ‚Helfer‘ ein, auch wenn es manchmal nicht gefragt ist und nehmen einem Dschinn die Möglichkeit sich umzubringen oder ‚ins Paradies zu kommen‘. Das kann er aber auch schnell nachholen. Ich glaube damit dürften alle deine Argumente gegen mich weg sein, oder Typhon?“ Mark glaubte langsam, dass die Krallen sich bald in seine Haut bohren würden, so stark wie sie sich im Moment in seinen Bauch senkten und ihn nach hinten drücken wollten. Als er dann eine Bewegung spürte, konnte er nicht mehr. Er holte endlich aus, hob seinen Arm und schlug fast schon sanft mit seinem Ellbogen nach hinten, belohnt von einer Lockerung des Eisengriffes und einem erschreckten Blick der beiden vor ihm. „Ihr braucht gar nicht so zu schauen, zum Henker!“, regte er sich auf, müde und wenig glücklich, als sein Blick kurz in die Nähe des Waldes streifte und ein mulmiges Gefühl aufkam. Kopfschüttelnd murmelte er: „Ihr seid alle nur verrückt…“ Scheinbar hatte Lucive das gehört, denn gleich darauf fragte er: „Und wie kommst du auf die Idee wir wären alle verrückt und nicht nur dein Geliebter? Schließlich haben wir beide dich gerettet, als du aus dem Paradies, dem Wald kamst…“, worauf Mark schnell seinen Kopf nach hinten lehnte und hochstarrte um sich schnell zu versichern, dass es nicht gleich wieder einen Kampf gab. Als er schließlich den wartenden Blick erkannte, seufzte er erleichtert, bevor er sich wieder nach vorne wandte. „Weil ihr alle einen Schuss habt. Habt ihr nichts Besseres zu tu…okay, vergesst das“, unterbrach er sich schnell selbst, bevor er zum Wald schaute und darauf deutete. „Wisst ihr eigentlich, dass das hier noch ein Paradies im Vergleich zu diesem Wald ist? Dort…das ist die Hölle, nur die Hölle. Kalt…so kalt und ein Gestank, unerträglich, ein Geräusch, dass sich in dein Gehirn hämmert. Wieder und wieder zerfällt vor deinen Augen alles zu Staub, während man keinen Ausgang sieht, nichts. Bevor ich dort je wieder rein muss, verkünde ich lieber der ganzen Welt, dass ich Jin li…“, ratterte seine Zunge ohne sein Einverständnis immer weiter, bis er mit voller Wucht darauf bis und leise „Au“, keifte. Zwischen den Pochern in seinem Mund hatte er das Gefühl, dass ihm hier gerade etwas herausgerutscht wäre, das nie hinaus sollte und konnte und doch wahr war. All das wurde nur noch verstärkt von dem heißem Atem, der um seinen Hals spielte und schließlich dem sanftem Kuss hinter sein Ohr. „Was meinst du damit?“, mischte sich jetzt Solyo ein, eine Mischung aus einem fast glücklichen und einem fragenden Lächeln im Gesicht und lenkte ihn zu seiner Erleichterung wieder ab. „Dass das da drin die Hölle ist, zum Henker noch mal, das meine ich! Wie könnt ihr glauben, dass das ein Paradies ist? Wie könnt ihr nichts davon wissen, wenn schon Menschen da waren? Das ist nur tot, Zerfall, Staub und Qual da drinnen – und drinnen, in der Mitte…da…“, versagte seine Stimme bei dem Gedanken an den Anblick, der sich ihm dort geboten hatte, kam nur leise heiser wieder, „war ein Dschinn, zerfallen in alle Einzelteile und wollte nur sterben. Tat er auch, aber das ist kein Paradies…kein Paradies!“ Lucive hielt sich eine Hand vor den Mund, strich sich damit über das Kinn und wandte schließlich: „Hm, aber das heißt nicht, dass das Paradies nicht vielleicht woanders sein könnte…es muss irgendwo sein…“, ein. „Selbst wenn wir deine Erlebnisse verbreiten würden, würden es nur die glauben, die es auch schon jetzt glauben. Kein Mensch vor dir hat es bisher über die Lippen gebracht, keiner vor dir hat sich zu dem Wald geäußert, alle brachten sich um, mit Stummheit geschlagen. Und in Wahrheit sind wir doch alle ein wenig Novarer, ein wenig Gläubige…“, setzte Solyo ein wenig unpassend fort, schien fast erleichtert und ignorierte das dezente Knurren Typhons offensichtlich gewissenhaft indem er mit keiner Bewegung darauf einging. „Und für mich ändert das nichts. Ich bin hier gefangen, gefangen ohne einen Weg hinaus, selbst eine Veränderung bleibt mir versagt…“ „Aber vielleicht gibt es doch Hoffnung für dich, Solyo“, mischte sich Lucive wieder ein, klopfte mit einer Hand auf Solyos Schulter und drängte sich ein wenig vor, „denn wer sagt schon, dass dieser Wald das Paradies ist. Schließlich schafft uns das Feld rundherum weg in andere Welten, fort von diesem Ort und ich glaube einfach nicht, dass da nichts anderes ist, dass nach dem Tod nichts da ist. Es kann nicht sein…“ „Und wenn doch?“, kam es leise, kaum hörbar, zwickte selbst in Marks Brust ein wenig. Doch Lucive schüttelte nur vehement den Kopf. „Ich glaube nicht daran, dass das hier alles ist und danach nichts kommt – das wäre…“ Kurz fühlte Mark sich Krallen in seine Haut bohren, ihn näher an seinen Jin drücken, bis er endlich aufschaute und wegen des Zwickens wütend aufstampfte, erleichtert das makellose Gesicht sah und lächelte. „Die Hölle?“, hörte er über sich, sah im nächsten Moment, als er sich umdrehte, die versteinerten Gesichter der beiden Dschinns und seufzte schon. „Euer Gerede ändert nichts daran, dass das hier eine Hölle ist – alles. Und ihr habt mit eurem Leben nichts Besseres anzufangen, als zu dienen, zu glauben und darauf zu hoffen, irgendwann eine Erlösung zu erfahren, anstatt es zu nützen und euer Paradies zu erschaffen. Lächerlich…“ „Du meinst anstatt wie du lieber alles abzuschlachten und keinen anderen Gedanken als Egoismus zu haben? Selbst wenn mir mein Glaube nichts bringt, bringt dir dein ‚Spaß‘ auch nicht mehr. Denn wenn es irgendetwas da geben sollte, das uns hierher verbannt hat, hierher in die Hölle, in diese Einöde von Hölle, dann wirst du dafür bezahlen – glaub mir.“ Lucive hatte die Hände zu Fäusten geballt, öffnete seinen Mund bei keinem Wort wirklich und zitterte sichtlich, während Mark langsam das Gefühl hatte, in einem Theaterstück gefangen zu sein, das nicht so verlief, wie er es gewollt hätte. Solyo hatte bisher zugeschaut, doch jetzt fingen seine Flügel an wild zu schlagen und ihn Zentimeter über dem Boden zu halten, immer höher zu tragen. „Ohne jetzt auf den Glauben einzugehen: Helfen kann einen erfüllen und Spaß bringen wie nichts anderes. Du filetierst und schürst Hass, der dir in deinem Leben gefährlich werden kann, während wir wenigstens etwas tun und unter anderem deinen Menschen gerettet haben. Die von dir Gequälten lieben dich nicht dafür was du tust, sie hassen dich und du schaffst ein Heer an Gefahren. Und jetzt erzähl mir noch einmal, dass mein Weg oder auch der der Novarer so falsch ist, denn selbst dein Mensch ist mehr einer von uns als einer von euch – denn er hat dich gerettet…“, klang er immer verklärte, immer sicherer, während er in die Lüfte stieg und dort schließlich mit gekreuzten Armen wartete. Mit einem Schnalzen raste ein blaues Band nach vorne, umklammerte ein Bein, zog, zog und kostete Solyo immer mehr an Höhe, während dieser wie eine Statue unverändert in seiner Position verharrte. Selbst Lucive starrte nur verwirrt, ließ eine Hand über dem Herzen schweben. Mark seufzte schließlich, fühlte sich so müde und wollte diesem Kampf, in dem er zwar Mittel aber nicht vorhanden war, nicht mehr angehören. „Ihr…ihr habt sie alle nicht mehr…“, fing er schließlich an, blinzelte ein wenig, bevor er tief Luft holte. „Ihr seid einfach nur verrückt und nichts weiter. Und jetzt will ich wirklich wissen, ob ihr alle zusammen nichts Besseres zu tun habt…so etwas wie nach einem Weg weg von hier zu suchen oder vielleicht miteinander reden oder mich nicht ignorieren? Ja, nein…vielleicht? ZUM HENKER!“ Genervt rollte er mit den Augen, als das blaue Band unverändert neben ihm flatterte, griff zu und zog daran, zerrte, bis es sich löste, fiel und nach hinten raste. „Ich fasse es nicht…ich fasse es wirklich nicht. Wie könnt ihr nur so ungerührt darauf reagieren, wie könnt ihr die ganze Zeit so einen Stuss reden?“ Er versuchte sich in der Umarmung zu winden, das Rasen in seinem Kopf, seinem Herzen zu ignorieren, das die Müdigkeit mit jedem Schlag in einem dumpfen Rauschen ertränkte. Fast mitleidig waren die Blicke, die ihm dabei begegneten, die seine Stimmung noch tiefer in den Keller zerrten. Es war für ihn einfach unfassbar. „Wisst ihr…ich hatte irgendeine Regung, ein Mitleid, irgendetwas erwartet. Aber stattdessen habt ihr wirklich nichts besseres zu tun als einen sinnlosen Kampf zu kämpfen und mich dabei fast entführen zu lassen und jetzt markiert ihr irgendein nicht vorhandenes Revier und jeder…ihr versucht doch nur euch im besten Licht darzustellen – Alle, und das noch so dämlich. Man kann doch auch glauben und helfen, Spaß haben und was auch immer…“, „Das machen wir auch alle. Ich war Bacarer, ich bin Novarer und ich werde…“, begann Lucive unbelehrbar, kam nicht weit, als Mark ihn mit einem „Zum Henker“, stoppte. „Zum Henker, so meine ich das nicht. Es ist doch völlig egal welcher Gruppe man angehört – ihr habt größere Probleme und könntet euer Gehirn einschalten, verdammt, und euer Leben genießen, anstatt euch in irgendwelche Gruppen…“ Er schrie schon fast, stoppte dann plötzlich, als seine Worte in sein Gehirn drangen und seine Augen sich weiteten. „…in Gruppen einordnen und vielleicht das Leben davon bestimmen zu lassen? Mein Markus, siehst du, dass kein Unterschied zwischen uns und euch besteht?“, flüsterte ihm Typhon dabei ins Ohr, verstärkte seine Vermutung nur noch mehr und brachte ihn endgültig zum Schweigen. Warmer Atem strich mit den nächsten Worten über seinen Hals: „Aber du hast Recht, mein Markus. Also wieso ordnest du dich einer Gruppe unter und lässt dein Leben davon regieren?“ Ohne eine Antwort schloss er die Augen, fühlte seine Anspannung weichen. Die Müdigkeit war mit einem Mal zu groß, das Brennen zu stark, so dass er die Tränen nicht ganz zurückhalten konnte und ablenkend murmelte: „Tue ich nicht…lenk nicht ab“, und sich auf die Zunge biss, der Schmerz wie ein Weckruf an seinen Körper. Er schüttelte sich, umklammerte den Arm, der fest um ihn geschlungen lag, drückte mit seinen Fingern zu, so fest er konnte, hörte Lachen. „Ihr habt Recht, aber wie sagte einmal ein Mensch bevor er sich auf einen Dschinn stürzte, der zerfiel und dann mit ihm verschwand…?“ Solyo schien zu überlegen, legte zwei Fingern ans Kinn, schaute zu Boden, bis sein Blick hochraste und er die Hand triumphierend in den Himmel streckte. „Genau“, hellten sich die Augen in Erkenntnis, während die Stimme tiefer wurde, „das war es. Also er sagte: ‚Das hier ist wie in einem riesigen Gefängnis aus Stein. Es gibt nichts, es wird nie etwas geben und es ändert sich nichts. Selbst all die Leute um dich herum werden irgendwann langweilig und alles was du tun kannst ist immer nur dasselbe. Selbst in der Vielfalt siehst du irgendwann dieselben Muster. Und wenn der einzige Hoffnungsschimmer den du hast in Wahrheit nur ein noch grauerer Ort ist, ein Ort, über den du nichts sagen kannst, was willst du dann noch tun? Ich beende mein Leid lieber jetzt, auch wenn dir das nichts sagt‘ und brachte sich dann um.“ „Wer war er…und wieso schmeißt du dich nicht einfach auf einen Dschinn, wenn man sich dann einfach so mit auflöst?“, brachte Mark zwischen dem Knoten in seinem Hals und der Müdigkeit, die jetzt wieder Einzug hielt, heraus. Langsam wollte er nur noch Ruhe… „Er war ein interessanter Mensch, auch wenn sein Tod seiner Ankunft folgte, aber ich denke so dürftest du verstehen, wieso wir verzweifelt versuchen ständig etwas zu ändern – irgendetwas. Leider hilft das nicht und bisher ist es keinem Dschinn gelungen mit einem anderen zu gehen …“ Solyo schaute wieder kurz zu Boden, beide Arme nach vorne gestreckt, wie als würde er ihn einladen, auf ihn zeigen, während man die Trauer in jeder Bewegung erkennen konnte. „Aber wie wir sehen ist alles möglich. Alles ist möglich, also hilf ihm, hilf dir! Auf ein Abwechslungsreiches Leben!“, rief er ihm plötzlich voller Freude zu, bevor die Flügel wild flatterten und den Dschinn in einem irrwitzigen Tempo davontrugen, ohne ihm die Möglichkeit zu lassen, auch nur irgendetwas zu sagen. „Keine Sorge…er hasst Abschiede nur so furchtbar, dass er sie nie zulässt. Und damit…“, begann Lucive, die Flügel schon nach hinten geschwungen, als sich dessen Augen plötzlich weiteten und er mit der Hand an die Brust griff. Und dann riss Mark den Mund auf, musste zu seinem Entsetzen sehen, wie sich die Finger in die Brust bohrten, sich um etwas schlossen und im nächsten Moment zogen. Ein Quietschen erklang, ein Knallen, ein Geräusch wie das Reißen von Schnüren und mit einem Mal klaffte Lucives Haut auseinander. Sie riss, riss so weit, bis ein Bündel an immer kleiner werdenden Fäden darin zu erkennen waren, sie hervortraten, gezogen von der Hand in der eine riesige Ader lag sich Stück um Stück lösten. Mark kämpfte mit seinem Magen, als dieses Geflecht schließlich bis zur kleinsten Zehe hervorbrach. Schlaff schwankte dieses Ding hin und her, um sich im nächsten Augenblick zu erheben und die tausend Fäden sich umeinander zu schlingen. Wild wirbelnd konnte man davon nichts mehr erkennen, bis das Knäuel plötzlich jede Bewegung stoppte und auseinanderfiel, in zwei Stränge zerfiel, die über den klaffenden Wunden schwebten. Sekunden tanzten sie förmlich in der Luft hin und her, regten sich, als die Hand in der sie lagen sich rührte. Sie peitschten an ihm vorbei, nur um gleich wieder zu stoppen, ein heiserer Schrei hinter sich das Zeichen, dass er nicht schauen sollte, während seine Augen nicht widerstehen konnten. Sie drehten sich mit dem Kopf mit, zur Seite, nur um sich im nächsten Moment in Schrecken zu weiten. Dort, hinter seinem Typhon, stand ein braunes Dornenwesen, so mit Stacheln übersät, dass die Formen darunter nur noch schematisch erkennbar waren. Eine ausgestreckte riesige Spitze verharrte von blauen Bändern umschlungen mitten in der Luft, gehalten von Jins Mantel, der sich in mehrere Teile geteilt hatte, während der Hals des Wesens von diesen eigenartigen silbernen Fäden zugeschnürt wurde. „Ich hasse so etwas…“, hörte er im gleichen Moment, in dem sich einer der Fäden tiefer in den Hals bohrte, das lose Ende an ihm vorbei flog, nur um im nächsten Moment so straff wie sein Nachbar in Lucives Hand zu enden. Und dann geschah es. Das Wesen riss einen tiefschwarzen Mund auf, kleine Augen traten hervor, immer weiter, bis sie wie eine Flüssigkeit, wie Tropfen über die Dornen rannen, der Hals an einer Stelle immer dünner wurde, die Stahladern sich dort hineinbohrten und im Fleisch vergruben. Mark schluckte, versuchte langsam seinen Kopf wegzudrehen, schaffte es nicht mehr rechtzeitig und musste mit ansehen, wie das Teil zur Seite kippte, immer stärker kippte, schließlich mit einem Knacken nach hinten kullerte und auf den Boden prallte. Der Kopf schlug auf, sprang immer wieder von der Erde weg, rollte davon, als der Körper nach hinten rutschte, die Bändern sich lösten und zu Jins Mantel zusammenfügten. Die Fäden blieben noch einen Moment dort, hingen halb über dem gefallenen Dschinn, nur um zu Lucive zurückzurasen und sich in einer einzigen Bewegung wieder in ein Knäuel zu verwandeln, sich wieder in die gespaltene Haut zu senken, bevor sie sich schloss. Mark schluckte noch einmal, stotterte erst nur einzelne Laute, bis er schließlich seufzte und: „Wieso immer Köpfe?“, murmelte. „Schlägt man den Kopf ab, dann dauert es länger bis sich der Dschinn regeneriert und man hat seine Ruhe“, erklärte Lucive, und sich schüttelte und seine Beine immer wieder testweise hochhob. „Oh, und damit verabschiede ich mich wirklich. Bei dem wie Typhon gerade schaut, sehnt er sich wohl sehr nach jemandem, und trotzdem traue ich mich: Es war eine Freude dich kennenzulernen…“ Damit ließ ihm der nächste keine Zeit sich zu verabschieden. Lucive erhob sich mit einem schnellen Satz in die Lüfte, schlug mit seinen Flügeln so stark, dass er über ihre Köpfe hinwegrauschte, ohne dabei auf ein letztes Winken zu verzichten. „Endlich…“ Jin hörte sich glücklich an und in dem Moment in dem Mark sein Gesicht erblickte, sah er das zufriedene Lächeln wieder auftauchen, den verschmitzten Ausdruck. „…Ruhe ist unser. Ab zu Haus, Spaß…Sex.“ „Oh nein. Du perverser…nicht schon wieder hier…“, murrte er, rollte mit den Augen und trabte los – in einer lockeren Umarmung gefangen, immer wieder von hinten gestupst. Glücklich. Kapitel 19: Zufall, Schicksal oder so ähnlich --------------------------------------------- Zufall, Schicksal oder so ähnlich „Und wie lange dauert es noch, bis wir endlich ankommen?“ Mark drehte sich kurz um, der Wald noch immer unverändert im Hintergrund, während Jin wie ein großer Schatten hinter ihm thronte und seine Finger nicht von ihm lassen konnte. „Und hör auf mich dauernd zu stoßen!“ „Wieso sollte i…“, begann Jin, im nächstem Moment harsch von einem Geräusch wie kratzen auf Glas unterbrochen. Mark zuckte dabei zusammen, hielt sich eine Hand gegen das Ohr, als dieses furchtbare Kreischen langsam tiefer wurde und er eine Sinn dahinter erkannte, eine Stimme sagen hörte: „Ich! Die größte Kostbarkeit hat ihn aufgespürt. Er komme freiwillig mit mir mit, oder er werde von mir zerteilt, alsbald. Wolle er nicht, dann werde er sehen, wie sein Gefährte in tausend Stücke zerbreche, ohne Hoffnung zerfalle. Sie haben beide keine Möglichkeiten mir zu entkommen, er wisse noch nicht, dass ich unbesiegbar sei.“ Inzwischen hatte er sich zu der merkwürdigen Stimme umgedreht, starrte nur immer wieder blinzelnd auf diese Gestalt, die in allen Farben leuchtete und dabei doch merkwürdig farblos schien, bis auf ein paar Einschlüsse makellos. Mehr als ein „Häh?“, brachte er nicht heraus, abgelenkt von dem blitzenden Etwas, dessen Konturen nur verschwommen erkennbar waren und das ihn entfernt an Diamanten erinnerte. In dessen vermutetem Gesicht leuchten irgendwo zwei kleine rote Flecken. Es bewegte sich nicht, verlagerte nur scheinbar seine Masse immer weiter hin und her, nach vorne, bis das Bein sich Stück um Stück nach vorne geschoben hatte, und ihm näher kam. Aus purem Reflex griff er kurz zum Gürtel, fühlte, wie er sich löste und um seinen Arm schlang, bevor er ihn vor seine Brust hob. Seine Müdigkeit wich im gleichen Augenblick einem warmen Gefühl, dass durch seine ganzen Brust raste und seinen Kopf leerte. „Er sei ein unfähig Wesen, während ich so unendlich klar und rein sei, so unzerstörbar. Und jetzt werde er bezahlen für seine Bemühungen, werde zerteilt und dann übergeben denen, die mich ehren werden. Den garstigen Wind, den Typhon werden wir in Stücke reißen und er werde nichts dagegen tun können“, knirschte es wie Glas, wie Reiben tausender Steine aufeinander, als sich alles verschob. Teile wanderten, die Hand verformte sich mit jeder Sekunde immer mehr, Staub bröselte, rieselte zu Boden, bis schließlich zwischen dem Staub eine Sichel zu erkennen war, die sich immer weiter nach vorne streckte. „Nein…noch ein verrückter“, seufzte Mark, die Augen weit aufgerissen, als die Waffe sich plötzlich beschleunigte und auf ihn zuraste. Aus Reflex, purem Instinkt heraus, hob er die Hand, ballte seine Finger zu einer Faust, zog seinen Arm zurück, um ihn dort zitternd zu halten, zu halten, bis er etwas blaues auf der Seite an sich vorbeirasen sah. Genau in dem Moment löste sich all die Spannung und seine Faust schnellte durch die Luft. Wie in Zeitlupe sah er sie fliegen konnte sie nicht mehr steuern, riss die Augen auf, als ein Zug ihn nach hinten riss und er sein Ziel verfehlte. Doch etwas löste sich von seinem Arm, flog in einem anderen Winkel weiter, flog neben dem blauen Band her, das gerade an dem blitzenden Wesen abprallte. „Hah, bezahlen er werde, mir unterliegen…“, triumphierte der schimmernde Dschinn, der Mund nur durch das merkwürdige Glitzern, das Verschieben der einzelnen Elemente erkennbar, bis alles stoppte. Die roten Flecken wurden immer größer, weiteten sich Tropfen gleich, und schienen nach unten zu rinnen, wohin Marks Blick folgte. Das Lächeln vor Erstaunen konnte er nicht mehr zurückhalten, als er seinen Gürtel sah, der sich mitten in die Brust gebohrt hatte, dort festgehakt verweilte und um den herum das Glitzern einem fahlen Schwarz gewichen war. Staub rieselte hinunter, kleine Stückchen brachen aus und fielen wie Kohle zu Füßen des erstarrten Wesens. Es bewegte den Kopf langsam, verlagerte die Hand nach unten, bis es den Eindringling erfasste. Fest packte es zu, zog, zerrte, schwankte dabei in allen Einzelteilen und vergrößerte die Wunde mit jeder Bemühung nur beständig. Panik schien das Wesen zu erfassen, sich auszubreiten, das Knirschen immer stärker und deutlicher, das Ziehen ein wildes Wippen, während sich das Schwarz unaufhaltsam ausbreitete. Es ging immer tiefer, bis dieser Dschinn es schaffte und der Gürtel in Marks Richtung flog – nur um sich im letzten Moment um seine Hand zu schlingen und langsam wieder zur Hose zu gleiten, wo der jetzige wieder wich und zur Schleife wurde. „Nein, er werde ni…nic….“, stotterte das Wesen noch einmal, achtete nicht auf die blauen Bänder, die auf es einhämmerten und Brocken um Brocken herausschlugen. Wie ein dicker Schneeregen prasselten die Teile hinunter, fielen davon und höhlten es regelrecht aus, bis es nur noch wankend da stand, eine einzige schwarze Masse. „Ich bin Diamant, ich bin stabil, ich habe eine unbesiegbare Haut, ich bin kein Graphit!“, schrie es schließlich noch ein Mal, bevor ein weiterer Schlag auf es niederging und damit eine Kettenreaktion auslöste. Mit einem Mal schien die Struktur zu versagen und mit einem leisen Knirschen zerbröselte der Dschinn, fiel in sich zusammen wie ein Häufchen Staub, nur um regungslos liegen zu bleiben. Aus Verwirrung hob Mark seinen Zeigefinger, öffnete den Mund, ohne dass er etwas damit tat und seufzte schließlich nur, schüttelte den Kopf und starrte nach vorne. „Ich will gar nicht wissen…“, flüsterte er mehr zu sich selber und umging das schwarze Häufchen, das sich wie ein Staubfleck im Wind hin und her wand. „Hm, mein Markus. Ich glaube wir sind da…“, lenkte ihn Typhon mit einer Berührung auf seinem Rücken, einem Streichen ab, bevor eine Hand neben ihm erschien und seinen Blick nach vorne lenkte. Mark schluckte, rollte schnell die Augen nach oben, um dabei doch nichts anderes als Grau in Grau zu entdecken. Doch das war noch immer besser, als die Alternative, die er für einen kurzen Moment gesehen hatte… „Er war nichts weiter als ein Diamant und findet sein Schicksal durch seine größte Schwäche – seine Eitelkeit, die Eigenschaft, dass er sich ständig überschätzt, ständig. Er wird es wieder tun, das kann ich sehen…“ Auge erklärte das begeistert, kam dabei langsam auf sie zu, ein vorsichtiger Schritt nach dem anderen und ignorierte das Spektakel hinter sich scheinbar genauso zielgerichtet wie Mark. „Du musst wissen, dass diese eigentlich wertlosen Steine glitzern, hart sind und im Inneren doch nichts anderes als Graphit, als Kohle in anderer Form. Nein, so wie ich es sehe“, dabei schwenkte er seine geballte Faust ein wenig hin und her, in der verdeckt das war, was dem Dschinn den Namen gegeben hatte, „ist es nur eine…metastabile Phase. Der richtige Anstoß und…“ Und dann unterbrach ihn ein Grollen: „Wenn du das Ergebnis und die Definitionen, die Begründungen schon hast, dann ist die Gleichung beendet. Also widme dich der anderen Rechnung und füge der Menge noch ein Element zu und…hilf mir!“ Damit und mit den wieder einsetzenden Stößen von hinten, waren all seine Bemühungen umsonst, sein Blick automatisch nach vorne auf den nackten Stier gerichtet, der auf einer seiner Äxte einen Haufen grauer Fetzen balancierte. Inzwischen seufzte er nur noch, war müde und schluckte nur kräftig bei dem wie die Teile zu sehr an einen Arm und an graue Haare erinnerten, die zwischen den Hautteilen eingeklemmt waren. Völlig verklebt wirkte das ganze, wie eine sich windende Masse. „Komm schon, Math. Wie soll ich damit“, dabei schwenkte der blinde Dschinn seine geöffnete Handfläche hin und her, „sinnvoll helfen. Ich sehe nicht das, was ist, sondern das was da ist und wie soll ich damit tragen? Zudem war nicht ich es, der es mit dem ‚Zerkleinern‘ übertrieben hat. Und wie ich sehe, ist das das letzte, was von diesen unsäglichen Dschinns blieb – bis zum nächsten Mal…“ Scheinbar keine Hilfe mehr erwartend, war Math schon ein paar Schritte gegangen, offenbarte damit einen dunklen Fleck, der immer wieder auftauchte. Die Tür wirkte nur noch einladender, als der Halbstier eine seiner Äxte schnaubend an seinen Rücken heftete, sie wieder zu einem Flügel machte, und die andere mit beiden Händen fest umschlang. Ein Fuß bewegte sich nach vorne, während die Arme nach hinten, zur Seite schwangen, die Waffe hinten hielten, bevor sie mit einem lauten Schrei nach vorne raste – und plötzlich mitten in der Luft stehen blieb. Ohne Halt flogen die Einzelteile weiter, in hohem Bogen davon, bis sie irgendwo am Horizont wieder am Boden landen würden. Doch das konnte und wollte Mark nicht sehen. „Definiere erst und beweise dann. Dann wird sich die Gleichung lösen – aber schneller geht es erst, wenn alles sich vereint und mehrere helfen...“ Math schüttelte seine Axt etwas, bevor er sie an seinen Rücken drückte und Auge mit ernstem Blick fixierte. Als dieser nur mit den Schultern zuckte, verschränkte der Halb-Stier die Arme und drehte sich schließlich schnaubend um. Er trampelte in Richtung der blinkenden Tür, rammte bei jedem Schritt seine Hufen mit voller Wucht in die graue Erde und fluchte dabei: „Unsinniges Element, sinnloses Element, Nullelement...“, bis er mitsamt Grummeln in der Öffnung verschwand. „Tja, anstrengendes Gemüt. Dabei kennt er meine kleinen Schwächen doch, so wie ich durch ihn hindurchsehen kann. Und wenn ich es recht erkenne, seid ihr beide müde – merkwürdige Erkenntnis, ich weiß, aber sie entspricht der Wahrheit so gänzlich wie etwas nur kann. Heilung ist etwas, das wohl zehrt.“ Mit den Schultern zuckend und sichtlich ungerührt schloss Auge dabei seine Faust und verbarg damit wieder den Anblick, auf den Mark gerne verzichtete. Ein Stoß lenkte ihn von dem Dschinn ab, der sichtlich amüsiert, mit einem Grinsen im Gesicht, seine Hand in Richtung der Öffnung ausstreckte, und sie immer wieder wie in leichter Winkbewegung hin und her schwang. „Ihr habt einen Schuss…und verarschen kann ich mich selber besser“, murrte Mark, verschränkte seine Arme und blieb wie angewurzelt stehen, nur um der gefühlten Einladung nicht nachzugeben. Seine Lider fielen dabei immer wieder leicht nach unten, viel zu schwer, mit Mühe aufgehalten, bis etwas sich auf seinen Bauch legte. Ohne Zeit zu reagieren, verschwand der Boden unter seinen Füßen, schwankte seine ganze Welt in der starken Umarmung, die ihn an einen Körper presste, seinen Rücken so vollständig berührte. Irgendwo fragte er sich, wie es möglich war, dass er getragen wurde, ließ seine Augen etwas nach unten wandern, wo sich unzählige blaue Bänder um seine Beine geschlungen hatte, folgte der merkwürdigen Spur seines Gürtels, der sich nach oben wickelte und um den Nacken seines Dschinns zu liegen kam. Unfähig viel zu machen, zu müde und durch den Kampf gegen seine viel zu schweren Lider abgelenkt, grummelte er nur ein paar Flüche und zerrte ein wenig an seinem verräterischen Gürtel. Mit jeder Sekunde fielen seine Augen ein Stück mehr zu, das Ziehen die einzige Ablenkung von dem merkwürdigen Gefühl von Sicherheit, das er in diesen Armen und durch das leisen Flüstern sinnloser Worte in sein Ohr hatte. Zumindest schien es sinnlos, bis er die Öffnung vor sich sah, sein hin und her schwingendes Bein schon halb darin verschwunden. Da hörte, glaubte er ein leises „Mein Paradies…“, zu verstehen und schüttelte ungläubig den Kopf, genau in dem Moment, als die große Kugel das ewige Grau ablöste. „Oh, was sehen meine geschundenen Augen, die Tore zu meiner hypothetisch vorhandenen Seele hier? Seht, Freunde, seht, Kollegen diesen glorreichen Anblick unseres Führers, der seinen Ruf tapfer verteidigte…“, meldete sich auch gleich Wolke zu Wort. Dabei lag der Dschinn auf dem Rücken auf seiner jetzt sehr langen Wolke, stützte seinen Kopf auf einer Hand ab und ließ die Beine über den Rand baumeln. „Oh, manchmal ändert die Realität die Regeln und manchmal ändern die Regeln die Realität. Oder für Tauros verständlich: Blödes Feld habe ich berührt. Anders bin ich geworden…“ Leise kichernd wich Wolke elegant dem Faustschlag des angesprochenen Halb-Stiers aus, der nur auf gewässerte Luft traf und zwischen Knurren: „Blöde Wolke ist nicht intelligenter geworden“, hervor presste und das Gleichgewicht verlor. Tauros taumelte ein wenig, bis seine Faust auf die graue Wand krachte und er brüllte, sich schließlich umdrehte und an der Mauer herab rutschte, nur um seine Mundwinkel tief nach unten zu ziehen und die Arme zu verschränken. Augen geschlossen ignorierte der Stier alle weiteren Versuche von Wolke, ihn anzusprechen beharrlich. „Wo ist Morgan?“, unterbrach Jin die ausgelassene Stimme mit einem eigenartigen Tonfall und ließ Mark so plötzlich los, dass er ein wenig schwankte. Verwirrt schaute er sich um, entdeckte dabei den Gesuchten genau in dem Augenblick, als auch schon eine ganze Batterie an blauen Geschossen an ihm vorbeirasten und sich wie Lianen um Morgan wickelten. „Auf Grund deiner Unfähigkeit, auf Grund deines Verrats wäre mein Markus fast in die Hände der Regas gefallen. Dafür wirst du bezahlen.“ Jedes Wort triefte nur so von Hass, unterstützt von dem Röcheln dem leisen Knirschen, das diese sich immer stärker zuziehenden Bänder auslösten. Es schien als wäre Morgan in einem Netz gefangen, seine Gliedmaßen weit auseinander gestreckt, gezogen als wollte ihn Typhon Vierteilen, während sich der Mund immer wieder öffnete, bis endlich etwas herauskam. „Ich…habe…nicht…verraten“, kamen die Worte ständig unterbrochen, das Band um den Hals immer wieder enger, „ich wurde zerteilt…unfähig…“ Dabei flatterte der zerschlissene Mantel scheinbar als Unterstützung hin und her, spiegelte darin nur Typhon wieder, bis Mark sich plötzlich darin erkannte, er den Blick hochriss und blaue Augen ihn anschauten. Immer trüber wirkten sie, flehentlich. Bevor er selbst noch etwas herausbekam, fühlte er wie sich sein Gürtel um seine Hand schlang, um sich gleichzeitig mit den Worten „Hör auf“ um Jins Handgelenk zu wickeln. Ohne, dass er etwas tun konnte, ohne es zu steuern, riss das Band, lenkte damit alle Aufmerksamkeit, alle Augen auf ihn. Er schluckte, als schließlich Gold in seiner Wahrnehmung aufblitzte. „Ich“, rang er um Atem, um Worte im Angesicht Typhons, das Röcheln ein merkwürdiger Hintergrund, „ich will nicht mehr. Nicht mehr das…“ Dabei zog irgendetwas, vielleicht er selbst, wieder an dem Gürtel, am Handgelenk, zog seinen Typhon beständig näher zu sich. Er fühlte wie der warme Atem sich ihm immer mehr näherte. Irgendwie rasten dabei Gedanken an Nähe, an Berührung, an Schlaf durch sein Gehirn, die er so schnell wie möglich wieder ausstampfte. Gerade schienen sich die blauen Bänder ein wenig zu lockern, hingen etwas durch. Seine Augen blinzelten immer schneller, immer schwerer vom Fallen abzuhalten, während er die Hand langsam ausstreckte und seine Finger bei dem ersten Kontakt mit der Haut zitterten, sich zaghaft um den Arm schlossen. Ganz leise flüsterte er: „Lass das, ich habe genug, ich will schlafen und ich will keine kullernden Köpfe mehr sehen. Das hier ist dumm, bringt nichts und schließlich war ICH gefährdet und ich glaube ihm. Also bitte…“ und versuchte dabei so flehentlich wie möglich zu schauen, ohne es zu meinen. Und dann sah er sie fallen, sah wie die blauen Bänder wieder zurückrasten und Morgan auf den Boden sank. Marks Bild in dem Mantel war dabei in eine so strahlend goldene Aura gehüllt, übergroß, so hell, dass er geblendet wegschauen musste. Erleichtert stieß er Atem aus, den er nicht angehalten hatte, sah, wie sich sein Gürtel löste, seine Finger aber beharrlich auf dem Arm liegen blieben. „Danke.“ „Das war ein Wunsch, eine Bitte, mein Markus und du weißt ja…“, kam es im gleichen Moment, in dem das Lächeln wieder erschien und ihm einen freudigen Schauder über den Rücken jagte. Hände fühlte er dabei und den Druck, den Zug hin zu seinem Dschinn. Er konnte schon in jeder Faser das Prickeln spüren, dieses freudige Zittern, noch bevor die Berührung kam, noch bevor er in dieser starken Umarmung landete und sein Kopf sich gegen die Brust presste. Duft umströmte ihn, als seine Finger sich endlich lösten und sein Arm sich von hinten nach vorne bewegte, an der luftigen Kleidung entlang streifte und jeden Moment genoss. Es schien ihm wie der Himmel, alles vergessen und nur der Wunsch nach so vielem und so wenig übrig. Schließlich merkte er, wie seine Arme sich um seinen Jin schlangen, die Umarmung erwiderten und zogen. Warm, schön und so angenehm war es, alles so wie es sein sollte. Alles schien perfekt, bis ein leises Räuspern ihn aus dieser Stimmung riss. „Was?“, grummelte er unzufrieden und bemerkte, wie bis auf Auge alle betreten versuchten nicht zu starren – was ihnen nicht so ganz gelang. Dabei glühten Marks Wangen in Bruchteilen von Sekunden auf und er versuchte sich noch tiefer in die Umarmung zu flüchten, während er Jins folgende Rede durch das Heben und Senken des Brustkorbs mehr fühlte als hörte. „Ihr wisst, was ich will und…ich will meine Ruhe. Also alle raus hier. Sofort!“, kam der Befehl abgehakt. Selbst ohne aufzusehen merkte er, dass keiner dem folgte. Schweigen, bis sich als erstes Tauros meldete: „Draußen Krieg. Ich will nicht mehr raus.“ „Verzeih, aber wir wollen alle nicht mehr die Sicherheit verlassen, nicht in diesem Moment, in dem die Wogen der Schlacht immer wieder aufbrechen und auf jede Welle die nächste folgt. Du weißt genau, was uns dort ohne Schutz erwartet und im Gegensatz zu dir, können wir dieser Welt nicht entfliehen – nicht einmal mit Schlaf“, trug Wolke unter zustimmendem Gemurmelt bei, unterbrochen von Jins: „Raus!“ „Verzeih auch mich, aber ich sehe es: Dein Mensch ist müde und auch du kannst es gebrauchen. Also bitte lass uns hier verweilen und ich bin sicher die Stimmung ist dem Ereignis folgend wieder weit ausgelassener und du kannst deine Gelüste besser ausleben“, argumentierte auch noch Auge. „Dann sogar noch deutlich besser, weil dein Mensch, dein wertvolles Juwel, dein Paradies dann mit voller Kraft starten kann. Also…bitte stimme ihn um, Markus, nein Mark, verzeih.“ Mark zuckte kurz zusammen, spürte, wie sich die Umarmung langsam löste, verstärkte seine nur und seufzte. Kurz überlegte er, schloss die Augen und schluckte, bevor er sich selbst einen gefühlten Dolchstoß versetzte. „Ich will nicht noch mehr Gemetzel und ich würde gerne mit dir schlafen…“, fing er an, stoppte dann noch röter im Gesicht und stotterte kurz wild, sichtlich versucht sich auf die Zunge zu beißen, „schlafen…wie…wie…also…zum Henker, also das andere schlafen können wir nachher machen. Ich bin im Moment zu müde und ich will nicht nachher noch mehr rollende Köpfe und Fetzen sehen…“ Kurz stoppte er und starrte in Richtung der Dschinns, die ihn gerade so dermaßen dazu zwangen sich bloßzustellen. „Und sie werden sicher nicht schauen, sonst…“, drohte er leise, genervt. Gleich darauf legte sich etwas unter sein Kinn, hob seinen Kopf an und zwang ihn dazu in goldene Augen zu starren, zu schlucken, als er diese Mischung aus Lust und Freude erkannte. „Mein Markus. Nun gut, wie du wünschst. Es scheint mir vernünftig, besonders wenn du mir danach mehr bieten kannst, so viel mehr…“ Mark öffnete schon seinen Mund, wollte etwas sagen, ohne mehr als „Perverser“, zu schaffen. Denn schon im nächsten Moment fühlte er, wie er nach vorne kippte, wild strampelnd und schreiend die müden Augen noch einmal aufriss, bevor er auf dem Boden landete - viel zu weich landete. In einer eigenartigen Pose, Brust an Brust und die Arme noch immer umeinander geschlungen wurde sein Sturz von Händen, von einem weichen Körper abgefedert, bis er sich am Ende fühlte, als ob er auf einem Bett lag. Er starrte, starrte noch immer in Jins Augen, die ihn jetzt förmlich anlächelten, den Gesichtsausdruck nur noch unterstützten. Finger strichen beharrlich über seinen Allerwertesten und er spürte eine kleine Härte unter sich. Blinzelnd versuchte er das ganze in seinem langsamen Gehirn zu verarbeiten, wartete, wartete, bis es laut klickte. „Perverser…“, murrte er wieder, seine Wangen inzwischen sicher im Bereich einer Tomate, lockerte seinen Griff und ließ sich mit vollem Gewicht zur Seite fallen, um im beim ersten Kontakt mit der Erde demonstrativ seine Augen zu schließen. Finger strichen gleich über seine Haare, wanderten zu seinen Wangen und über seinen Hals, während der Arm, der sich immer enger um seine Hüfte schlang, ihn näher zu seinem Jin zogen. Sein Kopf schien sich zu heben, legte sich gleich darauf auf etwas weiches, das sich hob und senkte, leise klopfte und damit etwas auslöste. Müdigkeit flutete durch ihn und er murmelte nur noch leise „Perverser“, lächelte dabei kurz glücklich. Er fühlte, wie seine Lider völlig aufgaben, sich fester schlossen und der Druck wich. Es schien als ob der warme Hauch über seinen Kopf ihm den letzten Funken Kraft raubte. Mit einem letzten Griff nach vorne, auf etwas weiches, langes, völlig sicher, schlitterte sein Verstand in Dunkelheit – in eine selige Ruhe. „Nein. Wir werden den Schatten jetzt noch nicht besetzen. Auge glaubt, dass das eine schlechte Idee ist. Morgan hat die Wache inne und wird sich diesmal sicher besser schlagen, da Zyklo nur noch verschwundener Rauch ist“, hörte er irgendjemanden aufgeregt reden und wand sich in seinem kuscheligen Bett. Ein merkwürdiger Druck machte es ihm unmöglich auch nur eine Sekunde ruhig liegen zu blieben und er drückte die Beine zusammen. Langsam öffnete er die Augen, blinzelte, als ein roter Blitz den ganzen Raum erfüllte und seinen Verstand kurz ablenkte. Doch es war nicht lang genug. Schneller als ihm lieb war, wurde ihm die ganze Umgebung, die halbe Umarmung durch seinen Dschinn bewusst – eine Umarmung, die ihn sicher schwach erscheinen ließ, wie ein Mädchen. Und zu allem Überfluss klopfte in seinem Bauch das dumpfes Gefühl, ein Druck, der dringend hinaus wollte. „Keine Sorge, Mark, wir glauben alle sicher nicht, dass du ein Mädchen bist“, erklärte ihm Auge beruhigend und bescherte ihm damit eher ein mulmiges Gefühl, „denn es ist kaum zu übersehen, dass du ein Mann bist. Und was das Bedürfnis angeht, so würde ich dir raten es hier zu erledigen…wir schauen auch alle weg.“ Damit wurde es ihm schlagartig klar. Er löste sich von dem Arm, der unter seinem Rucken lag, richtete sich vorsichtig auf und starrte mit weit geöffneten Augen den blinden Dschinn an. „HIER? Hast du einen Schuss? Wo ist denn hier ein Klo?“ Verständnislose Blicke begegneten ihm bei dem Wort, Wolke kicherte. „Toilette? WC? Scheißhaus?“, versuchte er es noch einmal, trappelte dabei von einer Seite zur anderen, um den immer stärker werdenden Drang noch zu unterdrücken. Doch niemand gab ihm eine Antwort, ratloses Schweigen mit Kichern gemischt alles. Mehr als sich umzuschauen, blieb ihm nicht. Trotz seiner Bemühungen in diesem Raum etwas zu finden, wenigstens eine unbeobachtete Stelle, entdeckte er nichts, aber auch rein gar nichts. Langsam presste er die Zähne aufeinander, schwankte hin und her, drückte seine Schenkel zusammen, um den drohenden Ausbruch zu verhindern, der jetzt immer deutlicher brodelte. „Verdammte Scheiße, ein Klo, ich will ein Klo!“, fluchte er, alle Muskeln angespannt und fauchte schließlich den kichernden Wolke an: „Lach nicht so. Ich will…“ „Mein wehrter Mensch, natürlich willst du auf die Toilette, die es hier logischerweise nicht gibt. Aber wir sind hier alle ziemlich unfähig etwas bei deinem Geburtsgegebenen Anblick zu empfinden, falls du Angst hast so erotisch zu sein, kann ich dich bezüglich unserer Fähigkeiten dazu wirklich beruhigen“, erklärte dieser mit einem deutlich verschmitzten Unterton und brachte ihn dazu, die Augen zur Decke zu rollen, die Zähne noch stärker zusammengebissen, „und schließlich bist du doch ein Mann, nicht? Also wovor hast du Angst? Du könntest dich zwar in die Kugel entleeren, aber dort werden wir dich genauso gut sehen und ich denke du könntest ein paar Probleme haben das Wasser danach zu trinken…und die Reste deines Geschäfts werden in dieser Welt nicht bestehen und sofort vergehen – in ihre Elemente zerlegt.“ „Länger solltest du nicht warten. Typhon wacht auf. Gleich wacht er auf.“ Tauros deutete mit seiner riesigen Pranke von Hand in Richtung des Dschinns und sein Blick folgte. Die großen goldenen Augen starrten ihn an, gaben ihm kurz das Gefühl beobachtet zu werden. Er blinzelte, wartete, während sich nichts rührte und er leise, vorsichtig ausatmete, um diesen friedlichen Anblick nicht zu zerstören, nur um am Ende wieder von seinen Bedürfnissen abgelenkt zu werden. „Ich…“, begann Mark, versuchte jetzt nur noch still zu stehen und das eigenartige Gefühl in seinem Hals zu ignorieren, ohne es zu schaffen. Er musste, jetzt. „Scheiße, zum Henker, verdammte scheiße. Dann dreht euch gefälligst um“, presste er zwischen seinen Zähnen hervor, konnte die Anspannung nicht lösen und fauchte beinahe, als sich keiner bewegte. „JETZT!“, brüllte er, biss sich bei der leichten Bewegung Jins auf die Zunge. Im nächsten Moment fühlte er, wie seine Hose anfing zu rutschen, seine Augen hinunter rasten und seine Hand folgte. Gerade noch erwischte er den Stoff, hielt ihn noch auf, bevor sein wertvollstes Stück vollständig zu sehen war. Der Gürtel schwang wild auf der Seite hin und her, zerrte an seinen Fingern, als ob er den Griff lösen wollte, bis er dieses störrische Ding mit letzter Kraftanstrengung mit seiner Hand ergriff, daran zerrte, ohne großen Erfolg. Als er schließlich aufschaute, hatten sich die Dschinns allesamt umgedreht. Bazil hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere, murmelte „Schnell, Schnell“, während der Rest wie gefroren da stand. Damit gab er seinen Widerstand auf. Der Gürtel glitt im gleichen Augenblick aus seiner Hand, wie die Hose zu Boden fiel und er sich hinhockte. Momente musste er warten, die Spannung zu groß, bis er es endlich wie eine Flut spürte. Seine Augen flatterten, als er den Druck weichen fühlte und die Anspannung aus seinem ganzen Körper floss. Das mulmige Gefühl in seinem Hals wurde rasant mitgespült, mitgerissen, bahnte sich den Weg hinaus. Kühle, wunderbare Leere erfüllte ihn dort unten und als er die letzten Tropfen fühlte, wusste er, dass es zu Ende war, schaute hinunter, in voller Erwartung einer weniger schönen Bescherung. Doch da war nichts, gar nichts. Das letzte bisschen Flüssigkeit, dass aus seinem Körper wich, schien für einen Moment in der Luft zu schweben, bevor sie verpuffte, ganz wie ein Dschinn der sich auflöste. „Was?“, murmelte er wie so oft in dieser Welt und sah zu seinem Erstaunen, wie sein Gürtel sich selbstständig machte und die Hose hochzog, bevor er noch einen Gedanken daran fassen konnte. „Hatte ich das vergessen, Mark? Dann sollte ich das wohl nachholen.“ Auge fixierte ihn, die Seen in der Mitte seines Gesichts unruhig. Mark registrierte irgendwie, wie sein Gürtel sich gerade schloss, während er seinen Blick nicht von dem Dschinn lösen konnte. Dabei hatte er eine Vorahnung, oder eher etwas das wie eine Mischung aus einem Déjà-vu und einem kalten Kribbeln war. „Dschinns sind nichts anderes als Wasser, Erde, Feuer und Wind und wenn sie ihre Form außerhalb der Elemente verlieren verschwinden sie in das große schwarze Nichts. Alles verschwindet, sobald es pures Element ist, jedes Element, ob Dschinn oder nicht…deswegen hättest du dir auch wegen dem freien Wasser keine Sorgen machen müssen…“, setzte Auge nahtlos fort und öffnete seine geballte Faust dabei öfter, ohne eine Reaktion auf den jetzt hinter ihm thronenden Math zu zeigen. „Aber wenn wir schon bei ‚Vergessen‘ sind“, fing jetzt auch noch Wolke an und legte sich rücklings auf seine flauschige weiße Unterlage, die im Moment eher wie ein Bett wirkte, „da wäre noch etwas…“ In wenig freudiger Erwartung grummelte Mark: „Lieber nicht…“, und starrte kurz zu Typhon, der sich noch immer nicht rührte. „So wie ich es empfinde, so wie er sich dir gegenüber verhält, bleibt kein Zweifel: Typhon liebt dich und das solltest du klar wissen…“, überfuhr ihn der tropfende Dschinn mit der Aussage so vollständig, dass er nur mit weit aufgerissenem Mund und großen Augen da stehen konnte. Seine Finger hingen nutzlos herunter, seine Wangen kitzelten und sein Körper schien ihm kurz nicht zu gehorchen. Und dann dämmerte etwas und er ballte Fäuste, bis sich Nägel in seine Haut bohrten. „Ich will nicht…ich will nicht, dass ihr von mir wissen wollt…“ Seine Antwort ging in einem halben Stottern unter, im Schütteln des Kopfes, während er hoffte, von den Blicken befreit zu werden. „Gleichungen sind nützlich, aber eine Gleichung hat immer zwei Seiten“, fing Math trocken an, eine Hand auf Auges Schulter abgestützt, „wenn du eine Seite veränderst, veränderst du beide. Es erfordert immer eine gleich große Operation, um die Richtigkeit zu bewahren. Tust du das nicht, dann veränderst du und lässt es nur noch eine Abschätzung, eine Grenze sein, die nicht mehr gleich ist.“ Mark starrte, ohne viel zu verstehen, bemühte sich gerade noch weniger zu verstehen. Seine Augen zuckten zur Seite, wo Jin lag, sein Arm zuckte in die Richtung. „Und an einer Seite muss man ansetzen…“, führte Math weiter aus, verstummte dann. „Das versteht doch wieder keiner. Drücken wir es lieber einfacher aus…“ Wolke schien nahtlos in diese Ausführung einzusetzen, wurde dann kurz von Auge und einem „Lass ihn. Er weiß es doch“, unterbrochen zu werden, das er ignorierte. „Du hast die Umgebung und dich selbst – die zwei Seiten einer Gleichung, die doch zusammenhängen. Entweder deine Umgebung ändert sich und damit du selbst, was nicht unbedingt immer wahrscheinlich ist, wie du an unserer Welt siehst, oder du änderst dich und zwingst damit alles um dich herum dir zu folgen. Also ä…“ Kopfschüttelnd, die Fäuste geballt, zitternd, schaute Mark auf, die Zähne fest zusammengebissen. „Halt den Mund“, unterbrach er den Dschinn, ein wütender Blick im Gesicht und rollte dann mit den Augen. „Ich habe die Nase voll, völlig voll davon. Wieso will mich immer jeder belehren, mir gute Ratschläge geben, die ich nicht brauche? Jeder will mich mit dem Holzhammer dazu überreden, Jin meine Liebe zu gestehen. Wenn ich diesem perversen, brutalen Dschinn, der mich zum Wahnsinn treibt und scheinbar irgendwie ständig in meine Gedanken schleicht, ohne dass ich ihn auch jemals wirklich dafür hassen kann und mir sogar Sorgen um ihn mache…Wenn ich ihm etwas sagen will, wollte, dann tue ICH es FREIWILLIG und wann ich will“, hallten seine Worte in seinen Ohren wider und brachen immer tiefer in seine Gedanken, ohne ihn zu beruhigen. Etwas brodelte noch dort, wollte hinaus, klopfte gegen seine Schläfen, hämmerte immer fester. „Danke, ich bin vielleicht stur, habe Angst, aber ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass ich Jin, Typhon, liebe. Und wenn er von euch jemals irgendetwas in die Richtung hört, finde ich einen Weg euch selbst in dieser Welt umzubringen…“, fauchte er den Rest, stoppte verdattert und ließ seine Zähne mit einem lauten Krachen aufeinanderprallen. Leere rumorte in seinem Kopf, angenehme Stille. Langsam tropfte Erkenntnis in seinen Kopf und wider Erwarten fühlte er sich dabei seltsam befreit, glücklich. Die meisten Dschinns waren noch erschreckter als er, ungläubige Blicke trafen ihn, offene Münder und in der Bewegung gefrorene Köper waren eine Genugtuung für ihn. Er wollte schon lächeln, bis etwas in seinem Nacken kratzte, an seinen Schläfen drückte. Panisch riss er die Augen auf, drehte sich zu Jin um, wartete, schaute, ohne eine Bewegung zu erkennen. Erleichtert stieß er wieder Atem aus. „Oh“, schien sich Wolke als erster wieder zu fangen, lag dabei wie versteinert auf seiner Wolke und bekam scheinbar nicht mehr heraus. Die unbeschädigte Mundhälfte war das einzige, das sich bewegte, irgendwo zwischen einem Lächeln und einem ernsten Ausdruck gefangen, nur um sich schließlich für Ersteres zu entscheiden. Tauros trampelte ein wenig unsicher von einem Huf zum nächsten, nur um sich dann völlig überraschend zu verbeugen. Ein Arm vor die Brust gehalten, schwankte er dabei ein wenig, bevor er sich wieder aufrichtete und dabei etwas sagte: „Mensch ist gutes Wesen. Typhon hat Unterhaltung und Glück. Und du bist intelligent…“, und ihn damit sprachlos machte. Auf das hatte er keine Erwiderung, fühlte sich nur besser, ein Lächeln an seinen Mundwinkeln ziehen, während das betroffene Schweigen, das folgte, laut in seinem Kopf widerhallte. Mehrmals versuchte er sich nach einem Räuspern zu irgendeiner Reaktion zu überreden, ohne Erfolg damit zu haben. Und dann schreckte ihn eine Stimme, eine viel zu bekannte Stimme hoch: „Man könnte glatt glauben, ihr hättet etwas angestellt…“ Jin saß da, halb aufgerichtet und lächelte ihn an, lächelte ihn so an, dass er das Blut schneller pulsieren fühlte. Unglaublich elegant richtete sein Typhon sich auf und kam Schritt für Schritt näher, schwebte schon beinahe über den Boden. „Keine Angst, mein Markus, ich habe nichts gehört…“, hörte er ein leises Flüstern, das ihn ablenkte, doch nicht lang genug. Mark riss die Augen auf, sein Hals schnürte sich zu und er schluckte hart. „Scheiße.“ Mehr brachte er nicht heraus, fühlte wie das Drücken und eine Wärme in ihm aufstieg. „Das…das war nur ein Sch…“ „Sollte ich etwa etwas gehört haben?“, fuhr ihm Typhon ins Wort und legte ihm dabei eine Hand auf die Wange, strich mit den Fingern in Richtung Lippen. Mark blinzelte wieder, ungläubig, staunend, um schließlich den Knoten hinunterzuschlucken und vehement mit dem Kopf zu schütteln. „Ne…Nein, nichts…“, stotterte er unter den wachsamen Augen seines Geliebten, versuchte die Wahrheit zu verbergen, „…wir haben nur…nur…geredet. Und…Klo…so…“ Und wollte sich im nächsten Moment dafür schlagen, dass er sich nicht beruhigen konnte, sich fast in die Hand lehnte, die Hitze verbreitete und doch so angenehm war. „Meine lieben Mitdschinns“, fing eine Ansprache an, die ihn gleich frösteln ließ, „wollt ihr nicht etwas erzählen?“ Darauf schienen sich alle nur umzuschauen und auf die Decke zu starren oder mit den Füßen zu scharren, während Typhon ihm mit dem immer wieder nach oben zuckenden Mundwinkel ein stetig stärkeres Gefühl, eine ständig wachsende Mulmigkeit bescherte. „Oder doch du, mein Markus?“, wandte sein Jin sich plötzlich wieder um, eine Hand jetzt in Marks Nacken, zog ihn, zog viel zu stark hin zu den Lippen. Viel zu sehr kribbelte es, zog ihn an und nahm ihm jeden Blick auf die Seite, ein einziger Tunnel aus Gold vor seinen Augen, bis er sich auf die Zunge biss. „Du Perverser…“, fasste er sich wieder. „Du hast mich gehört…du Arschloch hast dich schlafend gestellt…“ Seine Hände schossen nach vorne und er ergriff die Kleidung, zerrte seinen Dschinn zu sich. Dabei kam langsam etwas in sein Bewusstsein, eine Erkenntnis, die er nicht haben wollte: Da war keine Wut… „Nein, mein Markus. Ich weiß nichts, was ich nicht wissen sollte…“, kam die Antwort, die ihn beruhigte und ihm doch egal war. Alles was er noch sah, waren die Lippen, fühlte, wie er zog, wie magisch angezogen wurde und die Kleidung in seine Richtung zerrte. Zum Schweigen bringen, irgendwen, irgendwie. Sanfter Wind blies um seine Haare, strich über seine Wangen und berührte seinen Mund. Es kribbelte so wunderbar und er wusste, dass er nur noch einen Hauch entfernt war, einen einzigen Hauch von dieser Wärme... Kapitel 20: Veränderung ändert ------------------------------ Veränderung ändert Näher, immer näher kam Typhon, bis Mark schon die erste zarte Berührung fühlte, der stetige Schlag seines Herzens auf und ab sprang. Seine Lippen waren ein einziges Kribbeln, von Wärme durchflutet, von diesem Pochen erfüllt, sehnten sich so sehr. Doch gerade als seine Augen sich flatternd schlossen, schließen wollten, hallte ein lautes „Halt“ durch den Raum, hallte so laut, dass er inne hielt. Wie gefroren stand er da, mitten in der Bewegung verharrt, blinzelte und schaute schließlich in Richtung des Störenfrieds, der diesen Moment mit einem weiteren: „Herrje, lasst euch nur nicht stören“, endgültig zerstörte. Seine Hände verkrampften sich bei den Worten und nur mit Mühe konnte er mit seinen fest zusammengebissenen Zähnen seine gemischten Gefühle hinunterschlucken, einen großen Brocken hinunter pressen. Doch das war nicht alles. Sein Typhon lockerte die Umarmung, bewegte sich von ihm weg, bewegte diese wunderbare Wärme, diesen Schutz von ihm weg und ließ ihn mit den pochenden Wangen, den kribbelnden Lippen hilflos fast allein, ließ ihn halb ignoriert da stehen. Mark seufzte, schaute auf, und entdeckte selbst ohne den Augenkontakt die Wut, den kochenden Zorn, der sich jeden Moment gegen den Eindringling richten würde, gegen Lucive. Dieser hatte all seine Aufmerksamkeit gerade auf Morgan gerichtet, der vehement den Kopf schüttelte und sich schließlich mit einem „Nein“ umdrehte. Noch bevor er zwei Schritte machen konnte, schoss ein Arm des Engelsdschinns vor, riss den ihn jetzt spiegelnden Dschinn beinahe von den Beinen. „Bist du wahnsinnig? Das hat nichts mehr mit Spaß zu tun, sondern mit purem Gehorsam.“ Verständnislos zog Lucive an dem Arm, zerrte und erntete doch nur einen traurigen Blick. „Ich muss. Für meinen Fehler muss ich büßen, für meinen Fehler muss ich einstehen. Ich werde sie aufhalten und diesmal verhindern, dass es passiert“, kam es in einem leisen Flüsterton, kaum hörbar und der Rest des Gesprächs gänzlich verschluckt. Inzwischen spiegelte sich nicht mehr Lucive, sondern Marks Bild in goldenem Strahlen auf Morgan, beängstigend groß und unheimlich. „Er ist nicht so, glaub mir. Das was du tun willst, ist absolut sinnlos. Alles wird sich ändern, alles ändert sich irgendwann – das ist mein Glaube und ich sehe es doch. Also bleib hier, folge der Logik und deinem Spaß und schütze so besser als wenn du leidest. Diese Pest hat....“, versuchte er ihn zu überzeugen, die Stimme drängend, der Griff sichtbar hart, schloss sich immer mehr. Dabei drückte er Morgan langsam hinunter, erkannte die sich langsam lösenden Bänder Typhons ganz offensichtlich nicht, bis Mark seufzte. „Oh“, kam es gleichzeitig mit der Erkenntnis Lucives und einem Lächeln, „ich dachte ihr wärt vielleicht noch etwas beschäftigt. Ich wollte euch nicht stören, also kein Grund mich gleich in meine Einzelteile zu zerlegen – das Vergnügen hatte ich gerade.“ Dabei bewegten er die großen Schwingen, entfalteten sie mit einem Rauschen, bis sie sich wieder schlossen und Mark ohne viel Wahl ein großes Stück in einer ganz anderen Farbe an der höchsten Stelle hängen sah. Er schluckte, hatte eine dumpfe Vermutung, hob seinen Zeigefinger genau in dem Moment, in dem das erste blaue Band an ihm vorbei schoss. Alles ging viel zu schnell. „Lass das...“, konnte er gerade noch schreien, griff gleichzeitig mit seiner Hand nach dem Arm seines Dschinns, während sein Gürtel scheinbar fangen spielte. So schnell wie er nicht schauen konnte, raste das eigenwillige Ding vor, wickelte sich um das blaue Band und riss es nieder, riss so stark, dass Mark einen Schritt nach vorne stolperte und nur von seinem Typhon gehalten noch die Balance bewahrte. „Reden...erst reden vielleicht? Ich habe keine Lust auf noch mehr von diesem...“ Den Rest ließ er unausgesprochen, zeigte auf das noch immer über dem Flügel baumelnde Ding, das wie ein Fetzen Fleisch in der falschen Farbe aussah. Endlich schien sich auch Lucive zu regen, verbeugte sich kurz und ließ seinen Blick zu der angedeuteten Stelle wandern, nur um sich dann noch tiefer zu verbeugen. „Oh, vielen Dank. Das hatte ich schon die ganze Zeit gesucht...“, erklärte dieser sichtlich dankbar, richtete sich auf und flatterte so heftig mit den Flügeln, dass das Stück sich etwas löste und schließlich in hohem Bogen flog – geradewegs auf Mark zu. Alles schien wie in Zeitlupe zu verschwimmen; er duckte sich schnell, hob die Hand, während er den Engel in seine Richtung los sprinten sah. Halb fliegend hechtete dieser vor, streckte seinen Arm aus, schlug immer wilder mit den riesigen Flügeln, die Federn weit gespreizt. Sie krachten fast gegen die Wand, keine Rücksicht auf Verluste, aber dabei schien er trotz allem zu spät zu kommen, bis sich die Finger noch weiter streckten und plötzlich um das Stück schlossen. Genau in dem Moment drehte Lucive seine Flügel ein wenig, rammte seine Beine mit voller Wucht in den Grund und schlitterte so über den Boden, nur um im letzten Augenblick stehen zu bleiben, das Stück Fleisch direkt vor Mark baumelnd. Bei dem Anblick schluckte er und rollte nur noch mit den Augen, unfähig mehr als eine leichte Übelkeit dabei zu empfinden, während der Engelsdschinn das Bisschen nahm und es triumphierend an sein Bein heftete. Es hing etwas hinunter, schien nicht ganz zu passen, löste und rollte sich immer wieder ab, bis Lucive es andrückte und fest mit seiner Hand an die Wunde presste, aufschaute. „Verzeih mir, ich glaube das war nicht ganz das, was es werden sollte. Aber nachdem unser lieber Freund Anachel“, schien der Dschinn den Namen auszuspucken, der Mund nach unten gezogen, „aus einem mir unerfindlichen Grund Scheibchen von mir abschneiden wollte, ist mir diese Kleinigkeit hoffentlich verziehen...ich glaube fest daran.“ „Glaub woanders“, antwortete Typhon sichtlich ungehalten, zog Mark am Arm ein wenig nach hinten, nur um sich dann zwischen ihn und Lucive zu drängen, ihm halb die Sicht zu versperren. „Und verschwinde hier. Du hast dich von uns losgesagt und bist zu den Novarern gegangen, also hast du hier nichts zu suchen.“ Dabei zuckten die blauen Bänder, die von Jins Armen hingen, gefährlich hin und her, schienen sich gerade noch mit dem letzten Windhauch zurückzuhalten. Lucive zuckte nur mit den Schultern, knackte mit den Fingern und wirkte wenig beeindruckt. „Wenn das dein Dank für meine Warnung ist, dann ist er wirklich ganz so wie ich es von dir kenne. Aber trotzdem: Anachel kommt und dieses Mal hat er eine Armee, die ihres Gleichen sucht. Und seit kurzem hat er eine Vorliebe für besonders interessante Foltermethoden entwickelt...also sollten alle hier Schutz suchen und warten...“ Die Warnung schien an Jin abzuprallen und förderte nur ein „Und?“, zu Tage. Mit einem Mal herrschte ein beängstigendes Schweigen, die Lage ernst, schwer wie Blei die nicht vorhandene Luft.. Lucive stand mit verschränkten Armen, Typhon wie versteinert und mit zuckenden Händen da. Als der Engelsdschinn weitersprach, nickten die Anwesenden kaum sichtbar mit ihren Köpfen: „Wieso glaubst du, habe ich damals die Bacarer verlassen?“ In der kurzen Pause erwartete er wohl keine Antwort auf die rhetorische Frage. „Mein Gott – und ja, ich glaube noch immer an etwas dahinter, danach, an etwas größeres oder ein Paradies – nennt sich Bacarer und ist eigentlich ein Verein, der nur einem einzigen Dschinn zu folgen hat. Und dazu ist der Spaß kurz, wenn man in Scheiben geschnitten endet, nur weil du dich als Zentrum der Welt siehst.“ Das war der letzte Tropfen. Im nächsten Moment sah Mark, wie sein Dschinn kurz zitterte, sich gleichzeitig ein Band löste und kurz in der Luft hängen blieb. Keine Sekunde verging, bis er das Blau an sich vorbeirasen sah, sich nach vorne lehnte, seine Finger ausstreckte, vor sich eine Bewegung wahr nahm. Lucive bohrte seine Hand in seine Brust, vergrub sie Zentimeter tief im Fleisch, riss sie so plötzlich heraus, wie er sie versenkt hatte. Doch anstatt wie sonst, wie vorher, kamen die Adern nicht aus einem glatten Schnitt, sondern zerrten an der Haut, spannten, bis sie auseinander brach. Fetzen sprangen davon, bildeten Krater, Berge, segelten durch die Luft und entblößten das Innerste für Alle, ließ es in Spritzern davonfliegen, während die Adern hoch peitschten. Gerade noch im letzten Augenblick prallten die silbernen Fäden auf das blaue Band, wickelten sich darum und drückten es zu Boden, Lucive dabei sichtlich bemüht. Die Zähne klapperten so hart, dass man es wie einen Herzschlag hörte, doch dabei brachte dieser Dschinn trotzdem irgendwie ein: „Spielverderber“, heraus. Es war wie ein Glockenschlag, ein Startschuss, der eine ganze Batterie an blauen Geschossen aus ihrer Verankerung löste, ein Schwirren von Farben. Sekunden schwebten sie, wogten hin und her, gaben Mark so gerade genug Zeit. Irgendetwas drängte ihn, leerte seinen Kopf; seine Beine arbeiteten, doch das war alles. Beherzt schloss er die Augen, sprang nach vorne, hinein in die Bahn der Geschosse und ergriff das einsame Stoffteil, das am Boden lag, ergriff die Adern, die sich viel zu lebendig anfühlten und zerrte daran. Er schluckte, das klebrige, feucht-weiche Ding in seiner Hand ein glitschiges Etwas, das sich in seinen Fingern zu winden schien. „Ihr“, fing er an, schluckte, starrte abwechselnd Lucive und Typhon an, „habt einen Schuss.“ Bei der wenig begeisterten Reaktion, dem leichten Ziehen in Jins Richtung, diesem eifersüchtigen Blick, trat er ein wenig zur Seite, aus der Schussbahn. „Ich habe die Nase voll davon. Habt ihr nichts Besseres zu tun, als zu reden, zu reden und noch mal zu reden und euch dabei ständig die Köpfe ein – oder abzuschlagen? Und MICH dabei zu zwingen, das ganze auch noch anzuschauen und mich damit den letzten Rest Würde und Nahrung zu kosten?“ Er schnaufte wütend, zerrte an den Dingen in seiner Hand. „Ständig stehe ich in der Mitte und niemand fragt MICH, was ich davon halte. Ständig ignoriert jeder, dass ich ein MANN bin und etwas tun kann… Ich will nicht mehr. Mein Leben ist schon so verrückt genug, auch ohne, dass mich ein dutzend Dschinns versucht in die Richtung meines perversen Geliebten zu stoßen, ohne, dass mal wieder ein Kopf an mir vorbeirollt.“ Mark redete, redete sich in Rage und konnte nicht mehr aufhören, warf einen giftigen Blick nach dem anderen zu jedem, der ihn stoppen wollte, der auch nur den Mund aufmachte. Jedes Mal stampfte er dabei auf, rollte bei jedem zweiten Satz mit den Augen und zog immer fester am Band. „Du bist einfach nur ein Perverser, ein brutaler Perverser. Und ich weiß nicht, warum ich…warum ich…egal“, stoppte er sich mit einem Kopfschütteln. „ Kannst du nicht einfach einmal ein wenig warten, bevor du wieder jemanden zerschnetztelst? Oder hast du einen Kopffetisch?“, fauchte er seinen Dschinn an, hörte das Kichern hinter sich und drehte sich so schnell um, wie der konnte. Lucive gefror das Lachen auf dem Gesicht, fiel mit jedem Zerren an den glitschigen Adern immer weiter nach unten. „Und du brauchst gar nicht so zu lachen. Zum Henker, du hast mich zwar gerettet, aber wie kannst du so einen Mist behaupten und von dir geben? Du bist wohl Lebensmüde…nein, masochistisch und ein Idiot. Typhon ist nicht so und…“, wies er Lucive zurecht, stolperte über seine letzten Worte und schaute sich hilfesuchend um, entdeckte nur Schweigen, fühlte, wie etwas in ihm sich zusammen zog bei dem Anblick der Dschinns. „Und was ist mit euch“, fuhr er sie an, fuhr sie alle an und sah ihr Zucken, spürte eine merkwürdige Genugtuung dabei. „Erst stoßt ihr mich zu Typhon und dann lasst ihr ihn einfach hängen? Was zum Henker soll der Scheiß? Wieso soll ich, wieso muss ich mir das alles antun?“ Tränen schwammen in seinen Augen, fielen nicht, zurück gedrängt und verschluckt wie jeder unnötige Ton. „Ihr verdammten Idioten, dann schlagt euch doch die Köpfe ein. Ich hoffe nur, dass ihr dann alle tot bleibt…“ Und damit ließ er sie fallen, ließ das Band und die Ader fallen, stampfte ein paar Schritte weg und starrte nur noch auf die große Kugel in der Mitte. Dabei ignorierte er Lucives Proteste, hörte nicht mehr zu und versank in Gedanken. Ein roter Blitz zuckte im gleichen Moment auf, in dem er etwas fühlte. Etwas berührte ihn, legte sich so schnell um seinen Bauch, dass er nicht mehr davon kam, sein Schritt in der Mitte gestoppt, seine Flucht nach vorne, mit aufgerissenen Augen mitten in der Bewegung gestoppt. Etwas zog ihn, zwang ihn nach hinten an eine Brust. Goldene Strähnen schmiegten sich an seine Wangen, flatterten wieder davon, während ein warmer Hauch ihnen folgte und in seine Ohren drang. „Mein…“, glaubte er zu hören, schüttelte den Kopf. Er biss nur die Zähne zusammen, rieb sie aneinander, bis Knirschen zu hören war. Fester und fester wurde die Umarmung, drückte, zerdrückte ihn fast, brachte ihn dazu seine Finger um die Arme zu legen, zu ziehen, verzweifelt zu zerren, doch ohne Erfolg. „Es ist Unterhaltung“, schnitt im nächsten Moment Tauros Stimme, durch seine Bemühungen, drang in seinen Verstand, der den Inhalt nicht ganz fassen konnte. „Ihr seid verrückt…“, brachte er trotzdem heraus, fühlte dabei, wie die Umarmung sich etwas lockerte, Finger über seinen Bauch strichen, wie um ihn zu beruhigen, und nutzte seine Chance. Er zerrte, zerrte so fest er konnte, drückte sich an diesen warmen Körper und ließ seine Knie nachgeben, rutschte hinunter, immer tiefer, hinaus aus dieser Berührung, bis er den Boden spürte. Dort stützte er sich mit den Armen ab, stieß sich ab und sprang hoch, nur um sich gleich wieder umzudrehen. Seine Finger rasten vor, verkrallten sich in dem blauen Hemd und blieben dann wie versteinert dort liegen. Mark wusste nicht, was er machen sollte, wusste nicht, wieso er das gemacht hatte, schaute sich um und erkannte, dass die anderen nicht mehr still waren. „Das ist, was immer wieder passiert. Diskussionen, hitzige, mit allerlei Argumenten, sind Ereignisse, die man lieber genießt. Also schauen wir, um uns die Beteiligung für das nächste Mal offen zu halten. Denn alles was du getan hast, verliert schnell den Spaß-Faktor…“, begann Wolke, genau in dem Moment, als Marks Blick auf ihn fiel. „Randelemente gehören noch immer zur Gruppe und…“, fing jetzt auch noch Math an, stützte sich auf Auge ab und stoppte dann mitten im Satz, die Augen zusammengekniffen. „…und jetzt weiß Math nicht mehr, wie er es ausdrücken soll. Wir sind am Ende alle Dschinns und wechseln unseren Stand immer ein wenig, damit wir in dieser Einöde ein wenig Abwechslung haben“, setzte Auge fort und klopfte Math dabei mit seiner Hand auf die Finger, die auf seiner Schulter ruhten. „Und uns den Tod zu wünschen finde ich ein wenig hart. Komm schon, wir sind eigenartig, aber du bist es nicht minder. Wie viele Ereignisse, wie viele Anläufe hat es gebraucht, bis du etwas geändert hast? Und das, wo du sterblich bist…und damit beschränkter.“ Mark zog dabei an dem Hemd in seinen Händen, seine Arme zitterten und er biss die Zähne zusammen. Doch dann ging es nicht mehr und sein Mund öffnete sich. „Was? Wieso müsst ihr, wieso muss jeder ständig auf mir rumtrampeln? Reicht es nicht, dass meine Mutter mich für ein Weichei und ein Mädchen halten wird, wenn sie all das erfährt? Reicht es nicht, wenn meine Großmutter mich zum Wahnsinn treibt? Reicht es nicht, dass mein Partner ein perverses Fabelwesen ist…und ich hier noch immer in dieser Hölle bin? Zum Henker, ihr…ihr…Scheißer!“ Mark stampfte mit seinen Füßen auf, schüttelte seine Hände im Gleichtakt mit seinem Kopf und seufzte schließlich, als er Bazil grinsend auf und ab hüpfen sah. „Und lacht nicht dauernd über mich“, schloss er schließlich, als er eine Hand auf seinem Rücken spürte. „Ich wusste gar nicht, wie sehr ich das hier vermisst habe…“ Lucive klang bei diesen Worten entspannt, während er seine Adern wieder in seinem Körper versenkte und die zerklüftete Haut sich darüber anfing zu verschließen. „Also entschuldige, Mensch. Du bist eigentlich ein wirklich unterhaltsames Wesen – und das ist hier so ziemlich das größte Kompliment“, fügte er schnell an, als Mark gerade anfing unter seinen gesenkten Lidern hervor zu starren, „Also…“ Genau da setzte ein Geheul ein, das jedes Wort unterbrach. „Typhon, komm raus und stell dich mir!“, brüllte Anachel von draußen, wirkte als würde er vor der Tür stehen, hämmerte gegen irgendetwas, ohne dass er zu sehen war. Die Hand um seine Hüfte drückte zu, hielt ihn fest und vergrub sich immer stärker in seiner Kleidung, wollte ihn nicht loslassen und gab ihm so gleichzeitig Sicherheit. Marks Augen rasten jetzt von Dschinn zu Dschinn, blieben kurz bei Morgan hängen, der im Schatten des Eingangs stand, fand keine Angst bei irgendjemandem, nur zufriedene Ausdrücke. „Keine Lust…“, war die trockene Antwort seines Dschinns, der ihn nur noch näher an sich zog und Finger an seinen Hals legten. Momente blieben sie dort, eine Wärme um sie herum, ein Kribbeln, das Mark verrückt machte, bis sie anfingen zu wandern und eine Spur mit sich zogen, eine Spur zogen, die seine Hände zucken ließen, seinen Mund öffneten, seinen Atem beschleunigte. Es kitzelte, es war wie tausend feine Berührungen, ein Prickeln in jeder Zelle, das aufflammte und ihn verrückt machte, seine Finger jucken ließ, bis er sie noch fester vergraben musste. Ein leises Stöhnen entkam ihm, übertönte in seinen Ohren das Tosen vor der Tür, die Huster der Dschinns , alles bis auf ein: „Küsschen, Küsschen, Ständer, Ständer“ von Bazil. Mark verdrehte die Augen, wollte schon etwas sagen, doch die Hand wanderte auf seinen Mund, legte sich auf seine Lippen, strich sanft darüber, während Typhon ihm immer näher kam, viel zu nah. Er war unfähig seinen Blick wieder abzuwenden, sein Sichtfeld winzig und nur von Gold erfüllt, alles in einen leichten Schleier gehüllt und doch so klar. Die Finger wanderten weiter, hinterließen ein leises Summen in seinen Zellen, einen süßen Duft, der seine Zunge anzog. Sie konnte nicht mehr anders, schwebte nach vorne, bis sie sich auf die Lippen legte und sanft entlang strich. Die Spitze fing an zu kribbeln, halb taub und doch unfähig aufzuhören, sich von diesem Geschmack zu lösen, wollte nicht mehr weg. Und direkt vor ihm stand die Verführung, er, vergrub die Hand in Marks Nacken, zog ihn immer näher, so aktiv. In diesem Moment klickte es leise in seinem Kopf, ein Pochen unten, dort, so laut, dass es die Erkenntnis fast übertönte. „Nein, nein. Ich bin kein Mädchen. Ich bin ein Mann, ich bin ein Mann, ich bin ein Mann“, flüsterte er heiser, während seine Finger zitterten, sich noch fester in den blauen Stoff vergruben und zogen. Nur noch Lippen im Blickfeld, zerrte er sich mit seinen Armen hoch, hob seinen Kopf, die Augen halb geschlossen, bis er den Hauch spürte und sein ganzer Körper reagierte. Es pochte so stark, dass er kurz vor dem Ziel stoppte, blinzelte. Schlagartig verlor alles seine Bedeutung, alles außer dem hier. Mit einer letzten Bewegung zog er seinen Dschinn zu sich hinunter, streckte seinen Kopf hoch und fühlte die Welt in einer einzigen Berührung versinken. Wie ein Wind blies die Wärme von diesem einen Punkt los, fegte durch seine Lippen und erfüllte alles mit einem Glimmen. Sie wanderte in seine Wangen, floss hinunter, immer tiefer, schwemmte alles mit sich, alles und nichts. Eine Hitze ohne Feuer, kühles Glühen regte sich in ihm, drängte ihn, drängte ihn weiter. Seine Zunge tastete sich vorwärts durch die gefühllose Leere, getrieben, nur um in einem Sturm unterzugehen, als sie endlich ihr Ziel fand, ihren Gegenpart spürte. Mark stöhnte, bewegte sich, vergrub seine Finger noch fester in dem einzigen Halt, zog ihn näher an sich, um mehr davon zu bekommen, mehr von diesem Pochen, das ihn mit jedem Schlag anzog. Doch es war zu wenig. Er löste seinen Halt, schlang seine tauben Arme um den Hals seines Typhon, legte seine Finger ineinander, schloss sie und zog, kämpfte, bis der Kontakt stärker wurde, fast schon schmerzhaft gewiss und er es fühlte, das Hämmern spürte. Unter dem Druck pochte seine Lippe, hämmerte gegen den Widerstand, presste sich so stark an seinen Dschinn wie sein ganzer Körper, der sich verzweifelt auf und ab bewegte, nach Kontakt suchte, seinen eigenen Willen hatte. Dumpf bemerkte er dabei, wie etwas leicht in seinen Bauch stach, ihn an etwas erinnerte, in seinem Kopf widerhallte, nur um schließlich eine Kaskade auszulösen, ein Rasen, ein rasendes Verlangen. Mehr braucht er, mehr, das er nicht bekam. Gefangen in einem Schwindel, wurde seine ganze Welt an den Rändern verzogen, unwirklich, ging in einem Rauschen unter, als er Berührung dort fühlte, dort wo alle seine Nerven zu leben schienen. Genau in dem Moment verschwand alles für einen Bruchteil, wich einem Entsetzen, einem Stöhnen als sein Verstand ein letztes Mal aufblitzte um dann in die Tiefen zu weichen. „Oh…oh. Viel Glück von uns allen...“, hörte er Auge, hasste ihn in dem Moment so sehr für die Ablenkung, ohne den Gedanken lange halten zu wollen. Seine Arme spannten sich an, drückten, wollten mehr von all dem, während er nur noch wie betrunken in den Kuss lächelte und langsam vergaß zu atmen, keinen Atem mehr bekam. Mit einem Schlag wich die Freude einem Entsetzen, purem Schwarz, einem Gefühl wie tausend Nadeln. Er zuckte zusammen, brach den Kuss, riss seine Lider hoch, mit voller Kraft. Seine Augen rasten hin und her, versuchten etwas zu finden, fanden nur seinen Typhon, der kopfschüttelnd da stand und ihn an sich drückte, wie beruhigend über seine Haare strich und doch nicht ablenken konnte. Verzweifelt rang er nach Luft, fühlte seine Lunge immer leerer werden, immer mehr spannen, kämpfte mit jedem Muskel. Er ließ los, kratzte mit seinen Fingern an seinem Hals, während ihm langsam schwarz vor Augen wurde und die Schnitte seiner Nägel nicht ablenkten. Die Welt zerfiel in einen Rausch aus Grau, in tausende Wortfetzen und in unzählige Wunden. Seine Haut brannte, riss und er wollte nur noch schreien, brüllen, doch bekam nichts heraus, während er um jedes Stück Leben in sich kämpfte, verzweifelt und sinnlos kämpfte. Langsam schlotterten seine Knie, seine Beine ein einziges Zittern, bis er hinauf schaute, mit Tränen in den Augen nur noch auf Jin hoffte. Und dann zwang ihn etwas nach vorne, zwang ihn dazu seine Versuche, seine panischen Versuche einzustellen, während sich etwas auf seine tauben Lippen legte und etwas hinein blies. Leben flutete durch ihn wie kostbarer Nektar, ein Gefühl vollendeten Glücks, als seine Lunge sich füllte, sein Bauch sich hob. Kostbare Luft. Genau in dem Augenblick, als er sich langsam wieder entspannte, seine Finger auf Typhons Schultern gelegt, raste etwas Neues durch seinen Körper. Etwas bohrte sich mit voller Wucht in sein Herz, stoppte es für Sekunden, zog, zerrte, nahm jeden Gedanken mit sich und richtete ihn auf die eine Stelle, in die sich etwas hinein wand. Mehr als sich mit seinen Händen fest zu halten, sie anzuspannen, bis sie schmerzten, konnte er nicht. Doch es war nie genug, nie genug, um von diesem Hämmern abzulenken, diesem langsamen drillen durch seine Haut. Es breitete sich aus, stach sich seinen Weg über jede Ader, jede Zelle, so stark, so unendlich stark, dass er schreien wollte, nicht konnte. Irgendwie gehalten zitterte er, hoffte auf ein Ende, irgendein Ende, nur damit es aufhörte. Tränen rannen seine Wangen hinunter, fielen wie ein Bach hinab, bis er endlich seinen Mund lösen konnte um einen Schrei auszustoßen und Luft einzusaugen. Plätschern drang im gleichen Augenblick an seine Ohren. Mit einem Schlag wichen alle Schmerzen und ließen nur unendliche Müdigkeit zurück. Völlig ohne Kraft versagten seine Beine und er kippte irgendwohin, schwankte, nur noch gehalten von starken Armen, atmete schwer in seine brennende Lunge. Sekunden vergingen, Sekunden, in denen er langsam Kälte an seinen Füßen hochkriechen fühlte. Langsam blinzelte er, schaute in das Gesicht, das ihn mit einem Lächeln bedachte, ließ seine Augen wandern, hinunter zum Grund, zu einem klaren Spiegel. Mark schluckte. Unter ihm war das klarste Wasser, das er je gesehen hatte, immer wieder unterbrochen von Steinen, die in die Höhe ragte. Sein Blick folgte ihnen, und er erkannte, wie sich diese Stämme wie unendliche Gebilde nach oben wanden, in der Decke verschwanden wie Säulen. Mit riesigen Augen drehte er sich in der Umarmung, konnte nicht alles erfassen, überwältigt von allem. Gerade Skulpturen, teils unterbrochen, alle in der Mitte dünner, standen in diesem riesigen Saal, der von einzelnen Lichtern beleuchtet wurde und wie aus einem Traum schien. Außerhalb der Pfütze in der sie standen, waren die Steinspitzen riesig wie Bäume oder klein wie Nadeln, die von der Decke hingen. Von all den Zapfen rann Wasser langsam hinunter, sammelte sich an der Spitze, drohte zu fallen, bis sich endlich ein Tropfen selten löste und auf den Boden fiel, nur um dort auf eine gleich hohe Erhebung zu treffen. Marks Blick wanderte über den Boden weiter, landete an den Wänden, an denen wunderbare Vorhänge hingen, die in den Lichtpunkten strahlten, glitzerten und fast den Eindruck hinterließen, sie würden sich bewegen. Wie gebannt wusste er inzwischen nicht mehr, wo er als erstes hinschauen sollte. „Menschen haben so viele Paradiese und Tropfsteinhöhlen sind genauso etwas besonderes…“, flüsterte ihm sein Dschinn mit einem Hauch ins Ohr und Mark konnte nicht anders, als mit offenem Mund eine Träne nach der anderen aus seinen Augen fallen zu lassen, sich in die Umarmung zu lehnen, in der er Sicherheit fand. „Zu Hause…“ Er verschluckte sich fast an den Worten, schüttelte beinahe ungläubig den Kopf, ein Lächeln auf den Lippen, bis er etwas hörte, das immer lauter wurde. „Look mum, look!“, hallte eine schrille Stimme durch den ganzen Saal, tausendfach verzerrt, lenkte seinen Blick auf eine Brücke aus Metall, die sich weit über ihnen an der Wand entlang wand. „That’s…“, piepste etwas aus einer Gruppe von vier Menschen, die stehen blieben und ihn jetzt anstarrten. „Yeah, that’s really strange…“, stimmte eine andere Stimme zu und eine Figur zeigte in seine Richtung. Mark gefror fast das Blut auf dieselbe Temperatur wie das Wasser um seine Knöchel, er zitterte, schaute nach hinten, seine schlimmsten Befürchtungen wahr. „Sie werden alle wissen, dass ich sch…“, flüsterte er kraftlos, seine Freude mit einem Schlag gewichen, während seine Hände sich zu Fäusten ballten und er die Tränen hinunter drückte und sich steif aufrichtete, für den ersten Angriff gefasst machte. Bei den nächsten Worten riss er die Augen auf. „Sweat couple, but his clothes are…strange would be an understatement…“, meldete sich eine dritte Stimme, erntete zustimmende Worte aller anderen und brachte ihn dazu, mit weit geöffnetem Mund da zu stehen, erste Tränen der Freude hinab kullern zu lassen, ein Lächeln auf den Lippen, als er nach unten schaute und seine Dschinn-Kleidung entdeckte. „Siehst du, mein Markus: Alle Sorgen umsonst.“, schien sein Typhon seine Gedanken erfasst zu haben, strich mit seinen Händen über seinen Bauch und fing langsam an zu lachen. Mark rollte mit den Augen, sah dabei so viele Wunder, dass sein Herz allein davon schon aufging und sein Grinsen größer wurde, bis er seine Finger auf die seines Jins legte und im nächsten Moment fühlte, wie es aus ihm heraus brach. Er lachte, Freudentränen in den Augen, lachte einfach nur laut... Kapitel 21: Trautes...Glück? ---------------------------- Trautes...Glück? „Thank you so much, Mister Naphuriquales. I can assure you, that I've never heard a story anywhere near this fascinating, this innovative...and the characteres...if I wasn't hetero...“ Charles Bond, ihre „Urlaubsbekanntschaft“ schüttelte nur kurz den Kopf und lachte darauf herzhaft, hielt sich den auf und ab wippenden, vorstehenden Bauch. Dabei ignorierte er, dass seine langen braunen Haare hin und her wogten und ihm ständig vor die Augen fielen. „I still can't believe you are willing to share it...hell...“, setzte er fort, ungläubig und zeigte so die gleiche Faszination, die er schon bei der elendig langen Erzählung Jins im Auto bekräftigt hatte. Mark konnte sich zu gut daran erinnern, wie die Straße bei jedem der Worte immer mehr in Vergessenheit geraten war und schauderte, als er an die Schlangenlinien dachte, die das Auto, diese Familienkutsche, auf dem Bergpass über die ganze Straße vollführt hatte. Er zitterte noch schlimmer bei dem Gedanken an die entspannten Blicke, die ihm dabei begegnet waren, während er sich mit aller Kraft am Sitz festgekrallt hatte. Zu allem Überfluss hatten alle außer ihm dort ihren Spaß gehabt, genau in den Momenten, in denen er mit seinem Magen gekämpft hatte. Noch jetzt seufzte er erleichtert darüber, dass er nichts gegessen hatte, bis etwas anderes übernahm. Immer wenn er länger daran dachte, in seinen lichten Augenblicken, hasste er Jin dafür, dass er die Familie dazu überredet hatte, sie mitzunehmen und besonders dafür, ihr Leben aufs Spiel gesetzt zu haben. Und was genau an der Geschichte eines homosexuellen Aladdins und seines Dschinns so innovativ sein sollte, dass man dafür sogar sein Leben riskierte, war Mark noch immer ein Rätsel. Ihre „Urlaubsbekanntschaft“ aus England legte schließlich den Arm besitzergreifend um die Hüfte seiner Frau, drückte sie an sich und spiegelte damit Jin wider, der seine Hände wie immer nicht bei sich behalten konnte, sich nicht von Mark trennen wollte. „Well, darling“, meldete sich jetzt Anne, Charles Frau, und gab ihrem Mann einen Klaps auf den Hinterkopf, als wäre er ein kleines Kind – wobei er sie um zwei Köpfe überragte. Bei jeder Regung sprach ihr Gesicht, ihre feinen Züge immer nur von Sanftmut; in ihrem Lächeln lag kein erkennbarer Hintergedanke und Mark hatte ständig das Gefühl mit einer Bilderbuchmutter zu sprechen, die doch kaum älter sein konnte als er. Ihre Hand strich eine Locke ihres wallenden schwarzen Haars aus dem Gesicht, das bei einer abrupten Kopfbewegung vor das Auge gefallen war. „Stop embarrassing poor Markus. Such a great young man...“ In dem Moment strahlte sie ihn regelrecht an, nickte ihm zu und brachte ihn dazu, Wärme in seinen Wangen zu spüren und sich stärker und stärker in Typhons Umarmung zu lehnen, beinahe zu flüchten. „Tha...Thank you“, murmelte er mit seiner etwas wackligen Aussprache, versuchte das Gefühl seiner schwerfälligen, schon beinahe behinderten Zunge zu verdrängen und schaute überall hin, nur nicht sein Gegenüber an. Kurz bemerkte er den Verkehr vor sich, in dem die teuersten Autos der Reihe nach an ihm vorbei rasten und seinen Blick weiter lenkten. Die mit ungezähltem Stuck versehenen Häuser neben ihnen schienen so wertvoll, viel luxuriöser als das vor dem sie standen und ließ es verblassen – auf den ersten Blick. Kurz schaute er nach links, fühlte ein Kribbeln in seinem Nacken und spürte wie sein Kopf mit einem leisen Knacken hörbar auf die Seite raste. Das Gebäude direkt vor ihnen, war auf den zweiten Blick so imposant, so einnehmend, dass alle andere daneben und auch die Straße davor verblassten. So einfach die Fassade auf den ersten Blick wirkte, so aufwendig war sie in Wirklichkeit. Kleine Verzierungen, komplizierte Muster wie Ranken einer Weinrebe, umrahmten die Fenster, kletterten weiter, nur um die mit Schwertern kämpfende Engelsgestalten zu unterstreichen, die über filigranen Säulenbildern flogen. Alles war so dezent, in der gleichen blassgelben Farbe wie der Anstrich, dass man es immer übersah, fast schon übersehen musste, und erst dann entdeckte, wenn ein wenig von dem Gold aufblitzte, das in den Augen der Figuren ruhte. Sein Blick folgte einer der Säulen bis nach unten, wo er einen in royales Blau gekleideten Mann, einen in eine Uniform gehüllten Angestellten, erkannte, der mit seinen Augen die ganze Umgebung immer wieder absuchte und dabei kleine Kreise vor dem Haus zog. „Thank you again. If you ever need something, just tell us, dear Jin Naphuriquales – and you too, Markus...“, schloss Anne, lenkte seine Aufmerksamkeit mit ihrer eleganten Handbewegung wieder auf sich. Sie trat ein paar Schritte zurück, schon am Gehen begriffen, zog ihren Mann mit sich und winkte ihnen mit ihrem süßen Lächeln noch zu. „I will, I will. Do enjoy your stay here and please don't hesitate to write the story down. I am sure the world would love to know the real, the original Aladdin...“, entgegnete Jin in perfektem Englisch, ganz als ob es seine Muttersprache wäre, so melodisch war jedes Wort, so wunderbar angenehm wie ein halber Gesang. Mark blinzelte bei dem Gedanken, biss sich auf die Lippe und winkte dabei dem Ehepaar mehr aus Reflex nach, während er entgeistert auf den Boden starrte, dabei leise grummelte. „Zu wenig Aufmerksamkeit, mein Markus? Obwohl ich den Wunsch doch zu deiner vollsten Zufriedenheit erfüllt habe und kaum etwas für mich dabei entstand...?“, riss ihn Typhon aus seinen Gedanken, so plötzlich, dass er nur sinnlose Wortfetzen murmeln konnte und seine neue Kleidung giftig, wie seinen größten Erz-Feind anstierte. „Ich hätte es wissen müssen, ich hätte meinen Mund halten sollen, während du dort unten plötzlich wieder deinen Anzug anhattest...“, erklärte Mark beleidigt, drehte sich in der Umarmung um und vergrub seine Finger in dem weißen Hemd, erwischte ein wenig von dem schwarzen, furchtbar weichen Stoff und zupfte daran. „Wieso bekomme ich eigentlich nie so etwas?“, regte er sich noch lauter auf und zerrte immer stärker an dem viel zu eleganten Anzug, da er aus dem Augenwinkel heraus sein eigenes furchtbares Hemd sehen musste. „Weil dir ein Anzug nicht so gut passen würde und wir uns so perfekt ergänzen...“, entgegnete ihm Typhon entwaffnend, überzeugte ihn mit seiner Stimme schon fast, bis sein Blick wieder hinunter fiel, hinunter auf die tief sitzende schwarze Hose, die nur durch ein Wunder hielt – oder besser gesagt durch den tausendmal rundum gewickelten Gürtel seiner ehemaligen Dschinnbekleidung. Das Gegenstück, das zweite Band das dort als Schleife gedient hatte, war jetzt eine Art Armband, das sein ganzes Handgelenk bis fast hoch zum Ellenbogen bedeckte und dessen freies Ende bei jeder Bewegung wild schwang, im Weg war, weil es weit hinunter baumelte. Zu seinem Entsetzen glitzerten Strasssteinchen in Form mehrerer ineinander geschlungener Schlangen auf seiner Hose und brachten ihn dazu, einmal mehr seine Augen in Richtung des wunderbar blauen Himmels zu rollen, nur damit zu allem Überfluss sein Blick über seine freien Schultern streifte. Das Hemd drohte in seinen Gedanken noch immer hinunter zu rutschen, hing mit seinem waagrechten Ausschnitt irgendwo an seinen Oberarmen, ließ die Schultern komplett frei. Zu seiner Verwunderung hielt es, blieb stetig knapp unter seinem Hals fast kleben, während die furchtbaren in demselben Grün gehaltenen Streifen Stoff lose hin und her schwangen. Diagonal über das ganze Ding zogen sich wie Muster die kleinen Fetzen über das ganze Hemd und brachten ihn wieder dazu, mit seinen Fingern verloren daran zu zupfen, zu versuchen sie irgendwie in Form zu bringen und die Kette zu vergessen, die um seinen Hals gelegt in allen möglichen Farben glitzerte. Er wollte gar nicht wissen, ob die verdächtig wie Diamanten, Smaragde und Saphire aussehenden Steine echt waren... „Natürlich. Dieser kitschige Teppich-Verschnitt mit der Glitzer-Disco-Hose passten mir gut...“, regte er sich auf, die Stimme voll triefender Ironie, während er unter seinen gesenkten Lidern hervor starrte. Als noch eine Hand anfing, seinen Rücken entlang zu wandern, nur um ihn dann dezent, aber bestimmt in Richtung des Glastür dieses leicht altertümlichen Gebäudes zu drücken, konnte er nur noch schnaufen. „Ignorierst du mich? Und was zum Henker machen wir in diesem...bei diesem...“ Die Frage blieb offen, zumindest für ein paar Sekunden, denn im nächsten Moment fiel sein Blick auf die kleinen Sterne. Viele silberne Sterne bildeten eine Pyramide: Sieben die Basis, fünf darüber, wieder drei darauf und schließlich einer als krönender Abschluss. Die fünf goldenen daneben wirkten dabei schon fast belanglos. Verdattert schloss er seine Augen immer wieder, hoffte, dass das Bild sich änderte – umsonst. Jetzt, so nah wie sie waren, drehte sich der uniformierte Mann, unverkennbar ein Hotelangestellter, erwartungsvoll in ihre Richtung um. Dieser starrte erst ihn abschätzig an, bis seine ganze Aufmerksamkeit in Sekundenbruchteilen zu Jin flüchtete und dort wohl ihr Ziel fand. Zu Marks Schrecken kam er auf sie zu, als sie nur noch wenige Meter von dem vermeintlichen Eingang, der gläsernen Drehtür, eingerahmt von zwei milchig gläsernen Toren, entfernt standen. Sein Typhon fing an zu lächeln, schwang seinen Zopf über die Schulter nach hinten und trat dann selbstsicher – wie immer – nach vorne. „Wehrter Herr Naphuriquales?“ Bei dieser Frage verbeugte sich der Mann schon leicht, die Stimme bei den Worten ein wenig als ob er sie mehr durch seine Nase pressen würde als durch seine Lippen. „Ja“, antwortete Jin kurz und knapp, legte dabei eine Hand noch auffälliger auf Marks Rücken, als sie es schon vorher gewesen war und drückte ihn bestimmt in Richtung des linken Eingangs. Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Hotelbediensteten; noch einmal verbeugte er sich, diesmal deutlich tiefer, bevor er sich aufrichtete und zur Tür eilte und den Knauf ergriff. Geräuschlos öffnete sich das gläserne Tor, gerade groß genug für zwei, während eine Hand darauf deutete. „Willkommen in unserem bescheidenen Haus.“ Damit fand sich Mark schon von einem starken Druck und mit weit geöffneten Augen in die Lobby geschoben, unfähig viel zu sagen. Das Gefühl fehl am Platz zu sein, wuchs mit jeder Sekunde immer mehr ins Unermessliche. Das erste was ihm auffiel war der riesige Kronleuchter, der direkt über seinem Kopf schwebte. Dieses Ding war so groß, wie er es noch nie gesehen hatte und vollständig aus blauem Glas und Gold gefertigt. Die nach oben führende Treppe, die einen scheinbar fast in Berührungsdistanz zu dem Leuchter bringen konnte, aus ovalen Stufen gebildet, verzweigte sich auf der Hälfte der Distanz, nur um so ein aufsteigendes „T“ zu bilden. Das ganze Gebilde war aus weißem Marmor, der mit tiefblauem Teppich bedeckt war; noch dazu war das Geländer aus schwarzem, von bunten Fäden durchzogenem Stein, der in welligen Kräuseln geformte Griffe aufwies, Wellen gleich, die in weißen Knöpfen mündeten, in denen sich das Licht spiegelte. Mark versuchte sich vorzustellen, wie teuer so etwas wäre und konnte sich dabei nur immer wieder hilfesuchend nach dem Ausgang umschauen. Dabei sah er noch mehr von dem opulenten Raum, noch mehr Luxus: Zu seiner rechten waren drei goldene Aufzugstüren, die sich immer wieder öffneten und aus denen jedes Mal als erstes ein Angestellter trat, alle in demselben Blau. Erst danach stiegen die in Pelz, in teure Roben gekleideten Frauen und die Männer in Anzügen aus. Nirgendwo fand er eine Spur von Normalität, jemanden, der etwas Legeres anhatte. Verzweifelt kratzte er sich inzwischen immer wieder über den Arm, während seine Augen hin und her rasten, bis er ein Zerren spürte und sich umdrehte – und wild blinzelte. Er stolperte ein paar Schritte nach vorne, von Jins kräftigem Zug und dem Anblick vor sich überrascht und schockiert. Wo vorher noch geschäftiges Treiben an der Rezeption, diesem überdimensionalen Tisch aus dem unten geschlossen Stein, geherrscht hatte, schien plötzlich jede Bewegung zu gefrieren. Alle Blicke fielen auf ihn, dann schnell auf Jin, worauf die einzige Frau unter den dort Stehenden einen Telefonhörer an sich riss und schnell etwas hineinsprach. Ihr überlanger Zopf wippte dabei ein paar Mal hin und her, als sie unauffällig nickte. Um so näher sie kamen, um so mehr glaubte er etwas zu verstehen, bis er schließlich ein „…kommen“ von ihr zu verstehen glaubte. Über dem ganzen Gebilde wehte ein immenses Stück Stoff, hing in der Mitte durch wie ein Baldachin und bedeckte die Rezeption komplett wie ein Sonnendach. Er wollte schon fast hinauf greifen, nur abgelenkt von den beständigen Stößen und dem fruchtbaren künstlichen Lächeln des hoch gewachsenen Mannes, der wie der Bodybuilder unter den Rezeptionisten wirkte. Als er schließlich seinen Mund öffnete, hörte sich seine Stimme wie ein tiefes Grollen an. „Herzlich willkommen, Herr Naphuriquales. Wenn ich mich vorstellen darf: Ich bin Henri Tomski und stehe zu ihren Diensten“, erklärte der Riese mit einer leichten Verbeugung, bevor er die Hand auf die Seite ausstreckte. Der dritte im Bunde, ein unglaublich schlanker Mann, schien darauf zum Leben zu erwachen und drehte sich mit einer zackigen Bewegung um. „Unser bestes Zimmer wurde ganz nach ihren kurzfristigen Wünschen aufbereitet und natürlich hat unser Concierge alle gewünschten Objekte besorgt.“ Bei dem letzten glaubte Mark ein Zucken der rechten Augenbraue nach oben zu sehen, ein nervöses Zucken. „Die stellvertretende Geschäftsleitung“, setzte Henri weiter mit voller Aufmerksamkeit fort, „möchte sie persönlich…“ Weiter kam er nicht, den von oben hallte eine weibliche Stimme durch den ganzen Saal: „…begrüßen.“ Reflexartig drehte er sich. Im gleichen Moment trocknete sein Hals aus und er versuchte vergeblich zu schlucken. Über die Treppe nahm eine ergraute Frau die Stufen fast wie im Flug, schwebte schon beinahe über die Stiege und strich dabei noch einmal ihr schwarzes Kostüm, den Rock und das Sakko zurecht. Ihr Blick blieb bei jeder Bewegung, bei jeder Regung fix auf sie gerichtet. Ihre Augen verengten sich um so mehr, umso länger sie Jin im Visier hatte. Einer der Rezeptionisten sprang auf, raste auf sie zu, verbeugte sich und streckte seine Hand aus. Ohne anzuhalten oder sich umzublicken, ergriff sie, was darauf lag und schloss es in einer Faust ein. „Jin“, fing sie schließlich mit einer sanften Stimme an, als sie die letzten Schritte zu ihnen nahm, „Naphuriquales. Bitte, lass mich dich doch persönlich zu deinem Zimmer geleiten.“ Ihre Hand deutete in Richtung der goldenen Aufzüge und offenbarte so glitzernde Steine, die auf den Fingernägeln klebten. Ein sanfter Stoß kostete ihn seine Aufmerksamkeit und sein Gleichgewicht und so stolperte er ein wenig vor, nur um gleich darauf von einem starken Arm um seine Hüfte gehalten zu werden. „Ah…“, murmelte die unbekannte Frau in Erkenntnis und schien ihn erst jetzt richtig zu bemerken. „Ich sollte mich dir wohl auch vorstellen…“ Jetzt fing sie an, selbst in Richtung der Aufzüge zu gehen. Jin rümpfte darauf kurz die Nase, bevor er ihr doch folgte und Mark gleich mit sich zog. „Ich bin Fürstin Mariella, aber für Freunde eines Dschinns bin ich einfach nur die ehrenwerte Fürstin Mariella…“, erklärte sie kühl und schritt in den geöffneten Aufzug, wandte ihnen so ihre kräftigen Schultern zu. Mark runzelte die Stirn und stieß kurz mit seinem Ellenbogen aus. Jin ließ sich davon nicht beeindrucken und zerrte ihn weiter in Richtung der übellaunigen Frau, nur um schließlich ganz kurz stehen zu bleiben, als Mark: „Wer zum Henker ist die giftige…“, fragte. „Ich bin nicht giftig.“ Zu seinem Entsetzen antwortete die Fürstin und nicht sein Dschinn. Dabei tappte sie mit ihrem Fuß ungeduldig auf die Erde, bis er fast neben ihr stand, mitten im Aufzug. Er schluckte, fast allein mit der immer strenger schauenden Frau. Die Türen schlossen sich. „Mein Kleiner“, begann sie erneut und entlockte ihm damit ein Fauchen, „ich bin nicht giftig, ich fühle mich nur nicht allzu wohl neben einem Mehrfachmörder ohne jede Skrupel.“ Ihr Lächel wirkte bei den Worten beängstigend. „Aber wie ich sehe, hat er ein neues ahnungsloses Opfer, oder diesmal wohl ein williges Opfer…“ „Ich bin kein Opfer“, knurrte er nur noch. Seine Augen zuckten immer wieder, ein merkwürdiges Jucken dort, das er nicht kontrollieren konnte. Dabei verschwammen die kleinen Lichter mit Nummern darauf, die auf der Seite aufblinkten und so die Etagen anzeigten. „Oh, natürlich. Lass mich raten: Du hast alles unter Kontrolle und er ist dein williger Sklave“, spottete sie mit triefender Ironie in ihrer Stimme, „als ob ich das nicht schon einmal gehört hätte…“ „Wenn du so sehr nach deinem Tod verlangst, kann ich ihn dir natürlich auch bieten“, mischte sich Typhon plötzlich ein, eine Hand ausgestreckt, ein blaues Band darin. Marielle zuckte zusammen, zurück, und schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht, wehrter Dschinn“, spuckte sie aus, ihr ganzer Körper steif, die Zähne sichtbar aufeinander gepresst und doch zitterten ihre Finger dabei merklich, bis sie sie schließlich zu Fäusten ballte. „Ich habe alles getan, was du wolltest und mein Mann hat dein Vermögen nicht nur bewahrt, sondern sogar vermehrt. Und das beste Zimmer steht zum üblichen Preis zu Verfügung – nachdem die eigentliche Mieterin plötzlich erkrankt ist…“ Das klang wie ein wissender Vorwurf, wie eine Herausforderung und Mark fühlte sich dabei zunehmend unwohl in seiner Haut, schüttelte seinen Kopf, erstarrte bei dem nächsten Gedanken. Von rollenden Köpfen hatte er genug. Eine seiner Hände schoss vor, seine Finger legten sich um Jins Arm. „Sind Sie lebensmüde oder haben Sie einfach nicht mehr alle Tassen im Schrank?“, murrte er und versuchte dabei, all seinen Frust in seinen Blick zu legen. „Ich habe die Nase von Idioten…“ „Das, mein Lieber, muss ich mir nach Jahrzenten der ständigen Angst nicht sagen lassen. Jahr um Jahr Angst vor diesem Mörder zu haben, zehrt und inzwischen bin ich mit meinen Siebzig alt genug. Wenn ich sterbe, dann sterbe ich eben.“ Ihre Stimmlage änderte sich mit jedem Wort, driftete langsam in Resignation ab, genau wie ihr Gesichtsausdruck. Sie lehnte sich gegen die goldenen Wände des Aufzugs und streckte eine Karte aus, blaue Bänder nur noch Zentimeter vor ihrem Hals. „Hier ist im Übrigen euer Zimmerschlüssel – für den wahrscheinlichen Fall, dass ich das nicht mehr erlebe“, setzte sie mit geschlossenen Augen fort, „und meinem Bruder Gesellschaft leisten kann.“ „Nicht schon wieder…“ Mark konnte es nicht fassen, wollte es nicht fassen. Er rollte seine Augen so kräftig nach oben, dass sie schmerzten und streckte dabei seinen Arm aus. Wie von Geisterhand gesteuert, schoss sein neues Armband, sein Ex-Schleifchen, nach vorne und schlang sich um das blaue Band. Vom Gewicht übermannt, taumelte es Momente, bis es auf den Boden fiel und dort anfing, sich zu winden. Noch während er mit Entsetzen sah, wie sich die beiden Bänder ineinander wickelten und schon fast unanständige Dinge aufzuführen schienen, richtete sich die Frau wieder auf, und starrte ihn an. „Nun gut. Ich habe dich falsch eingeschätzt. Das war wohl nach all den Jahren zu viel für mich. Aber was würdest du tun, wenn plötzlich das Monster wieder auftaucht, dass deinen Bruder getötet hat. Das dafür gesorgt hat, dass er unschuldig im Gefängnis landet für einen Raubmord, dessen Beute bei ihm gefunden wurde? Ihn in die Psychiatrie brachte? Dafür verantwortlich ist, dass er gefoltert, vergewaltigt und so zugerichtet wurde, dass er am Schluss nur noch bettelte, um irgendetwas, um Freiheit, bis er sich umbrachte?“ Mark schluckte den immer größer werdenden Knoten hinunter und schüttelte seinen Kopf unmerklich. „Alte Geschichten, wie immer. Es war vielleicht ein Fehler, dich leben zu lassen, auch wenn du so schön gebettelt hast und dich mir so willig angeboten hast. Aber solltest du versuchen, mir meinen Markus zu nehmen, dann werde ich deinen Wunsch nach einem lange, qualvollen Tod schnell erfüllen…“ Jins Stimme brachte alle zum Schweigen, der Ton so rau und kalt wie die Luft, die plötzlich eisig war. Mark zitterte, fühlte Wärme von seinem Dschinn hinter sich, um sich, doch sein Körper beruhigte sich nicht. „Ich…keine Sorge. Der Tod macht mir weniger Angst als das Blutgeld, dass mein Mann und ich all die Jahre verwalten mussten. Die Karte, alle Kontendaten und alles liegen auf dem großen Tisch in deinem Zimmer. Vor Tagen wolltest du es schon haben. Wir haben uns seit damals an deine Anweisungen gehalten und es wurde viel. Und damit bin ich endlich befreit. Und was dein derzeitiges“, sie machte eine Pause, verstummte kurz, „Spielzeug angeht…“ „Arschloch“, zischte Mark darauf zwischen seinen zusammengepressten Zähnen hervor, legte seine Finger noch stärker an den Arm, den er nicht loslassen konnte. Ohne nennenswerte Reaktion setzte sie nahtlos fort: „…werde ich nichts ändern können. Fehler macht jeder selber und geht wie du dann daran zu Grunde.“ „Oder wird eine dämliche alte verschrobene Schachtel…“, spuckte er die Beleidigung hinaus, schluckte damit den Knoten in seinem Hals hinunter, alle ihre Vorwürfe gegenüber Jin bedeutungslos. Bevor sie noch etwas einwenden konnte, redete er einfach weiter: „Und nein, ja, ich weiß, dass er ein perverses brutales Arschloch sein kann. Aber wieso zum Henker, zum Geier noch mal, reizt ihn jeder so lange, bis er ausrastet, wenn ihr es eh alle wisst? Rollt in den abgetrennten Köpfen vielleicht gar kein Hirn mit?“ „Sei nicht so frech! Du bist nichts als ein verzogenes freches Gör“, wies sie ihn zurecht, versuchte es zumindest, während sie sich wieder vollends aufrichtete. „Du kleines Kind ohne eine Ahnung. Er wird dich benutzen, seinen Spaß mit dir haben, dich vergewaltigen und dir dann einreden, es wäre deine Wahl gewesen - du hättest es gewollt. Und dich dann zu Tode…“ „Jaja, das habe ich inzwischen schon tausend Mal gehört. Danke“, fuhr er ihr mitten ins Wort und rollte die Augen wieder zur Decke, ohne aufzuschauen, „aber das wird langsam langweilig. Ständig versucht mir jeder ohne jede Ahnung etwas einzureden. Mir reicht es, dass er noch keinen einzigen Menschen umgebracht hat, um zu wissen, dass er mich…das er anders ist. Zum Henker…“ „DU hast keine Ahnung. Alles was ich sehe, ist ein dummes Kind, das sich verliebt hat, nicht nur in einem Mann, sondern auch noch in einen blutrünstigen Mörder. Frech, dumm und…“, keifte sie weiter, redete sich in Rage, bis sie plötzlich in einem Gurgeln verstummte. Ihre Hände rasten zu ihrem Hals, kratzten daran, versuchten das blaue Band, das sich immer enger darum schlang, zu fassen – ohne Erfolg. Ihre immer röteren Augen weit aufgerissen schnappte sie nach Luft, röchelte. Mark war für Sekunden starr, konnte sich nicht bewegen, bis der Anblick zu viel wurde. Er zerrte an dem Gürtel in seiner Hand, hoffte auf irgendetwas und sah wie in Zeitlupe, wie sich etwas tat. Das braune Ding schlängelte sich nach unten, zischte förmlich, als es sich abstieß und nach oben, nach vorne raste. Mit voller Wucht prallte es gegen die Wand, zitterte und fiel dann wie betäubt auf Mariellas Schultern. Bruchteile, furchtbare Momente des Gurgelns vergingen, bis sich das Band aufrichtete und unter wildem Zittern der Frau unter das blaue Stoffteil bohrte. Mark drückte immer fester zu, presste seine Finger immer härter an Jins Arm, zog daran. Bei jedem Versuch, seinen Mund zu öffnen, seine Augen zu Typhon zu ziehen, versagte sein Wille und sein Blick blieb bei der röchelnde Frau hängen. „Nein“, beschloss er schließlich leise, dann immer lauter und mit jedem Mal wurde sein Armband stärker, wickelte sich wie eine Schlange um das blaue Band. Als er ein „Jetzt!“, schrie, hob sich plötzlich das Würginstrument vom Hals ab, abgestützt von Marks Gürtelverschnitt. Es schien wütend zu zittern, als die Frau nach Luft schnappte und gegen die Rückwand des Aufzugs prallte, daran hinunterrutschte. Endlich konnte Mark sich umdrehen und Jin wütend anstieren. Seine Finger lösten sich von dem Arm, schnellten zum Hemd hoch und verkrallten sich darin. „Und du Vollidiot musst auch noch jedes Mal so reagieren, wie sie wollen. Und nein, ich will jetzt nicht hören, wie ich mich immer vor allen fürchte, danke. Davon habe ich auch genug…“, fauchte er ihn an, während alles still war, atmete schließlich erleichtert aus, als er hinter sich ein „Oh Gott“, hören konnte. „Sie wird dafür bezahlen. Ich habe sie schon einmal am Leben gelassen, obwohl sie…“ Typhon schien ihn nur am Rande zu beachten, griff nach einem weiteren blauen Band, das aus seinem Anzug hervorkroch. Inzwischen konnte Mark nur noch seufzen. „Scheiße. Bin ich hier eigentlich der einzig normale auf dieser Welt oder ist das ein schlechter Scherz“, begann er, schloss die Augen und bot dann: „Okay, also…ich…Sex?“, an. Er schluckte, schluckte etwas Hartes hinunter und biss sich dann auf seine dumme Zunge, die das Falsche geliefert hatte und verfluchte gleichzeitig seinen Körper, der glücklich mit einem Pochen reagierte, sein Blut nach unten zerrte. Etwas lenkte ihn wieder ab, kitzelte auf seiner Wange, wurde immer deutlicher. Es versprühte Wärme, heizte mit der sanften Berührung die Luft an. „Hm…“, hörte er Jin wie ausgewechselt hauchen, völlig ruhig und sinnlich – viel zu sinnlich. Die Stimme hallte in seinem Kopf wider, vibrierte in seinem ganzen Körper wider. Langsam öffnete er die Augen, schien in einem Meer aus Gold gefangen, das ihn nicht los ließ. Die Hand an seiner Wange zog ihn magisch an, etwas schlang sich wieder ums eine Hüften, so gewohnt und schön. Er konnte nicht mehr blinzeln, bis ein „Pling“ ihn aus seiner Trance riss. „Häh?“ Verwirrt schreckte er hoch, erkannte im nächsten Moment die geöffnete Aufzugstür. Irgendetwas presste sich in seine Handfläche, die noch immer den Gürtel umfasst hielt, der sich inzwischen wieder um seinen Arm gewickelt hatte. Blinzelnd wurde ihm bewusst, dass er eine Karte, die Eingangskarte zwischen den Fingern hielt. „Verzeih und Danke. Bitte sag mir noch deinen Namen“, flüsterte die Fürstin kaum hörbar, strich über ihren Hals und lächelte ihn an. Sie war wie ausgewechselt, strahlte förmlich. Ohne zu denken, murmelte er schon: „Markus Otoh“, erhielt dafür ein zufriedenes Kopfnicken, bevor sie sich abwandte. Ihr ganzes Auftreten veränderte sich schlagartig, als sie Jin ansah. Sie zitterte. „Ich habe alles getan, was du wolltest. All dein Blutgeld ist für dich vorhanden. Du hast sicher noch genügend andere Reichtümer, wenn dir das nicht reicht. Also lass mich jetzt in Frieden leben.“ Todesmutig klang es, doch jede Bewegung, jeder unsichere Schritt, schrie förmlich nach Angst. Schließlich gelangte sie mit zitternd zur Wand. Typhon schien sie nicht zu beachten, zog stattdessen Mark in Windeseile hinaus aus dem Aufzug, der sich daraufhin anfing zu schließen. Doch bevor die Türen sich berührten, schlich sich wieder dieses Grinsen auf das Gesicht seines Dschinns, brachte die Fürstin dazu, sich fest an die Wand zu drücken, wie um sich zu verstecken. „Niemand entkommt mir...“ Kapitel 22: Die einzig wahre Wirklichkeit ----------------------------------------- Die einzig wahre Wirklichkeit Mit einem leisen Pfeifton schlossen sich die Türen, erlösten Mark von seiner Erstarrung. Sein Mund war noch weit geöffnet, da knackte sein Kiefer schon laut, gleichzeitig, als sein Ellbogen sich von seiner Stütze abhob. Sekunden verharrte sein Arm dort, bevor er nach vorne, nach oben raste, nur um im nächsten Moment die Richtung zu ändern und mit voller Wucht nach hinten zu stoßen. Es vibrierte durch seinen ganzen Körper, schwoll zu einem Schmerz an, ständig stärker mit jedem Stück, das sein Ellbogen nach hinten drückte und sich in sein Ziel bohrte. Doch lange währte das nicht. Ein Zittern flutete durch jede Zelle, wuchs und wuchs, bis ein Stoß ihn schließlich aus dem Gleichgewicht brachte. Ein Gefühl wie ein Hammerschlag auf seinem Bauch kostete ihn seinen Atemzug. Wie getroffen ließ er seinen Arm fallen und fuhr um. „Du…“, fing er an, schnappte nach Luft. Rasend griff er mit seinen Fingern wie so oft nach etwas, erwischte Haare. „Perverser, Vollidiot! Wie kannst du nur so etwas…wie kann irgendjemand so eine Scheiße sagen?“, brüllte er förmlich, ignorierte die Handbewegung und das Knirschen von etwas, ignorierte die Tatsache, dass er nach hinten gegen etwas Hartes gedrückt wurde. „Nein, nicht nur ein verrückter Dschinn, der mich in die Dschinnhölle verbannt hat, fliegende Eingeweide und was auch immer, und diese tolle“, erklärte er mit triefender Ironie, „Fahrt, mit dieser ganz tollen Geschichte. Oh, und zu guter Letzt musst du nach den Horrorgeschichten auch noch ein ‚Niemand entkommt mir‘ von dir geben?“ Genau in dem Moment, in dem er stoppte um tief Luft zu holen, stolperte er nach hinten, durch eine schwere Holztür. Noch im Fallen griff er fester zu, fühlte schließlich, wie etwas ihn hochzog und der sanfte Aufprall auf Arme ihn all seinen Atem kostete. Er hustete, blinzelte, nur um dann wütend hoch zu starren. Wenig überraschend lächelte sein Dschinn wieder, ein beängstigendes Glitzern in den Augen, das Mark dieses leise Kribbeln bescherte. Es war, als ob etwas dort unten erwachte und sich vorsichtig streckte. Schnell schüttelte er seinen Kopf, fühlte mehr die tiefe Stimme, den Bariton, der in seinen Ohren widerhallte: „Mein Markus, ich sage nur die Wahrheit. Niemand entkommt mir, niemand, und ich muss mich nicht rechtfertigen, denn ich bin wie ich bin.“ Eine Hand strich über seine Wange, während er langsam wieder in die Gerade gehoben und immer weiter nach hinten geschoben wurde. Kurz, nur kurz stoppte Jin, schien die Verwirrung, den Unglauben zu erkennen, bevor er fortfuhr: „Ihr Bruder sah mich als Sklaven, als Dienstboten zur Erfüllung seiner Wünsche und wurde dafür zu meinem Spielzeug, zu etwas das ich zerstören wollte und konnte. Und sie…sie partizipierte, sie genoss etwas davon und fand es richtig.“ „Aber…“, unterbrach Mark ihn, ohne zu wissen, was er sagen wollte. Sein Kopf war leer, kein Gedanke zu fassen. „Sie lebt noch und damit hat sie nichts verloren. Ihr Bruder bekam nur, was ihm zustand und hatte noch Glück…“, entgegnete ihm Jin schnell, gefühllos, nur um, als er fortsetzte, Wärme wie ein von der Sonne gewärmter Wind auszustrahlen, „aber du, mein Markus, hast keine Ähnlichkeit mit diesem Dreck. Du wirst mir nicht entkommen, weil ich dir nicht entkommen kann, nicht will. Denn wie könnte jemand dir entkommen wollen? Und kein Wunsch, keiner deiner Gedanken wird mich je von dir abbringen können. Du bist das ganz Besondere, du bist einzigartig und selbst in meinem Tod wärst du mein Paradies – auf Ewig. Mein…mein Paradies.“ Ohne es kontrollieren zu können, zitterte er, zitterte vor Aufregung, konnte die Mischung aus Verwirrung und Freude kaum auseinanderhalten oder gar fassen. Jedes Wort war wie ein Lob, ein Balsam, etwas, das alles andere in den Hintergrund drängte. Er blinzelte, versuchte sich abzulenken, die Wärme in seinen Wangen zu ignorieren, das leise Pochen, das kaum noch zu unterdrücken war. Schnell zuckte sein Blick von Jin zu der Tür, zur Wand und wieder zurück, nur um nach einem Sekundenbruchteil wieder zu den Wandmalereien zu rasen und ihn mit sich zu ziehen. Wie in Trance gefangen, folgte sein Körper seinen Augen, drehte sich, um die ziselierten Schnörkel aus himmelblau, den ausladenden Wellen und der Gischt zu folgen, bis er an der Decke auf die sanft schimmernden Lichter traf. Wie in einem nicht vorhandenen Wind schwangen die wie ein Netz aufgespannten Schnüre hin und her. Wie zufällig wirkten die kleinen Lämpchen darin angeordnet und doch beleuchtete jedes dieser Lichter genau ein auf dem Wasser tobendes Ungeheuer oder traf mit seinem Strahl eines der Schiffe. Kein Kasten, nichts, verstellte die Sicht auf dieses Gemälde. Seine Kehle wurde mit jedem Moment trockener. „Das…“, flüsterte er sprachlos, in einem Meer gefangen, das jeden Augenblick zum Leben erwachen hätte können. Der Boden unter seinen Füßen, der weiche Teppich aus tiefem Blau, gab ihm bei dem Gedanken nur noch weniger Halt „…ist meine Architektur“, ergänzte Jin, hauchte ihm das ins Ohr und schob ihn mit sanftem Druck weiter hinein, tiefer. „Und hier können wir…“ Den Rest ließ Typhon unausgesprochen, fuhr dabei aber mit seinen Fingern immer tiefer, bis er schon fast auf dem Steißbein entlang strich, fast schon dort. Er hätte darauf reagiert, hätte sicher etwas getan, wenn der Gang nicht plötzlich zu einem riesigen Raum geworden wäre, der seinen Kiefer scheinbar magisch in Richtung Erde zog. An der Wand, die in einer schwindelerregenden Mischung aus blau, weiß und Gold unterging, prangten diese unglaublich detaillierten Figuren aus der Mythologie, die wie in der Bewegung gefangen, wie fotografiert wirkten. Minotauren wie Math, Medusen und ein Wesen, das aus tausenden Schlangen bestand, Feen, alles fand sich dort. Das ganze Bild schwankte an der linken Wand des riesigen Raums immer wieder ein wenig – fast wie ein Vorhang - ließ immer wieder etwas Grünes dahinter durchblitzen. Seine Augen folgten dem Wogen bis nach hinten, wanderten dabei wie getrieben weiter und blieben schließlich an dem riesigen Tisch an der hinteren Wand hängen, der den Raum vom Gang aus bestimmte. Schwarz wie Ebenholz, massiv ohne jeden Schnörkel, wirkte er so passend wie fehl am Platz, nur noch ergänzt von dem königlichen Stuhl dahinter, der in Gold und mit dem Purpur wie ein Farbtupfen hervorstach. „Das…“, versuchte er sich aus diesem Anblick zu reißen, wieder zurück in die Realität. Langsam wurde ihm bewusst, dass Jin nichts tat, nichts von dem, was ihm in dem Augenblick in den Sinn kam. Insgeheim wunderte er sich, wo das Schlafzimmer war, stampfte dann mit einem riesigen geistigen Fuß den Gedanken wieder ein und starrte noch bemühter wieder nach vorne, zur Wand in der er jetzt eine Tür erkannte, verborgen von den Malereien. Dabei bewegte er seine Arme ein wenig, versuchte etwas zu tun, bis er plötzlich etwas Hartes, Kaltes fühlte und erstarrte. Langsam, ganz langsam schweifte sein Blick zur Rechten. Da war etwas Eigenartiges. Verwirrt, ungläubig, rieb er sich die Augen. Trotz aller Bemühungen änderte sich nichts, nichts an dem Stück Meer, das sich dort ausbreitete und fast bis zur Decke reichte. An seinen Fingern sammelten sich einzelne Fische hinter Glas, schwirrten bunt herum, nur um bei der kleinsten Bewegung davonzustieben. Zwischen die bunten Korallen und Anemonen, die sich überall ausbreiteten, versteckten sie sich. In den sanften Wellen wogten Pflanzen, beschienen von dutzenden von Strahlern. Es war nicht nur die Vielfalt, diese raumfüllende Trennung, sondern mehr die schiere Größe, die ihn zum Schwanken brachte. Dieser Wassertank verlief an der Wand entlang, machte dann kehrt und ragte mitten in den Raum hinein. Ein Raumteiler war das Ding, das so manches Aquarium angesichts des monströsen Anblicks vor Neid erblassen lassen würde. „Das…das…muss doch einstürzen“, murmelte er sichtlich überwältigt, unfähig irgendetwas von diesen Gefühlen auszudrücken, und riss sich endgültig los. Das laute Lachen, das daraufhin durch den ganzen Raum hallte, schien alles zu erfüllen. In dem Moment bewegte sich die Welt um ihn herum und er hatte das Gefühl, plötzlich auf einem Meer mit sanfter Brise zu sein, davor zu stehen und jeden Augenblick genießen zu können. Der Raum schien mit einem Mal so einladend, ganz wie ein zu Hause. „Statik, mein Markus, ist das Zauberwort. Dieser ganze Raum, nein, der ganze Stock, das ganze Haus wurden so konstruiert, dass es funktionieren muss. Dazu muss man nicht einmal Magie anwenden – die Natur ist hier ihre eigene Magie“, erklärte ihm sein Dschinn schließlich fröhlich und deutete mit einer Hand auf die versteckte Tür. „Vielleicht sollten wir zuerst den wichtigsten Raum ‚besichtigen‘?“ Sein Ton, dieses tiefe Vibrieren, das Mark in seinem ganzen Körper fühlte, ließ keine Zweifel daran, was gemeint war. Die Hitze, die aufstieg, noch weniger. Zu seinem Erstaunen wollte er keine Zweifel haben. Ohne einen Stoß, ohne eine Aufforderung fing er an weiter in den Raum zu tapsen, so schnell wie möglich, trat bei jedem Schritt vorsichtig auf diesen Mosaikboden, der das Thema an der Wand so perfekt widerspiegelte. Eine Hand berührte ihn von hinten, brachte ihn kurz dazu, zu stoppen, während die so bekannten Finger um seine Hüfte eilten und ihn an sich zogen. „So eilig?“, neckte ihn sein Dschinn, als er ihn in einer Umarmung gefangen hatte, ihm das in sein Ohr flüstern konnte. „Stört…dich…sicher nicht“, entgegnete er entwaffnend, versuchte seinen Verstand erst gar nicht mehr an die Macht kommen zu lassen. „Ich mache, was ich will, ich laufe nicht mehr davon…“, bekannte er leise, unterstütz von dem sanften Streichen, den Worten, die noch immer in seinem Kopf widerhallten und mit der Sicherheit von Dschinns Ehrlichkeit. Mit jedem Schritt wich seine Welt einem harten Pochen, während eine Ader in seiner Stirn all seine Anspannung aufnahm und mit jedem Schlag wuchs, schmerzte. Er schloss die Augen, versuchte sich zu beruhigen. Als er wieder aufschaute, fand er sich vor der offenen Tür wieder und starrte in eine riesige schwarze Tiefe. Ein Zucken in seinem Blickwinkel lenkte ihn ab. Im nächsten Augenblick ragte eine Hand nach vorne. Wie angezündet erstrahlte darauf ein Sternenmeer im Zimmer, glitzerte an der Decke und tauchte alles in ein taghelles Licht, das nur langsam wie in einem Sonnenuntergang verblasste. Dazwischen wogten Bänder in allen Farben, in einem nicht vorhandenen Wind hin und her, spiegelten den Morgen wieder, den Aufgang der jeden Tag wieder kam und brachten ihn mit ihrer sanften Bewegung dazu wie betrunken zu schwanken. Schließlich, mit Mühe, konnte er seinen Blick fortreißen, der gleich in der Mitte des Raums hängen blieb. Magisch angezogen, ohne viel Gegenwehr, steuerten seine Füße auf dieses riesige Bett zu. Vorhänge hingen auf jeder Seite hinunter, drei davon wie Wände, geschlossen, während eine Seite den Blick auf das Innere freigab. Das Tuch war dort verzwirbelt, ein sich ständig im Kreis bewegendes Etwas, das in der Mitte hinunter hing. Die immensen Eckpfeiler ragten mitten in den Raum wie Säulen. Schlangen krochen daran hoch, ragten wie zum Angriff bereit nach vorne, wirkten viel zu real. Als es auf der Seite blitzte, etwas sich spiegelte, bemerkte Mark einen halbkreisförmigen Bereich, einen weißen Boden Nebel gleich, der nahtlos in eine wolkenförmige Badewanne überging. So nah stand sie dem Bett, dass man sie von dort aus fast anfassen hätte können. Er schaute, starrte, bis etwas mit voller Wucht in seinem Verstand einschlug. In Sekunden röteten sich seine Wangen, war sein ganzer Körper gefangen in einer unentschlossenen Mischung aus Entsetzen und Freude, erstarrt und unfähig sich zu bewegen. „Das ist nicht…das ist…“, stotterte er und zeigte auf die Dinge dort, auf die Sachen, die verstreut auf der schimmernden Decke und auf der weißen Nachtkastenumrandung lagen. „Pei…Fess…Dil…DILDOS?“, stammelte er so laut, dass er das Rauschen in seinen Ohren damit durchbrach. Etwas Unkontrollierbares glomm damit auf. Mit jeder Bewegung, jeder kleinsten Geste wanderte sein Blut in die falsche, die so richtige Richtung – selbst bei diesem Anblick. Panisch wirbelte er herum. Er konnte seine Gedanken nicht losreißen, seine Gefühle nicht von dieser Wärme befreien, starrte Jin einfach nur sprachlos an. Unentschlossen biss er sich auf die Lippen, schüttelte den Kopf. „Vibratoren…“ Das Flüstern kam von viel zu nah, war scheinbar schon immer da, drang in seine Ohren, entfesselte etwas in ihm. Unkontrolliert brach das Rauschen bis in seinen verdrängten Verstand ein, schloss jeden Gedanken in der hinterste Ecke ein. Es schwoll zu einem Sturm an und fegte durch seinen Kopf, fegte seine pochende Ader davon. Bevor er es bemerkte, hatten sich seine Finger schon zu den Haaren verirrt, strichen durch das Gold, während er noch immer an die Dinge auf dem Bett dachte. Sein Herz sprang dabei kurz, fiel viel zu schnell immer tiefer, schien mit jeder zarten Berührung mit jedem Wärmestrahl, jedem Atemhauch immer weiter zu sinken – näher und näher dorthin, wo es hingehörte. Etwas drückte sanft, unten am Ziel allen Fallens, pochte beständig, wollte etwas, zog ihn mit sich. Verzweifelt ballte er seine Finger immer wieder zu Fäusten, noch unentschlossen, schaute sich um wie ein gehetztes Tier, bis sein Blick hängen blieb und er aufhörte zu atmen. Mit einem Mal war alles klar. „Das hier vibriert schon genug…“, entgegnete er schließlich leise auf die Frage, die Antwort, die noch im Raum hing. Dabei schien er wie gefesselt von der Anziehungskraft die Jin auf ihn hatte, von der, die er offenbar so deutlich auf seinen Dschinn hatte. Etwas zwang ihn gleich darauf aufzuschauen, hob seinen Kopf durch einen bestimmenden Druck unter seinem Kinn, bis er in dieses von Lust nur so erfüllte Gesicht schauen musste. „Mein Markus…wie Recht du doch hast. Und das hier…“, hauchte sein Typhon, strich dabei sanft über sein Glied. Da konnte er nicht mehr. Das hier brachte ihn dazu, sich im gleichen Moment nach vorne zu lehnen, unfähig zu widerstehen und sich zu konzentrieren. Kurz hörte er Jin noch zu. „…scheint dasselbe zu machen. Wie ich mein Leben doch liebe…“ „Hätte ich nie gedacht…“, entgegnete Mark, biss sich noch einmal auf die Lippen, bis er nicht mehr konnte und er seine Arme um den Hals seines Dschinns schlang. Wild presste er seinen Mund auf den seines Geliebten, brauchte den Kontakt in dem Augenblick. Das Knistern brach an jeder Stelle, an jedem Berührungspunkt aus, glomm auf und raste wie ein betäubendes Gefühl über seine ganze Haut. Es kostete ihn jeden Halt auf der Welt, kostete es ihn wirklich. Er schwebte einfach in der Luft, vergaß alles, glücklich, selig, hochgehoben von seinem Dschinn. Dann, plötzlich riss ihn ein Aufprall auf einer erst harten, dann furchtbar weichen Oberfläche aus diesem Gefühl, während er wie ein Ertrinkender an den Lippen seines Jins hing und nach Wärme schnappte. Langsam strichen Finger durch sein Haar, drückten ihn näher, immer näher, bis er fast brannte und verzweifelt stöhnte. Diese eine kleine Regung war so kurz und doch schlich sich dabei eine Zunge zwischen seine Lippen, streichelte sanft über seine Haut, strich über seine Zähne, wollte weiter. Und er ließ sie. Ohne Gegenwehr, willig, öffnete er sich, öffnete im gleichen Moment jeden seiner Gedanken für Jin und zog nur noch stärker an dem Hals, an dem Kopf. Ein Lächeln schlich sich ganz kurz auf seine Lippen, als er den Eindringling schnell fortdrückte, sich mit seiner Zunge entgegenstemmte, nur um sich gleich darauf wieder zu ergeben – immer wieder. Und bei jedem Mal, bei diesem wunderbaren Spiel fühlte er sich an etwas erinnert, wusste nur nicht an was, fühlte nur dieses immer stärker werdende Pochen. Genau in dem Moment als es aufzuckte, ein kleiner Blitz vor seinen Augen vorbeiraste, wusste er es. Entschlossen, einem Gedanken von dem jetzt bestimmenden Teil seines Körper folgend, riss er sich kurz los, starrte hoch und verlangte: „Mehr…jetzt…“, zerrte mit Fingern an dem plötzlich blauen Gewand, dem luftig flatternden Ding und wartete. Doch statt einer Antwort, fühlte er nur wieder die unglaubliche Wärme, das elektrisierende Kribbeln auf seinen Lippen, die ihn zum Schweigen brachten, seine Entschlossenheit dabei nicht stoppen konnte. Er wartete und erschauerte, als ihn plötzlich eine eigenartige Kälte traf, ein Wind über seine Haut strich. Alle Härchen stellten sich auf, zitterten im Takt mit ihm, während er sich verzweifelt nach Wärme sehnte, sich hochdrückte und mit seiner Hand über einen bebenden Rücken fuhr, während sein eigener juckte, an all den Berührungspunkten mit der Decke unter ihm kratzte. Und dann traf ihn etwas dort unten, dort wo sein Herz einen neuen Sitz gefunden hatte. Dabei raste ein Schauder nach dem anderen durch seinen Körper, trieb ihn schneller und schneller vorwärts. Hoch wollte er, dem wunderbaren Glimmen näherkommen, das ihn erfüllte und, jedes Mal wenn sein Glied diese feste, warme Haut berührte für einen Augenblick einen Schleier vor seine Welt zauberte. Er bemühte sich. Immer schneller drängte es ihn vorwärts, seine Lippen noch immer gefangen, er unfähig etwas zu sagen und doch so voller Energie, so voller Bedürfnisse. Schließlich griff er mit geschlossenen Augen nach vorne auf das große Etwas, dieses warme pulsierende Leben das er haben wollte. Kurz hielt er bei dem Gedanken inne, wollte sich stoppen, an seine Ängste denken, doch konnte es nicht. Da war nichts davon; er zitterte, zitterte vor Anspannung. Lediglich Erwartung, Vorfreude, das unbändige Verlangen in ihm existieren und pulsierten wie im Takt mit seinen wenigen Gedanken. Er wusste was kommen würde, wollte es, ersehnte es mit jeder Pore. „Jin…Jin…Typhon…mein…“, murmelte er, riss sich für jedes Wort ganz kurz los, nur so wenig, dass er die Feuchte, die Wärme noch spüren konnte, einen Faden sein Kinn hinunter rinnen fühlte. Genau da glaubte er ein Nicken zu sehen, ließ sich darauf nach hinten fallen, nur um bei der ersten Berührung dort unten bereitwillig die Beine auseinander zu bewegen, zu spreizen. Seine Füße vergruben sich in der Bettdecke, stemmten sich gegen den Halt und bewegten seine Knie nach oben, bis seine Waden seine Schenkel berührten. Erwartungsvoll zitterte er, drückte so fest er konnte, bis er Luft fühlte, etwas Freiheit auf seinem kratzten Rücken. Mit letzter Kraft zerrte er seine Hüften hoch, kämpfte mit dem viel zu weichen Grund, auf dem er sich abstützte. Gegen jeden Einwand, gegen seinen Verstand blieb er so, wartete. Doch anstatt besser, wurde damit alles nur schlimmer. Der Druck in seinem Glied sprang in eine neue Dimension, ließ es hin und her zittern. Alles wurde nur schlimmer, als er etwas Feuchtes an seinen Schenkeln hinunter rinnen fühlte. Er fühlte es dort, schloss schon die Augen, die Welt viel zu heiß. Seine Hände klammerten sich verzweifelt an seinen Partner, krallten und kratzten, um sich abzulenken, ohne dass es ihm gelang. „Nicht so…“, hörte er ein Flüstern, fühlte es in Wirklichkeit mehr an seinen Lippen, als seine Arme plötzlich jede Haftung verloren und über seinen Kopf nach hinten gehoben wurden, schließlich unbeweglich in etwas eingeschlossen wurden. Kurz versuchte er sie zu bewegen, starrte verwirrt, wütend hoch. Gerade als er etwas sagte, die ersten Silben hochpresste, während er zerrte und versuchte sich zu befreien, glitt etwas über sein Glied und brachte seinen ganzen Körper dazu, zu beben. Ein Wirbelsturm fegte durch jede seiner Zellen, ließ ihn alles vergessen, wogte wie eine Welle auf und ab. Seine Augen rollten hin und her, verloren, und seine Arme spannten sich nur noch nutzlos an, wollten etwas tun, berühren, ohne es zu können. Und dann war alles vorbei, alles vergessen. Er öffnete seinen Mund in einem wortlosen Schrei, der Schmerz für eine Sekunde zu groß, zu riesig, als etwas in ihn eindrang, ihn erfüllte, ihn so absolut erfüllte. Ein gleißendes Licht tanzte einen Moment vor seinen Augen, ließ ihn alles vergessen, alles unbedeutend erscheinen, bevor es in einem Stechen unterging, das gleich wieder verebbte. Taubheit, die nach mehr verlangte, breitete sich aus. In ihm war etwas, etwas das all seine Aufmerksamkeit auf sich zog und immer stärker an seinem Verstand zog. Es pochte, schien ihn mit all seiner Macht so vollständig zu berühren, wie nichts es konnte, machte ihm die Stelle so bewusst, wie sie es nie hätte sein sollen. Tränen in den Augen sammelten sich, während er wartete, auf Bewegung wartete. Am Ende konnte er nicht mehr, wollte nicht mehr, und hob seine Hüfte ein Stück hoch, drückte sich dank leiser Versprechen in seinem Körper, dem einen Versprechen das in ihm sang, dem Glück entgegen. Mit einem leisen Aufschrei, fühlte er die Brandung, den ersten Hauch eines Windes, der durch seine Zellen raste und alles in Flammen setzte, der gleich darauf wieder verstummte und ihn darbend zurückließ. Alles war so still, er wollte nicht mehr, stierte Jin wütend an. Doch der thronte mit einem erfüllten Lächeln über ihm, die Hände wie Säulen, die ihn gefangen hielten und so viel mehr hätten machen können. „Mach schon, du…Perverser…“, presste er zwischen knirschenden Zähnen hervor, bemühte sich nicht zu überlegen und die Schweißperlen zu ignorieren, die langsam seinen Hals hinunter rannen. Es war unerträglich, ein leise Versprechen, das wie ein beständiger Wind immer wieder an seinen Verstand drang und ihn aufforderte sich endlich zu bewegen. Pochen war alles, was ihn beherrschte, seinen Blick beherrschte. Seine Augen versuchten etwas zu finden, immer wieder von weißen Punkten unterbrochen, rasten von einem Stoffknoten zum nächsten, nur um schließlich bei dem einen Anblick mit heißen Tränen stehen zu bleiben. So nah war das Gesicht, dass seine Lippen kribbelten und sein Mund offen stehen blieb. Dabei fuhr etwas Warmes langsam seinen Nacken hinab, schlich sich immer näher zu seinem Ohr. „Wie du wünschst, mein Paradies…“, fegte der Sturm los, raste zugleich mit einer harschen Bewegung durch seinen ganzen Körper, immer stärker. Etwas ergriff mit furchtbarer Stärke, mit grandioser Kraft seine Hüften, hob ihn weiter, höher. Schmerzen blitzten kurz in jeder seiner Fasern auf, als die Bewegungen begannen, verstummten in dem Orkan, der durch seine Ohren fegte und einer Sonne gleich alles verbrannte. Mit voller Wucht wurde er aus jeder Sorge, aus allem gerissen. Seine Welt implodierte, brach in eine einzige Komponente, in ein einziges gleiches Meer zusammen, die Bewegung in ihm so stark, der Griff auf seine Hüfte so bestimmend, das er nichts mehr unterscheiden konnte. Dort, dort war alles. Es fand immer tiefer, strich so sanft über alles, bis es etwas traf, etwas das wie eine Verbindung in seinen neuen Verstand, in sein Glied, war. Er zuckte nach oben, alles zu viel, zu wenig. Moment für Moment, Stück für Stück fühlte er es in sich, die tausenden Berührungen und Regungen, die wie Millionen kleiner, ununterscheidbarer Blitze erstanden und alles zittern ließen, ihn in eine andere Welt hoben - für einen Moment. Für einen unendlich kleinen Augenblick vergaß er alles, hätte gelächelt, wenn er noch gewusst hätte, wie. Es war perfekt, so wunderbar und er genoss einfach nur und wünschte sich nicht einmal mehr etwas, nur um im nächsten Moment mit voller Brutalität auf die Erde zurückgerissen zu werden, weg von dem Ort, der so weit in der Glückseligkeit lag und doch nicht ganz dort. Seufzend, zitterte er, versuchte etwas, bewegte sich verzweifelt dem Glied in sich nach, entgegen, wollte es wieder zurück, wollte wieder zu diesem Gefühl zurück, das er brauchte. Doch es entfernte sich, stoppte grausam, ließ ihn allein zurück. Die Leere schmerzte, ließ ihn so allein zurück, so leer, die Bewegungen zu wenig, zu schwach. Es war so nah, in Reichweite und er spürte es mit jeder seiner Fasern. Er knurrte halb, unzufrieden und stöhnte wieder erleichtert auf, als die Bewegung sich umdrehte und er wieder Fülle fühlte und das Knistern vor seine Augen zurückkehrte, der fanatische Takt zurückkehrte und das Streichen ihn erfüllte, bis es sich erneut umdrehte. Es wogte ihn immer wieder vor und zurück, drängte ihn immer schneller immer weiter, brachte ihn dazu, Geräusche von sich zu geben, die er nicht von sich geben konnte. Dabei blieb ihm keine Wahl, er konnte nicht anders. Der Wind strich so völlig einnehmend über sein Innerstes, so unfassbar allumfassend, traf immer wieder diesen einen Punkt, der den Wirbelsturm entfachte, ihn in die magische Welt hob. Sein Körper war dort ein Flammenmeer, ein kühles Meer, taub und doch so empfindlich, während die Decke über ihm ein blitzendes, viel zu helles Lichtermeer wurde. Bei jedem Stoß, jeder Bewegung wurde es immer drängender, ständig zu wenig. Ein Gift war es, das ihn nicht los ließ, eine Droge, die ihn nach immer mehr verlangen ließ, ihn nach jedem Mal mit dem Gefühl von „zu wenig“ zurückließ. Wieder und wieder stieß es in ihn, erfüllte ihn, ohne ihn zu erfüllen und er drückte sich entgegen, seine Hände ein einziges Zittern, unfähig sich irgendwo abzustützen und ihm zu helfen. Tränen rannen langsam seine Wangen hinunter. Er war so nah und doch noch zu weit entfernt, dieses bisschen das ihm fehlte machte ihn verrückt. Seine Augen rollten nutzlos hin und her, suchten etwas und blieben schließlich starr auf dem Gesicht seines Geliebten hängen, über das er streichen wollte. Seine Arme bewegten sich, kämpften gegen einen Widerstand an, während seine Finger sich zu Fäusten ballten und er: „Lass mich los“, verlangte, von Wellenbewegungen aus dem Takt gebracht. Um seine Botschaft zu unterstreichen, oder doch um diese Fülle in sich zu halten, drückte er seine Muskeln dort unten zusammen, presste und hielt. „Wie du…“, hörte er, glaubte er zu hören zwischen seinem eigenen Keuchen, wusste nicht, ob es nicht vielleicht aus seinem eigenen, zu einem eigenartigen Lächeln verzogenen Mund, kam. Und dann wusste er es. Mit voller Kraft rasten seine Arme nach oben, schlangen sich um den Rücken seines Typhons, hoben Mark höher, halfen ihm, gaben ihm Halt, während er seine Augen schloss und glücklich von dem Sturm mitgerissen wurde. Er ließ los, ließ dort unten los und sich fallen, nur um sich dann mit voller Kraft hochzuziehen, sich der Bewegung entgegen zu drücken. Wieder und wieder, immer schneller, immer stärker kostete er jede Sekunde aus, genoss den Hitzesturm, der beständig durch ihn fegte. Plötzlich erfüllte Gold sein ganzes Sichtfeld, verschwamm am Rand langsam wie kurz vor der Ohnmacht und trieb ihn doch an. Das Ziel war so nah, so nah, dass er danach greifen konnte. „Jetzt…Jetzt…“, murmelte er, verdrehte die Augen und drückte sich ein letztes Mal entgegen. Als die eine Stelle aufflammte, etwas durch seinen ganzen Körper blies, spannte er jeden Muskel an, spannte für den einen letzten Moment in dem er noch Kontrolle hatte. Bei dem leisen: „Perverser…Jin…“, verlor er alles, verlor jeden Kontakt zu sich selbst. Der Druck, vorher noch da, zog sich kurz zurück, nur um dann nach außen zu schießen und mit dem Rückstoß den Rest seiner Selbst in eine andere Welt zu befördern. Die Erleichterung flutete ihn, heizte sich auf und wurde zu einer Wolke, die nicht da war. Ein Schleier legte sich über seine Augen, tauchte seine Welt in eine unwirkliche Schönheit, in der alles egal war und nichts von Bedeutung. Er starrte nur selbstvergessen nach oben, sah Jin, der in dem Moment so perfekt war. Alles war so warm, so wohlig, so unbedeutend – eine Welt, in der er keinen Gedanken fassen konnte, die einfach nur existierte. Das Zittern seiner Schenkel war eine eigenartige Schwingung, die ständige Bewegung in ihm etwas, das ihn dort hielt und ihn immer wieder mitnahm, vor der Müdigkeit beschützt, die am Rand lauerte. Und dann fühlte er die Wärme, etwas in ihm, das in ihn eindrang und doch gleich wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwand, so schnell verschwand wie die Welt langsam wieder einbrach. „Nein…“, murrte er. Langsam fing er an, an das Hotelzimmer zu denken, fühlte, wie seine Augen immer schwerer wurden und anfingen zu fallen. Seine Beine zitterten, versagten schließlich, als ihre Stützte, als das kaum noch spürbare warme Leben, zwischen ihnen wich. Mit einem Plumps kam er auf dem Bett auf, die Arme noch immer um Jins Hals gelegt, zog wütend und bekam nur einen Kuss auf seinen Hals, der scheinbar furchtbar interessant war. Wärme knisterte leise in seinem Körper, kitzelte an den Stellen, die so intensiv berührt wurden und drängte sich schnell hinunter. „Und jetzt?“, murrte er und musterte seine Umgebung kurz, suchte nach einer Ablenkung von dieser wohligen Müdigkeit. Am Ende tastete er mit seinen Fingern nach diesem unglaublich auffälligen rosa Zettel, der auf einem Stapel neben zwei Handys lag. Er blinzelte ein paar Mal, bis er das Stück Papier vor sich hatte. Leise fing er an die schnörkellosen Worte vorzulesen: „Vermögenswerte Jin Naphuriquales, Summe…“ Genau an der Stelle verschluckte er sich beinahe, hustete. Fast ließ er das Stück Papier fallen, die Finger ein einziges Zittern, die eigenartig Zahl ein unidentifizierbares Gespenst. „Das…das…“, stotterte er, alles andere vergessen. Sekunden vergingen, ohne, dass er Aufmerksamkeit bekam, bis er schließlich nicht mehr konnte. Wieder und wieder, unter beständigem Blinzeln, hob er seine Hand, ließ sie fallen, genau auf Jins Kopf. „Was ist DAS?“, wollte er wissen, schwenkte den Zettel wild vor sich hin und her, hielt ihn vor Typhons Nase. Die vielen Nullen verschwammen dabei zu einem einzigen Zahlenbrei, den er gar nicht zu zählen versuchte. Jin betrachtete das Stück Papier nur kurz, zog seine Mundwinkel so offensichtlich unzufrieden nach unten, bevor er trocken erklärte: „Ich würde sagen ein paar Millionen...“ Kapitel 23: Zurück in der Realität – Willkommen im Wahnsinn ----------------------------------------------------------- Zurück in der Realität – Willkommen im Wahnsinn Mark blinzelte. Verdattert hätte seine Stimmung im Moment nur ungenügend beschrieben. „Das weiß ich auch…das sind sogar hunderte Millionen – oder so.“ Genau an der Stelle stoppte er, schnaufte und fing an zu zählen. „So ungefähr“, versicherte er, setzte dann von vielen Schluckern unterbrochen an, weiter zu reden, „aber da steht dein Name. Doch das ist unmöglich, das können doch nicht, das sind sicher irgendwelche afrikanischen..., oder? Du bist ein Dschinn…, also es sind andere, oder?“, bat er förmlich darum, dass seine Befürchtungen widerlegt werden würden und hatte doch die dumpfe Befürchtung, dass es noch schlimmer kommen würde. „Ich würde sagen, dieses Zeichen spricht eindeutig für Dollar“, erklärte ihm sein Dschinn, zeigte mit seinem Finger auf das unverkennbare Zeichen, bevor die Hand weiter wanderte - zu einer zweiten Zahl. „Und das hier dürften Euro sein...“ Mark brachte nur ein „Oh Gott“ heraus, öffnete und schloss seinen Mund in sinnlosen Bewegungen, ignorierte die zweite Zahl geflissentlich. „Das, das, das mach keinen Sinn. Du bist ein verdammter Dschinn!“, brüllte er am Ende fast, krallte seine Finger in der Decke fest und zerrte wild daran, als Jins Aufmerksamkeit wieder ganz ihm gehörte. „Gut erkannt“, konterte sein Typhon, ein Lächeln auf den Lippen. Sein Dschinn legte eine Hand auf Marks Herz, strich über seine nackte Brust, hinterließ so eine warme Spur, ein Prickeln, das ihn an etwas erinnerte. „Idiot!“, erwiderte er mit ewiger Verzögerung, während er seinen ganzen Körper anspannte, sich bereit machte und im nächsten Moment hochschoss. Unaufhaltsam rasten seine Augen von einer Seite zur nächsten, suchten etwas, bis er etwas fand. Da war ein Ausgang, ein rettender Fluchtweg. Er rutschte vom Bett, zerrte eine Decke mit sich. Wild flatterte sie hinter ihm her, flatterte frei, bis sie plötzlich zum größten Widerstand wurde, ihn zurück riss und aus seiner Hand rutschte. So stolperte er ungebremst nach vorne, fiel mit dem Gesicht voran in Richtung Boden. Panisch, wild, fuchtelte er mit den Armen, streckte sie aus, um sich abzufangen. Kein Moment, um zu denken und nichts half. Mit einem lauten Krach kam er auf, ein Schmerz glühte in seinem Handgelenk auf, jagte seinen ganzen Arm hoch. „Ahhhhuuu...“, schrie er, schlang seine Finger um dieses pochende Ding, das all seine Aufmerksamkeit auf sich zog und ihn auf dem Boden gefangen hielt. Es schien als ob sein Handgelenk aus der Haut springen wollte, zog und zerrte mit brutaler Wucht, quälte ihn mit jedem stechenden Hämmern, das durch seinen Arm raste. Gefangen lag er dort, biss sich auf die Lippen, um sich abzulenken, fluchte leise, bis er sich zusammenreißen wollte, aufstehen wollte. Doch etwas kam ihm zuvor. Starke Arme hakten sich unter seinen Achseln ein, hoben ihn hoch und zerrten, nein trugen ihn wieder zurück zum Bett. Ein harter, warmer Druck, zwang ihn wieder zurück in die weichen Kissen, drängten ihn förmlich dazu, aufzuschauen. Diesmal lächelte Jin nicht, die goldenen Augen nachdenklich, während die Finger immer wieder über sein pochendes Handgelenk fuhren, die Qual mit sich zogen, solange sie dort verharrten. „Wünsch dir etwas…“, hörte er schließlich leise durch das gefühlte Bohren, dieses Stechen in seinem Verstand. Verwirrt suchte er nach einer Antwort, versuchte sie irgendwo auf der Decke, bei dem eigenartigen Haufen von Papieren, von Handys auf dem weißen Tisch zu finden. „Jetzt“, wurde die Stimme drängender, drückte kurz zu und ließ ihn vor Schmerz wimmern. „Ich…ich…“ Er versuchte, aber sein Verstand war so leer. „Ich wünsche mir…sag mir…gib mir die Decke…“, brabbelte er am Ende dahin, nur um sich gleich auf die Zunge zu beißen und leise zu fluchen - denn gleich darauf ging sein Wunsch in Erfüllung. Die weiche Überdecke landete in seinem gesunden Handgelenk, während das andere plötzlich aufhörte in seinem Verstand hämmernd die zentrale Rolle einzunehmen, in wohlige Taubheit gehüllt wurde. Aus purem Reflex heraus bewegte er sie wieder und blinzelte, als nichts passierte. Erstaunt suchte er Typhon, musste ihn sehen. „Das…danke…“ Das Lächeln, das daraufhin in Jins Gesicht erschien, zauberte ein furchtbar angenehmes, furchtbar warmes Gefühl in seine Brust. Es verharrte kaum mehr als Momente dort, bis es in seinem ganzen Körper aufglomm und nach unten wanderte. „Oh Scheiße…“, fluchte er leise, schaute sich wieder um, fand den Stapel Papiere. Damit wehte ein Orkan durch seinen Verstand, verdrängte die Wärme und drängte eine Frage wieder in den Vordergrund. „Wieso zum Henker hat ein Dschinn so viel Geld?“ Die Worte schossen nur so heraus, während er die Decke wie einen Mantel um seine Schultern schlang und festhielt. Ein Seufzen war das erste, was er bekam, bevor er Jin wieder in voller blauer Pracht vor sich sah. Die Bänder flatterten los, zogen die Papiere und die Handys mit sich, schwebten entgegen jeder Realität um seinen Typhon, der sich ihm zuwandte. Starke Arme griffen nach ihm, zerrte ihn nach oben - gegen jeden Widerstand. Im nächsten Moment verlor er wieder jeden Halt, landete über einer Schulter und war so beschäftigt damit seine Decke fest und sein Gleichgewicht zu halten, dass er nichts anderes tun konnte. Er grummelte. Hitze glomm auf, schlängelte sich immer weiter durch jede Pore. Leise fing er an seinen Körper zu verfluchen, bis er sich umschaute und verstummte. „Oh…Gott…“, stammelte er, als er auf die Glaswand starrte, auf eine verkehrte Darstellung der Mythenfiguren rechts von sich und auf eine Tür, die ihm den Blick auf das Bett gewährte. Das nächste was er in der schwankenden Welt sah, war ein veritabler Dschungel. Grün überall, Lianen, an denen riesige Blüten prangten, verbanden die Miniaturriesenbäume, von denen ganze Horden von Orchideen in allen Farben und Größen hinunter hingen. Ein leises Plätschern drang an seine Ohren und auf dem Boden konnte er jetzt riesige von Moos bedeckte Steine erkennen. „Das…“, sagte er leise, setzte schließlich sinnvoller fort: „Lass mich runter!“ Und genau in dem Augenblick verlor er das bisschen Gleichgewicht, fühlte sich schon durch die Luft fliegen. Seine Arme schossen hoch, krallten sich noch schnell in den blauen Bändern fest, als er den Aufprall fühlte und mit dem schlimmsten rechnete. Doch es war weich. Den Blick noch immer starr nach oben gerichtet, bemerkte er, dass er auf einem riesigen Kissen gelandet war, das wie ein von Moos bedeckter Stein ausschaute. Ein kurzer Schwenk und er wusste, dass er vor einem riesigen See saß, gespeist aus einem plätschernden Wasserfall. Das kühle Nass wirbelte Nebelschwaden auf seinem Weg die einzelnen Terrassen hinab auf. Riesige Pflanzen, um die das Wasser strömte, bewegten sich sanft wie die Blüten in der Strömung hin und her, schwankten gefährlich in den Fluten, ohne abzureißen. „Nicht schon wie…das kann es doch nicht geben“, murmelte Mark, seine Aufmerksamkeit wieder ganz bei Dschinn, der sich gerade neben ihn auf einen ähnlichen „Stein“ setzte. Die blauen Bänder schwirrten um ihn herum, zogen sich wieder zurück und legten ihre schon vergessene Fracht auf einen toten Holzstamm vor den Kissen. Ein paar Sekunden vergingen, nur gefüllt von dem Plätschern und dem Ruf von Vögeln, während er kurz hochstarrte und die Sonne durch eine Glaswand erblickte. „Ich wollte es ausprobieren.“ Dschinns Stimme riss ihn aus seinen Betrachtungen. Sein Kopf raste wieder hinunter, seine Augen fanden ihren Fokus, während er nur ein: „Was?“, heraus brachte. „Ich habe dieses Vermögen, weil ich es wissen wollte. Bevor du dich wieder verletzt, erfülle ich dir lieber auch diesen Wunsch, mein Markus…“, erklärte sein Jin und strich mit seinen Fingern über die nackte Haut an seinem Hals. Er blinzelte, fühlte erst Wärme, die die um ihn gewickelte Decke leicht hob, bis etwas anderes in seinen Verstand eindrang. „Ich verletzte mich nicht, nicht, wenn…du…Perverser“, schoss er dazwischen und konnte nicht einmal sich selbst damit überzeugen. „Was auch immer…“, schloss er schließlich, rollte mit den Augen und starrte am Ende wieder Jin an, was seinem Körper viel zu sehr gefiel. „Also was, wieso…?“ „Du bist…süß…“, fing Typhon erst an, entlockte ihm damit ein entnervtes Seufzen, und setzte erst dann glücklich lächelnd fort, „aber zurück zu mir…“ Darauf musste Mark mit: „Als ob es nicht immer um dich gehen würde…“, antworten und kreuzte die Beine um ein gewisses wachsendes Körperteil zu verstecken. Jin ignorierte ihn zumindest halbwegs, starrte für sein Wohlbefinden dabei aber viel zu lange viel zu intensiv auf sein verräterisches Glied. Das Grinsen auf Typhons Gesicht wurde beängstigend lüstern, bevor er weiter redete. „Ich glaube wir werden nachher noch etwas unternehmen, aber erst die Pflicht: Inzwischen weißt du wohl so viel über uns Dschinns wie kaum ein anderer. Wir suchen immer nach unserem Paradies, nach der Erlösung.“ Mark nickte, sein Körper vergessen, während er der tiefen Stimme lauschte und an all die Wesen denken musste und kurz betete, dass sie von dieser Hölle verschwinden könnten. „Und was zeichnet das Paradies aus? Glückseligkeit oder Spaß – ganz wie beim Sex“, erklärte Jin mit einem deutlichen Seitenhieb, bekam dafür einen mit dem Ellbogen von Mark, der leise knurrte, „nun ja, und da viele Menschen nichts besseres mit ihren Wünschen zu tun hatten, als sich Reichtümer zu wünschen, war mein Interesse am Ende geweckt. Als die kleinen Freuden der Folter langsam weniger wurden…“ Bei diesen Worten zuckte Mark sichtlich zusammen, verdrängte jeden Gedanken an die kleinen blutigen Episoden in der Dschinnwelt schnell wieder und schluckte. Jin konnte nicht so sein, war nicht mehr so – zumindest war er für ihn nicht so. Mächtig, stark, brutal aber erotisch. Mit seinem geistigen Fuß stampfte er auf dem Gedanken herum, versuchte ihn abzuwürgen, während sein Körper schon fröhlich reagierte. „… benutzte ich mein Wissen und ein paar Wünsche dazu, um mir Reichtümer zu verschaffen. Mit dem einzigen Ergebnis, dass ich nichts fühlte. Im Glauben daran, dass vielleicht mehr etwas bringen würde, wurde es immer mehr, tausendfach mehr, nur um am Ende doch nichts wert zu sein. Kleine Papierscheine, klimpernde Münzen ohne Wert, pure Zahlen ohne einen Funken Glück zu bringen…“, schloss Dschinn und wandte sich damit wieder vollständig ihm zu – mit Händen an Hüften, die garantiert nicht ihm gehörten. Mark hob seine Augenbrauen, blinzelte und schlug sich schließlich mit einem klatschenden Geräusch mit der Hand gegen die Stirn. „Daran hätte ich auch gleich denken können. Bei dir geht es immer nur um…okay, kann ich auch verstehen bei DER Welt“, bekundete er plötzlich fröhlich, lehnte sich unbewusst, halb bewusst in die Umarmung. „Im Übrigen muss man Geld ausgeben und für etwas verwenden, um Spaß damit zu haben. Zum Beispiel dieses irre – wie geht so etwas überhaupt – Zimmer zu mieten.“ Er glaubte ein leises „Ich weiß…jetzt…“, zu hören, zog die Decke enger an sich, bevor er selbst weiterredete. „Menschen können keine Wünsche erfüllen und mit Geld kann man sie sich erfüllen…vielleicht, manchmal…solange man nicht bei einem perversen Dschinn landet und dann in der Dschinn…“ In dem Moment schlug etwas wie eine Bombe in seinem Verstand ein. Er versteifte sich, die Augen vor Schreck geweitet. „Gott, ich war Tage weg. Was werden meine Großmutter…ob sie die Polizei…und meine Eltern…oh scheiße…“, ratterte er förmlich herunter. Seine Gedanken schossen unkontrolliert heraus, seine Atemstöße wurden immer kürzer und schneller. Finger strichen beruhigend über seine Haut, schafften es alleine nicht ihn zu beruhigen, bis die tiefe Stimme ganz nah an seinem Ohr erklang. „Keine Sorge. Dieser Kieselstein - dieser andere Dschinn wird seine Spuren verwischt haben und sicher dafür gesorgt, dass deine Abwesenheit keine große Aufmerksamkeit nach sich zieht. Und für den Rest…“ Damit drückte ihm Jin etwas in die Hand. „Dieses Handy gehört dir und natürlich ist meine Nummer dort eingespeichert – neben der deiner Großmutter. Ich hoffe du weißt, wie man so etwas benutzt…“, neckte ihn Typhon, strich über seine Finger, bevor er den Blick auf das silbern glänzende Ding in seiner Hand freigab. Im ersten Moment sah es einfach aus, war dabei aber zu schwer, zu kühl, um aus Plastik zu sein. Einzelne Streifen aus Gold zogen sich bis nach oben und als er es umdrehte, erkannte er sein Tattoo dort. Seine Finger fuhren langsam über die Tastatur, tippten etwas verloren herum, bis er auf die Adressen stieß und sein Kinn weit nach unten fiel. Panisch ratterte sein Verstand, seine Wangen am Glühen und seine Zunge trocken, immer tauber. Schließlich krachten seine Zähne mit einem hörbaren Knacken aufeinander, rieben knirschend, bis er sie wieder öffnete und laut: „Das ist nicht dein Ernst, du perverser, verdammter Perverser…“, schrie. „Das…hast du den Verstand verloren? ‚Mein Schatz – Golden mit sooo einem großen…‘?“ Das Schmunzeln brachte ihn fast noch mehr aus der Fassung. „Ich finde das passend und außerdem steht es dir ja frei diesen äußerstes passenden Namen zu ändern“, erklärte ihm Jin belustigt und lehnte sich ein Stück nach vorne, verschränkte die Arme, ein breites Grinsen im Gesicht. Wütend stammelte er sinnlose Wortfetzen, tippte so schnell wie er konnte an der kleinen Tastatur herum. „Scheiß Handys…“, fluchte er, als er nach gefühlten Jahren noch immer nicht den gewünschten neuen Namen eingegeben hatte, nur um Sekunden später zu jubeln. „Da…“ Damit hielt er das Mobiltelefon direkt vor Jins Nase, so dass dieser seine Arbeit auf dem Bildschirm bewundern konnte. Eine Augenbraue hob sich kurz ein paar Millimeter, doch die erhoffte Reaktion blieb aus. Statt Unzufriedenheit, irgendetwas das das Lächeln zumindest etwas verminderte, wurde das Grinsen nur noch größer. „‘Mein Perverser‘? Das ist ja…“, fing Typhon an und brachte ihn dazu, wild zu blinzeln. Das Handy fiel fast aus seinen tauben Fingern, als er es schnell zurückriss und auf den Bildschirm starrte. „Scheiße…das sollte nur ‚Der Perverse‘ heißen…verdammt…nicht, dass du dir etwas darauf einbildest.“ Sein Daumen schwebte dabei über der Tastatur, schwebte und schwebte, ohne sich tiefer zu bewegen. Nach einer schier unendlichen Zeit, ein paar Sekunden, gab er auf und seufzte nur. „Noch immer besser als vorher und…“ Genau in dem Moment erschien ein neuer Name, klar erkennbar als der seiner Großmutter. Und damit kam etwas hervor, was in der Aufregung fast wieder untergegangen war. „Verdammt, und ich weiß noch immer nicht, wie es zu Hause aussieht. Meine Eltern werden mich umbringen und wenn sie erfahren, dass ich…dass ich…oh Gott…“, stotterte er, sein Kopf so voll und er doch unfähig irgendeinen einzigen Gedanken zu fassen. Nur ein einziger Ausweg zog ihn an, war wie magisch mit all dem Gold. Jin hatte sein eigenes goldenes Telefon schon am Ohr, lächelte und sprach seelenruhig: „Hallo Claudia. Ja, ich bin es…nein, nein, Markus geht es gut und die Nachricht die du gefunden hast, war ein wenig missverständlich und nicht ganz wahrheitsgemäß. Er war etwas in Eile und hat Julius.“ Bei diesem Namen schien die Temperatur im Raum ein paar Grade zu fallen, die Stimme seines Dschinns tief und gefährlich und der Gesichtsausdruck düster und wohl genauso wie sein eigener. Schließlich, nach ein paar Sekunden unheilvollen Schweigens, setzte Jin in entspannterem Tonfall fort: „gebeten etwas zu hinterlassen. Da dieser jedoch leider nicht der Hellste ist... Naja, Claudia, lustig würde ich ihn nur bedingt nennen....hat er ein paar Sachen verwechselt, wenn ich mir so die Erzählungen anhöre. Natürlich ist Markus nicht geflohen, sondern ist nur mit mir auf eine kleine Überraschungsreise gegangen – auf meine Bitte hin. Wir sind aber an der letzten Etappe, also keine Sorge, wir kommen bald…“ „...tter? Wenn du mir nich...gst, wo Markus..., werd...Jugendamt…!“, schnitt eine hohe Stimme durch das Gespräch, schaffte es bruchstückhaft aus dem Hörer, so laut, dass selbst Mark es hörte und zusammenzuckte. Mutter, seine Mutter… Er fing an zu zittern, seine Augen rasten auf der Suche nach einemVersteck hin und her, fühlten sich so schwer an, doch nichts schien sicher genug. Einzig Jin war hier, wieder in dem blauen Gewand. Die immensen Klauen fuhren durch die Luft. Die Zähne gefletscht wirkte er, als ob er Blut sehen wollte und es bekommen würde. Mark zitterte, zitterte noch mehr und obwohl er seine Fäuste ballte, seine Füße in den Boden rammte, konnte er sich nicht beruhigen. „Claudia, sage ihr, dass wir kommen. Aber wenn sie bis dahin nicht anders wird, wird sie mehr als ein Wunder erleben. Und damit muss ich auflegen. Wir unterhalten uns wieder…“ Damit knackte etwas und das Handy flog auf den Tisch, prallte auf dem Holzstumpf ab und sprang hoch, nur um wieder drauf zu krachen und schließlich liegen zu bleiben. Ein leises Knurren brachte Mark darauf, seinen Blick nach oben zu richten. Wärme breitete sich sanft in ihm aus, ungehindert, strömte durch seinen ganzen Körper und erfüllte ihn. Etwas meldete sich leise pochend zu Wort, zog noch halb betäubt an seinem Verstand und versprach etwas. Er schluckte. „Alles vorbei…das letzte Mal…“, flüsterte er leise nur für sich selbst. Mit einer Hand fuhr er sich durch die Haare, vergrub sie darin und zog verzweifelt daran. Sein Kiefer zitterte, klapperte bei jeder Bewegung und Kälte stellte seine Härchen auf. Näher, immer näher kam er Jin, dieser wohligen Wärme, berührte schließlich mit seinen zitternden Fingern den Arm und seufzte beruhigt. Entspannung, eine wohlige Müdigkeit schlichen sich in seine Glieder und er schien nur noch näher an seinen Gefährten zu rücken, die Decke schon halb vergessen. „Es gibt kein letztes Mal“, flüsterte, hauchte ihm sein Dschinn ins Ohr – so sanft, so warm, glaubhaft. Mark erbebte förmlich, der Stoff in seiner Hand zu schwer, glitt davon, fiel, nur um schließlich auf seinem verräterischsten Körperteil zum Liegen zu kommen. Dort bewegte es sich sanft, wie von einem Luftzug bewegt, brachte sein Herz dazu, schneller zu schlagen. „Ich...“, erwiderte er, schaute auf und konnte in dem Moment nicht mehr widersprechen. Seine Wangen glühten auf, alle Sorgen vergessen. „Ich...du hast Recht...mein Leben...meine Liebe...“, flüsterte er leise, ohne auf seine Gedanken zu warten. Als sie seine Zunge schließlich einholten, kam die Welt zum Stehen, brach in seinen Augen in ein Lichtermeer, in Schwindel aus. In dem Moment riss Mark die Augen auf und sein Kiefer klappte mit einem lauten Knacken hinunter. Und dann brach es aus ihm heraus. „Oh...du...Scheiße“, fluchte er, „verfluchte Scheiße, zum Henker!“ Verzweifelt schüttelte er den Kopf, vergrub seine Finger in dem blauen Stoff, der unter seinem beständigen Zug immer tiefer rutschte, zerrte und schaute am Ende mit zusammengezogenen Augenbrauen hoch. „Sag mir, dass du das nicht gehört hast...ich wünsche es mir!“ „Ich habe es nicht gehört“, kam die Antwort mit einem Tonfall, der geradezu das Gegenteil schrie, mit einem Blick, der zufriedener nicht hätte sein können. „Und jetzt werden wir unseren gemeinsamen Wunsch erfüllen“, fügte Typhon an und legte seine Hand auf Marks Glied, das vor Freude ein kleines Stück nach oben sprang, das Tuch deutlich hob. Damit schmolz alles dahin, ging in dem sanften Gefühl unter, diesem warmen Drang, der so stark noch von vorhin vorhanden war. „Ich...“, fing er wieder an, blinzelte wild, während seine Finger von selbst einen Weg nach oben suchten, bei jeder Berührung mit Haut kribbelten. Als sie sich endlich fanden, schlangen sie sich umeinander, zogen ihn hoch, seine Lider nach unten. Alles versank in einer Welt aus Dunkelheit, in einem sanften Rot, das im Takt mit seinem Puls schlug und schließlich in Belanglosigkeit unterging, als seine Lippen die seines Gegenübers, seines Geliebten, berührten. Taubheit explodierte in dem Moment in einem Wind aus kleinen hämmernden Schmetterlingen, brachte ihn dazu zu stöhnen, seinen Mund zu öffnen in der Hoffnung auf mehr. Etwas kam, kitzelte kurz, bevor es strich und ihn lockte, ihn dazu brachte mit seiner Zunge nach vorne zu tasten, der Berührung entgegen, der Belohnung entgegen. Sie zuckte kurz zurück, zitterte, als sie auf ihren Gegenpart traf, nur um sich dann anzuschmiegen und in dem sanften Wogen zu verlieren. Ein Spiel war es und doch nicht. Mark seufzte, konnte sich nicht zurückhalten, konnte seine Instinkte nicht mehr zurückhalten. Die Wärme, die in jeder seiner Poren fegte, die jeden Gedanken dahinschmelzen ließ, übernahm selbst seine Zunge, brachte ihn dazu langsam aufzustehen, den Kontakt nie zu brechen und die wenigen Zentimeter nach oben zu schieben, das Bein zu heben und schließlich nach vorne zu stolpern. Mit einem letzten Ruck, einer letzten Anstrengung gegen seine weichen Knie, verlor er den Halt, für einen winzigen Augenblick selbst den Kuss. Er versuchte noch irgendwie auszugleichen, ruderte wild mit allem, doch ohne Erfolg. Alles weit von sich gestreckt, landete er mit einem viel zu angenehmen Aufprall auf Jin, schlang seine Arme wieder um den Nacken, bevor sie beide das Gleichgewicht verloren und er das Wasser auf sich zukommen sah. Verzweifelt schloss er die Augen, spürte nur noch den Wind, der Kuss wie eine Lebenslinie, so schön, dass er eine Ewigkeit und doch nur einen Moment dauerte. Doch das kühle Nass unterbrach alles, tauchte seine Haut in einziges Stechen. Es war beinahe ein Eismeer das ihn mit voller Wucht traf und ihn abkühlen wollte. Er zitterte, riss die Augen auf und klammerte sich noch mehr an Jin, an seinen Halt, der in dessen Kopf in dem flachen Wasser gerade nicht unterging. Sein Kopf schoss in Panik vor dem Wasser hoch, rot von der Anstrengung und so vielem anderen. Kälte, Hitze, leises Hämmern traf seine Lippen, als sie den Kontakt verloren und sich so falsch anfühlten. Marks Beine schlotterten, nutzlos am Boden zu beiden Seiten ausgestreckt, während er halb auf seinem Dschinn saß, halb auf ihm lag und etwas Hartes spürte. Eine kleine Bewegung und er hatte endgültige Gewissheit, als etwas seinen Weg nach hinten behinderte, so klein und doch mit so viel Einfluss auf ihn. Er zitterte, sein Blut raste mit jedem Schlag immer schneller durch seinen gesamten Körper, bis es sich sammelte, an der tiefsten Stelle fand. Es suchte, suchte nach einem Weg nach draußen und hämmerte wie wild, brachte sein Glied dazu hin und her zu schwingen und ihn dazu, sich dem ganzen anzuschließen. Gefangen in diesem merkwürdigen Tanz, verlor er beständig Kontrolle und konnte es nicht aufhalten, seine Gefühle nicht kontrollieren. „Jin…“, flüsterte er, beugte sich hinunter, fasziniert von dem wogenden Gold im Wasser. Seine Hände verirrten sich dabei zu der blauen Kleidung, diesem furchtbaren Widerstand, diesem Kratzen gegen seine Haut. Finger verkrallten sich in dem Stoff, zogen daran, zerrten, bis die Bänder ihm nachgaben und wie die Haare im Wasser davon drifteten, während er die wohlige Wärme spürte und erleichtert seufzte. Kurz, nur ganz kurz drängten sich bei diesem Anblick, beim Widerhall seiner eigenen Stimme in seinem Kopf Bedenken auf und er hielt inne. „Was mache ich…was…?“ Das war alles, was er noch herausbekam, bevor sein Kinn ergriffen wurde, sein Blick harsch in die Richtung des jetzt nackten Dschinns gezwungen wurde. Einen Moment blieb die Welt stehen, hörte in einem lauten Rauschen auf zu existieren, bevor sie mit einem bebenden Gefühl wieder in Fahrt kam und ihn mit sich zog. All seine Gedanken wirbelten in eine Leere, in dem Streicheln über seine Seite untergegangen. Es war als ob eine heiße Spur, ein Fluss aus heißem Kitzeln den Fingern wie eine Sternschnuppe folgte und sich ihren Weg immer näher an das Zentrum seiner Hitze suchte. Dort war etwas so vollends entfacht, erinnerte sich noch viel zu gut an die Momente des Glücks zuvor und verlangte geradezu nach nur einem – laut, drängend. Mark tastete danach, strich, versuchte mit seiner Hand etwas zu erreichen, ohne dass es ihm gelang. Jede Berührung wirkte so fremd, so fahl im Vergleich zu dem, was er unter sich spürte, war so anders als das Kribbeln das durch ihn pulsierte. Unter ihm die glühende Sonne, während er sich mit einer kleinen Lampe zufrieden geben sollte. Sein Körper rebellierte, wehrte sich. Einen Augenblick überlegte er, schloss dann die Augen und beugte sich vor, tastete sich weiter nach hinten, bis er dort ankam. Er biss sich auf die Unterlippe, fluchte leise, bevor er sich traute. Mit einer einzigen Bewegung, zitternden Fingern, brach durch alle Verteidigungslinien, die er mit Mühe aufgebaut hatte und fühlte die freudige Erwartung selbst im Angesicht dieses leisen Vorgeschmacks, der so anders war, als das Echte. Sein Körper bewegte sich mit ihm, halb versteift und schon so schwer, stieß immer wieder gegen die Härte, die er insgeheim haben wollte, wollte tiefer kommen, Haut an seinem Glied spüren. Aber es gelang viel zu selten und jede Regung wurde immer schwerer, Jins einfaches Streicheln wie eine Qual ohne Gleichen. Perlen aus Schweiß rannen seine Wangen hinab, die Anstrengung immer größer, bis er nicht mehr wollte und wütend nach unten stierte. „Mach was…ich will…bitte…“ Den Satz konnte er nicht mehr beenden, in Worten verhaspelt und in dem Rauschen verloren, das zu einem Konzert anschwoll, als Jin fest zupackte, seine beiden Hände um seine Hüfte legte, Sein Dschinn drückte ihn in eine Richtung, nur um ihn dort festzuhalten. Mark blinzelte, ließ die Hände vor Schreck fallen, genau auf die Brust fallen. Mit einem verschmitzten Lächeln, Lust so klar in jedem Zug sichtbar, richtete sich Typhon auf und wartete. Jede Sekunde wurde so zur Qual, gefangen in diesem Wirbelwind, in dem Drang, diesem Druck nach vorne, den er nicht kontrollieren konnte. Er schwankte, versuchte sich in der eisernen Umklammerung zu bewegen, seinen Durst nach Berührung vorne zu stillen – ohne Erfolg. Beinahe panisch wippte er nach hinten, fühlte für einen Moment, wie dieses Leben so nah herankam, dass seine Muskeln sich im Angesicht der Wärme zusammenzogen und weiteten. Unkontrollierbar driftete er ab in diese Welt, sah schon die ersten Schauer, stemmte seine Knie in den Grund. In seinen Augen tanzte etwas, seine Zellen jubilierten wie tausend Monde, doch dann zog ihn wieder etwas höher, weg von der Erfüllung und er knurrte. In leiser Erwartung, in letzter Verzweiflung, streckte er sich noch einmal, ergriff die Haare und zerrte wild daran, die Wangen von der Anstrengung rot. „Jetzt mach schon…JETZT und nicht morgen!“, knurrte er förmlich, bevor seine Welt in einem Schwindel verschwand. Seine Finger rissen an den Haaren, glitten am Ende durch sie hindurch, um gleich darauf wieder auf der Brust zu landen und sich dort in Panik festzukrallen. Seine Nägel kratzten die Haut entlang, bis er einen Halt fand, ihn nur fand, weil etwas ihn nieder drückte, ihn so nah zu dieser pulsierenden Wärme bewegte, dass sein ganzer Körper freudig aufglomm, als er so erfüllt wurde. Langsam, viel zu behäbig drang es ihn ein, strich über jede seiner Poren, zerrte an seinem Verstand wie an seinen Muskeln. Schmerz zuckte kurz in Blitzen auf, überlagert von diesem wunderbaren Hauch von Vorahnung, die so viel mehr versprach. Seine Knie schlotterten bei jedem Millimeter, den dieses pulsierende Leben immer tiefer gelangte, immer näher an den einen Punkt – nur um plötzlich wieder zu stoppen. Damit wurde jede Hoffnung immer nebliger, zu einer Fata Morgana, die ihn anzog, die so viel versprach und doch unerreichbar fern lag. Er zitterte, sein Mund offen und sein Kopf ein einziger schwerer Stein. Sekunden hielt er es aus, widerstand er all den Impulsen, bis er jeden Halt verlor und fiel. Gerade noch konnte er „Ahhh“, schreien, als diese unglaubliche Qual ihn durchzuckte, zu viel zu tief gelangte und sein Innnerstes damit mit einem Schlag zu seinem Gedankenmittelpunkt machte. Tausend Nadeln bohrten sich gleichzeitig in ihm, in ihn, glühend heiß und mit einem Unterton, der ihn schaudern ließ. Denn im nächsten Moment bebten seine Lider, frohlockte er beinahe laut auf. Die Schmerzen verschwanden in einem Wirbel aus Nichts, in einem Moment purer Glückseligkeit, der ihn mitnahm in eine Welt, in der er einfach nur existierte – nur um gleich darauf wieder zu fallen. Doch zurück blieb ein dumpfes Verlangen, schlimmer als alles vorher, eine Versprechung so laut, dass er nicht weghören konnte. Es rauschte wie ein Wasserfall in seinen Ohren, trieb ihn wie eine Quelle an, pumpte wie ein Fluss weiter. Mehr, so viel mehr versprach alles. Murrend kreiste er mit seinen Hüften, Jin dabei sein Sitz, griff nach unten, um seine Finger um seinen einzigen Halt zu legen, knurrte, als er gestoppt wurde, Hände wie eiserne Ketten um seine Gelenke. „Lass mich los, ich will jetzt SEX haben. Sex, nicht kurz rein raus!“, presste er mühevoll zwischen harten Atemstößen hervor, schlug wild um sich und brachte damit nur zu viel Regung mit. Stöhnen war alles, was er noch konnte, als es sich bewegte und wieder darüber strich, sein Glied so furchtbar hart gegen seinen Jin stieß, dass seine Welt in einem Ziehen unterging. Verwirrt, versuchte er seine Augen wieder zu fokusieren, einen Moment still zu bleiben, bis er merkte, dass seine Arme wieder frei waren und Typhon saß – und er auf ihm. Jede Stelle war so nah, dass er allein beim Anblick das süße Kribbeln spüren konnte. Finger, seine Finger fanden ohne Mühe Haut, strichen wie gelenkt darüber, als die Bewegung wieder einsetzte, verloren kurz den Halt, als er den in der Welt verlor. Alles drehte sich für den Moment, schwindelnd, und seine Hände schlangen sich um den Nacken vor ihn, legten sich aneinander und drückten zu, während er sich verzweifelt versuchte daran hochzuziehen. Jeder Puls, jeder Zentimeter ließ sein Glied über eine andere Stelle des Bauches streichen, reizte, sendete Schockimpulse, die nie genug waren. Jede Regung war schwer, die Leere, wenn er sich nur ein winziges Stück hochzog, ein kaltes Kribbeln, das er hasste, während sein Glied gefühlt in kleinen Flammen unterging, nur um im nächsten Moment in einem warmen Orkan gefangen zu sein. Ein Zittern lang hielt er aus, bevor er wieder in sich zusammenstürzte. In dem Moment hörte alles auf zu existieren, verwandelte sich für einen Bruchteil eines Augenblicks in ein Meer, in dem er verging. Es strahlte, strahlte von diesem einen Punkt weg überallhin, nahm ihn mit sich und zwang seine Lider in einen wilden Takt. Ohne jede Steuerung fiel sein Kopf in den Nacken, jede Kraft genommen, während er dieses wohlige Nichts genoss und in der puren Welt unterging. Sein Glied hüpfte dabei, strich mit jeder Regung, mit jedem Zucken über die Haut vor sich und verstärkte die Blitze mit jedem weiteren Schlag. Und dann drehte sich wieder alles um, ließ ihn vor Erwartung zittern, als die starken Arme ihn hoben, bis fast nichts mehr da war, viel zu hoch nach oben hievten und hielten. Dabei drückte er, versuchte irgendwie gegen die Kraft anzukämpfen, das Ersehnte wieder zurück zu zwingen. Vergebens. Wieder und wieder bemühte er sich, ignorierte die kleinen Schweißperlen, die seinen Nacken hinunter rannen, die Unterlippe zwischen seinen Zähnen gefangen. Langsam, viel zu schnell, wurde er verrückt, „Mach...schon!“, presste er schließlich hervor und kratzte mit seinen stumpfen Nägeln über die Haut unter seinen Fingern. „Wieso sollte ich...?“, antwortete ihm sein Dschinn, hauchte es ihm mit Sturmböen von Atemstößen ins Ohr. Der Ton allein pumpte Marks Blut mit Lichtgeschwindigkeit in jede seiner Zellen, bescherte ihm einen leisen Schwindel, der keiner war. Seine Zähne bohrten sich in das Fleisch hinter seiner Lippe, förderten Eisen an seine Zunge, brachten einen kurzen Moment der Klarheit, in dem er: „Weil ich...ich...weil du auch willst, verdammt...“, krächzte. Darauf strich etwas Feuchtes, viel zu angenehm und ablenkend über seinen Nacken, suchte sich seinen Weg und zog wieder eine Welle mit sich, bevor alles endete. Fast schon brutal zwang Typhon Mark nach unten, diese große Fülle wieder tiefer hinein und nahm ihm damit jeden Fokus. Es war als ob tausende Feuerwerke auf dem Weg explodierten, all seine Zellen in Brand steckten und so laut von Versprechungen schrien, noch, als die Bewegung sich schon wieder umdrehte. Wieder und wieder zerfiel seine Welt, verfiel immer mehr und ließ nur noch die laute Hoffnung, das wilde Hämmern seines Gliedes gegen unsichtbare Wände zurück. Wieder kam es, drohte gleich zu schnell zu weichen, bis er nicht mehr widerstehen konnte, nicht mehr wollte. Zu nah, zu wundervoll war das Versprechen, als dass er es noch weiter ertragen hätte können. Mit brutaler Kraft presste er seine Muskeln zusammen, wollte das Weichen verhindern, nicht mehr zulassen, dass sich diese Fülle wieder entfernte. Und er hielt sie, zitterte vor Freude, als sich das Wippen verkehrte und er es immer tiefer, immer größer spürte, gleichzeitig nicht mehr stoppen konnte. Etwas brodelte in ihm, trieb ihn an wie ein reißender Fluss und zerrte ihn mit sich. Seine Ohren gingen unter, seine ganze Erlebenswelt wurde eine einzige Erwartung. Ein Gefühl drängte sich immer höher hinauf, ließ ihm keine Wahl als weiterzumachen, ließ ihm keinen Gedanken an irgendetwas anderes, bis ein kleiner Blitz ihn traf und damit alles aus dem Gleichgewicht brachte. Beben pflanzten sich fort, rüttelten an den Grundfesten seiner Selbst, an jeder Haftung und spülte Hitze mit sich. Hände gruben sich mit Brutalität in seine Hüfte, zogen ihn immer näher zu seinem Geliebten. Seine Finger zerrten an den goldenen Haaren, um sich zu halten und nicht sinnlos zu fallen. Seine Welt ging in einem Sturm aus weißem Rauschen unter, während sein ganzer Körper zu einem tonnenschweren Nichts wurde, ihn in ein Irgendwohin katapultierte. Mit einem leisen Seufzer wich der Druck mit einem Mal, schoss in die Unbekannte und nahm damit, zog mit jedem Tropfen, mit all den Tropfen die ganze Last mit sich. Dabei wirbelte Erleichterung wie ein Rückstoß nach hinten, bahnte sich ihren Weg immer deutlicher, immer schwellender. Alles außerhalb dieses riesigen Sturms, konzentriert in sich selbst, verlor seine Existenz, seine Beachtung. Mit einem Mal hörte alles auf von Bedeutung zu sein, ließ nur noch die wippenden Bewegungen zu, die mit jedem Mal neue kalte Feuer entfachten und ihn weiter hinauf trieben, hinauf bis zur Spitze. Er sog Luft wie ein Ertrinkender ein, hielt sie an, der Mund steif, obwohl er lächeln wollte. Perfekt, alles war perfekt. Seine Lider flatterten, geschlossen, unfähig sich zu rühren. Gefangen in einer Nova, in einer Wolke, schwebte er dahin. Wohlig gehalten in der Höhe, auf diesem Plateau, das die Spitze aller Glückseligkeit war, hatte nichts mehr eine Bedeutung. Er zitterte, bewegte sich dabei nicht, zu schwach und doch zu stark. Alles war da, so einfach, so nah - alles in Form von Jin, von dieser Wärme, die sich bewegte und ihn anzog wie eine Motte vom Licht. Impulse rasten durch ihn, wollten ihm etwas sagen und tauchten all seine Sorgen in Belanglosigkeit. Umgeben von Nichts außer diesem bezaubernden Gefühl, bestehend aus nichts außer dem wichtigsten, außer ihnen, wogte diese Welt aus Freude hin und her, schien nie zu enden. Ewigkeiten vergingen, Sekunden verstrichen, während er nur genoss, bebte und nur lebte. Dumpf bemerkte er dabei eine Hitze, die kurz aufglomm, sich in ihm bewegte und floss, nur um gleich wieder den Gedanken daran zu verlieren und seinen ganzen Körper sanft nach oben zu schwingen. So ließ er sich treiben, bis langsam das Echo von Glück in ihm erstarb und seine Haut kitzelte und die Realität einbrach. Sie holte ihn zurück in seine tauben Füße, zurück in seine schweren Arme. Er seufzte, lehnte sich schon an Jin, nur um im nächsten Moment hochzuschrecken. „Mister Naphuriquales“, hallte eine mechanische Stimme durch den Garten, von zu vielen Seiten gleichzeitig. Ein unzufriedenes Knurren von seinem Typhon, Krallen, die über seinen Rücken kratzten, zerrten ihn immer stärker in die Realität. Er schaute sich erschreckt um, konnte sich nicht bewegen verkrampft wie er war. „Verzeihen sie die Störung, aber das Auto steht inzwischen jederzeit bereit und die verlangten restlichen Dinge sind angekommen. Falls ich noch etwas…“, setzte die Stimme unbeeindruckt fort, klang, als ob sie auf etwas wartete. „Verschwinden, sterben…“, knurrte Jin leise, während er seine Hände bewegte und unter Marks Gesäß schob. Mit einem Ruck sprang er förmlich auf, zog ihn mit sich und brachte die ganze Welt zum Beben. Jeder Schritt war eine Qual, erinnerte Mark zu sehr an das und er begann zu kämpfen, sich zu winden und seinen verräterischen Körper zu ignorieren, der nach Schlaf und nach anderem schrie. Er pochte gegen Jins Brust, zerrte an seinen Haaren, fluchte, bis er zu seinem Bedauern und zu seiner Freude die nicht ganz so große Fülle wich und seine Füße auf dem Boden aufkamen. Wie ein Held wollte er stehen bleiben und seinem Typhon noch etwas sagen, doch dank schlotternder Knie brach er gleich darauf zusammen, mehr als beschäftigt damit, zu fluchen. „…einpacken, alles und sofort. Wir brechen in zwanzig Minuten auf. Und bei meinem nächsten Besuch will ich nicht mehr über diese Anlage gestört werden. In Notfällen dürfte mein Mobiltelefon ausreichen, oder eine Kündigung ist das Netteste…“, drohte Jin, die Hand in einer Delle auf dem Stamm-tisch. „Sofort!“ „Natürlich, Monsineur Naphuriquales. Und verzeihen sie die Störung – wir werden all Ihre Wünsche berücksichtigen“, hallte die körperlose Stimme ein letztes Mal durch den ganzen Garten und wirkte zu Marks Erstaunen sicher wie zuvor. Langsam rappelte er sich wieder auf und griff nach der Decke, die weiterhin dort lag, wo er sie verloren hatte. Seine Augen rasten kurz zu Jin, der ihn mit einem Lächeln, einem lüsternen Blick musterte und bei dem ein gewisser Teil wieder zum Leben erwachte, bevor er das Tuch an einem Zipfel erwischte und schnell zu sich zog. So gut er konnte, wickelte er sich in dieses dünne Etwas, starrte dabei unter tief gesenkten Lidern hinauf, stampfte mit Mühe seine eigene, gleiche Reaktion auf die seines Typhon wieder aus. „Kalte Duschen...alte Greise, kalte Duschen...“, wiederholte er ständig ein Mantra und zuckte jedes Mal zusammen, wenn Jin sich regte. Am Ende wurde es ihm zu dumm. Er rollte mit seinen Augen gen Decke, die aus einem mit wenigen Ranken bedeckten Glas, dem Himmel darüber, bestand und trampelte dabei zurück zu den weniger offenen Zimmern. „Wieder Bett?“, hallte ihm eine furchtbare Frage nach und das Einzige, was er darauf entgegnen konnte, war: „PERVERSER!“ Dabei war er sich nicht mehr ganz sicher, wen er damit meinte... Kapitel 24: Familie oder nicht ------------------------------ Familie oder nicht Mark streckte sich, kniff dabei sein linkes Auge zusammen und verzog seinen Mund zu einem halben Gähnen. „Gott, nie wieder Sex“, murmelte er müde, legte seine Hände auf seinen Rücken und streckte sich in der Hoffnung auf Erleichterung. Doch gleich darauf zuckte er zusammen. Ein Schmerz flammte auf, jagte durch seine Wirbelsäule nach oben, bis er sich nach vorne beugte und tief einatmete. Irgendetwas in ihm erinnerte ihn an Sex, alles an ihm erinnerte ihn an Sex. Der beige Lederbezug viel zu weit vor ihm, an dem er sich abstützten wollte um die Schmerzen zu lindern, war dabei keine Stütze, sondern ein unerreichbares Ziel - quälend weit weg. Mit rollenden Augen murmelte er unverständliche Worte, bis ihn das Streicheln von Wind über seinen Arm irritierte, ihn nur noch stärker an die Vorgänge erinnerte. „Zum Henker, ich schwöre...nie wieder“, fauchte er. Jedes Wort drückte er zwischen seinen zusammengepressten Zähnen hervor und stierte Jin dabei wütend an. Der Anblick des zufriedenen Lächelns dabei brachte sein Blut nur noch mehr in Wallung, brachte ihn dazu wütend Flüche auszustoßen. Minutenlang jagte ein „verdammter Perverser“ den anderen, zwischen den Versuchen mit Reiben über seine Wirbelsäule etwas Erleichterung zu schaffen und die Schmerzen zu lindern, zwischen jedem Zentimeter, den er immer weiter nach unten wanderte. Die ungewollte Reaktion auf die Bewegung hin, stampfte er mühevoll mit den Gedanken an Qualen wieder aus – zumindest fast erfolgreich, immer wieder Nach unzähligen Wiederholungen dieses Rituals kehrte langsam ein eigenartig taub-kühles Gefühl in seinen gequälten Rücken ein. Erst dann versuchte er noch einmal sich aufzurichten. Diesmal gelang es. Seine Hände glitten zur Seite, stützen ihn auf den Lehnen des riesigen Sitzes ab, strichen ganz kurz über den Gurt, der fest um seinen Bauch geschnürt war. Währenddessen versuchte er angestrengt nicht an die Umgebung zu denken, die ihn doch bei jedem Blick ins Auge stach. Plötzlich ließ ihn das Gefühl beobachtet zu werden, hochschrecken. „Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie behilflich sein? Ihnen vielleicht ein Wärmekissen bringen?“, fragte die atemberaubende Stewardess in ihrem dunkelblauen engen Blazer, unter dem eine weiße Bluse hervor blitzte, beugte sich so zu ihm hinunter, dass eine Strähne aus den hochgesteckten braunen Haaren herunterfiel und das Lächeln streifte. Damit waren all seine Bemühungen zu Nichte gemacht und die Umgebung mit einem Schlag absolute Realität. Im nächsten Augenblick schwankte das Flugzeug schwindelerregend von einer Seite zur nächsten, gab ihm erst das Gefühl zu schweben, als es an Höhe verlor, bevor es ihn wieder in den Sitz hinunter fallen ließ und einen zuckenden Schmerz pochen ließ, als er mit voller Brutalität aufkam, bevor es wieder hoch ging. Es war fast wie eine Achterbahn, die ihn ganz kurz hochsteigen ließ und dabei Freude hervorzauberte. Doch dann zitterte etwas. Merkwürdiges Klappern eines metallischen Teils, irgendwo neben ihm, ließ die Euphorie in halbe Panik umschlagen. Seine Augen rasten von einer Seite zur nächsten, blieben an der Stelle hängen, von der das Klappern kam, während sein Atem immer schneller ging. „Es ist nichts…es ist nichts“, murmelte er leise, versuchte sich zu überzeugen, bis endlich der zarte Wind auf seinem Arm in seinem Bewusstsein eine Hand wurde, die beruhigend darüber strich. Damit ging seine Welt in Sicherheit unter. Irgendwas kitzelte ihn im Nacken - das Gefühl beobachtet zu werden - und erst in dem Moment bemerkte er die Stewardess, die noch immer unbeweglich neben ihm stand. Ihre Brüste waren so nah, dass er sie hätte anfassen können. Doch er wollte es nicht, und das war das schlimmste daran. Jede Reaktion auf diesen wunderbaren Ausblick, der doch normal bei jedem Mann eine Reaktion auslösen musste, fehlte, und erinnert ihn mit Brutalität an den neben ihn sitzenden Dschinn. Mehr Zeit darüber zu sinnieren blieb ihm nicht, denn die Stewardess erklärte ihm mit einem Lächeln: „Wir müssen jetzt leider unseren Service einstellen, da wir gleich landen. Bitte bleiben sie angeschnallt in Ihren Sitzen – zu Ihrer eigenen Sicherheit. Sobald wir gelandet sind, kann ich Ihnen ein Wärmekissen bringen. Und Sie können natürlich dabei noch unseren Bordservice genießen oder gleich Ihre Weiterreise antreten.“ Damit drehte sie um und ging Richtung Cockpit, ließ ihn alleine mit seinem Jin, der ihm mit seinem Lächeln weiterhin zu viel Aufmerksamkeit schenkte. „Grins nicht so, du…du Perverser.“ Mark rollte dabei mit seinen Augen zur Decke, wo das kleine Anschnallzeichen aufblinkte und mehrere Knöpfe für andere ominöse Zwecke leuchteten. „Wieso nicht, mein Markus? Schließlich sind wir jetzt beide offiziell Perverse, wie es aussieht“, entgegnete ihm sein Jin ohne jede Aufforderung mit einem viel zu selbstgefälligen Ton. „Natürlich…klar…“, fauchte er leise, biss die Zähne zusammen und versuchte irgendwie die Röte zu unterdrücken, die ihm bei den unerwünschten Gedanken in die Wangen stieg. Als schließlich alle Maßnahmen versagten, fuhr er um, krallte seine Finger im Hemd seines Dschinns fest und zog. Dabei stierte er nach oben, während sein Mund sich von allein in Bewegung setzte. „Ich bin NICHT pervers“, leugnete er so laut er konnte, rüttelte ob des festgefahrenen Grinsens nur mehr, „und ich weiß nicht, was vorher in mich gefahren ist, aber so bin ich nicht. Das war alles nur eine natürliche Reaktion des Körpers. Ich war schon müde und verwirrt und dann hast du mich gequält, hast nichts getan, gar nichts. Verdammt, ich bin ein Mann und der Sex mit dir ist so to…nein, halt…dann war mir schon so…scheiße. Nein, der Schock vorher und jetzt soll ich pervers sein, weil ich richtig…verdammt, ich…“ Die nächsten Worte wurden harsch abgerissen, als er sich auf die Zunge biss, los ließ und in seinen Sitz zurückfiel. In der Hoffnung auf Ruhe schloss er die Augen, ignorierte das Zittern, das Gefühl zu fallen, legte seine Hände auf den Sitz, schlang seine Finger darum und drückte so fest zu, wie er konnte. Doch eine Berührung auf seinem Nacken machten alle seine Bemühungen wie immer zu Nichte. „Mein Markus, dafür muss man sich nicht schämen. Wie sagte jemand so schön? ‚Wir sind alle nur Männer‘ und als die dürfen wir Sex genauso genießen wie Frauen und bleiben dabei doch immer Männer. Sex ist so natürlich, besonders mit dem den wir lieben…“, flüsterte er ihm ins Ohr. Eine Hand legte sich auf seinen Mund - genau in dem Augenblick in dem ein Einwand durch seinen Kopf auf seine Zunge wanderte und sie in Bewegung setzte. „Nein, hör mir einfach nur zu, mein Paradies“, fing sein Dschinn wieder an, hielt dabei ständig Marks Lippen zusammen, „denn es ist egal, was du glaubst zu denken. Du hast es doch schon längst verstanden. Du liebst den Sex mit mir und trotz allem was du gesehen hast, bist du noch immer bei mir und lässt dich bereitwillig auf das Spiel ein. Trotz allem, was du weißt, bleibst du bei mir. Trotz all deiner Möglichkeiten war nie ein ernsthafter Versuch jenseits von kurzzeitiger Wut dabei, mich loszuwerden. Und am Ende werde ich dir alles schenken, was du haben willst und wenn ich dafür alle Menschen umbringen muss, die mir im Weg stehen. Selbst wenn ich die Welt vernichten muss. Ich werde keinen Widerspruch bei diesen Punkten dulden, mein Markus – und nur du hast alles Weitere in der Hand.“ Damit löste sich die Hand, ließ ihm Freiheit. Wie nach Luft schnappend öffnete sich sein Mund sinnlos, blieb so stehen, ohne dass er ein Wort herausbekam. Ungläubig betrachtete er seinen wahnsinnigen Dschinn, bewegte seinen Arm und wollte etwas tun, als ein harter Aufprall ihn durchrüttelte und seine Gedanken davon blies. Sein Oberkörper raste wurde ein paar Zentimeter nach vorne geschleudert, ein merkwürdiges Gefühl der verkehrten Beschleunigung in jeder Zelle, bis die Geschwindigkeit fast vollständig aufhörte und sie nur noch sanft dahin rollten. Seine Finger verirrten sich schon zum Gurt, bis eine Stimme seine Bemühungen vereitelte. „Bitte bleiben Sie angeschnallt, bis wir unsere Parkposition erreicht haben. Vielen Dank, dass sie mit unserer kleinen privaten Fluggesellschaft geflogen sind. Ich hoffe Sie bald wieder bei uns an Bord begrüßen zu dürfen“, tönte eine volle männliche Stimme durch die Bordlautsprecher und Mark konnte nicht anders, als sich kurz umzusehen, dieses sonst leere Flugzeug zu bestaunen und nach den vermeintlichen anderen Leuten zu suchen, denen diese Ansprache hätte gelten können. Gleich darauf verwünschte er sich für seine Unvorsichtigkeit, die ihm die Massen an Leder, einen riesigen Flachbildschirm, eine Projektionsfläche und alles was sonst nicht in ein Flugzeug gehörte, zeigte.Der Tisch und die halben Betten, die nur durch flatternde Vorhänge zu sehen waren, waren wohl das auffälligste dabei und er konnte nicht umhin dabei zu schlucken. „Du denkst wohl auch, dass wir diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen hätten sollen...“, flüsterte ihm Jin ins Ohr, so sinnlich, dass er wieder schluckte und die Augen aufriss. „Nein“, erwiderte er so schnell seine Zunge sich bewegen konnte und blieb danach sprachlos sitzen, bis die Türen sich mit einem Lufthauch öffneten. „Nein, zum Henker, ich hätte nicht, du Perverser du...du...verdammt“, fluchte er laut, zerrte dabei wild an seinem Sitzgurt, bis er sich mit einem Klacken öffnete. Mit einem Satz und einem: „Perverser“, sprang er hoch und schoss zum Ausgang, blieb nur kurz stehen, bevor er die Stahltreppen hinunter hüpfte. Kaum, dass er den ersten Fuß auf den Boden setzte, gaben seine Knie nach, zwangen ihn dazu, reichlich ungelenk zur Seite auszuweichen und in eine andere Richtung zu blicken. Als er den mehr als edlen schwarzen Wagen erblickte und den Chauffeur, der ihr Gepäck schon in den Kofferraum verfrachtete, schluckte er und seufzte nur noch. „Immer das Beste sehen...immer das Beste...“, murmelte er leise vor sich hin, während er sich dem unbekannten Gefährt näherte und hoffte, dass niemand ihn beachten würde. „...nehmen.“, ergänzte Jin hinter ihm und zerbrach damit all seine Hoffnungen. „Das war ja klar...“, schoss er kurz zurück, beschleunigte dann nur seine Schritte, bis er lief und halb außer Atem die Dachkante des Autos ergriff. Mit einem kleinen Anlauf schwang er sich in das unbekannte Dunkel des Wagens, landete im nächsten Augenblick mit einem sanften Aufprall auf etwas Weichem. Noch bevor er es erkennen konnte, spürten seine Finger unverkennbares Leder. „...und überall Leder...“ Damit krachte die Tür zu und der Motor sprang an. Etwas klickte und er wurde im nächsten Moment nach hinten gedrückt. Erkenntnis raste durch seinen Kopf und sein ganzer Körper versteifte sich kurz. Panisch suchte er nach einem Ausweg. Er rutschte zur anderen Seite, packte den Türgriff und zog, zerrte, doch nichts bewegte sich. Rapide rasten seine Augen, suchten den ganzen Wagen ab, bis sein Blick auf etwas Goldenes fiel. „Natürlich“, entgegnete ihm Jin genau in dem Moment, in Mark gerade seinen Arm ausstreckte und stoppte so jede seiner Bewegungen, „denn wenn Menschen Geld haben, dann fällt ihnen bald nichts anderes mehr ein, als sinnlose Dinge wie Gold anzuhäufen oder Häute zu drapieren. Wirklich amüsant...“ Mark zitterte leicht bei den Worten, fühlte sich unangenehm angesprochen und konnte nicht anders, als etwas zu erwidern. „Natürlich“, hallte seine eigene Stimme, von dem sanften Auf- und Ab getragen, „und was du machst ist so viel besser...dir fällt ja teilweise auch nichts anderes ein, als Leute zu quälen oder umzubringen, wenn du nicht versuchst mich in den Wahnsinn zu treiben. Wahrscheinlich wird das Treffen zu Hause in einem Blutbad enden...“ Und genau in dem Moment drangen seine eigenen Worte in seinen Verstand, lösten etwas aus. Voller Entsetzen, Panik, riss er die Augen auf, griff mit seinen tauben Fingern nach dem Anzug und packte zu. Starr vor Schreck wandte er seine gesamte Kraft auf, um zu ziehen, diesen grausam zufrieden lächelnden Dschinn etwas näher zu bringen. „Bitte“, flüsterte er heiser, all die Heiterkeit verflogen, „ich wünsche es mir...dass du sie nicht umbringst oder... Sie ist meine Mutter...das...“ Am Ende versagte seine Stimme, sprang hoch wie sein Körper, als eine Berührung auf seinem Arm wie ein Feuer brannte. „Wie du wünschst – aber dieser Wunsch ist teuer.“ Damit beugte sich sein Jin vor, umfasste seinen Nacken von hinten und zog gegen jeden Widerstand seinen Kopf nach vorne. Momente schienen Ewigkeiten zu werden, Angst strömte dabei wie ein ständiges Wispern durch jede seine Zelle, bis sie in Panik explodierte und damit verpuffte. Lippen so warm, so ungefährlich berührten die seinen, so wunderbar angenehm. Ein Kribbeln entsprang an jeder Stelle, trieb seinen Puls an, bis sein Herz bis in seine Ohren widerhallte. Blut strömte in seine Wangen, pochte durch seinen ganzen Körper und machte ihm jeden Atemzug immer schwerer. Wie als ob das Weichen etwas mitnahm, wurde sein ganzer Körper immer tauber, unfähig sich zu rühren oder dem dumpfen Gefühl entgegenzustemmen, das ihn überschwemmte und seine Lider immer tiefer zwang. Und dann wurde es ihm bewusst, wurde ihm bewusst, dass er in den Schlaf abdriftete. Als die Welt endgültig, trotz all seiner Gegenwehr, anfing zu verschwinden, murmelte er leise: „Wieso...?“ „Wünsche, mein Markus, und ihre Nebenwirkungen.“ Das nächste was er wahrnahm, war, dass etwas über seinen Kopf strich. Vorsichtig bewegte er seine Finger, die erst langsam wieder zu ihm zu gehören schienen und riss dann die Augen mit voller Wucht auf. Sein vorwurfsvoller Blick traf seinen Dschinn, der seelenruhig da saß und ihn lächelnd anschaute. Irgendetwas explodierte in dem Moment in ihm. „DUU!“, brüllte er das eine Wort so lang, bis er Luft holen musste und sein Jin genau den Moment nutzen konnte. „Ja?“, kam die Antwort, die ihn nur noch weiter anstachelte. „Was zum Henker sollte die Scheiße, verdammt noch mal? Was hast du mit mir gemacht...WAS?“, schrie er, der Hals schon halb trocken, fasste sich dorthin und tastete ungläubig mit seinen Fingern die Neuigkeit dort oben ab. „Was ist das...was?“, stammelte er, konnte sich nicht entscheiden, ob er Steine und Metall oder Leder spürte. Dabei schlängelte sich einer seiner Gürtel, die schon längst alles nur nicht mehr das waren, seinen Arm entlang und klopfte gegen seinen Hals, schob sich zwischen seine Finger und dieses unbekannte Ding dort oben. Jeder Versuch seinerseits, sich an dem ungewollten Halsschmuck zu vergreifen wurde genauso niedergeschlagen und mit immer wieder beständigem Ziehen an seinen Handgelenken quittiert. Erst als er aufgab und seine Arme wutschnaubend senkte, schlängelte sich der Gurt wieder aus seiner Verteidigungsposition und wurde neuerlich zu einem überbreiten Armband. Die ganze Zeit beäugte Mark das Band, starrte als Ruhe eingekehrt war, ungläubig darauf und schüttelte zur Vorsicht noch einmal seinen Arm. Erst als sich nichts tat, starrte er unter seinen Lidern hindurch, ein Teil seines Blickfeldes schwarz, Jin an. „DUUUUU“, begann er wieder und ergriff das Hemd wie so oft. „DU verdammtes perverses Arschloch hast deinen Wunsch für DAS verwendet?“, brüllte er selbst wie ein Orkan, nur um dann ein gepresstes: „Gib mir einen Spiegel...jetzt!“, anzufügen. Wie durch ein Wunder klappte im nächsten Moment ein Teil der Deckenverkleidung hinunter und offenbarte einen Spiegel mit kleinen Lichtern rundherum und zwei Zeichen am Rand, die nach einem Mobiltelefon und nach Internet aussahen. Doch das schlimmste im Spiegel war sein eigener Anblick. Die Haare mit blauen Strähnen verziert, lenkte das glitzernde Etwas um seinen Hals seine Aufmerksamkeit sofort auf sich. Es war eine Mischung aus Leder, das ihn furchtbar an seine Gürtel erinnerte, und einem Geflecht aus dem, was wohl einmal die Halskette gewesen war. Die Metallfäden schlangen sich in einem filigranen Muster wie ein Netz über die Unterlage, durchsetzt von all den Steinen. Wie zufällig angeordnet änderte sich der Eindruck plötzlich in der Mitte, in der dasselbe Zeichen wie auf seiner Brust prangte: ein Auge von den vier symmetrischen, sich überschneidenden Kreisen gebildet. In dem Augenblick in dem er das sah, schluckte er ungläubig, schüttelte den Kopf. Sein Verstand setze aus, ließ nur Leere zurück, die alles verschluckte und nur ein pulsierendes Rot hinerließen. Die Finger seiner rechten Hand bewegten sich nutzlos, entschieden sich schließlich und ballten sich. Ohne viel Zutun bewegte sich seine Faust nach hinten – unendlich langsam – nur um gleich darauf ihren Weg umzukehren. Er fühlte den Schwung, sah wie aus großer Distanz seinen Arm an sich vorbeirasen, immer schneller, bis seine Finger ihr Ziel erreichten. Mit voller Wucht prallte seine Faust auf, vibrierte einer gezupften Saite gleich, war ein kleiner Schmerz im Vergleich zu der Enttäuschung, die durch ihn raste, denn mehr als eine Hand hatte er nicht getroffen. Jin wirkte zufrieden, streckte sich schließlich und drückte dann plötzlich seinen Arm nach unten. Mark jaulte auf, folgte unweigerlich der Bewegung, während er noch versuchte sich aus der Position zu winden, bevor er den Sitz berührte. Am Ende konnte er nur noch vehement gegen Jins Oberschenkel klopfen, hämmerte ohne Unterlass, bis eine Frage ihn stoppte: „Wieso sollte ich dich mit einem lächerlichen Halsband 'markieren', wenn ich so viel mehr habe...?“ Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, bis die Worte nach ein paar geistig gesprochenen Echos langsam anfingen anzukommen. „Wieso...mehr...“, wiederholte er schließlich laut, blinzelte. „Mein Markus, wenn du noch länger so liegen bleibst, sehe ich das als Einladung“, neckte ihn Jin im nächsten Moment und brachte ihn dazu rot wie eine Tomate zu werden. Unangenehm angenehm berührt, wälzte er sich von einer Seite zur nächsten und schien gleich noch mehr an Farbe zu gewinnen. Er war frei. Die Augen zur Seite gedreht, um den Ausdruck nicht sehen zu müssen, richtete er sich wieder auf, schluckte und wurde die Trockenheit in seinem Hals damit doch nicht los. „Und...“, intonierte er, verlor den Faden kurz, als Jin wieder in sein Blickfeld zurückkehrte, „wieso hast du mich dann hinunter gedrückt, wenn du so unschuldig bist?“ Als er seine eigenen Worte hörte, presste er seine Lippen zusammen, um eine Wiederholung dieser Dummheit zu verhindern. Ein Lachen riss ihn aus seinem Schmollen, seinem Hadern mit sich selbst. „Also wenn ich dich beim 'Wort' nehmen darf, dann darf ich wohl doch wieder alles machen was ich will und diesmal sogar mit Absolution. Woran erinnert mich das...“, erklärte Jin amüsiert, nur um in eine kleine Denkpause zu verfallen und sich dabei das Kinn zu reiben. „Ach ja...Hexenprüfungen. Ich glaube einer meiner 'Meister' hatte einmal das Vergnügen. Ich fand es auch zu köstlich, wie er nach seinen Tiraden gegen Frauen schließlich...“ „Danke, ich will das gar nicht hören. Ich will es gar nicht wissen...“, fuhr Mark dazwischen, rieb sich mit den Fingern über seinen Kopf und schnaufte. „Und ich bin nicht dumm und...ich lasse mich nicht ablenken, denn ich will wissen, wieso ich dieses Halsband habe – und erklär mir nicht, dass du nichts damit zu tun hast.“ Mark verschränkte seine Arme, versuchte ernst zu schauen und ignorierte das leise Klopfen von irgendwo hinter sich. „Nun, ich habe etwas damit zu tun und wiederum auch nichts. Mein Wunsch war ein anderer und das um deinen Hals ist eher ein Produkt einer unglückseligen Liebschaft. Ich glaube es war gut, dass du eingeschlafen bist.“ Jin strich bei den Worten kurz über den neuen Halsschmuck, während das das merkwürdiges Kitzeln in Marks Hinterkopf mit jeder Berührung immer stärker wurde. Nach Minuten der Ruhe konnte er nicht mehr. „Was ist passiert?“, brach es aus ihm heraus, „Ich hatte dich gewarnt“, erwiderte Typhon darauf verschmitzt und griff eigenartigerweise schon zur Tür hinter sich, „denn wer will schon wissen, dass seine zwei Gürtel ein kleines Tete-a-tet hatten und dabei gleich noch eine Kette zerlegten und benutzten? Und glaub mir, mein Wunsch ging in eine ganz andere Richtung und wir werden beide sehen, wie er in Erfüllung geht.“ Damit strömte plötzlich Luft herein. Licht blendete den verdatterten Mark, gegen das die nach hinten verschwindende Gestalt seines Dschinns kaum noch erkennbar war. „Komm...“ Eine Hand folgte der bekannten Stimme. Mark blinzelte, versuchte etwas in dem gleißenden Licht zu erkennen, etwas anderes als diese verschwommene Gestalt mit Flügeln. Wie von selbst streckte sich sein Arm aus, versuchte seinem Verstand vorauszueilen und diese Erscheinung zu begreifen, wortwörtlich zu ergreifen. Finger klammerten sich um eine Hand und genau in dem Moment schoss die Erkenntnis durch ihn, trieb mit einem leise gesummten „Jin“, seine Gedanken in die Existenz. Langsam fing er an etwas zu erkennen. „Wo...?“, fragte er, nur um gleich wieder zu stoppen. Wiesen, Bäume und irgendwo dazwischen, drinnen und direkt vor ihm war das Haus seiner Großmutter. Er blinzelte noch ein paar Mal, schloss dann seine Augen und rieb sich darüber um sicher zu gehen. Doch es blieb so wie es war – ruhig, normal...bis etwas auf ihn zustürzte. Windstöße trafen ihn, ein Rauschen aus grauen Farben verdeckte seine Augen. Er zuckte zusammen, als kleine Stiche ihn trafen und etwas anfing wie verrückt zu jucken. „Ruuuuh! Ru...huh?“, gellte eine weibliche Stimme in seinem Ohr, aufgeregt und so aufgeplustert wie die Taube, die inzwischen so nah war, dass sie mit ihren Federn jedes Mal seine Haut streifte. Plötzlich stoppte jede Bewegung, nur noch der Druck auf einer seiner Schultern in der Ruhe eine Unterbrechung. „Mar...kus?“ Ganz leise hörte er Sarah, blinzelte und drehte seinen Kopf zur Seite, bis er die Taube sah. „Oh Markus!“, gurrte sie aufgeregt und glücklich zugleich, „Du zurückgekommen bist, du wirklich wieder da! Wie ich mich freue nach zu viel Zeit alleine. Will reden, will mit normalen reden und nicht den Verrückten zuhören oder quälen müssen. Habe alles versucht, wirklich. Wie schön das wieder da bist!“ Ihre Sätze überschlugen sich ständig, immer wieder in eine andere Richtung gelenkt und so vollständig unverständlich, dass Mark nur ein „Wie?“, heraus brachte, während ein kleiner Kopf gegen seinen stieß, immer wieder. „Oh, oh, wie schön! Du wieder da und ich nicht mehr alleine. Selbst verrückter Dschinn willkommen, viel besser als durchgedreht absoluter Dschinn!“, zwitscherte sie inzwischen in sein Ohr, noch immer nicht zu bremsen. „Sa...rah.“, stotterte er in einer ihrer seltenen Pausen, nur um gleich wieder unterbrochen zu werden. „Ihr nicht werdet glauben...“ Sarah war nicht zu stoppen, ließ ihm kaum Zeit einmal Luft zu holen, bis er einen neuen Versuch startete. „Halt mal die Luft an! Was...willst du?“ Nach diesen Worten hörte er das erste Mal das Zirpen der Grillen und angestrengtes Geflatter. Das Gewicht auf seiner Schulter verlagerte sich in kurzen Abständen immer wieder von einem Punkt zum nächsten und blieb kaum eine Sekunde stehen. Schließlich verging auch das mit einem furchtbar verzögerten: „Oh“, das gleich darauf seine Fortsetzung fand. „Oh, ich so lange euch nicht mehr gesehen, ich nicht mehr gewusst wo ich anfangen sollte. Also noch langsam einmal.“ Jin schmunzelte hörbar hinter ihm, nutze die nicht vorhandene Gelegenheit dazu, wieder die Arme um seine Hüften zu schlingen und ihn an sich zu ziehen. Sein Kopf bewegte sich genau über die Schulter, an der Sarah saß, worauf sie mit einem entrüsteten „Molch“ davon flatterte und sich gleich auf der anderen wieder Seite wieder niederließ. Obwohl sie dabei versuchte ruhig zu bleiben, sprach ihr aufgeplustertes Gefieder, das sich nicht legen wollte und ihr beständiges Schielen in Richtung Typhon eine gänzlich andere Sprache. Schließlich murmelte sie: „Eifersüchtiges Dschinn-Ding“, bevor sie normal weiter zwitscherte: „Habe doch selber Verehrer und hübsche dazu. Kinder viele schon...also ich beliebt, brauche keinen anderen.“ An der Stelle gurrte sie zufrieden, ganz Taube. „Aber ich beobachtet Julius und seinen Dschinn. Wie soll ich sagen? Er gequält auf eine ganz eigene Weise von Barbara...mag Barbara“, befand sie und stoppte plötzlich, bohrte ihre Krallen in Marks malträtierte Schulter. Im nächsten Moment schien die Luft zu gefrieren. Marks Härchen rasten nach oben, stellten sich auf und wollten sich nicht mehr beruhigen, nur noch verschlimmert von dem starken Druck um seine Hüfte und dem leisen Knurren, das von einem tiefen Ton unterbrochen wurde. „Wo ist dieser Kiesel und sein Sklavenherr?“, vibrierte Jins Stimme wie ein Bass durch seinen ganzen Körper und zwang ihn dazu sich umzusehen, obwohl er nicht wollte. Als er ihn sah, seinen Dschinn sah, zuckte er zusammen. Sein Blut wich bei diesem Anblick, ob der förmlich unter den tief gesenkten Lidern glühenden Augen. Die Brauen waren so tief gezogen, so eng aneinander gebracht, dass es ihn zusammenzucken ließ. Die weißen Zähne glichen mehr Hauern und ein blaues Band zischte immer wieder hin und her, nah an seinem Hals. Dort pulsierte etwas, glitt immer wieder auf und ab, verengte sich, bis er kaum noch atmen konnte. Der Knoten in seinem Hals wurde immer größer, drückte und trotz mehreren Schluckern hing er einfach fest. Schließlich fuhr sich Mark mit einer Hand über den Hals, fand dabei das längst vergessene Band unter seinen Fingern und hielt inne, abgelenkt. Langsam fuhr er die Drähte entlang, kam irgendwann, hinten, an einen Knoten, auf den er drückte, worauf sich plötzlich alles löste. Das Band fiel, schlang sich um sein freies Handgelenk und kitzelte ihn die ganze Zeit, während er wieder und wieder schluckte und erleichtert aufatmete, bis er wieder das leise Knurren und ein: „Ich werde ihn quälen...“, hörte. Der gequälte Blick darauf hielt nur kurz an, wich einer schwellenden Wut, die seinen Arm immer mehr bewegte, immer weiter nach vorne, bis sie sich bei dem nächsten „Töten“, entlud. In rasender Geschwindigkeit schlossen sich seine Finger zu einer Faust, schossen mitsamt Anhang nach hinten um mit voller Wucht gegen etwas Hartes zu prallen. Sein Ellbogen bebte, stach für Momente in denen alles noch erträglich war. Dann ging seine Welt kurz in einer glühender Qual unter, die seinen ganzen Unterarm zu Eis erstarren ließ und seine Zähne zusammenpresste. Ein Schmerzenslaut drängte sich nach oben, entkam ihm, bevor er sich irgendwie ablenken konnte. Automatisch wanderten seine Augen ein wenig nach hinten, folgten zum Ziel seines Angriffs und entdeckte doch nichts außer sich bewegender Arme. Gleich darauf schlangen sich diese um ihn, drückten ihn und nahmen ihn gegen seinen Willen gefangen. Er wand sich, kämpfte ergebnislos gegen die Umklammerung, biss die Zähne gegen den Schmerz zusammen, der noch immer durch seinen Unterarm jagte. Wieder und wieder versuchte er es, doch jedes Mal schien nur ein Windhauch seine Haare wegzublasen, während die halben Ketten nur noch enger wurden. „Du...“, fauchte er schließlich, blieb wie versteinert stehen und klagte Jin an: „Alles deine Schuld. Wenn du nicht ständig und dauernd und überhaupt über töten reden würdest, könnte ich...dann müsste ich...verdammte Scheiße!“ Dabei stampfte er mit dem Fuß auf den Boden „Dann könntest du was?“ Die Frage riss ihn aus seiner kleinen Wutwelt, die viel zu glücklich wirkte. Verdattert versuchte er jede Antwort zu unterdrücken, jeden Gedanken, der sich an die Oberfläche drängte, doch umsonst. „Dann hätte ich die ganze Probleme nicht. Dann könnte ich zuge...dann dürfte ich dich li...zum Henker, nein, das geht nicht, ich bin ja nicht...ich bin nur...Nein, halt, dann müsste ich mich nicht eigentlich....sollte ich mich nicht schuldig fühlen beim Se...“ Wie bei einem gebrochenen Staudamm quollen die Worte aus ihm heraus, verhedderten sich immer wieder ineinander und wurden bei jeder Befreiung größer und gefährlicher. Zu spät bemerkte er es, biss sich mit voller Wucht auf die Zunge, um sie zu stoppen und starrte bemüht auf seine Füße und bewunderte das Gras in den Fugen. „Sühühüß“, gurrte etwas in sein Ohr, „er fast es zugegeben. Was ich vermisst all das – außer dieser...“ Genau da durchschnitt eine verärgerte Stimme alle Worte und Gedanken. „MARKUS“, hallte es in seinen Ohren wider und ließ ihn erstarren. „Endlich bist du wieder da. Ich hoffe dir ist nichts passiert“, fing seine Mutter ungewöhnlich besorgt an, und zwang ihn dazu aufzuschauen. Ihre braunen Haare waren offen, hinter ihre Ohren gestrichen und ihre blauen Augen suchten, wirkten dabei so ungewohnt. Doch dann huschte etwas über ihr Gesicht, verdüsterte ihren Ausdruck. Sie kreuzte die Arme vor der Brust, zerknitterte dabei die weiße Bluse, und setzte dann streng fort: „Gott, wie siehst du nur aus? Und jetzt komm rein. Wir haben noch etwas mit deiner Großmutter zu bereden und dann werden wir so schnell wie möglich von hier wieder aufbrechen.“ Damit drehte sie sich um und ging wie selbstverständlich zum Haus zurück. Ihre Stimme ließ keinen Widerspruch zu, zog ihn gegen seinen Willen mit. Etwas nagte dabei an ihm, drückte und kratzte in seinem Inneren. Atmen wurde immer schwerer, während er gegen den Druck der noch immer um ihn gelegten Arme kämpfte und dann sein Herz fast aussetzen fühlte, als sich seine Mutter ihn wieder anschaute und abschätzig: „Jetzt komm endlich und hör auf dich hinter diesem Perversen zu verstecken“, keifte. „Er ist kein Perverser“, murmelte er und stemmte sich ein Mal gegen den Drang seinen Ängsten zu folgen. „Widersprich mir nicht, Markus. Du weißt genau, wie sehr ich es mag, wenn du frech bist. Und jetzt komm endlich, oder ich werde...“, meinte sie gelassen und wischte damit seinen Kommentar mit einer Drohung weg, die sie nicht beenden konnte – denn Jin löste seine Umarmung und stellte sich plötzlich vor Mark. Ohne Sicht nach vorne hörte er: „Oder Sie werden was?“, so tief und dunkel, dass er davon alleine zitterte und seine Arme reflexartig in der Kleidung vor ihm vergrub und zog. „Du hast es mir versprochen...“, erklärte er hilflos und zerrte noch etwas mehr, traute sich nicht nach vorne zu schauen, wusste nicht, was er machen sollte. „Das geht Sie gar nichts an“, konterte seine Mutter darauf und kostete ihn damit wohl noch ein paar Jahre seines Lebens. Die Augen vor Schreck geweitet, kämpfte er sich ein paar Schritte zur Seite, wollte sich zwischen die Kontrahenten schieben. Doch jeder Versuch misslang. Aufgehalten von seinem Jin, von dem harten Blick seiner Mutter versteinerte er. Gerade noch bekam er: „Bitte, hör auf“, heraus, bevor es noch schlimmer wurde. „Und verjag dieses dreckige Taubenvieh von deinen Schultern. Das ist ja ekelhaft. Als ob die anderen Dinge nicht schon widernatürlich genug wären…“, meckerte sie über Sarah, verzog ihren Mund in einer eindeutigen Geste. Auf seinen Schultern fing das Flattern an, ein aufgeregtes „Ru“ in seinen Ohren, während ein blaues Band sich an Typhons Rücken hochkämpfte und seine Hand automatisch danach griff. Es wehrte sich, wand sich, bis es schließlich aufgab, als ein zweites hervorkroch. „Anna, was treibst du hier draußen?“ Seine Großmutter stand mit in die Seite gestemmten Armen in der Tür und sah angespannt aus. Hinter ihr war Pierre wie ein Schatten, der Blick herausfordernd und ernst. „Ich? Ich mache nichts, Mutter. Dein Bekannter – denn mit so etwas würde sich mein Sohn nie von selbst einlassen – verhält sich nur wie ein…“ Die Antwort seiner Mutter ließ ihn zusammenzucken und etwas fing an sich in seinem Magen zu einem kleinen Knoten, einem heißen Strudel zu bilden und seinen Hals hochzuklettern. In einer schnellen Bewegung griff er nach Jins Arm, hielt sich daran fest, hielt ihn fest und konnte nicht umhin das Zittern so deutlich zu spüren, dass es ihn auch erfasste. „Wenn Sie die nächsten Minuten noch leben wollen…“, hörte er das beängstigend tiefe Flüstern, die Drohung, die die Bäume um ihn herum dazu brachten, all ihre Blätter zu schütteln und mit einem kräftigen Windhauch die Hälfte davon einzubüßen. Doch bevor etwas passieren konnte, schritt seine Großmutter ein. „Komm rein. JETZT!“, herrschte Claudia seine Mutter an, jede Freundlichkeit mit einem Mal gewichen. Sie stampfte die paar Meter zu ihrer Tochter, baute sich dort trotz ihrer kleinen Größe auf und zeigte mit einem Finger herrisch auf die Tür. Und wieder erwarten folgte seine Mutter dem Zeig, aber nicht ohne ein „Tz“ und ein Rollen der Augen gegen Himmel. Marks ganzes Gehirn pochte und verjagte jeden Gedanken. „Und ihr beiden bitte auch. Jetzt ist leider keine Zeit für Scherze…“ Der Einladung folgend, taumelte Mark durch den Garten und das Haus, ohne seine Umgebung wahrzunehmen, konzentriert auf seinen Dschinn. Immer wieder rasten seine Augen von einer Seite zur nächsten, blieben wieder an Jin hängen, bis er in einen Sessel geschoben wurde. Verwirrt starrte er auf den Tisch, hörte Knarren und Knarzen, als sich andere niederließen und betrachtete stupide die Decke darauf. Das Muster mit griechischen Sagengestalten, erinnerten ihn an etwas, lenkten ihn ab, bis eine Hand auf seiner Hüfte ihn zu einer Bewegung zwang. Um ihn herum schienen sich ein paar der Anwesenden - seine Eltern, seine Großeltern, Sarah und Dschinn - abwechselnd gegenseitig umbringen zu wollen, nur um dann ihn abschätzend anzuschauen. Schließlich hielt er diesen Kampf ohne Worte, diese brodelnde Stille nicht mehr aus und murmelte: „Kann ich gehen?“ Doch anstatt leise, hallten die Worte erst in seinen Ohren wieder, beschleunigten das Rauschen dort und kosteten ihn den Atem. „Wenn wir das geklärt haben, gehen wir wieder nach Hause, Markus“, antwortete darauf sein Vater ruhig und lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück. Damit verschwanden auch die kahlen Stellen auf der Stirn, die bei dem kurzen Haarschnitt nur durch das widerspiegelnde Licht sichtbar waren, wieder. „Oh bitte, Paul, Schatz. So schnell wird das nicht gehen, bei dem, wie jugendgefährdend meine Eltern sind. Aber ich gebe dir Recht. Nach all dem hier kehrt wieder die Realität ein und unser Liebling wird die beste Hilfe bekommen, die wir auftreiben können. Geld spielt dabei keine Rolle, wir kümmern und gut um ihn. Geld spielt dabei wirklich keine Rolle…“ Seine Mutter bezog ihn in ihre Diskussion nicht mit ein, wandte sich nur ihrem Mann zu und warf gerade einmal gelegentlich giftige Blicke in Richtung ihrer Eltern und Jin – was wohl keine der Parteien gut hieß. Denn im nächsten Moment meldeten sich gleich zwei davon zu Wort. „Hilfe? Du willst ihn doch nur wieder in deine Vorstellungen pressen, wie du es schon immer getan hast. Es reicht. Nicht mit mir“, rief seine Großmutter im gleichen Moment als Typhon: „Niemals. Er bleibt bei mir, egal was ich dafür tun muss. Eltern…das ich nicht lache“, ausspuckte. Darauf brach das Chaos aus. Stimmen schrien ineinander, vermischten sich zu einer großen Kakophonie, in der er nur einzelne Worte wie „Hilfe“, „Perverser“, „Jugendamt“ verstand. Jede Sekunde mehr brachte seine Finger immer näher aneinander, so wie etwas in seiner Brust hämmerte. Immer schwerer wurde es da zu sitzen und seinen pochenden Kopf zu ignorieren, das Gefühl etwas tun zu müssen. In einem letzten Versuch presste er seine Hände aufeinander, drückte, bis Schmerzen pulsierten und er zu seinem Schrecken die Zähne in Jins Mund im Takt damit immer länger werden sah. Angst pulsierte, wechselte sich mit einem Stechen ab, das ihn vorwärts trieb, bis er nicht mehr konnte. „Haltet doch endlich alle den Mund, zum Henker noch mal!“, schrie er so laut wie er konnte. Der Sessel klapperte hinter ihm, umgefallen, seine von roten Striemen überzogenen Finger auf der Tischplatte abgestützt. Wütend schnaufte er Sekunden, seine Welt nicht ganz klar. Alles war bedeutungslos, zumindest so lange wie alle Augen noch nicht auf ihn gerichtet waren, aber dann wurden ihm die verdutzten Blicke bewusst und er gefror mitten in jeder Bewegung. Die erste, die sich zu seinem Schrecken von seinem Ausbruch erholte, war seine Mutter. Ihre Arme kreuzten sich vor ihrer Brust und sie sagte nur: „Siehst du, ich habe es doch gewusst.“ „Was?“ Es brach aus ihm heraus, noch bevor er seine Zunge stoppen konnte. Eine Hand berührte ihn, ließ ihn zusammenzucken und er stolperte, fiel genau nach hinten, gerettet von einem schnellen Ruck. Am Ende landete er mitten auf dem Schoß seines Dschinns, der Finger über seinen Mund legte. „Genau DAS“, meinte darauf seine Mutter und zeigte mit zitterndem Arm in seine Richtung, ohne dass er etwas darauf entgegen konnte. „Du sitzt auf dem Schoss eines Mannes, als ob du schwul wärst. Deine Großmutter hat diese Verirrung, diese Krankheit sicher noch als normal beschrieben und dich bekräftigt, dieser psychischen Störung zu folgen. Und dann widersprichst du Erwachsenen, als ob du ein kleines ungezogenes Kind wärst. Aber keine Sorge, ich werde dir helfen…“ „Helfen? Du meinst, so wie du freundlicherweise MEINE Bekannten ständig beleidigst und ihnen eine Therapie vorschlägst? Meine Liebe Anna, Markus kann hier bleiben so lange er will und ohne jede Therapie“, schoss seine Großmutter los und unterbrach damit seine Mutter harsch, die das nicht dabei beließ. „Oh ja. Du meinst deine Kifferfreunde? Oder die netten Aktivisten, die nichts Besseres zu tun haben, als etwas Widernatürliches als das Beste der Welt darzustellen? Du und deine ‚Freigeister‘, die nicht erwachsen geworden sind. Und das will eine Mutter sein…“ Seine Mutter wurde mit jedem Wort beleidigender, immer lauter. Darauf sprang Claudia auf und rammte ihre Handflächen auf den Tisch, brachte diesen zum Zittern. „Wage es jar nicht, Anna, wage es nicht mit deinen bornierten Vorstellungen meine Freunde oder mich zu beleidigen. Mir reicht es endgültig, dass du wie dich als Heilige betrachtest, während du mit Leuten verkehrst, die nach außen hin Moral spielen und dabei dann vielleicht fröhlich alle Abartigkeiten betreiben, sie noch steigern, weil sie sie verstecken müssen.“ Nur kurz machte sie Pause, um Luft zu holen, bevor sie mit Absolutheit sagte: „Und Markus wird hier bleiben und nicht zu dir zurück. Ich habe lange genug zugeschaut, wie du den armen Jungen beschränkt hast und ihm deinen Willen aufzuzwingen versucht hast. Ich habe mir das alles lange genug angehört. Also scher dich aus dem Haus!“ „Oh nein, Mutter, das werde ich nicht. Du hattest Jahrelang nichts Besseres zu tun, als alle meine Erziehungsmaßnahmen zu unterminieren und jetzt willst du mir meinen Kleinen nehmen? Oh nein, ich werde dich beim Jugendamt anzeigen wegen…“, schrie seine Mutter, beugte sich so weit über die Tischplatte, dass sie schon halb darauf lag. „Nein, wirst du nicht, Anna“, mischte sich jetzt auch sein Großvater ein, starrte Momente herausfordernd in Richtung seines Vaters und wandte sich dann wieder seiner Tochter zu. „Ich habe dich bisher immer so leben lassen, wie du wolltest, aber genug ist genug. Dein Sohn, meine liebe Anna, ist erwachsen und das könntest du auch einmal akzeptieren. Nimm hin, dass er anders ist, als du es dachtest und dass er trotzdem noch dein Kind ist – wir haben dich auch dein Leben leben lassen.“ „Oh nein, Papa, dieses Mal werde ich dir nicht nachgeben, gerade weil es um meinen Sohn geht. Oder soll ich zusehen, wie er von einem perversen Kinderschänder begrabscht und zu etwas gezwungen wird, dass nicht seiner Natur entspricht?“, entgegnete seine Mutter etwas ruhiger, die Wangen hochrot. Mark schaute ängstlich zu Jin, fühlte das Zittern auf seinen Lippen, den immer stärkeren Druck seines Dschinns. Sein Kiefer bewegte sich immer wieder, wollte seinen Mund öffnen, doch immer vergebens. „Er hatte so eine nette Freundin und jetzt soll er plötzlich…plötzlich schwul sein? Krank? Oh nein, Mutter hat sicher etwas getan und ich werde nicht zulassen, dass sie ihn zu ihrer Marionette macht!“, redete sich seine Mutter in ihre eigene Welt und ließ sich auch von den sanften Stößen ihres Mannes nicht abbringen, der die ganze Zeit Typhon anstarrte. „Marionette?“, nuschelte er unverständlich durch den geschlossenen Mund und zerrte an der Hand, zog vergeblich, bis sie sich löste. Gerade als er etwas sagen wollte, als seine Mutter zu einer neuen Tirade ansetze, ließ das tiefe Timbre seines Partners alle verstummen. „Marionette? Meine liebe Anna“, fing dieser an und Mark ignorierte die blauen Bänder, die ineinander verwickelt immer wieder unter der Tischplatte auf den Boden einhämmerten, „du meinst ich wäre ein Kinderschänder, der merkwürdigerweise Gefallen an erwachsenen, intelligenten Männern hat?“ Jedes Wort triefte vor Ironie, vor giftigem Sadismus, der nur auf eine Gelegenheit zum Töten wartete. „Oh ja, natürlich kann nicht jeder so perfekt wie du sein und sich in veralteten Vorstellungen, die gegen jedes Wissen verstoßen, suhlen. Und dazu kann nicht jeder seinen Egoismus so perfekt auf seine Kinder übertragen und sie als seine Projektionsfläche benutzen wollen, als eine Lehmfigur, die alles werden sollen, was man selbst nicht ist.“ „Wagen sie es ja…“ Seine Mutter wollte etwas sagen, schrie, doch ihre Worte gingen in dem tiefen Beben der Stimme unter. „Ach, hatte ich noch nicht erwähnt, dass er keine Tonfigur ist, die man einfach verbiegen kann, wie es einem passt? Markus gehört nicht dir, wenn dann gehört er MIR und ich werde ihn niemals jemandem übergeben, der ihn ‚behandeln‘ will, ihn als sein Spielzeug betrachtet um mehr Anerkennung durch die Gesellschaft zu ernten und damit seine eigenen Probleme zu vergessen.“ Inzwischen blinzelten alle nur noch, seine Mutter mit hochroten Kopf und schreckensgeweiteten Augen starr und stumm. In dem Moment als er unter sein Jackett griff, schrie Mark heiser: „Nein“, kämpfte mit den Armen – und sah erst dann, dass Jin einen Zettel hervor zauberte. „Aber da ich gelernt habe, dass man mit Geld Ansehen und Macht erkaufen kann: Wie viel wollen sie beide für Markus, für seine Freiheit? Eine Million, weil du noch Kinder bekommen kannst? Zehn vielleicht, damit es nicht ganz so billig aussieht? Oder Hundert, weil du so ‚hohe‘ Moralvorstellungen hast?“ Der Zettel schwang dabei hin und her, landete auf der Tischplatte, während ein Stift darüber schwebte und nur auf das erste Wort wartete. Seine Mutter knirschte mit den Zähnen, stierte das Blatt Papier wütend an, doch Schweigen herrschte weiter. Auf seinen Schultern kicherte Sarah fröhlich, meinte: „Gute Unterhaltung, gute Unterhaltung. Dumme Frau kriegen was ihr gebührt.“ „Das…“ Langsam, um Fassung ringend, starrte seine Mutter ihn vorwurfsvoll an und stotterte nur: „Ich bin…bin keine dumme Frau, verdammt“, bevor sie auf die Platte klopfte und aufstand. Beinahe wie ein Raubtier stürmte sie rundherum, ergriff den Zettel und zerriss ihn in der Luft, in tausend Teile. Wie Schnee rieselten sie auf den Boden. „Ich werde mir so etwas nicht gefallen lassen, ich lasse mir so etwas nicht gefallen. Sie, nein, du bist ein perverser Kinderschänder, einer von diesen schwulen Aktivisten, die die Menschheit nur ausrotten wollen. Und dann macht ihr euch über uns Normale lustig und verhöhnt uns und wollt uns als die Abnormalen abstempeln, während ihr die wirklich abnormalen seid, die die ganze Menschheit gefärden. Oh nein, ich werde mich nicht als Rabenmutter darstellen lassen, nur weil ich meinen Sohn vor sich selbst schützen muss. Oh nein, er kommt jetzt mit!“ Damit zerrte sie an Marks Arm, wollte ihn hochreißen und drückte so fest, dass er die Augen zusammenkniff. Schmerz pulsierte am Griff, wurde immer schlimmer, je fester sie zog und je mehr er von seinem Dschinn festgehalten wurde. Ein Knurren ertönte an seinem Ohr: „Lass los, oder du wirst mich kennen lernen.“ Doch seine Mutter ließ nicht ab, hörte nicht auf die „Lass los!“, seiner Großmutter, sondern spuckte die Worte nur so aus. „Oh nein, er ist mein Sohn, er kommt mit und ich werde ihn behandeln lassen und keine Million wird mich davon abhalten. Er gehört mir, ich habe ihn geboren und ich werde nicht zulassen, dass er sich selbst überlassen wird wie ich. Ich werde…“ Plötzlich schrie sie auf, ließ los und fuchtelte wild mit ihren Armen. Sarah pickte mit ihrem Schnabel, erhob sich und stürzte wieder runter, und zerrte mit ihren Krallen an den Haaren, an der Kleidung, nur um beim nächsten Flug einen Batzen weiß abzulassen und mitten auf ihrer Schulter zu platzieren. „Schafft dieses Drecksvieh hier raus!“, schrie seine Mutter panisch, kämpfte weiter gegen Sarah, die immer fröhlicher kicherte. „Drecksvieh ich bin? Ich nur Taube, arme Straßentaube, die nicht den Konventionen entsprechen…also passen ich perfekt hierher. Du aber seien dumme Pute und damit ich den armen Puten Unrecht getan. Du seien dumm wie Stroh und brauchen Behandlung…“ „Wer zum Henker…sei ruhig. Ich bin nicht dumm und ich bin normal. Ich bin NORMAL!“, schrie seine Mutter darauf und brachte alle dazu verwirrt in ihre Richtung zu starren. „Sie kann doch nicht…“, murmelte Mark, stieß sanft mit dem Arm, den er noch immer rieb, nach hinten. Sekunden wartete er, betrachtete das Schauspiel, in dem Sarah etwas sagte und seine Mutter darauf reagierte, den Kampf den keiner verstand. Inzwischen hielt sie sich die Ohren, schüttelte den Kopf und murmelte nur noch unverständliches Zeug. Genau da bekam er schließlich eine Antwort: „Also so geht der Wunsch in Erfüllung…“ Schließlich erbarmte sich sein Vater seiner Mutter und scheuchte die fröhlich kichernde Sarah davon. „Schatz? Was ist los mit dir?“ „Dieser Perverse da ist Schuld. Er hat mir sicher etwas verabreicht. Genau das hat er sicher auch mit Markus getan, hat ihn unter Drogen gesetzt, ihn gezwungen, ihn verdreht, versucht ihn mir wegzunehmen. Hat ihn vergewaltigt als er unter Drogen stand, ihn gezwungen es körperlich gut zu finden und dann weiter unter Drogen gehalten und jetzt versucht er mich auch verrückt zu machen. Wie die Kifferfreunde meiner Mutter. Ich kann keine Stimmen hören, ich bin normal. Ich bin die einzig normale in meiner Familie, hörst du, Paul?“ Sie klammerte sich mit ihren Fingern an das Hemd ihres Mannes, erinnerte Mark damit ein wenig an sich und ließ ihn ihm den Drang wachsen, aufzustehen und sie zu beruhigend. So war seine Mutter nie… „Mama?“, fragte er, doch wurde ignoriert, so wie die ganze Diskussion über und verstummte sofort wieder. „Keine Sorge, Anna. Das war wahrscheinlich alles zu viel für dich. Wir gehen jetzt einfach und kommen…“, erklärte sein Vater und versuchte seine Mutter zu beruhigen, die sofort die Hände von den Ohren nahm. „Nein, wir können ihn nicht hier lassen. Ich muss dafür sorgen, dass er auch normal wird!“, herrschte sie ihren Mann an und ließ sich trotzdem von ihm in Richtung Ausgang führen. „So war sie wirklich noch nie“, erklärte sein Vater noch. Mark blieb nichts anders als zu starren, während seine Eltern verschwanden. Seine Aufmerksamkeit hing noch Sekunden hilflos dort, bis sie sich ein neues Ziel suchte. Eine Frage drängte sich nach oben, brodelte kurz, bevor sie heraus schoss: „Du…was hast du gemacht?“ Doch statt seines Dschinns, antwortete sein Großvater. „Das einzig wahre. Diese kleine Episode hat mir leider gezeigt, dass ich Mister Naphuriquales akzeptieren muss und kann. Aber falls er jemals gegen deine Wünsche handelt, werde ich persönlich dafür sorgen, dass er nie wieder einen Fuß auf die Erde bekommt und für immer in einer Zelle verrottet.“ Seine Großmutter ergänzte nur mit einem müden „Ja“, bevor ihre Augen sich aufhellten. Sie drängte sich nach vorne und meinte dann: „Und warte erst, bis Barbara von all dem hier erfährt. Sie wird dich sicher anrufen. Nachdem ich ihr schon etwas erzählt habe, muss ich...“ Mark konnte nur noch verdattert blinzeln, der Mund weit geöffnet, bis ein leises: „Was?“, heraus brach. „Naja, also bitte...sie hat Juli...“ Seine Großmutter wollte noch etwas sagen, doch genau in dem Moment umarmte sie sein Großvater und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund, brachte sie zum verstummen. Mark sah, wie sie regelrecht dahinschmolz, ihre Arme um den Hals ihres Mannes legte und sich an ihn schmiegte, und wollte unbedingt wegschauen, konnte nicht. Schließlich riss sie sich kurz los, murmelte so etwas wie: „Also wenn du mich ablenken willst, musst du...“, womit sie mit einem zufriedenen „Ja...“, nach oben gezogen wurde. Ungläubig wartete er, hielt den Atem an, bis die Luft wirklich rein war und drehte sich dann um. „Also was hast du…?“ Noch immer wollte er wissen, was vorging. Voller Erwartung ignorierte er das fröhliche Gegacker Sarahs. „Der Wunsch war einfach, dass sie dich aufgeben muss, dass sie dabei ihre eigene Medizin zu spüren bekommt“, antwortete sein Jin trocken, setzte dann mit einem Lächeln fort: „Ich glaube nach ihrem Blick zu urteilen dürften zehn Millionen reichen. Ich werde sie ihr gleich morgen überweisen…“ Das Lachen hallte in seinem Kopf wider, bis er nicht mehr konnte. „WAS...?“ Kapitel 25: Schneller, immer schneller -------------------------------------- Schneller, immer schneller „Was soll ich?“ Mark suchte nach einem Hinweis, dass die vorigen Worte ein Scherz waren, suchte und suchte, ohne zu finden. Es schien, dass seine Großmutter jetzt endgültig unter einem bösen Bann stand. Dabei war in der letzten Woche, nach dem kleinen, furchtbaren Gespräch nichts weiter Ungewöhnliches passiert – nichts, nur die normalen Freundlichkeiten von Jin und viel zu lange Tagen im Bett. „Ach Markus. Da deine Mutter im Moment in Behandlung ist und immer wieder ein paar verrückte Sachen behauptet – wie, dass eine sprechende Taube sie quält...“, führte seine Großmutter aus, während er vorwurfsvoll Sarah anstarrte. Sein Blick verdüsterte sich, doch Claudia achtete nicht auf seinen Stimmungsumschwung, sondern redete fröhlich weiter. „Naja, das und dass du deine Zukunft wohl besser mit etwas Anstoß findest als wenn du noch weiter wartest. Du bist eben ein wenig unentschlossen und brauchst immer einen freundlichen Schups in die richtige Richtung. Schließlich hat es auch bei deiner Beziehung erst funktioniert, nachdem du unseren allseits geliebten Jin gefunden hast. Hach...“ Sie fing gerade an sich in einem schelmischen Grinsen zu verlieren und brachte ihn damit dazu, wild mit den Augen zu rollen und nach dem vermeintlichen Sündenbock zu suchen. „Das war Jin, das war garantiert wieder Jin, oder?“, murrte er und fand auch endlich seinen Dschinn gegen den Türstock gelehnt. Wie immer stach als erstes der Anzug hervor, bevor Marks Augen wie automatisch zu den goldenen Haaren im Pferdeschwanz geleitet wurden, nur um am Ende an dem Grinsen hängen zu bleiben, das ihn verdächtig an das seiner Großmutter erinnerte. Und dann öffnete sich der Mund, erinnerte ihn an Sachen aus dieser Nacht, die er mit größter Mühe wieder unterdrückte. Doch die kleine Reaktion, das leise Zucken konnte er nicht verhindern. Mit einer Hand griff er sich auf die Wange, wollte überprüfen, ob sie so heiß war, wie sie sich anfühlte. „Was, mein lieber Markus, wirfst du mir Unschuldigem jetzt vor?“, fragte Jin mit einem zu einem Strahlen angewachsenen Lächeln, ganz perverses Unschuldslamm. „Oder liegt dein Unmut darin begraben, dass wir in der letzten Nacht leider nur zu zwei Runden 'Sport' Zeit hatten, bevor du erschöpft einschliefst?“ Jedes Wort brachte den Dschinn näher, ließ Mark zwischen leise aufkeimender Wut und dieser gleichzeitigen Hitze hin und her schwanken, bis etwas in seiner Brust zu stark drückte und schließlich heraus brach. „Du perverser alter...du...ich schwöre, ich werde nie wieder Se...“ Genau in dem Moment traf sein Blick auf seine Großmutter, die leise vor sich hin kicherte und ihn damit abrupt stoppte. Genau in der Pause gurrte Sarah zu allem Überfluss auch noch: „Sagen du das nicht jedes Mal?“ Gegen eine Überzahl aufgestellt, biss er sich auf die Zunge, bemühte sich, sich wieder auf die Grunddiskussion zu besinnen. Ein paar mal schnaufte er mühevoll, bevor er mit dem nächsten abzulenken versuchte – sich selbst und die anderen. „Lenkt nicht ab, lenkt jar nicht ab. Ich werde nicht zur Uni gehen, ganz sicher nicht und selbst für eine angebliche 'Orientierung' nicht. Ich brauche noch Pause, ganz eindeutig und mit Jin ständig. Und ich muss meine Mutter besuchen. Also lasst mich...“ Doch weiter kam er nicht. Er wurde einfach unterbrochen, von allen unterbrochen. „Du musst etwas für deine...“, intonierte seine Großmutter, während Sarah: „Ruh, Bildung bildet...müssen wissen...“, gurrte und Jin nur: „Das wird doch kein Problem...“, meinte. Überfordert zuckten seine Augen von einem zum nächsten, während seine Füße auf dem Boden scharrten. Seine Brauen suchten sich einen Weg zueinander, konnten die Falte nicht überwinden, bis er schließlich aufgab und nur leise: „Lasst mich doch in Ruhe...“, heraus presste. „Markus, für diese dämliche Antwort wirst du jetzt zu einer Live-Vorführung einer von deiner und Jins gemeinsamen 'Turnübungen' verdonnert. Und jetzt schau nicht so“, erklärte sie fröhlich bei seinem immer düstereren Blick, ließ sich nicht von ihrem viel zu ernst klingenden Scherz abbringen, „denn bei dem Geräuschpegel gestern weiß ich alles, wirklich aaaaalles.“ Das gab ihm den Rest. Wie von einem Faustschlag getroffen stolperte er nach hinten, Mund und Augen weit aufgerissen. Er schnappte nach Luft, versuchte etwas zu erwidern, ohne dass es ihm gelang, bis er schließlich das leise Lachen seines Dschinns hörte und explodierte. „Duuuu...duuuuu...perverser Scheißer du!“ Dabei stürmte er auf Jin zu, packte ihn am Arm und zerrte, bis dieser sich in Bewegung setzte. Schritt für Schritt kämpfte er sich weg von seiner völlig verrückten Großmutter, die fröhlich kicherte, hin zur Tür. Sein Kopf pochte, seine Wangen glühten und er wollte nur noch weg. Doch ein Widerstand stoppte ihn so kurz vor dem Ziel. Ein „Hm?“ war alles, was er hörte und mehr als ein: „Irgendwohin...Uni halt“, bekam er nicht heraus. Es reichte offenbar, denn im nächsten Moment drängte sich ein blaues Band an ihm vorbei, öffnete die Tür, durch die er gleich darauf mehr flog denn stolperte. Ein Ruck zog ihn gerade noch rechtzeitig nach hinten, nur um ihn gleich darauf weiter zu stoßen – in Richtung des viel zu großen viel zu luxuriösen Autos. Die goldenen Flammen auf schwarzem Grund ließen seinen Verstand mit Vehemenz an Erinnerungen an offene Münder rasen. Ein letztes Mal bäumte er sich auf. „Nein. Nein, nicht dieses Auto, bitte nicht dieses...“ Ergebnislos. Genauso schnell wie vorher das Haustor, schwang jetzt die Tür dieses Luxuswagens auf, während er sich in Lichtgeschwindigkeit dem Grauen auf vier Rädern näherte. Jeder Widerstand wurde niedergeschlagen, mit stärkeren Stößen in Richtung des vermeintlichen Ziels quittiert, bis er direkt davor stand. In einem letzten verzweifelten Versuch streckte er die Hände aus, stemmte sich gegen den Dachrahmen und krallte sich dort fest. Er schrie: „Nein, ich will nicht, ich...“, knurrte, als sein Griff Finger um Finger gelöst wurden und riss die Augen auf, als er die nächsten Worte hörte. „Wünsch es dir doch, mein Markus...“ Einem Geschoss gleich hallte die Stimme in seinem Kopf wieder und löste etwas, worauf er den Halt verlor. Er stolperte, segelte in Richtung des Sportsitzes und landete mit einem leisen Knacken völlig verkehrt. Noch während er anfing seine Arme und Beine in irgendeine Ordnung zu bringen und unter seinem Bauch hervor zu ziehen, ratterte der Wagen schon los. Genau da beschloss sein Körper ihm zu gehorchen, richtete sich auf, nur um gleich auf seinen Allerwertesten zu fallen und im Sitz zu landen. „Vergiss es...“, untermalte eine Stimme den Blick hin zur verschlossenen Tür und das Gefühl viel zu schnell unterwegs zu sein. Trotzdem fuhr er mit seinen Finger unter den Öffnungsmechanismus, zog, und rollte dann mit seinen Augen. Nichts, es tat sich nichts. „Wie gesagt: Vergiss es. Du wolltest zur Universität und dorthin werde ich dich auch bringen. Am Ende wird es dir sicher sehr gefallen und keine Sorge: Bestehen wird nie ein Problem sein...“, erklärte sein Dschinn lächelnd, schaute ihn dabei die ganze Zeit an und fuhr doch in einer perfekten Kurve die Straße entlang. Einen kurzen Augenblick bewunderte er die Fahrkünste, bevor sein Kopf sich langsam, ganz langsam in Richtung Jin drehte. „WAS? Ich werde mich sicher nicht von dir...zum Henker, ich brauche dich doch nicht dafür...ich brauche dich für gar nichts, außer...scheiße, dafür auch nicht...“, stotterte er herum und biss sich schließlich wie viel zu oft wieder auf die Zunge, versuchte an irgendetwas anderes zu denken und imaginäre Lieder in seinem Kopf zu hören, um nichts mehr mit zu bekommen und das Glühen aus seinen Wangen zu vertreiben. Doch so ganz gelang ihm das nicht. Das: „Also mein Markus, ich wusste doch, dass du Sex nicht widerstehen kannst“, brachte ihn dazu seinen Mund aufzureißen und seinen Arm in Richtung Jin zu strecken, nur um ihn gleich darauf mit dem Blick auf die Straße wieder zurückzuziehen. Die Straße bewegte sich viel zu schnell, die Bäume rasten nur so an seinen Augen vorbei und irgendwie folgte er dem Impuls, noch schnell einen Gurt anzulegen, als er das laute Hupen eines Autos hörte, das gleich darauf hinter ihnen verschwand. „Musst du so rasen?“, murrte er und starrte nur weiter geradeaus, betete still, als er die ersten Häuser der Stadt am Horizont auftauchen sah. „Überleben, überleben…alles wird gut.“ „Natürlich wird alles gut. Du hast ja schließlich mich“, kam die ungebetene Antwort und wie immer rollten seine Augen darauf nach oben. „…natürlich, deswegen ist meine Mutter im Irrenhaus, meine Freundin mit meinem Feind zusammen, ich bin schwul und ich liebe den Sex mit…zum Henker. Mein Leben ist im Arsch, aber alles ist gut…“, setzte er fort, ließ sich in den Sitz fallen und konnte dann das unpassende Lächeln nicht unterdrücken. Müde fing er an mit seinen Fingern in der Luft zu spielen, immer näher zu seinem Dschinn zu kommen, bevor alles nach vorne schwankte. Ohne Vorwarnung prallte er gegen seinen Gurt, wurde dagegen gepresst, bis alles ruckelte und er wieder nach hinten kippte. Verwirrt versuchte er einen Hinweis zu finden in dieser halben Einöde aus Häusern, die er wohl ganz übersehen hatte, und dem merkwürdigen Zelt, vor dem sich allerlei Leute tummelten. Ein schreckgeweitetes Gesicht starrte ihm entgegen, schüttelte den Kopf, bis die Eigentümerin mehrmals mit den Händen auf den Kotflügel klopfte. Mit halb erstickter Stimme versuchte die in eine Mischung aus edler Hose und reichlich unpassendem T-Shirt gekleidete ältere Dame zu erklären: „Halt…Halten Sie an. Sie können doch hier nicht…“, bevor Jin wohl Mitleid hatte. Der Wagen schnurrte, setzte sich rückwärts in Bewegung und schleifte damit die Frau ein Stück mit, bis sie schwankend stehen blieb und mit der Faust wackelte. Sekunden später schlitterte das Auto in eine nicht-vorhandene Parklücke mitten im Gras und blieb stehen. „Aussteigen“, befahl sein Dschinn ihm und wirbelte wie ein Wind an seine Seite, als er sich nicht sofort bewegte. Finger lösten den Gurt, zogen ihn hoch in einen Kuss, der so kurz wie ein Traum war und ein warmes Prickeln zurückließ, seine Hand nach oben führte. Er konnte den Impuls nicht unterdrücken, wollte das Gefühl auf seinen Lippen nachfahren. Doch ein Ruck, und er verlor jeden Halt, flog seinem Jin entgegen und ruderte mit den Armen. Mit Mühe konnte er sich fangen, bevor er aufprallte und vor all den Leuten mitten auf dem Perversen landete. Das viel zu bekannte Lächeln, das ihm entgegen strahlte, konnte er kaum ignorieren, aber er versuchte es. Sein Blick streifte über das niedergetrampelte Gras, weiter zu den vielen Tischen vor dem Zelt und den Menschen, die sich angeregt miteinander unterhielten. Merkwürdig viele standen in Anzügen herum, wirkten unsicher und suchten die Schilder ab, die Dinge wie „Physik“, „Institut für organische Chemie“ oder ähnliches verkündeten. Je länger er es betrachtete, desto sicherer wurde er, dass das eine Auswahl aller möglichen Studienrichtungen war und die Leute hinter den Tischen zum Teil Studenten. Er schüttelte den Kopf, als er schließlich über den kleineren Strom Menschen bei dem riesigen Zelt landete, das wie eine Verlängerung des landschlossartigen Gebäudes dahinter wirkte und über dem „Universitäten“ stand. Und damit fing er an zu zittern und instinktiv Schritt um Schritt zurückzuweichen. Er wusste nicht, was er wollte, wusste es schon länger nicht, brauchte noch Zeit und suchte nach einem Ausweg. Doch jedes Mal wenn er ein paar Zentimeter gewonnen hatte, schien Jin dort zu sein und mit der Hand in die andere Richtung zu zeigen. „Ich will nicht“, erklärte er schließlich nach dem dutzendsten Versuch und schluckte. Er biss sich auf die Zunge, rang seinen Verstand zu Boden. „Wolltest du nicht…Se…Sex?“, flüsterte er am Ende leise und schaute auf, die Lider halb gesenkt, während er mit seinen zitternden Fingern seinen Hals entlang strich. Mühsam ignorierte er dabei alle lauten Warnungen, alles was ihn zurückhalten hätte können und die Blicke, die ihm begegneten, bis ein leises Lachen ihn mitten in der Bewegung erstarren ließ. Eine Sekunde überlegte er, hoffte trotz des fremden Tons, dass es Jins Mund war, der offen stand – doch vergebens. Sein Kopf drehte sich darauf langsam, bis er die letzten Sekunden mit einem rasenden Knacken zurücklegte und Mark darauf in sich zusammensank. Vor ihm stand ein in einen legeren Anzug gekleideter Mann, der ihn entfernt an seinen Dschinn erinnerte und doch wieder nicht. Die kurzen Haare standen leicht wirr hoch, während der Rest absolut gepflegt wirkte – bis hinunter zu den glänzenden Schuhen. Bei jeder Bewegung flutete Mark Neid ob des guten Körperbaus. Er seufzte. Das schien alles in Bewegung zu setzen. Ein Flimmern in seinen Augenwinkeln und schon im nächsten Moment stand Jin halb vor ihm, während der Fremde seine Hände aus den Hosentaschen hob und eine davon nach vorne streckte. „Jin Naphuriquales, nehme ich an? Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Markus“, dabei zuckte Mark zusammen, „Lindberg und wenn es Ihnen Recht ist, würde ich gerne zu etwas weniger formeller Ansprache übergehen…“ „Jin sollte dann wohl auch reichen und wie ich sehe, kann ich wohl sehr viel von DIR erwarten“, erwiderte Jin zu seinem Erstaunen darauf und schüttelte die Hand, nur um sie fortzuschlagen, als sie sich in Marks Gebiet verirren wollte. Mit einem wissenden Blick, nickte Lindberg ihm zu und erklärte nur „Markus oder Mark oder wie auch immer du willst…dein Onkel sollte dir ja bereits von mir erzählt haben…“, bevor er sich wieder vollends Jin zuwandte und damit sein wildes Schnappen nach Luft nicht mehr sehen konnte. „O…O…Onkel?“, stotterte er schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit und bekam als Antwort ein: „Tja, ich war auch schon immer ein Fan von Pretty Woman“, serviert, das ihn im Erdboden versinken ließ, bevor er sich wieder fing und Jin wütend anstierte. „Tja, und da du hier die Hauptperson bist, sollte ich mich wohl exklusiv dir zuwenden.“ Damit strahlte ihn Lindberg mit seinen reinweißen Zähnen und dem Lächeln regelrecht an, überhörte das leise Knurren Jins und zeigte auf die Tische. „Dein ‚Onkel‘ hat mir schon von deinen Stärken erzählt.“ Dabei zuckte Mark zusammen und errötete, betete leise zu allen Göttern, dass sie ihn ihm Erdboden verschwinden lassen würden, während sein Gegenüber unbeeindruckt weitermachte. „Und einige Dinge dürften ausgeschlossen sein.“ Inzwischen setzten sie sich in Bewegung, Mark mehr gezwungen durch Jins beständige Führung, und kämpften sich durch die Massen. „Geld spielt keine Rolle und die Uni sollte gut sein. Sehr intelligent, schnelle Auffassungsgabe, aber dabei vielleicht nicht gerade die beste Menschenkenntnis hätten mich persönlich ja davon überzeugt, dass du eher in Richtung Naturwissenschaften tendierst“, führte Lindberg aus und zeigte dabei auf ein Schild, auf dem „Physik“ stand. Mehr als verloren schauen konnte Mark dabei nicht. Verzweifelt versuchte er die Komplimente, die Jin wohl über ihn gemacht hatte, zu verdauen und den Seitenhieb zu verkraften. „Ich will…ich will nicht wirklich studieren“, murmelte er verlegen, spürte ein unangenehmes Kribbeln in seinem Nacken, drehte sich um, ohne etwas zu sehen. „Keine Sorge, das ist die beste Voraussetzung. Viele haben Angst davor und denken sie wären nicht gut genug. Dabei haben sie nur noch nicht das richtige für sich gefunden. Aber dafür bin ich ja da.“ Damit wandte sich ihr Führer um und schien zu überlegen, bis sich sein Gesicht aufhellte. „Wie wäre es mit einem Studium, das sich mehr als ‚Studium‘ an sich versteht und das Werkzeug in die Hand gibt, pure Klassiker lehrt wie auch die zugehörigen Sprachen und Dinge wie die Naturwissenschaften?“ Lindberg beugte sich ein Stück nach vorne, strahlte. „Äh…ich bin in Sprachen…aber…“, brachte Mark gerade noch heraus um überhaupt eine Antwort zu geben, nur um gleich unterbrochen zu werden: „Er hat keine Probleme mit Sprachen. Aber das Studium muss frei einteilbar sein und die Universität neben einem guten Ruf auch engste Kooperation zu anderen besitzen…“ Damit hatte sich jemand wie immer eingemischt und ihn damit mehr oder weniger aus der Diskussion verjagt, was ihm dieses eine Mal Recht war. Er schaute wieder etwas verloren zu den Tischen, bis seine Augen bei dem Stand mit dem Schild „Mathematik“ hängen und die Welt stehen blieb. Dort, scheinbar unbemerkt von allen, stand Math, unverkennbar Math mit seinen kleinen Axt-Flügeln, dem krausen Haar und mit einem kleinen Lendenschurz. Bei dem Anblick rieb er sich die Augen, starrte das Mädchen, die Frau, an, die glücklich an dem Fell zog und zerrte und den Dschinn weiter zog. Fast hätte er geglaubt zu halluzinieren, doch dann sah er die dunkeln Augen, sahen sie ihn, Sekundenlang. „...interessiert dich das Studium überhaupt?“, riss ihn eine Stimme und der gleichzeitige Klaps auf den Hintern aus seiner Trance. Ein Nicken später, versuchte er noch immer Worte zu finden, nickte nur wortlos und hob die Hand, zeigte in Richtung von Math. Jin blieb stumm, bis er leise: „Zwei Dschinns…“, murmelte und Lindberg nur noch knapp eine Anweisung gab: „Organisier bitte ein Gespräch mit zwei Studenten, eine genaue Aufstellung des Studiums. Danach Einschreibung und alle nötigen Unterlagen. Unterkunft, Beratung und alles weiter sollten sich gleich mit den Profilen der Unis finden. Für die Kosten komme ich natürlich auf und werde die Dienste weiter in Anspruch nehmen. Aber jetzt entschuldige mich bitte, Markus, aber ich habe etwas sehr dringendes zu erledigen.“ „Natürlich. Ich danke und bis zum nächsten Mal.“ Damit verabschiedete sich Lindberg mit einer Verbeugung und verschwand in Richtung des großen Zeltes. „Nun, dann sollten wir Math einen Besuch abstatten“, beschloss sein Dschinn sofort darauf und zog ihn in Richtung der Stände. Schritt um Schritt offenbarten sich neue Tische vorher verbogen geblieben und so viele bekannte und unbekannte Begriffe, die darüber prangten. Fasziniert, schnell rasten seine Augen über das Meer an Leuten, über die Buchstaben, bis er erstarrte und sich gegen jedes Ziehen wehrte. Seine Füße trieben ihn nach hinten, seine Nackenhaare standen zu Berge und sein Herz raste wild. Blut toste, übertönte jeden Laut und ließ die Welt verstummen. Starr, hörte er nur dumpf Fragen, irgendetwas, nahm es nicht wahr, deutete immer wilder. Und dann hörte er das Grollen, das Knurren, spürte, wie der Wind sich drehte und Kälte über seine Haut raste. Zittern, mehr als zittern konnte er nicht, als er es hörte und alle unbekannten Befürchtungen bestätigt wurden. „Wir müssen weg, sofort!“ Damit packte etwas sein Handgelenk, schloss sich brutal darum, bis der Schmerz ihn in die Realität zog. Schnell zerrte ihn sein Jin weg, fluchte dabei laut, der Wind ein brutaler Begleiter, der ständig an Marks Haaren zog und ihm den Blick auf Julius und seinen Dschinn immer wieder verwehrte. Jeder Schritt war schwer, zu langsam, getrieben von dem Zerren, von dieser dumpfen Angst, die laut in seinem Inneren schrie, sich nicht beruhigen ließ. Er stolperte immer wieder, fing sich gerade noch in dem Sturm seiner Gefühle und seufzte erleichtert, als er ihr Auto sah. Ein Piepser und es blinkte, bereit zum Einsteigen, bis ein lauter Schrei ihm das Blut gefrieren ließ. „RRRRUUUUU, Gefah...!“, hörte er Sarah panisch von irgendwo, erblickte sie schließlich. Dort, hinter ihr, fackelte etwas, flammte auf und verschlang dabei Gras um Gras, bis es sich erhob und Tentakel hochschossen. Einer schlang sich um Sarah, wurde dabei zu einer Hand aus Feuer, und drückte zu. Sarah öffnete den Schnabel, brachte gerade noch einen erstickten Laut hervor, bevor ihre Augen sich drehten und immer weiter hinaus gedrückt wurden. Der Kopf wand sich, schlug von einer Seite zur anderen, während die Laute verstummten und nur Knistern zu hören war. Das wilde Flattern, gerade noch ohrenbetäubend, ging in ein panisches Zittern über, wurde immer flacher. Verbranntes Fleisch, ein furchtbarer Gestank danach, erfüllte die Luft. Federn segelten brennend zu Boden, während sich kleine Teile lösten und nach unten flogen, durch das Beben Sarahs befeuert wurden und davonstoben. Mark konnte nur erstarrt schauen, Sekunden Stunden, zu kurz um sich zu bewegen, als er mit Tränen in den Augen unfähig zusehen musste. Und dann bohrten sich diese furchtbaren Finger in die Brust, ein Schrei in der Luft, der aus seiner Richtung kam. Immer tiefer sah er sie verschwinden, in der Taube versinken, bis etwas riss und ein im nächsten Moment in blutiger Fetzen Fleisch durch die Luft segelte – genau auf ihn zu. Sarah, der Rest von ihr, segelte dabei nach unten, während er einfach nur da stehen blieb und die ersten Tränen aus seinen Augen rannen. Seine Knie waren nicht mehr vorhanden, weich, gaben fast nach und machten jede Bewegung unmöglich. Er stand nur da, unfähig auszuweichen, starrte und starrte auf den lebelosen Körper, den Fetzen verkohlte Taube, während das Fleisch weiter auf ihn zuflog. Kurz bevor er getroffen wurde, riss ihn etwas zur Seite. Mit voller Wucht prallte er auf den Boden, stützte sich auf und fiel fast wieder hin, als sein Blick wieder auf Sarahs Leiche traf. Blut, ein Fetzen Fleisch und brennende Federn lagen wild verstreut, kaum noch erkennbar, früher einmal ein Wesen. Sein Magen rebellierte darauf, förderte etwas nach oben, das er mit Mühe unterdrückte, wieder hinunter würgte. „Nein...nei...Sarah“, presste er zwischen den Anfällen, dem bitteren Geschmack in seinem Mund, hervor und schluckte die Galle wieder hinunter, das viel zu feste Etwas dabei. Er spuckte, wollte den Druck etwas lösen, streckte seine Hand nach dem blutigen Haufen aus, nur um wieder zurückzuzucken, als er das manische Lachen hörte und aufschaute. „Jetzt wird alles perfekt. Drei Dschinns auf einmal ist wie ein Freudenfeuer für mich, ein Signal, dass ich hin muss. Du hast verloren, du jämmerliches Lüftchen. Sie war die erste von euch allen“, erklärte das Monster über ihm, vor ihm. Flammen schlugen immer wieder aus der roten Kleidung, während in der Schleuder ein ganzer Haufen Kugeln ruhte. Und dann regte sie sich, fing wie in Zeitlupe an, sich zu bewegen und nach hinten auszuholen, während die kleinen Geschosse anfingen zu schweben. „Sarah...er...leben...töte ihn...“ Er ballte die Fäuste, stützte sich auf und versuchte sich zu erheben. Mit Knacken, mit verdrängtem Würgen kämpfte er sich hoch, sah, wie die Schleuder ein letztes Mal nach hinten raste und dann in Flammen aufging. Genau da spürte er die Gluthitze, sah, wie ein Baum nach dem anderen alle Blätter verlor, alles in Zeitlupe unterging, während sich sein Dschinn nicht bewegte, die Zähne zusammengepresst, die Augen starr auf den Gegner gerichtet. Im nächsten Moment glaube er: „Ich kann nicht...Wünsche...“, zu hören und fühlte sich wie von einem Messer durchbohrt, fühlte alle Hoffnung weichen, während sich etwas anderes ans Licht kämpfte. Mit einer Hand wischte er sich den Speichel vom Mund, schleppte sich hoch, hin zu seinem Dschinn, zog. Es pochte, es raste. Er musste etwas tun. Jetzt. Seine Finger verkrallten sich wieder in der Kleidung, zerrten, während er schrie. „TU ETWAS! ER...ER...“ Doch es war zu spät. Wie in Zeitlupe schwebten die Geschosse, blieben Sekunden in der Luft, in der Schleuder, hängen, bevor sie sich lösten. Mit einem Ruck wurde er zur Seite gerissen, wirbelte herum und stolperte. Er verlor jeden Halt, prallte mit voller Wucht gegen einen Baum, der ihn seinen Atem kostete. Gerade noch nach Luft schnappend, riss er die Augen sofort wieder auf, als die erste Kugel an ihm vorbeiraste, eine Rauchwolke hervorzog und damit die ganze Horde glühender Lichter verbarg. In der letzten Sekunde versuchte er sich noch zu ducken, doch zu spät. Als das erste Geschoss ihn traf, an seinem Ärmel zerrte und ihn zerriss, seine Haut streifte und er aufschrie, schloss er die Augen in einer letzten Hoffnung, ließ sich fallen. Sekunden presste er sich gegen den Baum, die Hitze unerträglich, der Gestank von versengtem Haar, von versengten Dingen, so betäubend, dass er schließlich hinschauen musste – und sofort zusammensackte. Vor ihm schwebten wie Tentakel dutzende blaue Stoffbahnen, hielten brennende Kugeln. Sie standen in Flammen, zitterten und wanden sich als würden sie Schmerzen haben, zu entfliehen versuchen wollen, ohne je loszulassen. Asche regnete von ihnen herab, während sie immer dünner wurden und die Geschosse langsam in seine Richtung taumelten. „Jetzt…weg…“ Der Befehl spornte ihn an, drängte seine Beine dazu sich zu bewegen und auf allen Vieren kroch er über den Boden, zerrte sich hoch und stolperte die letzten Schritte weg. Genau in dem Moment, an dem er an Jin vorbei war, hörte er das Krachen, sah den Baum beben und in tausend Teile zerfallen, suchte vergeblich die blauen Bänder, deren Reste er auf dem Boden zuckten sah. „Und, wie lange kannst du mit deinen lächerlichen Tentakeln meine Geschosse aufhalten?“, hörte er unter dem höhnischem Gelächter dieses Monster Duran sagen, biss die Zähne aufeinander. Die verkohlten Reste versuchten sich noch einmal aufzurichten, flammten noch einmal ob der Bewegung auf und zerfielen in tausend Teile. Dabei stand sein Dschinn unbeweglich in seiner blauen, halbdurchsichtigen Kleidung da – der halbe Stoff zerfetzt, fehlend - die Krallen ausgestreckt, die Hand gehoben. „Für dich reicht das auch noch…“ Das war alles was er noch hörte, bevor sein Jin losstürmte und mit einem lauten Brüller vorpreschte. Dann war alles zu spät. Er sah, wie Durans Mund sich öffnete, eine Kugel hervorzauberte und eine seiner Arme nach einem Ast hinter sich griff. Würgend bewegte sich das Monster nach hinten, versengte dabei das Gras unter seinen Füßen, stampfte und spuckte dann schließlich etwas aus, das in seiner Schleuder landete. „Wie ich euch dumme Dschinns liebe“, erklärte das Monster, während die Waffe anfing zu kreisen, bevor Durans Augen ihren Fokus verloren. Bruchteile von irgendetwas hoffte er schon, sah Dschinn immer näher an den Feind kommen mit seinem nach hinten gestreckten Arm, bis eine unglaubliche Kälte ihn traf. Durans Augen hatten ihren Fokus gefunden, landeten mit einem schaurigen Lächeln genau auf ihm. Und diesmal erstarrte er nicht. Mit einem erstickten Schrei stolperte er zur Seite, schaute sich nach etwas um, irgendetwas, griff nach einem Ast. Er packte zu und fühlte all seine Hoffnungen mit der versuchten Waffe zerbröckeln und wie Staub zur Erde fallen. Panisch, nur noch dem Instinkt zu fliehen folgend und mit dem Gedanken an Jin, stolperte er los und rannte, den Blick immer auf seinen Feind gerichtet. Unvermeidlich löste sich die Kugel schließlich von der Schleuder, raste auf ihn zu, während er sich mit einem Schrei nach vorne stürzte, als er schon die Hitze spürte, den Druck. Gleich, gleich würde er getroffen werden. Er wusste, dass das sein Ende war, schloss die Augen, die bar jeder Träne waren. Sein Kopf war leer… Mit voller Wucht prallte er wieder auf die Erde, hörte das Knacken, fühlte seine Hand brechen, als er über Steine schlitterte, über Geröll, einen Schrei in den Ohren. Momente, Sekunden, presste er seine Lider aufeinander, starr und still, doch nichts passierte. Kribbeln in seinem Rücken, ein furchtbares Gefühl, zwangen ihn schließlich aufzuschauen. Tränen brachen hervor, rannen ungehindert hinunter, als er es sah, als seine Welt unterging. Sein Dschinn stand da, der Mund nur einen Spalt geöffnet, die Augen glasig und voller Schmerz. Jin war so still, bohrte seine Krallen in seine Handflächen, während ein riesiges, flammendes Stück Ast aus seiner Brust hervorragte, mitten in dem riesigen klaffenden Loch. Und mit jedem Blinzeln wurde es größer, verschwand immer mehr von seinem Dschinn. Zitternd, jeder Schmerz vergessen und sein Körper nur noch eine Marionette, die sich nach seinem Willen bewegte, der sich bewegen musste, kämpfte er sich hoch, wischte sich die Tränen ab, die wieder anfingen zu steigen. Doch sie fielen, fielen immer weiter, während er nach vorne stolperte und auf die viel zu kalte, viel zu unwirkliche Haut griff, den Kopf schüttelte. „Nein, nein…“, stammelte er, achtete nicht auf das höhnische Lachen Durans. Seine Finger näherten sich, wollten den Ast angreifen, bis sie aufgehalten wurden, eine Hand sich vor ihn stellte. „Nein…es ist zu spät…wünsch dir etwas.“ Das Flüstern war leise, wie schon Meilen weit weg und drängte seine Zunge dazu seine Gedanken herauszuschleudern. „Du darfst nicht…ich will, dass du wieder gesund bist. Du bist ein perverser Dschinn, du kannst nicht verletzt sein. Du…“, befahl er, flehte er, spürte, wie seine Finger durch die Hand hindurch glitten. Vor Marks Augen verschwand sein Dschinn, schien sich gerade noch zu halten und war doch schon viel zu durchsichtig. Als er mit dem Kopf schüttelte und: „Du musst in Sicherheit. Es ist…zu spät…“, sagte, hatten seine Tränen kein Halten mehr. In einem Bach strömten sie hinab, tauchten seine Welt in einen Wasserschleier, während viel zu kalte Finger über seine Haut fuhren, über seine Brust und auf sein Tattoo zeigten. Verwirrt schaute er hinunter, sah, wie die Streben, die sich um das Auge geschlossen hatten und es zu halten versuchten, eine nach der anderen von dem sich auflösenden Symbol hochgedrückt wurden. Mit jeder Sekunde mehr, fiel immer mehr von seinem Jin anheim, zerbröckelte Stück um Stück auch noch die linke Hand. „NEIN!“ Mit diesem einen Wort, riss er sich los, stürzte auf Dschinn zu und umarmte ihn, vergaß den stechenden Schmerz in seiner gebrochenen Hand. Mit zitternden Fingern, mit denen, die sich noch bewegen ließen, griff er nach dem Stab, ignorierte die vergeblichen Versuche seines fast durchsichtigen Jins, des Windes, der jetzt um ihn streifte, und griff zu. Schmerz raste durch seine Hand, glühte auf und verbrannte seine Haut. Er zuckte weg, schaute noch einmal, seine Zähne ein einziges Klappern. „Nein, nein…NEIN!“, brüllte er, schloss die Augen und fühlte etwas über seine ungebrochene Hand, seine angekohlte Hand, gleiten. Dann ignorierte er den pochenden Schmerz, den Gestank auf seinen Fingern und griff noch einmal zu. Wieder raste es, schien sein ganzes Wesen zu verbrennen und wollte ihn dazu bringen, loszulassen - doch er tat es nicht, hörte nicht auf seinen Dschinn, hörte auf nichts. Schreie, mit Schreien voller Qualen auf den Lippen, zog er, zerrte und fühlte, wie seine Hände brannten, fühlte, wie sein Gürtel sich immer fester schloss und sich um den Ast wickelte. Seine Welt fing an sich zu drehen, der Schmerz zu groß und drängte ihn dazu, der Schwärze nachzugeben, die da wartete. Er aber gab nicht auf, kämpfte, kämpfte, bis er den Ruck spürte und nach vorne fiel, mit zitternder Hand stehen blieb und die Augen öffnete. Das erste was er sah, war das Lachen dieses Monsters, das wieder eine Kugel schwang und voller Elan: „Verräter sterben eben auch…“, sagte. Das zweite, das er sah, war seine von schwarzen Stellen überzogene Haut, und den nur noch halb so lange Gürtel, der sich fest um den flammenden Ast geschwungen hatte. Dann traf sein Blick seinen halb durchsichtigen, nur noch aus Teilen bestehenden Jin, der die einzig verbliebene Hand ausstreckte und leise: „Mein Paradies…du bist mein…“, flüsterte und an den letzten Rändern zerfiel. Stück um Stück bröckelte immer mehr von der Form ab, wurde zu einem unsichtbaren Wind, der herumfegte und seine Tränen antrieb. Jeder seiner Versuche hinzugreifen, ihn zu halten, war vergebens und er konnte nur zusehen, wie alles verschwand, bis nur noch ein Stück des Gesichtes blieb und der verlorene Blick dort durch ihn hindurch zu starren schien, Schrecken darin sich widerspiegelte. Bäche strömten aus seinen Augen, etwas rann seine Nase hinab und jeder Schmerz auf seiner glühenden Hand ging in dem unter, der sich in seiner Brust sammelte. Es drückte dort, schnürte ihm die Luft ab, jedes Schlucken schwer, unmöglich und alles taub. Wie in Trance sah er, wie die Kugel in der Hand des Monsters sich bewegte, wie eine willkommene Erleichterung wirkte. Er wollte nicht mehr, konnte seine schmerzenden Arme nicht mehr bewegen, konnte sich nicht mehr regen. „Das ist dei…“, fing das Monster an, kam nie weiter. Ein tosendes Gebrüll stürmte plötzlich von der Seite auf Duran zu. Ein brauner Blitz, einem Beben gleich war es. Math schwang seine zwei Äxte, sprang hoch und stürzte mit einem Schrei auf den überraschten Gegner. Die Waffen bohrten sich mit voller Wucht in das Monster, schnitten tief in die Haut, zerfetzen die das Fleisch und rissen tiefe Wunden hinein, aus denen Flammen schlugen. Die Kugel fiel zu Boden, verbrannte alles, als sie in einer Explosion aufging. „Aber er ist tot und ich werde euch all…“, triumphierte Duran selbst in dem Augenblick noch immer und ließ Marks Arm damit wieder zum Leben erwachen. Hass quoll auf, übernahm seine Sinne, unterdrückte die rasenden Schmerzen. Er schrie, brüllte, holte aus und schleuderte dann den Stab mit all seiner Kraft los, fühlte wie er sich löste und Haut mitriss. Wie in Zeitlupe flog das Geschoss, noch einmal befeuert von seinem Gürtel, der ihm einen Stoß verpasste, nur um sich dann ohne Rücksicht auf etwas, in dieses Monster zu bohren. Dessen Augen gingen auf, drehten sich, während die Haut in Flammen aufging und der Mund noch die letzten Bösartigkeit ausspuckte: „Aber ich komme wieder…“ Das war zu viel für Mark. Irgendwo in seinem Innersten glomm etwas auf. Er spuckte, fluchte, bis er einem letzten Instinkt folgend: „Ich wünschte du würdest in der Dschinnhölle landen…für immer…“, sagte. Das „Gewährt“, brachte seine Hoffnungen für einen Augenblick zurück, als er seinen Jin anschaute und alles wieder zerbrechen sah. Das Gesicht, das bisschen Gesicht, das noch übrig gewesen war, zerfiel damit in tausend Bänder aus Wind, die sich um seine Hand schlangen und über sein Tattoo streiften. „NEIIIIIIN, NEEEEEEINNN, ich kann nicht sterben, ich kann nicht…NEEEEEINNNNN!“, gellte durch die Luft, während er nicht wegschauen konnte, nur Augen für die Bänder hatte und seine Welt zerbrechen sah. Es war, als würde etwas in ihn sterben, in tausend Teile bersten und damit den flammenden Schmerz zu seiner einzigen Realität machen. Seine Knie schlotterten und er fiel, fiel... Kapitel 26: Ein letztes Mal, ein erstes Mal… -------------------------------------------- Ein letztes Mal, ein erstes Mal… Seine Knie schlürften über die Steine, prallten darauf, doch es war egal. Vor sich sah er nur die Bänder, die immer wieder um ihn strömten, griff verzweifelt danach, als sich eines nach dem anderen auflöste. „Nein…Nein…“ „Markus…?“, hörte er im Hintergrund etwas fragen, Math sagen, ignorierte es. Tränen benetzen den Boden unter ihm, der Vordergrund war ein Verschwimmen der Flammen dieses Durans, die gen Himmel stiegen, sich wanden und mit einem „Plopp“ verschwanden. Doch er spürte keine Genugtuung, spürte nichts mehr. Alles was ihm blieb, waren die lächerlichen Schmerzen in seinen Händen, die bebende Qual in seiner Brust. Vor seinen Augen wurde es schwarz, immer schwärzer, bis plötzlich ein kleines Licht aufglomm. Und damit erstarrte das letzte Band, der kleine Ring aus Gold, vor ihm, blieb stehen. Alles gefror, selbst das Gras verharrte mitten in der Bewegung. Das einzige, was sich regte, war das Licht, das immer größer wurde, und aus dem Ast kam, auf dem Boden schien. Es wand sich, verschlang sich selbst und wurde zu purer Schwärze, die alles einsog, bis es die ganze Welt verschlang. Schwindel erfasste ihn, während er nichts tun, nur zusehen konnte. Stück um Stück verschwand ein Baum nach dem anderen, eine Farbe nach der anderen, bis nichts mehr blieb und Mark alleine in Finsternis zurückließ. „Tot?“, fragte er und erwartete keine Antwort, doch bekam eine. Ein heiseres Gelächter erklang viel zu nah an seinem Ohr, raste auf die andere Seite und kreiste um ihn herum, bis es fiel und plötzlich vor ihm aufglomm. Geblendet schloss er die Augen, öffnete sie erst wieder, als das Kribbeln in seinem ganzen Körper unerträglich wurde, die Angst zu groß. Vor ihm stand eine Frau, eine alte Dame in Blätter und Fetzen gehüllt. Ihr Lächeln offenbarte eine einzige Ruine, eine leere Höhle, während ihr struppiges goldenes Haar in alle Richtungen abstand. „Was haben wir denn da?“, sprach sie schließlich, eine Stimme wie Glockengeläut, hell und so überirdisch, dass es ihn fast alles vergessen machen ließ – aber nur beinahe. „Lass mich…ich will nich…“, murmelte er und starrte wieder auf das goldene Band, dieses letzte Ding, das von seinem Dschinn übrig war. Tränen stiegen erneut hoch, fielen hinab. „Oh, nein, nein, so funktioniert das wohl nicht…“ Die Fremde sprach mit sich selbst, lachte wieder laut. Ein Wind fegte durch dieses Nichts, brachte kurz Hoffnung, die sofort wieder erstarb, als er noch immer den goldenen Ring sah. „Komm schon, schau mich an. Ich habe auch etwas für dich, das sich lohnt…“ Sie versuchte es wieder, lockte ihn, aber er wollte nicht. Er schüttelte nur den Kopf, die Augen starr auf seinen Dschinn, auf das letzte bisschen von ihm, gerichtet. „Ich könnte auch ihn retten…“ Sein Nacken krachte darauf, sein Kopf raste nach oben und sein Kiefer fiel etwas nach unten. Hoffnung mischte sich mit Erstaunen, ging unter in diesem erdrückenden Gefühl, trotz der jetzt engelsgleichen Gestalt vor ihm. Wallendes blondes Haar umrahmte eine perfekte Figur ganz in weiß gekleidet, während sie jung war, einfach nur wie ein Bilderbuchengel wirkte. „Siehst du, so funktioniert es“, sagte sie zufrieden und beugte sich vor, wobei die goldenen Schnüre - Ketten, die um ihren Hals und um ihre Taille gebunden waren - nach vorne flatterten. Doch seine Augen lösten sich dabei nie von dem Ring, dem einzigen was noch zählte. „Keine Sorge, im Moment steht die Zeit für dich still. Wir sind ja auch nicht in der Realität, sondern in meiner derzeitigen Realität…und damit existiert der letzte Funke dieses Wesens die ganze Zeit über, die du hier bist“, erklärte sie, während er nichts verstand und nur weiter Taubheit fühlte, die sich mit einem unerträglichen Drücken mischte.. „Machen wir es schnell – das wird uns beiden besser gefallen. Ich bin eine Dschinn, ich bin aber nicht wie er, ich bin anders, so ganz anders. Gefangen in eurer Welt, in dieser Hölle, war mein Fluch hier zu bleiben, bis jemand durch mich stirbt, ohne durch mich zu sterben. Und du hast es getan, hast dieses Feuerding in den wahren Tod geschickt, der nicht durch mich kam. Du hast mich befreit aus dieser Gefangenschaft in dem Baum, dieser Gefangenschaft in dieser Hölle, die ihr Erde nennt. Meine Welt, mein Paradies, endlich kann ich es wieder erreichen und meinen Geliebten wieder sehen.“ Ihr Lächeln trieb Wut in seinen Bauch. Er zitterte, presste ein: „Und? Ich will das nicht wissen, ich will…“, hervor. „Genau, du willst ihn zurück haben. Aber der Preis ist hoch und du solltest acht geben, was du dir wünschst. Die Wahl ist aber trotzdem deine: Einen Wunsch, nur einen werde und kann ich meinem Retter gewähren. Und…“, begann sie, konnte ihre Ausführungen nicht beenden. Ohne zu zögern, schossen die Worte aus seinem Mund. „Leben, er muss leben.“ Dabei glitt sein Blick wieder zu dem goldenen Ring, verirrten sich seine Finger in der Luft dorthin, zu zögerlich, zu ängstlich um es anzufassen. Angst bebte in ihm, Angst, alles im nächsten Moment zu verlieren, diesen letzten Funken Hoffnung einzubüßen, der aufblitzte und die Schmerzen zu einem wohligen Pochen machte. Sie beugte sich noch weiter vor, streckte ihre durchsichtige Hand aus, einen betrübten Blick im Gesicht. „Du willst nicht die Taube von ihrem Leid befreien? Du willst dich selbst in ein Gefängnis setzen, das ein anderer für dich gefertigt hat? Du willst dich jemandem hingeben, der dich getrieben hat? Es schmerzt, meinem Retter, meinem Befreier aus dieser Hölle dieses Schicksal aufzubürden, also sag es mir in klarem Geiste, auch wenn ich es weiß…“, verlangte sie noch einmal, Trauer in ihrer Stimme, während die Erleichterung noch immer mit schwang. Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein…ich bin nicht so. Sarah, ich werde Sarah auch noch helfen, aber ich kann doch nicht, ich kann doch nicht Jin sterben lassen!“ Tränen kullerten bei den Worten seine Wangen hinunter, tropften in das schwarze Nichts. „Er…ich…wir…ich weiß nicht wieso, aber ich…“, stotterte er, brachte das nicht hinaus, was er sagen hätte sollen, was alles hätte erklären können. Er starrte einfach nur hoch, eine Bitte in den Augen. „…du liebst ihn? Gewährt.“ Leise drang es an seine Ohren, vibrierte dort nach, bohrte sich in sein Gehirn und brachte alles zum Strahlen. Leichtigkeit erfasste ihn, während das goldene Band, das einzige andere in dieser dunklen Welt, hin und her zuckte, vor Leben vibrierte. „Ich binde sein Schicksal an das deine, damit eure Wege für immer sich kreuzen mögen, bis am Ende du mit ihm vergehen wirst, wenn deine Zeit gekommen ist.“ Ihre Worte klangen wie ein Urteil, bis sie einen letzten sanften Satz hinzufügte: „Aber wohin auch immer ihr vergehen werdet, ihr werdet nie alleine sein.“ Damit erklang ein lautes Pochen wie das Schlagen eines Herzens, erfüllte die Welt, die dem Takt folgte und zitterte. Das Schwarz wurde mit jedem Moment heller, grauer, immer blendender und heißer, bis er es nicht mehr aushielt. Seine Hand brannte, glühte, seine Brust drohte zu zerspringen und er schrie, schrie nur noch – bis plötzlich alles zerfiel. Kälte traf ihn und eine leise Stimme flüsterte in seinem Ohr: „Wundere dich nicht, kurz will ich es dir noch erklären: Tausende Welten gibt es und viele verschiedene Dschinns. Wir alle sind anders, existieren in anderen Ebenen. Eine jede sieht anders aus und uns eure Welt anders sehen. Doch das Streben nach dem Einen, nach dem Paradies eint uns alle. Genau das vereint uns und zieht uns am Ende in dieselben Gefilde. Weil du mich befreit hast und so selbstlos selbstsüchtig gehandelt hast, verrate ich dir noch etwas: Sie, die Taube, wird dich wiederfinden und sie wird ihre Erlösung bekommen, wenn sie eine meiner Schwestern oder Brüder entdeckt. Ihre Wege werden sich kreuzen – dafür habe ich gesorgt, dafür wird die große Menge an Dschinns sorgen...und jetzt öffne die Augen und trockne die nutzlosen Wasserperlen, die dort hinaus laufen…“ Etwas zog im gleichen Moment an seinen Lidern, zwang sie hoch, während er sich wehrte und der Welt nicht ins Angesicht schauen wollte. Doch dann war es zu spät und die Sonne traf ihn, blendete ihn. In der Entfernung sah er Math, der ihn anstarrte, anstarrte, als ob gerade ein Wunder geschehen wäre. Verwirrt schaute er an sich hinunter, entdeckte sein halb geöffnetes Hemd in dem das Tattoo unbeschädigt strahlte und das jetzt mit goldenen Ranken verziert war. Im gleichen Augenblick fühlte er etwas aufkeimen. Langsam, ganz langsam, wanderte sein Blick weiter, weiter bis er etwas Blaues sah. Schnell zuckte sein Kopf wieder weg, voller Angst, blieb mitten in der Bewegung hängen. „Mar…kus?“ Das Flüstern trieb ihm die Tränen in die Augen, zerbrach das letzte bisschen an Zurückhaltung, das letzte, was er sich bewahrt hatte. Wärme erfüllte seinen ganzen Körper, befreite ihn. Er sprang hoch, stürzte vorwärts, schlang seine Arme gleich um das Wesen. Fest, immer stärker, drückte er zu, wollte nicht los lassen und ignorierte den stechenden Schmerz dabei. „Geh nicht…“, flehte er, presste sich immer stärker heran an den warmen Körper, an den wieder vollständigen Körper seines Jins, zitterte. „Was habe ich dir nur angetan? Sie hatte Recht…und ich kann nicht mehr gehen, ich werde nicht mehr gehen…“, hauchte ihm sein Dschinn ins Ohr, strich mit seinen sanften Händen über seine Haare, küsste seinen Kopf. Finger wischten seine Tränen ab, während er nur zitterte, die verbrannte Hand auf der Seite hinunter hängen ließ und das Tropfen von dort ignorierte. Die Qual in seinem anderen Arm nahm zu, raste hoch, bis Schwindel ihn erfasste. Langsam spürte er, wie etwas an seinem Verstand zog, die Schmerzen zu groß wurden und schaute noch einmal hoch. Er verkrallte die Finger seiner gebrochenen, pochenden Hand in der Kleidung seines Dschinns, seines unversehrten Dschinns, zuckte zusammen Er starrte noch einmal hoch und lächelte. Und dann wurde es schwarz… Ein Windhauch strich über seinen Kopf, weckte ihn auf. Langsam tröpfelte Realität in seinen Verstand, brachte die Wärme auf seine Haut und hinein in sein Bewusstsein. Er regte sich, der Kopf leer. „Hm…“ Das Geräusch schien von ihm zu kommen, aus seiner trockenen Kehle, während er sich langsam streckte und gleich darauf zusammenzuckte. Schmerzen jagten durch seinen ganzen linken Arm, als dieser über das Bett streifte, pulsierte und raste hoch. Mark riss die Augen auf, öffnete den Mund, aus dem nichts kam. Das erste was er dabei sah, war sein Dschinn, dessen Hand über seinem Gesicht schwebte, in seinen Haaren vergraben war, bevor er dahinter Math und ein Mädchen mit blonden Locken erblickte – die, die er von irgendwoher kannte. Genau in dem Moment fiel es ihm ein und tausende Bilder des Kampfes fluteten wieder zurück in sein Bewusstsein, rissen ihn mit sich. Marks Atem stockte. Zitternd streckte er seinen rechten Arm aus, ignorierte die weißen Verbände darum, zuckte zurück, kurz bevor er seinen Dschinn berühren konnte, nur um schließlich die letzten Millimeter doch zurückzulegen. Er berührte Haut. Wärme flutete seine Brust, wohlig und angenehm, beruhigte ihn, bis er sich wieder zurück lehnte. „Sarah?“, stellte er die erste Frage, die ihm in den Sinn kam, die seine Gefühle wieder in einen Tumult warfen und ein Stechen auslöste. Das Kopfschütteln darauf war Antwort genug und Tränen drohten sich zu lösen. Doch die warme, tiefe Stimme, kam ihnen zuvor. „Keine Sorge, sie wird nur die nächste Form annehmen – am Ende ist sie noch immer verflucht.“ „Die Lösung einer Gleichung ist nicht immer das, was man erwartet“, mischte sich jetzt auch plötzlich Math ein, stampfte einmal kurz auf, während das Mädchen neben ihm kicherte. Mark starrte verwirrt in die Richtung und sah jetzt, dass das „Mädchen“ wohl in seinem Alter war, zumindest ungefähr. „Oh, jetzt hast du mich bemerkt…freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, nachdem mir Math schon so viel von dir erzählt hat – wenn auch ein bisschen verschlüsselt“, erklärte sie fröhlich, löste sich von der Wand, an der sie gelehnt hatte und bewegte sich auf ihn zu. Dabei lächelte sie, hopste beschwingt von einem Bein aufs andere und blieb dann abrupt stehen, als sie einen Meter von ihm weg war. „Naja, ich will lieber nicht zu nah. Ich will mich ja nicht zwischen zwei Liebende drängen.“ Mehr als seinen Kopf tief, ganz tief in sein Kissen zu pressen, konnte und wollte er nicht. Er rollte mit den Augen und hoffte auf irgendetwas, nur nicht das. „Bitte nich…“, murmelte er, wurde gleich wieder unterbrochen. „Ach, keine Sorge. Und fangen wir mal mit dem Wichtigsten an: Mein Name ist Mercedes – und nein, ich habe nicht irgendwo einen Stern“, scherzte sie und drehte sich dabei einmal kurz in Richtung Math um, der nur ungerührt zuschaute. „Ach, er hat so wenig Humor außerhalb der Mathematik, aber ich mag ihn.“ „Mag…du mag…magst ihn?“, stotterte er und hob seine linke Hand, die sich etwas zu schwer anfühlte. So bemerkte er den Gips, der eng darum geschlungen war, schüttelte nur den Kopf. „Eine gebrochen, die andere voller Brandwunden. Aber der Bruch wird dank der beiden schnell heilen…und bis dahin werde ich mich um dich kümmern“, erklärte das Flüstern was los war und trieb ihm Röte in die Wangen, als ihm reichlich unpassende Gedanken in den Sinn kamen. „DAS können wir natürlich auch gerne machen…sobald der Besuch weg ist…“ Dschinn schien auch gleich seinen Schwachpunkt entdeckt zu haben. „Oh nei…“, murrte er, bevor er sich besann und seinen Gefühlen nachgab, „nicht jetzt, ich kann nicht, bin zu müde.“ Da meldete sich Mercedes wieder zu Wort. „Naja, entschuldigt, ihr beiden, aber ich will nur noch kurz erklären, dass die…Taube?...sicher irgendwo lebt. Math hatte das so im Gefühl und wenn ein Dschinn aus einem Mathebuch dir das sagt, dann musst du das ja glauben, oder? Oh, und wir haben uns um den Medienwirbel gekümmert. Ihr könnt gerne unsere Arbeit im Fernsehen bewundern.“ Kichernd sprang sie wieder zu Math zurück, der in eine andere Richtung schaute und fast betreten nach hinten wich, als sie sein Fell berührte. Langsam schlang sich ihre Hand um seinen Arm und zog daran, zog ihn in Richtung Ausgang. „Ergebnis braucht Zeit, Herleitung, Induktion, Beweisführung…noch nicht fertig…“ Er sträubte sich, doch sie schüttelte nur den Kopf und zerrte weiter, stemmte sich zu Marks Verwunderung offensichtlich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen. „Nun komm schon Math, ich weiß, dass du hier bleiben willst, aber siehst du die beiden nicht? Und ich will mich ja selber noch anständig bei den beiden bedanken und wir müssen besprechen, wie wir die kleinen Probleme lösen können…“ Gerade als sie die Worte gesagt hatte, fiel sie nach hinten, stolperte, als Math einen Schritt nachgab. Mitten in der Luft fuhr sie herum, sprang auf und landete in einer eigenartigen Verrenkung, bevor sie sich aufrichtete und weitermarschierte, als wäre nichts passiert. „Ballett…und Karate…“, erklärte sie mit einem Lächeln und verschwand mit einem: „Bis später!“ Minuten vergingen, in denen Mark auf den Ausgang starrte und mit zusammengekniffenen Augenbrauen unfähig war, sich zu rühren. Schließlich schüttelte er den Kopf und wandte sich an Jin, seinen Jin. „Sag mal, dass war jetzt nicht, was ich denke, oder?“, fragte er und musste nicht lange warten. Jin strich über seine Haare, ein zufriedenes Lächeln im Gesicht, ein Lächeln, das so weit von einem schelmischen Grinsen entfernt war wie der Himmel von der Hölle. „Also ich weiß nicht, was genau du denkst, aber doch, ich glaube die beiden mögen sich recht gerne.“ „Nicht ernsthaft, oder?“ Mark setzte sich auf, lehnte sich gegen die weißen Kissen in der klinischen Umgebung, die er erst jetzt so richtig betrachtete. Das einzige, was an dem Zimmer herausragend war – außer seinem Jin – war der Fernseher, der überdimensional groß von der Decke baumelte. „Und ich bin nicht wirklich im Krankenhaus, oder?“ „Scheint, als hätten wir wohl beide mehr Einsichtsfähigkeit gewonnen. Naja, mit einem gebrochenen Arm und einem anderen mit schwersten Verbrennungen, blieb uns nichts anderes übrig…trotz der Intervention dieses Turteltaubenpaares“, erklärte Jin jetzt grinsend und strich scheinbar gedankenverloren ganz sanft über Marks rechten Arm. „Was?“ Die Frage schlich sich unbemerkt über seine Lippen. Doch anstatt einer Antwort, schaltete sich der Fernseher plötzlich ein. Kurz war nur Schwärze, bevor ein Bild aufflammte – ein Bild, das ihn erstarren ließ. „…an dem ein kleiner Meteorit vom Himmel stürzte und fast eine Katastrophe ausgelöst hätte.“ Die Reporterin, die das sagte, die das vor der Kulisse an der Marks Alpträume in Erfüllung gegangen waren, sagte, deutete auf die Stelle, an der Duran verschwunden und seine Kugel explodiert war. „Nur dank des beherzten Eingreifens eines jungen, unbekannten Mannes, wurde das Schlimmste verhindert. Durch sein lautes Schreien wurden die hier anwesenden Menschen vertrieben, aber leider hat sich dieser unbekannte Held nicht mehr gemeldet und ist verschwunden. Nach Zeugenaussagen hatte er schwarze Haare mit eigenartigen blauen Strähnen, während alle anderen Details wohl durch den Schock untergingen. Damit schließe ich…“ Der Rest ging für Mark in seinem aufgeregten Schnappen nach Luft unter. „Das ist doch nicht…das ist doch nicht…das ist doch…“ Er war gefangen in einer Schleife, kam nicht heraus und starrte nur auf den jetzt stummen Fernseher, in dem die ganze Umgebung noch einmal gezeigt wurde, schaute schnell weg, als es ihm die Brust zuschnürte. Etwas packte ihn, drückte, umarmte ihn. Plötzlich sah er wieder ein Flimmern und Schwärze kehrte ein. „Doch…leider. Aber wenigstens kann sich keiner mehr an uns erinnern. Das dürfte das Leben leichter machen, besonders nachdem ich ein kurzes Gespräch mit Barbara hatte und ihr erklärte, wie sehr Julius dir zu schaffen macht. Ich glaube er wird im Moment etwas zu kämpfen haben – mit dem Haushalt und einer anständigen Gehirnwäsche, die Barbara gerne durchführt“, flüsterte ihm sein Dschinn ins Ohr, strich beruhigend über seinen Rücken, bis sich das Zittern legte und er sich fallen ließ. „Alles ist endlich gut. Duran ist tot, in Flammen aufgegangen und in der Dschinnwelt sicher vergangen wie alle, die dort zu einem Element zerfallen. Und Barbara wird dafür sorgen, dass uns Julius in Zukunft in Ruhe lässt und seine Einstellung überdenken muss. Und ich werde mich um dich kümmern…ich werde…“ Bei den Worten zuckte Mark zusammen, versteifte sich. „Ich bin kein Mädchen, ich bin kein schutzbedürftiges Mädchen…“, murrte er und versuchte sich mit seinen Ellbogen wegzudrücken. „Nein, du bist sicher kein Mädchen“, hauchte sein Dschinn schon mehr in sein Ohr als das er es sagte, streifte mit seinen Fingern immer tiefer hinunter, immer tiefer dorthin, wo gerade etwas erwachte, „und selbst Mädchen sind nicht nur schutzbedürftig. Aber du bist stark, du bist mein Retter…und ich werde dir dafür bis in alle Ewigkeit danken…“ Damit hob etwas sein Kinn hoch, ein blaues Band, zwang ihn dazu in die goldenen Augen zu starren, in denen er sich widerspiegelte. Näher, immer näher zog es ihn heran, bis er sich nach vorne lehnte und die Lippen berührte. Es war, als würde seine Welt in dem Moment wieder erstehen, so völlig in sich aufgehen. Kribbeln raste durch seine weiche Haut, erfüllte jede Pore und brachte seinen Körper dazu, jede Kraft zu verlieren. Pochen erwachte weiter unten, glühte auf und nahm seinen Verstand in Besitz, bis er sich mit Mühe noch einmal löste und unzufrieden seufzte. Der Drang wieder zurückzukehren, weiter zu machen, war zu stark und verlangte nach Ablenkung. „Und jetzt?“, fragte er schließlich. „Jetzt wird alles gut, egal was kommt...“ Kapitel 27: Der Himmel, die Hölle, oder so ähnlich -------------------------------------------------- Der Himmel, die Hölle, oder so ähnlich Mark murrte und starrte auf das Glas Wasser in seiner rechten Hand, nur durch einen weißen Verband von der viel zu dunklen Haut getrennt. Sie zitterte, drohte immer wieder zu fallen und das fragile Gefäß in seinen Händen abstürzen zu lassen. Immer wieder zuckte Schmerz durch seinen ganzen Arm, obwohl er vor kurzem Mittel genommen hatte. So schnell wie möglich versuchte er es wieder auf den Tisch neben seinem Bett zu führen. Mehr als „Scheiße, wo ist dieser Dschinn, wenn man ihn braucht?“ konnte er nicht mehr sagen, bevor es zwischen seinen Fingern hindurch rutschte. Klirrend krachte es nur Zentimeter weit hinunter auf die Platte, fiel um und verschüttete so den Inhalt. Das Wasser ergoss sich in einem kleinen Schwall über das Holz, während einige Tropfen davon stoben und direkt auf seinen Verband spritzten. „Scheiße, verdammt…“, murrte er weiter und verdrehte die Augen, bis etwas in seinem Blickwinkel Alarm auslöste. Schnell fuhr er mit seiner linken Hand, schwer vom Gips, zum Tisch, um das Glas gerade noch vor dem Absturz zu retten. Er stieß Atem aus, den er wohl angehalten hatte und bugsierte das Gefäß ungelenk an eine sichere Stelle, bis er das sperrige Ding endlich beinahe aufgerichtet hatte. „Oh, störe ich?“ Mark fuhr um, hörte im nächsten Moment ein Klirren und seufzte nur noch. „Ja.“ Genervt starrte er Mercedes an, hinter der Math mit einem fast sichtbaren Schmunzeln stand. Ihre Finger schienen sich immer wieder in die Nähe des Dschinns zu bewegen, nur um dann nach einem kurzen Streifen über die Haare, wieder davon zu schwingen. Sie ließ sich dabei offensichtlich nicht von seiner Stimmung anstecken, sondern hüpfte Sekunden später ein wenig vorwärts, nur um dann lächelnd stehen zu bleiben. Ein kurzer Blick hinunter zu den Scherben war alles, was sie kurz ins Wanken brachte. Darauf sagte sie voller Inbrunst und Überzeugung: „Stimmt nicht wirklich. Du bist hier ganz allein im Krankenhaus und dein Dschinn ist nicht da. Und wenn ich schon die Gelegenheit für fünf Minuten habe – in denen er dich nicht bewacht – dann will ich sie auch nutzen. Nicht wahr, Math?“ Sie drehte sich um und strahlte den halben Stier an wie ein ganz normales Wesen. „Hm. Wenn du Topologie untersuchen willst, dann musst du alle Eigenschaften begründen, herleiten. Kennst du sie, dann kennst du die Gründe. Gleichungen finden so ihre Lösung…“ Mark kratzte sich bei den Worten auf dem Kopf und blinzelte nur hilflos. „Keine Sorge, so redet er immer und ich finde das so süß…er ist so herrlich ehrlich und dank ihm verstehe ich die Gleichungen endlich richtig. Eine knuffige Sprache, diese Mathematik und endlich bin ich mir sicher, dass ich das studieren werde…“, erklärte sie beschwingt und schien sich dann zu besinnen. „Oh, ja. Also er hat mir zugestimmt – sozusagen – und wir sind uns einig, dass wir kurz reden müssen. Dein Typhon - wie Math ihn nannte, während er voller Ehrfurcht zitterte - kommt sicher gleich wieder herein.“ „Ich habe aber keine…“, fing er an, nur um von einem: „…Lust? Ich weiß, aber du brauchst Abwechslung von der dunklen Seite der…“, unterbrochen zu werden. Math nickte und lehnte sich an die angrenzende Wand, den Blick immer steif auf Mercedes gerichtet. Auf was genau, wollte Mark am liebsten nicht wissen. „Also, machen wir es schnell, weil ich nicht mehr da sein will, wenn DAS losgeht, was ich vermute.“ Die Worte rasselten nur so aus ihrem Mund. „Also, ich hatte inzwischen das Vergnügen mich mit Barbara zu unterhalten, obwohl das Vergnügen zeitweise durch die ‚Kopf ab‘-Tante deutlich geschmälert wurde. Ich glaube mein Wunsch hat sie ein wenig zum Poltergeist gemacht“, erklärte sie und kicherte. Sein Mund stand dabei so weit offen, dass er den Luftzug spürte. „Jaja, ich weiß, das hättest du sicher gerne gemacht, aber ich war eben schneller. Naja, auf jeden Fall war sie noch entschlossener, Julius an der Leine zu halten, worauf ich beschloss, dass du deinen Dschinn an der Leine halten solltest. Du weißt schon, damit es nicht Mord und Totschlag gibt…“ Dass sie bei dem Satz noch immer kichern konnte, überstieg Marks Vorstellungskraft. Dabei tat sie es herzhaft und zuckte immer wieder in Maths Richtung, als ob sie dorthin flüchten wollte. „Oh, und ich werde vielleicht mit dir auf eine Uni gehen. Natürlich werde ich dich nicht stören…keine Sorge. Privatsphäre ist ja so toll, besonders mit Math. Aber nicht neidisch auf mich werden, Math gehört nur mir…“, schwärmte sie am Ende überglücklich. Er brach in wildes Stottern aus. „Was? Wieso sollte ich?…aber ich…ich habe…“ „Was hast du denn? Komm schon. Ich höre zwar manches von dir, aber irgendwie hatte ich mir deutlich mehr erwartet. Sieht so aus, als ob du wohl doch nicht so viel mit deinem Dschinn hast und er frei ist. Ich kenne da eine…“ Bei jedem ihrer Worte fühlte er ein merkwürdiges Stechen, fuhr über sein Tattoo und versuchte das Ziehen zu ignorieren. Bilder stiegen wieder auf, Flammen schienen sich in seinem rechten Arm zu verbreiten mit dem Feuer, dass er vor sich sah, dem Stab in seiner Hand und seinem toten Dschinn vor Augen. Schließlich stampfte er es aus, vernichtete diese Gedanken so gut es ging und fühlte etwas an ihre Stelle treten, das genauso fordernd war, genauso sehr zog. Es brannte. Sein Kopf raste nach oben, seine Augen fixierten sie, sie, die so unbeeindruckt da stand. „Halt den Mund! Ich habe alles für ihn geopfert und ich habe mich freiwillig in das Gefängnis gesetzt, das er für mich gefertigt hat. Ich habe meinen Wunsch geopfert, meinen einzigen Wunsch. Ich kann nicht mehr raus, bin für immer mit ihm zusammen und es macht mir nicht einmal etwas aus. Meine Mutter ist im Irrenhaus und hält mich für krank. Fast alle wollen mich in irgendeine Richtung drängen und jetzt auch noch eine x-beliebige Fremde. Und das, wo ich jede Nacht aufwache und hoffe, dass er noch da ist. Jedes Mal spüre ich dieses merkwürdige, angenehme Gefühl, sehe ihn und lächle wie ein Idiot. Und dann muss ich mir von einer Zoophilistin anhören, dass ich nicht glücklich wäre?“ Er beugte sich immer weiter nach vorne, verkrallte seine Finger halb in der Decke, ließ wieder los und schnaufte. Dabei versuchte er erst gar nicht auf ihren Gesichtsausdruck zu achten, der verkehrt wirkte, und ließ sich weiter von seinen Gefühlen nach vorne peitschen. Seine Zunge kitzelte, raste, als er das nächste sagte. „Verdammte Scheiße und zum Henker noch mal, niemand wird mir Jin wegnehmen, niemand. Er gehört mir, verdammt, mir allein! Ich habe genug durchgemacht um ihn zu behalten und niemand kann ihn so lieben wie ich!“ Genau in dem Moment zeigte sich ein Schatten, eine offene Tür, die ihm erst jetzt bewusst wurden. Röte stieg in seine Wangen, breitete sich über seinen ganzen Körper aus. Alle Versuche sich unter der Bettdecke zu vergraben, alles bis auf seinen Kopf zu verstecken, misslangen im Angesicht dieses goldenen Dämons, der dort thronte. Der zufriedene Ausdruck, der dessen Lippen nicht nur umspielte, sondern einnahm, hätte mit Leichtigkeit alle Pole zum Schmelzen gebracht – zumindest gemessen an der Wärme, die er in Mark auslöste. „Oh Scheiße…“ Das war alles, was er noch heraus brachte. „Du hattest so Recht Math. Ich hasse es zwar so etwas zu tun, aber das war ja richtiggehend süß. Und jetzt ist es das erst recht. Gott, ich hoffe nur, dass du mich Arme beschützt…“ Mercedes hüpfte kichernd zu ihrem Dschinn, umarmte ihn so gut es ging. Math, der Riese, lächelte jetzt endgültig, beugte sich vor und murmelte etwas in ihr Ohr, worauf sie ihre Mundwinkel weiter nach oben zog. „Ja, stimmt. Mark, Sarah wird dir garantiert demnächst über den Weg laufen und alles wird gut. Sagt Math zumindest so halb. Ich glaube das war etwas mit Eiern und schlüpfen. Und jetzt werde ich mich wohl lieber schnell aus dem Staub machen, bevor ich von einer von euch zwei widerspenstigen Naturgewalten davongefegt werde.“ Doch es kam nicht ganz wie sie sagte. Statt dass sie ging, sah Mark sie plötzlich den Boden unter den Füßen verlieren, zwei riesige Arme um sie geschlungen. So merkwürdig hochgehoben, die Beine unter ihr baumelnd, wurde sie laut kichernd aus dem Zimmer getragen, vorbei an Jin, der sie unbehelligt passieren ließ und weiter nur eines beachtete: Ihn. Gerade als die beiden Nervensägen aus seinem Blickfeld verschwanden, bewegte sich schließlich Typhon. Hinter ihm knallte die Tür zu, etwas klickte und mit eleganten Schritten schwebte sein Dschinn auf ihn zu. Das Sakko war nicht zugeknöpft, das Hemd darunter halb geöffnet und darüber ein blauer Schal, der ihn dank diverser Bewegungen verdächtig an die Bänder erinnerte. Obwohl er versuchte den Pferdeschwanz anzustarren, dachte er immer wieder an andere Dinge, dachte langsam mit dem Ort, der scheinbar sein zweites Gehirn war. „Mein Paradies…“ Mark schreckte hoch, erkannte, dass Jin ihn beobachtete und anlächelte. Eine Hand streckte sich ihm entgegen, Finger tasteten vorsichtig auf seine Wange, fuhren dort entlang, bevor sie zurück zuckten und so eine Spur der Sehnsucht hinterließen. Wärme kribbelte nach und machte ihm erst da bewusst, was ihm fehlte. Selbstvergessen fuhr er mit seinen eigenen Fingern über die Stelle, an der sich nichts tat. Nur dumpfe Erinnerungen stiegen hoch, weckten ein Bedürfnis nach Nähe, in dessen Wogen er sich seinem Typhon entgegen lehnte. „Alles für dich, mein Paradies. Wenn du es wünschst, werde ich weiter nichts gehört haben, auch wenn die ganze Welt es weiß“, stichelte sein Dschinn halb und riss ihn damit aus seiner Trance. Bevor er noch ein Wort sagen konnte, blieb es in seinem Hals stecken, blieb angesichts dessen vergessen, der da vor ihm saß. Wieder und wieder sah er die Bilder vor sich, die Momente, in denen er zerfallen war und starb. Zähne bohrten sich in seine Lippen, förderten einen metallischen Geschmack hervor, bis eine Hand auf seiner Schulter ihn stoppte. „Du brauchst…es ist egal, solange du nicht wieder gehst. Ich habe schon alles durch dich und für dich verloren. Ich weiß nicht, was ich tun soll…“ Verloren stammelte er, unterdrückte die dumpfe Angst mit Mühe, bis das allbekannte Lächeln wieder vor ihm erschien. „Mein Markus, so kenne ich dich gar nicht – aber keine Sorge, ich werde dich nie wieder verlassen.“ Finger strichen dabei über seine Haut, immer näher hinauf zu seinen Augen, aus denen heraus die Welt verschwommen wirkte. Tränen drohten jeden Moment zu fallen. „Selbst wenn ich es je gewollt hätte, kann ich es nicht mehr, wenn ich der mysteriösen Stimme glauben soll, die ich nicht zuordnen kann. Wie konnte sie mir nur zuflüstern, dass du mein Retter wärst und all das andere? Was hast du mit ihr gemacht?“, fragte sein Dschinn und klang dabei mit einem Mal merkwürdig angreifbar, fast eifersüchtig. Mark schaute auf, sein Kopf leer und von einem furchtbaren Drücken erfüllt. Stille herrschte. Irgendwann konnte er nicht mehr. Die erste Träne fiel, als er anfing zu sprechen: „Du warst tot, bist zerfallen und ich konnte nicht mehr. Es war, als ob meine ganze Welt zerfallen wäre und eine Leere sie ersetzt hätte. Und dann war plötzlich sie da. Nichts, nur sie und du warst noch immer nur ein einziger goldener Ring. Nur noch ein Stück wie dein Auge, das war alles. Ich hatte Schmerzen, doch nichts war so...so wie der Gedanke, dass du…dass du weg wärst. Ich weiß nicht warum, aber es tat weh und sie hat mir gesagt, dass ich einen Wunsch hätte, egal welchen. Sie hat mich vor dir gewarnt, gesagt, dass sie mir Besseres wünscht, aber ich…ich brauche dich irgendwie. Du hast mich hierher gezerrt, hast mich auf die andere Seite gezerrt, bis ich unfähig geworden bin, mir ein Leben ohne dich vorzustellen. Schon vorher…ich weiß nicht wieso, aber…es ist egal.“ Er stotterte, verlor den Faden und sah die Tränen auf die Bettdecke tropfen, fühlte dabei die beruhigende Hand, die über seinen Kopf strich. Dabei hasste er sich für seine Schwäche, freute sich im gleichen Moment irgendwo tief in sich darüber, weil es ihm diese Aufmerksamkeit brachte. Und mit jedem Wort fühlte er sich freier, musste weiterreden. „Es war nichts da. Sie hat mir nur erzählt, dass Sarah bei ihrer nächsten Inkarnation die Erlösung finden würde. Sie hat dich zurückgebracht und das für einen lächerlichen Wunsch, nur dafür, dass sie wieder in ihre Heimat, ihr ‚Paradies‘ zurück konnte. Sie hat dich an mich gebunden und ich habe dich wieder. Sie hat …“ „Nein, du hast mich zurückgebracht, nur du allein. Du warst meine Wahl und du warst die beste, die ich je getroffen habe. Und du allein wirst mich für immer haben, selbst wenn ich dafür jeden töten müsste. Endlich habe ich die Bedeutung meines Paradieses gefunden und nichts wird sich zwischen mich und dich stellen. Jeder wird einen Versuch uns zu trennen bitter bereuen und tausendfach dafür bezahlen. Und jetzt vergiss alles, was an diesem verfluchten Tag geschehen ist...“ Jin hob die Decke, strich sie nach unten, fuhr dann über Marks einbandagierte, halb verbrannte Hand. „Und wünsch dir endlich, dass ich diese Verletzungen heile…“ „Nein…Wünsche sind so kostbar. Nur weil ich mir das Falsche gewünscht habe, bist du fast gestorben…“, beharrte Mark und versuchte vergebens die Bilder hinunter zu schlucken. „Nein, es ist nicht deine Schuld. Du hast das vollbracht, was bisher keiner schaffte: Du hast einen unsterblichen Dschinn-Jäger getötet. Aber du bist auch mein Markus und deine Belohnung steht noch offen.“ Jin klang plötzlich wieder wie immer, mit einem rauen, einem sanft verführerischen Ton. Dabei wurde ihm ganz anders, sein Magen drehte sich wohlig hin und her, sprang hoffentlich ob des Lobes und nicht wegen dem Gefühl, dass weiter unten widerhallte und etwas tief vergrabenes nur noch stärker ins Leben rief. Doch eigentlich entsprang alles derselben Quelle. Sie verdrängte die Erinnerungen so absolut, dass er sie mit Freuden akzeptieren konnte. „Weißt du…“, fing er schließlich an und lächelte, „dass du gerade überromantisch bist? Dass ich meinen Verstand endgültig verloren habe? Und dass es mich nicht stört, weil ich dich wirklich liebe?“ In dem Moment brachen alle Dämme. Mit dem gleichen breiten Lächeln auf den Lippen fühlte er die Tränen über seine Wangen streifen, sah sie durch die Luft segeln und sanft auf dem Bett landen. Sein Blick folgte nicht, denn er war zu beschäftigt, seinen Dschinn anzustarren und mit seinen Füßen die Decke weg zu treten. Als er sich schließlich befreit hatte, streckte er die Arme aus, ignorierte die Schmerzen. „Und wenn ich schon verrückt bin, dann kann ich die Belohnung doch einfordern, oder?“ Wie von Zauberhand verschwanden bei den Worten Dschinns Kleider, lösten sich in Luft auf, bis nur noch seine blauen Bänder als schlängelnder Schal übrig blieben. Seine eigene flatternde Krankenhauskluft flog über seinen Kopf, getragen von den wehenden Stoffbahnen. Mark starrte, fühlte die Wärme seines Jins, die Kälte der Luft, die ihn dorthin trieb. Alles verlangte danach, sein eigenes Glied fing an wild zu zittern, als er das seines Partners erblickte und das in Richtung horizontale strebte. Ohne nachzudenken schossen seine Hände nach vorne, versuchten sich um den Arm seines Dschinns zu legen, bis die Schmerzen ihn durchzuckten. Er biss die Zähne zusammen, presste die Lippen aufeinander. Alle Freude verebbte, ging wieder unter, bis er sich löste und mit zusammengekniffenen Augen ein „Entschuldige…“, murmelte. Doch damit war das Ende nicht da. Typhon lächelte weiter, während eines seiner Bänder sich löste und zur Seite davon schlängelte. Sekunden später spürte er etwas merkwürdig Bekanntes, schaute schließlich hoch, als es sich um seine Ellbogen legte. Genau dort erblickte er seine zwei Gürtel – beide unversehrt. „Mercedes war so frei mir einen Wunsch zu überlassen. Und wie ich sehe, macht es sich schon jetzt bezahlt, mein Paradies. Denn ich werde nicht zulassen, dass du verletzt wirst, auch nicht durch dich selbst – außer natürlich ich bin es, um dir eine Freude zu machen.“ Als Mark das hörte, rollte er mit den Augen, grinste dabei aber und fühlte sich so wohl und entspannt, wie lange nicht mehr. Es war wie immer, nur, dass er keinen Kommentar darauf fand. Die beiden Gürtel drückten ihn sanft nach unten, hinunter auf das Bett, wo sie sich gerade so weit um seine Arme schlangen, dass sie keine schmerzende Stelle berührten. Lange konnte er nicht beachten, denn Jin schlich sich über ihn, thronte wie ein halber Gott dort. Seine Haare waren jetzt offen, kitzelten seine Haut, während etwas ganz anderes ihn um Beben brachte. Eine Zunge schlich über seinen Bauch, immer weiter hinunter. So quälend war sie, dass er seine Arme zu bewegen versuchte, sie hoch zu strecken suchte, doch sofort von den Fesseln gestoppt wurde, die ihm jede Bewegungsfreiheit nahmen. Er bemühte sich seinen Verstand wieder zu sammeln, murrte: „Nein, nicht so…“ Und alles stoppte in dem Moment. Goldene Augen schauten ihn fragend an, zauberten dieses merkwürdige Drücken und Flattern in seinen Bauch, während sein Glied schmerzhaft verlangte. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg, rang sich schließlich zu einem: „Ich möchte nicht…wenn, dann schnell…jetzt“, durch und biss sich gleich darauf auf seine Zunge. In dem Moment war er sich so fremd wie nie zuvor und doch bekannt. Er fühlte sich so eigenartig, sein Kopf war leer und nichts anderes da. Nur noch ein dumpfes Treiben blieb übrig. Bevor er noch lange nachdenken konnte, fühlte er etwas auf seiner Hüfte, nahm wahr, wie es sich den Weg so schnell bahnte, dass ihm schwindlig wurde. Seine Welt drehte sich, fing sich immer wieder in kurzem Knistern, bis etwas an die Stelle gelangte, die er nicht beachtete hatte. Wie auf Kommando zuckte sie zusammen, entspannte sich wieder und zog in diesem ewigen Kreislauf von auf und ab. Sein Atem kam durcheinander, folgte dem Takt, den die Stelle vorgab.brachte seinen Atem durcheinander, als etwas darüber strich. Sekunden blieb er wie gelähmt liegen, starr und steif, bis er etwas bekanntes, einen Finger dort eindringen fühlte. Es war zu schnell, zu eigenartig, so wie nie zuvor und doch etwas, das ihm so viel versprach. Verzweifelt versuchte er sich dagegen zu stemmen, zu entkommen, kämpfte mit sich, obwohl er in Wahrheit nachgab und genoss. Seine Haut kribbelte an jeder Stelle, war viel zu warm und heiß, während sein Glied anfing immer lauter zu pochen und seinen ganzen Verstand in einen Wirbel zu ziehen. Tiefer und tiefer in den Untergrund verschwand er, hinterließ eine Leere, die nur von dem Verlangen gefüllt wurde und alles immer weiter nach unten verschob. Vorahnungen wallten auf, verstärkten alles nur noch in einem Taumel, ließen die Dinge in ihm passieren, bevor sie es taten. Vor ihm war immer das Bild seines Dschinns, in sich versunken und so glücklich. Lust war alles was er noch sah, durchsetzt mit etwas sanftem, das die Glut in ihm entfachte und nicht mehr abkühlen lassen wollte. Sein Jin beachtete nur ihn, war sein und erweckte die Begierde ihn zu berühren, durch die Haare zu streichen, ihn zu küssen. So kämpfte er immer wieder gegen die Gefangenschaft an, hob seinen Kopf, seine Schultern, um gleich wieder zurückgerissen zu werden, bis er schließlich knurrte. Mit glühenden Wangen biss er sich auf die Lippen, hielt das Flehen zurück, das sonst entkommen wäre. Verzweifelt überlegte er. Doch alles war zu schwer, alles halb taub und ohne Wahl ließ er seinen Kopf auf den Polster fallen. Dabei krachten seine Zähne aufeinander, gingen in ein Klappern über, das nur von dem Stöhnen übertönt wurde, das er nicht unterdrücken konnte. Worte, die er seinem Geliebten entgegen schleudern wollte, flossen aus seinem Mund und klangen zwischen den knirschenden Geräuschen merkwürdig sanft. Wieder und wieder wurde er mit wunderbarem Streicheln, das ihn fast in den Wahnsinn trieb, belohnt, gequält. Es nahm einfach kein Ende. Jedes Mal, wenn er zitterte, wenn etwas in ihm anfing zu glühen und er etwas zu sehen glaubte, starb die Wonne viel zu schnell wieder, abgefangen vor dem Wunderbaren. Die Berührungen waren tief, waren fest und doch viel zu unerfüllend. Alles war zu vernachlässigt, während ihn der Instinkt weiter treib. Wieder und wieder hob er seine Hüfte, versuchte sein schmerzendes Glied näher an den einen Körper zu bringen, etwas zu bekommen, aber jedes Mal, wenn in seinem Inneren dieser Punkt getroffen wurde, verließ ihn jede Kraft nur um doch im selben Moment noch da zu sein. Er stöhnte, wusste nicht mehr ein und aus, Minuten zu lang, Sekunden quälend, während er nur mehr wollte. Alles kribbelte, kratzte und er war unfähig sich zu helfen. „Jetzt, zum Henker“, verlangte er schließlich, als er nicht mehr konnte. Das zufriedene Grinsen wäre einen Kommentar wert gewesen, wenn er nicht etwas anderes gefühlt hätte. Im nächsten Augenblick gingen alle Sorgen in einem stechenden Schmerz, einem Dehnen ohne jede Rücksicht, unter. Seine Zähne prallten aufeinander, sein Rücken presste er gegen das Bett; verzweifelt versuchte er seine Finger zu schließen. Doch es war umsonst. Seine Beine verloren plötzlich jeden Halt, landeten auf Schultern und ließen ihn so hilflos schwebend zurück, während etwas schnell den Kontakt zu seinem Rücken wieder herstellte und ihn auf weichen Polstern bettete. Gleich darauf ging alles in einem Blitzen, in einer Welle aus Vorahnung unter, die zu einem Sturm der Hitze wurde. Er fegte, nur um gleich wieder in einem leisen Glimmen zu enden, in einem Verlangen nach mehr, nach mehr von dieser Fülle, nach mehr von allem. Jin bewegte sich, bewegte sich so tief in ihn, so schnell, dass er kurz den Schwindel fühlte, dieses allumfassende, das sich in ihm ausbreitete und jede Stelle gleichzeitig kitzelte. Fremd und doch so bekannt schlich sich diese tausendfache Elektrizität in jede Zelle, entzündete sie wie ein Feuer. Alles hörte auf zu existieren, ging in einem Blitz unter, der viel zu schnell verebbte. Es, er, bewegte sich in ihm, nahm ihn völlig ein und brachte all die Erinnerungen, die Emotionen wieder hervor, die Mark höher trugen, ihn erschauern ließen, kurz bevor es hinein glitt, so tief, dorthin. Sein ganzes Wesen war nur noch konzentriert auf seinen Unterkörper, hörte auf etwas anderes wahr zu nehmen und diente nur noch einem Zweck: Ihn dorthin zu bringen, diese Sehnsucht nach Erfüllung zu stillen. Wieder bäumte er sich auf, spürte es. Etwas bahnte sich viel zu schnell den Weg von seiner Erregung in jede Faser, brachte sein Glied zum Pochen, dazu fast zu explodieren, während sich tief in seinem Innersten sein ganzes Wesen entzündete. Voller Freude sprangen seine Zellen. Jede Ader, jede Pore ging in einem Wind unter, der das Brennen in ihm nur weiter anfachte. Und dann brach plötzlich Leere über ihn herein, breitete sich Stück für Stück schmerzhaft aus. Es war ein Fehlen dieser Existenz, dieser Anwesenheit, die ihn so erfüllte. Verzweifelt hob er seine Hüfte, versuchte sich entgegen seiner Fesseln nach vorne zu bewegen, wieder hin zu dem, was gerade aus ihm wich. Sein Verstand rebellierte, kämpfte sich dabei hoch und wurde doch rasend schnell von diesem bebenden Verlangen, diesem Drängen, das ihn nur vorwärts ließ, wieder zurückgeschlagen. Entschlossen biss er die Zähne zusammen, ignorierte den Widerstand und kämpfte sich vor, drückte sich dem wohligen Gefühl, dem pochenden Leben entgegen, das gerade wieder in ihn glitt, ihn erfüllte. Ein Lächeln formte sich auf seinen Lippen, er jauchzte auf, als eine Stelle glühte und er in einem Wirbel unterging. Vor seinen Augen breitete sich ein Nebel aus, ein Schleier, den er nicht sehen konnte, ein Kribbeln, das ihn einnahm. Taubheit beherrschte seinen Körper, während alles nur existierte, einem Höhepunkt entgegenfieberte und mit jedem Stoß, mit jeder seiner Bemühungen weiter zum Leben erwachte. Doch dann wich alles wieder, ließ ihn bebend, viel zu hoch zurück, bis alles von neuem begann wie in einer Spirale. Wieder und wieder fühlte er das pochende Leben ihn ihm, spürte wie es sich in ihn drängte, ihn an jeder Stelle reizte und sein Glied zu einem einzigen Drücken machte, bis er es kaum noch aushielt. Er rieb sich hilflos, so gut es ging, an dem wunderbaren Bauch, hauchte, stöhnte und drängte. Jedes Mal wenn er: „Jetzt, du verdammter Perverser“, sagte, riss er seinen Kopf zurück, belohnt, bestraft dafür mit einem Drehen seiner Hüften. Tiefer, immer tiefer und an immer anderen Stellen riss es seinen Verstand, den Zusammenhalt seines Körpers, auf. Lächeln nahm er irgendwo in einer Ecke wahr, grummelte, nur um wieder unterzugehen, als der Schock ihn neuerlich übermannte. Am Ende konnte er nicht mehr, seine Erregung schmerzhaft deutlich und nicht mehr zu ignorieren. „Bitte…“, flüsterte er, starrte so gut es ging seinen Dschinn an und strich mit seiner Zunge über seine Lippen. Das war alles, was es brauchte. Im nächsten Moment ging seine Welt in einem brutalen Stoß unter. Er trieb ihn nach hinten, entfachte die schwelende Glut erneut ihn ihm. Alles versank, versank in einem schmerzhaften Pochen, das aufwallte und sich nach vorne kämpfte. Es ergoss sich, schlug im gleichen Moment in ein Gefühl der Erlösung um, das nach hinten raste und seinen ganzen Körper einnahm. Jeder Muskel versteifte sich, unfähig sinnvoll zu sein. Nur einem gelang es, hielt mit Brutalität drinnen, was er nicht mehr missen wollte, was er nicht konnte. Seine Lider flatterten, sein Mund öffnete sich und er fühlte warme Lippen, die beinahe schmerzten, während er in Seligkeit unterging und nichts mehr wusste. Etwas berührte ihn, fuhr über seine Zunge, nahm sie in Besitz und spielte, aber er konnte nicht mehr reagieren, gefangen in den Bewegungen, die er machen musste, die ihn immer höher trieben. Und dann wich jedes Gefühl für eine Sekunde. Etwas erfüllte ihn vollends, floss gleichsam einem sanften Wind, einem Strom, in ihn und mit einem Schlag war er dort. Seine Welt ging unter in Nichts, in purem Nichts das einfach da war und nur seinen Jin zurückließ. Ein unbeschreiblicher Zustand, so wunderbar, dass er nicht mehr wegwollte, seinen Hände um das einzige da schlingen musste – doch vergeblich. Tumbe zerrte er, wusste nicht, wieso er zurückgehalten wurde und seufzte schließlich, als ihm der Grund irgendwie einfiel. Flehend schaute er auf, nur um seinen Dschinn selbst entrückt zu sehen. Sanfte Bewegungen ließen die goldenen Haare schwingen, über Marks Haut streifen, während sein Partner mit glühenden Augen nur ihn fixierte. Zufrieden ließ er sich wieder fallen, ließ sich in seine Welt fallen und sich gehen. Einen Moment genoss er, was er hatte, ohne zu denken. Schweben, Fliegen, konnte nicht schöner sein und nichts war vergleichbar mit dem jetzt verebbenden Gefühl, dass er schon jetzt vermisste. Noch ein letzter Blick auf seinen Jin, nur auf ihn, und er konnte nicht mehr anders. „Ich liebe dich wirklich…“, gestand er sich ein und spürte, wie etwas anderes in ihm glomm. Verwundern war seine Belohnung, während er einfach nur lächelte und es genoss, bis er etwas hörte: „Ich liebe dich, mein Paradies.“ Damit endete alles. Sein Typhon glitt aus ihm, nahm diese Wärme, diese Geborgenheit mit sich, nur um ihn gleich darauf hochzuheben. Die Fesseln lösten ihren Griff, blieben über seinen Armen und streichelten wie sanft darüber. Im nächsten Moment fiel etwas, schlang sich um seinen Hals und kitzelte. Verwirrt wanderten seine Finger darüber, über Leder, Steine und Metall und er schnaufte. Doch lange darüber nachzudenken blieb ihm nicht, denn in nächsten Augenblick hob ihn sein Dschinn, schlang seine Arme um ihn und ließ sich neben ihn fallen. Eine Drehung und er hatte seinen Jin im Blick. Ein beruhigendes Streicheln über seinen Rücken war dabei allgegenwärtig. Kopfnickend deutete er gefangen in der Umarmung nach unten und murrte: „Kannst du dieses Halsband abmachen…bitte…?“, doch das Lächeln verriet nichts Gutes. „Lass deinem kleinen Gefährten doch die Freude. Und mein Zeichen sieht doch auch ganz nett aus, mein Paradies…“, hauchte ihm sein Dschinn zu allem Überfluss ins Ohr und brachte ihn zum Schaudern, seinen ganzen Körper in Aufregung. Die dumpfe Freude, die noch durch ihn pulsierte, erwachte und rann in seine Brust, huschte ein kurzes, verspieltes Lächeln über seine Lippen. „Nein, lass das. Ich will das Halsband nicht, ich bin kein Hund!“, regte er sich auf und ließ sich schon halb sinken, nur um noch: „Perverser“, nachzusetzen. „Was immer du meinst, mein Geliebter. Aber dein Halsband ist auch nur ein Lebewesen und will Auslauf, also lass es ihm doch für ein paar Momente. Deine Handgelenke sind ja jetzt tabu für das arme Wesen…“ Jin brachte diese Worte fast ernsthaft hinüber, wäre beinahe glaubhaft gewesen, wenn er dabei nicht so glücklich gegrinst hätte. „Perverser.“ Das war alles was er herausbrachte. Langsam kamen ihm die Worte, die er gesagt hatte, die Verrücktheit die er getan hatte, wieder ins Bewusstsein und die Tatsache, dass er sie nicht bereute. Das sanfte Streicheln war wie Balsam, lullte ihn in Richtung Schlaf, während die Umarmung ihm Sicherheit versprach, die er nicht brauchte. „Und ich kann auf mich selbst auf…“ „Ich weiß“, versicherte ihm Jin, „du hast mich ja schließlich gerettet, mein Paradies. Du allein. Aber das ist nicht für deine Sicherheit, sondern für etwas ganz anderes. Schließlich liebst du mich und brauchst hin und wieder Unterhaltung.“ Genau ab da war er wieder hellwach, zumindest fast, und schluckte. „Oh, und ich hatte ein Gespräch mit Charles. So, wie es momentan aussieht, hat er schon Teile seines neuen Buches und fühlt sich wie in einem Schreibwahn. Meine Geschichte hat ihn wohl mehr als inspiriert und er wird sie getreu niederschreiben. Scheinbar war er so begeistert, dass er auch gleich meinem bescheidenen Titelvorschlag zugestimmt hat: ‚Heavel‘. Er erbat meinen Rat und natürlich bat er auch um Erlaubnis. Also, mein Markus, hast du etwas dagegen als Vorlage für Aladin zu dienen?“, fragte sein Dschinn beiläufig und kitzelte ihn jetzt mit einem Fuß am Bein. Mark überlegte nicht lange. „Wird sowieso niemand verlegen oder lesen. Deine Version war doch viel zu anstrengend und anders. Also kann er, wenn er will…mir egal, ich will jetzt nur schlafen. Aber wenn er jemals meinen Namen erwähnt, dann…dann…“ Seine Augen fingen schon an zu flattern, nur mit Mühe hochgehalten. „Wunderbar. Und jetzt zählen nur noch wir…“ Damit löste sein Dschinn die Umarmung zur Hälfte, strich mit seiner Hand über seinen Rücken immer weiter hinauf bis zu seinem Kopf, nur um dort seine Finger in Marks Haaren zu vergraben. Kurz wehrte er sich, bevor er nachgab und sanft in eine Richtung gedrängt wurde, an deren Ende er an einer weichen, harten Schulter landete. Als ob er gewartet hätte, legte sich ein anderer Kopf an seine Seite, über ihm, drapierte sich so auf dem Polster, dass die goldenen Haare sich wie ein Schleier über alles legten. Ein Handgriff und die störenden Strähnen waren weg, nur noch das leise Pochen übrig, dass er zu hören glaubte. Dann drang ein Flüstern an seine Ohren: „Für immer mein Paradies. Für immer, mein Paradies.“ Damit driftete er ab, ein Lächeln auf den Lippen. Epilog: Spiralfühle… -------------------- Epilog: Spiralfühle… Halb in Gedanken versunken starrte er auf das Buch vor sich, versuchte sich trotz des Lärms zu konzentrieren – vergeblich. Die hohen Stimmen drangen immer wieder in sein Ohr, warfen ihn aus den komplizierten Sätzen, die Kant offenbar nicht einfacher hatte formulieren können. Immer wieder stöhnte er. Seine leisen: „Leiser, zum Henker“, wurden einfach ignoriert. Schließlich vergrub er seine Hände in seinen Haaren, zerrte vehement daran und probierte, ob er so seine Ohren irgendwie dezent bedecken könnte. „...wenn du wüsstest, wie gespannt ICH auf den nächsten Band bin. Nafrit ist sooo...hach... unglaublich. Er ist so mysteriös und elegant und...hach...“, schwärmte ein Mädchen neben ihm und zerstörte so all seine Hoffnungen, trieb ihn gleichzeitig dazu mit den Augen zu rollen, seinen Kopf immer näher richtig Tischplatte zu bewegen. „Er ist so...so sexy und so...wow...“, bestätigte ihre Kollegin, traf den Tenor aller, bis er nicht mehr anders konnte. „Klar. Er ist ohne jede Skrupel und nicht mal ein Mensch – kein Wunder, dass er mysteriös ist. Du würdest sicher schreiend davonlaufen, Therese...“, murrte er am Ende und schaute auf, nur um zu seinem Entsetzen zu bemerken, dass alle Aufmerksamkeit plötzlich auf ihn gerichtet war. So ergänzte er noch schnell: „...habe ich zumindest gehört“, und löste seine Hand aus den Haaren, nur um damit auf dem Tisch das Buch immer wieder auf und zu zu klappen. Beleidigte, ungläubige Blicke trafen ihn. „Du hast doch keine Ahnung, du hast keine Ahnung wie toll er ist. Er ist fürsorglich, er liebt Aladin soooo eindeutig und er würde alles für ihn tun.“ Sie kramte kurz in ihrer Tasche und zog etwas heraus, las vor: „'Heavel-Sintwist' ist eines der Bücher, die es noch vermögen, Staunen und Begeisterung auszulösen. Es ist voyeristisch, offenbart alles und behält sich dabei einen tiefen Sinn. Ohne jede Erwartung fing ich an und sah mich in einem Schundroman, bis ich die ersten Seiten überstanden hatte und sich die Genialität offenbarte. Tiefgründig und voller versteckter Botschaften zeigt es uns…“ Da stoppte sie abrupt, seufzte und legte die Zeitschrift zur Seite. „Siehst du, selbst ein Literaturkritiker findet es toll. Und du…hast du das Buch überhaupt gelesen?“ Therese beugte sich nach vorne, bis ihre braunen Haare zur Hälfte auf dem Tisch zu liegen kamen, die Arme vor der Brust verschränkt. Die anderen starrten nur, während Mercedes irgendwo weiter hinten zu deutlich kicherte. Mark starrte sie wütend an, ignorierte den hinter ihr stehenden Riesen, der wie ein Schatten thronte, und überlegte. Das Gefühl, dass Math schmunzelte, auch wenn sich dessen Mund kaum bewegte, wurde er nicht los. „Ich...ich...habe zumindest genug davon gehört“, erklärte er schließlich versucht ernst und schaute bemüht den Springbrunnen an, hinter dem das Universitätsgebäude prangte, nur um gleich wieder das Wasser ins Visier zu nehmen. An den Prunk seines Studienplatzes konnte er sich noch immer nicht gewöhnen, an die alten Gemäuer, die so gepflegt waren, wie nichts, was er zuvor gesehen hatte. „Hm...“, fing Therese an zu reden, „wenn du das Buch nicht gelesen hast, hast du keine Ahnung wie toll er ist. Am Anfang erfährt man doch nichts über ihn und...lies es doch einfach ganz! Es lohnt sich...es gibt auch Kämpfe und ein Mann hat das Buch geschrieben!“ „Ach, lasst doch den armen Markus. Er wird es schon lesen, wenn er will – spätestens, wenn der Film zum Buch ins Kino kommt oder wenn Teil zwei auf dem Markt ist...“, flötete Mercedes von hinten und strich dabei unauffällig mit ihrem Arm nach hinten, bis sie damit durch Maths Fell fuhr. Mark verdrehte dabei seine Augen und versuchte die Gedanken daran, was da passieren könnte und was zwischen den beiden wohl schon passiert sein könnte, schnell zu verdrängen. Doch dann tröpfelte etwas in sein Bewusstsein. Er zuckte zusammen und brüllte: „WAS? Ein Film?“ Jetzt starrten ihn erst recht alle an, die auch nur in der Umgebung saßen, was ihn dazu brachte seinen rechten Arm gegen seine Stirn zu schlagen. Das Klatschen hallte in dem Innenhof der Universität wieder und die Bank unter ihm zitterte von seinen Bewegungen. „Sag mal, willst du uns nicht endlich mal erzählen, wie du zu den Narben auf deinem Arm gekommen bist? Das sieht so brutal aus…“ Eine seiner Kommilitoninnen, Serena, wagte die Frage mit einem leicht gequälten Blick und zeigte gleich noch in die Richtung. „Nein, will ich nicht...und ich werde jetzt zum Lernen...“, murrte Mark und klappte endgültig das Buch zu, wollte aufstehen, nur um von einer Hand auf seiner Schulter abgehalten zu werden. „Ach, komm schon Mark. Jetzt sei nicht so beleidigt – es war nur eine einfache Frage, die uns alle interessiert.“ Es schien, als ob sich inzwischen alle einmischten. Clara, die dritte im Bunde und mit ihren roten Haaren die auffälligste, versuchte ihn so offensichtlich zu beschwichtigen, dass er nur seufzte. Am Schluss, nach langer Pause, sackte er in sich zusammen und murmelte: „Dann lasst mich mit diesen Themen in Ruhe...“ „Na hey, wir wollen dich nur auch in die Welt der wahren Sagen um die Dschinns einführen. Die Welt von Heavel ist so außergewöhnlich, dass du nie wieder von dort wegkommst. Du weißt ja gar nicht, was du verpasst...es ist einfach nur Magie, pure Magie...“, schwärmte Therese ihm vor und strahlte ihn an. Mit einem Griff nach unten förderte sie erst ihre Tasche und dann ein Buch hervor. „Ich borge es dir auch...keine Sorge...oh, und was den Film angeht“, an der Stelle machte sie eine bedeutungsschwangere Pause und blinzelte, schaute sich um, als ob jemand falscher lauschen könnte, „Charles Bond hat verkündet, dass die Filmrechte vergeben wurden und noch besser: Er hat wirklich gesagt, dass er die Namen der beiden, der beiden, die als Vorbilder für die beiden Charaktere im Vorwort genannt wurden, die beiden, denen er so ausdrücklich dankt, preisgibt, wenn der Film einen Oscar gewinnt!“ Damit strahlten die drei Mädchen, als ob sie gerade das schönste der Welt gehört hätten und Mercedes kicherte ohne Unterlass. Wieder und wieder hämmerte er mit seiner Hand gegen seinen Kopf, schüttelte ihn. Plötzlich wandte sich Serena wieder ihm zu. „Deine Hand...bitte verrate uns doch endlich, wo du die Narben her hast. Du bist doch sonst so makellos und aus Barbara war auch herauszubekommen – sie ist ja jetzt auch viel zu beschäftigt mit Julius, ihrem treuen Schoßhündchen, der ihr aufs Wort folgt. Naja, aber sie ist ja jetzt mit ihm am anderen Ende der Welt…wo er wahrscheinlich den Haushalt macht.“ Dabei kicherte sie, bevor sie sich wieder fing und fragte: „Was ist denn an den Gerüchten dran, dass du ein wunderschönes Tattoo besitzt? Wenn du so eine Hand hast...“ Es brodelte, er brodelte. Das alles war endgültig zu viel für ihn. „Ich habe mir die verdammte Hand verbrannt, als ich mit dem Feuer gespielt habe. Feuer...ihr wisst schon, das was so etwas normalerweise auslöst. Und zum Henker, an dieser blöden Geschichte und an ‚Heavel‘ ist nichts magisch, gar nichts. Das ist nur eine Fantasygeschichte, in der die Hauptcharaktere mal schwul sind und es ausleben. Nichts weiter als ein bisschen anders. Und dann feiern alle das Ding wie einen heiligen Gral und sehen tausende versteckte Botschaften. Was findet ihr so toll an dieser...dieser...Gott. Muss sich jeder berufen fühlen und das Teil in den Himmel loben? Und meinetwegen kannst du dir das blöde Buch vergolden lassen, ich habe schon ein halbes Dutzend und Band zwei ist auch nicht besser als eins, besonders weil man andauernd damit genervt wird und nicht mal mehr lernen kann...danke, vielen Dank.“ Ihre Blicke sprachen von Entsetzen, von Unglauben, was ihm recht war. Schnaufend sprang er auf und wollte davon stürmen, nur um von einem kräftigen Windstoß mitten in der Bewegung abgelenkt zu werden. „Ui...“, erklangen die drei Fans einhellig, abgelenkt und fasziniert. Ihm blieb dabei nichts, als weiter mit den Augen zu rollen und die nächste Katastrophe zu sehen. „Dein Adler...du musst uns auch...“ „...erzählen, wie ich zu einem Steinadler gekommen bin?“, ergänzte er und starrte den angesprochenen Vogel, dieses riesige Exemplar in braun mit dem goldenen Blick, wütend an. „Ganz kurz: Bin ich nicht. Sie...“ Er versuchte etwas heraus zu bekommen und murmelte am Ende nur: „Sarah, du...du...“ „Liebenswertes Geschöpf ich? Oh...Mark...us...konnte nicht mehr bleiben sitzen, war zu lustig Unterhaltung. Du und dich aufregen über Buch, das Jin und dich zeigen und das du so genossen haben...zu witzig.“ Bei jedem ihrer Worte glaubte er ein unterschwelliges Kichern zu hören, vergrub einfach nur noch seine Stirn in seinen Händen und rieb in der Hoffnung auf Besserung. Doch – es kam noch schlimmer. Mit einem Schnurren, einem eigenartigen Geräusch, das nur von einem einzigen Auto kommen konnte, drehte sich das Blatt noch weiter zu seinen Ungunsten. Seine Füße bewegten sich schon als Antwort, schlürften weg von der Gruppe, während er sich umsah, um den besten Fluchtweg zu finden. „Ooooooh Gott, oh Gott, genau DAS ist Nafrit. Das ist er, das ist Aladins Geliebter! Mark, bitte, das ist doch nicht dein legendärer Onkel? Er ist noch zu haben, oder? ODER?“ Serena himmelte Jin mit ihren Augen an, mit ihrer ganzen Körpersprache, was in Marks Schläfen ein aggressives Ziehen auslöste. Sie schien kurz davor, los zu kreischen und gaffte seinen Dschinn an. Seine Hände ballten sich, seine Zähne knirschten. „Und selbst wenn nicht: Er muss Nafrit spielen, unbedingt. Frag ihn doch! Bitte! Er ist es, er ist es eindeutig. Nur schade, dass du nicht Aladin entsprichst, aber es wäre ja auch zu eigenartig, wenn du schwul wärst. Du bist viel zu männlich und Aladin ist doch so ein süßer Junge…“, schwärmte Serena, nur um von Therese unterbrochen zu werden.Er verschluckte sich fast an seinem eigenen Speichel, als er das hörte. „Nein, nein. Aladin ist doch kein Weichei – okay, sicher nicht so...gewöhnlich wie Markus, aber er muss männlich sein. Eindeutig männlich...“, beharrte sie, während Clara zustimmend nickte und Mercedes ihren Kopf in Maths Schultern vergrub. Trotzdem konnte man ihr Kichern noch deutlich hören. „Scheiße.“ Das war alles, was Mark noch sagte, als die Katastrophe perfekt wurde. Jin stolzierte mit halb geöffnetem Hemd, dem legeren schwarzen Anzug und den offenen Haaren wie ein griechischer Gott über die Wiese direkt auf ihn zu. Dabei fing er alle Blicke, lenkte sie auf sich, während Mark nur mit den Zähnen knirschte und wütend schnaufte. „Gaffer, blöde Gaffer...“, murrte er und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen, versuchte nicht darauf zu hören was Sarah sagte. Doch als sie: „Eifersüchtig...wie sühüß...“, von sich gab, fühlte er die Röte in seine Wangen steigen. So sehr er auch versuchte mit den Füßen zu scharren, Springbrunnen und anderes in seine Gedanken zu schieben, so wenig brachte es. Also tapste er unauffällig einen Schritt um den anderen zur Seite, bis er schließlich mit etwas kollidierte. Dieses etwas war warm, strich über sein Gesäß, war einem angenehmen Lufthauch gleich. „Oh, scheiße...“ „Jin würde es eher treffen, mein Paradies...“, hauchte ihm sein Dschinn ins Ohr, brachte seinen ganzen Körper dazu zu zittern, zu pochen, sein Blut in einen wilden Wettlauf zu führen. Seine Wangen glühten und irgendwie versuchte er gegen seinen Instinkt, sich nicht an diesen Körper zu lehnen, zu kämpfen. Das „Oooohh“, Sarahs weckte ihn aus seinem Zustand wieder auf. In einer schnellen Bewegung löste er sich, drehte sich um und versuchte so wütend wie möglich zu wirken. Noch bevor er eine Frage formulieren konnte, er etwas sagen konnte, bewegte sich der Arm und streckte ihm ein goldenes Buch entgegen. „Charles bat mich nach unserem heutigen Treffen inständig, dir sofort diese Spezialausgabe von 'Heavel – Awakening' zu bringen…es dürfte eine Zusatzgeschichte mit einem Dschinn aus einem Kühlschrank dort eingefügt worden sein“, erklärte Jin mit einem Lächeln, „und außerdem meinte er, er würde gerne noch deine Meinung zu dem vorgeschlagenen Cast für den Film hören. Schließlich bist du das große Vorbild und ohne dein okay will er nicht…“ Bei diesen Worten riss Mark die Augen auf, stoppte mitten in der automatischen Bewegung hin zu dem Buch. Aufgebracht schrie er: „WAS? Nein, nein, nein. Der Film darf nie kommen…nie!“, nur um sich gleich auf die Zunge zu beißen, aber wie immer war es schon zu spät. Therese, Serena und Clara standen alle, schienen wie angezogen von ihm und waren schon fast da, dicht gefolgt von Mercedes, die sich köstlich zu amüsieren schien. Sarah untermalte das ganze passenderweise mit einem: „Flieh, oder…zu spät“, bevor die erste der drei sprach. „Das…das…aber Teil zwei von ‚Heavel‘ ist doch noch gar nicht erschienen. Und wieso darf der Film nicht erscheinen? Und…dein Onkel kennt Charles Bond?“ Claras Stimme überschlug sich regelrecht, die anderen beiden schienen wie erstarrt, unfähig etwas zu sagen. „Herr…Marks Onkel, Sie…spielen Sie in dem Film mit? Sind sie Nafrit? Und Sie kennen…?“ Voller Begeisterung lauschten alle Claras Fragen, nickten mit glänzenden Augen. Zu Marks Entsetzen lächelte Jin die drei an, entlockte ihm damit ein genervtes: „Lächle nicht so…“, das fast eifersüchtig klang. Und dann fing sein Dschinn an mit tiefer, verführerischer Stimme zu sprechen: „Jin Naphuriquales, nicht ‚Marks Onkel“, meine Lieben.“ Mark zuckte bei ‚meine Lieben‘ zusammen, griff mit seinen Fingern nach dem Anzug und zog daran. „Das Buch ist zwar noch nicht erschienen, aber natürlich ist es schon geschrieben und nicht nur ich kenne Charles. Und wenn ihr jemanden sucht, der einem Charakter aus ‚Heavel‘ entspricht, dann solltet ihr eher Mark als Aladin sehen wollen…ich weiß zufällig…“, fing Jin an und brachte Mark dazu, schnell umzufahren. Seine Hand schoss hoch, weiter und weiter, bis er sie auf den Mund seines Dschinns klatschte und „Ruhe“ zischte. Lange hielt die Ruhe aber nicht an. Sein Arm wurde nach unten gedrückt, bis er das Gleichgewicht verlor und in einer Drehung endete. Sekundenbruchteile später spürte er etwas auf seinem Bauch, fühlte warmen Atem in seinem Nacken und sank nach hinten in die Sicherheit, bevor er auch nur einen Gedanken fassen konnte. „Ma…?“ Die Frage schnitt durch seine Stimmung, riss ihn aus der wohligen Wärme und zwang ihn sich wieder auf die Mädchen zu konzentrieren, während im Hintergrund Sarah ganz eindeutig kicherte. Schon der erste Blick war genug und Röte stieg in seine Wangen. Der Versuch sich zu verstecken misslang kläglich. Mit jeder Sekunde schien er mehr in sich zu versinken. Er war gefangen in einer Umarmung, aus der er sich nicht befreien wollte und konnte. Am Ende, gerade als er den ersten Arm hinunter drückte, hörte er ein Flüstern. „Nach zwei Jahren noch immer so eifersüchtig und so zurückhaltend…“ Darauf konnte er nicht anders, als mit seinem Ellbogen nach hinten zu stoßen. „Und du bist auch nicht besser. Mutter ist noch immer in Behandlung und ich wette, dass ist nur, weil sie meine Einstellung zu dir nicht akzeptieren will. Und zum Henker, die wissen nicht, dass ich dich liebe und ich will mich nicht outen, aber natürlich denkst du nie an mich...“, murrte er und rollte mit den Augen. Im nächsten Moment spürte er etwas in seinen Haaren, warmen Atem auf seinem Kopf und nahm die Worte wahr noch bevor er sie hörte, bevor sie in die Nähe seiner Ohren wanderten. „Nicht ganz, mein Markus – oder besser: Ganz das Gegenteil. Ich denke immer an dich, immer, mein Paradies und natürlich freue ich mich über deine kleinen Eingeständnisse…“, murmelte sein Dschinn, brachte ihn dazu sich zu versteifen, als ihm bewusst wurde, was er gesagt hatte, nur um dann zu seufzen. „Jaja, stichel nur. Ich habe nie gesagt, dass ich dich liebe…“ Damit versuchte er zu überzeugen, nur um dann zu sagen: „Aber das ist ja egal, alles ist egal. Die drei starren uns an...“, und lenkte damit ihrer beider Aufmerksamkeit auf die drei Mädchen, die tuschelten und in seine Richtung zeigten. „Meine Lieben, ihr solltet Markus nicht so anstarren“, fing Jin an und brachte Mark dazu, dezent zu lächeln, „und vielleicht ein wenig mehr in der Realität leben. Ein kleiner Spaß und ihr denkt wohl ernsthaft, Markus wäre schwul…“ Jetzt grinste er richtiggehend und war sich sicher, dass sein Dschinn es irgendwie auch tat. Das half ihm auch etwas, die eindeutigen Anzeichen an seinem Rücken zu ignorieren, die sein Körper so deutlich wahrnahm. „Aber…aber…“, stotterte Serena und deutete in ihre Richtung, „ihr, sie, du…hältst ihn in einer Umarmung!“ Das schien Mercedes anzuspornen. Sie schritt mit ihrem ewigen Schatten Math hinter sich, direkt zu den Mädchen und lächelte. „Gebt es auf. Mark ist doch viel zu männlich – das habt ihr selbst doch vorher gesagt, nicht? Also lasst den beiden ihren Scherz und seht sie als das, was so viele Männer sind, auch wenn sie sich einen Kuss geben: Einfach nur Freunde.“ „Stimmt, er ist viel zu männlich. Wäre ja auch zu eigenartig, wenn Mark schwul wäre“, führte Therese weiter aus und lachte dann verlegen. „Sorry Mark, aber du bist wirklich nicht sexy genug dafür Aladin zu spielen, auch wenn dein Onkel perfekt wäre und du gemeinsam mit ihm…naja, nein, das wäre auch zu eigenartig.“ Mercedes vergrub dabei ihr Gesicht in Maths Fell, krallte sich fest. Jedes Mal, wenn ihr Mund kurz sichtbar wurde, sah man wie sie mit Mühe ihre hochgezogenen Lippen zusammenpresste und sichtlich amüsiert wirkte. „Ich bin nicht sexy genug, um Aladin zu sein?“, murrte Mark kurz, die Stirn in Runzeln gelegt. „Zum Henker, dabei bin ich sein Vorbild…“, fügte er noch ganz leise hinzu und schnaufte, während Sarah irgendwo hinter ihm: „Du zu männlich…“, kichernd vortrug. „Nimm es nicht so tragisch, Mark. Du bist so toll und wenn du nicht immer so beschäftigt wärst, hättest du sicher schon eine Freundin. Der halbe Campus findet dich so männlich, süß und alle schwärmen, dass du dazu noch reich wärst. Hach, so einen lieben Kerl wie dich…auch wenn dein Onkel so sexy ist…“, ergänzte Therese, achtete nicht darauf, wie er langsam mit den Zähnen knirschte. Das merkwürdige Pochen in seinem Kopf nahm, während er mit kritischem Blick die drei Mädchen beäugte und seine Lider sich immer tiefer senkten. „Jin, sind sie eigentlich noch zu haben?“ Diese Frage hallte wider und wider, bis er nicht mehr konnte. Schnell fuhr er mit seinen Händen unter die Arme, die noch immer drückten und ihn sicher hielten und hob sie etwas hoch. Er drehte sich, starrte nur Sekunden in Jins Gesicht und schlang dann seine Finger um dessen Nacken, zog. Im nächsten Moment fühlte er Lippen, Wärme, die ihn durchflutete. Sein Körper reagierte, jauchzte und pochte, während seine Gedanken verschwanden und nur noch wohlige Leere blieb. Nichts als ein Rauschen ließ sie zurück, ein Prickeln in seinen Lippen, das ihn weiter trieb, ihn zwang, seine Finger immer stärker an den Nacken seines Jins zu pressen. Wärme war seine Belohnung, sprießte überall dort, wo er ihn berührte und versprach so viel mehr. Sie trieb ihn dazu, sich sanft an seinen Dschinn zu pressen. Hinter ihm verloren die erstaunten Silben an Bedeutung, verschwanden in der süßen Vorahnung auf das, was kommen konnte, bis ein Pieksen ihn aus seinem Taumel riss. „Vergessen du, dass hier andere sind?“, fragte Sarah und pickte gleich noch einmal in seinen Hals, zerrte an seinen Haaren und ließ sich auch durch Schütteln nicht von seiner Schulter bewegen. „Aufwachen du sollen, Hotel besser wäre…“, fügte sie noch an und stupste schließlich gegen seinen Kopf, bis er ihn drehte. Dort starrten jetzt die drei Mädchen mit weit geöffnetem Mund in seine Richtung, unfähig etwas zu sagen. Man hätte sie glatt für Steinstatuen halten können, wären da nicht die dezenten Atembewegungen gewesen. Doch langsam schien die Starre zu versagen. „Du bist schw…“ Das war das erste, was eine von ihnen herausbekam, was alle irgendwie gleichzeitig zu murmeln schienen. Er rollte nur mit den Augen. „Nein, bin ich nicht. Ich mag nur…naja, egal. Auf jeden Fall werde ich euch das Leben zur Hölle machen, wenn ihr das irgendjemandem erzählt. Und jetzt habe ich die Nase voll…danke.“ Damit stampfte er auf den Boden, und schob seinen Dschinn einfach nach hinten, bis dieser sich fröhlich lächelnd umdrehte und neben ihm einreihte. „O…kay…“ Irgendwo hinter ihm schien jemand gerade noch dieses Wort gebrochen herauszubekommen, aber er beachtete das nicht mehr wirklich, als seine Hand gehoben wurde. Tiefe Narben darauf blitzten ihm entgegen, nahmen die ganze Hand wie eine zerklüftete Mondlandschaft ein und schlossen erst kurz vor seinem Ellbogen. Sie erinnerten ihn an die tragischsten Stunden in seinem Leben, während der Griff alles ins Gute verwandelte. „Nachdem du dich jetzt schon so schön geoutet hast, könntest du endlich den Wunsch aussprechen, mit dem ich das hier heilen kann“, forderte ihn sein Dschinn auf und strich sanft darüber. Mark schüttelte nur den Kopf und schaute weiter darauf. „Nein. Wer weiß, wann ich so einen Wunsch vielleicht wirklich brauchen könnte. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, mit allem. Außerdem…bin ich ja so männlich damit.“ Ein Lächeln huschte dabei über seinen Mund und er drehte seinen Arm, drehte, bis er die Hand zu fassen bekam, die darauf lag. „Also, wie wäre es mit einer Belohnung? Das eine Hotel…“, lenkte er wieder ab und spürte zufrieden, wie sein Körper nur bei der Erwähnung von Wärme durchflutet wurde. Sekunden fiel er immer tiefer in dieses Gefühl, lehnte sich an seinen Dschinn. „Alles für dich, alles mein Paradies. Das Hotel steht bereit und ich habe da ein paar Überraschungen…“ Er hörte es und lächelte. Das einzige was er fühlte, war eine tiefe Zufriedenheit und die Sicherheit, dass alles so war, wie es sein sollte und immer so bleiben würde. Und dann flatterte Sarah über seinen Kopf, gluckste zufrieden. „Alles gut, alles gut!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)